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For all the Ghosts that are never gone

von

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Kapitel 2: Das Abenteuer beginnt

Kapitel 2: Das Abenteuer beginnt

 

Ich beobachtete die Regentropfen, die am Fenster des Zuges hinunterflossen. In meinem linken Ohr steckte Jessy Kopfhörer. Das rechte Pendant hatte meine Sitznachbarin in dem Ihren. Wir lauschten ihrer sanften Popmusik. Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass sie diese stereotypische Mädchenmusik bevorzugte. Gerade bei ihrem Faible für düstere Legenden hatte ich doch eher erwartet, dass ihre Vorlieben in die Rockrichtung gehen würden. Auf der anderen Seite passte diese Form mehr zu ihrer unbeschwerten Persönlichkeit. Diese durfte ich in den letzten drei Tagen in natura erleben.

 

Es war wirklich eine fantastische Zeit gewesen. Wir hatten rumgeblödelt, Horrorfilme sowie romantische Komödien geschaut. Ich hatte ihre meine Heimstadt gezeigt. Mit einem Shoppingtrip verbunden, haben wir bedeutende Orte in meines Lebens besucht. Es war schon sehr amüsant, als erwachsene Frau noch einmal auf den alten Schulhof meiner Grundschule zuspielen. Ich konnte in dieser Zeit selbst noch mal unbeschwert wie ein Kind sein. Vor allem, weil sie keinen unangenehmen Fragen gestellt hatte. Keine Einzige über meine Freunde oder Familie. Nicht einmal als sie die Scherben meines Badezimmerspiegels aufgefegt hatte. Ich hatte ihren Blick auf die Verletzung meinen Handrücken bemerkt. Sicherlich konnte sie sich zusammenreimen, was passiert war. Doch diesbezüglich kaum auch kein Wort über ihre Lippen.

 

Zum Glück.

 

Last Friday night

Yeah, we maxed our credit cards

And got kicked out of the bar

 

hörte ich Katy Perry singen. Innerlich musste ich grinsen, so hatte mich diese Passage doch an Cleo und Thomas erinnert. Da kam mir die Frage in den Sinn, ob das Hausverbot in der Aurora für die beiden noch aktiv war. Natürlich verstand ich Phil. Die beiden waren schließlich in seinen Keller eingebrochen. Dennoch wäre es doch stark bedauernswert, wenn die beiden uns nicht begleiten könnten. Schließlich hatte ich die beiden total liebgewonnen.

 

Thomas hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Das war mir sofort aufgefallen. Im Gegensatz zu den Anderen hatte ich ihn nie verdächtigt. Mir war schon nach kurzer Zeit klar gewesen, wie sehr er Hannah vergötterte. Nie und nimmer hätte er ihr auch nur ein Haar gekrümmt. Auch seine ganzen Handlungen und Entscheidungen, egal wie fragwürdig sie im ersten Moment schienen, waren mehr als verständlich. Er wollte seine Liebe wieder in seine Arme schließen, koste es, was es wolle. Ich war einfach ein Kollateralschaden, den er bereit war zu zahlen, als er mich bat zu Michael Hanson zugehen. Böse konnte ich ihm deswegen nicht sein. Mein Leben im Austausch für zwei.

 

Das war ein fairer Preis.

 

Richy und Hannah retten, war auch meine oberste Priorität gewesen. Ihre Nachricht mit meiner Kontakt-ID hatte mich erst in die ganze Geschichte hineingezogen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt kannte ich immer noch nicht ihre genauen Beweggründe. Wahrscheinlich würde ich bald wenigsten auf diese offene Frage eine Antwort erhalten. Nicht nur deswegen war ich gespannt darauf, Hannah endlich kennenzulernen. Ich wollte auch wissen, was sie für ein Mensch war.

 

Die ein oder andere noch offene Frage würde Richy mir beantworten können. Doch war ich mir immer noch nicht sicher, ob ich ihn besuchen wollen würde. Ihm allein gab ich die Schuld an Jakes Verschwinden. Wenn dieser Umstand nicht gewesen wäre, hätte ich ihm wohl die ganze Mann ohne Gesicht Geschichte verziehen. Es wäre mir sogar egal gewesen, was die anderen davon gehalten hätten. Richy und ich hatten immer einen guten Draht zueinander gehabt. Dieser eine Sache, dieser eine Fehler, war so verdammt aus dem Ruder gelaufen. Trotz seiner Ambition, das Richtige zu tun.

 

Ich konnte nicht ahnen, dass schon bald ein Besuch bei ihm unausweichlich sein würde…

 

Lilly hatte ich schließlich auch verziehen. Auch wenn sie mir Schreckliches angetan hatte. So hatte ich doch auch ihre Beweggründe verstanden. Mittlerweile waren wir auch wirklich guIchte Freundinnen geworden. Ihr die Chance zu geben, ihren Fehler auszumerzen, hatte sich also mehr als nur

gelohnt.

 

Die kommenden Ergebnisse würden unsere Freundschaft nur noch intensiver werden lassen.

 

Cleo hatte also recht behalten. Wenn Lilly und ich unter anderen Umständen hätten kennengelernt, ohne diese Startschwierigkeiten, hätten wir uns sofort gut verstanden. Cleo würde ich nun auch bald persönlich treffen. In den letzten drei Tagen wurden mir ihre Koch- und Backkünste von Jessy angepriesen. Darauf freute sich mein Magen und ich auch schon.

 

Auf eine Sache hatte Jessy mich auch schon vorbereitet. Dan saß immer noch im Rollstuhl. Er hatte ihr und den anderen dennoch die ganze Zeit über beteuert, dass dieser Zustand nur von kurzer Dauer sein würde. Er musst wohl jedoch in letzter Zeit immer gereizter auf Fragen diesbezüglich reagieren. So war zu mindestens Jessys Eindruck und ich konnte es mir nur zu gut vorstellen. Harte Schale, weicher Kern diese Beschreibung traf am besten zu. Natürlich wollte er nicht über die Möglichkeit, wahrscheinlich eher Tatsache, sprechen ein Leben lang an dieses Hilfsmittel gefesselt zu sein. Keineswegs wollte er, dass seine Freunde sich um ihn sorgten. Den Starken mimen. Ein Umstand, weswegen ich ihm nie geglaubt hatte, dass der Rollstuhl nur von kurzer Dauer wäre.

Armer Dan!

Auch wenn er an dieser Misere nicht ganz unschuldig war. Mit mehreren Whiskeys, egal wie gut und teuer sie waren, sollte man sich nicht mehr ans Steuer setzen. Er hätte eh nicht auf mich gehört. Da war es auch egal, wie penetrant ich versucht hatte, ihn zu überzeugen nicht mehr zufahren.

 

Nicht einmal das trübe Regenwetter konnte mir meine Vorfreude nehmen. Sie endlich alle zu treffen.

Jessys Unbeschwertheit hatte wirklich auf mich abgefärbt.

 

Jessica Hawkins – das beste Antidepressivum der Welt.

 

Ich hatte zwar nie im Leben SSRI oder ähnliche Mittel genommen. Aber diesbezüglich war ich mir sicher, keins davon wirkte so schnell wie Jessy. Irgendwo tief in mir wusste ich, dass ich einfach nur meine negativen Gedanken und Probleme unterdrückte. Da waren Dan und ich vom gleichen Schlag. Bloß vor den Liebsten keine Schwäche zeigen.

 

Etwas, dass noch wie ein Bumerang auf mich zurückkommen würde…

 

So wie ich eigentlich für Jessy und die anderen prophezeit hatte.

 

Just a small town girl

Livin' in a lonely world

She took the midnight train going anywhere

 

Natürlich war auch Journey in ihrer Playlist. Ich beobachtete weiterhin die Regentropfen auf der Fensterscheibe.

Das Wetter kam mir so verdammt falsch vor.

Woher hätte ich wissen sollen, dass die aktuelle Wetterlage meine kleine Reise perfekt widerspiegelte.

Düster, wie die dunklen schwarzen Wolken am Himmel…

Trübe, wie der Regenschauer, der einfach nicht enden wollte…

Hoffnungslos, wie die Sonne, die es mit keinem einzigen Strahl schaffte, durch den wolkenbehangene Himmel durchzudringen. Keine Chance auf das benötigte Licht und die ersehnte Wärme in meinem Leben.

Selbst der Donner kündigte mir an, dass mein Leben durch einen ohrenbetäubenden Knall erneut und für immer aus den Fugen geraten würde.

 

Doch nahm ich diese Zeichen des Unheils gar nicht erst war.

Wie auch…

Ich konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, dass sobald ich mich auf der Heimreise befand, wieder nicht allein sein würde. Nur würde es dann nicht Jessy sein, die mich begleitete.

 

Woher sollte ich wissen, mit welcher Grausamkeit mein Schicksal mich zu quälen vermark …

 

Wäre dieses Wissen vorhanden gewesen, hätte ich mich niemals in diesen Zug gesetzt.

Nicht einmal für die schönen Momente….

 

Verwirrte wandte ich mich zu Jessy, als ich keine Musik mehr vernahm. So war ich doch gerade darin vertieft, heraus zu finden, ob die Interpreten des Liedes die Backstreet Boys waren.

„Sorry.“, murmelte sie. „Ich wollte was essen. Möchtest du auch was?“

„Später vielleicht.“, entgegnete ich und beobachtete, wie Jessy in ihrem Rucksack nach einem Sandwich kramte. Als sie sich wieder zurück in ihren Sitz lehnte, reichte sie mir den Kopfhörer, welchen sie vor wenigen Sekunden aus dem Ohr gerissen hatte.

 

You're never not on my mind, oh my, oh my

I'm never not by your side, your side, your side

I'm never gon' let you cry, oh cry, don't cry

I'll never not be your ride or die, alright

 

Ich wollte meinen Blick gerade wieder aus dem Fenster richten.

„Die anderen freuen sich auch schon auf dich.“, forderte eine fröhlich mampfende Jessy meine Aufmerksamkeit. Mit einem Finger zeigte sie auf ihr Mobiltelefon und deutete mir, dass ich den Gruppenchat lesen sollte. Aus reiner Höflichkeit zog ich mein Handy aus der Hosentasche.

 

39 ungelesene Nachrichten.

 

Alle samt aus dem Gruppenchat. Mein genervtes Stöhnen hörte ich nicht. Doch Jessy hochgezogen Augenbraue bekam ich sehr wohl mit. Ich lehnte mich zu ihr.

„Selfie!“, forderte ich sie auf, in meine Handykamera zu grinsen. Nachdem ich das Foto geschossen hatte, schrieb ich noch schnell: „Sind auf dem Weg, Leute. Freu mich!“

 

Danach wollte ich das Handy sofort wieder in die Tasche stecken. Doch kam ich nicht umher, Dans rasche Antwort zu lesen.

„Sexy“

 

Ein leichtes Lächeln zauberte sich auf meine Lippen. Dan war mal wieder so typisch Dan. Ich richtete meinen Blick wieder auf dem Fenster. Doch lange blieb meine Aufmerksamkeit nicht bei dem Regen. Ich konnte nicht mal genau sagen, weswegen, aber ich schielte zu Jessy hinüber. Und irgendwie blieb mein Blick auf ihrem Chatfenster mit Dan hängen. Wahrscheinlich hatte ich durch letzte Zeit sämtliche Skrupel verloren, um die Privatsphäre eines Chats zu respektieren. Im Zuge der Ermittlungen war es von Nöten gewesen, sämtliche Chatverläufe meiner Freunde mitzulesen.

 

In deren Unwissenheit…

 

Wahrscheinlich wären sie heute nicht meine Freunde, wenn sie es gewusst hätten. Auch wenn es ja eigentlich gar nicht meine Schuld gewesen war. Wenn sie deswegen sauer sein wollte, dann doch bitte auf den, an den ich nicht denken wollte…

Jake…

 

Mist, da hatte er sich schon wieder in meine Gedanken geschlichen…

 

Schnell konzentrierte ich mich auf mein eigentliches Vorhaben.

„Hey Süße, alles in Ordnung bei euch?“, hatte Dan geschrieben.

 

Was war das denn für eine Frage?!

 

Natürlich war alles in Ordnung!

Wie sollte es auch anders sein?!

Wir saßen doch im Zug…

In nicht mal drei Stunden würden wir am Bahnhof ankommen.

Wir würden uns doch endlich alle persönlich treffen.

 

Vielleicht würde ich auch Jake endlich treffen…

 

Verdammt, warum war ich den plötzlich wieder so optimistisch. Es gab doch einen Grund, warum ich beschlossen, hatte nicht mehr an ihn zudenken…

Irreparable würde mein Herz zerbrechen, sobald die Realität meine Hoffnungen zerschlagen würde.

Deswegen hatte ich doch die Faustregel aufgestellt: Hoffnungslos gleich glücklich.

 

„Ich weiß es nicht.“, hatte Jessy getippt.

 

Was sollte das den jetzt bedeuten?!

Hatten wir nicht in den letzten drei Tagen den Spaß unseres Lebens gehabt?!!!

Ich war doch die ganze Zeit glücklich!

Wie konnte ihr das den nicht auffallen?!!!!

 

„Sie ist soooo still seitdem wir im Zug sind!“, ihre Nachricht hatte sie noch den Emoji mit dem heruntergezogenen Mund beigefügt.

 

Entschuldige!!!

Was sollte das denn?!

Nur weil ich 10 Minuten mal still war, sollte gleich nicht alles in Ordnung sein?!

 

Krampfhaft presste ich meine Fingerkuppen in meine Handinnenfläche.

Ich war glücklich!

Verdammt!

War sie blöd, oder was?!

Ich war auf dem Weg in den Urlaub mit wohl den besten Freunden der Welt.

Wie sollte ich mich auch anders fühlen als glücklich?

 

Wütend schnauben wandte ich meinen Blick aus dem Fenster. Ich spürte Jessys besorgten Blick im Nacken. Rückblickend hätte ich den Sorgen meiner Freunde besser wohl mehr Aufmerksamkeit schenken sollen.

 

Wer weiß schon, ob das dann nicht alles anders gekommen wäre…

 

Nun war es einmal so, dass ich keine hellseherischen Fähigkeiten besaß. Selbst wenn hätte ich es auch wohl eher als Intuition abgestempelt. Ich glaubte nicht an solche Scharlatane, wie Wahrsager und dessen weibliches Pendant. Selbst Ladylotus gänzlich zutreffende Vorhersagungen zweifelte ich an. Ich redete mir ein, dass was sie in das Darkness Forum geschrieben, hatte auf reinen Zufall basierte. Natürlich auch, weil solche Aussagen wie, etwas Schreckliches passierte oder etwas Unausgesprochenes würde zwischen einem stehen, doch sehr allgemein gehalten waren. Ich wusste nicht genau, warum aber meine Gedanken drifteten zum Videotelefonat mit Richy. Indem er mir vorgegaukelt hatte, dass er vom Mann ohne Gesicht getötet wurde.

 

Geweint hatte ich damals nicht. Die ganze Zeit hatte mich dieses seltsame Gefühl begleitet. Meine Intuition, mein Bauchgefühl oder mein gesunder Menschenverstand hatten mich angeschrien, dass etwas nicht stimmte. Irgendwie hatte ich es immer gekannt: Das Gesicht hinter der Maske. So vieles hatte einfach dafürgesprochen.

 

Richy hatte als Erster den Verdacht auf Phil gelenkt. Er hatte vorzeitig gewusst, dass Jessy allein unterwegs sein würde, mit mir am Telefon. Dann wurde sie angegriffen, um mich zu warnen. Es war so verdächtigt gewesen, dass ihm das Zeichen des Raben nicht beunruhigte. Auch wenn mir dieser Gedanke erst kam, als Jessy gesagt hatte, dass Richy nie mitgekommen wäre, zu der Hütte im Wald. Er hätte seine Eltern zurücklassen müssen. Einen Fakt, den ich die ganze Zeit übersehen hatte. Jeder Bewohner des markierten Hauses sollte in der ersten Neumondnacht geholt werden.

Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, die Gruppe meiner Freunde wären als Einzige gefährdet.

 

Und irgendwie war es ja auch so gewesen…

 

Richy hätte keinen Ausstehenden in diese Angelegenheit mit reingezogen. Keinen Ausstehenden außer mich. Obwohl ich mich deswegen wohl eher bei Hannah bedanken sollte. Hatte super-duper viel Spaß gemacht, die ganze Ängste, die schlaflosen Nächte, die Drohungen. Ich konnte mir ja kaum was Besseres vorstellen. Vor allem weil sich alle auf mich verlassen hatte und somit das Gefühl zu haben, sein Leben für eine Fremde geben zu müssen.

 

Also Danke, Hannah!

 

Vor allem sagte meine Intuition mir, dass ich wirklich nur durch einen Zufall in die ganze Sache reingezogen wurde. Vielleicht war es auch einfach mein gesunder Menschenverstand. Schließlich war sie eine Fremde für mich. Bis zu Thomas Nachricht hatte ich nicht mal etwas von dem kleinen Städtchen Duskwood gehört. Zu dem konnte ich keine großen Ermittlungskenntnisse vorweisen oder besaß gar Kontakte in diese Branche.

 

Außer vielleicht eine Affinität für True Crime. Aber auch das machte mich nicht zu etwas Besonderem.

Welche Frau zeigte kein Interesse an dieser Thematik?

Und wenn ich schon dabei war, die ganzen Youtuberinnen und Podcasterinnen beschäftigten sich deutlich intensiver mit diesem Bereich.

 

Da konnte Jake noch so oft sagen, ich wäre der Schlüssel.

Ja, ja. Schlüssel am Arsch.

Mich hätte keiner gebraucht.

Je mehr Zeit verging, desto sicherer war ich mir…

 

Da lag wohl mal Mr. Superschlauer Hacker ausnahmsweise mal falsch. Ich war nie der Schlüssel gewesen.

Ein gewöhnlicher Mensch…

Ein Niemand…

Mich zeigten keine besonderen Fähigkeiten aus.

Natürlich wäre ich gerne Jakes Schlüssel gewesen. Naja, irgendwie war ich schon der Schlüssel zu seinem verschlossen Herzen gewesen…

 

Ich biss mir wütend auf die Unterlippe. Wieder hatte ich zugelassen, dass Jake sich auf diese Art und Weise in meine Gedanken schlich…

Schlimmer eigentlich…

Ich hatte wieder zugelassen, dass dieser kleine Hoffnungsschimmer in mir aufkeimte….

 

Woran hatte ich gerade gedacht?

Ach ja, Richy.

Auf mein Bauchgefühl war wohl verlass. Schließlich war es die ganze Zeit Richy gewesen.

Danke Bauch, dass du Alarm geschlagen hast, als er Jessy geschrieben hatte, dass er ihr etwas über mich erzählen müsse. Zu einem Zeitpunkt, wo er kaum ein Wort mit mir gewechselt hatte.

Ich weiß nicht genau, ob es mein Herz oder mein Hirn waren, welches lautstark protestiert hatten. Es würde kein Motiv geben. Eigentlich war auch egal, wer von beiden es verbockt hatte.

Wahrscheinlich sogar beide.

Dann war es wohl eine Mehrheitsentscheidung gewesen.

Bauch überstimmt.

Verdacht nicht nachgegangen.

 

Naja es gab eine Sache, die Bauch, Herz und Hirn gemeinschaftlich vermasselt hatten.

Genervt von mir selbst stöhnte ich auf und vernahm Jessy eifrige tippen auf ihrem Smartphone.

Doch ich riskierte keinen Blick. Es war mir schlichtweg egal, welche Gemeinheit sie über mich nun verbreitete.

 

Ich hatte ein größeres Problem. Jake war wieder in meinen Gedanken aufgetaucht und ließ sich nicht vertreiben.

Wenn die Büchse der Pandora einmal geöffnet war…

Okay, wahrscheinlich war sie nie wirklich verschlossen gewesen.

Und ich hatte keine Kraft mehr dagegen zu kämpfen.

Das Einzige, was ich noch schaffte, war, dass kleine Glimmen der Hoffnung selbst zu ersticken. Bevor ich mich wieder unrealistischen Träumen hingab.

Jake würde in Duskwood, einfach so, irgendwann, vor mir stehen.

Da gab ich mich doch lieber einem viel realistischen Szenario hin.

Was wäre wenn, doch eine Leiche in der abgebrannten Eisenbruchmine gefunden wurde. Der tote Körper von einem Hacker dessen Feinde das FBI war…

Gerade diese Institution hätte doch großes Interesse, diese Angelegenheit unter den Teppich zu kehren.

Und vor allem: Sie hatten auch die Mittel.

 

Offiziell keine Leiche, inoffiziell hatte sich das Problem von selbst erledigt.

 

Keiner würde unangenehme Fragen stellen. Ein glücklicher Zufall, dass Jake das Opfer eines Suizidversuchs eines Anderen geworden war. Sie sparten sich das Geld für seine Verfolgung und wahrscheinlich noch wichtiger, den öffentlichen Hohn. Egal in welche Angelegenheit er verwickelt war.

Von Alan hatte ich erfahren, dass es sich um etwas Schwerwiegendes handeln musste. Auch wenn ich mir das schon längst gedacht hatte. Das wohl Witzigste daran war, dass es mir egal war.

 

So was von egal. 

 

Mein Herz, mein Hirn und mein Bauch, diese drei miesen Verräter von Organen, hatte beschlossen ich diesem mysteriösen und gruseligen Hacker vertrauen sollte. Es war ja nicht so, dass er jemals diesen Vertrauensbonus missbraucht hatte.

Eher das Gegenteil…

Er fand mich genauso interessant wie ich ihn.

Und was hatte ich nun davon?

Einen Schmerz, der mich von innen zerriss.

Wie sollte ich jemals über diesen Verlust hinwegkommen?

 

Mein Handy vibrierte dreimal in meiner Hosentasche.

Meldete sich Jake endlich?

Mein Herz sprang auf Wolke Sieben. Schnell zog ich mein Handy aus der Hosentasche, um zu prüfen, ob meine Intuition recht hatte. So hatte ich mein Bauchgefühl bezüglich des Mann ohne Gesichts noch gelobt. Nur um jetzt von diesem enttäuscht zu werden.

Ich sollte wirklich mal mit meinen Organspendeausweis herumwedeln. Als kleine Drohung, damit sie sich bemühten, weitere Fehltritte zu vermeiden.

 

Es war so dumm von mir auch nur ansatzweise zudenken, mein Happy End würde kommen. So viele Jahre auf diesem Planeten und ich hatte immer noch nicht eingesehen, dass bedingungslos glücklich einfach nicht für mich vorgesehen war.

 

„Hey Kleines“, es gab nur einen, der mir so einen primitiven Spitznamen gab.

Ich öffnete den Chat von Dan.

„Alles in Ordnung bei dir“

„?“

 

Mit leerem Blick starrte ich auf den Display meines Handy. Einige, mehrere Sekunden später raffte ich mich eine Antwort zu tippen.

„Alles Bestens“ mit einem breitgrinsenden Emoji.

Ich zog scharf die Luft durch die Nase ein als Dan keine Millisekunde nach Erhalt meiner Nachricht anfing zu tippen. Der konnte unmöglich so schnell meine Nachricht gelesen haben.

 

Seine Antwort bestätigte meine Vermutung: „Jessy sagte du bist so still“

„Bin nur müde!“, meine Nachricht fühlte sich grundlos wie eine Lüge an mich selbst an. Eigentlich war es doch eine leere Phrase, um ein Gespräch abzublocken. Zudem war ich wirklich müde. Seit dem Showdown in den Minen verfolgten mich nachts die Albträume.

Naja vielleicht sogar schon länger…

Fakt war einfach, dass ich die letzten Wochen keine Nacht mehr durchgeschlafen hatte. Selbst in den letzten drei Tage, in den Jessy wieder in mein Leben getreten ist.

 

In meinen Gedanken versunken bemerkt ich erst jetzt, dass Dan bereits geantwortet hatte-

„Es ist wegen Hackerboy, nicht wahr?“

Dieselbe Wut, die gerade noch beim unauffälligen Mitlesen gespürt hatte, stieg in mir auf. Blind vor Zorn getrieben tippte ich bewusst im Capslock.

„ER HEISST JAKE!!!“

„J“

„A“

„K“

„E“

„MERK DIR DAS ENDLICH!!!!!“

 

Ich wollte noch so viel mehr schreiben…

Es fühlte sich mehr als befreiend an. Einfach so die ganze Wut in mir abzuladen. Doch die drei mit tränenden Augen lachende Emoji seinerseits hielten mich davon ab. Für einen kurzen Moment starrte ich auf meinen Display. Großartig eine Antwort überlegen konnte ich mir wohl sparen. Mir wurde schließlich angezeigt, dass Dan noch tippte sowie hin und wieder seine Nachrichten löschte.

Bis ich Folgendes erhielt:

„Kopf hoch Kleines!“

„Dein Boyfriend wird schon wiederauftauchen.“

„Und wenn nicht andere Mütter haben auch schöne Söhne…“

 

Ich verdrehte die Augen. Wahrscheinlich wollte Dan mich nur aufheitern. Eigentlich war mir das klar. Doch irgendwie schürte, dass eine neue unbekannte Angst in mir. Jake hatte zum Schutz seiner Person nur eine Anonymous-Maske als sein Profilbild, so kannte ich sein Aussehen nicht. Gerade das machte meine Liebe so besonders.

 

Blind von Äußerlichkeiten…

 

Es würde keinen geben, der jemals Jakes Platz einnehmen könnte. Ich wusste selbst, wie kitschig das klang…

Jake war mein Seelenverwandter!

Unersetzbar also…

Wenn es zwischen uns nie ein wir geben würde, würde ich mein Leben für immer allein bleiben. Das Schlimme daran bis zu dem Moment, in dem Jake in mein Leben getreten war, hatte mir dieser Umstand nie etwas ausgemacht. Ähnlich wie er war auch in meinem Leben an Einsamkeit gewöhnt. Ich glaube, unser einziger Unterschied war, dass ich noch ein paar Freunde hatte und somit nicht komplett auf mich allein gestellt war.

 

„Du brauchst jetzt nicht damit kommen das Hackerboy wäre der einzige Wahre“

„Oder so ein Blödsinn!“

Das war Dans Reaktion auf mein endloses Tippen und Löschen meiner Nachricht. In der Hoffnung, schnell aus dieser Konversation zu können, ebenso um mir das Überlegen einer Antwort zu ersparen, sendete ich den augenverdrehenden Emoji.

 

Meine Hoffnung, dass er genervt den Chat verlassen würde, zerschlug sich mit der Anzeige, das Dan tippte.

„Kleines!“

„Ich meine es ernst“

„Sowas gibt es nur in kitschigen Liebesschnulzen!“

„Klar es tut weh“

„Will ich dir auch echt nicht absprechen!“

„Aber du musst nach vorne blicken“

„Okay?“

„Weiß eh nicht was du an dem findest“

 

Ich wusste, dass Dan recht hatte. Doch wollte oder eher konnte ich es einfach nicht akzeptieren. Natürlich gab uns Hollywood eine verklärte Perspektive auf die Liebe. Wenn Jake nicht auf diese Art und Weise in mein Leben getreten wäre, hätte ich Dan wohl recht geben. Ich war nie der Typ Frau, der an die große, wahre einzigartige Liebe geglaubt hatte. Oft genug hatte ich meine Freunde belächelt, als sie sagten der Richtige würde noch kommen.

 

Und dann kam Jake…

 

Plötzlich war alles in Rosarot. Ein Entführungsfall, in dessen Aufklärung ich verwickelt war.

Warum auch immer…

Meine Intuition sagte mir, schrie mich förmlich an, dass es alles nur ein Zufall war. Mein Herz erhoffte sich ,dass dieser Zufall mit Jake im Zusammenhang war. Als Wink des Schicksals, dass uns zusammengeführt hatte. Durch ihn war alles so viel leichter zu ertragen gewesen. Die Drohanrufe, die Ängste um meine Freunde, das Gefühl der Hilflosigkeit, da ich manchmal einfach nur tatenlos zu sehen konnte.

„:)“

Ein Smiley von ihm genügte und meine Welt war wieder in Ordnung. Wie kindisch, wegen so etwas schwebte ich schon auf Wolke Sieben. Geschweige den mein Gefühlshoch, als unsere Gespräche immer mehr in Richtung unsere Zuneigung füreinander gingen. Das war nicht in Worte zu fassen.

 

Alles gipfelte in seiner Liebeserklärung.

 

Doch so weit oben wie ich war, machte den Aufprall in die Realität nur noch härter. Ich wollte Dan gerade schreiben, dass ich einfach noch nicht bereit war, dass Kapitel Jake zuschließen. Gerade weil das Lesezeichen der Ungewissheit mich erst recht davon abhielt. Doch dann sah ich, dass er noch etwas geschrieben hatte.

„Kleines mein Angebot steht noch.“

„Du.“

„Ich.“

„Und ein guter Horrorfilm“

 

Ein beklemmendes Gefühl machte sich in meinem Brustkorb breit. Dan hatte mich schon einmal gefragt. Ein Gespür für unpassende Zeitpunkte schien er zu haben.

Damals wie heute…

Mal davon ab, dass ich dachte, er würde Jessy auf diese Art mögen.

Solange war es auch nicht her, dass er sich mit unzähligen Whiskeys abgeschossen hatte. Nur weil sie ihn versetzt hatte. Mit den Folgen, seinen Ehrenplatz im Rollstuhl, musste er wohl dauerhaft leben.

Ob das der Grund war, weswegen Dan sich nun auf mich fixierte?

Als Ersatz für Jessy?

 

Zu mindestens hatte er sich das erste Mal so richtig für mich und meine Rolle interessiert, als er im Black Swan versetzt wurde.

Oder Dans Beuteschema bestand in Frauen, die ihr Herz bereits verschenkt hatten….

Ich hatte sowieso nicht verstanden, warum er sich Hoffnungen gemacht hatte. So offensichtlich wie die Gefühle zwischen Richy und Jessy waren.

Vielleicht sogar genauso wie die zwischen mir und Jake.

Es war so vielen aufgefallen: Lilly, Jessy, dem FBI. Und sogar Dan wusste, dass ich seine Einladung wegen Jake abgelehnt hatte.

 

Ich war sie so leid, die kaputte Platte in meinen Kopf.

Jake, Jake, Jake, Jake…

Und tausendmal mehr Jake…

Und jedes Mal dieser unerträgliche Stich. Ich wusste, wie sinnlos es war, dagegen zu kämpfen.

Doch ich durfte nicht aufhören.

Für mich!

 

Ich zog Jessy Kopfhörer aus meinem Ohr. Der Musik hatte ich sowieso nicht mehr richtig gelauscht.

„Zu früh?“, hatte Dan seiner letzten Nachricht beigefügt. Ich lächelte und bemerkte Jessy besorgten Blick nicht.

„Nein. Passt schon.“

„Aber ich such den Film aus!“

„Und wehe, du heulst wie ein Baby!“, nahm ich seine Einladung an. Es sprach nun mal nichts dagegen, einen Filmabend als Freunde zu verbringen. Mehr würde es jedoch nicht werden. Dan war wie ein sarkastischer Bruder für mich. Oder besser gesagt die Sorte Bruder, die ich gerne abgehabt hätte.

 

„Jow“

„Vor dir hab schließlich mehr Angst als vor jeder Legende“

„Und so“

Um seine Nachrichten die benötigte Betonung zugeben, fügte er noch den zwinkernden Emoji hinzu.

„Darauf kannst du dich verlassen.“, meine Antwort enthielt den Emoji mit der Sonnenbrille.

 

Daraufhin öffnete ich den Gruppenchat, um die ignorierten Nachrichten zu lesen. Ein Schmunzeln zauberte sich auf meine Lippen und ich spürte Jessys Erleichterung im Nacken. Den Bildern von Cleo und den dazugehörigen Nachrichten konnte ich entnehmen, dass die gerade einen Willkommen-in-Duskwood-Kuchen backte. Genauso waren Bilder der gepackten Reisetaschen der anderen im Gruppenchat. Thomas hatte sogar ein Foto seiner Gitarre fotografiert und mit „Die darf natürlich auch nicht fehlen“ kommentiert. Dan hatte es wohl nicht lassen können und darauf geantwortet: „Tommyboy, du musst langsam lernen auch ohne Gute-Nacht-Geklimper einzuschlafen.“

 

Mein Lächeln im Gesicht wurde breiter. Sie hielten sich alle nicht zurück, wie sehr sie sich auf meine Ankunft freuten. Und deren Bedauern, dass Phil die Ehre hatte, mich und Jessy vom Bahnhof abzuholen. Entschieden hatte das seine kleine Schwester. Mir hatte sie das gestern Abend schon mitgeteilt. Zu einem wäre Phil es ihr wohl schuldig und am fairsten den Anderen gegenüber. Mein Beliebtheitsgrad schien keine Grenzen zu kennen. Ehrlich gesagt, genoss ich meinen kleinen Promistatus.

 

Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich Phil wirklich treffen wollte. Vielleicht war aber gerade diese Art am besten. Jake könnte mir keinen Vorwurf machen. Es lag schließlich nicht in meiner Hand. Obwohl Vorwurf auch das falsche Wort war. Jake hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er Phil nicht mochte. Und ich wusste, dass es auf seiner Eifersucht basierte. Genauso wie dass ich diese mit der Annahme der Einladung in die Aurora erst getriggert hatte. Damals, als er nicht da war, als er untertauchen musste. Zum damaligen Zeitpunkt, an dem noch keiner von uns so wirklich den Mut über dieses schöne Gefühl zusprechen. Vor allem für Jake war es schwer, sich das selbst einzugestehen. Er wollte nicht, dass ich die Konsequenzen seines Handelns mittragen musste. Kein Wunder also, dass er befürchtete, ich würde mich anderweitig umsehen. Auf die Flirts von Phil eingehen, da ich kein Interesse mehr an ihm hatte.

 

Ich seufzte.

 

Es war gut, dass Jake nicht lesen konnte, dass ich Phil schon attraktiv fand. Aber als das zählte nicht mehr. Mein Herz gehörte ihm für immer…

Auch wenn wir nie das Vergnügen haben würde, eine physische Zweisamkeit zu genießen.

 

Und viel wichtiger war, dass ich mich endlich zusammenriss.

Dauerhaft.

Für Jessy und die anderen.

 

Ich starrte weiterhin auf den offenen Gruppenchat. Die voller Vorfreude geprägte Stimmung hatte sich schnell umgeschlagen, als ich nicht mehr antwortete. Mir ging so viel durch den Kopf, dass ich schreiben hätte können. Doch ich brachte nicht die Kraft auf.

Nicht einmal den Mut für eine aufrichtige und nötige Entschuldigung konnte ich aufbringen.

Ich war eine miese Freundin…

Der einzige Weg, welcher blieb, war, dass ich mich selbst belügen müsste.

Mir selbst immer wieder einreden, dass mir Jakes Verschwinden nichts ausmachen würde.

Nicht für mich, sondern für die anderen.

Damit ich endlich der Mensch sein konnte, den die anderen verdienten.

Sie sollten glücklich und sorgenfrei sein.

Nach allem, was passiert ist…

 

Ich blickte mit einem Lächeln zu Jessy. „Langsam bekomme ich auch Hunger.“

[MC]“, sagte sie erschrocken und genauso schaute ich sie nun an.

„Du musst doch jeden Satz mit Muh beenden, muh“

Ich kicherte: „Die Kühe haben also endlich die Weltmacht erreicht, muh“

Zur Bestätigung nickte sie.

„Ich habe es ja immer gesagt, muh“, grinste ich breit.

„Alle Macht den Kühen, muh“, bestätigte Jessy.

 

„Ja, alle macht den Kühen!“

 



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