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For all the Ghosts that are never gone

von

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Kapitel 3: Die Ankunft

Kapitel 3: Die Ankunft

Ich zog meinen schweren Koffer aus dem Zug. Beim packen hatte ich mich noch gefreut, dass ich mich nicht an die 20 Kilo Begrenzung für einen Flug halten musste. Eigentlich war ich auch nicht der Typ Frau, der sonst großartige Probleme beim packen hatte. In der Regel schaffte ich es sogar weit unter der besagten Grenze zu bleiben. So konnte ich das ein oder andere Mal Freundinnen aushelfen. Es hatte sich schon so etabliert, dass ein breitgrinsender Emoji reichte, damit ich Bescheid wusste. Das Organisationstalent, dass ich war, hatte dann immer sofort mit meiner freien Kapazität geantwortet. 

 

Doch dieses Mal hatte mich beim packen ein andere Gedanke getrieben.

Jake…

Diese dumme Fantasie er würde in Duskwood auf mich warten. Er würde mich mit in seine Welt nehmen. Und unser Leben auf der Flucht beginnen.

Wir gegen den Rest der Welt! Wie Bonney & Clyde

Für diesen Fall musste ich doch all meine Lieblingskleidungsstücke mitnehmen. Und für andere Szenarien brauchte ich zudem noch besondere Unterwäsche.

 

Ich kam mir selbst bescheuert vor, als ich vor meinem Kleiderschrank überlegte, welche Farbe Jake wohl bevorzugte. Doch dass hielt mich nicht davon ab meine komplette Sammlung an Spitzenunterwäsche einzupacken.

Also wirklich total bescheuert…

 

Allein schon der durchaus unwahrscheinliche Fall Jake würde aus heiterem Himmel aufgetaucht. Das würde noch lange nicht bedeuten, dass er auch bereit war sich auf mich einzulassen.

Emotional, sowie körperlich…

Ich war bereit!

Schon so lange…

 

Er wiederum hatte so lange gegen seine Gefühle gekämpft. Natürlich war da meinerseits die Furcht seinen Ängste hatten die Oberhand gewonnen.

Es schmerzte…

Doch ich hoffte nun mal auf sein Wohlergehen. Egal, wie sehr mich dieser Gedanke von innen zerriss. Ich wollte ihn in Sicherheit und Freiheit wissen.

 

Was machte die Liebe nur mit mir?

 

So selbstlos wie ich mein Leben für seins geben würde. Alles für sein Glück. Auch wenn es bedeuten könnte, dass ich kein Teil davon sein würde. Es vielleicht sogar einfach schon war. Dies bedeutete aber nicht zwangsläufig, dass ich mich keinen Träumereien hingeben durfte. Anderseits konnte ich es nicht, da Jessy mich fast 24/7 bewachte.

Keine Ahnung ob ich ihr deswegen dankbar oder nicht sein sollte.

 

„Lass mich dir helfen“, sagte eine vertraute Männerstimme hinter mir. Naja so vertraut, wie eine Stimme nach einem Telefonat sein konnte. Einen Anruf aus dem Gefängnis, nebenbei bemerkt.

Ein störender Anruf…

Jake und ich waren in unsere Unterhaltung gerade in eine intimere Richtung gegangen waren. Naja was für uns Intimität bedeutete. Ich hatte es geschafft über meine Vorstellung, wie es sein würde ihn endlich zu treffen. Sogar getraut hatte ich mich auszusprechen, dass ich mir einen Kuss wünschte. All meine Worte an ihn gerichtet basierten auf seinen Mut mich zum Essen einzuladen.

Irgendwann…

 

Chinesisch…

Durchaus eine Küche, welche ich stark bevorzugte. Naja zu mindestens die westliche Art der chinesischen Küche. Jake war so verdammt süß gewesen. Er wollte es vermeiden mich in ein Restaurant einzuladen, dessen Essen mir nicht schmeckte.

Wie zuvorkommend…

Vor allem weil ich wirklich überall mit hingekommen wäre. Selbst irgendwo tief in den Wäldern von Duskwood. Hauptsache ich hätte ihn treffen können.

Doch das würde ich nie!

Also sollte ich mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren.

Bevor ich noch etwas Dummes tat…

 

Phil stand direkt hinter mir. Ohne wirklich Rücksicht auf meinen persönlichen Freiraum zunehmen. Seine Hand berührte meine. Ein angenehmer Schauer durchfuhr meinen Körper.

Das konnte doch nicht wahr sein!

Sehnte ich mich tatsächlich so sehr nach männlichen Berührungen, dass ich mich mit dem Widersacher meines Freundes zufriedengab?

Dieses verdammte Herz sollte aufhören so schnell zuschlagen.

Traute ich mich deswegen nicht mich umzudrehen?

Weil ich genau wusste, wie attraktiv Phil war?

Oder wollte ich mir die Illusion seines Profilbild nicht nehmen lassen?

Befürchtete ich ernsthaft Jake könnte vor Eifersucht platzen, wenn ich es tat?

Und wenn schon!

Rein für den hypothetischen Fall, dass er wirklich kalte Füße bekommen hatte. Dabei nicht einmal die Courage das offen zu kommunizieren.

Also wenn er mich wirklich hat sitzen lassen…

Dann hatte er wirklich sämtliches Recht auf Eifersucht verspielt!

Vor allem dann auch noch für so eine Lappalie!

 

Endlich schaffte ich es mich zu Phil umzudrehen.

Sich selbst zu belügen war gar nicht so schwer…

Er war ungefähr genauso groß, wie ich. Vielleicht nur einen Zentimeter größer. Seine Statur war schlaksig und schlank. Mein Blick traf seine leuchtenten grünen Augen. So vertrauensvoll. Das Fledermaus-Tattoo auf seinem Hals wirkte in Natura noch verruchter. Die Fotos hatte in seinem Profil hatten definitiv keinen falschen Eindruck vermittelt. Eher noch seine Attraktivität heruntergespielt.

 

„Danke…“ stammelte ich nervös. Es war schon dezent peinlich Jessys älteren Bruder mit meinem Blick so anzuschmachten. Vor allem dann noch in ihrer Anwesenheit. Schnell und leicht panisch wandte ich meinen Blick wieder zu meinem überfüllten Koffer.

„Hast du vor längerfristig in Duskwood zu bleiben?“, scherzte er während er mir half das schwere Gepäckstück aus dem Zug zu heben. 

„Ich…“, begann ich und auf meinen Wangen bildete sich ein zartrosa Schimmer. Es war schon unfair, dass Tattoos den Attraktivitätsgrad eines Mannes so unglaublich steigern ließen. Und Phil hatte einfach eine Menge davon.

 

„Das habe ich sie auch gefragt.“, kicherte Jessy. Die leichte Rosafarbe auf meinen Wangen färbten sich zu einem knalligen Tomatenrot. „Aber ich glaube sie hat andere Pläne.“

Am liebsten wäre ich im Boden versunken. Aus irgendeinem Grund war ich sicher, dass ihre Bemerkung auf die Sammlung meine Unterwäsche für besondere Anlässe basierte.

„Naja.“, war der Neuanfang eines Erklärungsversuch. „Ich wusste ja nicht worauf ich mich einstellen muss. Wetter und so.“, sagte ich nach einem peinlichen Moment der Stille.

 

„Ja, ja, das Wetter.“, kicherte Jessy und ihre Betonung ließ keinen anderen Schluss zu. So rein hypothetisch, sollte man sie tot auffinden, mit Würgemahlen. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit doch relativ hoch, dass ich an diesem Umstand nicht gänzlich unbeteiligt war.

 

So gerne wie ich ihm in diesem Moment den Hals umgedreht hätte!

 

Ich musste mich doch schon ständig vor mir selbst rechtfertigen. Jedes Mal wenn ich mich meinen Tagträumen hingab. Dann noch zu wissen, dass andere Menschen in meinem Umfeld realisierten, wie bescheuert ich tatsächlich war. Naja für meinen theoretischen Mord an Jessy würde es ohne hin zu viele Zeugen geben. Auch auf ein Erdloch zum Verkriechen brauchte ich wohl auch nicht hoffen. Die taten sich in der Regel nie auf, wenn man sie benötigte. Okay, eigentlich taten die sich nie auf. Eine Flucht in den Zug war auch nicht mehr möglich. Dessen Türen waren bereits geschlossen. Kurz vor Abfahrt zwischen Bahnsteig und Lok zu springen würde auch nur unnötig schmerzhaft enden.

Also hieß es, peinliche Situation ertragen und im besten Fall überspielen.

 

„Muss ich jetzt nicht verstehen, oder?“ Phil hatte sich an seine jüngere Halbschwester gewandt. „Jessy spinnt.“, antwortete ich in dem Versuch Jessy Aussage nichtig erscheinen zulassen. Zudem funkelte ich sie böse an.

„Genauso wunderschön, wie intelligent. Du hast den geistigen Status meiner geliebten Schwester sofort richtig eingeschätzt.“ Ich war mir unsicher, ob Phil tatsächlich mit mir flirtete oder nur seine Schwester necken wollte.

 

Mein Herz hatte seinen Schlag zu mindestens für einige Sekunde beschleunigt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich mich beobachtet fühlte. Eine Absurdität, welche nicht nur allein der Tatsache geschuldet, dass die Wahrscheinlichkeit Jake würde genau in dem Moment zu mir rüber sehen unter Null lag. Sondern auch weil sich der Bahnhof ca. 1,5 Stunden von Duskwood entfernt war. Ich meine für den sowieso schon unwahrscheinlichen Fall, dass Jake in Duskwood sehnsüchtig auf mich wartete…

 

Warum sollte er dann am Hauptbahnhof von Coleville stehen?

 

Außer, es sei denn, er hatte den Standort meines Handy gehackt.

Halt! Das müsste er nicht einmal. Mal davon ab, dass er dann nicht so schnell hier sein könnte.

Er war immer noch im Gruppenchat. Da musste er nicht mal der begabte Hacker sein, der er nun mal war. Nachrichten nachlesen würde sogar jemand wie Thomas hinbekommen.

 

Automatisch blickte ich mich um. Nur im nächsten Moment enttäuscht zu werden. Keiner der anderen Menschen am Bahnhof schien sich für mich zu interessieren. Auch passte keiner in sein Profil. Kein Mann mit schwarzen Haaren oder gar einem schwarzen Hoodie.

 

Was hatte ich mir nur gedacht.

 

[MC]“, holte mich Jessy wieder in Hier und Jetzt. „Ist etwas passiert?“

„Nein.“, winkte ich ab. Sie schenkte mir ein unsicheres Lächeln. Phil war mit meinem Koffer ein paar Schritte vorgegangen. Die Gelegenheit nutzte Jessy um sich zu mir rüber zu lehnen.

„Du dachtest er könnte hier sein.“, flüsterte sie mir ins Ohr. Besonders bedacht darauf, dass Phil sie nicht hören konnte.

 

Die Sorge in ihrer Stimme  überhörte ich bewusst.

 

Um meine Emotionen zu regulieren bildete ich mit meiner linken Hand eine Faust. Ich durfte jetzt nicht die Fassung verlieren. Nicht in der Öffentlichkeit und nicht vor Phil. Der Fakt jedoch, dass meine ganze Wut wieder gegen Jessy richtete, war mir egal.

„Schwachsinn!“, blaffte ich sie an. In so einem aggressiven und lauten Ton, dass sich nicht nur Phil erschrocken zu mir umdrehte. Auch meine rechte Hand ballte sich zu einer Faust. Ich stampfte so schnell an ihr vorbei, dass ich auch Phil mit wenigen Schritte überholte. Dieser blieb abrupt stehen.

„Was ist mit [MC]“, fragte er verwirrt an seine jüngste Schwester gewandet.

„Sie hat im Moment eine schwierige Zeit.“, seufzte Jessy.

„Und du nicht?“, hakte Phil skeptisch nach. Natürlich hatte er recht. Auch für Jessy war es alles andere als einfach. Durch die ganze Richy-ist-der-Mann-ohne-Gesicht-Sache. hatte sie nicht nur ihren besten Freund verloren, sondern auch zusätzlich ihren Job.

Es war mir bewusst. Tief in meinem inneren war es mir bewusst. Sie brauchte mich eigentlich genauso, wie ich sie…

 

Doch sah ich nur meine eigene Probleme. Deswegen hatte ich den beiden nicht einmal zugehört. Ich fühlte mich von Jessy ertappt. Dabei kam ich mir doch schon in meinen eigenen Gedanken dumm vor. So hatte mein emotionales Denken mir erzählt, dass sie mich für genauso dumm hielt. Zu mindestens genauso dumm.

 

Das ich nicht besonders intelligent war bestätigte sich als ich auf dem Parkplatz stand. Ich hatte keine Ahnung welches Auto Phil gehörte. Wie bestellt und nicht abgeholt stand ich nun da. Das hätte ich beim meinem wütenden Abgang bedenken sollen.

 

So blieb mir nichts anders übrig als zu warten.

 

Auch wenn es sich maximal um zwei Minuten handelte, kam es mir eine unerträgliche Ewigkeit vor. Vor allem da meine dämliche Hoffnung Jake wäre hier immer noch nicht gänzlich verfolgen war. Ich biss mir auf die Unterlippe, um mein Verlangen mich umzublicken, zu unterdrücken.

Er war nicht hier!

Warum wollte ich das einfach nicht verstehen?

Am liebsten hätte ich geschrien. Es war doch genau das eingetreten wovor ich mich beschützen wollte. Deswegen hatte ich mir doch vorgenommen mir keine Hoffnung zumachen. Um diesen unerträglichen Schmerz in meiner Brust nicht andauernd spüren zu müssen. Meine Zähne bohrten sich tiefer in meine Unterlippe. Ich kämpfte mit den Tränen, aber ich durfte nicht anfangen zu weinen. Nicht vor den ganzen Fremden Menschen um mich herum.

 

Ich wollte wieder nach Hause. Mich einfach wieder in meinem Bett verkriechen.

Am besten für immer.

Und dass alles wegen einem Mann den ich im Internet kennengelernt hatte. Meine True-Crime Affinität sagte mir, dass doch gerade diese gefährlichen Männer waren. Wie viele Frauen sind den schon Betrügern und Mördern auf den Leim gegangen. Mein Herz sagte mir, dass Jake der Diamant unter den ganzen Glassteinen war. Die Ironie daran war nicht, dass Frauen zum Opfer gefallen sind, wohl genau dasselbe gedacht hatten. Nein, die Ironie war das genau wusste, dass Jake ein Gesichter Verbrecher war.

Der vom fucking FBI gesucht wurde!

Sein Verbrechen war keinen Lappalie. Er musste etwas Schwerwiegendes getan haben. Auch wenn er von sich behauptet zu den Guten zugehörte. Aber das würde ein Serienmörder wohl auch von sich behaupten. So war es mir doch jedes Mal ein Dorn im Augen, wenn Männer auf Dating-Plattformen behaupten, sie wären ein guter Kerl. Ich hasste es so sehr, dass ich sämtliche Interessen an ihnen verlor.

 

Doch bei Jake…

Ich hatte es ihm sofort geglaubt.

Glaubte es ihm immer noch…

 

Ich war in einem Verbrecher verliebt.

So ungesund verliebt…

 

Ich kramte mein Handy aus der Hosentasche. Es gab da etwas, dass ich überprüfen musste. Damit ich endlich nach vorne Blicken konnte.

Ich öffnete den Gruppenchat.

Mein Blick blieb auf meiner letzten Nachricht hängen. Sie hatte nur einen Haken. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich musste es überprüfen. Meine Befürchtung hatte sich bestätigt. Sie wurde Jake nicht zugestellt. Ich scrollte zu einem anderen älteren Nachrichten. Genau dasselbe wie bei der anderen Nachricht.

Gelesen von allen außer Jake.

Er war wirklich weg.

Tod, gefangen oder kalte Füße…

 

Er würde nicht hier auftauchen. Er wusste nicht einmal, dass ich mich auf den Weg nach Duskwood befand. Ich öffnete das Menü des Gruppenchats.

Ich atmete einmal tief ein.

„Bist du sicher, dass du Jake aus der Gruppe entfernen möchtest?“

„Ja“

„Nein“

Zögerlich bewegte ich meinen Zeigefinger auf den „Ja“-Button.

Sollte ich wirklich?

Irgendwie war es schwer als ich es mir vorgestellt hatte….

Dabei wollte ich doch endlich nach vorne blicken. Die Vergangenheit hinter mir lassen. Wenigstens diesen kleinen Schritt gehen. Wenn ich es nicht einmal schaffte ihn außer der Gruppe zu entfernen. In die er eigentlich gar nicht wollte. Nie hatte er sich als Teil der Gruppe gesehen. Deswegen sollte es mit doch erst recht nicht schwerfallen.

Wie sollte ich unseren Chat löschen, wenn ich das nicht einmal hinbekam?

 

[MC], kommst du?“, rief Phil zu mir rüber. Genau in dem Moment traf mein Finger den Display berührte. Nur weil ich mich so erschrocken hatte. Überfordert mit meinen Emotionen, nicht wissen ob ich wütend oder dankbar sein sollte, stand ich verdattert da.

„Ähm ja.“, sagte ich mit niedergeschlagener Stimme und ging zum dem Van mit der Aufschrift „Aurora.“

Okay, dass hätte ich vermuten können, dass dieses Fahrzeug Phil gehörte.

 

Phil öffnete mir die Beifahrertür.

„Steigen Sie ein, schöne Frau.“, okay das war wirklich ein Flirt. Als Höflichkeit hätte man es wirklich nur abtun können, wenn er mir nicht noch zugezwinkert hätte.

„Danke.“, kicherte ich verlegen und merkte wie ich leicht rot um die Nase wurde.

 

Ich kletterte auf den Beifahrersitz und schnallte mich an. Mein Handy hatte ich auf die Armatur gelegt. Jessy und mein Koffer befanden sich im hinteren Teil des Vans. „Auf geht’s nach Duskwood“, quickte Jessy vergnügt als Phil auf dem Fahrersitzplatz nahm.

„Ja, auf nach Duskwood.“, bestätigte ich mit deutlich weniger Euphorie. Das fing mit einen mitfühlenden Blick von Phil ein. Wahrscheinlich hatte auch Jessy dies bezüglich ihre Miene verzogen. Alleine der Gedanke ließ mich Unbehagen fühlen.

[MC], dein Handy.“, wies Phil mich dass mein Gerät immer noch auf dem Armaturenbrett lag. Womöglich bei der nächsten scharfen Bremsung oder Kurve herunterfallen könnte.

 

Ein kaputtes Handy konnte nun niemand gebrauchen.

 

Ich nahm mein Smartphone im Moment in dem Phil den Motor startete. Es würde nun endlich losgehen. Die Nervosität durch flutete meinen Körper. Gespannt darauf was mich die nächsten zwei Wochen erwarten würde. Und ob ich es schaffte die Liebe meines Lebens am unbekannten Ort der Verbundenheit zu vergessen.

 

Automatisch entsperrte ich den Bildschirm.

„Du hast Jake aus der Gruppe entfernt???!“ Diese Worte versetzten mir einen Stich ins Herz.

Ich hatte es tatsächlich wirklich getan…

Jake war nicht mehr Teil der Gruppenunterhaltung. Das Positive daran, sollte er in nächster Zeit doch die Nachrichten lesen, würde mir kein zweiter Haken diesen Umstand verraten. Keine Hoffnung würde sich mehr in mir breitmachen. Der nächste Schritt war unseren Chat zu löschen. Eigentlich sollte ich am besten seine Nummer gänzlich blockieren. Ich belog mich selber damit, dass Jake mittel und Wege finden würde diese Blockierung aufzuheben.

 

Mein Hacker würde schon eine Möglichkeit finden mit mir in Kontakt zu treten, wenn es das wollte.

 

Jake als Sündenbock war die einfachste Lösung. Deutlich einfacher als mir selbst einzugestehen, dass ich noch viel zu weit entfernt war ihn gehen zu lassen. Zu groß war die Hoffnung er würde mich nach fast zwei Monaten endlich kontaktieren.

Ich wollte die Chance darauf einfach nicht verpassen…

 

In voller Motivation öffnete ich unsere Unterhaltung. Nur um den nächsten Stich ins Herz zubekommen

[MC] “,

„Ich liebe dich“

Meine Augen klebten an seiner letzten Nachricht.

Verdammte zwei Monate war es her…

Okay fast zwei Monate…

Damals habe ich noch ein Gefühlshoch erlebt, war da jetzt nur noch schmerz…

Ein unerträglicher Schmerz…

Mein ganzer Körper flutete sich mit diesen drei magischen Worten. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich noch nicht bereit war. Ich konnte ihn noch nicht loslassen.

Und ich hasste mich dafür…

 

Diesem Phantom, dieser Fantasie, ihm so hinterher zu trauern. Enttäuscht von mir selbst wollte ich gerade mein Handy wieder einstecken, als es wieder viebierte.

„?“

Ich öffnete den Chat mit Lilly. Sie musste wohl gesehen haben, dass ich ihre letzte Nachricht ignorieren wollte. Trotzig sendete ich ihr auch nur ein Fragezeichen.

„Warum hast du Jake auf der Gruppe entfernt?“, antwortete sie mit dem hochgezogenen Augenbrauch Emoji, sowie den wütend schnaubend.

„Weil er weg ist!“, ich wiederum verzichtet auf jeglichen Emoji.

„Das kannst du doch nicht wissen“

„Er kommt wieder“

„Ganz bestimmt“

Seine jüngere Halbschwester hatte also noch Hoffnung.

Wie töricht…

 

Wahrscheinlich wollte sie sich nicht eingestehen, dass sollten seine Verfolger ihn bekommen haben, sie daran mitschuldig war. Die Aktion #IamJake hatte im Nachhinein rein gar nichts gebracht. Lilly und ihr Vide hatten das FBI doch erst auf die benötigte Spur gegeben.

„Lilly sieh es ein! Jake ist weg!“

„Der kommt nicht wieder“, selbst diese Worte in mein Handy zutippen, riss mir das Herz aus der Brust. Ich wollte nicht mit ihr diskusstieren. Es würde sowieso nichts bringen, außer das ich mir nur noch mehr Hoffnung machte.

 

„Er kommt wieder“

„Ganz bestimmt“

„Das würde er dir niemals antun.“

„Er liebt dich“

Ich spürte wie mein Handy viermal vibrierte, nachdem ich es in die Hosentaschen gesteckt hatte. Doch ich blieb stark und ließ Lillys Nachrichten unbeachtet.

 

Stattdessen beobachte ich die Umgebung. Wir waren noch immer in Coleville. Jessy hatte mir gesagt, dass es so der einfachste Weg war. Vom Hauptbahnhof Coleville hätten wir noch mit dem Bummelzug weitergekonnt. Dabei wären wir laut ihrer Aussage noch etwas über drei Stunden unterwegs gewesen. Um anschließend noch mit dem Bus fahren zu müssen. 

Duskwood war wirklich ein Kaff…

 

Wir standen an einer roten Ampel als Phil die Gelegenheit nutzte und sich zu mir wandte. „Dein Termin bei der Polizei ist morgen um 8 Uhr.“, sagte er schließlich

„So früh“, quäkte Jessy gequält von der hinteren Reihe.

„Unser lieber Mr. Bloomgate wollte den Termin eigentlich schon um 6 Uhr ausmachen. Nur um [MC] eins auszuwischen.“, man konnte seiner Stimme entnehmen, dass er nicht unbedingt den Vorsitz in Alan Bloomgates Fanclub beanspruchte. Aber wer sollte es ihm verübeln. Es würde jedem so gehen, der unschuldig ins Gefängnis käme. Phils Abneigung zu urteilen, hatte Dan wohl immer noch keinen reinen Tisch gemacht.

Diese feige Sau!

Nur durch seine falschen Anschuldigungen ist Phil doch erst ins Visier geraten.

 

„Aber ich konnte ihn überzeugen, dass es doch etwas zu früh ist.“, brüstete sich Phil stolz.

„Danke. Schätze ich“ murmelte ich kleinlaut. Meine überfällige Aussage hatte ich längst wieder verdrängt. Eigentlich wollte ich auch diesen ganzen Scheiß endlich hinter mir lassen,

 

„Später hättest du nicht aushandeln können?“, schmollte Jessy.

„Sorry, aber aus gegeben Anlass will ich mit denen nur noch das nötigste sprechen.“, antwortete Phil trotzig.

„Ist schon in Ordnung. Umso früher habe ich es hinter mir.“, sagte ich mit einem gespielten Lächeln. Auf Grund der langen Autofahrt, hatte ich nur wenig Lust in einen Geschwisterstreit hineinzugeraten.

„Danke auf jedenfall, dass du dich für mich eingesetzt hast.“, meine Dankbarkeit war aufrichtig. Selbst wenn ich es nicht schon vergessen hätte, hätte ich es wohl aufgeschoben.

Wahrscheinlich war das auch der Grund meiner plötzlich auftretenden Vergesslichkeit….

 

„Ich fahr dich morgen dahin.“, meinte Phil in einem Ton, den sogar ich als Flirten richtig interpretieren konnte.

„Dann kann mein Schwesterherz noch ausschlafen.“, fügte er noch sticheln hinzu.

„Das ist wirklich nicht nötig.“, entgegnete ich verlegen.

„Für dich schon, [MC]“, da war er wieder sein flirtender Ton.

 

Überfordert mit der Situation suchte ich im Auto nach der perfekten Ablenkung. Dann erblickter ich den USB-Stick am Autoradio. Ich kannte es von meinem Auto.

„Können wir Musik hören?“, fragte ich.

Da war sie die perfekte Ablenkung.

Musik, egal welche konnte unnötige Gespräche verhindern.

Deswegen hatte ich nicht mal auf eine Antwort gewartet und die Musik angestellt.

 

Ich riss meine Augen auf. Das Gitarrenriff hatte ich sofort erkannt.

„Das ist kein Krach.“, konterte ich auf Jessy Bemerkung, ihr Bruder würde nur Krachmusik hören. „Das ist My Chemical Romance.“

„Du kennst MCR?“, fragte Phil verdutzt.

„Natürlich! Man könnte sogar sagen, dass ist meine Lieblingsband.“, grinste ich breit.

„Sie ist nicht nur wunderschön, sondern hat auch noch einen verdammt guten Musikgeschmack.“

 

Meine Wangen glühten vor Verlegenheit. Doch ich entgegnete seinem Flirtversuch nichts, sondern betätigte die Reverse-Taste. Ich wollte das Lied noch einmal von vorne genießen, ohne störenden Gespräche.

Zum Leidwesen von Jessy hatte ich zudem noch die Lautstärke erhöht.

Und wahrscheinlich zum Leidwesen aller Insassen, alle außer mir versteht sich, sang ich lauthals mit.

Ein Gefühl von Freiheit durchflutete meinen Körper als ich die Lyrics von „I’m not okay, (I promise)“ mit grölte.

 

Es war der einfachste Weg der Welt, und vor allem auch mir selbst, entgegen zu schreien, dass es mir alles andere als gut ging. Das keine meiner Wunden verheilt war. Vor allem auch die Leere die Jake in meine Leben hinterlassen hatte.

 

Ironischerweise fühlte sich gerade das laute singen, so wie das Airdrum spielen, so gut an.

In diesem Moment fühlte ich mich mehr als nur okay.

 



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