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Dieser Trottel von einem Magier

„Häh? Was war das??“ Kurogane platzte fast der Kragen.

Shaolan, der in den Laden, den Simone ihnen genannt hatte, vorausgegangen war, damit Fye nicht angestrengt über den ganzen Platz humpeln musste, hatte die Inhaberin nach einer Wohnung gefragt, woraufhin diese ihn wieder hinausgeschickt hatte.

„Sie hat zwar eine freie Wohnung“, wiederholte Shaolan vor seinen beiden Kameraden bedröppelt, „allerdings könnte ein Mietvertrag nur mit … meiner Mutter abgeschlossen werden. Deswegen soll ich meine Mutter holen, wenn ich irgendetwas wollte.“ Er sah zu Fye, der lachend den Kopf schief legte.

„So wichtig habe ich mich ja noch nie gefühlt“, flachste er. „Na schön, Kuro-rin, dann hilf mir mal da rüber, damit ich uns ein Dach über dem Kopf besorgen kann.“

Den ganzen Weg (und noch im Geschäft) grummelnd, stützte der Ninja den hinkenden Blondschopf ab und versuchte, seine stärker werdenden Zustände zu unterdrücken, als die Vermieterin Fye zum zweiten Kind gratulierte. Zum Glück war der Frau das Glucksen aus Fyes Leibesmitte entgangen, das leise zu hören gewesen war. Da sie aus einer anderen Welt noch Goldmünzen hatten, war es immerhin nicht schwer gewesen, die erste Miete für ihre Unterkunft vorzustrecken. Die Vermieterin wunderte sich zwar sehr über die Art der Bezahlung, doch glücklicherweise gab sie sich mit der „Wir kommen von weit weg“-Ausrede zufrieden und begleitete die drei zu ihrer neuen Wohnung.

Im ersten Stock über einem kleinen Café gelegen, bestand ihr neues Domizil aus einem großen Wohnraum mit Küche, zwei nebeneinander liegenden Schlafzimmern und einem Bad. Zu ihrer aller Verwunderung sah im Innenraum alles viel moderner aus, als die Welt draußen vermuten ließ. Die Einrichtung war der vieler anderer Welten wie Hanshin oder Infinity nicht unähnlich und neben Elektrizität gab es sogar fließendes Wasser.

„Kommt ihr aus einer so abgelegenen Gegend, dass es bei euch keinen Strom gibt?“, fragte die Vermieterin verdutzt, als die drei Reisenden erstaunt die Wohnung erkundeten.

„Wir hatten hier wohl einfach keinen erwartet“, antwortete Fye höflich.

Die Frau zog eine Augenbraue hoch. „Ihr hattet hier keinen erwartet? Matrisis ist doch einer der ersten Städte, in der die Magie umgehend wieder funktioniert hat und uns das Leben seitdem von neuem leichter macht.“

Die Männer stutzten bei diesem Satz. Wieder funktioniert hat?

„Wie dem auch sei“, winkte die Vermieterin ab, „sollte etwas sein, weißt du, wo du mich findest.“ Wie im Großteil des vorangegangen Gesprächs wandte sie sich exklusiv an Fye.

„Vielen Dank“, erwiderte dieser, bevor die Frau sich verabschiedete und der Magier seine große, brummelige Stütze losließ, um sich röchelnd auf die Couch fallen zu lassen. „Wenn ich noch weiter in dieser hohen Stimmlage sprechen muss, ruiniere ich mir die Stimmbänder.“

„Du hast deine Rolle sehr gut gespielt, Fye-san.“ Shaolan verbeugte sich dankend vor dem Älteren. „Tut mir leid, dass du das machen musstest.“

„Ach was, es ist doch ganz lustig“, entgegnete der Magier und verstimmte einen gewissen Ninja damit noch mehr. Und als wäre dieser noch nicht verärgert genug gewesen, wuchs sein Unmut deutlich, als die Kugel in Fyes Mitte sich zu bewegen begann und sich ihren Weg nach oben bahnte, wo der Blondschopf flugs die obersten Knöpfe seiner Kleidung öffnete.

„Mokona hat doch auch sehr überzeugend gespielt, oder?“, fragte Mokona sichtlich selbstzufrieden, als sie aus Fyes Gewand heraushüpfte und direkt Kurs auf Kurogane nahm. „Nimm mich in den Arm, Papa!!“

„Pah.“ Der unfreiwillig Angesprochene fing sie mit seiner gesunden Hand und warf sie unsanft zu Fye auf das Sofa zurück. „Das war genug Affentheater für heute.“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stapfte Kurogane in das größere der Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.

Verdattert blickten die anderen ihm hinterher.

„Ist Kurogane böse auf mich?“, hauchte Mokona traurig.

„Nein, sicher nicht“, beeilte sich Fye zu sagen. „Er hat nur wieder eine seiner Launen. Wir wissen doch, wie er ist ...“

„Unmöglich~“, flöteten er und Mokona einträchtig.

„Irgendetwas scheint ihn zu verärgern“, äußerte Shaolan bedächtig, „womöglich ist es ihm unangenehm, dass wir dich als Frau ausgeben müssen.“

„Mach dir keinen Kopf, der regt sich auch wieder ab.“ Fye lächelte und doch konnte Shaolan erkennen, dass er dies nicht tat, weil er von seinen eigenen Worten überzeugt war, sondern weil er seine Verunsicherung überdecken wollte. „Ah, Shaolan-kun“, der Magier fummelte hastig das von Simone erhaltene Dokument hervor, „kannst du uns bitte im Café unten etwas zu essen besorgen? Wir haben schließlich den ganzen Tag noch nichts gegessen.“

Der Junge nickte, nahm das Papier entgegen und machte sich auf den Weg, obwohl er wusste, dass Fyes Auftrag wohl verhindern sollte, dass er sich zu viel dem Grübeln hingab. Kurz nachdem Shaolan hinaus geeilt war, machte der Magier Anstalten, aufzustehen. Er biss die Zähne zusammen, als sein Versuch, aufzutreten heftige Schmerzen verursachte.

„Fye!“ Mokona wibbelte aufgeregt auf dem Sofa auf und ab.

„Wartest du bitte hier? Ich will mit Papa alleine reden.“ Er stützte sich auf die Rückenlehne der Couch und hüpfte auf einem Bein in Richtung der Schlafzimmertüre. „Hepp!“ Mit Schwung hopste er zur Tür (knallte doller gegen den Türknauf als ihm lieb war), öffnete sie und trat ein.

„Was wird das?“

Seine Begrüßung fiel wie erwartet griesgrämig aus.

Kurogane saß auf dem Bett, den Umhang hatte er abgelegt und an der Art, wie sein rechter Ärmel nicht ganz ordentlich heruntergezogen war, konnte Fye erkennen, dass der Andere gerade nach seiner eigenen Verletzung hatte sehen wollen. Fyes nicht unbedingt geräuschlose Methode der Fortbewegung musste ihn gewarnt haben. Wobei – Kurogane hörte sogar die Flöhe husten.

„Hast du Schmerzen?“ Der Blonde lehnte mit dem Rücken gegen die nun wieder geschlossene Tür.

„Es geht schon.“

„Kuro-sama“, sagte er betrübt lächelnd, „du lügst mich doch nicht etwa an?“

Dies entlockte dem Dunkelhaarigen ein flüchtiges Lächeln. „Bin ich du? Es tut weh, aber es ist auszuhalten. Und ich hüpfe ja auch nicht wie ein durchgeknallter Flummi auf einem kaputten Bein durch die Gegend.“

„Ich glaube nicht, dass Flummis durchknallen können.“

„DAS IST NICHT DER PUNKT!!“

Fye lachte, machte ein weiteres Mal „Hepp!“ und stieß sich von der Tür ab, um auf dem Bett zu landen. Er blieb auf dem Rücken liegen und strich sich seine durch den Sprung ins Gesicht geflogenen, langen Haare zur Seite. Kurogane hatte sich zu ihm umgewandt und blickte ihn streng und verkniffen an. Der Magier kannte diesen Gesichtsausdruck. Er bedeutete, dass er etwas sagen wollte; also erwiderte er nur den Blick des Größeren und wartete ab.

„Gefällt dir diese Welt?“

Verdutzt blinzelte Fye ihn an. „Wie meinst du das? Wir sind doch gerade erst angekommen.“

„Gefällt dir die Rolle, die du hier hast?“

„Hm?“ Fye richtete sich auf seine Ellbogen gestützt auf und legte den Kopf etwas schief. „Du bist doch nicht etwa sauer, weil ich hier allem Anschein nach als Familienoberhaupt gelte, oder?“

„Quatsch.“ Kuroganes Tonfall wurde für einen Moment wieder knurriger, ehe erneut kurz Stille zwischen sie trat. „Du bist keine Frau.“

Die Verwirrung in der Miene des Anderen wuchs. „Machst du dir Sorgen, was passieren könnte, wenn wir auffliegen?“

„Auch.“

Der Blonde konnte sich nicht entsinnen, wann sie zuletzt ein so schleppendes, beinahe frustrierendes Gespräch geführt hatten – und damals war es mit ziemlicher Sicherheit seine Schuld gewesen.

„Ich gebe auf, Kuro-tan. Ich bin schlecht im Raten.“ Auf seinen saloppen Kommentar warf ihm der Ninja einen so missmutigen Blick zu, dass Fye fast erschrak.

„Dir scheint der Gedanke zu gefallen, eine Frau zu spielen.“

„Und?“

„Du bist ein Mann.“

„Unbestreitbar, ja.“ Er legte von neuem den Kopf schief. „Kuro-pon, wo genau liegt das Problem?“

„Du hattest von Anfang an nichts dagegen, dass der Klops dich 'Mama' nennt und jetzt spielst du bereitwillig eine Frau. Von der verstörenden Nummer mit dem Wollknäuel eben will ich gar nicht erst anfangen, aber dir schien das Freude zu bereiten.“

Während er sprach, weiteten sich die Augen des Magiers und Trübsinn schlich sich in das klare Blau, dessen Anblick Kurogane eigentlich liebte. Alarmiert hielt der Ninja inne und registrierte die nun leicht hängenden Schultern seines Gegenübers. „Hey“, forderte er nach seiner schnellen Musterung, „was soll das lange Gesicht?“

Langsam setzte sich Fye vollständig auf, rutschte an das Fußende des Bettes und richtete seinen Blick gen Boden. „Findest ...“, begann er leise, „findest du es so abstoßend?“

Kurogane entglitten die Gesichtszüge. „Häh?“

„Mein Äußeres.“

„Häh??“, wiederholte der Schwarzhaarige lauter und verdatterter. „Wie kommst du jetzt auf so einen Mist?“

Fye hob seinen Kopf wieder und sah durch seine erneut ins Gesicht gefallenen Haarsträhnen fragend zu dem anderen Mann. „Du hast doch gerade gesagt, dir gefällt mein feminines Äußeres nicht.“

Kurogane erwiderte seinen Blick, bevor er sich mit der linken Hand stöhnend an den Kopf fasste. „Idiot. Das hab ich mit keinem Wort gesagt.“

Der Magier blinzelte ihn nun vollkommen verwirrt an. „Aber ...“

„Nein, nichts aber“, fiel der Ninja ihm harsch ins Wort. Er atmete durch und strich dem Anderen die Strähnen aus dem Gesicht. „Dass dein Wirrkopf gleich zu solchen absurden Schlussfolgerungen springt.“ Er stöhnte ein weiteres Mal. „Hätte ich mir eigentlich auch denken können … wir reden schließlich von dir.“

Ein leises, melancholisches Lachen entwich Fyes Kehle. „Also … das ist nicht das Problem?“

„Nein, du Trottel.“ Kurogane strich ein weiteres Mal durch die blonden Haare, um seinen Punkt zu untermauern. Es war typisch für ihn, es so auszudrücken, dass er das Aussehen seines Partners mochte. Ein „Ich finde dich hübsch“ war von ihm genauso wenig zu erwarten wie ein „Ich liebe dich“, aber das war in Ordnung, weil Kurogane seine Gefühle durch seine Gesten zu verstehen geben konnte. Beruhigt lehnte Fye sich in die Berührung des Anderen, als dieser sein Gesicht streifte. Dann jedoch stutzte er.

„Was meintest du denn dann?“

Der Größere der beiden Männer zog seine Hand zurück. „Da du ein Wirrkopf bist, besteht die Gefahr, dass du dich in irgendein Wunschdenken verrennst, das allerdings nie Realität werden wird. Ich weiß zwei Dinge ganz genau über dich: Du bist anfällig für Wünsche, die niemals real werden können und du rückst nie damit heraus, wenn dich etwas beschäftigt. Und in letzter Zeit beschäftigt dich etwas. Da du aber von dir aus nicht die Zähne auseinander kriegst-“

„Moment, Moment, Kuro-sama“, unterbrach Fye ihn, allmählich begreifend. „Hat das mit der Sache aus der vorigen Welt zu tun? Mit dem, was die Tochter des Ältesten bezüglich der Kinder gesagt hat?“

Kurogane deutete ein Nicken an und es machte Ah~~ in Fyes Kopf und Mimik. Er fing an zu kichern und winkte mit einer Hand ab. „Oje, oje, nein, da hast du zu viel zwischen den Zeilen gelesen. Das ist so süß von dir, dass du dir deswegen Sorgen machst!“

„Du hegst also keine Gedanken ...“ Der Ninja brach den Satz ab. Das bekam er nicht über die Lippen.

„Nein, Kuro-pii, ich hege ganz sicher keine Gedanken, tatsächlich Mutter werden zu wollen.“ Der Magier lachte laut und ließ sich zurück aufs Bett fallen. „Jetzt hältst du mich aber wirklich für dumm. Natürlich können wir keine Kinder haben, auch wenn sie sicherlich sehr hübsch wären, wenn sie nach ihrem Vater kämen.“

Der Dunkelhaarige brummte verstimmt. „Lass das Herumalbern und sei ehrlich. Du steigerst dich nicht in irgendwelche Wunschvorstellungen hinein?“

Die Mimik des Blonden wurde abrupt ernster und er setzte sich wieder auf. „Ich bin ehrlich. Ich steigere mich in nichts dergleichen hinein.“ Er blickte ihn sanft an und griff mit beiden Händen nach seiner künstlicher Hand. „Du machst dir viel zu viele Gedanken um mich.“

Er erntete ein schwaches Kopfschütteln. „Man kann sich nie genug Gedanken um dich machen. Besonders, wenn du wieder irgendwas in dich hineinfrisst. Und genau das tust du doch schon wieder.“

Ertappt zuckte Fye zusammen und hoffe gleichzeitig, dass Kurogane dies nicht gemerkt hatte. „Vielleicht bildest du dir das auch nur ein, weil du es so gewohnt bist.“ Er versuchte, nonchalant zu klingen und kämpfte gegen die Gewohnheit an, bei einer Lüge automatisch zu lächeln. Wenn er nun an der falschen Stelle lächelte, würde er sich sofort verraten. Trotzdem sah Kurogane ihn mit diesem wissenden Blick an, der Fye in die Verzweiflung treiben konnte.

Das Geräusch einer sich öffnenden und wieder schließenden Tür rettete ihn.

„Shaolan ist zurück!“, rief er erfreut aus und bremste sich, aufzuspringen. „Hättest du die Güte?“

Er bekam nur ein Grummeln als Antwort, aber nichtsdestotrotz stützte Kurogane ihn wie zuvor ab, damit sie beide ins Wohnzimmer zurückkehren konnten.

 

„Oh, das sieht alles lecker aus.“ Fye bewunderte das Essen, das Shaolan aus dem Café mitgebracht und auf dem kleinen, runden Esstisch angerichtet hatte. „Vielen Dank, Shaolan.“

„Tut mir leid, dass ich von manchen Sachen nur ein Teil habe, aber gen Abend ist wohl schon viel ausverkauft“, sagte der Junge entschuldigend, während Mokona und Kurogane sich im Hintergrund um eine Pastete stritten.

„Nicht schlimm, wir werden alle satt.“ Fye warf ihm ein Lächeln zu. „Hast du diesen Wisch von Simone gebraucht?“

Shaolan nickte eifrig. „Obwohl ich nur kurz auf die Straße treten musste, um in das Geschäft zu kommen, wurde ich dort direkt kontrolliert.“

„Das ist sehr interessant.“ Nachdenklich blickte der Magier auf das Dokument, das Shaolan auf den Tisch gelegt hatte.

„Von dem, was ich bei meinem kurzen Ausflug mitbekommen habe“, berichtete der Jüngste, „scheinen alle hohen Ämter von Frauen besetzt zu sein und auch die Ladeninhaber scheinen alle Frauen zu sein.“

„Wie kommst du zu dem Schluss?“, fragte Kurogane, die Pastete triumphierend in der gesunden Hand haltend.

„Ich habe die anderen Kunden gefragt, was sie beruflich machen“, erklärte Shaolan. „Ich sagte, wir wären neu in der Stadt und auf der Suche nach Arbeit.“

„Ui, das war clever“, lobte Fye und freute sich über das zarte Lächeln, dass sich dadurch auf Shaolans Gesicht bildete.

„Ja, clever!“ Mokona hopste hinauf und biss in die Pastete, die Kurogane wie eine Siegestrophäe gehalten hatte. Wutentbrannt schüttelte der Ninja das Gebäck, um das weiße Anhängsel daran loszuwerden.

„Jedenfalls waren alle Männer, die im Café waren, in Geschäften und Betrieben angestellt, die von Frauen geleitet werden und als ich fragte, ob keiner von ihnen ein eigenes Unternehmen hätte, sahen sie mich an, als hätte ich den Verstand verloren.“ Shaolan fuhr mit seinem Bericht fort, den neben ihm stattfindenden Kampf ums Essen weitestgehend ignorierend. Auch das war er irgendwie gewohnt.

„Das heißt, Männer haben hier wohl nichts zu sagen?“ Fye stützte einen Ellbogen auf dem Tisch auf und seinen Kopf daraufhin auf seiner Hand ab.

„Es gibt eine Bibliothek in der Stadt“, erzählte Shaolan weiter, „die würde ich mir morgen gerne einmal ansehen. Vielleicht erfahren wir dort auch etwas mehr über diese Welt.“

„Das klingt nach einem Plan“, entgegnete sein Gesprächspartner zufrieden.

„Du und Kurogane-san solltet zuerst einen Arzt aufsuchen.“

„Wenn Kuro-Böckchen damit einverstanden ist.“ Der Magier stutzte, als Mokona (die inzwischen die gesamte Pastete verputzt hatte) ihm noch etwas zu essen auf den Teller schob.

„Fye hat noch fast nichts gegessen“, erklärte sie ihre Handlung und wurde von dem Angesprochenen lächelnd hochgehoben.

„Das ist lieb, Mokona, aber ich habe heute Abend nicht so viel Hunger.“

„Ein Tisch voller Essen und du hast keinen Hunger?“ Argwöhnisch hob Kurogane eine Augenbraue und auch Shaolan blickte besorgt zu dem schlaksigen Kameraden.

„Ist alles in Ordnung?“, fiepste Mokona sorgenvoll.

„Mein Bein tut weh und ruiniert mir den Appetit.“ Er schaute in drei besorgte Gesichter (das hieß: zwei besorgte, ein misstrauisches), die seiner Aussage augenscheinlich nicht ganz über den Weg trauten. „Morgen geht es mir bestimmt schon besser“, fügte er betont gut gelaunt hinzu und rieb Mokonas Wange gegen seine eigene.

 

Dieser Trottel von einem Magier.

Kurogane blickte missmutig auf den schlafenden Mann im Doppelbett vor ihm. Der Idiot hatte sich auf die linke Hälfte des Bettes gelegt, was bedeutete, dass Kurogane, der am liebsten auf der Seite schlief, genau dies NICHT tun konnte. Wann dies eine Angewohnheit geworden war, konnte er nicht mehr sagen, doch schon seit Langem schlief Kurogane am liebsten so, dass er dem Magier zugewandt war. Sowieso nur einen leichten Schlaf habend, war es für den Ninja gang und gäbe, ein paar Mal in der Nacht aufzuwachen und nach dem Mann neben ihm zu sehen. War er noch da? Schlief er ruhig? Gab es Anzeichen von Albträumen? Oder besaß er gar die Frechheit, zu der furchtbaren Eigenart zurückzukehren, auf dem Bauch zu liegen und sein Gesicht auf eine ungesund aussehende Art und Weise in sein Kissen zu drücken? Ihm letzteres abzugewöhnen hatte eine Ewigkeit gebraucht (und die Methode, ihm, jedes Mal, wenn er auf den Bauch rollte, ein Glas Wasser überzuschütten; Fye warf ihm bis heute vor, dass ihm dies Spaß machte und bis heute musste Kurogane bei jedem dieser Vorwürfe ein Grinsen unterdrücken).

Jetzt unterdrückte er halbherzig ein tiefes, unzufriedenes Grummeln.

Wenn er den Magier im Auge behalten wollte, musste er selbst auf dem Rücken schlafen und selbst dann würde es schwierig, weil der Wirrkopf sich selbst zur Wand gedreht hatte.

Er hielt in seinen Beobachtungen inne.

War das Absicht von ihm? Fye wusste, dass er nicht auf seiner verletzten Seite liegen konnte. Kurogane setzte sich auf die noch freie Hälfte des Bettes und schaute von dort auf die schlafende Gestalt hinab. Der Kerl trieb ihn in die Paranoia. Seit dieser Eiswelt (Dragoon oder wie sie hieß) verhielt er sich verdächtig und hatte dazu noch die Unverschämtheit verbergen zu wollen, was auch immer ihn beschäftigte. Er hatte keine Lust, dem Clown von neuem einen Vortrag darüber zu halten, dass er ehrlich sein sollte.

Kurogane hielt erneut inne.

Was mochte es sein, dass er nicht mit ihm darüber reden wollte? Der Mann konnte unmöglich noch mehr Geheimnisse mit sich herumschleppen. Seit ihrer Weiterreise aus Clow waren über eineinhalb Jahre vergangen und sie waren die ganze Zeit zusammen gewesen; es war ausgeschlossen, dass irgendetwas Neues ihn quälte. Also etwas Altes? Aber was? Und wieso?

Der Ninja seufzte leise. Verdammter Magier, verdammte Geheimnistuerei.

Er löste seinen Blick von dem fest schlafenden Mann, legte sich selbst hin … und unterdrückte einen Schmerzenslaut. Die Wunden, die bis auf seinen Rücken reichten, verboten ihm sogar die Rückenlage.

Das ist doch wohl nicht …! So ein Scheiß.

Das Umhergelaufe am Tag musste ihm zugesetzt haben.

Erbost drehte er sich auf seine linke Seite und schlief mit im Zorn gerunzelter Stirn ein. So erschöpft war er von diesem Tag und besonders von all den Tagen davor, dass sein Körper nicht auf das leise Rascheln reagierte, das neben ihm ertönte. Fye hatte die Augen aufgeschlagen, kurz nachdem er sich umgedreht hatte. So geräuschlos wie nur irgend möglich, wandte der Magier sich ihm zu und blickte mit traurigen Augen auf den breiten Rücken des Ninjas. Das durch das Fenster hereinscheinende Mondlicht, das dem Dunkelhaarigen das Mustern des Magiers erlaubt hatte, ermöglichte nun wiederum diesem einen Blick auf die notdürftig behandelten und verbundenen Wunden, die außerhalb des ärmellosen Oberteils, das Kurogane zum Schlafen trug, sichtbar wurden.

Fye wünschte sich, dass er ihn dort berühren könnte und dies auf magische Weise die Verletzungen heilen könnte, doch seine Zauberkraft war nicht imstande zu heilen. In letzter Zeit fragte er sich, wozu sie überhaupt gut war. Lange, lange blickte er auf die Wunden des Anderen und wie sein Herz dabei immer schwerer wurde, wurden es seine Augen erst sehr viel später.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ursprünglich hatte ich eigentlich Fluff schreiben wollen, aber dann bekam ich endlich (endlich!) die Tokyo Revelations DVD in die Finger und … es hatte sich ausgeflufft. Na ja, ein bisschen Fluff ist wohl noch übrig geblieben. Komplett anzeigen

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