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For all the Ghosts that are never gone

von

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Kapitel 5: Poltergeister

Kapitel 5: Poltergeister

 

Pünktlich um 7:30 Uhr verließen Phil und ich Jessys Wohnung. Ich hatte mein trockenes Brötchen sowie meinen Kaffee fast unberührt stehen gelassen. Meine kommende Zeugenaussage fing doch langsam an mir auf den Magen zuschlagen. Angefangen, nachdem ich mir Phils heißen tätowierten Körper aus dem Kopf geschlagen hatte.

Ich war in einer Beziehung mit Jake, irgendwie.

Auf jeden Fall wollte ich ihm treu bleiben.

Auch wenn, dass lebenslange Abstinenz bedeuten würde.

Phil war aber auch eine verdammt heiße Ablenkung…

Jedoch nicht die geschwisterliche Neckerei zwischen Jessy und Phil heute Morgen.

 

Auf jeden Fall wurde von den beiden beschlossen, dass unsere Truppe heute Abend in die Aurora besuchen würden. Phil gewährte sogar Cleo und Thomas diesen Abend auf sein Hausverbot zu verzichten.

Auf meine Bitte hin.

Das neuaufgelegte Alkoholverbot für beide konnte ich nicht aufheben. Beziehungsweise hatte ich den Versuch aufgeben, nachdem Jessy meinte, dass wir doch so Fahrer für heute Abend hatten.

Das war definitiv ein Argument…

 

Auch Jessy hatte sich einen gratis Cocktail aushandeln können. Nachdem sie lauthals protestiert hatte, dass sie als Schwester nicht einmal einen Familienrabatt bekam. Irgendwie wunderte es mich, dass sie dies nicht viel früher verhandelt hatte. Phil hatte doch den Ruf des erfolgreich flirteten Barkeepers. So wie ich es mitbekommen hatte, nutzte er seine Position hinter dem Theresen des öfteren, um schönen jungen Frauen einen Drink auszugeben. Seinem Ruf als Womanizer wurde er zu mindestens gerecht mit der Art, wie er mir die Beifahrertür öffnete. Obwohl dieses Wissen vorhanden war, kicherte ich wie ein verlegenes Schulmädchen.

 

Ganz zur Freude von Phil…

 

Dieser setzte sich auf den Fahrersitz, während ich mich anschnallte. Eigentlich wollte ich wieder mein Handy rausholen, um erneut Jakes letzten Wor

te zu lesen.

Es war selbstquälend, dass wusste ich…

Doch in Anbetracht der Lage, dass meine Zeugenaussage bevorstand, musst ich mich noch einmal daran erinnern. Vor allem wenn der Polizeichef nicht gut auf einen selbst zusprechen war.

Ich brauchte Jake…

Wirklich dringend!

Unser Chat war jedoch das Einzige, was mir geblieben ist.

Das Einzige, was ich jemals haben würde…

 

Doch ich kam nicht dazu. Phil legte seine Hand auf meine Oberschenkel. Ich war mir nicht sich, ob diese Position beabsichtigt war. Schließlich lag diese doch sehr nah an meiner privaten Zone. Jake würde durchdrehen, wenn er das wüsste. Vor allem wenn er sehen würde, wie Phils Hand auch noch sanft über die Innenseite meines Oberschenkels strich.

 

„Ich habe meinem Anwalt Bescheid geben.“, begann Phil in einem ruhigen Ton. Dann war seine Berührung wohl doch kein Flirtversuch. Wahrscheinlich interpretierte ich einfach viel zu viel in sein Verhalten. Nur weil ich nach einem Grund suchte, damit Jake vor Eifersucht platzen könnte.

Damit er endlich auftauchte….

Nur wie sollte er, wenn von zwei Monaten auf tragische verbrannt war…

Da könnte er wohl eher als Poltergeist Phil heimsuchen. Da ich jedoch nicht die Hauptrolle im nächsten Horrorfilme hatte, war das Übernatürliche doch eher auszuschließen.

Obwohl…

Hatte ich nicht wochenlang damit verbracht, die Legendenfigur „Der Mann ohne Gesicht“ zu jagen.

Wer wusste schon, was in Duskwood möglich war…

 

Anderseits…

Sollte Jake dann nicht lieber seine Geisterkräfte nutzen, um mir einem Nachricht zukommen zulassen, statt Phil zu quälen…?!

Dann hätte ich wohl einen Grund, wirklich sauer auf Jake zu sein. Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Wenn ihm seine Eifersucht mehr bedeutet als seine Liebe zu mir, dann könnte ich meine Wut nutzen und über ihn hinwegkommen. Mal davon an, dass es doch relativ amüsant sein würde. Ein ahnungsloser Phil, der sich über seltsame Geschehnisse wunderte.

Seltsames Fußbodenknarren, Gegenstände, die plötzlich verschwanden und an den seltsamsten Orten wiederauftauchen.

 

Gruselige Nachrichten auf seinem Smartphone und Computer.

Okay, Jake würde definitiv den Computer für seine heimsuche nutzen.

 

Jedes Mal, wenn Phil mit mir flirtete…

 

Ich spürte, wie sich Phil seinen Griff auf meinen Oberschenkel verfestigte.

Ob er gerade die erste Geistererscheinung gesehen hatte?

[MC], hast du mir gerade überhaupt zugehört?“, fragte Phil mich in einem besorgten Ton.

„Nein. Entschuldige.“, sagte ich und versuchte mein Lachen zu unterdrücken.

Ich war wirklich dämlich…

Habe ich wirklich gerade die Existenz von Poltergeistern in Betracht gezogen?

„Schon gut“, entgegnete er im ruhigen Ton. Dennoch hatte ich das Gefühl, er betrachtete mich mit einem missmutigen Blick.

 

„Ich habe mit meinem Anwalt gesprochen.“, wiederholt er. Auch wenn diese Information eigentlich nicht neu für mich war, überraschte sie mich. Mit einem Stirnrunzeln wandte ich mich zu ihm. „Du bist ziemlich nervös, nicht wahr?“, meinte er sanft mit einem dezenten Lächeln. Ich nickte.

Es war keine Lüge, in diesem Sinne…

Nervös war ich. Alans Reaktion auf mich war mir gänzlich unbekannt. So wie Jessy und Phil klangen, war er wohl nicht gut auf mich zusprechen. Doch beschäftigte mich andere Themen nun mal mehr.

Jake…

Da ich es schon mied mit meiner besten Freundin zusprechen, würde ich erst recht nicht ihrem Bruder meine Gefühlswelt offenlegen.

 

„Mach dir keine Sorgen.“, Phil sprach weiter mit sanfter Stimme. „Wenn dir unser inkompetenter Polizeichef blöd kommt, verweigerst du die Aussage.“, seine Stimme klang nun deutlich ernster. Ich musste ihn wohl mit einem verwirrten Blick angesehen haben. Deswegen fügte er noch hinzu: „Mein Anwalt meinte, es wäre unklug, wenn er von vornherein mitkommt. Es ist halt nur eine Zeugenaussage. Nicht, dass wir ihn noch unnötig verärgern. Sollte er aber versuchen, dir irgendeine Schuld zuzuweisen, kommt mein Anwalt sofort.“

 

Ich nickte als Zeichen, dass ich seine Worte verstanden hatte. Es herrschte einen Moment, eine unangenehme Stille zwischen uns.

„Kennst du Nothing but Thieves ?”, fragte Phil enthusiastisch, wohl in der Hoffnung mich abzulenken. Ich schüttelte den Kopf. Während er auf dem Display, des Radios, seinen Musikordner durchforstet, sagte er: „Die Band könnte dir gefallen.“

Er lächelte mich an.

 

Amsterdam – Nothing but Thieves“ stand auf dem Display.

Gespannt lauschte ich der Musik. Phil hatte recht. Das Lied bzw. die Band traf genau meinen Musikgeschmack.

Ich genoss die fünfzehn Minuten Autofahrt. Vor allem schienen wir wirklich die gleiche Art von Musik zu mögen. Wenn ich gewusst hätte, welchen unbekannten Schätze auf seinem USB-Stick waren, hätte ich Jessy die My-Chemical-Romance-Dauerschleife nicht angetan.

Concrete Jungle von Bad Omens war eines dieser Schätze. Den Enthusiasmus in seinen Augen, als ich positiv auf diesen Song reagierte, konnte man nicht anders als süß bezeichnen.

 

Wir standen auf dem Parkplatz des Polizeireviers. Am liebsten hätte ich noch weitere Stunde damit verbracht, weitere Musikschätze zu entdecken. Doch Phils Anmerkung, ich sollte mich melden, sobald er mich abholen könnte, war die höflichste Art, mich rauszuwerfen.

 

„Mach ich.“, lächelte ich nervös.

Aus zweierlei Gründe…

Zum einen war da natürlich mein bevorstehendes Gespräch mit Alan. Zum anderen und das war viel wichtiger, wusste ich nicht, wie ich mich von Phil verabschieden sollte. Er hatte seine Chance genutzt, um mit mir zu flirten. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte dies nicht erwidert. Allein schon, weil ich es zugelassen hatte, dass seine Hand über meinen Oberschenkel streichelte.

 

Die ganze Fahrt über…

 

Nur zum Schalten hatte er diese von mir genommen. Dann hatte ich noch verlegen, wie ein vorpubertärer Teenager gekichert, bei jeder zweideutigen Anspielung. Obwohl es schon mehr als eindeutig war, als er meinte, dass es auch gute Musik für den Geschlechtsakt sei. So gesehen, wenn man mal von meinem purpurroten Gesicht absah, hatte ich dem zugestimmt.

Irgendwie…

Zu mindestens hatte ich peinlich berührt genuschelt, dass er dies bezüglich recht hatte.

Oh mein Gott!!!

Hatte ich zugestimmt, mit Phil zu schlafen?

Wollte ich das wirklich?

 

Phil war schon verdammt attraktiv. Außerdem schien er zu mindestens laut seinem Ruf einen großen Erfahrungsschatz aufzuweisen.

Oder mit anderen Worten: Ich würde sicherlich auf meine Kosten kommen, wenn er mich über das Bettlaken scheuchte. Es würde bestimmt wild und leidenschaftlich werden. Verlegen bis ich mir auf die Unterlippe. Ich musste bei klaren Gedanken bleiben.

„Manchmal würde ich gerne wissen, was in deinem süßen Kopf vorgeht.“, grinste Phil mich schelmisch an.

 

„Besser nicht.“, schoss es mir in dem Kopf. Zum Glück hatte ich ausnahmsweise mal vorher nachgedacht, bevor ich sprach. Wäre da nicht die verräterische Röte auf meinen Wangen gewesen. Phil lachte verführerisch auf.

 

„Viel Glück.“, sagte er und gab mit einem Kuss auf die Wange. Mein ganzer Körper erstarrte. Außer mein Herz, dass sich den ein oder anderen Freudensprung nicht nehmen ließ.

„Danke…“,stammelte ich undeutlich. Mit einem peinlich berührten Blick auf den Boden griff ich nach dem Türöffner.

 

„Bis gleich, [MC]“, sagte er in einem charmanten Ton. Ohne etwas zu entgegnen, stieg ich mit mechanischen Bewegungen aus dem Auto. Als ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich noch Phils verwegenes, verführerisches Lachen.

 

Irgendwie, auf unerklärlicherweise tat sich in mir der Gedanke auf, mich wirklich auf Phil einzulassen.

Hatte ich nach dem ganzen Scheiß der letzten Monate nicht etwas Spaß verdient?

Mit einfach mal verwöhnen lassen?

Hatte ich nicht lange genug den Babysitter für die anderen gespielt?

Sollte ich nicht endlich mal für meine Detektivarbeit entlohnt werden?

Schließlich hatte ich Phil aus dem Gefängnis geholt !

Und er schien sich wohl mit etwas Bettsport bedanken zu wollen.

 

Es gab zwei Dinge dir mir nicht bewusst waren. Ich suchte verzweifelt nach einer Rechtfertigung für einen heißen One-Night-Stand mit Mr. Aurora.

Es war wirklich nicht meine Art.

So flüchtige Affären…

Am liebsten würde ich auch sagen Bad-Boys an sich. Doch zu oft blieb ich mit gebrochenem Herzen zurück. Gerade weil diese Art von Männern sich im Normalfall herzlich wenig für jemanden Unscheinbarem wie mich interessieren.

Genau das faszinierte mich an Phil Hawkins.

 

Er war das Lehrbuch Beispiels eines Bad Boys, eines Womanizers und er wollte mich! Langsam konnte ich seine Flirtversuche nicht leugnen. So offensichtlich und direkt, wie er vorging.

So ganz anders als Jake…

Seine Flirts waren deutlich subtiler.

Es war doch gerade diese Art, weswegen ich diesem mysteriösen Hacker so verfallen war.

Weswegen ich ihn so sehr liebte…

 

Dann war da Phil…

Er wollte Spaß…

Ich wollte…

Nicht zwangsläufig eine neue Liebe finden.

Das würde sowieso unmöglich werden.

Einen Seelenverwandten gab es nur einmal. Doch das musste nicht bedeuten, gänzlich ohne Spaß bleiben zu müssen.

Oder?

Mit meinem eingeredeten Entschluss, mir eine heiße Liebesnacht mit dem noch heißeren Barkeeper zu verbringen, betrat ich das Polizeirevier.

 

Mein neugewonnenes Selbstvertrauen hielt nur, bis ich vor den Empfang trat. Der grimmige, aussehende Polizeibeamte blaffte mich an: „Was gibts?“ Dabei bekam ich einige Krümel seines Frühstücksbrötchen ab.

 

„…einen Termin bei Mr. Bloomgate.“,stammelte ich und hatte den Anfang des Satzes verschluckt. Der füllige Polizist musterte mich verächtlich. „Ich nehme an, [MC]“, sprach mich ein Mann in seinen Vierzigern an. Ich nickte. Er reichte mir seine Hand zur Begrüßung.

„Alan.“, sagte er freundlich.

Ich nahm diese Geste verunsichert an. Alan wirkte gar nicht so, wie man es mir angedroht hatte. Mit seinen grauengrünen Augen und dem vereinzelten graue Strähnen in seinem dunkelbraunen Haaren machten eher einen gütigen Eindruck. Auch wie er behutsam seine Hand auf meinen Rücken legte, um mich in das Gebäudeinnere zuleiten, war mehr fürsorglich als bedrohlich.

 

„Frank kannst du Karen bitten, uns Kaffee und Gebäck in Raum 102 zu bringen.“, sagte er sanft zu dem grimmigen Mann am Empfang. Diese erwiderte sein „Ja“ genauso unfreundlichen Ton, mit dem er auch mit mir gesprochen hatte. Alan musste wohl meinen irritierten Blick bemerkt haben. „Lassen Sie sich nicht von Frank irritieren. Die Frühdienste sind nicht so seins. Vor allem seit ihm das Baby seiner siebzehnjährigen Tochter nachts wach hält.“, erklärte mir Alan für meinen Geschmack mit zu vielen Informationen. Erleichtern darüber, dass Alan meinen verdutzten Gesichtsausdruck missinterpretiert hat, atmete ich aus.

„Ich bin froh, dass sie endlich bereit sind, eine Aussage zu machen.“, ich war mir unsicher, ab er einfach nur das unangenehme Still unterbrechen wollte oder gegen meine zweimonatige Funkstille sticheln wollte.

„Entschuldigen Sie.“ , murmelte ich schuldbewusst. „Mir ging es einfach nicht so gut.“

„Ihre Freundin Jessica Hawkins hatte mir bereits erzählt, dass Sie zunächst auch den Kontakt zu ihr und den anderen abgebrochen hatten.“ Zur Bestätigung nickte ich. „Das Ganze muss Sie stark mitgenommen haben, nicht wahr?“, sprach er fast schon in einer väterlichen Fürsorge.

„Ja. Schon. Irgendwie.“ Meine Stimme war immer von Nervosität geprägt. Doch die Anspannung in meinem Körper ließ allmählich nach.

 

Alan öffnete die Tür zu Raum 102. Auch wenn er mich zügig in den Raum geleitete, konnte ich dennoch die Raumbeschriftung lesen.

Audio-Vernehmungsraum

Alan weißte mir einen Stuhl zu, auf dem ich Platz nehmen sollte. Was ich auch so gleich tat. Es war so ganz anders als in meiner Vorstellung. Die Wände waren nicht in einem kalten weiß oder grau gehalten, sondern in einem warmen Dunkelgrün. Die Sitzgelegenheit waren keine unbequemen Holzstühle, sondern weiche Ledersessel in Schwarz. Auf dem Mahagonitisch stand ein Diktiergerät. Doch viel wichtiger war, dass ich keine verspiegelt Glaswand oder Ähnliches entdecken konnte. Es konnte uns tatsächlicher keiner beobachten.

 

„Ganz anders als in Ihrer Vorstellung, nicht wahr?“, lächelte er und ich nickte. „Also vorab.“, sagte er und setzte sich mir gegenüber. „Ich werde Ihre Aussage gleich mit dem Diktiergerät aufnehmen. Wundern Sie sich nicht, dass sich gleich noch einiges wiederholt von dem, was ich jetzt sage. So können wir vorab reden, ohne dass es offiziell festgehalten wird.“

Mit einem Nicken gab ich mein Verständnis zu verstehen.

„Ich werde Ihnen nachher Ihre persönlichen Daten nennen und sie müssen mir diese bestätigen.“

Auch dieses Mal nickte ich.

„Dann ist wichtig: Es handelt sich hierbei nur um eine Zeugenaussage. Sie werden hier zu keinen Zeitpunkt als Verdächtigte gehandhabt. Dennoch müssen oder besser sollten Sie nichts sagen, was Sie belastend könnte. Ich denke besonders in Ihrem Fall ist dies wichtig zu erwähnen. Kleinerer Delikte werden zwar zwangsläufig nicht geahndet. Jedoch größere Delikte, wie zum Beispiel das Hacken in einen Polizeiserver, werden schon geahndet.“

Neben dieser Aussage war da noch sein wissender Gesichtsausdruck. Beschämt blickte ich zu Boden und nuschelte: „Das war ich wirklich nicht.“

 

„Das war der Hacker aus ihrer Gruppe, nicht wahr?“

Geschockt blickte ich Alan an.

Er erwartete jetzt wirklich, dass ich ihm dies bestätigte?

Er erwartete jetzt nicht wirklich, dass ich Jake ans Messer liefern würde.

Das konnte er vergessen!

 

Meine Angriffslust war geweckt!

„Ich werde Ihnen nichts über den Hacker verraten!“, keifte ich ihn an.

„Sein Fall überschreitet deutlich den Verantwortungsbereich eines so kleinen Polizeireviers wie dem unserem. Das habe ich ihn bereits gesagt…!“, sprach Alan in einem sanften, ruhigen Ton.

 

Ich wandte meinen Blick ab.

„Genauso wie ich Ihnen bereits gesagt habe, dass es mich interessiert, wieso jemand wie er an so einem verhältnismäßigen kleinen Vermisstenfall Interesse zeigte.“, sprach Alan weiter, nachdem ich stumm blieb.

 

Genauso wie jetzt!

„Wenn sie wüssten, in welchen Gegebenheit dieser Hacker alles verwickelt ist, würden Sie jetzt nicht schweigen.“, seine Stimme war immer noch ruhig.

 

Im Gegensatz zu meiner...

 

„Und, wie ich das würde!“, meinte ich in einem passiv-aggressiven Ton. „Ich würde ihn niemals verraten.“

„Sie wissen, dass sie gerade einen gesuchten Verbrecher schützen.“

„Das ist mir egal“, keifte ich und Tränen bildeten sich in meinen Augen. Das Letzte, was ich wollte, war mit Alan über Jake reden. Ich wollte eigentlich mit niemanden über Jake reden. Es gab ja auch niemanden, mit dem ich das wirklich konnte. Die anderen hatten ihn doch die ganze Zeit nur misstraut. Keiner hatte und würde je meine Gefühle verstehen. Alle würden doch nur heuchlerisch ihr Mitgefühl vorspielen.

 

„Es liegt mir fern, warum sie ihn so zwanghaft schützen wollen.“, versuchte Alan mich aus der Reserve zu locken. Dies ließ mich nur noch sturer werden. Ich war schon aufgesprungen und wollte den Raum verlassen.

[MC], ich habe Sie extra vor unserer offiziellen Vernehmung auf den Hacker angesprochen.“ Alan erreichte mit dieser Aussage sein Ziel. Ich blieb abrupt stehen.

„Dieser ganze Fall… Ich möchte es einfach nur verstehen.“, sagte er ruhig.

„Ich weiß selbst nicht viel über ihn.“, mein Blick senkte sich zum Boden, bevor ich mich umdrehte.

„Er hatte seine Gründe Hannah zu retten…“, nuschelte ich, während meine Schuldgefühle mich erdrückten.

Auch wenn Alan sich diese Information wohl selbst zusammenreimen konnte…

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wusste er auch, dass Jake an jenem Abend in der Mine war.

„Mehr bekomme ich nicht aus Ihnen heraus, nicht wahr?“ ,seine Stimme klang sanft.

Ich nickte.

„Egal, wie sehr ich Ihnen versichere, dass ich nichts gegen den Hacker unternehmen kann.“

Erneut nickte ich.

„Dann werde ich dies akzeptieren müssen.“

 

Erleichterte atmete ich aus und setzte mich zurück auf meinen Platz.

„Nur, falls sie eines Tages anders überlegen, können Sie mir auch mit mir in einem privaten Rahmen sprechen.“

Er ließ immer noch nicht locker…

„Alan, bitte!“, flehte ich.

„Ich wollte es Ihnen nur anbieten.“

„Ich versteh schon.“, seufzte ich.

 

„Dann gibt es noch etwas, was ich Ihnen sagen möchte, bevor wir angefangen.“, begann er weiterhin in einen ruhigen Ton. „Wenn Sie bei einer Sache unsicher sind, ob Sie etwas Bestimmtes erzählen können, geben Sie mir ein Handzeichen.“

Irritiert sah ich ihn an.

„Dann können wir die Vernehmung unterbrechen“

„Und das geht so einfach?“, fragte ich skeptisch.

„Lass Sie das mal meine Sorge sein.“, lächelte er mich freundlich an. „Es ist definitiv einfacher, als wenn etwas auf dem Band ist, dass Ihnen im Nachhinein Probleme bereitet.“

Jeder andere würde sich jetzt wohl in Sicherheit wiegen. Doch bei mir weckte es nur weiteres Misstrauen.

„Warum sind Sie so nett?“, ich hob eine Augenbraue.

 

Im nächsten Moment verwandelte sich mein skeptischer Gesichtsausdruck in einen verwirrten. Alan hatte lauthals angefangen zu lachen.

 

„Auf Ihre Erklärung bin ich gespannt.“, meinte er weiterhin amüsiert.

„Jessy und Phil meinten, Sie wären nicht gut auf mich zusprechen.“, ich machte eine kurze Sprechpause. Alan sollte die Chance haben, dem etwas entgegenzuwirken. Da er diese Gelegenheit nicht nutzte, sprach ich weiter. „Sie haben Jessy gedroht, mich ins Gefängnis zustecken, wenn ich mich hier nicht blicken lassen. Außerdem hat Phil gesagt, dass Sie den Termin eigentlich um 6 Uhr stattfinden lassen wollten. Nur im mich zu quälen.“ Diese mal gab ich Alan keine Chance, in meine Worte zu intervenieren. Wahrscheinlich hätte er dies auch nicht gewollt. Er betrachtete mich für einen Moment amüsiert, bevor er heiter sagte: „Also ich gebe zu, dass ich bei Ms. Hawkins ein wenig die Beherrschung verloren habe, was Sie angeht. Jedoch bezüglich Mr. Hawkins liegt ein Missverständnis vor.“

Verwirrt runzelte ich die Stirn.

„Zu Mr. Hawkins habe ich lediglich gesagt. Dass es wohl in beiderlei in Interesse läge, den Termin frühestmöglich zu legen. Und ich wäre ab 6 Uhr für diesen erreichbar.“

Dieses Mal gab Alan mir die Chance, der Konversation etwas beizutragen.

 

Ich nickte und etwas der Verwirrung löste sich von meinem Gesicht.

„Mr. Hawkins kann man wohl aufgrund der Umstände keinen Vorwurf machen, dass es zu diesem Missverständnis kam.“, sprach Alan meinen Gedankengang aus.

„Und bezüglich Ms. Hawkins sollte ich mich entschuldigen. Jedoch hatte ich meine Drohung ausgesprochen, als ich noch nicht wusste, dass Sie sich auch bei Ihren Freunden nicht gemeldet haben.“

 

Dieser Aussage entgegnete ich mit einem beschämten Blick zur Seite.

„Tut mir wirklich leid. Nur, dass alles-“

„Sie hatten bereits gesagt, dass es an Ihrer psychischen Verfassung lag.“, unterbrach mich Alan. „Außerdem war es nach den Informationen Ihrer Freunde doch relativ offensichtlich. Ich habe Ms. Hawkins daraufhin Ihre Adresse ausgehändigt, damit sie sich um Sie kümmern kann.“

 

Ich blinzelte verwirrt.

„Sie haben sich Sorgen gemacht?“, fragte ich mit einigen Sekunden Verzögerung verdutzt. Mit einem Nicken bestätigte er: „Natürlich. Selbst für uns Beamte sind solche Fälle nicht immer leicht zu verkraften. Ich könnte Ihnen gerne die Nummer der psychologischen Praxis geben, die für solche Fälle spezialisiert sind.“

 

Mit einem Kopfschütteln lehnte ich ab.

„Vielen Dank, aber seit Jessy da ist, geht es mir wieder gut. Ich stand halt einfach nur unter Schock.“ Die Krux an der Sache war, dass ich wirklich geglaubt, dass ich alles ohne professionelle Hilfe meine traumatischen Erfahrungen verarbeiten könnte.

„Sind sie sicher?“, hakte Alan besorgt nach.

„Ja, bin ich.“, lächelte ich ihn an.

„Auch hier gilt, wenn Sie sich das anders überlegen, könnten Sie mich jederzeit kontaktieren.“

„Ich weiß“

 



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