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Rivale oder Geliebter?

Touya Akira x Shindou Hikaru
von

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Dieser Urlaub ist das Letzte!

Kapitel 2 – Dieser Urlaub ist das Letzte!

Ein bekanntes Rascheln weckte Hikaru. Es war, als ob jemand in den Topf mit Go-Steinen griff, um den Stein für den nächsten Zug zu spielen. Und da war es schon, dass vertraute Klicken, wenn einer der glatten, kleinen, runden Steine auf das Brett gelegt wurde. Wo war er? Hikaru öffnete die Augen. Mondlicht fiel spärlich in seine Richtung. Er lag in einem Futon. Komisch, er hatte doch eigentlich ein Bett …

„Ah!“, schreckte Hikaru hoch. 'Stimmt ja, ich bin ja mit Touya in einem Ryokan!', fiel ihm schlagartig wieder ein. Und wenn jemand Go spielte … Hikaru warf einen Blick auf Touyas Futon. Er war aufgewühlt und leer. Der Go-Profi saß an dem niedrigen Tisch am Balkon und legte im Licht des Vollmondes konzentriert Steine auf das Go-Brett.

'Wie viel Uhr ist es?', fragte sich Hikaru. Seine Augen brannten noch vor Müdigkeit. Es war zwei Uhr zweiundvierzig.

„Viertel vor drei?!“, fuhr Hikaru hoch. „Warum um Himmelswillen spielst du um diese Zeit Go?!“, rief er Touya entgegen. Aber Touya schien ihn nicht zu hören. Er war vollkommen konzentriert.

„Touya!“, rief Hikaru erneut, nun direkt neben dem Angesprochenen. Zum ersten Mal kam eine genervte Reaktion.

„Was? Du siehst, dass ich gerade spiele.“

„Es ist Viertel vor drei!! Normale Menschen schlafen um diese Zeit!“

„Ich muss das jetzt spielen. Sonst vergesse ich es.“

„Was vergisst du?“

„Das Spiel.“

„Hä?!“

„Du nervst! Sei einfach still!“

„Aber -“ Ein böser Blick von Touyas Seite genügte, um Shindou ruhig zu stellen. Stattdessen blickte dieser nun auf das Spielbrett. Was Touya da konstruierte, sah extrem kompliziert aus. Wer würde schon so spielen?

„Hast du das nicht auch?“, fragte Touya, nachdem er einige weitere Steine auf das Brett gelegt hatte.

„Was?“

„Träume über Go-Spiele. Das solltest du kennen.“

„Öhm …ja, ab und zu. Aber -“

„Dann solltest du mich auch verstehen. Ich musste es nachspielen. Es lässt mir keine Ruhe …“

„Du bist echt ein Freak, Touya. Kein Wunder, dass du umkippst. Mich wundert es, wie du bis jetzt überlebt hast. Wobei, Augenringe hattest du schon des Öfteren …“

„Go ist alles für mich.“

„Hmmm. Wenn du meinst …“

„Und gegen jemanden wie dich aber ich verloren?!“, schrie Touya Shindou plötzlich entrüstet an.

Shindou blickte ihn eine Weile überrumpelt dämlich an. Touya wollte dieses Gesicht nicht sehen. Also konzentrierte er sich lieber darauf, das Spiel zu rekonstruieren. Aber viel weiter als bis zu dem Zug, den er gelegt hatte, kam er nicht. Die Erinnerung verblasste.

„Verdammt!“, fluchte Touya. „Shindou!“

Shindou zuckte zusammen. Jetzt gab es bestimmt gleich wieder eine Abfuhr.

„Spiel mit mir!“

„Was?! Jetzt?!“

„Ja.“

„Und dann? Wenn ich mit dir spiele, versprichst du mir dann, dass du schlafen gehst?“

„Ich verspreche es!“

„Na meinetwegen,“ grummelte Hikaru und setzte sich gequält hinter das Go-Brett.

Touya übergab ihm die weißen Steine.

„Warum denn ich? Kannst du es nicht alleine weiter spielen?“

„Du warst mein Gegner!“

„Im Traum?“

„Ja.“

„Du träumst von Go-Kämpfen mit mir?!“, wunderte sich Hikaru.

„Du bist mein Rivale.“

„Ähm …ja. Klar,“ antwortete Hikaru, war aber alles andere als einverstanden. Zugegeben, Hikaru hatte auch von Touya geträumt, allerdings waren das Träume anderer Art gewesen. Er hätte ihn gestern einfach nicht im Onsen nackt sehen sollen … oder war es die Szene nach der Kissenschlacht? „Du bist dran,“ rief er sich mit seinen Worten selbst aus seinen Gedanken. Eines seiner Körperteile machte ihm deutlich bewusst, dass die Bilder aus seinen Träumen noch sehr klar vor seinem inneren Auge waren.

„Ich weiß, lass mich nachdenken.“

„Hmm …“ Hikaru besah sich Touya nochmals genauer. Ob es nun an der späten Zeit lag, oder nicht, Touyas Yukata war wieder leicht geöffnet. Shindou schluckte bei dem Anblick. Touya war nur zwei Armlängen von ihm entfernt …

Touya setzte einen Stein. Hikaru klopfte das Herz mal wieder bis zum Hals. Er warf einen kurzen Blick auf das Spielfeld und setzte.

„Du spielst unkonzentriert!“, schimpfte Touya. „Normalerweise hättest du dort oder dort gesetzt. Dieser Zug ist viel zu schwach!“

Dieser elende kämpferische Blick. Der war echtes Gift für die schönen Dinge, die Hikaru sich mit Touya ausgemalt hatte. „Was denkst du eigentlich?! Wir haben drei Uhr morgens! Natürlich spiele ich unkonzentriert. Wenn du eh alle Züge besser weißt als ich, dann kannst du doch auch genauso gut alleine spielen!“

Shindous Ausbruch verschlug Touya die Sprache. Er senkte den Blick. „Entschuldige.“

Dieses Mal war es Shindou, dem es die Sprache verschlug. Touya hatte die Zähne zusammen gebissen und schien offensichtlich mit sich zu kämpfen. Shindou seufzte. Sollte doch einer diesen Mann verstehen.

„Soll ich den Stein verlegen?“, fragte er.

„Nein. Dann würdest du verlieren.“

„Wir sind hier nicht in einem Turnier.“

„Nein. Lass es.“

„Also gut. Dann spiel.“

Dieses Spiel gewann Touya, aber er schien nicht im geringsten mit sich zufrieden zu sein. Dennoch stand er wortlos auf und legte sich in den Futon.

Kaum brachen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster herein, hörte Hikaru es wieder Rascheln.

„Touya!,“ schimpfte er.

„Der nächste Tag hat bereits angefangen!“

„Ja, aber …Ach, mach doch, was du willst.“ Gähnend räkelte sich Hikaru und ging erst mal ins Bad, um Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Als er zurück kam, saß Touya noch immer am Go-Brett. Hikaru blickte auf die Uhr. Es war Punkt Acht Uhr.

„Touya, es gibt schon Frühstück. Wollen wir nicht was essen?“

„Gleich.“

„Freak.“ Touya schien noch immer in das Spiel vertieft. „Wenn ich gegen dich gewinne, essen wir dann zusammen Frühstück?“

Touya überlegte ein Weile. Dann willigte er ein. Die Steine lagen wieder wie zu dem Zeitpunkt, an dem Hikaru in der Nacht in das Spiel eingestiegen war. Dieses Mal war es Shindou der gewann. Damit schien Touya zufriedener zu sein, auch wenn sein Gesichtsausdruck noch immer bitter war.

'Dem kann man's echt nicht recht machen,' dachte Hikaru und seufzte erschöpft. Shindou war das Go-Spielen ja auch nicht egal. Aber andererseits waren Pausen wie so ein Urlaub manchmal einfach notwendig.
 

„Guten Appetit!“, rief Shindou.

„Guten Appetit!“, kam es nüchtern zurück. Shindou und Touya waren nicht die einzigen, die so früh wach geworden waren. Es gab einige betagte Leute, aber auch eine Gruppe junger Mädchen, die bereits auf den Beinen waren. Genau diese Mädchen steckten gerade eifrig die Köpfe zusammen. Ob Shindou und Touya aufgefallen waren? Andererseits, so bekannt war Go nun auch wieder nicht, dass sie in einem Hotel von Fremden angesprochen werden würden. Vielleicht ging es um etwas anderes.

Hikarus Blick galt nun wieder Touya, der mal wieder säuberlich Tofustückchen vom Teller holte, ohne ein Schlachtfeld zu hinterlassen. Im Gegensatz zu Shindou.

'Verdammt, wie macht er das!', ärgerte sich dieser. 'Oh, da fällt mir ein -!'

„Touya?“

„Hm?“

'Das mit dem Anschauen beim Reden üben wir nochmal …', fuhr es Shindou durch den Kopf, als Touya mal wieder konzentriert Tofu zu sich nahm.

„Was machen wir heute? Wollen wir in die Stadt gehen? Vielleicht finden wir ein paar gute Souvenirs.“

Touya haderte. Eigentlich würde er den Vormittag lieber nutzen, um konzentriert ein oder zwei Spiele zu spielen. Aber da würde Shindou vermutlich wieder so lange nerven, bis Touya keine Konzentration mehr hatte. Außerdem war es vielleicht gar nicht so schlecht, nach Souvenirs zu sehen, solange es noch nicht so warm war. Vielleicht fand er ein paar gute Sachen für seine Eltern oder sogar Ogata-Kun? „In Ordnung.“
 

Der Einkaufsbummel war weniger stressig, als Touya es sich vorgestellt hätte. Er und Shindou gaben gar kein so schlechtes Team ab in puncto gute Dinge finden. Nur dass er wirklich ungeduldig sein konnte, wenn Touya sich ein paar Dinge ein wenig länger anschaute. Aber da hieß die Devise dann ignorieren.

Die Altstadt, die sie besuchten, war gesäumt von Momiji. Im Herbst würde diese gerade so grüne Stadt in kräftigem Rot stahlen. Jetzt zwitscherten Vögel zwischen den dünnen Zweigen und so mancher Spaziergänger setzte sich in den Schatten einer der üppig bewachsenen Bäume. Auch Shindou und Touya gönnten sich eine kurze Rast auf einer Bank und kauften sich ein Grüntee-Eis beziehungsweise ein Erdbeer-Eis. Der Sommer war noch nicht ganz angekommen, deshalb war das Wetter noch mild, aber warm genug, um ein Eis genießen zu können. Shindou kam zwischendrin auf die Idee, bei Touya zu klauen, kam aber wie zu erwarten zu spät und bekam stattdessen eine über gebraten.

„Wie alt bist du?!“

„Ist doch egal. Grüntee sieht auch lecker aus.“

„Dann kauf dir doch selbst eines!“

„Zu faul.“

„Dann kann man dir auch nicht helfen.“

„Doch, du könntest mich abbeißen lassen!“

„Bei der Menge, die du verputzt?! Niemals.“

„Wie gemein!“

Shindou war manchmal schon ein echtes Kleinkind. Dabei hatte Touya den Eindruck gehabt, er wäre in den letzten Jahren erwachsener geworden. Er seufzte.

„Wenn ich bei einem Go-Spiel gewinne, bekomme ich dann einen Biss?“, fragte Shindou.

„Bis dahin ist das Eis doch ohnehin geschmolzen.“

„Dich schlag ich auch in fünf Sekunden!“

„Was soll das denn heißen?!“, fuhr Touya hoch.

„Gewonnen!“, freute sich Shindou, ergriff in diesem Moment Touyas Handgelenk und nahm sich einen Biss.

„Du -!“

„Hehe!“, grinste Shindou.

Nun war es Touya, der aussah wie ein beleidigtes Kind. Bei dem Anblick musste Shindou wieder Lachen. Er war in so guter Stimmung, dass er Touya am liebsten um den Hals gefallen wäre. Aber Shindou war schon so einfach froh, dass gerade gute Stimmung zwischen ihnen war, dass er sich hütete, Touya unnötig zu verärgern. Sein lautes Herzklopfen konnte er aber nicht unterdrücken.
 

Gegen Nachmittag schleppte Shindou Touya erfolgreich zum Strand mit dem Versprechen, später eine Partie gegen ihn zu spielen. Touya wurde in seiner ganzen Körpersprache sowie in seiner Sprechweise immer gelassener und Shindou fiel es zunehmend schwerer, Touya nicht zu nahe zu kommen.

Shindou staunte, wie ruhig Touya außerhalb eines Kampfes sein konnte. Er konnte stundenlang einfach nur da stehen und das Meer anstarren. Wahrscheinlich dachte er dabei über irgendwelche Go-Züge nach. Schließlich war es Touya. Aber trotzdem, auch wenn Shindou auch seine nachdenklichen Momente hatte, Touya war einfach ein anderer Mensch.

„Du magst das Meer, oder?“, fragte Shindou.

„Ja. Wenn sich eine Welle aufstaut klingt es, als ob tausende Go-Steine übereinander prasseln würden.“

„Was du nicht alles hörst …“

„Machst du dich schon wieder lustig?!“

„Nein. Ich bewundere deine Ruhe, Touya.“

„Was?“, wunderte sich Touya. Dabei war in Shindous Nähe meistens alles andere als ruhig.

„Es ist zwar besser geworden, aber ich bin oft zu unüberlegt und überstürze viele Dinge. Hat natürlich auch seinen Vorteil so viel Power zu haben!“, grinste er Touya entgegen, „Aber … manchmal hätte ich gerne auch deine Ruhe und deine Genauigkeit.“

„Red keinen Unsinn. Du hast deine eigenen Stärken. Ich schaffe es dafür nie, locker zu lassen. Ich kann mir keine Freizeit gönnen. Für mich gibt es in dieser Welt nichts außer Go. Entsprechend sieht es auch mit Freunden aus. Mein soziales Umfeld besteht ausschließlich aus Menschen, die Go spielen. Wenn es darunter überhaupt jemanden gibt, den ich als wirklichen Freund bezeichnen kann …“

Das war wieder ein Stich in Hikarus Herz. Doch er schwieg dazu. Einerseits war es verletzend, so etwas gesagt zu bekommen, wo Shindou sich so sehr um eine Freundschaft bemühte. Auf der anderen Seite sah Touya so einsam aus, wie er auf das Meer hinaus starrte. Eine teils selbst verschuldete Einsamkeit, aber trotzdem war er einsam. Touya musste unter sehr strengen Bedingungen aufgewachsen sein und noch dazu als Sohn eines berühmten Go-Spielers. In Touya wurden seit er denken kann große Hoffnungen gesetzt. Da war nicht viel Zeit für Freunde. Ob es schwerer war, welche zu finden, wenn man erst später Freunde begann, welche suchen? Hikaru hatte immer Freunde gehabt und die Welt des Go erst mit zwölf Jahren durch Zufall betreten. Wäre damals Sai nicht begegnet …

„Und ich bin ein schlechter Verlierer,“ durchbrach Touya Shindous Gedanken.

„Finde ich gar nicht. Du bist viel gelassener als ich und überlegst, wo deine Fehler lagen.“

„Schaust du mich eigentlich an, wenn ich gegen dich verliere?“, fragte Touya ihn mit zweifelhaftem Grinsen.

„Also gut, ich bin vielleicht eine Ausnahme. Aber sonst bist du sehr gelassen.“

„Du doch auch.“

„Nach außen hin, ja.“

„Wir sollten langsam aufbrechen, wenn wir noch rechtzeitig zum Abendessen kommen wolle,“ unterbracht Touya ihr Gespräch.

„Hmmm,“ Hikaru war weniger begeistert davon, aufzubrechen. Das war das erste persönliche Gespräch, das sie geführt hatten. Shindou dachte immer, dass Touya es einfacher hatte, als er selbst. Aber mit nur ein wenig Nachdenken war er schnell dahinter gekommen, dass das nur Einbildung war.
 

Nach dem Abendessen spielten sie die versprochene Partie, aber dieses Mal wirkte Touya weniger angespannt, als sonst. Auch diesen Abend gönnten sie sich nochmal den Ausblick aus dem Fenster bei Sonnenuntergang. Doch den gestrigen Moment konnte dieser Sonnenuntergang nicht übertreffen.

„Gibt es eigentlich Augenblicke, an denen du nicht an Go denkst?“

„Sehr selten. Über ein Spiel nachzudenken ist für mich wie das Atmen.“

Angesichts dieser Tatsache musste Hikaru vor Stolz grinsen. Und gegen so einen Maniac hatte er schon mehrmals gewonnen! „Wann zum Beispiel?“

„Gestern.“

„Wie?“

„Als ich den Sonnenuntergang gesehen habe,“ erklärte Touya und lächelte allein schon bei der Erinnerung daran leise und traurig.

„Oh, verstehe.“

„Ich glaube, ich gehe nochmal ins heiße Bad unten. Schließlich fahren wir morgen ja schon wieder ab. Was ist mit dir?“

„Ich … bleibe hier. Geh nur,“ antwortete Hikaru mit unsicherem Lachen.

'Wer weiß, was ich heute Nacht tue, wenn ich ihn nochmal so sehe?', fragte sich Shindou. 'Ich sollte lieber ein wenig Abstand gewinnen.'

„Wie du meinst. Bis später.“
 

Doch Touya ließ sich erstaunlich viel Zeit. Als er um 22 Uhr noch immer nicht zurück gekehrt war, wurde Shindou unruhig. War Touya alleine spazieren gegangen? Aber sie waren doch heute schon ziemlich viel unterwegs gewesen …

'Sicherheitshalber könnte ich ja nachschauen gehen …', dachte sich Hikaru und warf sich in seinen Bade-Yukata.

Doch Shindou musste nicht bis zum Bad gehen. Er fand Touya in der Lobby mit den Mädchen vom Frühstückstisch vor. Sie schienen ihn zum Go heraus gefordert zu haben, denn er spielte vier Spiele gleichzeitig. Shindou schüttelte nur den Kopf. Touya musste man echt überwachen.

„Touya!“, brüllte er durch die halbe Lobby.

„Oh, da ist Shindou Hikaru!“, quietschten die Mädchen.

„Spielst du nachher auch noch eine Runde mit uns?“, fragte eine von ihnen. Aber Shindou ignorierte sie. „Touya ist nicht hier, um Go zu spielen.“

„Wieso? Er ist doch Weltmeister!“, wunderte sich das Mädchen links von Shindou.

„Touya!“, rief Shindou dem Weltmeister zu. Touya blickte unschuldig auf. Shindou schüttelte nochmals den Kopf. „Es ist schon zehn. Irgendwann will ich auch schlafen gehen.“

„Mensch bist du ein Griesgram!“, meckerte nun das Mädchen rechts von ihm. „Er kann doch einfach nachkommen.“

„Und dann macht er das Licht an und läuft einmal quer über mich drüber. Am besten tritt er mir dabei dann noch ins Gesicht“, meinte Shindou sarkastisch.

„Sowas für Touya-sama nie tun!“

„Shindou hat aber recht. Es ist leider schon spät geworden. Das Spielen mit euch hat Spaß gemacht. Vielen Dank,“ erklärte Touya, schlug alle vier auf einmal im Folgezug und verbeugte sich. „Schlaft gut.“

„Touya!“, schwärmten die Mädchen. „Du bist ein echter Gentleman!“

„Tsss“, Shindou stieß dazu nur Luft durch die Zähne aus.

Als die Mädchen außer Hörweite waren, äffte er sie sogar nach: „Du bist sooooo ein Gentlemän! Was sollte das?!“

„Du benimmst dich wieder wie ein Kleinkind.“

„Und du? Du ergreifst echt jede Chance zum Spielen, oder? Auch wenn die Gegner noch so schwach sind.“

„In diesem Fall war das nicht meine Idee.“

Hikaru gähnte dazu nur ausgiebig. „Lass uns schlafen gehen.“

„Entschuldige, dass es so spät geworden ist.“

„Schon gut.“
 

Wenn Hikaru ehrlich war, war er richtig eifersüchtig auf diese dummen Nüsse gewesen. Wenn Touya auf Frauen stand, war es im Grunde egal, welche Frau es war; sie wäre Shindou überlegen. Das machte ihn wahnsinnig.

'Ach, was denke ich da!', schimpfte er sich selbst und drehte sich in seinem Futon. Aber er konnte nicht einschlafen. Auch Touya drehte sich noch ein paar Mal. Was Shindou dann tat, hatte keine logische Erklärung mehr. Er kroch einfach mit unter Touyas Futon und umarmte ihn.

„Sh-Shindou?“, flüsterte Touya. Der Schreck war ihm an dem erstarrten Körper anzumerken.

Shindou antwortete nicht sofort. Das war also Touya. Er war wirklich schlank. Shindous Kopf reichte gut über Touya hinaus, doch er legte ihn zu der Halsbeuge des Kleineren. Und das war Touyas Duft. Shindou schloss die Augen und genoss unauffällig einige wenige Atemzüge.

„Shindou?“, kam es nochmal vorsichtig von vorne.

„Heute Nacht stehst du nicht mehr auf, um Go zu spielen.“

Hikaru war nicht der einzige mit Herzklopfen. Touya war genauso aufgeregt, wenn nicht noch aufgeregter.

„Wenn du nicht an Go denkst, lächelst du dann immer so?“, fragte Shindou.

„Was meinst du?“, fragte Touya verwirrt.

„Hör auf an Go zu denken,“ sagte Hikaru nun entschlossener. Dann stieg er über Touya, drehte sein Gesicht zu sich und küsste ihn.

In diesem Moment dachte Touya tatsächlich nicht an Go. Er hatte einen kompletten Herzstillstand. Eigentlich sollte er Shindou von sich drücken. Oder ihn schlagen. Aber er war wie erstarrt. Im Gegenteil, er gab dem Kuss sogar für den Bruchteil einer Sekunde nach, versuchte dann aber, einfach nichts zu tun. Wieso machte Shindou das?

Shindou war verzweifelt. Was hatte er auch erwartet? Dass Touya jetzt durch seinen Kuss unter ihm zerfließen würde? Das war doch kein Traum hier. Diese Tatsache wurde ihm schmerzhaft bewusst. Was machte er nur? Er brauchte eine Ausrede, eine Ausrede! Also löste er sich so trocken wie möglich von Touya und rollte wieder zur Seite.

„Und, hast du gerade an Go gedacht?“, fragte er, als sei das von Anfang an Teil seines Plans gewesen.

Touya schwieg und drehte sich zur Seite.

'Wieso habe ich ihn nicht weggestoßen?', dachte er nur verzweifelt. Er schien Shindous Worte gar nicht wahrzunehmen. Shindou wiederum deutete dies als Wut Touyas und schluckte nur.

'Was habe ich bloß angestellt?', verfluchte er sich selbst. 'Dabei lief es heute und gestern noch so gut!'

„Das … ich dachte, es wäre gut, dich ein bisschen zu erschrecken. Tut mir Leid, ich …“, versuchte sich Shindou zu verteidigen. Doch es machte die Sache nur schlimmer.

„Mich erschrecken?“, fragte Touya wütend.

'Er hat nur mit mir gespielt!', kam es ihm. Das tat weh. 'Wie oft will dieser ****** sich noch über mich lustig machen?!'

„Es tut mir Leid, echt. Das war du -“

„Halt die Klappe!“, brüllte Touya, Shindou noch immer abgewandt. Das war ihr letztes Wort für diesen Abend.
 

Sobald die ersten Sonnenstrahlen in das Zimmer drangen, glitt Touya aus seinem Futon und packte seine Sachen. Er hatte kein Auge zugetan wegen der Sache und es war ihm egal, wie laut die Go-Steine vom Brett in ihren Behälter prasselten. Shindou war es das ebenfalls. Auch er hatte nicht geschlafen. Wie konnte er auch? So war es ja noch viel schlimmer. Die Aktion gestern Nacht hatte ihm gezeigt, dass er Touya gegenüber wesentlich mehr empfand als einfache Freundschaft. Er musste es ihm sagen.

„Touya!“, rief er entschlossen, als dieser wieder zurück kam und begann seinen Futon zusammen zu legen. Es kam keine Antwort. Also kroch Shindou aus seinem Futon, stellte sich neben den Geschäftigen und griff nach dessen Arm. „Touya!“

„Lass mich los“, knurrte dieser nur.

„Hör mir zu!“ Und mit diesen Worten riss er Touya den Futon aus der Hand und drehte ihn zu sich. „Das gestern … ich … Wahrheit ist … ich habe mich in dich verliebt. Ich liebe dich, Touya.“

Diese Worte taten Touya aber nur noch mehr weh.

„Für wie dumm hältst du mich eigentlich?! Spar dir die billigen Ausreden! Dass du jemand bist, dem das Wort 'Respekt' fremd ist, weiß ich doch schon lange. Lass mich einfach in Frieden. Mit dir bin ich fertig.“

„Touya! Das ist die Wahrheit!“ Aber Touya hörte nicht mehr. Er riss sich von Shindou los, packte seinen Futon zusammen und schritt aus dem Zimmer. Shindou hatte nicht einmal mehr die Kraft, ihm hinterher zu rennen. Tränen rannen ihm die Wangen herab. „Verdammt.“

Er war nicht der einzige, der weinte. Auch Touya kämpfte gegen Tränen, als er allein im Zug saß. Warum ging ihm das nur so nah? Dieser Urlaub war wirklich das Letzte!



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