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Rivale oder Geliebter?

Touya Akira x Shindou Hikaru
von

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Nomikai

Kapitel 3 - Nomikai

Ein Wiedersehen der beiden war jedoch unvermeidbar. Eine Woche später saßen sie sich im Finalspiel des Bundeswettkampfes für Go gegenüber. In der Zwischenzeit hatte Shindou mal um Mal versucht, Touya anzusprechen, doch dieser war einfach nur wortlos davon geschritten. Also hatte Shindou einen Entschluss gefasst, den er während dieses Spiels umsetzen würde.

Für den Wettkampf war eine kleine, gut beleuchtete Bühne mit einem Gobrett und zwei Stühlen hergerichtet worden, die zu einem Dreiviertel von Zuschauerplätzen umgeben war. Die übrige Seite stand an einer Wand, sodass die Spieler nicht durch die Zuschauermenge zu gehen hatten, wenn sie in der Pause das Spiel verließen.

Die ersten Züge ihres Spiels verliefen ruhig. Aber es war nicht, als würden zwei miteinander spielen, die sich lange Zeit kannten. Touya blickte stumm auf das Spielbrett und vermied damit jeglichen möglichen Blickkontakt zu Shindou. Und auch Shindou saß mit gesenktem Blick am Spielbrett. Umso überraschender war es, als er plötzlich mit lauter Stimme das Wort ergriff:

„Touya!“

Der Angesprochene reagierte nicht. Auch nicht, als das Publikum, das um sie herum saß das leise Murmeln einstellte.

„Touya, hör mir zu!“ Langsam wurde Shindou wirklich wütend. Dann setzte er den ersten entscheidenden Zug. Er ging voll in den Angriff über. Touya legte überlegt an.

„Touya!“, rief Shindou, und legte einen Stein.

Touya verteidigte.

„Ich liebe dich!“, rief Shindou Touya entschlossen entgegen, stand auf und knallte einen weiteren Stein in den Angriff.

Touya zuckte zusammen und schlug dann mit gleicher Wucht einen Stein in die volle Verteidigung. Doch Shindou ließ sich nicht beirren und eröffnete eine neues Schlachtfeld. „So sehr, wie ich das Go-Spielen liebe!“ Shindous Blick verharrte auf Touya. Dessen Blick war noch immer gesenkt, doch Touyas erstarrte Miene war deutlich erkennbar. Dann, nach einem Moment scheinbar ewiger Stille erklang das Rücken eines Stuhls und Touya stand auf.

„Ich brauche eine Pause“, meinte dieser trocken und trat aus dem Raum. Kaum war Touya durch die Tür verschwunden, war wieder lautes Gemurmel aus den Zuschauerreihen zu hören. Dass Touya-Meijin-Junior den Raum während eines Spiels verließ, war unüblich. Natürlich war jedem bewusst, dass dies nicht ohne Grund geschah, aber dennoch hatte man von Touya mehr Gegenwehr erwartet. War da etwa tatsächlich mehr hinter dem Geständnis?
 

Touya war sich der Schande seiner Flucht bewusst. Und dennoch, wusste er nicht, wie er hätte besser reagieren sollen. Dieser Affe von Shindou hielt ihn schon wieder zum Narren. Und wenn es ernst gemeint war? Welcher normale Mensch würde zum Spaß soweit gehen, ein Geständnis vor einer solchen Zuschauermenge zu machen? Andererseits war es Shindou. Vielleicht tat er das gerade, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Schließlich badete er ja gerade zu in seiner Berühmtheit ganz im Gegensatz zu Touya, dem das ganze öffentliche Theater nur eine Last war. Es nützte nichts, sich den Kopf zu zerbrechen. Touya schwang die Tür zu den Herrentoiletten auf und trat ans Waschbecken, um sich das Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen.

Nachdenklich stützte er sich dann am Rand des Waschbeckens ab. Shindou liebte ihn also genauso wie das Go? Dass er nicht lachte. Go war Shindou nicht halb so wichtig, wie es für Touya war. Für ihn war Go wie ein besserer Zeitvertreib. Sonst könnte er nicht so einfach Ferien machen, wie sie es vor nur einer Woche getan hatten. Es war eine Beleidigung, ihm, Touya gegenüber ein Geständnis dieser Art zu machen. Erst war Touya verwirrt gewesen. Der Vergleich zu Go … für Touya hieße das, dass dieser Mensch ihm über alles in dieser Welt wichtig wäre. Aber genau darin lag der Fehler. Shindou war nicht er. Wie naiv er doch war, zu glauben, dass Shindous Gefühle wirklich so tief reichen würden. Touya nahm sich noch bis nach der regulären Mittagspause Zeit, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Den Sieg errang er jedoch nicht. Seine emotionale Abwehr am Anfang des Spiels kostete ihn letztlich einen halben Moku Unterschied. Diese Tatsache brachte Touya noch mehr in Rage, da er sich nun dachte, dass das Ganze vermutlich sogar nur ein dummer Trick gewesen war, um Touya während dem Spiel aus der Bahn zu werfen. Dass Shindou überhaupt auf so miese Tricks zugreifen würde, hätte Touya nie erwartet. Und er Idiot war schon wieder darauf herein gefallen!
 

Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit Touya, denn am selben Abend noch fand zu Shindous Sieg hin ein Trinkabend statt, an dem er schon aus reiner Höflichkeit teilnehmen musste. Shindou schien über seinen Sieg jedoch alles andere als erfreut und saß den ganzen Abend nur trüb neben Touya und Waya und kippte ein Bier nach dem anderen.

Dieses Geständnis war für Shindou quasi die letzte Lösung gewesen, um Touya aufrichtig zu zeigen, dass er es ernst meinte mit seinen Gefühlen. Doch auch wenn Touya wenigstens zu Anfang des Spiels aus seiner gefühlsmäßigen Abwehr gekommen war, so war er doch wieder gestählt zum Spiel zurück gekehrt. Nicht einmal ein klares „Ja“ oder „Nein“ hatte er bekommen. Zwar meinte Waya kurz nach dem Spiel, dass Touyas Spielweise, die fast durchgehend aus Abwehr bestand wohl eine ziemlich klare Antwort war, aber theoretisch ergab sich viel auch aus dem Spielverlauf. Wobei, wenn Shindou es sich genau überlegte, hätte Touya ganz zu Anfang des Spiels nicht zwangsweise in die Abwehr gehen müssen. Ach, das brachte doch alles nichts! Er hatte sich schon den halben Tag bis jetzt über Touya den Kopf zerbrochen. Und hops – das fünfte Bier. Sein Bauch fühlte sich jetzt schon an wie ein Fass. Er sollte mit Touya reden … aber wenn er ehrlich war, hatte er Angst vor der Antwort. Heute jedenfalls nicht … ihm war schon ganz schwummrig vom Alkohol und so merkte er nicht, wie er zur Seite kippte und sein Kopf sich an Touyas Schulter lehnte.

Touya saß am Tisch wie eine Statue aus Stein. Als er Shindous Gewicht auf seiner Schulter mitbekam, kippte er zwangsweise ebenfalls leicht zur Seite. Seine Mundwinkel zuckten. Glücklicherweise befand sich seine Uhr an dem noch freien Arm. 23 Uhr. Er war wohl schon lange genug geblieben. Mit Mühe drückte er Shindou von sich und erhob sich. Kaum war Touya einen Schritt zurück getreten, kippte Shindou komplett zur Seite. Aber das konnte Touya egal sein. Sollte sich der Idiot doch besinnungslos trinken. Mit einer kurzen Verbeugung verließ er den Raum und trat schließlich ins Freie, wo er sich seinen Mantel übertstreifte. Es war ziemlich frisch und windig geworden. Blitze zuckten am Himmel und ein leiser Donner war aus der Ferne zu hören. Wenn er noch einigermaßen trocken nach Hause kommen wollte, sollte er zügig laufen. Vorsichtshalber kramte er seinen Schirm aus der Ledertasche, dann setzte er sich in Gang.

Shindou brauchte eine Weile, bis er begriff, dass Touya nicht mehr da war. Bis gerade eben war seine menschliche Lehne zwar ein wenig hart, aber warm gewesen. Aber nun Lage er komplett auf dem Tatamiboden.

„Touya?“, wunderte sich Shindou.

„Der ist gerade gegangen. Ich glaube er war nicht sehr glücklich darüber, dass du dich an ihn angelehnt hast …“, klärte Waya ihn auf.

Shindou hatte sich an Touyas Schulter angelehnt? Und jetzt war Touya vermutlich sauer! Er musste sich entschuldigen! Und so gut er konnte, rappelte er sich auf und lief hinaus.

„Shindou?!“, hörte Shindou Waya ihm nachrufen, doch er nahm es eigentlich kaum wahr. Sein Blick galt der Straße, an deren Ende er gerade Touya in den Stadtpark einbiegen sah. In genau diesem Moment begann der Regen schlagartig einzusetzen. Doch Shindou störte sich nicht daran und hastete Touya so gut wie möglich nach.

'Verdammt, ich habe zu viel getrunken …', dachte er verbittert, als er feststellte, wie sehr er beim laufen torkelte. Innerhalb der kurzen Strecke bis zum Stadtpark war Shindou bereits triefend nass geregnet. Der Wind ließ ihn frieren, aber er lief weiter. Im Park angekommen teilten sich vor ihm die Wege in zwei Richtungen. Touya war nirgends zu sehen, also lief Shindou dem Weg seiner Intuition nach. Er wusste ohnehin nicht, in welcher Richtung Touyas Wohnung lag. Seine Intuition führte ihn richtig und bald kam Touyas weißer Regenschirm wieder in Sicht. Shindou seufzte erleichtert und überbrückte die noch fehlenden Meter.

Shindous platschende Schritte ließen Touya prüfend einen Blick nach hinten werfen. Die Zeit reichte aber nicht, um in eine passende Haltung zu gehen, um den betrunkenen Shindou, der sich nun auf ihn stürzte, von sich zu stoßen. Statt dessen segelte der Regenschirm zu Boden und Shindou hing in Touyas Armen. Touya gab einen genervten Laut von sich. Nicht nur, dass er nun diese Nervensäge wieder am Hals hatte, nein, jetzt wurde er auch noch komplett nass geregnet. Er konnte froh sein, dass er wenigstens so geistesgegenwärtig war, seine Tasche nicht auch noch zu Boden zu werfen. Shindou krallte sich an Touyas Oberarmen fest und hiefte sich mühsam hoch, um mit diesem auf Augenhöhe zu sein.

„Es tut mir Leid!“, rief er, wobei das mehr gelallt als gesprochen war. Shindou hatte eine furchtbare Fahne. Aber … es tat ihm Leid? Es tat ihm Leid, dass er ihn vor allen Leuten zum Affen gemacht hatte? Und dann kam das Unerwartete: Shindou hielt die Distanz nicht mehr aus, zog Touya zu sich und der Alkohol tat sein Übliches. Er küsste ihn.

Shindou roch wirklich furchtbar nach Bier. Aber da war ein Gefühl in Touya, das stärker war, als der klare Verstand. Er wollte Shindou auch küssen. Im Hinterkopf segnete er den Gedanken mit der Begründung ab, dass sie ohnehin niemand sah und Shindou so dicht war, dass er sich ohnehin nicht erinnern würde. Und selbst wenn, dann könnte Touya noch immer behaupten, dass Shindou geträumt hätte. Es gab ja keine Zeugen. Er schloss die Augen und begann, Shindous Lippen mit den seinen zu massieren. Sein Herz klopfte. Er war aufgeregt, aber es fühlte sich toll an. Shindou empfand wohl genauso, oder sogar noch mehr, denn er begann nun, Touya unter das Hemd zu fassen. Aber das war Touya wirklich zu viel. Mal ganz abgesehen davon, dass sie im Regen standen und es furchtbar kalt war. Mit Mühe hielt er Shindous Arm eisern fest und schließlich gab Shindou nach und umarmte Touya stattdessen. Noch in der immer locker werdenden Umarmung fing Touya Shindou wieder auf. Shindou gehörte ins Bett. Touya hielt Shindou in einem Arm und griff zugleich mit dem belasteten Arm um den breiten Körper herum, um das Handy aus der Tasche zu pfriemeln. Er rief ihnen beiden ein Taxi. Dann fasste er mit der Hand, in der schon seine Tasche war nach dem nun rutschigen Griff seines Schirms und schleifte sie beide zurück zur Straße.

Glücklicherweise wartete das Taxi dort bereits und der Taxifahrer war so nett, Shindou gemeinsam mit Touya in den hinteren Sitzraum zu hiefen. Dann fuhren sie los. Als das Auto außer Sichtweite war, löste sich aus dem Schatten der Bäume ein ebenfalls tropfnasser Waya, der sich verwirrt am Kopf kratzte.
 

Touya versuchte während der Fahrt mehrmals, Shindou nach seiner Adresse zu fragen, doch dieser war scheinbar nicht mehr ansprechbar und so ließ Touya ihn an seine Schulter gelehnt schlafen und bat den Fahrer, sie zu Touyas Haus zu bringen.

Als Touyas Mutter die beiden tropfend nassen Gestalten im Eingang stehen sah, erschrak sie.

„Touya, was ist denn passiert?!“

„Nichts besonderes. Shindou hat zu viel getrunken und ist ohne Schirm durch den Regen gelaufen und mir hat der Wind den Schirm umgeknickt.“

„Warum hast du nicht gleich ein Taxi gerufen?“

„Ich dachte, die paar Meter schaffe ich es auch mit einem Schirm. Ich habe den Wind unterschätzt.“

„Herr je. Kommt erst einmal rein. Ich fülle euch ein Bad auf. Legt eure nassen Sachen hier im Gang gleich ab, ich kümmere mich darum.“ Kaum eine Minute später kam sie mit zwei Handtüchern, mit denen sich Touya das Gesicht und die Hände trocknete. Dann nahm er erst Shindou, dann sich sich die Weste beziehungsweise Jacke ab und sie betraten das Haus.

„Das Bad ist schon angewärmt. Ihr könnt gleich rein. Shindou sieht wirklich nicht gut aus. Dass junge Männer immer so übertreiben müssen.“

„Steck mich bitte nicht mit diesem Kerl in eine Tasche!“

„Du hast ihn mitgebracht.“

„Ich weiß. Ich hatte keine andere Wahl.“

Touya schleifte Shindou noch die wenigen Meter ins Bad und zog dann die Schiebetür hinter ihnen zu.

„Hey Shindou!“, rief er dem mit geschlossenen Augen da hängenden zu. Shindou gab keine Antwort. Erst jetzt wurde es Touya bewusst, in was für eine Situation er war. Er würde Shindou die Kleider abnehmen müssen und ihn baden müssen. Wie, verdammt nochmal, war er da hinein geraten? Er kniff die Zähne zusammen und begann wohl oder über die Kleider von Shindous Körper zu lösen. Shindou war mit offener Jacke durch den Regen gerannt, was zur Folge hatte, dass er bis auf die unterste Schicht durchgeweicht worden war. Wären sie noch eine weitere Viertelstunde dort im Regen gestanden, wäre Shindou mit Sicherheit krank geworden. Er war jetzt schon erstaunlich heiß. Hoffentlich hatte er kein Fieber. Als Touya zu dem Punkt kam, an dem er Shindous Boxershorts herunter zog, galt sein Blick der Decke. Er hätte nie gedacht, dass er jemals so etwas Erniedrigendes machen müsste. Dann setzte er Shindou auf dem Boden ab, zog sich selbst aus und hob Shindou wieder an, um durch die zweite Tür in den eigentlichen Waschraum zu gehen. Shindou wurde auf den kleinen weißen Badehocker gesetzt. Touyas Beine dienten ihm quasi als Stuhllehne, solange Touya die Wärme des Wassers prüfte. Als diese stimmte, begann Touya, Shindou mit dem heißen Wasser aus dem Duschkopf zu übergießen und fuhr ihm durch das Haar. Es war erstaunlich dünn für japanisches Haar. Zum Shampoo zu greifen, ohne Shindou umkippen zu lassen war eine Aktion, bei der Touya mehrere seiner Muskeln, die er sonst nie aktiv benutzte einmal ordentlich dehnte. Dann, nach einer gefühlten halben Stunde seifte er Shindou erst die Haare, dann den Körper mit einem kleinen Schwamm ein. Die privaten Teile sparte er aus in der Hoffnung, dass Shindou eine Resthygiene besaß. Nach getaner Arbeit hiefte er Shindou zu guter Letzt vorsichtig ins nun bis zum Rand gefüllten Bad. Erst hatte Touya Sorge, dass Shindou absinken würde, doch glücklicherweise schien dieser wieder einigermaßen zu sich zu kommen und so konnte Shindou sich selbst halten. Shindou blickte Touya, der mit sorgenvollem Blick über ihn gebeugt war durch halbgeschlossene Augen an. Wenn er ehrlich war, war er weniger betrunken, als er vorgab. Aber wann würde er wieder die Chance bekommen, von Touya Akira persönlich ausgezogen und eingeseift zu werden? Was genau passiert war, nachdem er sich Touya entschuldigend in die Arme geworfen hatte, wusste er zwar nicht mehr, aber spätestens seit sie im Flur der Touyas gestanden hatten, war er wieder einigermaßen zurechnungsfähig gewesen.

„Bist du wieder wach?“, fragte Touya.

Shindou murrte eine Art „Ja“.

„Gut. Ertrink mir nicht. Ich wasche mich erst mal selbst. Und wehe, du fängst an, zu gaffen!“

Shindou murrte wieder ein „Ja“, doch aus den Augenwinkeln beobachtete er sehr genau den anderen Jungen Mann, der, ihm den Rücken zugewandt, nun mit einem kleinen gelben Schwamm an seinem Körper entlang fuhr. Die schüchterne Art, in der er es aber tat war noch um vieles reizvoller, als wenn er sich ungezwungen gewaschen hätte. Touya begann, sich abzuspülen. Als Shindou mit den Augen die Wasserflüsse verfolgte, die an den Lenden von Touya herab liefen, sich ihren Weg über den runden, kleinen Hintern bahnten und schließlich an den Beinen herab rannen, musste er unweigerlich schlucken. Wie gerne wäre er einer dieser tausend kleinen Wassertropfen gewesen. Touyas weiße, reine Haut war sicher weich. Als sein Körper im Wasser das Signal gab, dass ihm diese Szene alles andere als egal war, biss Shindou die Zähne zusammen und versuchte, seine Gefühle herunter zu regeln. Das war wirklich Folter. Touya war nicht einmal einen halben Meter von ihm entfernt. Er müsste nur den Arm ausstrecken … mit Mühe verkniff er sich eine Einladung, um Touya zu sich in die Wanne zu holen. Nun drehte er sich sogar leicht zu ihm um!

In Shindous weit geöffneten Augen, die er ihm zu wandte sah Touya, dass dieser wohl wieder einigermaßen nüchtern war. Er gaffte doch!

„Wenn du noch länger in der Wanne bleibst, komme ich gar nicht mehr zum baden,“ meinte Touya verärgert. Es war so klar, dass er diese Situation ausnutzen würde! „Der Föhn liegt in dem linken Wandschrank. Handtücher liegen auf der Waschmaschine bereit.“

Etwas enttäuscht, dass die Show schon vorbei war, zog Shindou eine leichte Schnute, stieg aber dann folgsam aus der Wanne und verschwand unsicher stapfend in den Vorraum. Wenige Minuten später stand Touya neben ihm und föhnte sich die Haare. Der Vorraum war eng und sie beide trugen noch immer nur ein Handtuch um die Lende. Doch Touya wusste die Atmosphäre gut zu zerstören.

„Jetzt, wo du wieder nüchtern bist, kannst du ja nach Hause gehen,“ rief er Shindou zu, nachdem er das Föhnen für einen Moment unterbrochen hatte.

Der Vorschlag traf Shindou wie ein Stich ins Herz. Störte Touya seine Anwesenheit so sehr? Aber wenn es das war, was Touya wollte, konnte er nicht anders. Also schlüpfte er in seine noch nassen Kleider und wandte sich zur Tür. Ein „Gute Nacht“ von Touya bedeutete ihm den endgültigen Rausschmiss.

Dieser war ihm jedoch nicht vergönnt. Gerade als er aus dem Bad kam, lief ihm Touyas Mutter über den Weg.

„Oh, geht es dir wieder besser, Shindou-Kun? Warum hast du denn deine nassen Sachen wieder angezogen? Touya hätte dir für das kurze Stück doch ein großes Handtuch geben können.“

„Ich werde nach Hause gehen. Vielen Dank, dass ich ein Bad nehmen durfte. Und verzeihen Sie bitte die Umstände. Es wird nicht wieder vorkommen,“ entschuldigte sich Shindou und verbeugte sich.

„Nach Hause? Mit den nassen Kleidern? Damit erkältest du dich nur. So ein Unsinn. Weißt du überhaupt, wie spät es ist? Ich schlage dir vor, dass du heute hier übernachtest. Ich habe dir im Gästezimmer auch schon einen Futon hergerichtet. Hast du morgen früh denn einen wichtigen Termin?“

„Nein, das nicht, aber …“

„Dann bitte ich dich inständig, zu bleiben. Ich fühle mich auch nicht wohl, dich in diesem Zustand in den Regen hinaus zu lassen.“

„Ich …“

„Akira!“, rief seine Mutter gegen den Föhn im Bad an. Touya schien die Stimme gehört zu haben, denn das Geräusch des Föhns stoppte. „Gib mir bitte ein neues Handtuch, damit Shindou-Kun sich wieder abtrocknen kann.“ Touya reichte ihr wortlos ein Handtuch heraus.

„Danke. Shindou-Kun,“ wandte sie sich diesem zu, „hier links die Tür führt zu deinem Zimmer. Ich habe dir dort einen Schlafyukata hingelegt. Lass dir von Akira nachher noch eine Zahnbürste geben, es sollten noch ein paar neue im Schrank liegen.“

„Danke, Touya-san.“

„Gern geschehen. Ich werde jetzt auch schlafen gehen. Falls ihn noch Hunger haben solltet, ihm Kühlschrank findet ihr noch ein paar Dinge, die ihr euch aufwärmen könnt. Ansonsten wünsche ich euch eine gute Nacht.“

„Ich habe verstanden. Gute Nacht, Touya-san.“

„Gute Nacht,“ kam es auch aus dem Bad.

Touya hatte das Gefühl, er müsse seine Haare heute Abend besonders gründlich föhnen und kämmen, auch wenn es in der Wohnung alles andere als kalt war. Er hatte schon wieder Herzklopfen. Dabei hatte er doch extra vermeiden wollen, Shindou noch länger um sich zu haben. Aber seine Mutter hatte recht. Natürlich hatte sie recht. Vermutlich hatte Shindou bereits Fieber. Zu allem Überfluss hatte Touya nun auch noch ein schlechtes Gewissen.

Als es still im Gang geworden war, traute Touya sich aus dem Bad und fand sich unweigerlich vor Shindous Tür wieder. Eigentlich sollte er sich entschuldigen. Shindou in die Kälte und Dunkelheit hinaus zu schicken, nur weil er in betrunkenem Zustand über ihn hergefallen war, war egoistisch und kindisch noch dazu. Aber da kam er auch schon wieder auf das Thema, über das er selbst nicht nachdenken wollte. Warum Shindou ihn geküsst hatte, war klar. Aber warum hatte er sich darauf eingelassen? Wahrscheinlich auch nur die Wirkung des Alkohols. Schließlich hatte er an dem Abend auch nicht wenig getrunken und das musste ihm den Kopf vernebelt haben. Auch wenn er sich das nach außen hin nicht anmerken ließ.

'Es ist nur eine Entschuldigung …', redete Touya sich in Gedanken ein, doch seine Hand verharrte regungslos auf dem runden Türknauf.

In diesem Moment aber erklang das Geräusch der Klospülung und Shindou kam aus der Toilette. Zugegebenermaßen, die Szene amüsierte ihn. „Willst du zu mir?“

„Tsk,“ kam es nur von Touya. „Nein. Schon gut. Ich wollte nur -“, meinte Touya und wandte sich schon zum Gehen um. Doch Shindou ergriff seinen Arm und zog ihn fröhlich zu sich ins Zimmer.

„Shindou!“

Der Raum, den sie betraten, war bis auf einem Futon auf einer Tatamimatte fast leer. Links von ihnen war eine mit Goldpuder verzierte Schiebewand, vor ihnen eine Schiebewand aus einem Holzgitter, das mit weißem Papier überspannt war. Vermutlich lag dahinter das Fenster, das auf den Garten ausgerichtet war. Rechts von ihnen standen in einer Ecke, die in der Wand ausgespart worden war, ein Blumentopf, der gerade so hoch war, dass er die Hängerolle an der Wand dahinter nicht bedeckte. Sie zogen die Schuhe aus und setzten sich auf den Futon. Touya schwieg noch immer verbittert. Es war ihm peinlich, bei seiner Grübelei entdeckt worden zu sein. Shindou hingegen war fröhlich, schließlich war es Touya gewesen, der scheinbar das Gespräch mit ihm aufgesucht hatte. Und tatsächlich, nach einigen Minuten des Schweigens würgte Touya einige wenige Worte hervor.

„Geht es dir wieder besser?“

„Ja, ich denke, ich bin wieder halbwegs nüchtern. Danke, dass du mich mit zu dir genommen hast. Ich habe wirklich einen über den Durst getrunken. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung mehr, was passiert ist, seit ich dir in den Park gefolgt bin. Ich habe sogar nicht einmal so recht eine Ahnung, wie ich in den Park gekommen bin.“

Also hatte Shindou den Kuss tatsächlich nicht mitbekommen.

'Glück gehabt …', Touya atmete einmal erleichtert durch. Dieses Erlebnis würde er mit ins Grab nehmen.

„Du bist umgekippt. Man könnte meinen, dass du in diesem Alter deine Grenzen schon kennst.“

„Tut mir Leid.“ Ein wenig ärgerte Shindou sich schon. Eigentlich müsste es doch jedem vernünftigen Menschen klar sein, weshalb Shindou sich so betrunken hatte. Es war nun wirklich nicht gerade so, dass es ihm leicht fiel, die Abfuhr von Touya einzustecken. Für ihn war Touya nicht irgendeine Affäre. Er war der wichtigste Mensch in seinem Leben. Nur Touya schien das wohl nicht zu begreifen. Wenn Touya wüsste, dass Shindou wirklich quasi ununterbrochen an ihn dachte, wie sehr er sich im Zaum halten musste, wenn Touya auch einfach nur neben ihm stand! Und auch jetzt machten es die dünnen, luftigen Schlafyukatas es ihm nicht leichter. „Ich … habe aber eben auch nicht ohne Grund so viel getrunken. Ich wünschte, du würdest verstehen, dass das auch nicht gerade leicht für mich ist.“

„Was meinst du?“, fragte Touya.

„Du hast mir nicht mal eine klare Antwort gegeben.“

„Fängst du allen Ernstes mit dieser Sache an? Hör zu, wenn du ernsthaft glaubst, ich lasse mich zum Narren machen -“

„-Was heißt hier zum Narren machen?!“

„Du willst doch nicht behaupten, dass du ernsthaft solche Gefühle für mich hast. Das ist vielleicht gut für's Marketing, aber -“

„-Natürlich meinte ich das ernst. Ich liebe dich Touya! Wie oft denn noch! Ich dachte, du würdest es begreifen. Ich dachte, dass eine Botschaft über das Spiel dich erreichen würde. Ich dachte, dass du verstehen würdest, wie ernst ich es meine. Von allen Menschen, du liebst das Go doch genauso wie ich! Warum - “

„-Werf mich nicht in einen Topf mit dir. Du hast gar keine Ahnung, was Go für mich bedeutet! Nur, weil wir uns in einem zweitägigen Urlaub halbwegs gut verstanden haben, redest du von Liebe?! Was soll das denn bitte für ein oberflächliches Gefühl sein. Wir beide sind Rivalen. Wir waren es schon, seit wir uns kennen und wir werden es immer bleiben. Das ist die Rolle, mit der wir gewachsen sind. Also bleib mir vom Leib mit irgendwelchen Gefühlen.“

Shindou war verstummt. Er war den Tränen nahe. Aber Touya wollte er sie nicht zeigen. Seine Gefühle waren vielleicht eine neue Erkenntnis, aber nicht oberflächlich. Nur kam das bei Touya einfach nicht an. Aber im Grunde war es auch egal. Touya hatte ihm deutlich gesagt, dass er sich nicht für seine Gefühle interessierte. Er wollte ihn nicht. Es war alles egal.

„Ich denke, das Thema ist besprochen. Ich gehe schlafen,“ meinte Touya und ging zur Tür. Shindou brachte noch immer kein Wort heraus. Er verfolgte Touya lediglich mit den Blicken. Staunte dann aber nicht schlecht, als Touya die Schuhe, statt hinein zu schlüpfen in die Hände nahm und durch die linke Schiebetür abtrat. Ein kurzer Blick genügte, um zu zeigen, dass sich dahinter Touyas Zimmer befand.

'Warum hat der Kerl überhaupt so einen Aufstand gemacht zu mir rein zu kommen, wenn sein Zimmer ohnehin daneben liegt?!', ärgerte sich Shindou.



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