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Erster Teil – Kapitel 1: Die neue Welt

„Argh! Nach all der Zeit schaffst du es immer noch, Landungen zu vermasseln??“ Kurogane zeterte grässlich, nachdem er, Shaolan und Fye hart auf den Erdboden geknallt waren.

„Mokona friert immer noch ganz schlimm“, bibberte die kleine, weiße Gestalt jammervoll, „deswegen wollte Mokona ganz schnell weg aus dieser Welt.“

„Armes Ding“, sagte Fye voller Mitleid, „wird dir denn nun wieder warm?“

Bei diesen Worten sprang Mokona dem noch auf dem Boden sitzenden Magier in die Arme und kuschelte sich an seinen Brustkorb. Von den drei Männern trug Fye aus der vorigen Welt die flauschigste Kleidung. Es war ein langes, weißes Gewand mit einem Muster aus blauen und roten Halbkugeln, die sich gegenseitig zu einem Ganzen ergänzten, einer Hose in den gleichen Farben und einem warmen, mit Federn gefütterten beigefarbenen Mantel darüber, den Fye sogleich über Mokona zuzog, damit es ihr wärmer wurde.

„Du verhätschelst den Klops“, kritisierte Kurogane und ließ beiläufig seinen Blick über Shaolan wandern, um zu prüfen, ob der Junge den Aufprall unbeschadet überstanden hatte. Wie es schien, hatte er dies. Genau wie er selbst stand Shaolan schon wieder und wirkte erleichtert, dass niemandem bei der unsanften Landung etwas zugestoßen war. Der lange, grüne Umhang des Jungen flatterte im Wind und ließ seinen schwarzen Rollkragenpullover und sein grüne Hose zum Vorschein kommen. Kurogane trug ein ähnliches Outfit, nur dass sein Umhang und seine Hose rot waren und er einen einfachen Pullover anhatte. Keiner von beiden hatte – wie Mokona in der vorigen Welt festgestellt hatte – einen hohen Kuschelfaktor.

„Immerhin scheint das Wetter hier gemäßigter zu sein“, äußerte Shaolan nachdenklich, während er sich die karge Landschaft, die sich um sie herum ausbreitete, betrachtete. So weit das Auge reichte, waren nur trockener Boden und kümmerliche Sträucher zu sehen. Der Himmel war merkwürdig grau-lila gefärbt und es war keine Sonne zu sehen. Trotzdem war es nicht kalt. Ob es hier Menschen gab? Es schien keine Stadt in der Nähe zu sein, doch dann wiederum waren sie anscheinend in einer kleinen Senke gelandet und sein Blick reichte nicht so weit, wie er es tun würde, wenn er ebenerdig stände.

„Hmpf“, machte Kurogane, den Blick nach oben gerichtet. „Wir sollten uns hier umsehen und einen Unterschlupf finden. Keine Ahnung, ob das ein Unwetter gibt oder ob der Himmel hier immer so aussieht, aber ich habe ein ungutes Gefühl.“

„Es gibt hier Magie.“ Fye sah vom Boden aus ebenso empor. „Sie ist äußerst stark und … irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl.“

„Na toll“, entgegnete der Ninja grummelnd, „'ne kurze Pause wäre ja auch zu viel verlangt gewesen.“

„Sei nicht gleich so ein Schwarzmaler … Schwarzilein.“ Fye kicherte über seinen eigenen Wortwitz und freute sich, dass es unter seinem Mantel ebenso kicherte.

„DAS IST NICHT MEIN NAME!“, fauchte Kurogane ihm entgegen.

„Sollen wir uns hier umsehen?“, warf Shaolan ein, immer wieder überrascht, dass dem Magier immer noch neue Spitznamen einfielen. „Oder ... sollen wir weiterreisen?“ Sein unsicherer Blick wanderte von Kurogane zu Fye und verriet sein schlechtes Gewissen. Er und Mokona waren die einzigen, die in der vorigen Welt nicht verletzt worden waren. Und das war den beiden Älteren zu verdanken.

„Ich denke, wir sollten uns erst einmal hier umsehen“, antwortete Fye, „vielleicht ist diese Welt gar nicht so schlecht und wir können uns hier etwas erholen.“ Er schickte ein sanftes Lächeln hinterher. „Du brauchst keine Schuldgefühle zu haben, Shaolan. Papa und ich sind nicht aus Glas, wir werden wieder, richtig, Kuro-pon?“

„DAVON WAR AUCH NICHTS MEIN NAME! Aber, ja, ansonsten hat der Idiot ausnahmsweise mal Recht.“ Kurogane zuckte mit den Schultern und schreckte bei der Bewegung ein wenig zusammen. Die Verletzung tat doch noch mehr weh, als er zugeben wollte. „Kannst du aufstehen?“, fragte er Fye.

„Aufstehen, ja. Auftreten, nein“, erwiderte dieser lächelnd. „Und du kannst mich mit deinen Wunden nicht tragen.“

„Natürlich kann ich das.“

„Solltest du aber nicht.“

„Ich kann und ich werde.“

„Das ist unvernünftig, Kuro-tan.“

„Seit wann verstehst du etwas von Vernunft?“

„Ich habe eine viel größere Lernkurve als du.“

„Weil du im Gegensatz zu mir bei null angefangen hast.“

„Aw, Kuro-rin, man könnte glatt meinen, du würdest mich 'dumm' nennen.“

„Muss ich jetzt Beweise anführen, um zu zeigen, dass du nicht immer der Schlauste bist? Da würden mir genug einfallen.“

„Touché, aber du solltest mich trotzdem nicht tragen, sonst würde das ja heißen, dass du genauso dumm wärst wie ich.“

Man konnte Kurogane ansehen, wie unzufrieden er mit dieser Diskussion war. Fyes Argumentation ließ ihn mit den Zähnen knirschen und die Stirn zornig runzeln. Er hasste es dies einzugestehen, doch: Der Magier hatte nicht ganz Unrecht.

„Shaolan und du, ihr könnt die nähere Umgebung begutachten und je nach dem, was ihr findet, entscheiden wir, wie es weitergeht“, schlug Fye vor.

„Kommst du denn alleine zurecht, Fye-san?“, fragte der Junge, der bei der vorangegangen Diskussion der beiden nur zwischen ihnen hin und her geguckt hatte. Er war dies von ihnen gewöhnt und solange sie miteinander diskutierten, machte er sich keine Sorgen. Erst wenn eisige Stille zwischen die beiden trat, war es an der Zeit, sich zu sorgen.

„Mokona passt auf ihn auf, auch wenn Mokona sehr müde ist.“ Das kleine Wesen lugte aus dem kuscheligen Mantel heraus und Fye tätschelte es mit einer Hand auf sein kleines Köpfchen.

„Dann kann mir ja nichts passieren. Und außerdem haben wir so einen ganz guten Indikator für den Fall, dass ihr euch zu weit von uns entfernt. Wenn Kuro-pii noch wirreres Zeug als sonst spricht, seid ihr zu weit von uns weg.“

„WAS HEISST DENN HIER NOCH WIRRERES ZEUG?!“ Der Ninja schnaubte, dachte dann aber kurz über den Vorschlag nach. „Meinetwegen. Tu uns aber wenigstens den Gefallen und bring dich nicht in Schwierigkeiten, wenn du hier brav auf der Stelle sitzen bleibst.“

„Wie soll ich mich denn so in Schwierigkeiten bringen?“

„Was weiß ich, wie du das immer schaffst. Kleiner, wir gehen.“

„Äh, ja!“ Shaolan zuckte erschrocken zusammen, als Kurogane abrupt losmarschierte. „Wir sind bald zurück.“

„Passt auf euch auf!“, rief Fye dem Jungen hinterher, der dem Ninja mit großen Schritten nacheilte, ehe sein Lächeln einer traurigeren Miene wich.

„Geht es dir gut?“, fragte Mokona besorgt.

„Aber ja, meine Verletzung tut nicht so weh.“

„Das meinte ich nicht.“

Der Magier entschied sich zu schweigen. Alles andere hätte nur weitere Lügen provoziert.

 

Shaolan hatte Kurogane eingeholt und sie stapften schweigend durch die karge Landschaft, die sie wachsam betrachteten. So weit das Auge reichte, änderte sich nichts an dem, was sie sahen: trockene Erde, dürre Sträucher. Mit jedem Meter, den sie zurücklegten, wurde es unwahrscheinlicher, dass hier Menschen lebten. Das hieß dann für sie selbst, dass sie hier nicht bleiben konnten. Nach der letzten Welt hatten sie alle auf einen Ort gehofft, an dem sie neue Energie tanken und Fye und Kurogane ihre Verletzungen auskurieren konnten. Aber hier, so dachte Shaolan bedrückt, hier war das auf keinen Fall möglich.

„Wenn du in Gedanken versunken bist und nicht aufpasst“, sagte sein Begleiter unaufdringlich belehrend in die Stille hinein, „dann entgehen dir wichtige Dinge.“

Der Junge schreckte zusammen. „Entschuldigung.“

„Wenn wir hier nichts finden, bringt das Wollknäuel uns halt in die nächste Welt, also mach dir keinen Kopf.“

„Und wenn die nächste Welt so sein wird wie die vorige?“, entgegnete Shaolan bekümmert, was den Ninja neben ihm zum Seufzen brachte.

„Immer ein Schritt nach dem anderen.“

„Ja.“ Der Jüngere der beiden fokussierte seinen Blick wieder auf seine Umgebung. Er hätte den Anderen gerne darauf angesprochen, ob er sich Sorgen um Fye machte, weil dieser sich seit der Eiswelt, aus der sie gerade gekommen waren, merkwürdig verhielt, doch Shaolan hielt dieses Bedürfnis zurück. Zum einen war es nun wichtiger, sich auf die neue Welt zu konzentrieren, zum anderen war es vielleicht besser, dies anzusprechen, wenn Fye bei ihnen war.

Schlagartig blieb Shaolan stehen.

„Sieht das da vorne aus wie … eine Straße?“

Kuroganes Blick folgte sogleich Shaolans Fingerzeig. „Sehen wir uns das an.“

Die zwei eilten zu dem Weg, der durch die Einöde führte. Der Boden sah an dieser Stelle aus wie platt getreten, so als wären schon viele Menschen auf ihm entlang gegangen. Zudem konnte man Hufspuren und Fahrrillen wie von Kutschenrädern erkennen.

„Diese Spuren sind definitiv noch nicht alt“, sagte Shaolan, nachdem er sich hingekniet hatte, um sich alles näher anzusehen, und nun wieder aufstand. „Diese Straße scheint häufig benutzt zu werden.“

„Na bitte“, erwiderte Kurogane, „wo es eine Straße gibt, gibt es auch Menschen, oder?“

Als hätte er unbewusst ein Stichwort gegeben, ertönte das klackernde Geräusch von herannahenden Hufen und Rädern. Alarmiert richteten die beiden Reisenden ihren Blick zu der Seite von der die Geräusche kamen. Hinter einigen Sträuchern zu ihrer Linken trabte langsam ein Pferdegespann heran, das einen Planwagen hinter sich herzog. Auf dem Kutschersitz saßen ein junges Mädchen mit dunkelbraunen Haaren, das vielleicht ein wenig älter war als Shaolan, und neben ihr ein Herr mittleren Alters, der ihr nicht unähnlich war; vielleicht ihr Vater? Die beiden sprachen aufgeregt miteinander, als sie die Fremden erblickten (was Kuroganes Hand nervös in Richtung seines unter seinem Umhang verdeckten Schwerts wandern ließ), dann hielt der Wagen auf Höhe der beiden Männer an. Fragende, beinahe skeptische Blicke trafen sie von hoch oben des Kutschbocks.

„Ähm, guten Tag“, begann Shaolan vorsichtig und doch freundlich, „wir kommen von weit her und kennen den Weg in den nächsten Ort nicht. Wären Sie so freundlich, uns-“

„Seid ihr etwa alleine unterwegs?“, unterbrach der ältere Herr ihn streng und mit prüfendem Blick. „Wo ist eure weibliche Begleitung?“

„W-weibliche Begleitung?“, erwiderte Shaolan verdattert.

„Ihr wisst doch wohl, dass ihr ohne eine solche nicht unterwegs sein dürft“, rüffelte das Mädchen sie. „Die Gesetze unseres Landes sind doch weithin bekannt.“

Shaolan und Kurogane blinzelten sich irritiert an.

„Was ist denn los?“ Eine Frau mittleren Alters, welche die gleichen dunkelbraunen Haare hatte wie das Mädchen, steckte ihren Kopf durch die vordere Öffnung der Plane.

„Zwei dubiose Gestalten, die anscheinend ohne eine Frau unterwegs sind“, gab der Mann ihr zur Antwort. „Als wüssten sie nicht, dass das strafbar ist.“

Schweißperlen bildeten sich auf den Stirnen derjenigen über die gesprochen wurde. Strafbar? Manövrierten sie sich wieder einmal ungewollt in Schwierigkeiten?

„Niemand ist so dumm, dies nicht zu wissen oder nicht zu beachten“, antwortete die Dame.

„N-natürlich haben wir eine Frau dabei“, beeilte sich Shaolan zu sagen. Er wollte es gar nicht riskieren, herauszufinden, was für Strafen da auf sie warten könnten.

„So?“, entgegnete die Frau amüsiert. „Und wo ist sie? Ist sie etwa unsichtbar?“

„N-nein, natürlich nicht … wir … wir haben uns nur verlaufen und … deswegen … deswegen sind wir vorausgegangen“, log Shaolan zunehmend atemloser.

Bei seiner Geschichte wurde die Mimik der Frau ernster. „Sich hier zu verlaufen ist höchst gefährlich. Von wo in aller Welt kommt ihr her, dass ihr das nicht wisst?“

„Wieso gefährlich?“, fragte Kurogane ungerührt und die Frage der Einheimischen eiskalt ignorierend.

„Na, wegen der Unwetter.“ Das Mädchen zeigte auf den Himmel, der inzwischen mehr lila als grau war.

„Hm?“ Kurogane und Shaolan schauten empor. „So ein Scheiß, ich hab doch gesagt, das sieht aus wie ein Unwetter.“

„Ihr scheint hier wirklich fremd zu sein“, äußerte die Dame im Wagen nachdenklich. „Nun, wir können euch hier unmöglich zurücklassen, wenn es nicht mehr lang bis zur nächsten Blitzschauer ist. Holt eure Gefährtin, wir nehmen euch mit in die Stadt.“

„Bitte, das ist nicht nötig“, erwiderte Shaolan hastig, „wir wollen keine Umstände machen.“

„Junge, hast du nicht zugehört?“ Die Frau hob kritisch eine Augenbraue. „Es ist nicht mehr lange bis zur nächsten Schauer. Beeilt euch. Wir warten.“

„Wir kommen alleine klar“, entgegnete Kurogane und fing sich umgehend einen bösen Blick der Dame ein.

„Ihr werdet hier draußen sterben, wenn die Blitze euch erwischen. Bist du der Vater des Jungen? Hat er diese Unvernunft von dir? Ich würde dies lieber mit eurer Familienvorsteherin besprechen“, sagte die Frau ungeduldig.

„Familienvorsteherin? Was zur Hölle? Wir haben keine-“

„Ja, in Ordnung!“, platzte Shaolan in Kuroganes Poltern hinein. „Wir sind gleich zurück!“ Er zog den Älteren am Umhang und schritt eilig mit ihm davon.

„Was soll das, Bengel?“, grummelte der Ninja, als sie außer Hörweite waren.

„In dieser Welt scheint es strafbar zu sein, ohne Frau umher zu reisen.“

„Hab ich kapiert, aber wir haben keine Frau dabei.“

„Dafür scheint es eine Stadt zu geben. Vielleicht können wir da unterkommen.“

„Du vergisst den Teil mit der fehlenden Frau.“ Kurogane musterte den Jungen noch einmal. War er eventuell doch auf den Kopf gefallen?

„J-ja, schon, aber ….“ Shaolan wurde merkwürdig rot im Gesicht. „Der Teil mit den Blitzschauern beunruhigt mich mehr“, fügte er ernst hinzu. Im Moment war es ihm am wichtigsten, seine Freunde aus dieser bedrohlichen Lage zu retten. Wenn die Idee, die ihm eben – zu seiner eigenen Scham – in den Sinn gekommen war, sie bis in die Stadt bringen könnte, dann hätten sie bereits viel gewonnen. Und müssten dann erst sehen, wie es weitergehen sollte.

Der Himmel war mittlerweile fast vollkommen lila, als sie bei ihren zurückgelassenen Kameraden ankamen. Aufmerksam beobachtete Fye ihr Eintreffen und wunderte sich, warum Shaolan so rot im Gesicht war – und es noch schlimmer wurde, als er den Magier ansah.

„Habt ihr etwas gefunden?“, erkundigte sich der Blondschopf neugierig.

„Unwetter.“ Kurogane deutete missmutig mit einem Finger zum Himmel und Fye nickte. Das hatte er sich wohl auch schon gedacht.

„Da-da sind Leute, die uns mit in die nächste Stadt nehmen wollen“, erklärte Shaolan nervös. „Allerdings gibt es hier ein Gesetz laut dem man nur in Begleitung einer Frau reisen darf.“

„So? Warum denn das?“

„Das-das wissen wir nicht, aber es ist strafbar ohne eine Frau zu reisen.“

Erneut nickte Fye. „Verstehe. Das ist aber unglücklich für uns.“

„J-ja, au-außer wir würden … würden …“ Shaolan atmete durch, doch trotzdem kamen die Worte nicht über seine Lippen.

„Wir werden gleich von Blitzen gegrillt“, warf Kurogane ein. „Also hör auf, deine Zunge zu verschlucken und spuck aus, was du für eine Idee hast.“

„Nur Mut, Shaolan!“, ertönte es aus dem Mantel des Magiers.

Der Junge blickte wieder mit inzwischen dunkelrotem Kopf zu dem vor ihm auf dem Boden sitzenden Mann, der ihn aufmerksam betrachtete.

„F-fye-san“, stotterte Shaolan weiter, „von uns vieren siehst du ...“ Er brach erneut ab, doch plötzlich machte es 'klick' in Fyes Kopf und er sah sein verlegenes Gegenüber mit großen Augen an.

„Oh. Du meinst doch nicht etwa, wir sollten …?“

Shaolan verbeugte sich entschuldigend. „T-tut mir leid, Fye-san! Das war eine dumme Idee! Das können wir unmöglich von dir verlangen. Ich dachte nur, dass wir so vielleicht in die Stadt kommen könnten ….“

Fye blinzelte ihn an, ehe er verlegen lachen musste. „Es ist wirklich zu dumm, dass Sakura-chan nicht hier ist, dann wäre unser Problem gelöst. Denn ich weiß wirklich nicht, ob uns das jemand abnehmen würde und leider kann da nicht einmal Magie nachhelfen.“

„Was??“, keifte Kurogane bärbeißig dazwischen. Er verstand kein Wort von dem, was die beiden anderen sprachen. „Ob uns was abgenommen würde? Was soll dieses Gerede in Rätseln??“

„Oh, Kuro-pon“, äußerte Fye, plötzlich schelmisch grinsend, „mein Gefühl sagt mir, dir wird diese Idee nicht gefallen.“

„Häh?!“

„Na gut!“, rief der Magier energisch aus. „Dann überlasst das ruhig mal Mama!“

„HÄH?!“ Kurogane verstand die Welt nicht mehr, als Fye sich den Haargummi aus seiner langen, blonden Mähne zog und diese daraufhin schüttelte.

„Wie ist das? Hilft das?“, fragte der Blondschopf unschuldig.

„Ei-ein bisschen.“ Shaolan war die ganze Sache immer noch schrecklich unangenehm.

„Mama sieht immer hübsch aus“, kommentierte Mokona, als sie ihr Köpfchen aus ihrem Kuschelversteck reckte.

„Aww, danke.“

„Moment.“ Bei Kurogane fiel der Groschen und es kostete Fye all seine Disziplin, nicht drauf loszuprusten, auch wenn der Ninja gerade so richtig dumm aus der Wäsche guckte. „Nein. Nein. Auf gar keinen Fall. Das kann nicht euer Ernst sein. Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Kuro-tan, willst du lieber die Frau spielen?“, fragte Fye neckisch. „Ich glaube aber wirklich nicht, dass uns das jemand abnehmen würde ...“

„Seid ihr alle auf den Kopf gefallen??“, polterte der Ninja erbost. „Wie kannst du da so bereitwillig mitmachen wollen??“

„Unwetter.“ Der Angesprochene ahmte Kuroganes Geste von vorhin eins zu eins nach, bevor er erwägend an sich hinabblickte. „Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Täuschung so überzeugend ist. Ich bin vielleicht zu flach an manchen Stellen.“ Er schickte ein heiteres Lachen hinterher, was Kurogane noch weiter auf die Palme brachte. Er fand die ganze Angelegenheit definitiv nicht lustig.

„Mokona hat eine Idee!“, rief die Kleinste der Gruppe aus, bevor sie mit ihren kleinen Pfötchen die oberen Knöpfe an Fyes Kleidung öffnete und – zu Kuroganes schierem Entsetzen – in die Kleidung des Magiers krabbelte, bis sie an dessen Bauch angekommen war und so den Stoff des Gewandes ausbeulte. „Tadaa!“, tönte es fröhlich. „Fye muss mich jetzt nur festhalten.“

Shaolan wollte vor Scham im Boden versinken und das Gesicht des Ninjas war derweil so rot wie sein Umhang geworden, während dem Blonden vor Lachen die Tränen kamen.

„Großartig, Mokona!“, lobte Letzterer das Wollknäuel. „Das könnte funktionieren!“

„Bei euch funktioniert überhaupt nichts mehr richtig!!“, schimpfte der Größte der ungleichen Vier. „Ihr habt beide endgültig den Verstand verloren! Da mach ich nicht mit! Sollen die Blitze mich erschlagen! Mir egal!“

„Oooh“, hörte man Mokona gedämpft unter Fyes Kleidung säuseln, „Papa freut sich nicht auf mich?“

Der Magier streichelte sanft den Stoff seines Gewandes. „Natürlich tut er das. Wir hoffen doch alle, dass es ein gesundes, süßes Mokona wird.“

„Blitze! Los, erschlagt mich! Jetzt!“

„S-soll ich dir beim Gehen helfen, Fye-san?“, fragte Shaolan zögerlich. Er war die Verrücktheiten des Magiers und des magischen Wesens so sehr gewohnt, dass er sich zügig an das seltsame Bild vor ihm gewöhnte. So seltsam es für sie auch aussah, jemand anderen konnte man mit der Nummer möglicherweise tatsächlich täuschen. Und Fye war ein verdammt guter Schauspieler; das wussten sie zu Genüge.

Der Blondschopf kam gar nicht dazu ihm zu antworten, denn Kurogane stapfte rasch mit sauertöpfischer Miene zu ihm und zog ihn mit seinem nicht verwundeten, künstlichen Arm nach oben. Fye hielt sich mit einer Hand an ihm fest und mit der anderen Mokona unter seiner Kleidung. Humpelnd und langsam setzten sie sich in Bewegung. Der Himmel war dunkellila, als sie endlich an der Straße ankamen. In der Tat hatte der Wagen dort auf sie gewartet. Das Mädchen winkte ihnen zu und rief aus: „Sie sind da! Sie sind da!“, woraufhin der Mann, der auf den zweiten Blick sehr wahrscheinlich ihr Vater war, vom Kutschbock absprang und zum hinteren Teil des Wagens eilte, um die Plane zu öffnen.

Diese Leute haben extra auf uns gewartet, ging es Shaolan durch den Kopf. Wenn sie so rücksichtsvoll gegenüber Fremden sind, dann können sie keine schlechten Menschen sein.

„Was ist?“, raunte Kurogane dem auf ihn gestützten Fye zu, der kurz zusammengezuckt war.

„Mir war gerade so, als hätte ich eine mächtige Magie gespürt“, antwortete er ernst. „Aber nun ist sie schlagartig schwächer geworden.“

Plötzlich krachte es am Himmel; ein grollender Donner war zu hören.

„Beeilung! Beeilung!“, rief das Mädchen.

Shaolan kletterte als Erster in den Wagen und half sogleich Fye dabei, ins Innere zu kommen, ehe Kurogane als Letzter einstieg. Ihr unbekannter Helfer schloss schnell die Plane und eilte zu seiner Tochter zurück, die kurz danach dem Pferd den Befehl erteilte, loszureiten.

„So ein Glück, ihr habt es noch geschafft.“ Die Frau, die nach Shaolans Schlussfolgerung sehr wahrscheinlich die Mutter des Mädchens war, saß im Schneidersitz im Wagen und begrüßte die Mitfahrer freundlich lächelnd. Draußen krachte und donnerte es nun ohne Unterlass. Sie sahen durch den Stoff der Plane die grellen Blitze aufleuchten und rasch brannten hier und dort die ersten Sträucher. Der Blick der Frau ruhte einen flüchtigen Moment lang auf Fye und für den Hauch eines Augenblicks schien ihr Lächeln verschwunden zu sein und die drei Reisenden fürchteten, ihre Scharade wäre durchschaut worden, doch das Lächeln kehrte geschwind auf ihr Gesicht zurück. „Ich sehe, du bist verletzt, werte Freundin. Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes?“

Hastig schüttelte Fye den Kopf und erwiderte das Lächeln. „Nein“, antwortete er in der höchsten Stimmlage, die er zustande brachte, „nicht doch.“ Zudem musste er sich zusammennehmen, nicht loszuprusten, weil Kurogane „Oh Gott“, gebrummt hatte, als der Magier mit „werte Freundin“ angesprochen worden war und sein Brummen bei Fyes Versuch, weiblich zu klingen, in ein mürrisches Knurren übergegangen war.

„Es gibt gute Ärzte in der Stadt“, erläuterte die Frau weiter. Sie trug ein langes, rosafarbenes Kleid und einen leichten, dunkelblauen Mantel darüber, die beide nach sehr hochwertigen Stoffen aussahen. „Dort kannst du auch beruhigt sein wegen deines Kindes.“

„Oh Gott“, erklang es nun hörbar laut und Fye kicherte darüber hinweg.

„Wie ist denn der Name der Stadt?“, erkundigte er sich, bevor die Kurogane kritisch musternde Dame auch nur auf die Idee kommen konnte, nachzufragen, was das sollte. „Und, Verzeihung, wir haben weder nach euren Namen gefragt, noch uns vorgestellt.“

„Wir sind auf dem Weg nach Matrisis“, entgegnete die Frau herzlich. „Mein Name ist Simone und das sind meine Tochter Hélène und mein Mann Michel. Wie ist dein Name, werte Freundin? Sind das dein Sohn und dein Mann?“

„Ich heiße Fye und das ist Shaolan“, er legte dem zu seiner Rechten sitzenden Jungen eine Hand auf die Schulter „und das ist Kuro-Brummbärchen.“

„WAS WAR DAS??“

„Ich wundere mich“, warf Shaolan nervös und deeskalierend ein, „warum die Blitze uns überhaupt nicht treffen, obwohl sie die ganze Zeit um uns herum einschlagen.“

Simone stutzte. „Ein einfacher Blitzabwehrzauber. Ohne diesen wären wir wohl kaum unterwegs. Von wo kommt ihr, dass ihr nicht wisst, dass nur eine magische Wächterin durch dieses Blitzfeld fährt?“

„Sehr weit weg“, erwiderte Fye, „und wir haben sehr abgeschieden gelebt.“

Die Frau schüttelte missbilligend den Kopf. „Nun, so jemand ist mir noch nie begegnet. Kein Wunder, dass ihr ohne Schutz in einem Blitzfeld umherlauft.“

„Ein Blitzfeld?“, hakte Shaolan nach und brachte Simone erneut zum Stutzen.

„Hat der Junge keine Schulbildung genossen?“ Sie schien geradezu empört zu sein über die Unkenntnis des Brünetten.

„Tja“, der Magier wedelte entschuldigend und breit lächelnd mit den Händen, „wie gesagt, sehr abgeschieden.“

„Du meine Güte.“ Simone fasste sich mit einer Hand an den Kopf. „Das es so etwas noch gibt. Ich hoffe doch sehr, ihr werdet ihn in der Stadt in eine Schule schicken. Es geht nicht, dass der Junge solch wichtigen Details vom großen Krieg nicht kennt.“

Fye und Kurogane warfen Shaolan so unauffällig wie möglich Blicke zu.

Frag nach, was das heißt, sollten diese bedeuten. Ihnen war schnell klar geworden, dass von ihnen beiden angenommen wurde, zu wissen, wovon die Rede war.

„Was hat der große Krieg mit den Blitzen zu tun?“, fragte Shaolan geschickt. Nur nach dem Krieg zu fragen, hätte ihre ganze Geschichte unglaubwürdig erscheinen lassen.

„Die Blitzfelder sind vor zwanzig Jahren durch die außer Kontrolle geratenen Waffen der alten Regierung entstanden“, erklärte die Frau kopfschüttelnd. „Deswegen kommt es außerhalb der Städte regelmäßig zu den Blitzschauern.“

„Und die Städte sind durch Magie vor den Unwettern geschützt, nicht wahr?“, schlussfolgerte Fye, ohne es wie eine Schlussfolgerung klingen zu lassen.

„So ist es. Die magischen Wächterinnen jeder Stadt beschützen sie durch ihre Magie.“

„Aber wenn Sie unterwegs sind“, wandte Shaolan ein, „wer beschützt dann Ihre Stadt?“

„Oh, herrje“, stöhnte Simone, „ich bin doch nicht die einzige Wächterin dort. Wir regieren die Städte ja schließlich seit dem Ende des Krieges und heute war ich in einer anderen Stadt, um mich mit den Wächterinnen dort auszutauschen.“

„Entschuldigung“, murmelte Shaolan zerknirscht.

Mit einem Mal verstummten die Blitze und der Donner.

„Wir sind zu Hause“, flötete Hélène fröhlich vorn vom Kutschersitz und bald darauf hielten sie an.

Michel öffnete von neuem die Plane und zum ersten Mal erblickten die drei Reisenden die Stadt, in die sie gebracht worden waren. Von Weitem konnte man einen großen Platz erkennen, auf dem ein üppiger, kunstvoller Brunnen stand, aus dem Wasser sprudelte. Rundherum erhoben sich mit Fachwerk und Stuck geschmückte Häuser verschiedenster Größen und Farben. Viele Menschen (in Kleidung, die sie ein wenig an die Welt von Shade Country erinnerte) gingen geschäftig ihren täglichen Besorgungen nach. Der Boden, auf dem sie liefen, bestand aus sandfarbenen Pflastersteinen und es fehlte auch nicht an Bäumen, die an diesem sonnigen Tag Schatten spendeten. Es war kaum zu glauben, durch was für eine von Unwetter gepeitschte Ödnis sie eben noch gefahren waren. Dies ging allen drei Reisenden durch den Kopf, als sie aus dem Wagen stiegen.

„Seht ihr dieses Geschäft dort hinten?“ Simone blieb im Wagen, zeigte aber auf einen Laden, der einige Meter entfernt stand. „Die Besitzerin vermietet Wohnungen. Wenn ihr noch keine Unterkunft habt, fragt bei ihr nach.“

„Das ist sehr freundlich“, erwiderte Fye, erneut auf Kurogane gestützt.

„Und so lange du Probleme mit dem Laufen hast“, fügte sie hinzu und ließ mit einem Schnipsen ein beschriebenes Dokument in ihren Händen erscheinen, „gib dies deinem Mann oder deinem Sohn mit, wenn sie ohne dich aus dem Haus gehen müssen.“

Leicht verdattert ließ Fye Kurogane los (die andere Hand musste ja jemanden festhalten) und griff auf einem Bein balancierend nach dem Papier, während Kurogane und Shaolan ihre fragenden Mienen nicht verbergen konnten. Galt dieses merkwürdige Gesetz, immer eine Frau dabei haben zu müssen, selbst in der Stadt?

„Das ist ein Ausnahmeschein“, ergänzte die Wächterin. „Zeigt ihn vor, falls ihr kontrolliert werdet.“

„Vielen Dank“, antwortete Fye, seine Verwirrung mit einem Lächeln überspielend.

„Ich muss nun los, für heute Abend ist noch eine Konferenz anberaumt. Bei sonstigen Problemen wendet euch einfach an das Rathaus.“ Simone zeigte in die andere Richtung, bevor sie ihnen ein letztes Mal zuwinkte und ihr Wagen sich wieder in Bewegung setzte und davonfuhr.

Planlos standen die drei Zurückgelassenen auf dem Platz.

„Tja“, gluckste Fye heiter, „das war ja mal interessant!“

„Was war denn daran interessant?“, beschwerte sich Kurogane. „Warum in aller Welt dürfen der Kleine und ich nicht ohne dich Knalltüte das Haus verlassen? Was geht hier überhaupt ab?“

„Ich habe so ein Gefühl, als hinge dies irgendwie mit dem Krieg zusammen, den Simone erwähnt hat.“ Nachdenklich legte Shaolan seine Stirn in Falten.

„Ja, das habe ich auch.“ Fye sah ernst in die Richtung, in die ihre Wohltäterin davon gefahren war. „Die Magie, die ich gespürt habe, kam definitiv von ihr, aber irgendetwas daran ist seltsam.“

„Seltsam?“, hakte Kurogane skeptisch nach.

Fye zuckte mit den Schultern. „Wie dem auch sei. Wir sollten lieber nach einer Unterkunft suchen. Mein Bein tut weh!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Mokona steuert den Zeitpunkt der Weiterreise anscheinend tatsächlich einmal (als Sakura sie bittet, eine von dem anderen Shaolan zerstörte Welt schnell zu verlassen) und ich dachte mir, sie lernt ja bestimmt auch dazu und … nja, es muss für diese FF als Prämisse gelten.
Da ich für diese Welt ein französisches Thema im Kopf hatte, haben dadurch alle OCs in Matrisis Namen von französischsprachigen Gelehrten erhalten, die etwas mit Feminismus oder Gender-Thematik zu tun haben (Simone de Beauvoir, Hélène Cixous, Michel Foucault). Ja, das kommt dabei herum, wenn ich mit einer groben (und kuriosen) Idee einfach drauf los schreibe. Komplett anzeigen

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