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Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht

von

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Vergangenheit – 23. Dezember – Warum trägt die Mimawarigumi bei all ihrer schmutzigen Wäsche eigentlich ausgerechnet Weiß?

 

 

Während der Morgenbesprechung ist es streng verboten, sein Mobiltelefon eingeschaltet zu lassen. Es sei denn, man ist Vizekommandant Hijikata Tōshirō und ist seit Tagen nervös wegen eines gewissen Spions und möchte unbedingt erreichbar sein, wie man es versprochen hatte.

Und dann klingelt das Telefon tatsächlich und Hijikata ist zuerst so verdutzt, dass er erst beim zweiten Mal begreift, dass es seines ist.

„Hijikata-san", bemerkt Okita, „Handys sind während Besprechungen verboten."

Hijikata hört gar nicht hin, denn der einprogrammierte Klingelton gehört genau zu demjenigen, den er gleichzeitig befürchtet und erhofft hat. Ein schneller Blick auf das Display bestätigt es. Hastig nimmt er den Anruf entgegen.

„Yamazaki?"

Sobald ihm der Name von den Lippen geschlüpft ist, wird es mucksmäuschenstill im Raum. Sogar Okita klappt den Mund wieder zu. Und Kondōs Miene wird richtig düster vor Sorge.

„Hijikata-san..." Yamazaki klingt atemlos und panisch. Es klingt, als würde er rennen. Unwillkürlich springt Hijikata auf und drückt das Handy fester an sein Ohr.

„Hijikata... Ich muss hier weg. Die Weißröcke funken uns gerade dazwischen. Sie kesseln das Viertel ein. Ich... schick dir ein Video."

Hijikata rennt förmlich aus dem Raum und Kondō ist ihm dicht auf den Fersen, nachdem er Okita befahl, die Stellung zu halten.

„Zaki? Ich hol dich. Wo bist du?"

„Cat Café."

„Was?"

„Ich schick dir die Adresse, wenn ich da bin. Sieh dir das Video an. Ich muss jetzt auflegen. Melde mich."

„Sei vorsichtig." Doch ihm antwortet nur noch das Freizeichen.

Inzwischen haben sie einen Funkwagen erreicht. Obwohl er nur knapp nach Hijikata dort ankommt, setzt sich Kondō ans Steuer, denn egal wie gefasst Hijikata jetzt wirkt, kennt Kondō ihn jedoch besser und er ist einfach zu aufgewühlt, um jetzt ein Auto zu fahren.

„Wohin, Tōshi?" fragt Kondō, während er den Motor startet.

„Ich weiß nicht... Erstmal Richtung Hafenviertel."

Kondō wirft ihm einen kurzen Blick zu, während er den Wagen vom Hof fährt. Hijikata starrt wie gebannt in sein Handy und soviel Kondō erkennen kann, spielt er ein Video ab. Mehr sieht er nicht, weil er sich auf den Verkehr konzentrieren muss.

„Was ist los, Tōshi?" erkundigt er sich, als er lange genug auf eine Erklärung gewartet hat.

Hijikata reibt sich über die Stirn und seufzt einmal tief.

„Die Mimawarigumi hat unseren Fall sabotiert. Sie haben in unserem Zielobjekt eine Razzia durchgeführt. Und nicht nur das - es gab eine Explosion, nachdem sie das Gebäude stürmten. Yamazaki hat alles gefilmt und ist jetzt quasi auf der Flucht."

Kondō nickt verstehend. Erste Regel für Spione: nicht erwischen lassen. Wenn die Mimawarigumi die Vorschriften befolgt – wovon er ausgeht – werden sie Straßensperren errichtet haben. Andererseits sind sie die Mimawarigumi, nicht die Shinsengumi. Die Mimawarigumi wühlt nicht im Dreck – sie werden also nur die offiziellen Straßen absperren und die unzähligen kleinen Neben- und Hintergassen, die oft nicht breiter sind als einen Meter, nicht berücksichtigen, geschweige denn den Blick nach oben auf die Dächer richten. Und Yamazaki ist ein sehr umsichtiger Spion – er hat garantiert mindestens fünf verschiedene Fluchtwege parat.

„Yamazaki weiß, was er tut“, versucht er, seinen Stellvertreter zu beruhigen.

„Natürlich tut er das.“ Hijikatas Antwort fällt barscher aus als erwartet, aber Kondō nimmt es ihm nicht krumm. Es zeigt ihm nur, wie besorgt Hijikata um Yamazaki ist.

Mit der größtmöglichen Geschwindigkeit und eingeschalteter Sirene benötigen sie zehn Minuten, um die äußeren Grenzen des Hafenviertels zu erreichen. Es werden sehr lange zehn Minuten für Hijikata und nicht ganz so lange für Kondō, denn der hat wenigstens den Straßenverkehr, auf den er sich konzentrieren kann. Kurz bevor sie eine Kreuzung erreichen und sich Kondō gezwungen sieht, nach einer expliziten Richtung zu fragen, piept Hijikatas Handy. Die dreißig Sekunden an der roten Ampel genügen ihm, um eine Route festzulegen.

„Nach links“, dirigiert er und schnalzt genervt mit der Zunge, als er weiter vorne an der nächsten Kreuzung eine Straßensperre und einen Mimawarigumi-Wagen stehen sieht. „Vor der Straßensperre die erste rechts. Da ist eine kleine Einkaufpassage mit Tiefgarage. In einem der Läden dort wartet Yamzakai auf uns. Es ist nicht mehr weit.“

„Aber es ist direkt bei der Absperrung?“ schlußfolgert Kondō wenig begeistert. Glücklicherweise hat er die Sirene schon an der Kreuzung abgestellt und wenn Fortuna noch ein kleines bißchen länger auf ihrer Seite ist, bemerken die Männer von der Mimawarigumi ihren schwarz-weißen Funkwagen gar nicht.

Sie haben nichts zu verbergen, sie können jederzeit mit ihrer Dienstmarke wedeln, aber diese hochnäsigen Spinner würden nur unnötige Fragen stellen und sie könnten dadurch kostbare Zeit verlieren.

„Es ist inzwischen in den Nachrichten“, erwidert Hijikata und öffnet auf seinem Smartphone den Live-Stream einer Nachrichtensendung.

„... zwei Verletzte und ein Toter“, ertönt die Stimme der allseits bekannten und beliebten Starreporterin und ehemaligen Wetterfee Ketsuno Ana. „Auf der Suche nach weiteren Verdächtigen hat die Mimawarigumi begonnen, ihre Absperrungen auf das gesamte Hafenviertel auszuweiten...“

Kondō seufzt einmal tief auf, als er das hört. „Auf der Rückfahrt geraten wir garantiert in eine Mausefalle. Kann Zaki sich nicht bis zu uns durchschlagen?“

Hijikata zuckt nur mit den Schultern.

Inzwischen haben sie die Tiefgarage erreicht. Kondō stellt den Wagen auf dem nächstbesten freien Parkplatz ab und dann gehen sie durch einen kleinen Treppenflur und betreten eine wirklich nur sehr kleine Passage mit maximal zehn Geschäften, und erstaunlicherweise wimmelt es dort noch nicht von den Männern der Mimawarigumi. Aber das wird sich wahrscheinlich sehr bald ändern.

Die Passage ist nur mäßig besucht und das ist sehr untypisch für diese Jahreszeit, immerhin ist übermorgen Heilig Abend. Aber die Leute hier verfolgen bestimmt auch die Nachrichten und außerdem sind die weißen Fahrzeuge der Mimawarigumi nicht zu übersehen.

Sie finden das Cat Café schnell und ausnahmsweise ist es Kondō, dem ein lachendes „typisch Zaki" entschlüpft. Hijikata lächelt nur angespannt. Ihm ist nicht nach Lachen zumute, auch wenn Kondō da zweifellos recht hat. Wer hat auch schon mal von einem Café gehört, in dem Katzen leben? Richtige Katzen, keine Amanto. Andererseits heißt es ja auch, dass Amanto-Katzenwesen die irdischen Katzen nicht ausstehen können.

Unwillkürlich schüttelt er den Kopf, als er über die Schwelle tritt und sofort einer sehr neugierigen, grauen Fellnase ausweichen muss. Die Jungunternehmer von heute kommen auf wirklich komische Ideen. Er glaubt nicht, dass sich das durchsetzen wird. Obwohl er Katzen sehr mag, mehr jedenfalls als Hunde. Yamazaki als bekennender Katzenliebhaber jedenfalls fühlt sich hier bestimmt wohl.

Apropos... Wo steckt er überhaupt?

Suchend sehen sich Kondō und Hijikata um. Es dauert eine Weile, bis sie ihn an einem der hinteren Tische, nahe am Notausgang, entdecken und das liegt auch nur daran, weil er in seinem Parka und den Jeans so ungewohnt aussieht. Dazu die tief ins Gesicht gezogene Kapuze seines Hoodies... Er versucht eindeutig, nicht aufzufallen, nur leider gelingt ihm das diesmal nicht so gut.

Er strahlt regelrecht Angst aus, so wie er dasitzt, sich förmlich in sich selbst verkriechend und seinen Armeerucksack schützend auf seinem Schoß umklammernd. Die Panik hat ihn voll im Griff, und das hat eine Siamkatze angelockt, die nun vor ihm auf dem Tisch sitzt und ihn neugierig anmaunzt.

Hijikata unterdrückt den Impuls, zu ihm zu rennen und ihn in den Arm zu nehmen.

Kondō ist da weniger zurückhaltend, auch wenn er es bei einem kumpelhaften Klaps auf die Schulter belässt. Obwohl Yamazaki das kommen sehen muß, zuckt er bei der Berührung trotzdem kurz zurück.

Hijikata bemerkt es mit einem Stirnrunzeln, beschließt aber, dem später auf den Grund zu gehen. Im Moment haben sie dringendere Probleme.

„Bist du okay, Zaki? Können wir los?"

Zu seiner großen Überraschung schüttelt Yamazaki mit dem Kopf und umklammert seinen Rucksack noch fester.

„Ich... kann nicht..." Dabei sieht er jedoch nicht Hijikata oder Kondō an, sondern an ihnen vorbei. Und seine Augen sind so groß und dunkel und voller Angst.

Irritiert wirft Hijikata einen Blick über seine Schulter, sieht, wie die beiden Mimawarigumi in ihren strahlendweißen Uniformen das Café betreten und versteht.

„Keine Sorge, meine Damen und Herren", erhebt der Jüngere der beiden gönnerhaft die Stimme, „das ist nur eine Personenkontrolle. Zeigen Sie uns Ihre Ausweise und wenn Sie nichts zu verbergen haben, wird alles gut."

Wortwahl und der hochmütige Tonfall zeigen, wie wenig er von seinem Job wirklich versteht. Hijikata kann sich ein abfälliges Schnauben nicht verkneifen.

Doch dann sieht dieser Schnösel sie und während sein Kollege beginnt, die wenigen Gäste und die Angestellten nach ihren Papieren zu fragen, eilt er direkt auf sie zu.

„Kondō-san, Hijikata-san, welche Überraschung. Und so passend." Er grinst kumpelhaft und nestelt sein Mobiltelefon aus seiner Manteltasche. „Ich will euch schon seit drei Wochen etwas fragen. Dieses junge Ding, das auf der Party war, wo habt ihr sie gefunden? Die war ja echt ein Zuckerstück. Wir hätten sie gerne für unsere Weihnachtsfeier."

Er hält sein Handy, als erwarte er, Hijikata und Kondō würden jederzeit Nummern mit ihm tauschen. In diesem Moment ähnelt er auf geradezu unheimliche Art und Weise seinem Kommandanten Sasaki, der mit seinem Smartphone regelrecht verwachsen ist und jeden als „Mail-Freund" haben will.

„Da war kein Mädchen", erwidert Hijikata ungnädig. Er bezweifelt nicht, dass die von der Mimawarigumi oft und viel feiern, sicher verwechselt der Jungspund da etwas. Und es ist beleidigend zu behaupten, dass die Shinsengumi leichte Mädchen bei ihren Feiern engagiert. Wer so etwas will, soll gefälligst in Yoshiwara oder Kabukicho danach suchen.

„Oh?" macht der Junge verdutzt. „Doch", meint er dann hartnäckig und tippt eifrig auf seinem Handy herum. „Natürlich. Warte, ich hab hier ein Video. Da, schau..."

Vielsagend hält er Hijikata sein Handy entgegen. Unwillkürlich richtet Hijikata seinen Blick auf das kleine Display und sogar Kondō macht einen neugierigen Schritt nach vorne. Schon die ersten Sekunden verraten ihnen, dass der Junge hier mit einem Porno prahlt.

Ein lautes Keuchen schreckt sie auf, aber in diesem Moment sind sie sich nicht sicher, ob es von hinter ihnen oder vom Video stammt.

Lautstark schiebt Yamazaki seinen Stuhl zurück und springt auf.

„Wir müssen gehen."

Der Mimawarigumi-Offizier mustert ihn stirnrunzelnd.

„Gehört der zu euch?"

„Ja", erwidert Hijikata, froh über die Unterbrechung. „Und er hat recht. Wir müssen wirklich gehen."

Mit diesen Worten packt er Yamazaki am Oberarm und drückt sich zusammen mit ihm an dem Jungspund vorbei. Yamazaki folgt ihm so dicht auf den Fersen, dass er seinem Atem deutlich hören kann. Viel zu schnell und viel zu tief.

Unwillkürlich befürchtet Hijikata, dass er wieder zu hyperventilieren beginnt und beschleunigt seinen Schritt.

„War schön, euch zu sehen", verabschiedet Kondō sich betont fröhlich, als er dem Mimawarigumi-Offizier zum Abschied nochmal auf die Schulter klopft. „Gute Arbeit. Bis zum nächsten Mal." Völlig überrumpelt lässt dieser sie ziehen, doch kurz, bevor sie das Café verlassen, ruft er ihnen noch nach:

„Ich schick einfach eine Message an alle!"

„Was hat er damit gemeint?" will Kondō wissen, sobald sie draußen sind.

„Weiß ich nicht", grummelt Hijikata und zieht Yamazaki Richtung Tiefgarage. „Und es ist mir auch egal. Alles okay?" wendet er sich dann an Yamazaki, der immer noch beunruhigend schnell atmet. Yamazaki ist blaß und auf seiner Stirn glänzt kalter Schweiß, doch er geht nur schneller und nun ist er es, der Hijikata zieht.

„Ich will nur weg hier", erklärt er dabei.

Er rennt fast die Treppe zur Tiefgarage hinunter und ist als erster am und im Funkwagen.

Kondō und Hijikata werfen sich einen kurzen Blick zu, verzichten jedoch auf ein Kommentar.

Wie schon auf der Hinfahrt setzt sich Kondō jetzt auch wieder hinters Steuer, während sich Hijikata - nach einem kurzen, inneren Zögern - auf den Beifahrersitz setzt. Sein erster Impuls sah vor, dass er zu Yamazaki nach hinten geht und ihn ganz fest in den Arm nimmt, aber das wäre für sie beide nun doch zu peinlich geworden. Stattdessen wirft er, während Kondō das Auto aus der Tiefgarage fährt, einen Blick über die Schulter nach hinten.

„Geht's wieder besser?"

Yamazaki umklammert immer noch seinen Rucksack als wäre es sein kostbarster Besitz auf dieser Welt.

„Will nur hier weg...", murmelt er dabei, immer noch atemlos. Es wird aber langsam besser, wie Hijikata erleichtert feststellt.

„Ich kann die Weißröcke nicht ausstehen", fügt Yamazaki dann noch ungewohnt heftig hinzu.

„Wegen dem, was auf der Feier passiert ist?" hakt Hijikata vorsichtig nach. Ihn beschleicht allmählich das unangenehme Gefühl, dass es da nicht nur um Faustschläge ins Gesicht und gemeine Worte ging.

Yamazaki rollt sich quasi um seinen Rucksack herum zusammen.

„Sie sind einfach da aufgetaucht“, erklärt er dabei, ohne auf Hijikatas Frage einzugehen. „Haben die ganze Operation versaut. Wenn sie die Wohnung finden und in den Kühlschrank sehen, werden sie meine Anpan entdecken und wissen, dass ich da war... Ich hätte es vernichten müssen. Tut mir leid."

„Wen interessiert's?" schnaubt Hijikata nur und winkt betont gleichgültig ab. „Die haben uns ins Handwerk gepfuscht, nicht umgekehrt. Kondō-san wird deswegen Beschwerde bei Matsudaira einreichen, nicht wahr?"

„Natürlich", stimmt ihm Kondō sofort zu. „Es ist nicht deine Schuld, Zaki. Du hast alles richtig gemacht."

Yamazaki bedankt sich mit einem kleinen Lächeln.

„Ich schreibe den Bericht, sobald ich im Hauptquartier bin."

„Das hat keine Eile", winkt Kondō sofort ab.

Für eine Weile herrscht Schweigen im Auto, das für einen kurzen Moment noch einmal sehr angespannt wird, als sie die Straßensperre an der Kreuzung passieren, aber sie werden anstandslos durchgelassen.

Yamazaki atmet hörbar auf.

„Du benimmst dich wie ein Krimineller", schmunzelt Hijikata.

„Ich mag sie eben nicht", kommt es leise zurück.

Hijikata will gerade etwas Witziges darauf erwidern, da klingeln sein und Kondōs Handy gleichzeitig.

Überrascht runzelt Kondō die Stirn, aber da er fahren muss, lässt er sein Handy stecken.

„Was ist das?" fragt er Hijikata neugierig, während dieser sein Smartphone herausnestelt. Der wirft nur einen Blick darauf und stöhnt auf.

„Ich fasse es nicht. Dieser Schwachkopf hat mir tatsächlich das Video geschickt.Und er fragt auch noch dreist, ob wir ihm ihre Nummer geben." Ungefragt langt er in Kondōs Jackentasche, holt dessen Handy heraus und ächzt, nach einem schnellen Blick aufs Display, noch einmal auf.

„Dir auch. - Und was ist mit dir, Zaki?" fragt er mit einem Blick nach hinten.

Es kommt keine Antwort, aber ein Blick in Yamazakis entsetztes Gesicht und wie das Handy in seinen Händen zittert, genügt.

Fassungslos schüttelt Kondō den Kopf.

„Woher haben die unsere Nummern?"

„Will ich gar nicht wissen", erwidert Hijikara zähneknirschend. „Ich besorg mir eine neue. -Oi, Zaki! Siehst du dir das etwa an? Bist du pervers, oder was?"

„Ich... nein", stammelt Yamazaki und lässt sein Handy schnell wieder in seiner Tasche verschwinden. Aber seine Wangen sind verdächtig rot geworden.

„Ich glaub, unser Zaki braucht eine Freundin", erklärt Kondō in einem neckischen Singsang und wirft einen grinsenden Blick in den Rückspiegel.

Yamazaki wird knallrot und umschlingt seinen Rucksack noch fester. Und plötzlich sieht er aus, als wäre er den Tränen nahe.

„Kondō, lass das", tadelnd schnalzt Hijikata mit der Zunge und wechselt das Thema. „Du hast sicherlich Hunger, Zaki. Wir haben bestimmt noch etwas Miso-Suppe übrig. Aber wenn du willst, können wir auch schnell am nächsten Supermarkt halten und etwas kaufen."

Yamazaki schüttelt den Kopf.

„Können wir bitte einfach nur nach Hause?"

Hijikata dreht sich diesmal etwas länger um und mustert ihn zum ersten Mal genauer. Ist er dünner geworden? Auf jeden Fall hat er sich wieder zwei schöne, dunkle Augenringe herangezüchtet.

„Gut", entscheidet er dann. „Fahren wir ohne Umwege ins Hauptquartier. Wo du mir mündlich Bericht erstattest - bei einer Miso-Suppe. Und das ist ein Befehl."

Yamazaki nickt kleinlaut.

„Hai, Fukuchō."

 

 

 

Yamazaki ißt wie ein Spatz. Und er braucht eine ganze Viertelstunde für eine lächerliche Schale. Und sein mündlicher Bericht danach unterscheidet sich nicht von seinen schriftlichen: kurz, knapp, präzise und absolut sachlich. So absolut untypisch.

Doch innerlich ist er ein Wrack. In seinen Augen liegt immer noch dieselbe Leere wie vor einigen Tagen. Doch diesmal flackert auch nackte, mühsam unterdrückte Panik in ihnen.

Und während er mit dieser tonlosen, leisen Stimme spricht, spielt er unablässig mit dem silbernen Kettchen an seinem Handgelenk herum.

Je länger er ihm gegenübersitzt, desto mehr schnürt es Hijikata die Kehle zu.

Der arme Junge braucht dringend Urlaub. Zum Glück ist morgen Heilig Abend und danach fangen die Feiertage an. Zwar gibt es für die Shinsengumi keine Feiertage per se, doch Urlaub steht jedem zu, also ist über die Feiertage das Hauptquartier nur zur Hälfte besetzt. Und Yamazaki als einer der wenigen, der hier auch wohnt und lebt, wird in einem eher stillen Hauptquartier hoffentlich jene Ruhe finden, die er so dringend nötig hat.

Obwohl noch viele Fragen offen stehen, vor allem die, was zum Teufel mit Yamazaki eigentlich los ist, stellt er sie nicht und schickt seinen Spion einfach ins Büro, um seinen Bericht zu schreiben. Danach will er ihm frei geben, aber das will er ihm erst später sagen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Nachdem er Yamazaki fortgeschickt hat, sitzt Hijikata noch eine Weile im Speisesaal, raucht und spielt, tief in Gedanken versunken, mit der leeren Miso-Schüssel herum. Eine laute Stimme, gefolgt von einem Lachen holt ihn zurück ins hier und jetzt. Er blinzelt verdutzt und muss zu seiner großen Überraschung feststellen, dass er wohl länger da gesessen hat als gedacht, denn der Speisesaal füllt sich allmählich mit den ersten Mittagsgästen.

„Ja, ein süsses Ding", hört er jemanden sagen. „Aber ein Gangbang? Danke nein, nichts für mich."

„So sind sie eben, die Flachzangen von der Mimawarigumi. Kriegen nichts allein geregelt."

„Leute, also, für mich sah das nicht freiwillig aus."

„Sag ich ja. Nur Gewalt und Zwang, mehr kennen die nicht."

„Selbst wenn ich ihre Nummer hätte, würde ich sie denen bestimmt nicht geben."

Entsetzt hebt Hijikata den Kopf. Das Video. Sie reden übers Video. Oh nein, bedeutet das etwa, es wurde an alle hier verschickt?

Entschlossen springt er auf.

Diesem moralischen Verfall muss sofort Einhalt geboten werden.

 

 

 

Tetsunosuke fühlt sich sehr unwohl. Yamazaki sitzt wieder an seinem gewohnten Schreibtisch, denselben, an den Tetsu in den letzten Tagen saß und arbeitet an seinen Missionsberichten. Eigentlich sollte er schon längst damit fertig sein.

Nun, man kann nicht arbeiten, wenn man weint. Er versucht es zu verbergen, aber Tetsunosuke hört sein Schniefen und sieht, wie er sich immer wieder über die Augen wischt. Tetsu wollte ihn vorsichtig darauf ansprechen, aber Yamazaki hat nur gelächelt und Tetsunosuke will sich nicht aufdrängen.

Er kann mit weinenden Menschen schlecht umgehen und will es nicht noch schlimmer machen.

„War Hijikata wieder gemein zu dir?" ist das einzige, was er ihn ganz zu Anfang zu fragen wagte. Aber Yamazaki schüttelte daraufhin so heftig mit dem Kopf, dass er ihm sofort glaubte, als er ihm versicherte, dass Hijikata nichts damit zu tun hätte.

Ehrlich gesagt, konnte sich Tetsunosuke das auch nicht vorstellen, aber er musste das fragen.

Seitdem haben sie nicht viel miteinander geredet, aber Tetsunosuke reicht ihm immer mal wieder neue Taschentücher, ab und an auch mal einen Tee und versucht, ihm das Gefühl zu vermitteln, dass er jederzeit für ihn da ist.

Er kann mit Tränen eben wirklich schlecht umgehen.

Yamazaki hat sich gerade wieder etwas gefasst, da betritt Hijikata mit einem Wäschekorb voller Smartphones das Büro.

„Zaki..." Er legt den Korb auf seinem Schreibtisch ab, stutzt dann aber, als er Yamazakis rote Augen sieht.

„Alles in Ordnung?"

Yamazaki schenkt ihm ein kleines Lächeln, eines dieser Art, das er nur Hijikata zeigt und das allen hier immer wieder verrät, wie tief seine Gefühle für seinen Vizekommandanten wirklich sind.

Ich würde alles für dich tun, verspricht dieses Lächeln. Tetsunosuke weiß nicht, wieso Hijikata es nie erkennt.

„Hai, Fukuchō. Was hast du da für mich?"

Hijikata zögert kaum merklich.

„Hier sind die Handys aller Männer“, erklärt er dann in einem ungewohnt sanften Tonfall. „Kannst du sie bitte auf dieses Video untersuchen und es dann so löschen, dass es restlos verschwunden ist?"

„Warum konnten die das nicht selbst, warum muss ich ...“ begehrt Yamazaki zuerst auf, verstummt dann aber mitten im Satz, schluckt einmal und senkt dann gehorsam den Kopf.

„Hai, Fukuchō."

Zögernd legt ihm Hijikata eine Hand auf die Schulter und drückt, als Yamazaki nicht unter dieser Berührung zusammenzuckt, einmal kurz zu.

„Danke, Zaki. Du bist der einzige, dem ich damit vertraue. Ich weiß nicht, ob die Männer die Datei nicht irgendwo verstecken und nur behaupten, sie hätten sie gelöscht.“

Yamazaki nickt verstehend und fischt sich das erste Handy aus dem Haufen heraus.

„Kann ich vielleicht helfen?" bietet sich Tetsunosuke eifrig an. „Mit Handys kenne ich mich aus.“

„Nein, Tetsu“, wehrt Hijikata ungewohnt scharf ab. „Dafür bist du noch zu jung."

Tetsunosuke zieht eine Schnute, gibt sich aber widerspruchslos geschlagen. Vorerst. Wenn Hijikata den Raum verlassen hat, wird er Yamazaki trotzdem dabei helfen, egal, was Hijikata sagt. Im Moment begnügt er sich damit, aus einem Schrank einen Pappkarton zu holen, um dort die „bereinigten“ Handys zu sammeln.

„Zaki...“, beginnt Hijikata vorsichtig, „... sag mal, kann es sein, dass du das Mädchen kennst?“

Yamazakis Finger über einem Display stockt kurz und sekundenlang scheint er mit sich zu kämpfen, doch dann nickt er.

„Flüchtig“, gibt er leise zu. „Ich kann dir versichern, dass sie das nicht freiwillig gemacht hat.“

„Hat sie es der Polizei gemeldet?“

Yamazaki lacht einmal kurz und bitter auf. „Ihr Wort gegen das von sechs Adligen von der Mimawarigumi? Das wäre sozialer Selbstmord.“

Hijikatas Wangenmuskeln verspannen sich kurz und seine blauen Augen werden schmal. Seine Hände ballen sich zu Fäusten und öffnen sich dann wieder, als er die angehaltene Luft mit einem leisen Zischen wieder ausstößt.

Er ist nicht der einzige, den so etwas wütend macht. Auch Tetsunosuke, der nur still danebensteht und die Ohren spitzt, fühlt, wie es in ihm brodelt. Er muss die Details nicht wissen, um zu verstehen, worum es geht. Es ist immer dasselbe mit diesen Adligen. Sie nehmen sich, was sie wollen und kommen ungestraft damit davon.

„Ich verstehe... brauchst du etwas Zeit, möchtest du dich um sie kümmern? Können wir dir irgendwie dabei helfen?“

„Huh?“ verdattert starrt Yamazaki seinen Vizekommandanten an, und dann schleicht sich eine verlegene Röte auf seine Wangen. „Nein, danke, so eng bin ich nicht mit ihr. Sie kommt erstaunlich gut selbst zurecht. Sie ist verdammt stark, verstehst du? Sie hat ihren Traumjob, in den sie sich voll reinhängt. Der und ihre Kollegen und Freunde geben ihr Halt. Sie packt das schon. Nur dieses Video...“ düster starrt er auf das Smartphone in seinen Händen, „... wenn das viral geht, wenn sie jemand darauf erkennt... das ist, als würde man sie erneut ...“ seine Stimme bricht.

Verärgert über sich selbst, wischt er sich über die nassen Augen und drückt dann entschlossen auf die Löschtaste, bevor er das Handy in die von Tetsunosuke gehaltene Box legt.

„Fukuchō... Kann Matsudaira nicht etwas dagegen unternehmen? Ihnen wenigstens ein Disziplinarverfahren anhängen oder so?“

„Ich werde Kondō fragen, ob er den Alten darum bittet, bezweifel aber, dass viel dabei herauskommt.“

„Ja“, murmelt Yamazaki düster, „ich auch.“

 

 



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