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Unvorhersehbare Wendung

Eine Megamind-Fanfiction
von

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Auf der Polizeiwache

Ja, schon wieder eine Megamind-Fanfiction von mir, obwohl die andere noch nicht fertig ist.

Dies ist eine "Was wenn"-Geschichte, sie weicht also in manchen Teilen vom Film ab. Allerdings habe ich versucht, die Charaktere so in character zu halten wie möglich.
 

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Metro Man starrte mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen auf das kleine blauhäutige Wesen, das zusammengekauert auf einem Stuhl in der Polizeiwache saß und ihn keines Blickes würdigte. Es hatte die Knie unter das Kinn gezogen und hielt ein Wiesel umklammert, das den Superhelden mit größtem Argwohn musterte. Hin und wieder wurde das Tier an die Wange gedrückt, was dieses ohne Sträuben geschehen ließ.

Verstört wandte sich Metro Man zu dem Polizisten um, der ihn in das Zimmer geführt hatte.

"Grässlich, oder?", meinte der Beamte und musterte das Wesen auf dem Stuhl. "Wir haben dieses Kind in Megaminds Versteck gefunden, nachdem Sie ihn zurück ins Gefängnis gebracht haben. Es hat wohl versucht, sich hinter einem großen Roboter zu verstecken."

"Das... Ist das wirklich ein Kind?", fragte Metro Man verstört. Sicher, es sah aus wie eines, wenn man mal die blaue Haut und den kahlen Schädel ignorierte. Aber wie kam ausgerechnet Megamind an eines? Die gab es ja wohl kaum im Supermarkt im Angebot. "Kein Roboter oder etwas Ähnliches?"

Der Polizist lachte humorlos. "Wenn das da ein Roboter ist, dann ist es der lebensechteste, den ich je gesehen habe. Science-Fiction wäre nichts dagegen." Er schüttelte den Kopf. "Nein, es ist ein richtiges Kind. Vermutlich Megaminds Klon. Auf dem Weg hierher hat es die ganze Zeit geschrien. Erst als wir dieses Vieh zu ihm gelassen haben, ist es etwas ruhiger geworden."

Bei dem Wort "Vieh" wandte das Wiesel seinen durchdringenden Blick von Metro Man ab und starrte den Polizeibeamten wütend an.

"Und w-was ist es?", wollte Metro Man wissen.

Je länger er das Kind ansah, desto unwohler fühlte er sich. Er kam einfach nicht umhin, sich zu fragen, wie dieses Kind wohl entstanden war. Es blieb nur zu hoffen, dass Megamind nicht so tief gesunken war, wie er befürchtete.

Der Beamte zuckte mit den Schultern. "Wissen wir leider auch nicht", gab er zu. "Ist ziemlich schwer zu sagen bei dem kahlen Schädel und dieser geschlechtsneutralen Kleidung. Wir haben uns auch nicht getraut, das Geschlecht zu überprüfen, weil wir befürchten, dass es dann wieder anfängt zu schreien. Und dann würde wahrscheinlich das Wiesel da wieder angreifen." Er hob seine rechte Hand, die dick einbandagiert war. "Das ist passiert, weil ich das Kind ein wenig fester gepackt habe, als es die Füße in den Boden gestemmt hatte. Dieses Vieh ist sofort auf mich losgegangen und hat erst aufgehört, als das Kind nach ihm gerufen hat."

Metro Man schüttelte fassungslos den Kopf. "Wissen wir wenigstens, wie alt er oder sie ist?", fragte er.

Der Polizist verzog das Gesicht. "Wir vermuten, dass es zwischen vier oder fünf Jahren alt ist. Insofern es natürlich ein normales Kind ist und kein künstlich herangewachsener Klon." Er sah das Kind nachdenklich an. "Wir haben schon das Jugendamt angerufen, aber die haben einfach aufgelegt, als sie erfuhren, wer der Vater des Kindes ist. Deswegen haben wir Sie hierher gerufen, weil wir gehofft hatten, dass Sie vielleicht einen Ort kennen, an dem Megamind das Kind nicht finden kann. Je weniger Kontakt es mit ihm hat, desto besser stehen die Chancen, dass wir einen zweiten Megamind vermeiden können."

Zum ersten Mal seit Metro Man den Raum betreten hatte, gab das Kind einen Laut von sich. Mit einem leisen Schluchzer drückte es das Wiesel noch fester an sich, sodass sich Metro Man zu fragen begann, warum das Tier noch nicht versucht hatte, sich zu befreien und versuchte sich noch kleiner zu machen. Eine einzelne Träne lief ihm die Wange herunter und tropfte in das Fell des Tieres.

Der Anblick versetzte dem Superhelden einen Stich ins Herz. Sicher, es war wohl Megaminds Kind und er wusste nicht, ob es ein Klon, ein Kind einer Leihmutter oder einer Vergewaltigung war, aber letztendlich konnte es nichts für seinen Vater oder den Weg, auf dem es möglicherweise entstanden war.

"Kann ich kurz mit dem Kind alleine sprechen?", fragte Metro Man an den Beamten genannt.

Dieser nickte kurz und wandte sich zur Tür. "Sicher, Metro Man, was immer Sie wünschen. Aber seien Sie vorsichtig. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob das Kind nicht gefährlich ist."

Metro Man wartete, bis der Polizist die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe er sich dem Kind zuwandte.

"Hey", sagte er sanft und kniete sich vor ihm hin. "Wie ist dein Name?"

Das Kind schüttelte heftig den Kopf, sah ihn aber weiterhin nicht an.

"Hat Megamind dir keinen Namen gegeben?", fragte Metro Man verdutzt. Irgendwie konnte er sich das nicht vorstellen, wenn er bedachte, dass der Superschurke jeder einzelnen seiner eigenartigen Erfindungen einen Namen gab. Da würde er doch sicherlich auf einen Namen für sein eigenes Kind kommen!

Jetzt sah es ihn doch aus den Augenwinkeln heraus an und warf ihm einen dieser "Erwachsene-sind-ja-so-blöd"-Blicke zu, die Kinder manchmal benutzten, wenn man etwas nicht wusste, was eigentlich klar sein müsste.

"Ah!", machte Metro Man, erfreut darüber, endlich eine Reaktion von dem Kind bekommen zu haben. "Also hast du einen Namen, aber du willst ihn mir nicht sagen?"

Es schüttelte den Kopf und wandte sich wieder von ihm ab. So viel zu erfolgreichen Gesprächen.

"Na gut, dann versuche ich mal deinen Namen zu erraten, okay?"

Keine Reaktion.

Metro Man runzelte die Stirn. Wie würde Megamind sein eigen Fleisch und Blut eigentlich genau nennen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass der angeberische Superschurke seinem Kind einen Allerweltsnamen gäbe. Das passte irgendwie nicht zu der Vorstellung, die er von seinem Widersacher hatte.

Vielleicht versuchte er es erst einmal anders...

"Willst du mir wenigstens sagen, ob du Junge oder Mädchen bist?"

Wieder Kopfschütteln.

Metro Man seufzte und musterte sein Gegenüber genauer. Vielleicht gab es doch irgendeinen Hinweis auf das Geschlecht des Kindes. Nun gut, es hatte dünne schwarze Augenbrauen, große grüne Augen, die von langen Wimpern umrahmt wurden, eine Stupsnase und - waren das Sommersprossen auf der Nase? Er kniff die Augen zusammen. Tatsächlich! Er hatte gar nicht gewusst, dass man blaue Sommersprossen haben konnte.

Das Kind rückte unbehaglich von ihm ab und ließ dabei ein Bein vom Stuhl gleiten. Dabei konnte er einen Blick auf die Latzhose des Kindes werfen. Ein Bild eines Kornblumenstraußes war zu sehen und direkt darunter ein Spruchband mit den Worten "I am a cornflower".

Metro Man schmunzelte. "Also, kleines Fräulein, willst du mir immer noch nicht deinen Namen sagen?"

Das Mädchen zuckte zusammen, schüttelte aber weiterhin den Kopf.

Die Tür öffnete sich wieder und der Polizeibeamte von vorhin sah ins Zimmer herein. "Irgendetwas herausgefunden?"

"Ja", erwiderte Metro Man und verdrehte dann die Augen. "Wie konnten Sie eigentlich dieses Kornblumenbild auf der Latzhose übersehen? Das ist doch ein ziemlich guter Hinweis auf das Geschlecht des Kindes."

Der Polizist sah zu dem Mädchen herüber, das sich wieder auf dem Stuhl zusammengekauert hatte. "Wie auch immer", sagte er dann. "Haben Sie eine Idee, wo wir es - sie - hinbringen könnten?"

Metro Man zuckte hilflos mit den Schultern. Wenn selbst das Jugendamt die Verantwortung von sich wies, konnte er sich auch nicht vorstellen, einen Ort für das Mädchen zu finden.

Nun gut, einen Platz hätte er schon, aber das war nichts für Kinder. Und er wollte auch nicht unbedingt der Tochter seines Erzfeindes, der sein ganzes Dasein darauf ausgerichtet hatte, ihn zu vernichten, seine Zuflucht offenbaren.

Was er brauchte, war der Rat eines Menschen, der in Megaminds Pläne mindestens genauso oft verwickelt war wie er...

"Könnten Sie mir vielleicht ein Telefon bringen?", fragte er den Polizeibeamten. "Ich muss jemanden anrufen."
 

Metro Man atmete erleichtert auf, als er Roxannes dunkelblaues Auto herannahen und am Bordstein parken sah. Aus dem Auto stieg eine besorgt aussehende Roxanne und eilte die paar Stufen zur Polizeiwache nach oben.

"Wayne!", grüßte sie ihn. "Was ist denn los? Am Telefon klangst du so beunruhigt."

Metro Man lachte nervös und rieb sich den Nacken. "Ja, nun... Ich habe da ein kleines Problem und hatte gehofft, ob du mir dabei helfen kannst."

Roxanne atmete tief durch und lächelte ihn an. "Okay. Worum geht's?"

Er seufzte erleichtert und führte sie in das Zimmer, in dem noch immer Megaminds Tochter zusammengekauert saß.

Als Roxanne das Mädchen erblickte, blieb ihr der Mund offen stehen. "A-ab--"

"Ja, das war auch meine Reaktion, als ich sie gesehen habe", meinte Metro Man trocken.

Das Kind hatte sich bei ihrem Anblick aufrecht hingesetzt und sah nervös von einem zum anderen, ehe es seinen Blick auf Roxanne fixierte.

"Die Polizei hat das Jugendamt informiert", fuhr er fort. "Aber die haben abgelehnt, als sie erfuhren, wessen Kind das ist. Und jetzt soll ich mich darum kümmern einen guten Platz für sie zu finden." Er sah zu Roxanne rüber, die das Kind immer noch anstarrte. "Roxanne?"

Sie zuckte zusammen und murmelte: "Oh, ja, natürlich... Und wohin willst du sie bringen?"

"Deswegen habe ich dich gerufen", erwiderte er hilflos. "Ich weiß nicht, bei wem sie gut aufgehoben wäre. Bei mir kann sie nicht unterkommen, ich bin zu viel unterwegs. Meine Mutter bekäme sicherlich einen Schlag, wenn ich die Kleine bei ihr abgäbe und ich kenne auch sonst niemanden, der sie aufnehmen würde. Ich meine, ich kann sie ja schlecht bei der Regierung abliefern, oder?"

Kaum hatte er es ausgesprochen, wurde er von eisigen Blicken seitens Roxanne und des Wiesels durchbohrt.

"Ich glaube, bevor du noch irgendeine Dummheit machst, nehme ich die Kleine lieber bei mir auf", meinte Roxanne kühl und streckte die Hand nach dem Kind aus, die diese sofort ergriff und aufstand.

"Aber was ist mit Megamind?", fragte Metro Man unbehaglich. "Die Polizei will nicht, dass sie nochmal mit ihrem Vater in Kontakt kommt."

Sie lachte trocken. "Glaub mir, wenn Megamind in Kontakt mit jemandem treten will, dann schafft er das auch. Und es ist für Metro City besser, wenn das Kind nicht bei irgendwelchen dubiosen Leuten unterkommt, die ihm schaden könnten."
 

"Was zum-?", machte der Polizist, als sie eine halbe Stunde später an ihm vorbei zum Ausgang gingen. "Wo wollen Sie mit dem Kind hin, Miss Ritchi?"

"Nach Hause natürlich", erwiderte sie unbekümmert und grinste, als das Kind ein Gähnen unterdrückte. "Es ist schon längst Schlafenszeit."

Damit drängte sie sich an ihm vorbei und ging zur Tür hinaus.

Metro Man lächelte den Polizisten an und zuckte mit den Schultern. "Sie wollten eine Lösung, jetzt haben Sie eine."

"Aber-" Der Beamte blieb sprachlos zurück, als Metro Man zur Tür hinauseilte.

Draußen war Roxanne schon bei ihrem Auto angelangt und war gerade dabei, auf ihrem Rücksitz ein paar Kissen zu einem Kindersitz aufzustapeln.

"Hey, Roxie!"

"Ja?"

Metro Man lief zu ihr rüber und sah sie nervös an. "Hast du eine Ahnung, warum Megamind dich heute nicht entführt hat? Er hat mich zwar wie üblich herausgefordert, aber irgendwas war anders. Und ich meine nicht nur das Kind."

Roxanne zuckte mit den Schultern und half dem Mädchen auf den Rücksitz. "Vielleicht hat er endlich erkannt, wie vorhersehbar seine Pläne geworden sind und wollte mal aus der Routine ausbrechen", mutmaßte sie und schnallte das Kind an. Dann richtete sie sich wieder auf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich habe keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht, letztendlich bin ich nur das Bauernopfer. Vielleicht hat er sich meine Kritik, dass er vorhersehbar ist, endlich zu Herzen genommen. Aber ich bezweifle es."

Sie schloss die Tür und ging um das Auto herum zur Fahrerseite.

"Roxie?"

"Was ist denn noch?", fragte sie genervt und legte den Ellbogen auf dem Autodach ab. "Ich bin ziemlich müde, Wayne."

"Ah", murmelte Metro Man. "Schon gut, du hast Recht, wir sollten jetzt wirklich alle nach Hause gehen. Wir sehen uns ja noch."

Roxanne nickte und stieg ins Auto. "Gute Nacht, Wayne."

Metro Man winkte, als sie den Wagen auf die Straße brachte und davonfuhr, ehe er sich in die Lüfte schwang und sich auf den Weg zu seiner Zuflucht machte. Er konnte nur hoffen, dass er heute nicht nochmal zu einem Notfall gerufen wurde.
 

"Das war knapp", seufzte Roxanne, als sie endlich außer Sichtweite der Polizeiwache waren. "Alles in Ordnung mit euch beiden?"

"Ja, uns geht's gut, stimmt's, Smink?", erwiderte das Mädchen und sah zu dem Wiesel in ihrem Schoß hinunter.

"Ich weiß nicht recht, Miss Abigail", meinte Smink mit einem angewiderten Gesichtsausdruck. "Ich habe einen scheußlichen Geschmack im Mund, seit ich dem Polizisten in die Hand gebissen habe."

"Zuhause habe ich eine Flasche Limonade", sagte Roxanne. "Damit kannst du den Geschmack runterspülen."

"Mommy, warum denken die Leute, ich wäre ein Roboter?", fragte Abigail unvermittelt und verzog das Gesicht.

Roxanne sah sie einen Moment lang sprachlos im Rückspiegel an, dann fing sie an zu lachen. "Wer hat denn das gesagt?"

"Der Mann mit den komischen Fransen an den Beinen."

Roxanne schüttelte amüsiert den Kopf. "Metro Man war wohl einfach erstaunt, das ist alles. Er dachte wohl, dass dein Vater das einzige blauhäutige Lebewesen auf der Erde ist."

"Oh." Abigail sah nachdenklich auf ihre Finger. "Kommt Daddy mich abholen, wenn er wieder zurück ist?"

Einen Moment lang überlegte Roxanne, ob sie ihr die Wahrheit sagen sollte. Glücklicherweise nahm ihr Smink diese unangenehme Aufgabe ab.

"Ich glaube, jetzt da die Menschen von uns wissen, sollten wir bei Ihrer Mutter bleiben, Miss Abigail", meinte er ernsthaft. "Das ist sicher auch in Ihres Vaters Sinne."

Abigail seufzte.

"Meine Güte, so schlimm ist es bei mir nun auch wieder nicht", scherzte Roxanne gutmütig. "Es ist sogar wesentlich ordentlicher als das Versteck."

Als Abigail nicht antwortete, fügte sie hinzu: "Keine Sorge, Spatz, es wird schon alles in Ordnung kommen." Hoffte sie zumindest...

Ihr Wohnhaus kam in Sicht und Roxanne fuhr in die Garage hinein. "So, da wären wir", sagte sie, nachdem sie den Motor abgestellt hatte. "Alles aussteigen, bitte."

"Und wie kommen wir bis nach oben, Miss Ritchi?", wollte Smink wissen und drapierte sich wie einen Schal auf Abigails Schultern und Nacken. "Haben diese Gebäude nicht normalerweise einen Wachmann?"

"Solange ihr bei mir seid, kann nichts passieren", erwiderte Roxanne lächelnd, auch wenn ihr bei dem Gedanken ein wenig mulmig war. "Und Carlos ist nett. Er mag Kinder."

Smink sah nicht überzeugt aus, hielt aber den Mund. Wenn es hart auf hart kam, konnte er Abigail immer noch verteidigen.

In der Vorhalle saß Carlos an der Rezeption und hatte den Kopf in seiner Zeitung vergraben. Ihre Chance erkennend zog Roxanne Abigail so schnell sie konnte zum Aufzug und drückte den Knopf. Gerade als die Aufzugtüren sich öffneten, senkte Carlos die Zeitung.

"Oh, guten Abend, Miss Ritchi", grüßte er freundlich. "Habe mich schon gewundert, wer da an mir vorbeischleichen wollte."

Roxanne gab einen erschrockenen Laut von sich und schob Abigail in den Aufzug hinein, bevor sie sich davor stellte. "Ah, ja, tatsächlich", stammelte sie zerstreut, verzweifelt nach einer guten Antwort suchend. "Es war ein langer Tag und ich will so schnell wie möglich ins Bett."

Aus den Augenwinkeln sah sie wie Abigail Smink hochhob, damit er den obersten Knopf drücken konnte.

"Natürlich", erwiderte Carlos und nickte ernst. "Sie sind fast jeden Tag da draußen und werden regelmäßig von Megamind entführt, da haben Sie jedes Recht, müde zu sein."

Roxanne merkte, wie sich hinter ihr die Aufzugtüren schlossen und drehte sich blitzschnell um. "Ja, also... Ich geh dann mal." Mit diesen Worten huschte sie in den Fahrstuhl, ehe sich die Türen ganz schließen konnten und ließ einen verdutzten Carlos zurück.

"Meine Güte", seufzte sie und lehnte sich gegen die Aufzugswand. "Konntet ihr nicht auf mich warten?"

"Tut mir leid", murmelte Abigail und zog beschämt den Kopf ein. "Smink meinte, wir sollten vielleicht schon mal vorgehen, solange du dich mit Mr. Carlos unterhältst."

Roxanne warf dem Wiesel einen strengen Blick zu, den dieses aber nur gleichgültig erwiderte.

"Ob nett oder nicht, er ist immer noch ein Mensch, der in Metro City lebt", sagte Smink ernst. "Und die sind nicht gut auf Mr. Megamind zu sprechen."

"Welch Überraschung", meinte Roxanne und verdrehte die Augen. "Wo er doch nicht mehr tut, als jede zweite Woche die Stadt auf den Kopf zu stellen."

"Ist das Szar-katz-mus?", fragte Abigail und zog die Nase kraus.

"Sarkasmus", korrigierte Roxanne lachend. Das Kind fing schon wie sein Vater an.

Der Aufzug kam mit einem "Ding!" zum Stehen und die Türen öffneten sich zum obersten Stockwerk.

Sie huschten den Gang entlang und Roxanne kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Wohnungsschlüssel. Wie in solchen Situationen so üblich, war der Schlüssel ganz nach unten gerutscht und kaum hatte sie ihn gefunden, öffnete sich weiter unten im Gang eine Tür.

Die Wohnungstür wurde - wie es in so einer Situation üblich ist - in Panik geöffnet und Kind und Wiesel durch einen Türspalt hineingeschoben, ehe Roxanne ihren Nachbarn unschuldig anlächelte und ebenfalls in ihrer Wohnung verschwand.

Sie lehnte sich erleichtert seufzend gegen die Tür. "Geschafft! Für heute dürfte es keine Zwischenfälle mehr geben."

"Müssen wir jetzt immer so herumschleichen?", wollte Abigail missmutig wissen. "Dazu habe ich nämlich keine Lust!"

Roxanne lächelte entschuldigend und drückte sie an sich, das erste Mal seit sie sie in der Polizeiwache angetroffen hatte. "Tut mir leid. Du musst deine Mutter für ziemlich dämlich halten."

Abigail schüttelte den Kopf, schlang die Arme um Roxannes Taille und drückte das Gesicht in ihren Bauch.

Roxanne streichelte ihr den Kopf, ehe sie sie vorsichtig von sich wegdrückte. "Hast du Hunger? Ich kann uns schnell etwas kochen."

"Soll heißen, sie wärmt Reste auf", fügte Smink von seinem Platz auf dem Sofa trocken hinzu.

Roxanne streckte ihm die Zunge raus, ehe sie sich wieder ihrer Tochter zuwandte. "Das ginge natürlich am schnellsten, aber wenn du willst, kann ich auch 'richtig' kochen. Das dauert dann aber länger."

Als Antwort gähnte Abigail hinter vorgehaltener Hand.

"Dachte ich mir." Roxanne ging zu ihrem Kühlschrank hinüber und öffnete ihn. "Mal sehen, wir haben hier noch ein wenig Auflauf - ach nein, du magst immer noch keinen Käse, oder?", fügte sie hinzu, als Abigail den Mund verzog. "Gut, dann keinen Auflauf. Wie wär's dann mit Spaghetti? Ich habe noch etwas Hackfleischsoße da."

Sie löste den Deckel und stellte die Schüssel auf der Küchentheke ab. Smink hüpfte auf die Theke und schnüffelte misstrauisch am Inhalt.

"Zu deiner Zufriedenheit?", fragte Roxanne mit sarkastisch hochgezogenen Augenbrauen.

"Scheint noch gut zu sein", meinte Smink.

Roxanne verdrehte die Augen und stellte die Schüssel in die Mikrowelle. Dann durchstöberte sie den Küchenschrank und holte einen Topf und eine Packung Spaghetti hervor.

"Das dauert nur ein paar Minuten", versicherte sie ihrer Tochter, die sich müde die Augen rieb.

"Wo soll ich eigentlich schlafen?", fragte Abigail unvermittelt. "Ein Bett habe ich nur bei Daddy."

"Ich habe ein großes Bett, da ist genug Platz für dich", erklärte Roxanne, während sie darauf warteten, dass das Nudelwasser zu kochen begann.

Während Abigail die Spaghetti aufaß, ging Roxanne in ihr Arbeitszimmer und schaltete den Fernseher an. Wie sie erwartet hatte, zeigten die Nachrichtenagenturen immer noch Szenen des Kampfes zwischen Megamind und Metro Man, obwohl es mittlerweile schon zehn Uhr war und sie den ganzen Tag nichts anderes gesendet hatten.

Roxanne verfolgte die Nachrichten aufmerksam, doch zu ihrer Erleichterung konnte sie keine Meldung über Abigail entdecken. Vermutlich würde die Polizei ihre Entdeckung erst morgen früh bekannt geben, was bedeutete, dass sie immer noch einen halben Tag Zeit hatte, sich auf die Massen an Journalisten vorzubereiten, die zweifelsohne versuchen würden, einen Blick auf Abigail zu erhaschen.

Doch das brachte ein neues Problem hervor: Ein fünfjähriges Mädchen konnte nicht alleine zuhause bleiben, auch wenn Abigail einen Minion hatte. Irgendjemand musste auf sie aufpassen, solange Roxanne bei der Arbeit war.

Wenn sie bloß wüsste, wie sie Minion erreichen konnte. Natürlich konnte sie sich auch einfach krank melden, bis sie eine Lösung gefunden hatte, aber ihr sträubten sich die Haare bei dem Gedanken, jemand anderes könnte über Abigail berichten und dabei irgendetwas sagen, dass ihrer Tochter schaden könnte.

"Mommy?"

Roxanne fuhr erschrocken hoch. "Abigail! Bist du mit deinem Essen fertig?"

Das Mädchen nickte. "Aber Smink hat mir zwei Fleischbälle stibitzt."

"Tss!" Empört plusterte Smink sich auf. "Ich habe mir die Fleischbälle genommen, nachdem Sie den Teller schon längst zur Seite gestellt hatten! Wenn überhaupt, dann habe ich verhindert, dass etwas weggeworfen werden muss."

Roxanne schmunzelte. "Schön, das wir das geklärt haben", meinte sie. "Wie wär's, wenn ihr zwei euch jetzt zu Bett begebt?"

"Ich habe keinen Schlafanzug!", protestierte Abigail und rieb sich die Augen. "In Straßenkleidung geht man nicht ins Bett. Hat Minion letztens zu Daddy gesagt."

Jetzt fing Roxanne an zu lachen. "Das sieht ihm ähnlich. Ich gebe dir einfach eines meiner T-Shirts, das kannst du dann als Nachthemd tragen."
 

Zehn Uhr abends war eine seltsame Zeit für eine Polizeibeamtin um einen Superschurken zu besuchen, fand Gefängnisdirektor Jonathan Warden.

Natürlich hatte die Polizei durchaus das Recht, "seine" Gefangenen zu verhören. Aber bei Megamind fand er das überraschend. Der Großteil der Polizeibeamten in Metro City hatte Angst vor dem exzentrischen Außerirdischen und überließen die Drecksarbeit dem Gefängnis und Metro Man.

"Es ist ungewöhnlich, dass sich ein Mitglied der Polizei in Megaminds Nähe traut", meinte Jonathan Warden, während sie die Gänge zum Verhörzimmer durchschritten. "Und ich hoffe, Ihnen ist klar, wie viel Aufwand es ist, ihn außerhalb seiner Zelle festzuhalten, Miss...?"

"Rebecca Jones", beantwortete die Polizistin die unausgesprochene Frage. "Und ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die Sie meinetwegen auf sich nehmen müssen. Aber es ist unausweichlich, dass ich mit ihm rede, Superschurke oder nicht."

Er schmunzelte. "Sie sind nicht von hier, oder?"

"Nein. Warum fragen Sie?"

"Tja, weil kein Polizist, der sein ganzes Leben hier gelebt hat, sich in seine Nähe traut, deshalb", erwiderte er amüsiert. "Es fällt uns sogar schwer, Personal für dieses Gefängnis zu finden, da die Leute wissen, dass er hier untergebracht ist."

Miss Jones schnaubte verächtlich. "Ja, ich habe auch schon mitbekommen, dass die Polizei in dieser Stadt einiges schleifen lässt. Allerdings glaube ich nicht, dass das allein aus Angst vor einem Superschurken ist."

Mr. Warden brummte zustimmend und öffnete die Tür zum Verhörzimmer.

Megamind saß bereits am Tisch, die Hände in Handschellen und zwei Gefängniswärter rechts und links neben sich.

"Guten Abend, Warden", grüßte er fröhlich. "Haben Sie mir Besuch mitgebracht?"

"Das ist kein Höflichkeitsbesuch, Mr. Mind!", sagte Miss Jones, bevor Mr. Warden überhaupt den Mund aufmachen konnte.

"Offensichtlich", erwiderte Megamind und hob seine Hände, damit seine Handschellen für jeden gut sichtbar waren. "Was wollen Sie von mir, Miss?"

"Nur ein paar kleine Fragen." Rebecca Jones setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber und sah ihn durchdringend an. "Zu einem Ihrer Geheimnisse."

Megamind verzog den Mund zu einem Grinsen. "Oh, wirklich?", fragte er und beugte sich lässig zu ihr herüber. "Glauben Sie denn, dass ich Ihnen dieses Geheimnis erzählen werde?"

"Oh, dieses Geheimnis kennen wir schon, Mr. Mind, keine Sorge."

Megamind sah sie misstrauisch an. "Worauf wollen Sie hinaus?"

Miss Jones zog ein Foto aus der Jackentasche und warf es vor ihm auf den Tisch. "Sie wissen doch sicher, wer das ist, oder?"

Auf dem Foto war ein kleines blauhäutiges Kind mit einem übergroßen kahlen Schädel zu sehen. Einem Unwissenden wäre an diesem Bild nichts Ungewöhnliches aufgefallen, doch Mr. Warden hatte so viele Jahre mit Megamind zugebracht, dass er fast sofort erkannte, dass das Kind auf dem Foto nicht Megamind sein konnte. Das Kind hatte Ähnlichkeit mit ihm, aber weder die Form der Augen noch des Mundes stimmten überein, auch wenn es dieselbe Augenfarbe hatte. Außerdem war Mr. Warden sich ziemlich sicher, dass es sich hierbei um ein Mädchen handelte, auch wenn er dafür nur die Latzhose als Hinweis hatte.

Und Megaminds Reaktion bestätigte seine Vermutung, dass das Kind nicht er selbst war. Beim Anblick des Bildes wurde er kreidebleich und er krallte die Finger an der Tischplatte fest, sodass seine Fingerknöchel hellblau hervortraten.

"Wer hat Ihnen das gegeben?", fragte er in einem Tonfall, den Mr. Warden so bei ihm noch nie gehört hatte, eiskalt und unheilverkündend.

Der Ton verfehlte seine Wirkung nicht. Miss Jones lehnte sich unter seinem Blick verunsichert zurück und die Wachleute machten einen Schritt rückwärts.

Nur Mr. Warden blieb, wo er war. So sehr ihn der plötzliche Stimmungsumschwung seines berüchtigsten Gefangenen auch beunruhigte, jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man in solch einer Situation keine Angst zeigen durfte.

Auch Rebecca Jones schien sich ein paar Augenblicke später daran erinnern, denn sie richtete sich kerzengerade auf und versuchte, Megaminds durchdringenden Blick so gut es ging standzuhalten.

"Wir haben das Mädchen in Ihrem Versteck gefunden, wo es sich gerade hinter einem Roboter zu verstecken versuchte", erklärte sie ihm kühl. "Wir haben sie gleich auf die Polizeiwache mitgenommen."

Megamind atmete schnaubend ein und aus, wobei er die Polizistin mit einem wütenden Blick fixierte. "Was...?", brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Was haben Sie mit Abigail gemacht?!" Sein Gesicht hatte einen violetten Farbton angenommen.

"Keine Sorge, sie wird in gute Hände kommen", meinte Miss Jones. "Schlimmer als bei Ihnen kann es nicht werden."

Bevor irgendjemand im Raum reagieren konnte, war Megamind aufgesprungen und hatte sie am Kragen gepackt. Er zog sie zu sich heran und zischte: "Wenn Abigail auch nur eine Wimper gekrümmt wird, werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen."

Im nächsten Moment hatten die Wachleute ihre Elektroschocker zur Hand genommen und ihn betäubt.

Während die Wachleute Megamind zurück in seine Zelle zogen, bedachte Mr. Warden die Polizistin mit einem missbilligenden Blick.

"Sie hätten ihn nicht so reizen sollen", sagte er. "Das ist das erste Mal, dass ich ihn so ausflippen sah."

Rebecca Jones rieb sich die Kehle. "Ich hätte nicht erwartet, dass er so eine Kraft hat."

"Haben Sie geglaubt, die Angst, die die Leute vor ihm haben, käme von nirgends her?" Mr. Warden schüttelte den Kopf. "Irgendwie muss er Metro Man ja standhalten können."

Er führte sie hinaus.

"Wer ist das Mädchen?", fragte er, als er sich von ihr verabschiedete. "Sie scheint ihm sehr wichtig zu sein."

"Wir vermuten, dass sie seine Tochter ist, auch wenn wir nicht wissen, welche Maßnahmen er vollzogen hat, um sie zu bekommen", erklärte Miss Jones. "Metro Man hat sich um einen Platz für die Kleine gekümmert."

"Sind Sie nur hierher gekommen, um ihm das zu sagen?", fragte Mr. Warden missbilligend. "Jetzt wird er ganz Metro City auf den Kopf stellen, um sie zu finden. Da hätten Sie auch gleich Minion filetieren können."

"Eigentlich hatte ich ihn fragen wollen, wer die Mutter des Kindes ist", meinte sie schulterzuckend. "Aber er hat mir ja keine Zeit gelassen."

Mit diesen Worten lief sie zu ihrem Wagen und fuhr davon.

Der Ausbruch

Als Roxanne aufwachte, lag sie zusammengerollt auf dem Bett und etwas hatte sich an ihr festgeklammert, das leise grummelnde Geräusche machte.

Müde blinzelnd öffnete sie die Augen und sah sich um. Neben ihr auf dem Bett lag Abigail, die Decke um sich herumdrapiert, sodass es aussah als steckte sie in einem Kokon. Die linke Hand hatte sie in Roxannes Nachthemd gekrallt und mit der Rechten hielt sie Smink fest.

Dieser war es auch, der die seltsamen Geräusche von sich gab, da Abigail immer wieder versuchte, sich auf den Bauch zu rollen und dabei das Wiesel unter sich begrub.

Es erstaunte Roxanne, dass Smink während der ganze Prozedur nicht aufwachte. Andererseits war es auch möglich, dass er sich schon so sehr daran gewöhnt hatte, dass er schon im Schlaf sein Missvergnügen kundtun konnte.

Roxanne richtete sich auf und versuchte, Abigails Finger aus ihrem Nachthemd zu lösen, die für eine Fünfjährige einen ziemlich festen Griff hatte. Dabei sah sie auf ihren Wecker und sprang erschrocken auf.

Schon zehn Uhr morgens! Sie kam zu spät zur Arbeit und sie hatte niemanden, der auf Abigail aufpassen könnte, da sie nicht wusste, wo sich Minion aufhielt, wenn Megamind mal wieder im Gefängnis war.

Abigail gab einen unwilligen Laut von sich und öffnete verschlafen ein Auge.

"Ist... alles in Ordnung, Madam?", wollte Smink verwirrt wissen und sah Roxanne dabei zu, wie sie durchs Zimmer huschte und Kleidung aus dem Kleiderschrank auf das Bett warf.

"Ich komme zu spät zur Arbeit!", antwortete sie und begann sich anzuziehen. "Und ich habe leider auch nicht Megamind als Ausrede."

"Du musst am Sonntag arbeiten gehen, Mommy?", fragte Abigail erstaunt und zog sich einen Rock vom Kopf, der versehentlich auf ihr gelandet war.

Roxanne hielt in ihrem hastigen Durchwühlen ihrer Kleidung inne und sah ihre Tochter aus großen Augen an. Dann legte sie die Bluse, die sie gerade in der Hand hielt auf dem Bett ab, ging aus dem Schlafzimmer hinaus, die Treppe hinunter und in ihr Arbeitszimmer, wo ihr Handy neben ihrem Computer auf dem Schreibtisch lag.

Sie öffnete es, sah auf das Display und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Abigails Behauptung hatte gestimmt. Es war tatsächlich Sonntag.

Und jetzt da sie darüber nachdachte, erinnerte sie sich auch wieder daran, dass sie gestern Einkäufe getätigt hatte wie jeden Samstag und wunderte sich, warum sie der Meinung gewesen war, dass sie heute arbeiten musste.

"Mommy?"

Roxanne drehte sich um, das Handy immer noch in der Hand und sah zu Abigail herüber, die jetzt im Türrahmen stand und immer wieder das T-Shirt über ihre Schultern zog, das ihr mindestens drei Nummern zu groß war.

"Ich habe Hunger."
 

Nachdem Roxanne Abigail ein notdürftiges Frühstück zurecht gemacht hatte - das nur aus ein paar mit Marmelade bestrichen Toastscheiben bestand, aber Abigail schien das nichts auszumachen -, ging sie ins Schlafzimmer zurück, um sich fertig anzuziehen.

Unwillkührlich fragte sie sich dabei, was Abigail eigentlich anziehen sollte. Solange Minion sie nicht kontaktierte, konnte sie ihn nicht darum bitten, ihr einige Kleidungsstücke vorbeizubringen und sie konnte auch nicht einfach zu Megamind ins Gefängnis marschieren und ihn nach dem Aufenthaltsort seines Freundes ausfragen. Das würde viel zu viel Aufmerksamkeit erregen.

Und bevor Minion seinen Herrn nicht aus dem Gefängnis befreit hatte, hörte sie wahrscheinlich sowieso nichts von dem Fisch.

Da sie bereits darüber nachdachte: Hatte Megamind diesmal überhaupt einen Ausbruchsplan bereit? So wie die Dinge gestern gelaufen waren, schien mehr als eine Sache nicht sonderlich gut geplant gewesen zu sein. Schließlich nahm Megamind normalerweise nicht ihrer beider Tochter mit zu seiner "Arbeit" und er hatte auch Roxanne nicht entführt wie sonst üblich.

Eigentlich wies alles darauf hin, dass er unter Zeitdruck gestanden haben musste. Vielleicht eine "böse" Erfindung, die nicht so arbeitete wie sie sollte? Aber das erklärte immer noch nicht, warum Abigail bei ihm gewesen war. Er hatte doch wohl nicht von seinem Hauptversteck aus...?

Roxanne schüttelte den Kopf. Nein, so leichtsinnig war er nicht. Und die Polizei von Metro City hatte über die Jahre so stark nachgelassen, dass sie wohl kaum in der Lage gewesen wären, sein Heim zu finden. Mit den ganzen anderen Orten, bei denen er seine Pläne ausführte, sah das natürlich anders aus.

Aber eines nach dem anderen, erst einmal musste sie irgendwie herausfinden, was sie ihrer Tochter anziehen sollte. Sie konnte Megamind immer noch nach seinen Beweggründen fragen, nachdem er wieder aus dem Gefängnis entflohen war. Denn dass er nicht lange dort bliebe, war sowieso klar.
 

Mr. Jonathan Warden durchschritt die zwei automatisch gesicherten Gittertüren, die zu Megaminds Zelle führten und blickte finster zu dem Wachmann vor dem Schaltpult hin, der anscheinend gerade ein Nickerchen hielt.

"Die Arbeitszeit ist nicht zum Schlafen da!", weckte er seinen Untergebenen unsanft aus dessen Schlummer. "Wenn Megamind ein paar Minuten zuvor einen Ausbruch gestartet hätte, hätte ich Sie dafür verantwortlich gemacht."

Der Wachmann schluckte nervös und drückte den Knopf, der die Luke in Megaminds Zelle öffnete.

Jonathan sah durch das kleine Fenster und erwiderte gleichgültig den eisigen Blick, den Megamind ihm von seinem Sessel aus zuwarf.

"Was gibt es, Warden?", knurrte der Superschurke gereizt. "Ich bin nicht in der Stimmung für Besuche. Es sei denn, es wäre jemand, der mir sagt, dass Abigail wieder da ist, wo sie hingehört."

Jonathan hob die Augenbrauen. "Ich fürchte, damit kann ich nicht dienen."

"Wenn Sie mich dafür zurechtweisen wollen, dass ich diese eingebildete Polizistin angegriffen haben, dann sparen Sie sich den Atem." Megamind schwang den Drehsessel herum, sodass die Rückseite der Luke zugewandt war. "Was immer Sie dazu zu sagen haben, ich habe es schon hundertmal gehört und es tut mir nicht leid." Er machte eine scheuchende Handbewegung, wie ein Herrscher, der einen unwürdigen Bauern aufforderte, aus seinem Blickfeld zu verschwinden.

Jonathan Warden verdrehte die Augen und bedeutete dem Wachmann mit einer Handbewegung, die Luke wieder zu schließen.

"Er hat noch scheußlichere Laune als ich befürchtet hatte", murmelte er zu sich selbst, bevor er die beiden Gittertüren passierte und hoch in sein Büro ging.

Er hatte gehofft, dass er Megamind etwas Vernunft einreden könnte, doch in diesem Zustand ließ der Außerirdische sowieso nicht mit sich reden. Da konnte er genauso gut mit einem Türknauf reden.

Besonders beunruhigend für Mr. Warden war allerdings, dass er sehr gut nachvollziehen konnte, wie Megamind darauf reagiert hatte, dass seine Tochter von der Polizei gefunden worden war.

Die Polizei war wahrscheinlich der Meinung, dass durch den Kindesentzug die Stadt vor einem zweiten Superschurken bewahrt wurde. Aber wenn das Mädchen genauso ausgegrenzt wurde wie ihr Vater, käme es erst recht dazu.

Er hatte sich kaum in seinem Sessel niedergelassen, als es an seiner Bürotür klopfte.

Genervt rief er: "Herein!"

Ein nervös aussehender Wachmann steckte den Kopf durch die Tür. "Äh, Metro Man bittet um eine Unterredung mit Megamind, Sir. Ich habe ihm gesagt, dass Sie es nicht wünschen, dass er gestört wird, deswegen will er jetzt mit Ihnen reden."

Jonathan Warden stieß einen weiteren noch tieferen Seufzer aus und vergrub das Gesicht in den Händen. "Na gut, bringen Sie ihn rein."

Metro Man betrat den Raum mit seinem üblichen weltmännischen Flair. "Mr. Warden, schön Sie zu sehen!", sagte er mit einem Lächeln, das jeder Zahncremewerbung Konkurrenz machen konnte. "Man sagte mir, dass Megamind nicht zu sehen ist?"

"Megamind ist es tatsächlich nicht erlaubt, Besuch zu empfangen", bestätigte Jonathan Warden. "Er hat gestern eine Polizistin angegriffen und verweigert jedwedes Gespräch."

"Können Sie für mich nicht eine Ausnahme machen?"

Jonathan Warden sah ihn skeptisch an. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Sie am allerwenigsten sehen will. Er wird wahrscheinlich noch nicht einmal mit Ihnen reden."

"Es gibt ein paar Fragen, die ich ihm stellen muss", meinte Metro Man.

"Sie und der Rest der Welt", erwiderte Warden. "Der Polizei hat er keine Antworten gegeben. Warum glauben Sie, dass er Ihnen antworten wird?"

Metro Man zuckte mit den Schultern. "Das wird er vermutlich nicht. Aber ich will ihm diese Fragen nicht vor einer Menschenmenge stellen. Um des Kindes willen."

Jonathan Warden hob die Augenbrauen. "Es erstaunt mich, dass Sie Abigail vor so etwas schützen wollen. Sind Sie nicht der Meinung, dass das Mädchen denselben Weg geht wie sein Vater?"

"Wenn selbst Roxie dem Kind ihres Entführers eine Chance gibt, kann es ja nicht schlecht sein, oder?", erwiderte der Superheld nachdenklich. "Und die Kleine - Abigail nannten Sie sie? - sieht nun wirklich nicht wie jemand aus, der etwas Böses tun könnte."

Warden verkniff sich den Kommentar darüber, dass auch Megamind mal so ein Kind gewesen war.

"Kann ich nun zu Megamind?", hakte Metro Man nach einer kurzen Pause nach.

Der Gefängnisdirektor seufzte resigniert. "Na, meinetwegen", knurrte er. "Aber beschweren Sie sich nicht bei mir, wenn er Ihnen Beschimpfungen und Morddrohungen an den Kopf wirft."

Er führte Metro Man zu Megaminds Zelle. Diesmal war der Wachmann nicht mit irgendetwas anderem als seiner Arbeit beschäftigt, was schon mal ein Fortschritt war.

Auf Geheiß öffnete er die Luke und Mr. Warden sah hinein. "Du hast Besuch, Megamind."

Megamind hatte den Drehstuhl so gedreht, dass die Rückenlehne der Luke zugewandt war. "Ich bin nicht da", tönte es vom Drehstuhl her und der Außerirdische zog den Kopf ein, damit man ihn nicht mehr sehen konnte.

Wider besseren Wissens musste Jonathan amüsiert schnauben. "Es ist Metro Man", meinte er.

Von der Luke aus sah er, wie Megamind verärgert die Armlehnen umklammerte. "Und warum sind Sie der Annahme, dass ich mit ihm reden will?", fragte er dann, drehte den Stuhl um und bedachte beide Männer mit einem eisigen Blick. "Ich habe Ihnen vor wenigen Minuten schon einmal gesagt, dass ich nicht gestört werden will, Warden."

"Mag sein, aber ich habe ein paar Fragen an dich", mischte sich Metro Man ein.

Megamind starrte ihn nur wütend an und presste die Lippen aufeinander.

Der Superheld seufzte resigniert. "Schau, ich will nur etwas herausfinden, danach lasse ich dich in Ruhe."

Sein Gegenüber runzelte die Stirn und starrte dann über Metro Mans Schulter hinweg auf einen Punkt hinter ihm.

Jonathan Warden wandte sich dem Wachmann zu, der die Unterhaltung mit offenem Mund verfolgt hatte. "Sie dürfen sich entfernen."

Ohne Protest stand der Mann auf und verließ so schnell er konnte den Bereich. Metro Mans und Megaminds Kämpfe waren berühmt dafür, dass sie kaum einen Stein auf dem andern ließen.

Jonathan wandte sich wieder Metro Man zu. "Jetzt können Sie ungestört reden."

Metro Man nickte und drehte sich zu seinem Rivalen hin. "Was ist nun?"

Megamind seufzte und schlug die Beine übereinander. "Fass dich kurz."

"Gut, gut. Also wegen des Mädchens... Sie ist deine Tochter, oder?"

Der Superschurke verdrehte die Augen. "Wie viele meiner Art gibt es denn bitte schön noch? Natürlich ist sie das."

"Nun, ich weiß es ja nicht", meinte Metro Man nachdenklich. "Sie könnte auch ein fremdes Kind deiner Art sein."

"Wenn es irgendwo noch Überlebende gäbe, wäre ich schon längst nicht mehr hier. Das kann ich dir versichern", knurrte sein Gegenüber missmutig.

"Also ist ihre Mutter ein Mensch?" Metro Man war immer davon ausgegangen, dass sein Rivale genauso inkompatibel mit Menschen war wie er. Aber offenbar war er mit seiner blauen Haut und dem übergroßen Schädel den Menschen ähnlicher als der Superheld, der ihnen doch so ähnlich sah. "Sie ist kein Klon?"

Megamind schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und verbarg sein Gesicht in der Hand. "Klone haben immer dasselbe Geschlecht des Geklonten, da sie auch die exakt gleiche Genstruktur haben. Also ja, ihre Mutter ist von hier. Und bevor du fragst: Ja, sie war damit einverstanden."

"Wer?"

Der Superschurke schüttelte den Kopf und drehte seinen Stuhl wieder so, dass er mit dem Rücken zur Tür saß. "Tut mir leid, aber das werde ich sicher nicht preisgeben. Ich möchte nicht, dass ganz Metrocity auf sie losgeht. Dann wäre sie ganz deiner Gnade ausgeliefert."

"Ich würde nie...", setzte Metro Man zu sprechen an, fand aber keine Worte.

"Wenn ein Verhältnis mit mir deiner oder Metrocitys Vorstellung von gutem Benehmen nicht entspricht, ist es durchaus im Rahmen des Möglichen."

Metro Man öffnete zornig den Mund, wurde aber von Jonathan Warden unterbrochen.

"Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen. Wenn Sie mir bitte folgen wollten."

Der Wachmann kam bereits auf sie zu und setzte sich ohne ein Wort an seinen Platz zurück, was Jonathan doch ein wenig verwunderte. Normalerweise murrte der Mann immer, wenn er Dienst schieben musste.

"Ich hätte jetzt auch eine Frage, wenn es Ihnen nichts ausmacht", meinte er, nachdem sie wieder in seinem Büro waren.

"Worum geht es?", fragte der Superheld.

"Wo ist dieses Kind jetzt?"

"Äh, bei Roxie, ich meine, Miss Ritchi."

Mr. Warden sah ihn an, als zweifle er am Verstand seines Gegenübers. "Sie bringen das Kind bei der Frau unter, die gemeinhin als Megaminds Lieblingsentführungsopfer gilt? Ich dachte, Sie wollten das Kind von seinem Vater trennen und es nicht beim nächsten Mal schon wieder bei ihm haben."

"Ja, das weiß ich auch", erwiderte Metro Man. "Aber niemand anderes wollte sie aufnehmen und Roxie hat mich da ziemlich überrumpelt."

"Hm...", machte der Gefängnisdirektor nachdenklich. "Haben Sie irgendeine Ahnung, warum sie so erpicht darauf war, das Kind bei sich aufzunehmen?"

Metro Man zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Vermutlich weil ich gesagt habe, dass ich sie wohl kaum bei der Regierung abgeben könne. Danach durfte ich mir eine Moralpredigt anhören."

Mr. Warden gab ihr stillschweigend Recht. Megamind war mit seiner Gefängniszelle und den daran angeschlossenen Monitoren noch relativ glimpflich davon gekommen, aber seine Tochter hätte wahrscheinlich weniger Glück gehabt, schließlich war sie der lebende Beweis für Hybridzeugung.

Bevor er allerdings diese Gedanken äußern konnte, ging die Sirene los und ein schwer atmender Vollzugsbeamte kam ins Zimmer gestürzt.

"Sir! Megamind ist ausgebrochen!", rief er aufgeregt. "Jemand hat Wilkins niedergeschlagen und seinen Platz eingenommen!"

Minion, dachte Jonathan. Es musste der Fisch gewesen sein, dem er beim Rausgehen begegnet war. Kein Wunder, dass er nicht darüber genörgelt hatte, vor den Monitoren zu sitzen.

"Wo ist Megamind jetzt?", fragte er und eilte zur Tür.

"Wahrscheinlich wieder in der Stadt", erwiderte der Gefängniswärter zerknirscht. "Wir haben überhaupt nichts bemerkt. Er muss einfach an uns vorbeimarschiert sein."

Jonathan Warden seufzte resigniert. "Hätte mich auch gewundert, wenn es mal nicht so wäre. Wir könnten genauso gut eine Drehtür in seine Zelle einbauen."
 

Das Unsichtbare Auto fuhr durch die Straßen von Metro City, geschickte den anderen Wagen ausweichend.

Minion saß am Steuer und warf seinem Freund und Herrn immer wieder besorgte Blicke zu, während dieser mit finsterer Miene aus dem Fenster starrte. Er fühlte sich schuldig, schließlich war er es gewesen, der Megamind dazu überredet hatte, Abigail und Smink mitzunehmen, da keiner ihrer Kontakte Zeit gehabt hatte.

"Sir...", setzte der Fisch zu sprechen an, als Megamind seufzte und sagte: "Fahr zu Roxannes Wohnung. Es ist Sonntag, also wird sie wohl noch zuhause sein. Sie muss erfahren, dass Aibgail verschwunden ist."

"Sie sollten sich erst umziehen, Sir", meinte Minion. "Mit Ihrer Gefängnisuniform fallen Sie zu sehr auf."

"Ich habe die Hologrammuhr", widersprach der Superschurke. "Zum Umziehen habe ich auch später noch Zeit. Nämlich dann, wenn ich denjenigen aufspüren werde, der Abigail mitgenommen hat."

Minion erschauderte bei dem Ton, den sein Freund anschlug. Möglicherweise war es tatsächlich besser erst zu Roxanne zu gehen, damit sie ihm diese Idee ausreden konnte.

Ohne ein weiteres Wort wendete er das Auto und nahm Kurs auf Roxannes Wohnung.
 

Das Parkhaus war so gut wie leer, aber wenigstens stand Roxannes Wagen an seinem Platz, was bedeutete, dass sie tatsächlich da war.

Megamind stieg aus dem Unsichtbaren Auto aus und drehte das Zifferblatt seiner Uhr, sodass das Hologramm eines hochgewachsenen Mannes mit wirrem schwarzen Haar seine wahre Gestalt versteckte. Diese Gestalt war Roxanne bekannt, da er sie schon zu verschiedenen Anlässen "getragen" hatte.

Er wandte sich um. "Minion, warum hast du dich noch nicht verkleidet?", fragte er genervt.

Der Fisch sah an sich herunter und zeigte dann auf die Perücke auf seinem Fischglas und auf die Schürze um seinen Torso. "Hab' ich doch!"

Megamind schlug die Hand gegen die Stirn. "Welcher Volltrottel würde sich denn davon narren lassen?!", wollte er gereizt wissen. "Ich habe dir doch eine Uhr gegeben. Benutze sie gefälligst."

Minion murmelte etwas Unverständliches, ehe er seine Uhr berührte und sich in einen unscheinbaren Mann mittleren Alters verwandelte.

Megamind nickte zustimmend und öffnete die Tür zur Vorhalle.

Zu seiner Erleichterung blickte Carlos kaum von seiner Zeitung auf, als sie zum Aufzug gingen und auch der Flur zu Roxannes Apartment lag still vor ihnen, ohne dass auch nur ein Nachbar aus seiner Tür herauslugte.

Megamind klingelte an ihrer Tür und atmete erleichtert auf, als diese nach kurzer Zeit geöffnet wurde. Ihr zu sagen, dass Abigail entdeckt wurde, war schwer genug und vermutlich hätte er allen Mut verloren, wenn er sie hätte suchen müssen.

Roxanne öffnete die Tür so weit wie es die Kette zuließ und sah ihn misstrauisch an.

Megamind?", fragte sie und als er nickte, zischelte sie: "Was machst du hier? Wurdest du nicht erst gestern wieder ins Gefängnis gebracht?"

Megamind drehte das Ziffernblatt seiner Uhr und das Hologramm verschwand. "Ich muss dir etwas sagen."

Roxanne seufzte resigniert, schloss die Tür und öffnete sie wieder, nachdem sie die Kette entfernt hatte. "Du kannst hier nicht bleiben", sagte sie, als er sich an ihr vorbei ins Zimmer drängte.

"Ich hätte warten müssen", murmelte er, während er rastlos im Zimmer auf und ab ging. "Zumindest bis wieder jemand Zeit gehabt hätte. Was sollen wir jetzt machen?"

"Sir, beruhigen Sie sich", meinte Minion und schloss die Tür hinter sich. "Es bringt nichts wie ein kopfloses Huhn herumzulaufen."

Megamind drehte sich wütend um, um ihn zurechtzuweisen, wurde jedoch davon abgehalten, als eine hohe Stimme "Daddy!" rief und sich zwei Arme um seinen Rumpf schlangen. Seine Augen wurden groß wie Teller und nach Minions Gesichtsausdruck zu schließen hatte dieser auch nicht damit gerechnet.

"Aber... wie...?", murmelte Megamind und sah Abigail, die ihr Gesicht in seinem Bauch vergrub, an wie eine Erscheinung.

"Wayne rief mich an, nachdem die Polizei ihn informiert hatte", erklärte Roxanne gelassen. "Weil er nicht wusste, wo er mit ihr hinsollte. Natürlich hatte er nicht gewollt, dass ich sie bei mir aufnehme, aber letztendlich ist ihm keine bessere Lösung eingefallen." Bei dem Wort "Lösung" machte sie mit ihren Fingern zwei Anführungszeichen in der Luft.

Megamind kniete sich nieder und drückte Abigail an sich. "Ein Glück, dass er deine Meinung so schätzt", murmelte er.

"Ich bin seine Vertraute, wie du sehr gut weißt. Warum sollte er also nicht auf meinen Rat eingehen." Roxanne zuckte mit den Schultern. "Und wirklich, wer würde jemals vermuten, dass ich ihre Mutter bin?"

"Ihr seht euch ähnlich", erwiderte er, löste sich von Abigail und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt. "Hätte sie Haare, könnte man es vermutlich deutlicher sehen."

Sein Blick fiel auf das übergroße T-Shirt, das sie trug und immer wieder zurecht zupfen musste. "Wir sollten dir wohl etwas zum Anziehen holen, kleiner Frosch."

"Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Sir", meinte Minion nachdenklich.

Megamind sah ihn stirnrunzelnd an. "Warum nicht? Sie braucht etwas zum Anziehen. Die Leute sollen nicht von mir sagen können, dass ich ein schlechter Vater sei."

Minion verdrehte die Augen. "Mag sein, dass das Ihren Stolz verletzt, Sir, aber wenn Miss Abigail urplötzlich andere Kleidung hat, obwohl Miss Ritchi keine Kinderkleidung im Haus haben kann, dann schöpfen die Leute Verdacht", erklärte er. "Wir müssen dafür sorgen, dass Miss Abigail bei Miss Ritchi bleibt. Ansonsten müssen wir uns jedes Mal erneut auf die Suche begeben, da sie nach jedem Kampf an einen anderen Ort gebracht würde."

Megamind sah hilflos zu Roxanne rüber, die ebenso hilflos seufzte. Abigail sah vom Einen zum Anderen, offenbar unsicher, was nun als Nächstes geschehen sollte.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er beide gepackt und wäre irgendwohin geflüchtet, wo sie niemand finden konnte. Aber das war nicht möglich, wenn er seiner Tochter ein besseres Leben ermöglichen wollte, als er es gehabt hatte.

"Also schön, hat irgendjemand einen Vorschlag?", fragte er schließlich resigniert seufzend.

"Ich könnte Metro Man fragen," meinte Roxanne und hob die Hand, um ihn vom Protestieren abzuhalten. "Hör mir erst zu, bevor du es verneinst. Metro Man weiß, dass Abigail kein Gepäck bei sich hatte und bei mir wird er natürlich keine Kinderkleidung vermuten. Also kann ich ihn entweder um Kleidung bitten oder ihm sagen, dass ich eine Verwandte um Kleidung bitten werde. Danach könnt ihr uns die Kleidung immer noch rüberbringen."

"Aber es kann ewig dauern ehe er wieder bei dir aufkreuzt!", protestierte Megamind. "Du kannst sie doch nicht bis dahin in diesem T-Shirt lassen!"

Sie verdrehte die Augen. "Darüber mach dir mal keine Sorgen, du hast mit deinem Ausbruch bereits dafür gesorgt, dass er im Laufe des Tages hier auftauchen wird. Er wird mich davor warnen wollen, dass du wieder auf freiem Fuß bist."

Seine Augen weiteten sich vor Schreck und er stand abrupt auf. "Minion, wir gehen!", sagte er und drückte Abigail noch einmal kurz an sich, ehe er die Hologrammuhr drehte und sich erneut verwandelte.

Minion öffnete die Tür, aber Megamind zog ihn zurück und knallte die Tür wieder zu. "Du minderbemitteltes Geschöpf der Wissenschaft!", schimpfte er. "Du hast vergessen, die Uhr zu aktivieren!"

Der Fisch sah an sich herunter. "Ups. Das muss ich vor lauter-lauter ganz vergessen haben."
 

Megamind und Minion hatten kaum die Wohnung verlassen, als Metro Man auf dem Balkon landete und gegen die Tür klopfte.

Roxanne seufzte. Heute war ihre Wohnung der reinste Bahnhof.

Während sie zur Tür hinüberging, um sie zu öffnen, versteckten sich Abigail und Smink im Schlafzimmer.

"Roxie, ich habe eine schlechte Nachricht", sagte Metro Man, kaum dass sie geöffnet hatte.

"Megamind ist ausgebrochen", meinte sie trocken, bevor er irgendetwas in dieser Richtung sagen konnte.

Er sie erstaunt und ein wenig erschrocken an. "Woher weißt du das?"

"Warum solltest du sonst jetzt hier auftauchen?", erwiderte sie und kreuzte die Finger hinter ihrem Rücken. "Außerdem ist es nunmal eine Tatsache, dass er nie besonders lange eingesperrt bleibt."

"Ah, ja", murmelte er verwirrt, ehe er hinzufügte: "Wir müssen dich irgendwohin bringen, wo er dich oder die Kleine nicht finden kann."

"Sei nicht albern, Wayne", schalt sie ihn. "Willst du das Kind wirklich einem ewigen Hinundher aussetzen? Denn Megamind wird sie vermutlich überall aufspüren."

Metro Man schüttelte resigniert den Kopf. "Ich glaube, du verstehst den Ernst der Lage nicht, Roxie. Er war furchtbar aufgebracht und hat ziemlich offene Morddrohungen ausgesprochen."

"Megamind hat mir noch nie ein Leid zugefügt", meinte Roxanne bestimmt. "Er wird mir auch dieses Mal nichts tun."

"Dein Optimismus in allen Ehren, Roxie, aber er scheint ja jetzt Abigails Mutter zu haben", gab er zu bedenken. "Seine Schwärmerei für dich wird dich vermutlich nicht mehr schützen."

Wenn er wüsste. Sie verdrehte die Augen.

"Na gut, nehmen wir mal an, dass Megamind von dir immer noch so angetan ist wie zuvor", sagte er. "Was ist dann mit der Mutter des Mädchens? Vielleicht wird sie etwas tun."

"Nun, sie schien sich ja sehr sicher zu sein, dass Megamind allein mit dem Kind fertig wird", erwiderte sie. "Solange er ihr gegenüber nicht erwähnt, dass sie verschwunden ist, wird sie wohl auch nichts unternehmen."

Metro Man seufzte resigniert. "Sieh mal, Roxie, ich will dir nur helfen."

"Das kannst du doch auch", meinte Roxanne. "Du könntest zum Beispiel ein paar Kleidungsstücke für Abigail auftreiben. Im Moment hat sie nur ein altes T-Shirt von mir an."

"Ich weiß doch gar nicht, was Mädchen heutzutage tragen!", protestierte er entsetzt. "Warum kannst du nicht...?"

Roxanne verdrehte die Augen. "Klar, ich finde am Sonntag Kleidung, wenn alle Geschäfte geschlossen haben." Dann seufzte sie. "Nun gut, vielleicht kann ich eine Bekannte finden, die mir aushilft."

"Roxie..."

"Wayne, ich will das arme Kind nicht den ganzen Tag in der Wohnung behalten, nur weil es keine Kleidung zum Anziehen hat", erklärte sie ernst. "Und an einem solchen Tag sollte man auch nicht daheim bleiben."

Metro Man schnaubte frustriert. "Schon gut, ich werde sehen, was sich machen lässt. Versprechen kann ich aber nichts, deshalb wäre es doch ganz gut, wenn du jemand anderen fändest."
 

Megamind hatte sich an sein Schreibpult gesetzt und gedankenverloren einen Stift wiederholt hochgeschubst, als das Handy klingelte. In seiner Eile abzuheben, fiel er von seinem Hocker herunter und landete mit dem Umhang über dem Kopf auf dem Boden.

"Soll ich abheben, Sir?", fragte Minion, der gerade vollbepackt mit Kisten an Megaminds Arbeitsbereich vorbeikam.

"Nicht nötig", grummelte Megamind und klappte das Handy auf. "Ollo?"

"Wie oft muss ich Ihnen eigentlich noch sagen, dass es 'Hallo' heißt?", seufzte Minion resigniert, wurde aber nicht weiter beachtet.

"Es ist Roxanne!", zischte Megamind Minion zu, der die Augen verdrehte.

"Oh toll, ich wäre niemals von selbst darauf gekommen", meinte der Fisch. "Ist ja nicht so, als wäre sie die Einzige, die uns anruft."

Megamind bedeutete ihm still zu sein. "Ist etwas passiert?", fragte er Roxanne besorgt. "Abigail geht es gut, oder?"

Minion kam näher und lehnte sich vor, um auch etwas von dem Gespräch mitzubekommen.

"Jaja, kein Problem", antwortete Roxanne. "Ich wollte dich nur bitten, ein paar von Abigails Kleidern vorbeizubringen."

"Hast es dir also anders überlegt?", fragte er grinsend und drehte sich um, sodass er gegen Minion knallte und ein genervtes Grunzen ausstieß.

"Ich habe Metro Man gesagt, dass ich jemanden aus meinem Bekanntenkreis um Kleidung bitten werde", erklärte sie ohne auf seinen Kommentar einzugehen. "Also wäre es ganz nett, wenn du etwas schicken würdest."

Minion lehnte jetzt an Megamind, um mehr von dem Gespräch mitzubekommen und wurde unwirsch zurückgedrückt und schließlich mit der De-Waffe bedroht. Er drückte sich gegen den Boden seines Fischglases und machte sich klein.

Megamind ging an ihm vorbei. "Und was brauchst du?", wollte er wissen. "Ich kann auch ein paar Spi-uelsachen vorbeibringen."

"Spülsachen?", wiederholte Roxanne verwirrt. "Was sind...? Oh, du meinst Spielsachen. Aber nur Unauffälliges, das nicht deine Signatur trägt. Am besten lässt du dir von Minion helfen, der hat da mehr Erfahrung."

Im Hintergrund ertönte ein Fernseher.

Megamind schnaubte verärgert. "Ich habe durchaus genug Erfahrung, um Spiuelsachen auszusuchen! Dafür brauche ich seine Hilfe nicht!"

Statt einer Antwort bekam er einen leisen Fluch zu hören.

"Deswegen musst du mich noch lange nicht als Borstentier bezeichnen!", rief er erbost.

"Na klasse", hörte er Roxanne sagen, aber ihre Stimme klang entfernt, als hätte sie das Telefon nicht mehr am Ohr.

"Äh, hallo?", fragte er verwirrt. "Was ist denn los?"

Nach ein paar Augenblicken, in denen er seine Frage zweimal wiederholte, antwortete sie endlich wieder. "Megamind, ich glaube, wir haben ein Problem", meinte sie mit toternster Stimme.

"Ich finde, wir haben schon alle Probleme durch", erwiderte er trocken.

Roxanne seufzte resigniert. "Ich befürchte, ein Problem hatten wir noch nicht: Die Medien haben von Abigails Existenz erfahren."
 

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In diesem Kapitel gibt es ein paar Referenzen zum Film, also wer sich ein wenig mit dem Film auskennt, wird sie leicht entdecken können.

@ SainzDeRouse: Die Kapitel werden wohl regelmäßig hochgeladen werden, weil ich die Geschichte bereits bis Kapitel fünf fertig auf dem Computer habe.

Und zu Megamind-Geschichten kann ich wie immer nur aufs englische Fandom verweisen. Die sind da etwas fleißiger.

Kleidung und ernste Gespräche

Der Tumult, der in Metro City ausbrach, war erstaunlich, selbst wenn man eine heftige Reaktion erwartet hatte. Abigails Existenz schien die Leute aufzuwühlen, obwohl sie noch nicht einmal wussten, wie sie aussah.

Manche hatten Mitleid mit ihr, während andere der Meinung waren, dass dies nur der erste Schritt zur Weltherrschaft Megaminds war, aber eines hatten beide Gruppen gemeinsam: Der Frage, woher das Kind gekommen war.

Allgemein wurde davon ausgegangen, dass das Kind entweder ein Klon war oder das Resultat einer Vergewaltigung oder Gehirnwäsche sein musste. Auch eine Leihmutter schien in Betracht gezogen worden zu sein, aber die Möglichkeit, dass Abigails Mutter Megamind vielleicht einfach nur liebte, wurde nur von einer sehr kleinen Gruppe vertreten, die von den anderen schnell stummgeschrien wurde. Schließlich wäre die Mutter schon längst aufgetaucht, wenn sie freiwillig mitgemacht hätte und hätte das Kind nicht ganz allein dem Vater überlassen.

Diese Behauptung ärgerte Roxanne ein bisschen, schließlich war es nicht ihre oder Megaminds Entscheidung gewesen, das Kind bei ihm wohnen zu lassen, allein die Angst davor, wie die Außenwelt auf Abigail reagierte, hatte sie dazu gebracht, sie im Geheimen großzuziehen.

Roxanne fragte sich auch verärgert, wer von den Menschen, die neu von Abigail erfahren hatten, es der Presse weitererzählt hatte. Dafür kamen ihres Wissens nach nur zwei Parteien in Frage: Metro Man und die Polizei. Sie war sich allerdings fast sicher, dass es nicht der Superheld gewesen war, der es weitererzählt hatte, sonst hätte er sie nicht in aller Verschwiegenheit angerufen, was nur einen oder mehrere Beamte der Polizei übrig ließ, vor allem da die Medien auch irgendwie herausgefunden hatten, dass Abigail bei ihr war.

Mittlerweile belagerten Journalisten ihr Wohnhaus und ließen ihre Hoffnung dahinschwinden, für diesen Tag noch Kleidung für Abigail zu bekommen. In Verkleidung ließe Carlos Megamind und Minion niemals durch, da er sie nicht erkennen könnte und in ihrer wahren Gestalt würden sie gleich verhaftet.

Roxanne zog wütend die Vorhänge zu, als ein Helikopter an ihren Fenstern vorbeiflog.

"Wie die Aasgeier", kommentierte Smink das Verhalten der Leute. "Denen sollte man mal die Federn rupfen."

Roxanne lächelte müde und ging zu Abigail hinüber, die zusammengerollt auf dem Sofa lag.

"Mir ist langweilig", seufzte das Mädchen, als sie sich neben es setzte. Um das Sofa herum lagen zahlreiche Zeitschriften, Zeitungen und Bücher verstreut, alle bereits ausgelesen.

"Wir können erst raus, wenn du etwas zum Anziehen hast", erwiderte Roxanne und strich ihr über den Kopf.

Abigail zog die Nase kraus. "Bei den ganzen Verrückten dort draußen können wir sowieso nicht weg", meinte sie säuerlich. "Gibt es so wenig Kinder in Metrocity?"

Roxanne musste schmunzeln. Offenbar waren Megaminds Versprecher schon auf seine Tochter übergegangen. "Warum fragst du das?"

"Na, weil sie alle hierher kommen, um mich anzustarren. Als wäre ich ein Hex-po-rat."

"Exponat", korrigierte Smink geistesabwesend und starrte weiter aus dem Fenster.

"Nun, es ist wohl eher so, dass es niemand für möglich gehalten hat, dass dein Vater ein Kind haben könnte", erklärte Roxanne. "Somit bist du etwas Besonderes."

Abigail seufzte abermals, stand auf und zog Smink vom Fenster weg. "Hoffentlich kommt Daddy bald."

"Ich könnte vielleicht an der Fassade hinunterklettern", überlegte er und kletterte in eine angenehmere Position. "Man würde mich bestimmt nicht bemerken."

Roxanne schüttelte entschieden den Kopf. "Wir sind viel zu hoch. Wenn du fällst, bist du platt wie ein Pfannkuchen."

"Aber irgendjemand muss Sir kontaktieren", gab er zu bedenken. "Und die Telefonleitung wird mittlerweile wahrscheinlich abgehört. Wenn Sie nochmal versuchen ihn anzurufen, könnten diese Leute unter Umständen mehr herausfinden als uns lieb ist."

Als es an der Tür klingelte, zuckten alle drei erschrocken zusammen.

"Wer ist das jetzt wieder?", fragte Roxanne genervt. Sie wünschte sich ernsthaft, dass diese Leute einfach verschwänden.

Sie sah durch den Türspion und gab einen erstaunten Laut von sich, als sie niemanden sehen konnte. Misstrauisch schob sie die Kette vor und öffnete die Tür einen Spalt breit.

"Bowg!" Roxanne machte einen erschrockenen Satz in die Höhe, als ein Stielauge sich durch die Tür zwängte. "Bowg-bowg!"

"Wie bist du denn hierher gekommen?", fragte Roxanne verwundert.

Sie löste die Kette und ließ den Brainbot und seine zwei Gefährten in die Wohnung. Jeder von ihnen trug eine Reisetasche in ihren Greifern.

Die Brainbots sahen sich neugierig in der Wohnung um und kommentierten ihre Umgebung lautstark. Megamind hatte ihnen vor Jahren bereits verboten, in ihre Wohnung zu kommen, da sie einmal zu oft die Einrichtung zerstört hatten.

Roxanne entschied, dass es vermutlich besser war, die Brainbots gleich wieder wegzuschicken, damit sie auf keine dummen Ideen kommen konnten.

"Ist das Abigails Kleidung?", fragte sie den ersten Bot, der einen fürchterlichen Überbiss ähnlich dem Minions und einen stachelbesetzten Mohawk hatte.

Der Brainbot machte zustimmend "Bowg!" und streckte ihr die Tasche hin. Die anderen beiden folgten seinem Beispiel.

"Nun, das löst zumindest eines unserer Probleme", meinte sie und nahm die Taschen entgegen. "Sagt Megamind danke von mir."

Die Brainbots "bellten" ihre Zustimmung und schwebten zur Tür zurück, deren Klinke sie hinunterdrückten. Roxanne sah noch, wie die Brainbots durch ein kleines Fenster am anderen Ende des Flurs verschwanden, ehe sie wieder die Tür schloss.

Smink hatte wieder seinen Platz am Fenster eingenommen. "Sieht so aus, als käme uns die Polizei zu Hilfe", meinte er. "Zumindest kommen da ein paar ihrer Autos."

Roxanne ging zu ihm hinüber und lugte durch die Vorhänge. "Was die wohl wollen?", fragte sie besorgt. "Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass sie uns helfen wollten."

Das Polizeiauto verschwand aus ihrer Sicht und wenige Minuten später klingelte es abermals an ihrer Tür.

"Wir müssen die Sachen verstecken", flüsterte Roxanne und schleifte eine Reisetasche nach der anderen in ihr Arbeitszimmer.

Ein zweites ungeduldigeres Klingeln ertönte und Roxanne rief "Komme schon!", ehe sie die Arbeitszimmertür hinter sich abschloss und zur Wohnungstür eilte.

Vor ihrer Tür standen zwei Polizisten, ein Mann von vielleicht sechzig Jahren und eine Frau, die in ihren Dreißigern sein musste.

"Miss Ritchi, nehme ich an", meinte die Frau und als Roxanne nickte, zeigte sie ihren Polizeiausweis hervor. "Rebecca Jones von der Metro City Police. Ich habe eine Mitteilung in Bezug auf das Kind." Durch den Türspalt warf sie Abigail einen Blick zu, die sich prompt hinter dem Sofa versteckte. "Könnten wir reinkommen?"

Roxanne blinzelte verwirrt, ehe sie die Kette entfernte. "Ah, ja, natürlich."

Die beiden Beamten traten ein und sie schloss die Tür hinter ihnen.

"Es tut mir leid, wenn es hier etwas unaufgeräumt ist", meinte sie entschuldigend. "Ich hatte keinen Besuch erwartet."

"Das macht nichts", erwiderte Officer Jones und setzte sich aufs Sofa. "Wir bleiben nicht lange."

Roxanne nickte und nahm auf dem anderen Sofa Platz. "Nun gut. Was wollen Sie von mir?"

"Wir müssen Ihnen mitteilen, dass Megamind ausgebrochen ist", erklärte Rebecca Jones.

"Ja, das weiß ich."

Die Polizistin sah sie misstrauisch an. "Woher?"

"Metro Man hat es mir gesagt", erklärte Roxanne schulterzuckend.

"Natürlich." Officer Jones nickte. "Dann verstehen Sie auch sicher, dass wir unter diesen Umständen - und aufgrund der Tatsache, dass sie von Journalisten belagert werden - gezwungen sind, eine neue Bleibe für das Kind zu finden."

Roxanne sah sie erschrocken an, während sich Abigail hinter ihrem Rücken versteckte. "Warum das?", wollte Erstere wissen. "Sie konnten doch niemanden finden, der sie bei sich aufnimmt, Niemand will dieses Risiko eingehen."

Die Polizistin seufzte. "Es ist nunmal von äußerster Wichtigkeit, dass das Kind von seinem Vater ferngehalten wird. Aber das ist bei Ihnen leider nicht gegeben."

"Und wer soll sich um sie kümmern?", hielt Roxanne dagegen. "Gestern wurde mir gesagt, dass sich das Jugendamt geweigert hat sie aufzunehmen. Wollen Sie Abigail wie Ihren Vater ins Gefängnis stecken?"

Der ältere Polizist zuckte zusammen, als sie das sagte. Vielleicht hatte er ja mal mit Megamind zu tun gehabt?

"Natürlich werden wir sie nicht ins Gefängnis stecken, Miss Ritchi, machen Sie sich da keine Sorgen", versuchte Officer Jones sie zu beruhigen. "Dr. Emmanuel Striker hat sich bereit erklärt, das Mädchen bei sich aufzunehmen. Er weiß sich gegen Megamind zu wehren."

In Roxannes Kopf begannen alle Alarmglocken zu schrillen. Sie hatte schon einmal von Dr. Striker gehört und Megamind hatte damals kein gutes Haar an ihm gelassen. Er war ein zurückgezogen lebender Wissenschaftler und - wenn sie Megamind glauben konnte - seit Jahren an dem Außerirdischen interessiert. Eigentlich war er eher unbekannt, sodass sie erst durch den Superschurken von ihm erfahren hatte. Und was er erzählt hatte, klang nicht sehr vertrauenerweckend.

"Lebt dieser Mann nicht ziemlich isoliert?", fragte sie schließlich mechanisch. "Hat er denn überhaupt Ahnung von Kindern?"

"Das weiß ich leider nicht", gab Officer Jones schulterzuckend zu. Wenigstens hatte sie den Anstand verlegen dreinzuschauen. "Aber er ist der Einzige, der sich dazu bereit erklärt hat, das Kind aufzunehmen."

"Ich bin auch noch da", meinte Roxanne wütend.

"Aber Miss Ritchi, Sie haben sich doch noch nie um ein Kind gekümmert!", protestierte die Polizistin.

"Ach? Und warum wird dann Dr. Striker in Betracht gezogen, wenn es darum geht?", wollte Roxanne bissig wissen. "Soweit ich weiß, ist er kinderlos und ein Eigenbrödler obendrein."

"Sie kennen ihn?"

"Ich habe mal von ihm gehört", erwiderte sie. "Und ich glaube nicht, dass er besser für Abigail sorgen wird als ich."

"Sie müssen bedenken, dass Abigail hier den Journalisten ausgesetzt ist", versuchte Officer Jones zu argumentieren. "Man muss an das Wohl des Kindes denken."

"Die Journalisten werden sie überall finden und bei Dr. Striker wäre sie noch dazu vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten", widersprach Roxanne wütend. "Wie soll sie da lernen, sich der Gesellschaft anzupassen? Und wie soll das gut für das Kind sein?"

Officer Jones öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann öffnete sie ihn erneut und sagte: "Miss Ritchi, Sie müssen bedenken, dass Abigail-"

"Nein, ich glaube nicht, dass ich irgendetwas bedenken muss, Officer", unterbrach Roxanne sie. "Sie wollen sie abschieben, damit sie von ihrem Vater getrennt ist. Aber zu wessen Wohl ist das eigentlich? Sicherlich nicht zu Abigails, denn dann wäre nicht alle Welt darauf erpicht, sie zu verstecken. So ein schlimmer Vater kann Megamind gar nicht sein, wenn sie unbedingt zu ihm zurück will."

Ihr Gegenüber runzelte die Stirn. "Sie ergreifen also Megaminds Partei? Haben Sie vielleicht vergessen, wie oft dieser Mann Sie schon entführt hat?"

"Ich ergreife nicht für ihn sondern für Abigail Partei", erklärte Roxanne bestimmt. "Schließlich versucht jeder, durch sie an ihren Vater heranzukommen und sieht in ihr nur einen geschrumpften Megamind. Und dieses ganze Aktion tut nichts anderes als dem Kind um des Vaters willen zu schaden. Mal abgesehen davon, dass gestern nur Metro Man und ein paar Polizisten von ihr wussten und heute die ganze Stadt über sie redet. Wer hat es den Medien weitergesagt?"

Officer Jones' Mund hatte sich zu einer dünnen Linie verzogen, allerdings sah sie eher unbehaglich als wütend aus. "Wir suchen bereits nach demjenigen, der diese internen Geheimnisse preisgegeben hat." Sie stand seufzend von der Couch auf, gefolgt von ihrem Begleiter. "Ich werde sehen, ob ich etwas tun kann, damit Abigail weiterhin hier bleiben kann. Metro Man scheint schließlich genug Vertrauen in Sie gehabt zu haben, wenn er Sie mit der Kleinen weggehen ließ."

Roxanne lächelte. "Das freut mich. Es wäre wirklich schade wenn sie wegen ihres Vaters leiden müsste."

Die Polizistin nickte und sie und ihr Partner verließen die Wohnung.

Nachdem die beiden Polizisten gegangen waren, lehnte sich Roxanne gegen die Tür und atmete erleichtert auf. "Eins zu null für uns, wie es scheint."

"Eigentlich ja zwei zu null", meinte Smink und versuchte sich unter der Couch hervorzuquetschen, unter die ihn Abigail gesteckt hatte. "Wirklich, Miss Abigail, man zwängt seinen Minion nicht unter Gegenstände, auf die sich Leute setzen. Dieser blöde Polizist hat mir ständig mit seinem Fuß gegen die Nase geschlagen. Wie soll ich Sie da beschützen?"

"Ist vermutlich besser so", kommentierte Roxanne. "Du hättest die beiden wahrscheinlich angegriffen und so die Situation verkompliziert."

"Tse!" Das Wiesel rümpfte beleidigt die Nase. "Das ist also der Dank dafür, dass man sein Bestes gibt."

"Vielleicht könntest du dein Bestes etwas weniger gewalttätig geben", erwiderte sie und zog die Taschen wieder aus ihrem Arbeitszimmer heraus.

In der Ersten - und Schwersten - befanden sich Bücher und haufenweise kleiner blauer Würfel, bei denen sie vermutete, dass es sich um dehydriertes Spielzeug handelte. Und nach der Menge der Würfel zu schließen, schenkte Megamind seiner Tochter sogar noch mehr Spielzeug als sie befürchtet hatte.

In der zweiten Tasche fanden sich Straßenkleidung und ein kleiner Toilettenbeutel. Wo Megamind einen Toilettenbeutel herhatte, wunderte Roxanne, hatte er sich doch nie die Mühe gemacht, einen mitzunehmen, wenn er vorbeikam. Aber vielleicht setzte er bei seiner Tochter höhere Standards.

Die letzte Tasche enthielt Unterwäsche, Strümpfe und ein paar Handtücher in Abigails Lieblingsfarbe Orange. An das oberste Tuch war ein Post-It-Sticker geklebt mit den Worten "Diese mag sie am liebsten!" und einem Smileygesicht darunter.

Roxanne seufzte frustriert, als sie an die Einräumaktion dachte, auf die sie keine Lust hatte. Vor allem die Spielsachen mussten rehydriert und weggeräumt werden, wenn sie keinen Verdacht erregen wollten.

"Man könnte glatt meinen, du wärest umgezogen", meinte sie zu Abigail, die sich neben die erste Tasche gestellt hatte. "Ich hoffe nur, keiner dieser Würfel beinhaltet dein Bett."

Abigails Bett war breit genug, dass zwei Menschen eng aneinandergekuschelt darin Platz haben konnten und mit einem großen Baldachin verhangen. Logischerweise passte es auch nicht in Roxannes Schlafzimmer.

"Ich glaube nicht, dass Minion Daddy das erlaubt hätte", erwiderte Abigail ernst.

"Na, wenigstens einer, der noch etwas Verstand hat", murmelte Roxanne, während sie die Würfel zählte und auf dem Boden ablegte. Sie kam auf fünfundzwanzig Würfel, alle unbeschriftet. Somit konnte sie auch nicht einfach Abigails Lieblingsspielzeug rehydrieren und den Rest in einem Einmachglas verstauen.

Abermals seufzte sie. Sie konnte nur hoffen, dass sie genug Platz in ihrer Wohnung hatte.
 

Metro Mans Befürchtung, dass Megamind gleich nach seinem Ausbruch Roxanne zu entführen versuchte und dabei seine Tochter bei ihr fand, bewahrheitete sich nicht, aber dass der Superschurke sich bisher noch gar nicht gemeldet hatte, war auch kein Grund zur Beruhigung. Schließlich bedeuteten mehrere Tage ohne einen seiner Coups, dass er etwas viel Größeres plante. Und vielleicht plante er dieses Mal sogar voraus, was er mit dem armen Teufel machte, bei dem sein Kind untergekommen war. Also Roxanne. Und egal was sie sagte, Metro Man glaubte nicht, dass sie jetzt noch sicher war, wenn Megamind schon eine Frau gefunden hatte, die er offenbar lieb genug hatte, um ihren Namen auf keinen Fall weitersagen zu wollen.

Jahrelang hatte der Superheld in der Gewissheit gelebt, dass Roxanne nichts geschah, weil der blaue Außerirdische in sie verliebt war. Und manchmal wenn er früher ankam, glaubte er sogar, die beiden miteinander flirten zu hören.

Vielleicht war das der Grund, warum Roxanne sich so sicher war, dass Megamind ihr nichts tun würde, selbst jetzt noch. Und irgendwie hoffte auch Metro Man darauf, dass sein Gegner seine Pläne wie üblich ausführen würde, auch wenn ihm das ewig gleiche Hinundher auf den Keks ging.

Der Sonntag blieb ruhig, sah man mal von den Reportern ab, die Roxannes Wohnhaus belagerten und ihr überallhin nachliefen, wenn sie mit dem Kind das Haus verließ. Erst das beherzte Eingreifen eines Bürgers brachte die Reporter dazu, das Feld zu räumen.

Der Montag begann damit, dass Roxanne ihn früh morgens anrief, als er noch halb schlief und ihn nach einem Babysitter für Abigail fragte, wovon er natürlich keine Ahnung hatte.

Gegen Mittag sah er die Kleine dann hinter Roxanne herrennen, wobei sie sich allerdings größte Mühe zu geben schien, aus dem Blickfeld der Kamera zu bleiben.

Auch heute fehlte von Megamind jede Spur, obwohl seine Tochter frei auf der Straße herumlief. Dafür sah Metro Man den Mann von gestern Nachmittag wieder, der Roxanne geholfen hatte, die Reporter zu vertreiben. Er saß zusammen mit Roxanne und Abigail in einem Café in der Nähe des Rathauses und hielt die Hände der Frau in einer sehr innigen Geste fest.

Da die Wahrscheinlichkeit für einen Angriff sank, je später am Tag es wurde, beschloss Metro Man sich den Dreien anzuschließen. Megamind war immer schon eine Morgenperson gewesen und führte seine Pläne am liebsten dann aus, wenn die Leute entweder noch schliefen oder auf dem Weg zur Arbeit waren.

Metro Man ließ sich zu Boden sinken und ging auf das Café zu. Kaum hatte er es betreten, liefen die jungen Frauen kreischend auf ihn zu. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Megaminds Tochter sich bei seinem Anblick unter dem Tisch versteckte und der fremde Mann den Kopf wandte und Roxannes Hände losließ.

Der Superheld wimmelte seine Bewunderer ab und trat an Roxannes Tisch. "Hey, Roxie", grüßte er fröhlich. "Ich habe dich von draußen gesehen und dachte, ich schau mal rein."

"Ihr Name ist Roxanne", knurrte der Mann, der bei ihr am Tisch saß und zog Abigail unter dem Tisch hervor. "Nicht Roxie."

"Und Sie sind?", fragte Metro Man freundlich, den feindseligen Ton seines Gegenübers ignorierend.

"Das ist Andrew", erklärte Roxanne. Ihr Gesicht sah ein wenig gerötet aus. "Er ist ein alter Freund von mir."

"Komisch, ich habe ihn noch nie gesehen", meinte er und streckte die Hand zum Gruß aus. "Freut mich, Sie kennen zu lernen, Mr. ...?"

"Ah, oh, äh, Hopkins ist der Name", stotterte Roxannes Bekannter und schüttelte die ihm dargeboten Hand kurz und ließ sie gleich wieder los, als hätte er sich verbrannt.

"Andrew ist ziemlich ... introvertiert", erwiderte Roxanne. "Er ist nicht gern unter Menschen." Sie rutschte zur Seite, um Metro Man Platz zu machen.

Er setzte sich neben sie und wurde von Andrew mit Blicken durchbohrt.

"Also, wie ist es heute gelaufen?", fragte der Superheld. "Sind noch mehr Reporter aufgetaucht?"

"Andrew hat sie im Zaum gehalten", sagte sie und lächelte den Mann liebevoll an. "Und nachdem ich mich selbst dazu geäußert habe, hat sich die Aufregung fürs Erste etwas gelegt."

"Das ist gut", meinte Metro Man. "Dann werdet ihr wenigstens ein wenig in Ruhe gelassen."

"Ich hoffe, dass sich die Wogen bald glätten werden, damit ich Abigail zur Schule schicken kann", fuhr Roxanne fort und erntete von beiden Männern ein erschrockenes "Was?!".

"Das kannst du ihr nicht antun, Roxanne!", protestierte Andrew entsetzt und drückte das Mädchen an sich. "Du hast doch gehört, wie es mi-, Megamind dort ergangen ist!"

"Ich kann sie aber nicht unterrichten", widersprach sie. "Und ich glaube nicht, dass ein Privatlehrer so eine gute Idee für sie wäre."

"Megaminds Karriere begann in der Grundschule", wandte Metro Man ein.

"Es wäre wohl nicht so weit gekommen, wenn man ihn akzeptiert hätte", konterte Andrew. Seine Augen blitzten gefährlich. "Aber da niemand dazu bereit war, hatte er keine andere Wahl."

"Man hat immer eine Wahl", widersprach der Superheld. "Man muss es nur versuchen."

"Nur leider wurden solche Versuche im Keim erstickt", hielt Andrew dagegen. "Ich kann mich auch nicht erinnern, dass Sie Megamind jemals dazu ermutigt hätten, etwas anderes aus seinem Leben zu machen."

"Andrew!", wies Roxanne ihren Freund zurecht, während Metro Man ihn nur entgeistert anstarrte. "Jetzt gehst du wirklich zu weit."

Andrew schloss die Augen. "Es tut mir leid", sagte er. "Vielleicht ist es besser, wenn ich mich entferne."

Abigail klammerte sich an seinen Arm und sagte in trotzigem Ton: "Nein!"

"Also das verwirrt mich", meinte Metro Man und deutete auf das Mädchen. "Alle anderen lässt sie in ihre Nähe, nur ich werde immer zurückgewiesen."

"Vielleicht geht es ihr bei Ihnen wie andere Menschen mit Megamind", mutmaßte Andrew abweisend. "Sie findet Sie wohl nicht besonders vertrauenerweckend."

Bevor Metro Man etwas darauf erwidern konnte, meinte Roxanne: "Andrew, warum gehst du nicht mit Abigail irgendwohin spielen? In deiner Gegenwart wird sie vor Reportern sicher sein."

Der Mann nickte ergeben und stand auf, gefolgt von Abigail und ihrem Wiesel.

Kaum waren sie außer Sichtweite, beugte Metro Man sich zu Roxanne rüber und meinte: "Bilde ich es mir nur ein oder ist er eifersüchtig auf mich?"
 

Andrew ging mit Abigail an der Hand in einen abgelegeneren Teil des Parks, an dem man keinen so guten Blick auf sie haben konnte.

Kaum war er sich sicher, dass niemand mehr in der Nähe war, ließ er ihre Hand los und berührte wie beiläufig seine Armbanduhr. Ein blaues Licht umgab ihn, dann stand Megamind in voller Superschurkenmontur neben seiner Tochter.

"Andrew", sagte er gedehnt und verzog angewidert das Gesicht. "Ein Glück für dich, dass du kein Junge bist. Deine Mutter ist zwar die intelligenteste Person, die ich kenne, aber sie kommt auf die unmöglichsten Namen."

Abigail beobachtete ihn dabei, wie er seinen Kragen richtete und aufmerksam die Gegend nach möglichen Spionen absuchte.

"Daddy?", fragte sie schließlich.

"Hm?"

"Wer ist Dr. Striker?"

Kaum hatte er den Namen vernommen, wirbelte Megamind herum, sodass Abigail erschrocken einen Schritt zurückging und Smink an sich drückte.

"Woher kennst du diesen Namen?", wollte er besorgt und aufgebracht wissen.

Abigail machte sich klein. "Officer Jones hat gestern gemeint, dass dieser Mann mich aufnehmen will. Aber Mommy wollte nichts davon hören."

Megamind biss frustriert die Zähne aufeinander. War ja klar, dass dieser Mensch früher oder später versuchte, an seine Tochter heranzukommen.

Der Superschurke hielt Abigail an den Schultern fest, sodass sie ihn ansehen musste. "Wenn jemals ein Mann mit diesem Namen bei euch auftaucht, musst du dich verstecken, ist das klar?", sagte er ernst.

"Und was wenn er sich nicht mit seinem Namen vorstellt?", fragte Smink skeptisch. "Ich kann schließlich nicht jeden Menschen beißen, den ich verdächtig finde."

Megamind ging nicht darauf ein. "Wie sagtest du war der Name des Polizisten? Jones? Frau oder Mann?"

"Es war eine Frau", meinte Abigail. "So eine mit ganz strengem Gesichtsausdruck und zurückgekämmten Haar."

"Das hätte ich mir ja denken können", knurrte er. "Diese Frau ist auf mein Blut aus, wie es scheint."

"Ist sie ein Vampir?" Seine Tochter sah ihn verwirrt an. "Aber es war doch noch Tag draußen!"

Megamind lachte. "Nein, das bedeutet nur, dass sie alles tut, um mir zu schaden."

"Das ist aber nicht nett." Sie zog die Nase kraus.

"Nein, das ist es wirklich nicht", stimmte er ihr zu. "Und ich weiß auch gar nicht, was ihr Problem mit mir ist, schließlich kommt sie nicht aus Metrocity. Vielleicht erhofft sie sich dadurch eine Beförderung."

Er seufzte schwer und drehte das Zifferblatt seiner Uhr, ehe er die Hand nach Abigail ausstreckte. "Keine Sorge, du musst dich mit diesem Problem nicht befassen. Wir suchen uns jetzt einen ruhigen Spielplatz, dann kannst du schaukeln gehen."
 

Metro Man sah zur Tür und meinte nachdenklich: "Die beiden sind immer noch nicht zurück. Soll ich sie suchen gehen?"

Roxanne schüttelte bestimmt den Kopf. Das fehlte noch, dass er Megamind bei Abigail sah. "Andrew hat die Situation schon im Griff. Er wird nicht zulassen, dass Abigail etwas passiert."

"Ich glaube nicht, dass er gegen einen rachelüsternen Megamind eine Chance hätte", erwiderte er. "Er sucht das Mädchen, Roxanne. Und wahrscheinlich wird er nicht eher ruhen, bis er es wiederhat."

Sie schnaubte. "Wenn er bis jetzt noch nicht aufgetaucht ist, wird er auch weiterhin nichts unternehmen", sagte sie. "Mittlerweile müsste ganz Metro City erfahren haben, dass sie bei mir ist. Und ich lasse sie nicht in der Obhut eines Mannes wie Dr. Striker", fügte sie grimmig hinzu.

"Dr. Striker ist ein netter Mensch", erklärte er. "Und Megamind meidet ihn wie der Teufel das Weihwasser. Abigail wäre bei ihm sicher."

"Vor wem?", konterte Roxanne. "Vor ihrem Vater, der ihr nie etwas getan hat? Und der Grund, warum Megamind nicht in seine Nähe kommt, könnte auch der sein, dass er Angst davor hat, auf einem Seziertisch zu enden."

"Nicht jeder Wissenschaftler will Außerirdische und ihre Nachkommen in ihre Einzelteile zerlegen", widersprach Metro Man.

"Gut, vielleicht nicht, aber trotzdem wüsste ich gerne, warum du der Meinung bist, dass sie dort gut aufgehoben wäre." Sie schüttelte den Kopf. "Sie wäre vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Wie soll sie da lernen, sich anzupassen?" Sie winkte einen Kellner heran und bedeutete ihn, dass sie zahlen wollte. "Ich glaube, ich gehe jetzt besser wieder. Mein Chef hat mir zwar eine verlängerte Pause zugesagt, solange ich niemanden habe, der auf Abigail aufpassen kann, aber ich sollte meine Privilegien nicht überstrapazieren."

Der Kellner brachte die Rechnung und wurde bezahlt.

"Bist du mir jetzt böse, Roxie?", fragte Metro Man unsicher. "Ich dachte nur, dass das Kind in deinem Beruf eher ein Hindernis ist."

"Megaminds Entführungen sind auch Hindernisse, aber ich kann mich nicht erinnern, dass du deswegen jemals etwas gesagt hättest", meinte Roxanne gelassen. "Und es hat meiner Karriere letztendlich keinen Abbruch getan."

Er seufzte. "Ich verstehe dich einfach nicht."

"Ich will nicht, dass Abigail so endet wie ihr Vater", sagte sie und schlang ihre Handtasche über die Schulter. "Aber wenn man ihr das Gefühl gibt, dass sie Schuld an ihrer Situation hat, wird sie seinen Weg einschlagen, egal wie streng man sie zu erziehen versucht."

Metro Man sah schuldbewusst drein, war er doch teilweise verantwortlich für Megaminds Lebenslauf als Superschurke. Auch wenn Megamind sich nicht mehr viel daraus zu machen schien, selbst wenn er ihn immer noch zu Kämpfen herausforderte.

Und Roxanne wusste, dass beide Männer eine gewisse Bewunderung für die Fähigkeiten des jeweils anderen hatten.

Sie klopfte Metro Man zum Abschied aufmunternd auf die Schulter. "Mach dir keine Sorgen, mir passiert schon nichts." Zumindest nicht von Megaminds Seite des Konflikts. "Bis dann."

"Wiedersehen", murmelte der Superheld missmutig.
 

Wie sich herausstellte, waren Megamind und Abigail bereits zurück bei dem KMCP 8-Wagen, als Roxanne zurückkehrte. Hal hielt sich im Hintergrund und beäugte die beiden misstrauisch, wobei er zusammenzuckte, wann immer Abigail sich zu ihm umdrehte, was das Mädchen natürlich für ein unwiderstehliches Spiel hielt.

"Na, da kann ich ja lange warten, wenn ihr gar nicht erst zum Café zurückkommt", scherzte Roxanne und verstaute ihre Handtasche im Wagen.

Abigail unterbrach ihr einseitiges Spiel. "Es tut mir leid, Mo-miss", sagte sie, den Drang unterdrückend sie "Mommy" zu nennen. "Da-, Andrew hat gemeint, wir sollten lieber hierhin gehen, weil du noch arbeiten musst."

Roxanne sah zu Megamind rüber, der ein paar Leute auf der anderen Straßenseite mit einem wütenden Blick fixierte. "Ist das so?", fragte sie. "Metro Man hatte schon die Befürchtung, dass Megamind dich mitgenommen hätte."

"Megamind würde sie sicherlich nicht in einem Park vermuten", meldete sich "Andrew" zu Wort. "Er sucht vermutlich an anderer Stelle."

"Wenn Metro Man endlich mal wirklich was gegen Megamind unternehmen würde, würde es dieses Problem nicht geben", meinte Hal.

"Und was glauben Sie kann man gegen ihn unternehmen, Mr. Stewart?", wollte "Andrew" wissen. "Er ist schließlich ein Superschurke. Die lassen sich nicht so leicht gefangen halten wie gewöhnliche Verbrecher."

"Metro Man sollte einfach kurzen Prozess mit ihm machen", erklärte Hal, woraufhin Megamind ihn finster anblickte, Abigail sich an ihren Vater klammerte und Roxanne zusammenzuckte.

"Metro Man ist kein Mörder", sagte Letztere. "Und als Superheld muss er sich an Regeln halten."

Hal murmelte etwas Unverständliches, offenbar beleidigt darüber, von ihr in die Schranken gewiesen worden zu sein.

Roxanne wandte sich "Andrew" und Abigail zu. "Danke, dass du auf sie aufgepasst hast. Ich kann sie jetzt wieder übernehmen."

Er nickte, ließ Abigail aber nur zögerlich los. "Es war mir eine Freude", sagte er in melancholischem Ton, ehe er sich zum Gehen umwandte.

"Mal ehrlich, wenn er das Ding so gerne hat, warum lässt er dich die ganze Arbeit machen?", wollte Hal missmutig wissen.

"Das reicht, Hal", wies Roxanne ihn zurecht. "Du redest dich noch um Kopf und Kragen."
 

Das Apartment war dunkel und Abigail und Smink lagen im Bett, die eine schon fest eingeschlafen, während der andere immer wieder die Augen aufschlug und misstrauisch die Badezimmertür beobachtete, durch die Megamind und Roxanne verschwunden waren. Durch die Tür drang das Rauschen von Wasser und das nun schon eine halbe Stunde lang.

"Wie lange kann man eigentlich unter der Dusche stehen?", fragte er misstrauisch, als die beiden endlich aus dem Badezimmer kamen. "Sie waren doppelt so lange duschen wie Abigail."

Megamind warf einen Blick auf seine schlafende Tochter. Er wusste, dass sie es nicht gerne hatte, wenn er ihren Minion anfuhr, deshalb sagte er im neutralsten Ton, den er aufbringen konnte: "Vielleicht müssen Erwachsene einfach länger duschen als Kinder."

Smink sah nicht überzeugt aus. "Was Sie miteinander machen, geht mich nichts an. Ich will nur nicht, dass Abigail etwas mitbekommt, das nichts für sie ist."

"Das wollen wir alle nicht", meinte Megamind.

Roxanne hingegen verdrehte die Augen. "Selbst wenn sie uns entdecken sollte, dächte sie sich nichts dabei. Mein Bruder erwischte meine Eltern einmal als er fünf war. Er hat mir gesagt, dass er der Meinung gewesen war, sie würden schmusen."

"Sie scheinen aber zu vergessen, dass Miss Abigail ein photographisches Gedächtnis hat", gab Smink zu bedenken. "Mag sein, dass sie sich jetzt nichts dabei denkt, aber irgendwann wird sie eins und eins zusammenzählen."

"Und bis dahin wird sie alt genug sein, ob die Vorgänge zu verstehen", erwiderte Roxanne und streichelte ihr über den Kopf.

Megamind räusperte sich unbehaglich. "Ich glaube, ich sollte zurück zu Minion gehen, bevor mich jemand erwischt", murmelte er. Er drückte seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn. "Ich muss sowieso an meinem nächsten Plan arbeiten."

Beim Gang zur Wohnungstür, hob er seinen Umhang von der Couch auf. Ehe er die Tür öffnete, drehte er sich um und sagte zu Roxanne, die gegen das Geländer der Treppe lehnte: "Schlaf gut!"

"Du auch", antwortete sie leise.

Er lächelte und griff mit der Hand ins Leere, als er die Klinke runterdrücken wollte. "Glatt!", kommentierte er, um sein Missgeschick runterzuspielen.

Schnell huschte er auf den Flur hinaus, ehe er sich noch mehr zum Deppen machen konnte.

Roxanne schüttelte amüsiert den Kopf. Selbst nach sieben Jahren musste er noch immer so tun, als wäre es die Schuld des Objekts, gegen das er rannte, darüber stolperte oder an dem er sich stieß, wenn er abgelenkt war.

"Ist Daddy schon weg?", fragte eine verschlafene Stimme und tapsende Schritte kamen aus dem Schlafzimmer.

"Gerade eben", bestätigte Roxanne. "Er muss noch arbeiten."

Abigail schmollte. "Warum hat mich keiner geweckt?", fragte sie vorwurfsvoll.

"Weil du klein bist und deinen Schlaf brauchst", meinte ihre Mutter und schob sie wieder ins Zimmer zurück.

"Ich bin überhaupt nicht klein!", protestierte das Mädchen beleidigt. "Ich bin viel größer als Smink."

"Ich glaube kaum, dass ich ein guter Maßstab bin", meinte das Wiesel trocken, als Abigail ins Bett gesteckt wurde und rollte sich neben ihrem Kopf zusammen.

"Gute Nacht, Smink."

"Hm-hmpf."

_____
 

Somit wäre auch Kapitel 3 abgeschlossen.
 

@ SainzDeRouse: He, ich habe das einfach auf die Aufregung zurückgeführt, dass Abigail "entführt" wurde. Und Megamind ist in einer Stimmung, in der er an ihm wegen Nichtigkeiten rummäkelt. Und genau genommen sollte die "Verkleidung" mit der Perücke auch eine Hommage an den Film sein.

Zu Megamind und Roxanne: Du hast das Wörtchen "scheinbar" hier wunderbar gesetzt. Sie sind zwar in einer Beziehung miteinander, aber Megamind hatte gerade am Tag zuvor erfahren, dass seine Tochter von der Polizei gefunden worden war und ist mit der Absicht dorthin gekommen, um ihr zu sagen, dass er versagt hat. Da verschwendet man keinen Gedanken an Liebesschwüre und er ging davon aus, von ihr zumindest Vorwürfe zu hören.

Das, und ich bin ein lausiger Romantikschreiber. ^^'

Gut, die Beziehung zu Abigail kam wirklich ein wenig forsch rüber, das gebe ich zu, da ich erst noch in Charakter kommen musste, aber auch hier kann ich sagen, dass viel auch durch die Umstände bedingt war. Roxanne hegt schon mütterliche Gefühle für Abigail, aber es muss auch ein ziemlicher Schock gewesen sein, sie dort auf der Polizeiwache zu finden.

Besuche

Zur großen Überraschung von Megamind und Roxanne versuchte Dr. Striker nicht wie erwartet, Abigail wegzuholen. Allerdings tauchte er am Mittwoch vor Roxannes Wohnung auf und bat darum, hereingelassen zu werden.

Da sie nicht unhöflich erscheinen wollte und ihr kein guter Grund einfiel, mit dem sie ihn abwimmeln konnte, ließ sie ihn herein.

"Es ist wirklich wundervoll, dass Sie sich um die Kleine kümmern, Miss Ritchi", sagte Dr. Striker und setzte sich auf die Couch. "Vor allem da ihr Vater Ihnen solche Probleme bereitet hat."

"Nun, das Kind ist nicht für seinen Vater verantwortlich", erwiderte sie steif. "Und sie ist sehr gut erzogen."

"Tatsächlich", sagte er und hob erstaunt seine weißen Augenbrauen. "Dann hat sie ihrem Vater ja etwas voraus. Megamind war nie in der Lage, sich an Regeln zu halten. Darum wundert es mich, dass er bei seiner Tochter so viel wert darauf legt."

"Auch Superschurken sehen es gerne, wenn sich ihre Kinder benehmen können, nehme ich an", meinte Roxanne trocken.

Striker lachte. "Zweifellos," stimmte er zu. "Er hätte sie wohl kaum so lange verstecken können, wenn sie ihm nicht gehorcht hätte."

"Ich will nicht unhöflich sein", sagte sie, "aber Sie sind doch sicher nicht hierher gekommen, um sich mit mir über Abigails Erziehung zu unterhalten."

Er nickte. "Das stimmt allerdings. Eigentlich wollte ich etwas über den gesundheitlichen Zustand des Mädchens erfahren."

Roxanne runzelte misstrauisch die Stirn. "Warum wollen Sie das wissen?"

Dr. Striker seufzte. "Ihnen dürfte wohl nicht entgangen sein, dass die Kleine ein Hybrid ist. Sie ist nur zur Hälfte Megaminds Spezies."

"Manche glauben ja, dass sie ein Klon ist." Ihr gefiel nicht, wohin das Thema steuerte.

Doch ihre Ablenkung wurde mit einem amüsierten Schnauben quittiert. "So ein Unsinn. Dann wäre das Kind männlich. Nein, dieses Kind ist definitiv ein Hybrid."

Sie zuckte mit den Schultern. "Na gut, dann ist sie das eben. Das erklärt aber nicht, warum Sie ihren Gesundheitszustand wissen wollen."

"Megamind ist kein Mensch", erklärte Dr. Striker. "Das dürften Ihnen eigentlich klar sein. Ich habe immer befürchtet, dass es so kommen würde. Er hat sich immer vehement gegen eine Sterilisation gewehrt. Dabei wissen wir gar nicht, wie seine DNS sich auf die Gesundheit seines Kindes auswirken kann."

Ein kalter Schauer überlief sie. "Nun, natürlich braucht man die Erlaubnis des Patienten", meinte sie. Kein Wunder, dass Megamind einen Bogen um diesen Mann machte.

Dr. Striker nickte grimmig. "Der Junge hat sich wahrscheinlich an die Hoffnung geklammert, sein Volk wieder aufleben zu lassen."

Das war vollkommener Unsinn. Aber Roxanne konnte seine Theorie nicht widerlegen, ohne sich zu verraten.

"Aber wie dem auch sei, ein Hybrid könnte furchtbare Defekte haben, die erst in einigen Jahren sichtbar werden", fuhr er fort.

"Und die wären?", fragte sie.

"Unfruchtbarkeit, Missbildungen, die Organversagen hervorrufen könnten und ein schwaches Immunsystem", erklärte er. "Schon ersteres hätte ihm zu denken geben sollen. Er kann sein Volk nicht zurückbringen, wenn seine Nachkommen unfruchtbar sind. Und dann kommt natürlich dazu, dass Megamind gegen die meisten Medikament allergisch ist."

"Soweit ich gesehen habe", erwiderte sie, "ist Abigail kerngesund und zeigt keinerlei Anzeichen einer Anomalie. Ich kann sie allerdings von einem Kinderarzt untersuchen lassen, wenn Sie wollen."

Zu ihrer Überraschung lächelte Dr. Striker. "Das wäre tatsächlich eine gute Idee", stimmte er zu. "Da das Kind schon so alt ist, ist das vermutlich auch das Einzige, das wir tun können."

Endlich, endlich ließ er sich aus der Wohnung führen und Roxanne schloss die Tür hinter ihm.

"Komischer Vogel", meinte Smink, als Abigail und er vorsichtig aus dem Schlafzimmer kamen.

"Hm", machte Roxanne nachdenklich. Sie fragte sich, woher Dr. Striker wissen konnte, wann sie abends nach Hause kam. Irgendwie war ihr der Mann unheimlich, nicht zuletzt wegen der Gelassenheit, mit der er darüber sprach, Megamind sterilisieren lassen zu wollen.
 

Die Spaziergänger liefen schreiend in alle Richtungen davon, als ein mehrere Meter hoher, nachtschwarzer Roboter durch die Straßen stampfte. Vor dem Rathaus schwang sich das Blechgestell in die Luft und flog auf die Spitze des Gebäudes, wo es frech hin- und herschwenkte. Ein Feuerwerkskörper wurden in die Luft abgeschossen und ein überdrehtes Lachen war zu hören.

Die Bewohner Metro Citys sahen sich verwirrt an. Keine Roxanne Ritchi baumelte von merkwürdigen Konstruktionen herab und auch Metro Man war nicht in einer großen Ansage kontaktiert worden. So etwas waren die Bürger von ihrem stadteigenen Superschurken gar nicht gewohnt.

Aber auch ohne vorherige Kontaktaufnahme erschien Metro Man nach wenigen Minuten und gebot Megamind streng vom Dach herunterzusteigen, woraufhin dieser nur noch lauter lachte.

Der Superheld seufzte genervt. Offenbar hatte sein Gegenüber wieder zu viel Kaffee intus, kein Wunder also, dass er wie eine mexikanische Springbohne hin- und herhüpfte.

Metro Man flog resigniert zu dem Roboter auf dem Dach, doch der sprang wieder auf die Straße und flitzte davon. Abermals seufzte der Superheld. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, Fangen zu spielen.

Ihr Weg führte sie in einen abgelegeneren Teil Metro Citys, der nicht so stark besiedelt war, obwohl ihnen natürlich eine ganze Menschentraube gefolgt war. Auf einer unbefahrenen Straße machte Megamind halt und drehte sich zu Metro Man um.

Doch statt des üblichen Geplänkels, das normalerweise nun folgen sollte, holte Megamind mit der Hand aus und fegte seinen Rivalen ohne Warnung zur Seite, sodass dieser unversehens durch den Asphalt brach und darunter ein paar Meter weiterschlitterte. Wäre seine Haut verwundbar gewesen, hätte es vermutlich ziemlich wehgetan.

Die Menschenmenge schnappte erschrocken nach Luft, ehe Metro Man sich wieder aufrappelte und ihm entgegenstürzte. Der Roboter wich seinem Angreifer geschickt aus und machte ihm eine lange Nase.

"Sehr erwachsen, wirklich, Megamind", murmelte Metro Man und musste gleich darauf einer Straßenlampe ausweichen, die sein Gegner aus der Erde gezogen hatte. Er sah sich um und seufzte resigniert, als er erkannte, dass er wohl auch eine Laterne abbrechen musste, wenn er sich an die Regeln halten wollte.

Ihre "Waffen" schlugen mit einem "Klonk!" gegeneinander und noch immer hatte Megamind kein Wort gesagt. Als Metro Man ihn weit genug zurückgedrängt hatte, um einen Blick ins Innere zu werfen, schrak er unwillkürlich zurück. Megaminds Gesichtsausdruck war so ernst, wie er es noch nie gesehen hatte und spiegelte kalten Zorn und grimmige Entschlossenheit wider. Das heute war für ihn kein Spiel, es schien fast so, als versuche er mit seiner Aktion jemanden zu bestrafen. Besser beendete er den Kampf jetzt, ehe Megamind es zu weit trieb.

Ein gezielter Schlag mit der Laterne brachte den Roboter zu Boden, Metro Man schlug das Glas des Cockpits ein und zog den Superschurken heraus, der ihn kalt ansah, die Lippen zu seiner schmalen Linie zusammengepresst.

Um ihn herum begannen die Menschen zu jubeln, hörten aber gleich wieder auf, als Megamind ihnen einen Blick zuwarf, mit dem man hätte töten können. Metro Man packte ihn am Arm und schwang sich wieder in die Lüfte.

"Tut mir leid, kleiner Kumpel", meinte er, während sie durch die Luft flogen. "Ich kann mir vorstellen, dass Abigails Verschwinden-"

"Gar nichts weißt du, du minderbemittelter Haufen Muskeln!", unterbrach Megamind ihn scharf. "Bring mich einfach zurück ins Gefängnis, dann haben wir's hinter uns."

"So wirst du sie nicht zurückbekommen." Metro Man änderte seine Position, so dass sein "Begleiter" angenehmer hing.

Der Superschurke schnaubte höhnisch. "Glaubst du vielleicht, ich wüsste das nicht? Aber wenn ihr glaubt, dass ihr mich so zum Aufgeben bringen könnt, habt ihr euch geirrt."

"Wo ist Roxanne?"

"Woher soll ich das wissen?", fragte Megamind genervt. "Sie ist doch deine Freundin. Kannst du nicht einmal dann auf sie aufpassen, wenn ich sie nicht entführe?"

"Du hast sie also nicht entführt?", wollte Metro Man wissen, als das Gefängnis in Sicht kam.

"Spreche ich chinesisch? Nein, ich habe sie nicht entführt. Hat sowieso keinen Zweck."

Der Superheld setzte Megamind im Gefängnishof ab, wo bereits der Direktor und zwei Wachen warteten und verschwand schnell in Richtung seiner Zuflucht. So entging ihm auch, wie der Superschurke die Augen verdrehte und sich ohne Protest und einem ruhigen Lächeln in seine Zelle bringen ließ, wo er anfing, leise vor sich hin zu lachen.
 

"Megamind, du hast Besuch", sagte Jonathan Warden und gab den Blick auf einen älteren Herrn in einem grauen Anzug mit einer dünnen Drahtbrille auf der Nase frei.

Sofort setzte sich Megamind kerzengerade auf und starrte den Mann durchdringend an. "Was wollen Sie hier, Dr. Striker? Hat man Sie nicht schon vor Jahren dieses Ortes verwiesen?"

Dr. Striker zuckte mit den Schultern. "Die Situation hat sich geändert", meinte er. "Jetzt da Abigail da ist."

"Sie ist seit fünf Jahren da und bisher gab es keinen Grund, irgendwelche Quacksalber herbeizurufen", erwiderte Megamind scharf.

Der Doktor seufzte. "Immer noch auf Konfrontationskurs, wie ich sehe. Sind Sie sich eigentlich bewusst, was Sie Ihrer Tochter angetan haben?"

"Oh, mir ist bewusst, dass mein Lebenswandel nicht der Idealste für ein Kind ist, aber ich habe es ihr an nichts mangeln lassen", knurrte der Superschurke.

"Ich meine nicht Ihre Pflichten als Vater", sagte Dr. Striker angespannt. "Ich meine die Langzeitfolgen, die das Kind als Hybrid verkraften muss. Ich habe es Ihnen vor einigen Jahren schon einmal gesagt. Es ist viel zu gefährlich, weil wir nicht wissen, ob Sie mit uns Menschen kompatibel sind."

Megamind verdrehte die Augen. "Tun Sie nicht so, als hätten Sie mein oder Abigails Wohl im Sinn. Sie wollten mich damals nur sterilisieren lassen, weil irgendwelche Idioten Angst vor einer Alieninvasion hatten. Eben jene Leute, mit denen Sie zusammenarbeiten." Bei dem Wort "Alieninvasion" machte er Anführungszeichen in der Luft. "Zu ihrer Information, Doktor", fuhr er fort und spie das letzte Wort förmlich aus. "Mir ist nichts daran gelegen, meine Art zurückzuholen. Ich wäre sowieso tot, bevor die ersten Erfolge zu verzeichnen wären. Abigail wurde aus demselben Grund geboren, aus dem andere Kinder auch geboren werden: Weil wir sie wollten."

"Und wer wäre 'wir'?", fragte Dr. Striker.

Megamind sah ihn mit kalten Augen an. "Wenn Sie glauben, dass ich zulasse, dass Sie oder irgendjemand anderes aus dieser Stadt eine Hexenjagd starten, haben Sie sich geschnitten."

Der Doktor seufzte abermals. "Ich bin nicht Ihr Feind."

"Sie mögen nicht der meine sein, aber dafür bin ich Ihrer", erwiderte der Superschurke und sah ihn durchdringend an. "Und an Ihrer Stelle sähe ich mich vor. Wenn Sie Abigail auch nur schief ansehen, glauben Sie mir, dann werde ich Sie aufspüren, egal wo Sie sich verstecken mögen."

Damit drehte er seinen Sessel um und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Nun, Sie sehen ja, dass da nichts mehr getan werden kann", meinte Jonathan kurz angebunden und führte den Mann zurück zu seinem Büro, wobei sie den Weg in vollkommenen Schweigen zubrachten.

Genau wie Megamind konnte er Dr. Striker nicht besonders leiden. Teilweise gab er ihm sogar die Schuld daran, dass aus dem unschuldigen Jungen ein Superschurke geworden war. Wer wollte schon mit vierzehn Jahren gesagt bekommen, dass man sich nicht selbst für oder gegen Kinder entscheiden dürfe, wenn man sich selbst noch gar nicht darüber im Klaren war?

"Nun, er scheint doch sehr um das Wohl seiner Tochter besorgt zu sein", brach Dr. Striker das Schweigen, als sie im Büro angekommen waren. "So wie ich ihn damals kennen gelernt hatte, schien mir diese Möglichkeit nicht wahrscheinlich."

"Sie haben ihn noch nie gekannt", erwiderte Jonathan Warden kühl. "Wie alle anderen in diesen ganzen Jahren sahen Sie nur das, was Sie sehen wollten und das war ein Superschurke. Nun hat Megamind Ihnen diesen Gefallen getan und Sie sind immer noch nicht zufrieden mit ihm. Stattdessen wird uns vorgeworfen, dass wir ihn nicht gut genug verwahren, obwohl dieses Gefängnis mittlerweile das Sicherste des Landes sein müsste. Ich kann auch kaum noch Leute finden, die hier arbeiten wollen, da alle ihn so fürchten."

"Ich hatte nie die Absicht gehabt aus ihm etwas zu machen, was er nicht ist", widersprach Dr. Striker. "Ich hatte die Anweisung, den Jungen zu untersuchen und habe es für richtig befunden, ihm nahe zu legen sich sterilisieren zu lassen. Aber er sah es gleich als persönlichen Angriff gegen sich."

"Wer möchte so etwas gesagt bekommen, wenn man noch nicht einmal mit sich selbst ins Reine gekommen ist?", fragte Mr. Warden gereizt. "Es hat ihn nur in seinem Glauben bestärkt, dass alle Menschen ihn als Monster sehen und nicht wollen, dass ihr 'wertvolles' Blut durch seine Gene verunreinigt wird."

"Wenn es so rübergekommen ist, dann tut es mir leid", meinte der Doktor. "Mir geht es hier nur um Abigail. Mit ihren Genen kann es gut sein, dass sie eine lange Krankheitsgeschichte haben wird. Und kaum eine Medizin wird ihr helfen können, wenn sie dieselbe Medikamentenintoleranz wie ihr Vater hat."

Jonathan Warden verdrehte die Augen. "So wie ich ihn kenne, hat er das alles in Betracht gezogen und eine Lösung gefunden. Würde mich nicht wundern, wenn er menschlicher wäre als man ihm zugesteht oder einen Weg darum herum gefunden hätte."
 

Minion lud den letzten Rest Wäsche aus der Waschmaschine in den Korb und seufzte dann niedergeschlagen. Jetzt da Abigail und Smink nicht mehr da waren, um ihm Gesellschaft zu leisten, spürte er Megaminds Abwesenheit stärker denn je. Ohne sie war der kleine, gut versteckte Wohntrakt sehr still und beinahe bedrohlich, als hätten die Räume ein Eigenleben entwickelt und wollten sie dafür bestrafen, dass sie nicht besser auf die beiden aufgepasst hatten.

Er hörte wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde und wirbelte erschrocken herum. Das fehlte noch, dass irgendein Eindringling hier herumschnüffelte.

Siedend heiß fielen ihm die Bilder ein, die Megamind und Roxanne zusammen zeigten. Man konnte es möglicherweise für eine Photomontage halten, aber bei ihrem Glück erkannte man es für das, was es wirklich war.

Er zog den Vergiss-mich-Stock hervor und eilte in den Flur.

Die Schritte des Eindringlings kamen genau in seine Richtung und Minion packte den Stock fester. Warum hatten die Brainbots keinen Alarm geschlagen oder den Fremden aufgehalten? Die Person war jetzt fast bei ihm angekommen. Der Fisch sprang aus seinem Versteck heraus - oder wie gut man eben mit einem schweren Roboterkörper springen konnte - und holte weit aus.

Der Eindringling stieß einen erschrockenen Schrei aus und duckte sich. "Was ist denn in dich gefahren?"

Minion ließ den Knüppel langsam sinken und starrte den Mann erstaunt an. "Nikolas?"

Nikolas richtete sich vorsichtig wieder auf und musterte den Knüppel misstrauisch."Wenn ihr meine Hilfe nicht mehr braucht, gibt es einfachere Wege, mir das klar zu machen."

"Ich dachte, du wärst noch bei deiner Familie in Übersee", meinte der Fisch kleinlaut. "Ich hielt dich für einen Schnüffler."

"Als käme irgendjemand auf die Idee, hier eine Wohnung zu vermuten." Nikolas verdrehte die Augen. "Nein, Adela hat mir nur berichtet, dass ihr niemanden finden konntet, der auf Abigail aufpasst. Deshalb bin ich früher zurückgekehrt, nur um festzustellen, dass Abigail entdeckt wurde." Er schüttelte missbilligend den Kopf. "Konntet ihr nicht ein bisschen warten? Ihr könnt von Glück reden, dass Miss Ritchi sie aufnehmen durfte."

"Wir hätten ja nicht vermutet, dass die Polizei den Ort absucht", verteidigte Minion sich. "Normalerweise sind sie viel zu feige, um sich auch nur in die Nähe zu trauen."

"Dass sie entdeckt werden könnte, wenn ihr beide mit dem Kampf beschäftigt seid, ist doch keine Überraschung", meinte Nikolas kopfschüttelnd. "Dafür muss man kein Empath sein." Er fuhr sich mit der Hand resigniert durch sein braunes Haar. "Man kann euch beide keine fünf Minuten allein lassen."

"Ich bin jedenfalls froh, dass du wieder da bist", erwiderte Minion. "Da haben wir etwas Spielraum, was Abigails Unterbringung angeht."

"Ja, ich kann mir vorstellen, dass Miss Ritchi erleichtert wäre, wenn sich jemand während ihrer Arbeitszeit um Abigail kümmert", stimmte der junge Mann zu.

"Eigentlich dachte ich ja eher daran, dass du sie vielleicht bei dir aufnehmen könntest."

Zu Minions Überraschung fing Nikolas an zu lachen. "Wer würde denn mir ein Kind überlassen? Ich habe keine geregelte Arbeit, falle in Ohnmacht, wenn ich einer großen Menschenmenge ausgesetzt bin und lebe noch dazu ganz nah an dem Stadtteil, den ihr als Schaltzentrale benutzt. Die Leute werden eher nach Menschen Ausschau halten, die als respektable Bürger gelten, wie dieser Dr. Striker zum Beispiel. Außerdem bin ich zu jung und zu häufig unpässlich."

"Du könntest bei deiner Schwester arbeiten", schlug Minion vor.

"Das mache ich doch schon, aber das löst noch lange nicht mein Ohnmachtsproblem", erwiderte Nikolas. "Du weißt, wie stark ich auf meine Umgebung reagiere, wenn mehr als fünf oder sechs Leute um mich rum sind. Dadurch kann ich auch nirgends wohnen, wo viele Menschen sind. Mal abgesehen davon, dass man mich kaum als respektabel ansehen kann."

Minion konnte nicht erkennen, was an dem jungen Mann nicht respektabel erscheinen könnte. An seiner Kleidung und seinem Haarschnitt konnte man jedenfalls nichts sehen.

Er seufzte und Nikolas klopfte ihm aufmunternd auf die Roboterschulter. "Mach dir nichts draus, ich bin mir sicher, dass Miss Ritchi Abigail behalten kann. Schließlich ist sie eine dieser respektablen Persönlichkeiten." Er sah sich um. "Ist Megamind nicht hier?"

Der Fisch schüttelte den Kopf. "Er..."

"...ist wieder im Gefängnis, schon verstanden", beendete der junge Mann den Satz für ihn. "Hätte mich auch sehr gewundert, wenn er mal still sitzen bliebe. Erklärt zumindest die Aufregung, die ich überall gespürt habe."

"Sir hielt es für das Beste, weiterzumachen wie bisher", erklärte Minion schulterzuckend. "Weil ein paar Leute sich schon gefragt haben, warum er in der letzten Zeit so ruhig gewesen war. Sir wollte sicher gehen, dass man Miss Ritchi nicht mit ihm in Verbindung bringt."

Nikolas hob zweifelnd die Augenbrauen. "Na, da ist er es aber falsch angegangen. Die Leute erwarten doch, dass er Miss Ritchi entführt und sie irgendwo festhält, während er mit Metro Man 'Freundlichkeiten' austauscht. Und nach dem, was ich aus ihren Gedankengängen erfahren konnte, waren sie ziemlich verwirrt darüber, dass er so außerplanmäßig angriff."

"Ich werde es Sir ausrichten", meinte Minion. "Wir haben nur davon abgesehen, weil wir die Befürchtung hatten, dass Miss Abigail weggebracht würde, wenn wir Miss Ritchi entführen. Schließlich könnte uns gar nicht entgehen, dass sie bei ihr ist."

"Hm..." Nikolas wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. "Dann muss man sie irgendwo anders unterbringen. Allzu oft könnt ihr das aber auch nicht tun, ohne dass jemand Verdacht schöpft. Vielleicht solltet ihr auch mal jemand anderen entführen. Ich könnte Adela fragen."

Minion begann zu lachen. "Deine Schwester würde es dir danken. Ich glaube nicht, dass sie gerne an einen Stuhl gefesselt wäre."
 

"...wurde sehr schnell ausgeschaltet und Megamind sitzt wieder im Gefängnis. Dies ist Roxanne Ritchi, live vor Ort", beendete Roxanne den Bericht über Megaminds letzten Stunt.

"Und wir sind fertig", erklärte Hal gut gelaunt. "Wie wär's mit einem Kaffee?"

"Oh, tut mir leid, Hal, aber ich möchte mir mit Abigail eine Schule ansehen, die sie vielleicht aufnehmen kann", erwiderte sie und zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Me-, Andrew mag zwar etwas dagegen haben, aber schließlich ist das eine Schule, die unfaires Verhalten hart bestraft."

Smink, der auf Abigails Schulter kauerte, sah sie zweifelnd an, aber da sie hier in der Öffentlichkeit waren, konnte er seine Meinung nicht äußern. Musste ja nicht jeder wissen, dass er reden konnte.

"Cool", sagte Hal. "Also machen wir das ein Andermal?"

"Wenn Zeit ist", meinte Roxanne ausweichend und gab ihm das Mikrofon. Sie sah auf die Uhr. "Jetzt müssen wir aber wirklich los. Komm, Abigail."

Sie wollten gerade losfahren, als ein Mann rufend und winkend auf sie zulief.

"Nikolas!", rief sie erstaunt, als der Mann an ihrem Wagen stehen blieb und sich keuchend an der Motorhaube abstützte. "Was machst du denn hier? Du bist ja völlig außer Atem!"

"Der Bus fährt nunmal nur bis zwei Straßen davor", schnaufte Nikolas und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Sie wissen doch, dass ich kein Auto fahren darf. Gefährdung des Straßenverkehrs und all der Kram."

Roxanne nickte. "Warum bist du hierher gekommen? Du hättest mich auch anrufen können."

"Ja, aber ich weiß nicht, ob das so sicher wäre", meinte er. "Ich wollte nur sagen, dass ich weiter auf Abigail aufpassen kann, wenn die Notwendigkeit besteht", fügte er leise hinzu und sah sich misstrauisch nach Lauschern um.

"Nikolas, es ist ja schön, dass du wieder da bist, aber wir kommen zu spät zu unserem Termin", sagte sie.

"Termin?"

"Ich will Abigail an der Greenwood Elementary School anmelden", erklärte Roxanne. "Damit sie mit anderen Kindern zusammen sein kann."

"Naja, da müssten Sie sie schon eher im Kindergarten anmelden", erwiderte Nikolas und lachte, als Abigail ihm einen beleidigten Blick zuwarf. "Aber Greenwood ist gut. Ich war dort an der höheren Schule und die Schulleitung legt sehr viel Wert aud Fairness. Bei den unteren Klassen wird das wohl auch so sein."

Roxanne nickte. "Megamind-", begann sie, wurde aber von ihm unterbrochen.

"Psst!", machte er. "Da kommt jemand!"

Sie blickte an seiner Schulter vorbei und stöhnte genervt auf, als sie Miranda Tiles erkannte, eine Journalistin des schlimmsten Klatschblattes in Metro City.

"Roxanne!", grüßte die Frau und kam anstolziert. "Ich dachte schon, ich hätte dich verpasst."

"Leider war ich nicht schnell genug", zischte Roxanne verärgert und Nikolas murmelte eine Entschuldigung. "Was willst du, Miranda?"

Miranda ging an Nikolas vorbei als wäre er ein Hutständer und lehnte sich gegen Roxannes Wagentür. "Ich mag deinen Wagen. Ein hübsches Blau. Genau dieselbe Schattierung, die Megamind auch hat, oder?"

"Blau war schon immer meine Lieblingsfarbe, da gibt es nichts zu spekulieren", antwortete Roxanne kühl. "Nur weil er zufällig eine blaue Hautfarbe hat, lasse ich mir doch meine Farbenwahl nicht verderben. Könntest du jetzt bitte von meiner Tür weggehen? Ich muss zu einem Termin."

"Oh, worum geht es denn?", fragte Miranda neugierig und warf Abigail einen flüchtigen Blick zu. "Hat es was mit dem Kind zu tun?"

"Es geht dich nichts an, ob es um Abigail geht oder nicht", knurrte Roxanne und drückte leicht aufs Gas, sodass der Wagen nach vorne rückte und die andere Frau zurückweichen musste. "Wir müssen jetzt wirklich los." Sie gab Gas und fuhr davon, ehe irgendjemand noch etwas sagen konnte.

Miranda starrte ihr sprachlos nach, während Nikolas leise lachte.

"Was gibt's da zu lachen, du Bauerntrampel?!", fuhr sie ihn an und stolzierte wütend davon.

Der junge Mann verdrehte bloß die Augen. Manche Menschen vertrugen einfach keine Absagen.
 

Der Raum war in hellen Farben gehalten und an den Wänden hingen Bilder, die die Grundschüler gemalt hatten. Hinter einem großen Schreibtisch saß der Schulleiter, ein Mann mit bereits grau werdenden Haaren und einem Schnurrbart, der beim Reden zuckte und der es Abigail wohl angetan hatte, jedenfalls starrte sie wie gebannt darauf.

"Nun, Miss Ritchi, wir haben hier ein kleines Problem", sagte er jetzt und besah sich die Tests, die Abigail ausgefüllt hatte.

Roxanne sah ihn besorgt an und seufzte innerlich. War ja klar, dass selbst so eine Schule Megaminds Kind nicht aufnehmen wollte.

"Was ist das Problem?", fragte sie vorsichtig und stählte sich für die Antwort.

"Wir können sie unmöglich in die erste Klassen schicken", meinte er. "Sie ist längst über das Niveau hinaus. Sie würde sich furchtbar langweilen in einer Klasse, in der alle anderen erst noch lesen und schreiben lernen müssen. Aber vielleicht könnten wir sie in eine höhere Klasse stecken."

"Ich will nicht, dass der Altersunterschied zwischen ihr und ihren Klassenkameraden zu groß ist, Mr. Dahlen", erklärte sie. "Sie soll vor allem lernen, mit anderen Kindern umzugehen. Und wenn sie in eine bereits bestehende Klasse geschickt wird, kommt sie vielleicht nicht in die Klassengemeinschaft hinein. Sie ist ein wenig scheu." Sie strich Abigail über den Kopf.

"Nun, zweifellos wird sich das einrenken", erwiderte Mr. Dahlen. "Aber wenn wir sie in die erste Klasse schicken, wird sie ihren Kameraden immer ein Jahr voraus sein. Das kann zu Spannungen führen. Wir könnten sie in die Zweite aufnehmen, die Strukturen sind da noch nicht so gefestigt."

Roxanne sah zu ihrer Tochter runter, die Smink auf ihren Knien schaukelte und seufzte. "Nun gut, aber dann achten Sie bitte darauf, dass sie von den älteren Kindern nicht drangsaliert wird."

Der Schulleiter lachte und breitete entwaffnend die Arme aus. "Friedliches Miteinander haben wir uns auf die Fahne geschrieben. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Miss Ritchi."

Sie wollte ihm gerne glauben. Aber nach all der Aufregung um Abigail zweifelte sie an den Absichten fremder Leute. "Es macht Ihnen also nichts aus, dass sie Megaminds Tochter ist?", fragte sie deshalb.

Mr. Dahlen schüttelte den Kopf. "Ein Kind kann nichts für seine Eltern, davon sind wir hier überzeugt. Solange sie sich benimmt und keinen Ärger macht, werden wir sie nicht verurteilen."

"In Ordnung", meinte sie nach kurzem Überlegen. "Gibt es eine Buchliste oder so etwas Ähnliches? Ist nicht mehr lange bis zum Schulanfang hin."

"Natürlich", erwiderte er. "Sobald wir die Personalien aufgenommen haben."

Roxannes Herz sank. Abigail hatte zwar eine Geburtsurkunde, aber die würde die familiären Beziehungen verraten. Genau das, was sie vermeiden wollten und sie wusste auch gar nicht, ob dieser Mann ein solches Geheimnis für sich behalten konnte oder wollte.

"Ich gehe mal nicht davon aus, dass Megamind sich jemals Gedanken über eine Geburtsurkunde gemacht hat, daher könnten wir eigentlich auch die Informationen nehmen, die die Polizei erstellt hat", fuhr er fort, als er ihr Zögern bemerkte. "Das ist nicht ganz legal, aber bei Gott, diese Leute wollen schließlich, dass sie nicht nach ihrem Vater kommt. Papier ist geduldig, sowas kann immer noch nachgereicht werden."

Roxanne atmete erleichtert auf. Vielleicht waren doch nicht alle so schlecht, wie Megamind immer behauptete. Und einen Wayne Scott gab es in Abigails Klasse sicher auch nicht.
 

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Kapitel vier ist ein wenig ... unzusammenhängend, muss ich zugeben. Allerdings komme ich nicht darum herum, weil es zum Beispiel etabliert, wo Abigail untergebracht wurde, wenn ihr Vater einen seiner Pläne in die Tat umsetzte.
 

@ SainzDeRouse: Naja, dieses Nicht-entdeckt-werden-wollen ist in gewisser Weise eine Ausrede, weil er die peinliche Unterhaltung mit Smink nicht weiterführen will. In gewisser Weise wollte er nicht von dem Wiesel "entdeckt" werden.

Zum Romantik schreiben: Ich bin sehr wählerisch, was Romantik angeht. Dieses zuckersüße Zeug, das teilweise geschrieben oder verfilmt wird, kann ich zum Beispiel gar nicht ausstehen. Insofern kommen diese Szenen bei mir ein wenig ... ruppig rüber.

Zu Roxannes Verhalten kann ich nur noch anfügen, dass sie mir nicht wie eine Frau erscheint, die leicht in Panik oder Wut gerät. Sie versucht mit "Tighten" vernünftig zu reden, als er sie schon festgebunden hat und lässt Megamind in ihre Wohnung, obwohl erst ein Tag vergangen war, dass sie seine Täuschung gesehen hat.

Megaminds Name... Nun, er hat einen bürgerlichen Namen, aber ich weiß nicht, ob ich den einbringen kann. Er wird nur vom Gefängnisdirektor gelegentlich benutzt und Megamind selbst will nicht so genannt werden.

Und mit Smink bist du ziemlich nah an die Wahrheit gekommen. Es wird in einem der späteren Kapitel von Smink erwähnt und das ist in meiner Vorstellung auch die Art, wie Minions geschaffen werden.

Zur Namenserklärung: "Minion" bedeutet unter anderem Günstling, Liebling, Kreatur und ist im Englischen eigentlich eher die Aufgabenbezeichnung Minions. Und "Helferlein" erschien mir zu eindimensional für die Tätigkeit von Minion und Smink, weil sie eigentlich viel mehr sind, weshalb ich hier ausnahmsweise das englische Wort genommen habe.

Der erste Tag

Auch in den nächsten Tagen blieb der Fokus Metro Citys bei Abigail. Wann immer Roxanne mit ihrer Tochter irgendwohin ging, folgten ihnen irgendwelche Reporter und Photographen. Dieses Gebaren ging ihr allmählich auf den Geist, aber da sie selbst Reporterin war, hätte man ihr Heuchelei vorgeworfen, wenn sie etwas gesagt hätte. Obwohl sie nie jemandem stundenlang nachrennen musste, um genug Stoff für eine Reportage zu bekommen.

Mittlerweile kam sie sich schon fast wie diese Hollywood-Damen vor, die ihre Kinder überall vorführen mussten, obwohl ihr persönlich lieber gewesen wäre, wenn Abigail in Ruhe gelassen würde. Sie hatte schon so viele Umwege genommen, nur um nicht geknipst zu werden, dass es schon nicht mehr lustig war.

Keine Erleichterung war da, dass noch niemand die Verbindung zwischen ihr und Abigail gefunden hatte. Nun gut, fast niemand. Roxannes Mutter Aileen hatte sie angerufen und den Grund verlangt, warum das kleine blaue Mädchen so viel Ähnlichkeit mit ihr hätte. Roxanne hatte ins Telefon schreien müssen, um sie am Weiterreden zu hindern und war gerügt worden, dass man seine Eltern nicht anschrie.

Eine Erklärung war von Nöten, weshalb sie in den Vorort fuhr, in dem ihre Eltern wohnten. Sie hatte ihre Mutter gebeten, erst nur mit ihr reden zu dürfen. Ihr Vater Thomas war ein Mann voreiliger Entscheidungen und unumstößlicher Meinungen. Wahrscheinlich käme sie gar nicht zu Wort.

Das Haus war sonnenblumengelb angestrichen und bildete einen seltsamen Kontrast zu den schneeweißen Häusern der Nachbarn. Vermutlich war das auch die einzige Seltsamkeit, die sich ihre Eltern jemals erlaubt hatten.

Ehe Roxanne überhaupt aus dem Auto steigen konnte, hatte Aileen bereits die Tür aufgemacht und kam auf sie zugeeilt. "Roxanne!", grüßte ihre Mutter. "Ich bin so froh, dass du kommen konntest!"

"Wir hatten doch eine Verabredung, oder?", erwiderte Roxanne und unterdrückte das Verlangen, die Augen zu verdrehen. "Wo ist Dad?"

"Oh, keine Sorge, der ist unterwegs", meinte Aileen gelassen und führte sie ins Wohnzimmer, wo bereits eine Kanne Tee auf dem Wohnzimmertisch stand. "Ich wusste nicht, ob du die Kleine mitnehmen würdest, daher habe ich jetzt drei Tassen hier", fuhr sie fort.

"Abigail wollte nicht mitkommen", erklärte Roxanne. "Nikolas hat ihr versprochen, dass er ihr beibringt, wie man Papierhüpfer macht und das wollte sie sich nicht entgehen lassen."

Mal abgesehen davon, dass ihre Tochter den Spruch "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben" nur im Zusammenhang mit unangenehmen Angelegenheiten wie dem Arztbesuch vor einer Woche verstand. Alles andere war für sie etwas, zu dem man nur einmal im Leben die Gelegenheit hatte. Die Sturheit hatte sie vermutlich... ...vermutlich von beiden. Da gab es nichts zu rütteln.

"Das ist zu schade", meinte Aileen bedauernd. "Ich wollte sie gerne kennen lernen."

"Sicherlich gibt es dazu noch genug Gelegenheit", erwiderte ihre Tochter und setzte sich aufs Sofa. "Es sieht nämlich wirklich so aus, als könnte sie bei mir bleiben."

Aileen goß den Tee ein und reichte ihr ihre Tasse. "So, wie wär's, wenn du mir jetzt erzählst, wie du zu einem Kind von Megamind kommst."

Roxanne seufzte. "Vor dir kann man wirklich nichts geheim halten, oder?"

"Es ist eine gute Eigenschaft für eine Mutter, wenn sie ihre Kinder lesen kann", meinte ihre Mutter trocken. "Auch wenn ich nicht erwartet hätte, dass es bei dir mit Megamind so weit kommen würde. Auch wenn's mich nicht sonderlich überrascht, wenn ich ehrlich bin."

"Ich habe kein Stockholm Syndrom, wenn du das meinst", verteidigte Roxanne sich.

Aileen verdrehte die Augen. "Habe ich auch gar nicht vermutet. Ich habe nur schon vor vielen Jahren mitbekommen, wie sehr eure Gespräche nach Geflirte klangen, wann immer ein Teil davon im Fernsehen kam."

"Nun gut. Wenn du das mitbekommen hast, dann erinnerst du dich vielleicht noch an das eine Mal, dass Megamind eine andere Frau entführte. Es war der siebzehnte Dezember, allgemein als Megaminds Geburtstag angesehen von denen, die sich dafür interessieren. Da er normalerweise mich 'abholte', um seinen Geburtstag zu feiern und es ein Samstag war, hatte ich meine Besorgungen für den Tag bereits gemacht und wartete nur noch darauf, dass er oder Minion kam." Roxanne lachte trocken. "Man stelle sich das vor! Ich wartete darauf, entführt zu werden. Meine Güte, ich muss unsere seltsame Beziehung wirklich verzweifelt negiert haben. Jedenfalls hatte ich es mir in meiner Wohnung gemütlich gemacht, da ich wusste, dass jede andere Aktivität nur von ihm unterbrochen würde. Nur wurde es immer später und weder er noch Minion waren aufgetaucht. Irgendwann schaltete ich vor Langeweile den Fernseher an und sah, warum sie nicht gekommen waren."

"Ich erinnere mich", sagte Aileen. "Der Name der Frau war, glaube ich, Natalie Smith. Sah ziemlich durcheinander aus. Nicht gerade als wäre diese Entführung harmlos gewesen."

"Wenn man nicht weiß, dass alle Geräte gesichert sind und nicht von selbst losgehen können, ist es zweifellos beängstigend", stimmte Roxanne zu. "Und es gab noch einen anderen Grund: Sie hatte Megamind gereizt und er wollte ihr eine Lektion erteilen. Aber ich wusste das damals nicht, da ich mich nicht mit Klatsch beschäftige. Ich dachte jedenfalls, dass ich ausrangiert worden war. Dieser Gedanken überraschte mich am meisten. Statt darüber froh zu sein, dass ich möglicherweise nie wieder entführt wurde, war ich wütend und enttäuscht. Es half auch nicht gerade, dass ein ganzer Monat verstrich, ehe ich ihn wieder zu Gesicht bekam. Die Mischung aus Verleugnung und unterdrückter Eifersucht bekam Megamind dann mit voller Wucht zu spüren. Mir war mittlerweile klar, dass das Gefühl, zurückgelassen worden zu sein nicht von irgendwelchen stressbedingten Syndromen kommen konnte, doch es laut auszusprechen und es auch vor der Welt zuzugeben, das wollte ich nicht."

Ihre Mutter nickte. "Du warst schon immer sehr stur. Du wolltest auch nie zugeben, dass du dich geirrt hattest."

"Wie auch immer." Roxanne verdrehte die Augen. "Jedenfalls fand ich mich endlich wieder in dem altbekannten Raum auf dem altbekannten Stuhl wieder und zu Megaminds Pech musste Minion noch einmal weg, um Ersatzteile zu holen, da mit einer der Erfindungen etwas nicht stimmte. Das bedeutete, dass er sich allein mit mir im Raum befand und ich nicht gerade bester Laune war.

Irgendwann wurde es ihm wohl unangenehm, von mir so angestarrt zu werden. Auf jeden Fall fragte er mich schließlich, was mit mir los war. Ich solle doch wissen, dass ich nunmal ein fester Bestandteil seiner Pläne wäre."

Sie machte eine kurze Pause und nippte an ihrem Tee. "Ich fragte ihn, warum eigentlich. Es gäbe genug andere Frauen zu entführen und Metro Man rette alle gleichermaßen. Das schien ihn ein wenig aus der Fassung zu bringen, zumindest fing er an zu stottern und mir vorzuwerfen, ich wolle ihn verwirren. Ich entgegnete, dass es nicht viel bedurfte, um ihn zu verwirren. Er wäre sowieso unfähig, irgendeinen Plan zu Ende zu bringen, selbst wenn ich nicht da war. Das habe ja die Tatsache bewiesen, dass Natalie nicht mehr in seiner Gewalt wäre. Er wunderte sich darüber, was das alles mit ihr zu tun habe. Schließlich habe er ihr nur eine Lektion erteilen wollen und nicht vorgehabt, seine Entführungsopfer zu wechseln. Und dann meinte er plötzlich mit diesem nervigen selbstgefälligen Grinsen, das er manchmal aufsetzt, wenn etwas ganz nach seinem Willen läuft, ich wäre eifersüchtig."

Aileen gab einen Laut von sich, der stark nach Belustigung klang.

Roxanne sah das als gutes Zeichen und fuhr fort: "Wie du dir denken kannst, machte mich diese Behauptung wütend. Deshalb sagte ich ihm, dass er doch gar nicht wisse, wie Eifersucht aussehe, weil er außer mit mir mit keiner Frau jemals Kontakt gehabt hätte. Daraufhin stemmte er wütend die Hände gegen die Armlehne und beugte sich zu mir herunter, dass sich unsere Nasenspitzen berührten. Und er sagte mir, dass es niemanden gäbe, der Eifersucht so genau kenne wie er. Dann küsste er mich. Als Minion zurückkam, fand er uns eng umschlungen da, oder besser gesagt: Megamind hatte mich umschlungen, weil ich immer noch die Hände in Fesseln hatte. Naja, du kannst dir sicher vorstellen, wie das für den armen Fisch ausgesehen haben muss." Sie lachte leise.

"Ich kann es mir denken." Ihre Mutter goß Tee nach und reichte ihr die nachgefüllte Tasse. "Ich nehme an, er hat versucht, ihn von dir wegzuziehen."

Roxanne kicherte. "Ja. Er hat Megamind wie einen Hundewelpen im Nacken gefasst und weggezogen. Dabei hat er ihm eine Strafpredigt darüber gehalten, was ein Superschurke tun konnte und was nicht. Geiseln küssen gehörte offenbar nicht dazu. Jedenfalls sagte er ihm dann, dass er in dem Zustand auf keinen Fall weiterarbeiten könne, vor allem wenn er mich wieder so anfiele."

"Hat er darauf gehört?"

"Erstaunlicherweise ja. Megamind brachte mich nach Hause und während der ganzen Fahrt sprachen wir kein Wort miteinander. Erst als er mich an meiner Haustür abgeliefert hatte, redete er wieder mit mir. Ihm wäre bewusst, dass ich vermutlich nichts mit seinen Plänen zu tun haben wolle, aber er wünsche sich, dass ich seine Gefühle erwidern könne, selbst wenn er nicht aufhöre, ein Superschurke zu sein. Er verlange nicht von mir, mich gegen Metro Man zu stellen und es würde ihren Kampf auch ziemlich unfair machen. Aber wenn ich es mir vorstellen könne, fernab der Kämpfe mit ihm zusammen zu sein, dann solle ich ihn im 'Otherworld' aufsuchen."

Aileen runzelte die Stirn. "Was soll das sein?"

"Das 'Otherworld' ist ein etwas abgelegenes, aber gut laufendes Lokal, das von Nikolas' Schwester betrieben wird", erklärte Roxanne. "Es bietet fast nur Menschen Arbeit an, die sonst niemand haben will, daher der Name. Minion hatte sich mit dem jungen Mann angefreundet und da die Leute vor ihm ähnlich wie vor Megamind Angst haben, wurden auch sie schnell Freunde. Bevor er mich dorthin eingeladen hatte, war Megamind noch nie in dem Lokal gewesen. Er wusste nur, dass es in der Nähe 'seines' Bezirks ist und dass man dort unentdeckt sitzen kann."

Sie sah auf ihre Finger. "Es dauerte eine Weile, ehe ich den Mut aufbringen konnte, dorthin zu gehen. Ich hatte immer noch Angst, offen zu gestehen, dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte und befürchtete sogar einen Trick. Megamind kann sehr gut schauspielern und nutzt diese Fähigkeit häufig, um durchs Leben zu kommen. Nikolas erzählte mir später, dass er jeden Tag in das Lokal gekommen wäre und seine Schwester langsam Zustände bekommen hätte, weil sie ihn ständig verstecken musste."

Ihre Erzählung wurde vom Klang der sich öffnenden Haustür unterbrochen.

"Aileen?", ertönte die Stimme ihres Vaters, Thomas Ritchi. "Bist du da?"

Ihre Mutter richtete sich schnell auf. "Ja. Roxanne ist auch hier."

"Roxanne?" Thomas Ritchi erschien im Türrahmen. "Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie zu Besuch kommt?", fragte er vorwurfsvoll.

Roxanne stand auf, um ihrem Vater einen Kuss auf die Wange zu geben. "Ich bin ganz spontan hierher gekommen. Mom hätte dir also gar nicht sagen können, dass ich vorbeikomme."

Er grummelte. "Ihr hätte es mir im Nachhinein immer noch sagen können. Da hätte ich mich viel früher von Wilkis abseilen können."

"Tut mir leid. War es wirklich so schlimm?"

"Du hast ja keine Ahnung." Er verzog das Gesicht. "Gefühlte zwei Stunden lang quasselt er mich mit irgendwelchen Tulpenzwiebeln voll."

Aileen sah aus, als müsse sie ein Lachen unterdrücken und zwinkerte ihrer Tochter zu, wie um zu sagen: "Der Plan hat doch wunderbar funktioniert."
 

"Oh, ist der süß!"

"Darf man ihn anfassen?"

"Hey, lasst mich auch mal!"

Smink saß in einer Ecke des Klassenzimmers und versuchte den Händen auszuweichen, die ihm ständig durchs Fell fuhren und schon zweimal schmerzhaft gegen seine Antenne gestoßen waren. Seine Augen huschten wild umher und suchten einen Ausweg aus dem Gedränge. Sein Instinkt sagte ihm, dass er sich wehren musste, aber er wollte Abigails ersten Schultag nicht gleich in einem Disaster enden lassen.

"Lasst ihn bitte in Ruhe, er mag es nicht gern, so in eine Ecke gedrängt zu werden", sagte Abigail mit zaghafter Stimme.

Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihre Mutter gleich wegzuschicken, aber sie hatte nicht wie ein Baby dastehen wollen, wenn sie schon in eine ältere Klasse kam. Mittlerweile fragte sie sich allerdings, ob sie da den Mund nicht ein wenig zu weit aufgerissen hatte, vor allem da ihre Mutter ihr noch angeboten hatte, draußen zu warten und sie wieder mitzunehmen, sollte es nicht klappen.

Ein rothaariges Mädchen sah sich mit großen Augen nach ihr um und fragte: "Woher hast du denn ein lebendiges Wiesel her? Ich habe noch nie eines zu Gesicht bekommen."

"Daddy hat ihn mir als Aufpasser zur Seite gestellt", erklärte Abigail nervös und versuchte sich durch die Menge zu drängen.

"Okay, das ist genug!", ertönte da die Stimme der Lehrerin.

Die Schüler stoben auseinander und setzten sich auf ihre Plätze, was Abigail die Möglichkeit gab, den ziemlich zerzaust aussehenden Smink aufzuheben. Das Wiesel grummelte leise vor sich hin.

"Man darf kleine Tiere nicht so in eine Ecke drängen", fuhr die Lehrerin fort. "Sie könnten sonst einen Herzanfall bekommen."

Smink schnaubte verächtlich. Das Einzige, das passieren konnte war, dass er jemandem kräftig in den Finger biss.

Die Lehrerin wandte sich nun Abigail zu und winkte sie zu sich heran. "Klasse, ich möchte, dass ihr eine neue Kameradin willkommen heißt. Ihr Name ist Abigail Mind." Bei der Einfallslosigkeit des Nachnamens verzogen sowohl Abigail als auch Smink das Gesicht. "Sie ist zum ersten Mal in einer Schule, also seid nett zu ihr. Wir wollen sie schließlich nicht gleich am ersten Tag vertreiben, oder?"

"Nein, Miss Pennyfeather", kam die einstimmige Antwort.

Miss Pennyfeather nickte zufrieden. "Gut, Abigail, dann erzähl der Klasse mal etwas über dich."

"Wir wissen doch schon, wer sie ist!", rief ein Junge in den Raum. "Sie ist Megaminds Klon!"

"Tom!", rief die Lehrerin wütend. "Noch so eine Äußerung und du bekommst eine Strafarbeit! Ihr müsst nicht alles glauben, was man euch erzählt."

Tom duckte sich hinter seinen Tisch und war still.

Miss Pennyfeather nickte Abigail aufmunternd zu, die zögerlich ein paar Schritte nach vorne trat und Smink so fest an sich drückte, dass er nach Luft schnappen musste.

"Ollo", grüßte sie und zuckte zusammen, als vereinzelt Gekichere zu hören war. "Ich bin Abigail und das ist Smink." Sie hob ihren Minion hoch, der die Klasse gelangweilt ansah. "Er ist mein Aufpasser, wenn Daddy nicht da ist."

"Wird Megamind in die Schule kommen?", fragte ein blondes Mädchen ängstlich.

Abigail wusste, was sie darauf zu antworten hatte. Ihre Eltern hatten es ihr oft genug eingeschärft. "Nein. Er hat Wichtigeres zu tun."

"Durftest du schon mal einen seiner Roboter steuern?", wollte ein sommersprossiger Junge aufgeregt wissen.

Sie schüttelte den Kopf. "Ich darf sie nicht mal anfassen. Zu gefährlich."

Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Klasse.

"Wie alt bist du eigentlich?" Ein Mädchen von chinesischer Abstammung musterte sie von Kopf bis Fuß. "Du siehst ziemlich klein aus."

"Naja, ich..." Abigail sah unsicher zu Smink hinunter. "Ich bin fünf. Smink ist fünfeinhalb."

Die Klasse begann erstaunt zu murmeln und Miss Pennyfeather musste auf den Tisch klopfen, ehe wieder Ruhe einkehrte.

"Ja, Kinder, ich weiß, das ist sehr jung", meinte sie. "Aber deswegen müsst ihr hier nicht gleich so ein Theater veranstalten." Sie wandte sich dem Mädchen zu. "Ich glaube, das reicht fürs Erste. Warum setzt du dich nicht neben Melissa?" Sie deutete auf das rothaarige Mädchen, mit dem Abigail bereits gesprochen hatte.

Abigail setzte sich und betrachtete das fremde Mädchen aus den Augenwinkeln. Sie hatte noch nie echtes rotes Haar gesehen. Eigentlich hatte sie gedacht, dass es so etwas nur in Filmen gibt.

Sie zuckte zusammen, als plötzlich ihre Hand berührt wurde.

"Oh, tut mir leid", sagte Melissa. "Ich wollte nur wissen, wie sich blaue Haut anfühlt."

Smink hob misstrauisch den Kopf von Abigails Schoß.

"Warum?", fragte diese.

"Weil mein großer Bruder gesagt hat, dass es sich anfühlen muss wie Schlangenhaut. Ich wollte immer schon herausfinden, ob das stimmt. Aber ich hatte nie Gelegenheit dazu."

"Daddy trägt immer Handschuhe", merkte Abigail an. "Das kannst du gar nicht überprüfen."

Melissa machte große Augen. "Zieht er sie nie aus? Auch nicht zum Schlafen?"

"Sei doch nicht blöd!", sagte ein Junge hinter ihnen. "Wer geht denn schon im Schlafanzug auf die Straße? Das wäre echt unsuperschurkenhaft."

"Halt den Mund, Damian!", zischte Melissa wütend. "Wir haben nicht mit dir geredet."

Damian streckte ihr die Zunge raus. "Wenn du so dumme Sachen fragst, kann man ja gar nicht anders als sich einzumischen."

"Achja?" Sie drehte sich verärgert zu ihm um. "Als wären deine Fragen sehr viel intelligenter."

"Äh, die Lehrerin...", murmelte Abigail, wurde aber von den sich kabbelnden Kindern überhört.

Erst als Miss Pennyfeather neben ihnen stand und sich laut räusperte, hörten die beiden auf und wandten sich wieder der Tafel zu.
 

Megamind saß im Unsichtbaren Auto vor der Greenwood-Schule und beobachtete misstrauisch das Treiben auf dem Schulhof, darauf wartend, dass seine Tochter auftauchte. Roxanne und er hatten eine heftige Diskussion darüber gehabt. Sie war der Meinung, dass Abigail zur Schule gehen musste, wenn sich die Leute jemals an sie gewöhnen sollten, während er der Meinung war, dass man seinen Gegner nicht noch mehr Möglichkeiten geben sollte, ihr zu schaden. Letztendlich hatte sie den Streit gewonnen und er hatte zähneknirschend nachgeben müssen.

Aber vielleicht waren seine Sorgen doch unbegründet, dachte er, als er seine Tochter mit einem rothaarigen Mädchen über den Schulhof eilen sah. Anscheinend brachte man sie nicht so selbstverständlich mit seinen Plänen in Verbindung, wie er befürchtet hatte.

"Sir?", fragte Minion vom Fahrersitz aus. "Können wir jetzt weiterfahren? Sie sehen ja, dass es Abigail gut geht."

Megamind lehnte sich seufzend in seinem Sitz zurück. "Es könnte immer noch etwas passieren."

"Und was wollen Sie tun, sollte dies tatsächlich der Fall sein?", erwiderte Minion augenrollend. "Sie können schließlich nicht da reinrennen und jeden dehydrieren, der sie schief ansieht. Offiziell wird angenommen, dass Sie das Interesse an ihr verloren haben. Wenn die Leute nun erfahren, dass Sie die Orte überwachen, die Abigail besucht, dann..."

"Jaja, ich weiß", unterbrach Megamind ihn genervt. "Keine öffentliche Kontaktaufnahme bis die Situation geregelt ist, schon kapiert." Er setzte sich aufrecht hin. "Dann fahr in Gottes Namen weiter."

Minion warf seinem Herrn einen entschuldigenden Blick zu und drückte aufs Gas.
 

Roxanne war gerade dabei in ihr Brot zu beißen, das sie in einem Café nur ein paar Meter von ihrem Arbeitsplatz entfernt gekauft hatte, als sie von der Seite her angesprochen wurde.

"Guten Tag, Miss Ritchi. Ich hoffe mit Abigail läuft alles gut?"

Sie ließ ihr Brot sinken, drehte den Kopf und erkannte Dr. Striker. Der hatte ihr gerade noch gefehlt.

"Was möchten Sie?", fragte sie gezwungen freundlich. "Abigail ist gerade in der Schule und ich habe nicht besonders lange Pause." Mal abgesehen davon, dass sie diesen Mann nicht in der Nähe ihrer Tochter haben wollte.

Dr. Striker hob beruhigend die Hände. "Ich bin nur zufällig vorbeigekommen und wollte mich über den Stand der Dinge erkundigen. Megamind war erstaunlich ruhig, dafür dass seine Tochter weg ist."

Roxanne musterte ihn misstrauisch. "Was meinen Sie damit?"

"Jeder, der ihn erlebt hat, war der Meinung gewesen, dass er die Stadt auf den Kopf stellen oder Sie zumindest aufsuchen würde", erklärte er. "Aber noch immer ist sie bei Ihnen und er hat noch immer nicht seine üblichen Pläne durchgezogen."

Sie zuckte mit den Schultern. "Bei mir ist er nicht vorbeigekommen. Vielleicht gefällt ihm die Vorstellung, dass ich auf sein Kind aufpasse."

"Das wäre doch sehr ungewöhnlich, finden Sie nicht?"

"Jeder weiß, dass Megamind eine kleine Schwäche für mich hat", meinte Roxanne abweisend. "Und ihm mag klar sein, dass es Abigail nur schadet, wenn er sie dazu zwingt, auf der Flucht zu leben."

"Ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt so vorausschauend sein kann", sagte Dr. Striker. "Alle seine Pläne haben Nachlässigkeitsfehler, die man sehr leicht vermeiden könnte."

"Er hat es immerhin geschafft, Abigail fünf Jahre versteckt zu halten", antwortete sie. "Das wäre doch ein Indiz für vorausschauendes Planen, oder?"

"Möglich", stimmte er zu. "Aber so rasend wie er gewesen ist..."

"Wenn er die Nachrichten gesehen hat, muss er bemerkt haben, dass ich mich um sie kümmere", unterbrach sie ihn. "Das mag sein Temperament gekühlt haben. Er kann sowieso nie lange wütend sein. Gut zehn Jahre als seine Geisel haben mich das erkennen lassen."

Dr. Striker machte den Mund auf, um etwas zu sagen, als "Andrew" angeschritten kam.

"Ol- Hallo!", grüßte er und konnte gerade so verhindern, sich durch seinen Sprachfehler zu verraten. Es wunderte sie, dass er nicht schon viel früher aufgeflogen war.

"Andrew!", sagte Roxanne erleichtert. Vielleicht hatte Megamind/Andrew mehr Glück, den neugierigen Doktor loszuwerden. "Ich dachte schon, du kommst nicht mehr."

"Oh, ich musste nur dafür sorgen, dass alles gut läuft", erwiderte er schulterzuckend.

"Ich habe dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist", meinte sie.

Dr. Striker sah zwischen ihnen hin und her, ehe er seinen Blick auf Megamind/Andrew richtete. "Kennen wir uns irgendwoher?"

"Andrew" zuckte abermals mit den Schultern. "Kann mich nicht erinnern. Ich habe allerdings ein Allerweltsgesicht."

Der Doktor nickte langsam. "Da habe ich mich wohl geirrt. Manchmal hat man dieses Gefühl von Déjà-Vu, wissen Sie?"

"Das kann den Besten unter uns passieren.", Megamind/Andrew sah auf seine Uhr. "Aber wir müssen jetzt wirklich los. Komm, Roxanne, bevor deine Pause vorbei ist!"

Roxanne nickte. "Tja, da hören Sie's, Doktor. Wir haben noch Dinge zu bereden."

Damit verschwanden sie aus Dr. Strikers Blickfeld.

"Was wollte der Kerl von dir?", fragte Megamind, als er sicher war, dass Dr. Striker ihnen nicht folgte.

"Hat versucht, mich über Abigail auszufragen", erwiderte Roxanne. "Wir müssen aber aufpassen. Ich glaube, ihm ist klar, dass es sehr ungewöhnlich für dich ist Abigail nicht wieder mitzunehmen."

Er sah sie nachdenklich an. "Hm, meine neueste Erfindung ist noch nicht fertig gestellt, deshalb kann ich im Moment noch nicht viel machen. Ich könnte allerhöchstens versuchen, die Brainbots durch die Stadt zu schicken, damit es so aussieht, als arbeite ich an etwas Großem."

"Gibt es da nicht eine alte Erfindung, von der du mir mal erzählt hast?", fragte sie und hakte sich bei ihm unter. "Den Megabot oder so?"

"Mega-Megamind", korrigierte er sie. "Aber der ist zu unberechenbar. Am Ende ergreift er dich noch und spielt King Kong."

"Dein Roboter ist weniger berechenbar als du." Roxanne lachte. "Warum wundert mich das nicht?"

Er schmollte. "Unsere Beziehung ist aber nicht berechenbar."

"Nein, aber das liegt eher an der Situation als an dir", neckte sie. "Aber wenn es wirklich nicht anders geht, musst du mich eben wieder mitnehmen. Ich kann Abigail bei meiner Mutter unterbringen, dann fällt es nicht auf, wenn du sie nicht mitnimmst."

"Deine Mutter ist einverstanden, das Kind eines Superschurken aufzunehmen?"

"Nein, aber das Kind ihrer Tochter", erwiderte sie.

Megamind versteifte sich. "Du hast es ihr gesagt?"

"War gar nicht nötig", meinte sie. "Sie hat die Ähnlichkeit zwischen Abigail und mir erkannt. Solange du ihr Haus nicht zum Einsturz bringst, hat sie kein Problem mit dir."

Er sah nicht überzeugt aus. "Hoffentlich erzählt sie nichts weiter."

Roxanne verdrehte die Augen. "Meine Mutter weiß doch, wie viel auf dem Spiel steht. Außerdem ist sie froh, dass es wenigstens nicht Metro Man ist. Sie misstraut allzu perfekten Menschen. Das wären die Ersten, die Probleme machen, meint sie."

Megamind grinste. "Na, immerhin eine, die nicht der Meinung ist, dass Metro Man das Beste seit geschnitten Brot ist."

"Wie? Ich gelte nicht?", fragte sie gespielt beleidigt und blieb stehen.

"Nein, du bist schließlich mit ihm befreundet", erwiderte er ernsthaft und küsste sie auf die Nase. "Du kannst dich also nicht damit rühmen."

Roxanne schlug ihm gegen die Schulter. "Nun gut, ich muss zur Arbeit zurück", sagte sie dann und setzte sich wieder in Bewegung. "Meine Mittagspause ist fast vorbei. Aber danke, dass du mich vor Dr. Striker 'gerettet' hast."

"Wann hat Abigail Schulaus?", fragte er unvermittelt. "Dann könnte ich sie abholen."

Sie schnaubte amüsiert. "Das gäbe ein Geschrei. 'Entschuldigen Sie, ich möchte meine Tochter abholen!' 'Aaah!'"

"Ich bleibe natürlich in Verkleidung", meinte er trocken.

"Und wie willst du sie heimbringen? Du kannst nicht mit dem Unsichtbaren Auto vorfahren, dann wissen sie gleich, dass du es bist. Und die U-Bahn ist zu gefährlich für Abigail."

"Nikolas hat auch kein Auto", erinnerte er sie. "Und er soll sie doch sicher abholen, oder?"

"Eigentlich wollte ich selbst hinfahren", erwiderte sie. "Ich nehme mir für eine halbe Stunde frei und setze sie bei Nikolas ab. Nach achtzehn Uhr hole ich sie dann wieder ab. Ich hatte erst überlegt, ob ich sie in die Hausaufgabenbetreuung schicken soll, aber ich habe bereits gesehen, wie schnell sie arbeitet. Die Bücher, die ich ihr mitgebracht habe, hat sie schon alle ausgelesen. Mein Chef hat auch nichts dagegen, wenn ich mir ein wenig für Abigail freinehme."

"Zahlt sich aus, die Reporterin zu sein, die die meisten Quoten bringt, was?"

"An manchen Tagen wäre ich lieber weniger bekannt", gab sie zu. "Besonders weil alle Welt immer nur wissen will, ob Metro Man irgendwann um meine Hand anhält."

Megaminds Gesicht verdüsterte sich. "Das soll er nur mal versuchen! Dann mische ich ihm Chilipfeffer unters Essen."

Roxanne lachte. "Und wie willst du nah genug herankommen? Am Ende erhält er noch eine Feuerspeifähigkeit dazu."

"Das wäre immerhin der Beweis dafür, dass er eine Cartoonfigur ist", scherzte er.

Sie waren an ihrem Arbeitsplatz angekommen.

"Huh, habe gar nicht gemerkt, dass wir in diese Richtung gesteuert sind", kommentierte Roxanne. "Aber es passt ganz gut." Sie wandte sich Megamind zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Wir sehen uns noch."

"Meinst du damit etwas Spezifisches?" Er grinste unverschämt.

Sie boxte ihn in den Arm. "Benimm dich."

Sie eilte die Stufen hinauf und verschwand durch die Tür.
 

___________
 

@ SainzDeRouse: Das mit Dr. Striker hat mir erst letztens eine Freundin erzählt. Ich selbst habe X-Men nie gesehen, deswegen kann ich das nicht beurteilen. Aber was auch immer ich versucht habe, mir ist einfach kein besserer Name eingefallen.

Sterilisation kann man sowohl bei Männern als auch bei Frauen sagen. Bei Kastration wird das gesamte Geschlechtsorgan abgeschnitten, während bei Sterilisation nur die Samenleiter durchgeschnitten wären. Hätten sie vorgeschlagen, dass man Megamind kastrieren soll, hätte man sie überhaupt nicht mehr in seine Nähe gelassen. Und Metro Man wird wahrscheinlich nicht als Alien gesehen, weil er nicht so aussieht. Ist natürlich eine Doppelmoral, aber gerade im Megamind-Fandom wird auch davon ausgegangen, dass er keine Kinder mit Menschenfrauen zeugen kann.

Naja, bei Minion ist es so, dass da tatsächlich eine Antenne aus seinem Hinterkopf ragt und ich mir sicher bin, dass die nicht an sich zu seinem Körper gehört. Ich habe einfach darauf aufgebaut mit Smink. Vielleicht ist Minion anders, aber bei Smink hätten sie gar keine andere Wahl.

Und der Witz ist ja, dass Minion kein kreativer Name ist.

Bei dem Im-Gefängnis-Aufwachsen gibt es die Theorien, dass er a) dort war, um ihn besser vor der Regierung zu schützen, b)von keinem Kinderheim oder Adoptionsbüro aufgenommen werden wollte oder c) er dort bleiben wollte, weil er dachte, dass das sein Schicksal wäre. Ich nehme hier eher Route b) mit Elementen von a), aber eher die harmlosere Variante.

Schafe der Verdammnis

"Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist", sagte Roxanne, als Minion sie an einem Kran in die Höhe zog.

"Jetzt mach dir keine Sorgen", meinte Megamind leicht genervt, der diesen Kommentar bereits von Minion zu hören bekam. "Du bist gesichert."

"Das ist das Problem", erwiderte sie augenrollend. "Es ist zu auffällig, wenn ich nicht aussehe, als könnte ich herunterfallen. So dumm sind die Leute auch wieder nicht."

Er schnaubte ungläubig. "Roxanne, die Einzige, die herausgefunden hat, dass Abigail deine Tochter ist, ist deine Mutter."

Sie seufzte, während sie auf dem Stuhl saß, der in der Luft baumelte. Wenn er wenigstens vornüber hängen würde, dann sähe es nicht so offensichtlich aus...

Amüsiert schüttelte sie den Kopf über sich selbst. Jetzt begann sie auch noch, die Pläne mitzuinszinieren. Sie verbrachte eindeutig zu viel Zeit mit ihm.

"Ist alles in Ordnung da oben, Miss Ritchi?", rief Minion besorgt.

"Jaja", antwortete sie. "Nur etwas zu offensichtlich, dass ich nicht in Gefahr bin. Also noch offensichtlicher als sonst."

"Ruhe auf den billigen Plätzen!", knurrte Megamind, als er an ihr vorbei nach oben kletterte. Nach kurzer Überlegung beugte er sich vor und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Dann zog er noch einmal an den Seilen. "Immerhin haben wir das Knock-Out-Gas benutzt."

"Darauf hättest du ruhig verzichten können", brummte Roxanne ungehalten. "Und auf diesen Sack auch."

Er lachte ein böses Lachen. "Mir war nostalgisch zumute."

"Erklärt natürlich warum du dieselbe Taktik anwendest wie bei deinem Robotereinhorn damals", murmelte sie und bekam prompt zu hören: "Das war kein Einhorn!"
 

Hunderte Roboterschafe hüpften die Straßen entlang, verbogen alle Straßenschilder, wühlten die Grünflächen auf und - am schlimmsten von allen - störten die Menschen durch ihr ständiges Gemähe.

Das war eindeutig der albernste Plan, den Megamind bisher hatte, fand Metro Man. Wie konnte man diesen Angriff überhaupt ernst nehmen? Glaubte er wirklich, dass er damit gewinnen konnte?

Roxanne baumelte gelangweilt von einem Kran, nicht im Mindesten dadurch aus der Ruhe gebracht, dass sie ein paar hundert Meter über der Erde hing.

"Keine Bange, Roxie, ich hol dich gleich darunter", meinte Metro Man und knüllte ein Roboterschaf in der Hand zusammen.

"Sollte ich einschlafen, weckt mich bitte nicht auf", erwiderte sie trocken. "Obwohl man bei dem Krach wirklich sehr müde sein müsste."

"Ich treibe nur gerade diese Wiederkäuer zusammen."

"Du hast keine Chance gegen meine Wiederkäuer der Verdammnis!", rief Megamind, der mit übergeschlagenen Beinen auf dem Kran saß.

"Wiederkäuer der Verdammnis?", fragte Roxanne und warf ihm einen zweifelnden Blick zu. "Ernsthaft?"

"Ein guter Hirte kann jede Art von Schaf zusammen treiben!", erwiderte Metro Man und zeigte mit heroischer Geste auf Megamind.

"Na toll, Schafwortspiele!", stöhnte sie genervt.

"Aber ein widerspenstiger Hammel kann selbst diesen auf die Hörner nehmen!", gab Megamind zurück, ohne sie zu beachten.

"Dann sperrt man den Hammel eben ein!"

"Das Böse wird ihn wieder rausholen!"

"Das Gute macht Ragout aus widerspenstigen Hammeln!"

"Oh, igitt!" Megamind schüttelte sich. "Das schmeckt doch total ranzig!"

Roxanne musste sich ein Lachen verkneifen.

Ein bisschen aus dem Konzept gebracht, wurde Metro Man von einem Schaf am Kopf getroffen. "Das Gute kann jede Speise wohlschmeckend machen!", rief er schließlich, als er den Faden wieder gefunden hatte.

"Dann werde ich dir die Suppe versalzen!"

"Das Böse hat keinen Salzstreuer, der groß genug ist, um dem Guten irgendetwas zu versalzen!"

"Dann nehme ich eben mehrere!"

"Man kann Qualität nicht durch Quantität ersetzen!"

"Da wärst du schon längst von der Bildfläche verschwunden!"

"Hnch!", machte Roxanne und warf genervt den Kopf in den Nacken. "Mädchen, ihr seid beide gleich hübsch! Kann ich jetzt nach Hause?"

"Sicherlich!", erwiderte Megamind. "Wenn Metro Man mit Schafe zählen fertig ist."

"Und hört mit den dämlichen Schafwortspielen auf!"
 

Nachdem Metro Citys Schafproblem gelöst worden war, wurde Roxanne von Metro Man auf ihrem Balkon abgesetzt.

"Ich glaube, ich kann eine ganze Weile keine Schafe mehr sehen", stöhnte sie entnervt. "Ihr habt mir diese Tiere wirklich madig gemacht."

Metro Man lachte verlegen. "Wir haben vielleicht ein wenig den Faden verloren..."

Sie schnaubte. "Das kannst du laut sagen!" Sie sah auf die Uhr. "Ich muss Abigail noch von meiner Mutter abholen. Hoffentlich begegnen mir keine Schafe!"

"Ich werde die Schafe verstecken", meinte er belustigt. "Du sollst keine Wiederkäuer mehr zu Gesicht bekommen müssen."

Roxanne nahm die Autoschlüssel vom Haken. "Was können denn die armen Schafe dafür?"

"Soll ich dich begleiten?", fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. "Abigail hat Angst vor dir. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass mich jetzt noch jemand entführen will."

Er nickte und schwang sich in die Lüfte. "Fahr vorsichtig", sagte er noch, bevor er verschwand.

Als er weg war, blies Roxanne die Wangen auf. "Wenn sie erst einmal mit den Wortspielen angefangen haben, hören sie nicht mehr auf. Fürchterlich!"

Sie verließ ihre Wohnung und begegnete auf dem Flur einer älteren Nachbarin.

"Ah, Miss Ritchi, Sie sind also wieder zurück?", fragte sie. "Dieser Megamind hat sie ja ziemlich lange dort baumeln lassen."

"Einen schnell ausgeführten Plan gibt es bei Megamind nicht, Mrs. Albert", erwiderte Roxanne trocken. "Wenn ich die Hände frei hätte, würde ich mir wohl ein paar belegte Brote mitbringen."

Mrs. Albert gluckste. "Manchmal meint man fast, dass diese Entführungen für Sie nichts weiter als Kaffestündchen sind."

"Dann wären es aber die schlechtesten Kaffefeiern, die ich je gesehen habe", meinte Roxanne und drückte den Aufzugknopf. "Der Gast kann seinen Kaffee nicht trinken, weil seine Hände gefesselt sind."

"Wo ist eigentlich die Kleine, die Sie bei sich aufgenommen haben?" Die alte Dame sah sich um. "Sie war doch wohl nicht dabei, als Megamind Sie entführt hat?"

Roxanne schüttelte den Kopf und stieg in den Aufzug. "Ich habe sie zu meiner Mutter gebracht." Eigentlich saß Abigail bei Nikolas in der Wohnung und futterte wahrscheinlich einen Haferkeks nach dem anderen - wie sie diese Dinger mit solchem Heißhunger essen konnte, wusste sie wirklich nicht -, aber das musste ihre Nachbarin nicht unbedingt wissen. Irgendwie hatte Roxanne das Gefühl, dass sie gemaßregelt worden wäre, wenn sie die Wahrheit gesagt hätte...

Die Türen schlossen sich und der Aufzug fuhr nach unten.
 

Das rothaarige Mädchen, das Abigail von der Schule mitgebracht hatte, war dei reinste Quasselstrippe. Megamind seufzte genervt, während er die beiden Mädchen in der Spieleecke des Cafés beobachtete und dankte welchem Gott auch immer, dass seine Tochter nicht so geworden war.

Eigentlich hatte er mit Abigail und Roxanne zum "Otherworld" gehen wollen, aber da diese Melissa zu Besuch war, konnte er nicht einmal seine wahre Gestalt annehmen. Und natürlich hatten sie irgendein lautes, überfülltes Café besuchen müssen.

Er warf Roxanne einen genervten Blick zu. Spielkameradschaft hatte sie das genannt, aber die beiden Mädchen spielten noch nicht einmal. Stattdessen plapperte das ältere Mädchen seiner Tochter fast ein Ohr ab. Auch Smink sah ziemlich genervt drein.

"Sei doch nicht so eifersüchtig", flüsterte Roxanne ihm belustigt zu. "Du benimmst dich wirklich albern."

Megamind schnaubte verächtlich. "Ich bin nicht eifersüchtig! Mich stört nur, dass unsere Routine von dieser wandelnden Tomate unterbrochen wird."

"Eifersüchtig", murmelte sie und verdrehte die Augen. "Ich könnte es ja verstehen, wenn es Metro Man oder jemand Ähnliches wäre, aber ein kleines Mädchen...?"

"Das fehlte noch, dass meine Tochter diesem Schmierbolzen auf den Leim geht!", zischte er erbost. "Und dieses Mädchen ist zwei Jahre älter als Abigail!"

"Na und?", erwiderte Roxanne gelassen und beobachtete die beiden Mädchen. "Nikolas ist acht Jahre jünger als Minion und du!"

"Das ist etwas anderes! Nikolas ist integraler Teil unserer Pläne und Geheimniswahrer. Die Kleine da würde doch schreiend davonrennen, wenn sie mir gegenüber stünde!"

"Untersteh dich!", befahl sie streng und stupste mit dem Zeigefinger seine Nase an. "Du wirst nicht Abigails erste Freundin vergraulen, ist das klar?"

Megamind hob beschwichtigend die Hände. "Reg dich doch nicht so auf! Ich will schließlich nicht, dass meine Deckung auffliegt."

"Worüber unterhalten Sie sich?", fragte da eine Stimme und beide drehten sich erschrocken um.

Melissa und Abigail waren aus der Spieleecke gekommen und sahen die beiden Erwachsenen neugierig an.

"Oh, nichts Besonderes", log Megamind und spürte, wie seine Ohren rot wurden. "Worüber sich Erwachsene eben unterhalten. Wirtschaft, Politik und solche Sachen."

Melissa sah nicht überzeugt aus. "Dafür muss man doch nicht flüstern."

Der Superschurke seufzte innerlich. Von allen Kindern, mit denen sich seine Tochter hätte anfreunden können, musste sie eines erwischen, das über die Maße neugierig war.

"Vielleicht wollen wir auch nicht, dass jemand unsere Meinung hört", sagte er schließlich. "Hier weiß man ja nie."

Die Mädchen sahen sich verwirrt an.

"Tja, äh", machte Roxanne und blickte sich gehetzt um, ehe sie eine Speisekarte in die Hand nahm. "Hat jemand Hunger?"

Das schien die beiden lange genug abzulenken, um es zu vergessen. Gegen Ende der Mahlzeit erwähnte niemand mehr ein Wort davon.
 

Das "Otherworld" war ein guter Ort um nicht gesehen zu werden und es lag nah genug an Megaminds Wirkungsbereich, dass die Gangs einen Bogen darum machten. Niemand wagte es das Gebiet eines Superschurken zu betreten, selbst wenn dieser regelmäßig verlor. Aber immerhin verlor er gegen den mächtigsten Mann der Welt.

Zudem wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass die Familie, die dieses Lokal führte, Beziehungen zu Megamind unterhielt und er war auch schon ein oder zweimal dort gesehen worden.

Umso erstaunter war Metro Man deshalb, dass es so ordentlich war. Hier kamen bestimmt keine Kriminellen her, sah man mal von Megamind ab, wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte.

Und genau das war der Grund, warum er jetzt hier war. Vielleicht konnten ihm diese Leute etwas sagen, wenn sich Megamind schon weigerte. Sicherlich hatte er seine Tochter nicht ständig in seinem Versteck gelassen, wenn er die Befürchtung hatte, man wolle sie einsperren. Möglicherweise hatte er sie auch hierher mitgenommen oder zumindest ihre Mutter hier getroffen. Auf die eine oder andere Weise würde er an Informationen kommen.

"Hallo?", ertönte eine Stimme hinter ihm und er drehte sich um. Hinter ihm stand eine kleine Frau mit braunen geflochtenen Haaren und musterte ihn misstrauisch. "Gedenken Sie hier etwas einzunehmen oder wollen Sie nur hier stehen und herumschnüffeln?"

"Es tut mir leid", entschuldigte Metro Man sich und fragte sich unwillkürlich, warum sie von "Herumschnüffeln" sprach. "Ich wollte mit den Inhabern sprechen."

Sie nickte. "Das wäre dann wohl ich. Adela Dolm, ich habe das 'Otherworld' gegründet." Sie sah ihn noch misstrauischer an. "Was wollen Sie von mir?"

"Ich wollte nur fragen, ob...", begann er und wurde prompt unterbrochen.

"Nein."

Metro Man sah sie entgeistert an. "Sie wissen doch noch gar nicht, was ich fragen wollte!"

"Sie wollen wissen, ob ich Ihnen etwas über Megamind sagen kann", erklärte Miss Dolm. "Und die Antwort lautet nein."

"Ich habe aber gehört, dass Megamind hier ab und zu mal vorbeikommt."

"Tut er", meinte sie knapp. "Und wir haben keine Probleme mit ihm. Aber das bedeutet nicht, dass ich Ihnen etwas über ihn sagen werde. Meine Familie und ich haben unsere Verschwiegenheit geschworen."

Metro Man war sprachlos. Welchen Nutzen konnte diese Familie daraus ziehen, den Superschurken zu decken? Bot er ihnen Geld an oder bedrohte er sie vielleicht?

"Hören Sie, Miss...", setzte er abermals zum Sprechen an und wurde abermals unterbrochen.

"Wir tun das aus Freundschaft", sagte Miss Dolm. "Jemand wie Sie, der immer auf der Sonnenseite gesessen hat, kann das vielleicht nicht nachvollziehen, aber hier sind Freundschaften sehr wichtig. Also nein, wir bekommen kein Geld von ihm und er bedroht uns auch nicht."

"Ich habe doch gar nichts diesbezüglich gesagt!", protestierte er fassungslos, doch sie schüttelte den Kopf.

"Sie haben es jedenfalls gedacht", erwiderte sie. "Und auch, dass wir in seine 'Machenschaften' verstrickt wären."

Er musste schlucken. Bisher hatte er von solchen Menschen nur von anderen gehört, war selbst aber nie einem begegnet. Die Fähigkeit anderer Leute Gedanken zu lesen war zweifellos ein guter Grund, sich mit solchen Leuten gut zu stellen.

"Sie sind leicht zu lesen", sagte Miss Dolm jetzt trocken. "Megamind hat wohl Recht damit, wenn er Sie als ein wenig einfältig bezeichnet."

Metro Man fühlte sich unbehaglich. Vor dieser gerade mal ein Meter sechzig großen Frau kam er sich vor wie nackt, als könnte sie seine dunkelsten Geheimnisse aufdecken. Und er würde auch keine seiner Fragen beantwortet bekommen.

"Da haben Sie Recht", sagte sie und er zuckte zusammen. Vielleicht war Nicht-Denken der Schlüssel... "Und das mit dem Nicht-Denken ist eine dumme Idee. Das klappt nicht bewusst."

Metro Man runzelte die Stirn. "Wäre es möglich, dass Sie aus meinen Gedanken bleiben? Ich finde diese Unterhaltung ziemlich verstörend."

"Nun, da ich Ihnen Ihre Fragen nicht beantworten kann, ist es auch gar nicht nötig, sie weiter fortzuführen, finden Sie nicht?", meinte sie gelassen.

Er seufzte resigniert. "Und wer kann sie mir beantworten?"

Sie zuckte mit den Schultern. "Sie müssen einfach darauf hoffen, dass Megamind mit Ihnen spricht. Oder sich Abigails Mutter Ihnen offenbahrt, aber das ist eher unwahrscheinlich. Vermutlich ist es sowieso besser für Sie, wenn Sie es nicht wissen."

Er seufzte resigniert. Warum kam es ihm so vor, als würde er die Mutter irgendwo in seiner Nähe finden?

"Wenn Sie mit Ihren Fragen fertig sind, könnten Sie dann bitte gehen?", fragte Miss Dolm und drückte sich an ihm vorbei. "Es ist nicht mehr lange bis die ersten Gäste kommen und wir müssen noch alles vorbereiten."

Aus den Augenwinkeln sah er, wie ihn jemand von der Küche her beobachtete, doch als er hinsah, war niemand mehr da und als er sich zu der Frau umwandte, war auch diese längst verschwunden.

Kopfschüttelnd verließ Metro Man das Lokal und schwang sich wieder in die Lüfte. Er war froh, diesen Ort verlassen zu können.
 

Megamind lag ausgestreckt auf dem Bett und schlief mit halb geöffnetem Mund, Abigail wie ein Stofftier auf seiner Brust liegend. Die Hologrammuhr hatte sich mal wieder von selbst ausgeschaltet, nachdem sie sich mal wieder irgendwo verheddert hatte.

Roxanne schüttelte belustigt den Kopf und drapierte eine dünne Decke über ihre Tochter und Megamind. Sie konnte sich erinnern, dass er sie nur hatte ins Bett bringen wollen, aber anscheinend waren sie beide so sehr von Melissa geschafft worden, dass sie einfach eingeschlafen waren und sie brachte es nicht übers Herz, die beiden noch einmal aufzuwecken, damit sie ihre Alltagskleidung ausziehen konnten. Sie drückte beiden einen Kuss auf die Stirn und verließ den Raum wieder.

Auch wenn heute Samstag war, musste sie dennoch die Reportage fertig bearbeiten, die sie am Montag halten sollte. Als sie durch das Wohnzimmer ging, sah sie Smink neben ihrem Hibiskus hocken.

"Willst du nicht zu Abigail hochgehen?", fragte sie ihn.

Er schüttelte den Kopf. "Miss Abigails Körper kann ich gerade noch so tragen, aber sollte sich Mr. Megamind auf mich rollen, wäre das mein Ende."

Sie lachte. "Na gut, und was wirst du jetzt tun?"

Smink machte eine Bewegung, die man als Schulterzucken deuten konnte, wenn man wollte. "Ich bin nicht besonders müde. Vielleicht passe ich einfach auf, dass niemand Mr. Megamind entdeckt."

Roxanne sah auf die Uhr, die gerade zehn Uhr anzeigte. "Ich glaube kaum, dass Metro Man jetzt noch mal hierherkommt. Ihn meintest du doch, oder?"

Er nickte.

"Selbst wenn er noch mal vorbeikommen sollte, er verdächtigt mich nicht", sagte sie beruhigend. "Er wird die Wohnung wohl kaum mit Röntgenblick durchsuchen." Sie öffnete die Tür zu ihrem Arbeitszimmer.

"Was ist mit Ihnen, Miss Ritchi?", wollte Smink wissen. "Warum schlafen Sie noch nicht?"

Sie drehte sich wieder zu ihm um. "Nun, ich habe noch eine Reportage, die ich fertig schreiben muss. Ich habe es lange genug vor mich hergeschoben."

"Und Sie glauben ernsthaft, dass das um die Uhrzeit noch was bringt?" Er sah sie skeptisch an. "Ich glaube, wenn Sie jetzt schreiben, wird die Reportage zum Disaster."

Roxanne hob amüsiert eine Augenbraue. "Was weiß denn ein Wiesel darüber?"

"Ich weiß nur, dass Menschen keine Nachttiere sind. In der Nacht gelingt ihnen so gut wie gar nichts."

Sie beugte sich zu ihm runter. "Und was soll ich deiner Meinung nach tun?"

Smink machte abermals die seltsame Bewegung, dieses Pseudoschulterzucken. "Wie wär's, wenn Sie sich einfach ins Bett legen? Scheint ja noch genug Platz da zu sein. Die Reportage können Sie auch noch morgen weiterschreiben."

"Du stellst mir aber nicht die Wohnung auf den Kopf, wenn ich ins Bett gegangen bin, oder?" Sie sah ihn misstrauisch an.

"Ich bin doch kein gewöhnliches Tier!", meinte er beleidigt. "Wahrscheinlich werde ich mich gleich sowieso auf dem Sofa zusammenrollen, also seien Sie unbesorgt."

Roxanne erhob sich. "Na gut, wenn du meinst..."

Gerade als sie wieder die Tür zum Schlafzimmer erreicht hatte, sah sie, wie das Wiesel auf die Couch hüpfte und sich in einer Ecke zusammenrollte.

Megamind und Abigail lagen noch immer in derselben Stellung, in der sie die beiden zurückgelassen hatte. Vorsichtig schlich Roxanne an ihnen vorbei zum Schrank und zuckte jedes Mal zusammen, wenn eine Diele knarrte. Sie öffnete den Schrank, zog das T-Shirt und die Hose hervor, die sie zum Schlafen anzog und entledigte sich ihrer Tageskleider.

Gerade als sie den BH ausgezogen hatte und in die Hose schlüpfte, kam ein verschlafenes Flüstern vom Bett her. "Wie spät ist es?"

Roxanne drehte sich um und sah Megamind halb aufgerichtet dasitzen, Abigail noch immer auf seiner Brust liegend.

"Es ist halb zwölf", sagte sie und zog sich das T-Shirt über den Kopf.

Er versuchte unter Abigails Körper durchzuschlüpfen, die einen unwilligen Laut von sich gab, als sich ihr "Kissen" bewegte. "Hilfe!", murmelte er ihr zu und sie lachte leise.

"Hmm, nein, ich denke, ich lasse dich hier", erwiderte sie grinsend.

Er sah sie aus großen Augen an. "Bitte? Wenn Metro Man kommt..."

"Metro Man braucht auch seinen Schlaf. Du musst dir keine Sorgen darüber machen, dass er hier plötzlich auftaucht." Sie schlüpfte unter ihre Decke und stützte sich mit dem Ellbogen ab. "Also, warum schläfst du nicht weiter? Abigail kannst du sowieso nicht wegschieben, ohne sie aufzuwecken." Sie strich dem Mädchen über den Schädel.

Er sah von Abigail zu ihr und wieder zurück. "Dann bleibt mir wohl keine Wahl, oder?" Er grinste schief.

"Nein." Roxanne gähnte und kuschelte sich in ihr Kissen, wobei sich ihre Arme um seinen rechten Arm legten. "Gute Nacht."
 

_______
 

@ SainzDeRouse: Ja, ich gebe zu, das mit Roxannes Mutter ist mir nicht gut gelungen. Ich habe diese Szene so oft umgeschrieben, dass ich irgendwann wohl einfach vergessen habe, sie richtig darzustellen. Ich werde das Kapitel noch mal überarbeiten, kann aber eine Weile dauern. Und das mit Metro Man: Naja, ich habe mir einfach überlegt, dass die Tatsache, dass Metro Man nicht Roxannes Typ ist von ihrer Mutter herkommt, dass sie also den Geschmack ihrer Mutter teilt. Und mal ganz im Ernst: Allzu "perfekte" Menschen sind doch immer ein wenig verdächtig.

Der Kinderwunsch kommt von Megaminds Biologie. Werde ich wohl in einem der kommenden Kapitel erklären.

Ok, dann Vasektomie. Ich war der Meinung, dass das gleich heißt, egal ob Männlein oder Weiblein. Jetzt muss ich nur noch das Verb dazu finden.

Naja, ich habe aus irgendeinem Grund die Theorie, dass Minions einfach so fixiert auf ihren Namen sind, dass sie sich weigern, ihn zu ändern, selbst wenn er total bescheuert ist. Keine Ahnung, wieso, aber mir gefällt der Gedanke irgendwie, wie sich Megamind nach dem Film mit "seinem" Fisch streitet, weil er dessen Namen ändern will.

Die Entdeckung im Park

In letzter Zeit fragte sich Metro Man, was mit Megamind los war. Es dauerte mehrere Tage zwischen Ausbruch und Angriff und meistens waren es eher halbherzige Versuche. Auch Roxanne wurde nicht mehr mit der Regelmäßigkeit entführt wie früher und verdächtigerweise auch nur dann, wenn Abigail nicht bei ihr zuhause war.

In manchen Boulevardzeitschriften hieß es schon, sie und Megamind sprächen sich ab, aber das konnte Metro Man beim besten Willen nicht glauben. Vielleicht war es wirklich so wie Roxanne vermutete und er wollte nicht Gefahr laufen, dass seine Tochter an einen anderen Ort gebracht wurde.

In der Hinsicht tat ihm sein Widersacher beinahe leid, wenn er sah, wie vertraut das kleine Mädchen mittlerweile mit Roxannes Sozusagen-Freund, Andrew Hopkins, umging.

Es freute Metro Man, dass Roxanne endlich mal wieder eine Beziehung am Laufen hatte, auch wenn die Öffentlichkeit das anders sah. Wie die Aasgeier waren die Reporter dem Paar hinterhergeschlichen und das einzig Gute war, dass dadurch das Interesse an Abigail nachließ. Aber es ging ihm doch ziemlich auf die Nerven, ständig darauf angesprochen zu werden. Egal was er sagte, es wurde immer so ausgelegt, als hätte Roxanne ihm Hörner aufgesetzt.

Sagte er, dass sie nie zusammen waren, wurde ihm Verdrängung diagnostiziert, sagte er, dass sie sich einvernehmlich getrennt hätten, meinten alle, er wolle auf die Art den Schmerz verarbeiten und sagte er, dass er von nichts wisse, wurde er bemitleidet. Wie musste es da erst bei Roxanne aussehen?

Und damit kam er wieder auf Megaminds seltsames Verhalten zurück. Eigentlich hätten die Entführungen zunehmen und Andrew angegriffen werden müssen, schließlich hatte der Superschurke diesmal ernsthafte Konkurrenz. Wenn schon nicht wegen Roxanne, dann doch wohl wegen Abigail. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Er regte sich doch nicht umsonst so auf, nur um dann ruhig dabei zuzusehen, wie ein fremder Mann die Liebe seiner Tochter stahl.

Hoffentlich rührte die abnehmende Präsenz seines Gegners innerhalb der Stadt nicht daher, dass er irgendwo saß und sich selbst bemitleidete, dachte Metro Man, während er über den Park flog. Das Letzte, das er jetzt brauchen konnte, war ein depressiver "Erzfeind".

Unter ihm spazierten Pärchen dahon oder saßen eng beieinander auf den Bänken. Und als er über einen abgelegeneren Teil flog, der vor allem mit einer Reihe von dichten Büschen aufzuwarten hatte, sah er Roxanne und Andrew eng unschlungen unter einer Trauerweide stehen. Er wäre wohl weitergeflogen, wenn in diesem Moment nicht etwas passiert wäre, mit dem er niemals gerechnet hätte.

Andrews Armbanduhr hatte sich nur einen Moment lang in Roxannes Haaren verheddert, als er die Hand in ihren Haaren vergrub und die Uhr gab einen blauen Lichtblitz ab. Im nächsten Moment leuchtete sein ganzer Körper blau auf, als würde er dehydriert und ehe Metro Man auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte, stand plötzlich Megamind an Andrews Stelle.

Der Superheld fiel aus allen Wolken. Eigentlich gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder Megamind hielt Andrew irgendwo gefangen und hatte seine Rolle übernommen oder er war Andrew von vornherein gewesen und hatte Roxanne getäuscht. Und Roxanne war anscheinend zu abgelenkt, um zu bemerken, dass ihre Arme auf spitzen Stacheln lagen.

Metro Man setzte zur Landung an. Sein Rivale konnte so viele miese Pläne ausführen wie er wollte, aber das ging zu weit!

Er landete mit einem kleinen Aufprall, was beide herumfahren ließ. Roxannes Augen weiteten sich vor Schreck, als sie Megamind erkannte. Ehe sie aber eine Erklärung verlangen konnte, hatte Metro Man den Superschurken schon vorn am Kragen gepackt und in die Höhe gerissen.

"Lass mich sofort runter, du minderbemittelter Muskelprotz!", schimpfte dieser und zappelte wie ein Fisch an der Angel, um wieder los zu kommen.

"Metro Man...", setzte Roxanne zu sprechen an, doch der Superheld war zu wütend, um sie zu hören.

"Was fällt dir ein, Roxanne so hinters Licht zu führen?", knurrte er. "Hast du keine Ehre mehr im Leib?"

Megaminds Augen zuckten zu ihr rüber, dann richteten sie sich wieder auf ihn und sein Blick wurde hart. "Ich bin ein Superschurke, Metro Man", sagte er herablassend. "Bürgerliche Moralvorstellungen gelten nicht bei mir."

"Was? Du...!" Metro Man war kurz davor, ihm ins Gesicht zu schlagen, als Roxanne ihm in den Arm fiel.

"Ist schon okay, lass ihn runter", sagte sie.

Beide Männer sahen sie erschrocken an.

"Aber, Roxie", murmelte der Superheld. "Er hat dich reingelegt."

Und Megamind zischte: "Roxanne, sei still! Ich kann mich selbst darum kümmern."

Metro Man sah ihn verwirrt an, doch der Superschurke fügte dem nichts hinzu.

"Megamind hat mich nicht reingelegt", meinte Roxanne und seufzte schwer. "Bitte setz ihn ab. Dann erkläre ich alles."

Er setzte seinen Gegner langsam ab, noch immer verwirrt darüber, was los war.

Megamind eilte zu ihr rüber und hielt ihre Hände fest. "Roxanne!", redete er auf sie ein. "Sei nicht dumm! Ich kann mit allem umgehen, dass er mir entgegenwirft!"

Roxanne seufzte abermals und schüttelte den Kopf. Vorsichtig schob sie ihn zur Seite und ging auf Metro Man zu.

"Was hat er dir angetan?", fragte dieser besorgt.

"Nichts", erwiderte sie und er sah sie ungläubig an. "Es stimmt schon, er war in Verkleidung, aber er hat mich nicht getäuscht. Andrew ... hat nie existiert. Er war nur eine Fassade, damit wir etwas zusammen unternehmen konnten."

Der Superheld öffnete und schloss den Mund mehrmals, ohne einen Ton herauszubekommen.

"Wie...", sagte er schließlich, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. "Wie lange geht das schon so?"

Hatte sie vielleicht Megaminds väterliche Seite gesehen - denn wenn Andrew nie existierte, war er es, der so liebevoll mit Abigail umgegangen war - und war deshalb jetzt mit ihm? War Abigails Mutter vielleicht vollkommen ohne Belang?

"Im Januar beziehungsweise Februar werden es acht Jahre", erklärte sie und hielt Megaminds Hand fest, wohl um ihn daran zu hindern, auf seinen Widersacher loszustürmen, was er seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen gerne getan hätte.

"Aber...", stammelte Metro Man. "Du... Du ziehst über ihn her, machst dich über seine Pläne lustig und beschwerst dich über die Entführungen!"

Obwohl ihre schneidenden Bemerkungen eigentlich gar nicht so schneidend waren und eher eine Auflistung von Tatsachen waren.

Megamind seufzte genervt. "Meine Güte, Metro Man, nur weil wir ein Paar sind, bedeutet das nicht, dass sie kampftechnisch auf meiner Seite steht oder gar meine Böse Königin wäre. Sie nimmt eine vollkommen neutrale Rolle in unseren Kämpfen ein und du kannst ihr dafür dankbar sein. Wenn sie nicht wäre, wären unsere Kämpfe längst eskaliert."

"Das war nur gespielt?", fragte Metro Man fassungslos. "Wie kann man vorspielen, jemanden nicht leiden zu können?"

Der Superschurke schnaubte verächtlich. "Genauso wie du und Roxanne immer so getan habt, als wäret ihr ein Paar. Ihr habt damit schließlich auch alle hinters Licht geführt, mich eingeschlossen. Aber Roxanne hat mir nie irgendetwas erzählt, das mir einen Vorteil über dich hätte geben können", fügte er hinzu. "Und bis zu Abigails Entdeckung konnte sie sich auch nur vage auf ihre Entführungen vorbereiten."

"Aber...", murmelte Metro Man und sah zu Roxanne rüber. Er verstand die Welt nicht mehr. "Wer ist dann Abigails...?"

Sein Rivale schlug sich resigniert die Hand vor die Stirn. "Du hast deinen Kopf auch nur, damit es nicht in den Hals regnet!"

Langsam ging ihm ein Licht auf. Der Superheld hatte immer gedacht, der Grund, warum Abigails Gesicht ihm bekannt vorkam, wäre, weil sie Megaminds Tochter war.

Aber jetzt...! Metro Man stöhnte leise auf. Natürlich! Die Sommersprossen, die Augen, der Mund! Das waren eindeutig Roxannes Charakteristiken, Megamind hatte nie Sommersprossen besessen, nicht mal als Kind. Wie hatte er das übersehen können? Und Roxanne hatte auch so darauf bestanden, dass das Mädchen bei ihr bleibt.

"Bist du jetzt zufrieden?", hörte er wie durch Watte Megamind Roxanne gereizt fragen. "Jetzt wird er es in der ganzen Stadt herumerzählen! Hättest du mich nur machen lassen...!"

"Früher oder später wäre es sowieso herausgekommen", erwiderte sie und sah zu Metro Man rüber. "Und es ist nicht recht, dich für so eine Lüge halbtot schlagen zu lassen!"

Der Superheld blinzelte ein paar Mal und machte einen unbewussten Schritt auf Roxanne zu. Sofort stellte Megamind sich zwischen sie und fixierte ihn mit einem warnenden Blick.

"Wenn du deine Wut an jemandem auslassen willst, dann bitte, hier bin ich", sagte er entschlossen. "Aber ich werde meine Familie nicht deiner Gnade überlassen."

Gnade... Metro Man runzelte nachdenklich die Stirn. So etwas Ähnliches hatte er doch schon mal gesagt, vor einigen Wochen, als er ihn im Gefängnis besucht hatte. Er werde nicht zulassen, dass sie seiner Gnade ausgeliefert wäre. Damit musste der Superschurke Roxanne gemeint haben. Wenn ihre Beziehung bekannt würde, ginge ganz Metro City auf sie los. Vielleicht verlöre sie sogar ihre Arbeit. Und Abigail auch. Das Mädchen käme dann zu Dr. Striker...

Megamind hatte Recht! Jetzt war sie tatsächlich seiner, Metro Mans, Gnade überlassen. Wenn er den Mund hielt, bliebe alles beim Alten, zum Guten und zum Schlechten, aber wenn er es weitererzählte...

Der Superheld sah das Paar geistesabwesend an.

Ein paar Jahre lang hatte er vergeblich versucht, Roxannes Gunst zu gewinnen, doch sie hatte nie Interesse gezeigt. Er konnte höchstens in ihren engeren Freundeskreis aufsteigen und jahrelang war sie die Einzige gewesen, die sich die Mühe gemacht hatte, sich seine Probleme anzuhören, wie kindisch sie vielleicht auch sein mochten. Wenn er die beiden auffliegen ließe, verlöre er seine einzige wirkliche Freundin, seine Feindschaft mit Megamind verdoppelte sich womöglich und er würde Roxannes Freundschaft obendrein mit Undank vergelten.

"Keine Sorge", sagte er schließlich leise. "Ich werde nichts verraten. Wenn es irgendwie doch an die Öffentlichkeit gelangen sollte, dann sicherlich nicht durch mich." Er drehte sich weg und ließ die Schultern hängen.

Warum nur verspürte er auf einmal Eifersucht? Megamind hatte nie irgendetwas besessen, für das es sich gelohnt hätte, eifersüchtig zu sein...

Eine Hand legte sich auf den Arm des Superhelden. "Wayne?"

Er drehte den Kopf und sah Roxanne ausdruckslos an.

"Danke."

Er lächelte flüchtig und legte seine Hand über ihre. "Dafür sind Freunde da, oder? Wir ... sehen uns."

Damit schwang er sich in die Lüfte und raste davon.
 

Kaum war Metro Man weg, brach Minion aus dem Unterholz hervor.

"Sir!", rief er aufgeregt, packte Megamind bei den Schultern und schüttelte ihn besorgt. "Ist Ihnen auch nichts passiert? Tut Ihnen was weh?"

"Mini-ion!", brachte sein Freund zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Mir ging es prima. Bevor du anfingst. Mich zu schütteln!"

Roxanne kicherte und Minion ließ ihn los.

"Mir blieb fast das Herz stehen!", meinte er aufgebracht. "Ich wäre zur Hilfe geeilt, aber Nikolas hat mich aufgehalten!"

Er warf dem jungen Mann, der sich langsam einen Weg durch die Sträucher bahnte, einen wütenden Blick zu.

"Sie waren zu keinem Zeitpunkt in ernsthafter Gefahr", erwiderte Nikolas gelassen. "Metro Man hätte nicht den einzigen Freund verlieren wollen, den er hat."

"Er hätte trotzdem angreifen können!", sagte Minion wütend. "Wenn nicht Miss Ritchi, dann doch ganz sicher Sir! Es ist meine Aufgabe, ihn zu beschützen."

Nikolas verdrehte die Augen. "Aber er hat es nicht getan, das ist das Einzige, das zählt. Sich über das Was-wäre-wenn Gedanken zu machen, ist im Leben nicht von Belang."

Roxanne nickte zustimmend. "Er hat Recht, Minion. Es ist nichts passiert und er hat versprochen, nichts zu erzählen."

"Wenn er sich daran hält", brummte der Fisch.

"Er wird sich daran halten", sagte Nikolas bestimmt. "Aber womöglich braucht er ein wenig Zeit, ehe er sich wieder meldet. Seine Gedanken waren ziemlich aufgewirbelt."

"Soll mir recht sein", murmelte Megamind. Er fühlte sich ein wenig schwindlig. "Das war genug Aufregung für einen Tag."

Er umarmte Roxanne und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Seine rechte Hand legte sich auf ihr Kreuz.

"Oh, gah!", rief Nikolas plötzlich angewidert und unterbrach den Moment. "Was habe ich dir getan, dass du mir diese mentalen Bilder schickst? Als würde ich nicht schon genug dergleichen mitbekommen!"

Megamind grinste ihn über Roxannes Schulter hinweg verlegen an. "Tut mir leid, Nikolas. Ich hab's vergessen."

Nikolas warf resigniert die Arme in die Luft. "Ich gehe zurück zu Abigail. Die denkt wenigstens ein wenig darüber nach, welche mentalen Bilder sie mir schickt." Er stapfte davon.
 

Das "Otherworld" existierte seit fast zehn Jahren und schon immer war es in dem Bezirk gelegen, der Megaminds Territorium am nächsten war. Folglich blieb lange Zeit gute Kundschaft aus. Die, die vorbeikamen, waren meistens bereits betrunken, als sie eintraten und Adela musste häufig den Besen zur Hand nehmen, um sie wieder hinauszujagen oder es kamen merkwürdige Typen vorbei, die ihr Gesicht versteckten und in unhöflichem Ton ein Bier nach dem anderen bestellten.

Es dauerte nicht lange, bis Nikolas einen dieser Männer dabei erwischte, wie er mit Drogen handelte und die beiden Geschwister hatten alle Hände voll zu tun, diesen Mann aus ihrem Lokal zu bekommen, da sich die Polizei von Metro City schlichtweg weigerte vorbeizukommen und ihnen zu helfen. Es mochte neben Megamind auch an der Tatsache liegen, dass sie Ausländer waren - auch wenn es keine Verständigungsprobleme gab - und sie es vehement ablehnten, die Gegend zu wechseln, auch wenn sie es von mehrerer Seite zu hören bekommen hatten.

Natürlich sorgte das für gewaltigen Ärger mit den Gangs der Stadt, die sich nicht von einer kleinen Frau und ihrem kranken Bruder unterbuttern lassen wollten. Verrammelte Türen, Brandstiftung und zuletzt sogar ein Kugelhagel folgten, doch Adela blieb stur. Sie hatte zu hart gearbeitet, um für Nikolas und sich eine Existenz aufzubauen, nachdem ihre Familie sich in den letzten Jahren auf die ein oder andere Art dezimiert hatte, um einfach klein beizugeben. Dieses Lokal sollte einmal genügend abwerfen, dass sie gut davon leben konnten und sie würde nicht auf ein solches Niveau herabsinken, dass sie sich in finstere Machenschaften verstrickte.

Im Fernsehen sahen sie Tag für Tag wie Metro Man die Stadt rettete und doch sahen sie, die sie solche Hilfe dringend benötigt hätten, nicht einmal ein ausgefallenes Haar von ihm. Durch die vielen Schäden, die die Angriffe der Gangs verursachten, kamen sie langsam in Geldnot und waren zuvor wenigstens ein paar Stammgäste vorhanden gewesen, so trauten sich jetzt nur noch die Allermutigsten ins "Otherworld". Egal wie sehr Adela es auch ignorieren wollte, nach zehn Monaten dauerhaften Terrors war sie kurz davor aufzugeben. Die Familie in Übersee würde sie sicherlich mit offenen Armen aufnehmen, ihr tröstend über den Kopf streichen und ihr versichern, dass sie in diesem Land sowieso keine Chance gehabt hätte.

Doch genau zu dem Zeitpunkt, als sie bereits mit Nikolas über ihre Rückreise geredet hatte, hörten die Attacken auf. Eines Morgens, als sie wieder zurück zu ihrem Lokal gingen und eigentlich einen Trümmerhaufen erwartet hatten, prankte nur ein unscheinbares kleines blaues Graffiti in Form eines stilisierten "M"s über einem der Fenster. Verwirrt hatten sie das Innere betreten in der Annahme, dass dort alles verwüstet wäre, doch alles stand noch an seinem Platz. Und egal wie spät es wurde, niemand kam vorbei, um Randale zu machen.

In der ersten Woche schauten sich Adela und Nikolas noch misstrauisch um, wann immer sie das "Otherworld" öffneten, doch nachdem ein Monat ohne Reibereien verging, wurden sie allmählich ruhiger. Vorsichtshalber ließ Adela das blaue "M" über dem Fenster, obwohl ihr mehrere ihrer vertrauenswürdigeren Gäste sagten, dass es nur die Leute abschrecken würde. Aber da sie sowieso schon so nah an Megaminds Territorium waren... Was konnte da ein kleines unschuldiges blaues "M" schon schaden?

Einen Monat nachdem das Graffiti aufgetaucht war, kam ein unscheinbarer älterer Herr ins "Otherworld" und wurde ein weiterer ihrer Stammgäste. Der Mann bestellte stets nur etwas zu essen - häufig etwas mit Fisch - und ein Glas stilles Mineralwasser. Nikolas sagte ihr, dass irgendetwas an diesem Mann merkwürdig war, dass seine Gedankengänge nicht zu einem Mann dieses Alters passten, doch Adela weigerte sich, das näher zu untersuchen. Im Gegensatz zu ihrem Bruder konnte sie nicht unbemerkt in den Erinnerungen eines anderen herumschnüffeln und sie wollte nicht unbedingt den einzig immer freundlichen Kunden verscheuchen, den sie bisher gehabt hatte.

Die ersten paar Male nahm der Mann nur sein Mahl zu sich und sprach kein Wort mit ihnen, doch nach dem vierten oder fünften Mal begann er sich mit Nikolas zu unterhalten, der damals noch aktiv im "Otherworld" gearbeitet hatte. Er erzählte häufig von einem nicht näher benannten "Sir", der ihm offenbar eine Menge Kummer bereitete und ihn auch sonst sehr auf Trab hielt. Adela vermutete, dass er wohl ein Butler eines alten und reichen Hauses sein musste, während Nikolas, der viel auf den Straßen und während des Einkaufens aufschnappte, annahm, dass der Mann vielleicht sado-masochistische Neigungen hatte. Dies hielt sie dann doch zu verquer.

Was auch immer das Problem des älteren Herrn war, bei Nikolas, der mindestens genauso darunter litt, dass er keine Kontakte knüpfen konnte, fand er immer ein offenes Ohr und so war es nicht weiter verwunderlich, dass sich eine gewisse Freundschaft bildete.

Über ihren Bruder fand Adela schnell heraus, dass ihr freundlicher Gast ein Faible fürs Nähen und Kochen und unlängst begonnen hatte, das Stricken und Häkeln zu lernen, auch wenn "Sir" es nicht guthieß. Nikolas meinte dazu nur, dass er sich nicht reinreden lassen musste, wenn es etwas war, dass er gerne machte. Schließlich und endlich wäre er sein eigener Herr und irgendein Arbeitgeber hätte nicht das Recht, ihm vorzuschreiben, wie er seine Freizeit zu gestalten hatte.

Diese Gespräche schienen einen heilenden Effekt auf beide Individuen zu haben. Ihr Bruder, bis dahin ein introvertierter und einzelgängerischer Mensch, begann sich allmählich an den Gesprächen anderer Leute zu beteiligen, wenn sie ihn an der Theke nach seiner Meinung fragten und auch sonst kam er bei weitem nicht mehr in einer solchen Hast nach Hause, nachdem sie ihn einkaufen geschickt hatte. Auch der ältere Herr war nun gelassener, wenn er vorbeikam und redete nun auch ab und zu mit einem der anderen Gäste.

So war das Ereignis wohl unvermeidbar, dass sich nach knapp einem Jahr nach seinem ersten Erscheinen ereignete. Die Geschwister hatten unlängst eine Bedienung eingestellt, eine stille Frau namens Sarah, die die Einzige gewesen war, die auf ihre Annonce geantwortet hatte. Glücklicherweise konnte sie sich gut der weniger freundlichen Gäste erwehren. Unglücklicherweise achtete sie aber nicht darauf, was die einzelnen Gäste machten.

Sie beide waren nicht dabei gewesen, als ein Bauarbeiter dem älteren Herrn ein alkoholisches Getränk nach dem anderen aufschwatzte und der Mann, höflich wie er war, sah sich außer Stande abzulehnen. So kamen sie erst dazu, als ihr Freund schon total betrunken in einer Ecke saß, nachdem der Arbeiter letztendlich das Interesse an ihm verloren hatte.

Adela und Nikolas beschlossen, den älteren Herrn nach Hause zu bringen, in der Hoffnung, dass dort jemand war, der auf ihn acht geben konnte und er noch keine Alkoholvergiftung hatte. Eigentlich hatte sie sofort den Krankenwagen anrufen wollen, da der Mann ein wenig ungesund aussah, doch nachdem sich der Mann vehement geweigert hatte, legten sich die beiden jeweils einen Arm über die Schulter und führten ihn raus.

Es dauerte eine Weile bis sie aus seinem betrunkenen Gebrabbel schlau geworden waren, aber schließlich fanden sie heraus, wo er wohnte. Die Antwort erstaunte sie, denn was sie vorfanden war kein Wohnhaus, sondern eine stillgelegte Fabrik, deren Wände mit Graffiti verkritzelt war. Der Mann lallte, dass es irgendwo einen geheimen Eingang gäbe und weil sie keinen Anhaltspunkt hatten, tasteten sie die Wände ab, bis Nikolas plötzlich den Halt verlor und sie alle drei durch die Wand hindurch in die Vorhalle von etwas purzelten, was sich als das Versteck des berüchtigsten Superschurken herausstellte, den Metro City je gesehen hatte, wie sie nach ein paar Augenblicken herausfanden.

Die roten Lichter über ihren Köpfen stellten sich als die Augen dutzender kleiner Roboter heraus, die sofort Alarm schlugen, als sie sie sahen und einen verschlafen aussehenden, aber nichts desto trotz kampfbereiten Megamind herbeiholten, der in seinem Schlafanzug alles andere als gefährlich aussah, sah man mal von der Schusswaffe ab, die er auf sie gerichtet hatte. Als Adela und Nikolas weder Anstalten machten zu schreien oder zu rennen oder ihn auszulachen, ließ der Superschurke die Waffe misstrauisch sinken und kam vorsichtig näher. Nach einer kurzen Untersuchung des Mannes in ihrer Mitte, berührte er das linke Handgelenk und plötzlich hielten die Geschwister einen Roboter aufrecht, der statt eines Kopfes einen kleinen runden Fisch auf seinen Schultern hatte, der alle Mühe hatte, nicht seitwärts zu schwimmen. Normalere Menschen hätten wohl geschrien, aber die Geschwister sahen das Wesen zwischen ihnen einfach nur sprachlos an.

Megamind schnalzte missbilligend mit der Zunge und wies Nikolas barsch an, einen Behälter mit Wasser zu füllen, damit "Minion" nicht mehr in dem mit Alkohol versetzten Wasser schwimmen musste. Warum er nicht einfach einen seiner Roboter damit beauftragt hatte, konnten sie selbst nach all diesen Jahren nicht sagen. Vielleicht war er einfach zu aufgebracht gewesen, dass Fremde in sein Versteck eingedrungen waren, dass er nicht wusste, was er mit ihnen machen sollte. Oder er war wirklich so um seinen Freund besorgt gewesen, dass er nur noch dem Erstbesten Befehle erteilte, der ihm vor die Augen trat.

Nachdem Nikolas mit dem aufgefüllten Aquarium zurückgekehrt war - und eine ganze Weile durch das Versteck irrte, ehe er alles gefunden hatte -, wurden er und Adela ziemlich unfreundlich aus der Fabrik gejagt. Schulterzuckend und mehr als verwirrt waren sie nach Hause gegangen.

Zwei Tage später wurde ihre Wohnungstür um fünf Uhr morgens aufgesprengt. Nikolas und Adela fuhren aus ihrem Schlaf hoch und nach einigen panischen Minuten schlugen sie die Decken zurück und öffneten die Schlafzimmertür einen Spaltbreit. Der Flur war mit Rauch gefüllt, sodass sie außer zwei Schemen nichts erkennen konnten und jemand hustete ununterbrochen.

"Diese Pistole nehmen wir kein zweites Mal, Minion", sagte derjenige, der den Hustenanfall hatte. "Man kann ja gar nichts mehr sehen!"

"Sir, ich bin mir nicht sicher, ob es eine so gute Idee ist, ihnen auf diese Art und Weise einen Besuch abzustatten", erwiderte Minion nervös. "Und es ist erst fünf Uhr."

"Und? Ich bin jeden Tag schon um drei wach."

Langsam lichtete sich der Rauch und sie konnten Megamind und seinen Helferfisch erkennen, der eine in guter Stimmung, der andere mit einem verlegenen Gesichtsausdruck im Gesicht.

Adela schnaubte verärgert und richtete sich auf.

"Halt, Adela, was machst du da?" Nikolas hielt sie am Arm fest, als sie nach der Türklinke griff. "Du solltest diese Leute nicht verärgern."

Sie riss sich los und sah ihn missbilligend an. "Manchmal bist du so ein Angsthase, Nikolas. Die beiden haben gerade unsere Wohnungstür eingeschlagen! Superschurke oder nicht, ist mir ganz egal, aber die Tür repariert er mir! Wir können das selbst gar nicht bezahlen!" Und ehe er sie noch aufhalten konnte, hatte sie die Tür aufgerissen und stampfte auf die beiden zu.

Megamind schluckte sichtbar, als er sie auf sich zukommen sah und machte unbewusst einen Schritt zurück. "Miss Dolm! So trifft man sich wieder!"

Adela reagierte gar nicht darauf, sondern stieß ihm nur mit dem Zeigefinger gegen die Brust. "Was fällt Ihnen ein, einfach in unsere Wohnung einzubrechen?! Haben Sie eine Ahnung, wie schwer es ist, genug Geld zusammenzubekommen, um über die Runden zu kommen? Und unser Vermieter gehört nicht gerade zur verständnisvollen Sorte!"

Megamind lächelte nervös. "Das verstehen Sie ganz falsch, Miss Dolm. Dies ist kein Einbruch. Wir wollten Ihnen nur einen kleinen Besuch abstatten."

Sie sah ihn an, als wäre er verrückt geworden. "Um fünf Uhr morgens?"

"Ja."

"In absoluter Dunkelheit?"

"Ja..."

"Mit Wohnungstürzerstörung?"

"...Ja...?" Seine Stimme klang jetzt ein wenig zaghaft.

"Und mit einer neuen Tü-- Warte mal, was?" Sie sah entgeistert dabei zu, wie Minion eine Tür herbeischleppte und sie einhängte.

Der Fisch zuckte mit den Schultern. "Sir besteht nun mal darauf, alles im Superschurkenstil zu machen. Ich habe versucht, es ihm abzugewöhnen, aber..."

"Minion!" Megamind sah seinen Freund wütend an, doch Adela schnippte mit den Fingern, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken.

"Das regelt das Problem mit der Tür, aber die Tatsache bleibt bestehen, dass Sie gerade Hausfriedensbruch, Störung der Nachtruhe und Ruhestörung begangen haben."

Nikolas, der sich längst aus dem Schlafzimmer getraut hatte, legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. "Adela, lass gut sein. Wir sind hier die Einzigen im Haus. Keiner wird sich bei uns oder beim Vermieter über uns beschweren."

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Du bist viel zu nachgiebig, Nikolas. Wir haben seinem Freund geholfen und zum Dank bekommen wir den Schreck unseres Lebens! Und all das nur, weil wir sein blödes Versteck gefunden haben!"

Megamind schmollte. "Nun, wenn Sie Ihre Belohnung nicht haben wollen, kann ich ja wieder gehen."

Die beiden Geschwister wandten sich ihm zu, der eine neugierig, die andere genervt.

"Und was soll das sein?", fragte Adela gereizt. "Wir sind nicht auf Almosen angewiesen. Alles, was wir wollen, ist unsere Ruhe."

"Dann freut es Sie sicher, dass Sie ab sofort unter unserem Schutz stehen", meinte Minion unsicher lächelnd.

"Nein."

Der Fisch sah sie verdutzt an. "Warum nicht?"

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Bei der Sache gibt es sicherlich einen Haken. Sie sind Kriminelle, genauso wie diese Drogendealer, die uns wochenlang Probleme bereitet haben. Wir haben es abgelehnt, mit ihnen Geschäfte zu machen und wir werden uns genauso weigern, Ihnen zu helfen."

Megamind schüttelte den Kopf. "Sie haben uns schon genug geholfen. So wie es aussieht, haben Sie Minion vor einer Alkoholvergiftung gerettet."

Nikolas und Adela sahen sich an und dann wieder zu dem Superschurken.

"Und auch wenn Sie es nicht annehmen, so bleibt dieser Schutz bestehen", fuhr Megamind fort. "Von meinen Kämpfen werden Sie nicht beeinflusst werden und jedweder Schaden, der durch mich aufkommt, werden wir reparieren. Sie sehen das ja an der Tür." Er deutete mit dem Daumen hinter sich. "Desweiteren werden Sie auch von den anderen Kriminellen nicht mehr belangt werden. Abgesehen davon, dass Sie sowieso in meinem Territorium sind und sich die Gangs nicht hierher trauen."

"Schön", sagte Adela mit einem gottergebenen Seufzer. "Das bedeutet dann wohl, dass noch mehr Gäste ausbleiben." Sie drehte sich auf dem Absatz um, ging zurück ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.

Die anderen Drei blieben in betretenem Schweigen im Flur stehen.

"Tut mir leid wegen Adela", sagte Nikolas nach einer Weile. "So ist sie immer, wenn sie sich erschrocken hat."

Megamind sah nervös zur Tür. "Ja, nun, wir haben jetzt gesagt, was wir sagen wollten, also..." Er griff blind hinter sich nach dem Türknauf und öffnete die Tür. "Man sieht sich. Oder auch nicht."

Damit waren er und Minion wieder verschwunden.

Es war vielleicht nicht gerade das idealste erste Treffen, aber es sollte der Auftakt für ihre mehr als seltsame Freundschaft sein, die der Familie Dolm den Ruf gab, den sie seitdem hatte.
 

_____________
 

Ein neues Kapitel mit ein paar Erklärungen und einem ziemlich verwirrten Metro Man.
 

@ SainzDeRouse: Nun, da die Dolms die Einzigen sind, die neben Roxanne als würdig befunden wurden, Megaminds Geheimnisse zu kennen, ist klar, dass Metro Man da auf Granit beißt.

Naja, es ist ja so, dass Megamind unfreiwillig eingeschlafen ist. Eigentlich wollte er nur Abigail ins Bett bringen. Deshalb hat sich die Uhr selbst ausgeschaltet.

Hehe, nein, bei Megamind tickt keine biologische Uhr, er hat keinen bestimmten Zeitraum, um Vater zu werden, aber wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, setzt eine Art "Nistimpuls" bei seiner Art ein und der ist eigentlich unmöglich zu deaktivieren. Meine Erklärung dazu ist ein wenig seltsam, um ehrlich zu sein.

Museumsvorfall und eine leere Akte

Abigail und Smink standen draußen vor dem Metro-Man-Museum und sahen an der riesigen Statue hoch, die eben jenen darstellte wie er eine riesige Weltenkugel stemmte. Da er nur in Metro City wirkte, fand Smink die Statue maßlos übertrieben, wie er seiner Herrin leise mitteilte.

Abigail hatte dazu keine Meinung. Sie wusste nur, dass diese Statue an dem Tag eingeweiht worden war, an dem sie geboren wurde. Aus irgendeinem Grund schien das ihre Klassenkameraden zu begeistern, auch wenn sie nicht wusste, warum. Ihr Vater hatte darauf keine Antwort gewusst - obwohl er normalerweise auf alles eine Antwort hatte - und Minion hatte nur mit den Schultern gezuckt.

Vielleicht war das ein Menschending - auch wenn sie technisch gesehen zur Hälfte selbst ein Mensch war. Was aber nicht bedeutete, dass sie sie auch nur im Mindesten besser verstünde.

Melissa zog sie am Arm. "Komm schon, Abby! Du musst ja wirklich sehr zurückgezogen gelebt haben, wenn das alte Ding dich vor Ehrfurcht erstarren lässt."

Smink schnaubte verächtlich.

Alt? Abigail sah an der Statue hoch. Ihr Vater hatte ihr mal erzählt, dass er zur Feier ihrer Geburt die Nase abgesprengt hatte, aber man hatte eine neue angebracht, etwas heller im Stein, sodass es fast wie eine Weinnase aussah.

"Damals ist die Nase aus unerfindlichen Gründen abgebröckelt", sagte Melissas Vater plötzlich, als er sie so intensiv nach oben starren sah. "Muss wohl schlechte Verarbeitung gewesen sein. Sehr ärgerlich, besonders da Megamind an diesem Tag keinen Ärger gemacht hatte. Eigentlich hatten alle einen Großangriff erwartet."

"Abgebröckelt, so ein Unsinn", zischelte Smink, als sie ins Innere gingen. "Erkennen nicht einmal eine Sprengung, wenn sie eine sehen."

Abigail hielt ihn so auf dem Arm, dass seine Rede nur gedämpft zu hören war und hielt ihm vorsichtshalber auch noch die Schnauze zu. Sicher war sicher.

Am Eingang gab es den ersten Schock: Tiere nicht erlaubt, Smink musste draußen bleiben.

Einen Moment lang überlegte sich das Mädchen ernsthaft, ob sie ihn nicht einfach in ihrem Rucksack reinschmuggeln sollte, da er schließlich ihr Minion und kein einfaches Tier war, ließ sich aber von Melissa und ihren Eltern überreden ihn da zu lassen. Etwas beleidigt sah er seiner Freundin hinterher und warf der Rezeptionistin einen wütenden Blick zu.

Das Innere zeigte ein paar Exponate, aber kaum etwas, das Abigails Interesse weckte. Es gab eine Lernwand, an der man etwas über Metro Mans Supergehör erfahren konnte, das es ihm möglich machte, selbst eine Stecknadel Meilen entfernt fallen zu hören. Abigail fand diese Information ziemlich nutzlos. Wer wollte schließlich Stecknadeln fallen hören? Gehörten die wirklich in den Aufgabenbereich eines Helden?

An einem Fenster und abgetrennt durch ein rotes Seil war eine brozene Statue von Metro Man wie er gerade ihren Vater festhielt, der die Hände krallenartig nach ihm ausstreckte und einen albernen Helm auf dem Kopf trug. Und von der Decke hing ein Luftballon in Form eines Flugzeugs, das von Metro Man vom Abstürzen abgehalten wurde.

Melissas Eltern beschlossen nach ein paar Minuten, in der immer wieder Leute sich nach Abigail umsahen, zuerst das Erdgeschoss des Museums zu erkunden und als Nächstes in den Superschurkentrakt zu gehen. Sie vermutete, dass sie das ihretwegen taten, damit die Leute aufhörten zu starren, aber sie konnte nicht nachvollziehen, wie das irgendetwas helfen sollte.

Der Superschurkenflügel hatte viele alte Erfindungen ihres Vaters, bei denen Abigail sich fragte, warum ihrem Vater ihr Fehlen nicht aufgefallen war. Normalerweise geriet er fast in Hysterie, wenn etwas verschwand.

Ein Teil der Apparaturen waren hinter dickem Panzerglas verwahrt, während andere nur mit einem Seil abgesperrt waren, wobei die Ungefährlichen ironischerweise hinter Panzerglas lagen und die Gefährlichen frei herumstanden. Ihren Vater träfe der Schlag, wenn er das sähe. Er hatte ihr seit ihren ersten Lebenstagen eingeschärft, an welchen sie ohne Bedenken vorbeigehen konnte und um welche sie einen Bogen machen sollte. Was eigentlich darauf hinauslief, dass sie sich von allen Erfindungen fernzuhalten hatte.

Wie sie erwartet hatte, brachte es nicht viel in diesen Teil des Museums zu gehen, die Leute starrten immer noch. Abigail versuchte die Menschen so gut es ging zu ignorieren und betrachtete kopfschüttelnd die Ausstellungsstücke. Ihr fiel auf, dass hier viel mehr Kinder waren als auf der anderen Seite. Kinder, die auf potenziell gefährliche Exponate kletterten...

"Könnten Sie Ihr Balg bitte von den Ausstellungsstücken fernhalten?", fragte ein Museumsangestellter mit schnarrender Stimme eine empörte Mutter und Abigail drehte sich um.

Der Mann hatte zerzaustes, braun-blondes Haar, eine runde Brille und eine unsagbar gelangweilte Miene. Auf einem kleinen Plastikschild, das an seinem Pullover angebracht war, stand der Name "Bernard".

Abigails Blick fiel auf das Exponat, auf dem sich tatsächlich ein Kind befand. Allerdings vermutlich nicht mehr lange, wenn der Junge einen der Schalter mit dem Fuß erwischte, die ganz in seiner Nähe angebracht waren.

Es musste ein Prototyp der riesigen Kampfroboter gewesen sein, die ihr Vater so gern auf die Stadt losließ. Die, die kaum länger als ein paar Stunden hielten, ehe sie zerstört wurden. Meistens mit einer lauten Explosion.

Natürlich wusste sie nicht genau, wie gefährlich dieses Ausstellungsstück war, aber ihr Vater hatte ihr immer strengstens verboten, auch nur in die Nähe einer seiner Erfindungen zu kommen, die nicht ausdrücklich für sie bestimmt oder schon seit langem im Haushalt waren, selbst wenn - oder besser gesagt, besonders wenn - sie klein und harmlos aussahen. Was bei dieser Konstruktion sicher nicht der Fall war.

Die Mutter des Jungen fragte den Angestellten empört, was ihm einfiele, ihren Sohn ein Balg zu nennen. Er müsse sich schließlich entfalten.

"Aber nicht auf den Exponaten", erwiderte Bernard genervt. "Sie sind sehr empfindlich und wenn sie irgendwie beschädigt werden, muss ich dafür aufkommen."

Abigail legte den Kopf schief und kam vorsichtig näher.

Die Frau schnaubte verächtlich. "Was kann schon groß passieren? Ohne Megamind sind diese Dinger vollkommen harmlos."

"Solange er noch funktionstüchtig ist, ist er gefährlich", meldete sich das Mädchen zu Wort und schluckte nervös, als beide Erwachsenen sich zu ihm umdrehten. "Er wäre nur harmlos, wenn er in seine Einzelteile zerlegt wäre." Und selbst dann gab es noch Bestandteile, die gefährlich werden konnten.

Die Frau lachte. "Meine Güte, Kind, woher willst du das denn wissen? Nur weil du dich so verkleidest, heißt das noch lange nicht, dass du weißt, wovon du redest."

Abigail runzelte die Stirn, während der Mann namens Bernard sie kurz musterte, bevor sein Gesicht wieder seinen gelangweilten Ausdruck bekam.

"Du glaubst also, dass dieses Ding losgehen könnte?", fragte er.

Abigail nickte ernst. "Daddy lässt mich normalerweise nicht mal in die Nähe seiner Erfindungen, selbst wenn sie ausgeschaltet sind und erst recht nicht, wenn sie beschädigt wurden wie dieser Roboter hier."

Melissa und ihre Eltern, die sich bei ihren Worten zu ihr umgewandt hatten, kamen vorsichtig näher. Das Mädchen nahm Abigail bei der Hand und versuchte sie wegzuziehen.

"Komm, Abby, man soll Erwachsene nicht beim Reden stören!", zischelte es ihr zu, doch sie blieb, wo sie war und sah ihre Freundin nur verständnislos an.

Warum sollte sie nicht die Wahrheit sagen, wenn sie sie kannte? Wenn ihr Vater bei einer Erfindung einen Fehler gemacht hatte, war jeder im Haushalt dazu angehalten gewesen, es ihm zu sagen, selbst wenn die Befürchtung unbegründet war.

"Nun, da hören Sie's", meinte Bernard, ohne die kleine Auseinandersetzung der beiden Kinder zu beachten.

"Das ist doch lächerlich!" Die Frau schüttelte angewidert den Kopf und bedachte Abigail mit einem herablassenden Blick, den sie mit trotzig vorgerecktem Kinn erwiderte, auch wenn sie ein wenig in sich zusammensank. "Sie glauben einem neunmalklugen Kind mehr als einem Erwachsenen?"

"Ma'am, wenn irgendjemand etwas über unseren stadteigenen Superschurken weiß, dann bin ich das", meinte er gelangweilt. "Das Kind bestätigt nur, was ich meinen Vorgesetzen seit fünf Jahren sage: Diese Exponate gehören besser gesichert. Und jetzt holen Sie Ihren Sohn da runter!"

Mittlerweile waren noch mehr Menschen dazu gekommen und starrten zu dem Jungen hoch, der noch immer keine Anstalten machte, herunterzukommen. Vielleicht war er einfach zu blöd, um die Situation zu kapieren, überlegte Abigail.

"Wenn das Felix wäre, hätte er was zu hören bekommen", murmelte Melissas Mutter ihrem Mann zu, der zustimmend brummte.

"Selbst wenn die Kleine nichts gesagt hätte, sollten die Kinder nicht auf den Erfindungen herumklettern", sagte er leise. "Aber wie kann man den Bengel dort runterholen, wenn er sowieso auf niemanden hört?"

"Vielleicht könnte man die Göre erschrecken, dass er runterkommt", ertönte eine kleine Stimme neben Abigails Fußknöchel.

Das Mädchen sah hinunter. "Smink! Was machst du hier?"

Smink zuckte zusammen und legte die Ohren an. "Nicht so laut, Miss Abigail, die Leute hören Sie noch!"

Abigail kniete sich neben ihren Minion auf den Boden, während Melissa ihn nur mit großen Augen anstarrte. "Und wie willst du ihn erschrecken? Er soll ja nicht hinunterfallen."

Er zuckte gleichmütig mit den Schultern - oder was das Äquivalent für ein Wiesel war - und antwortete: "Ich klettere hinauf und jage ihn herunter. Das ist ein verwöhntes Stadtkind, das sicherlich noch nie ein echtes Wildtier wie ein Wiesel gesehen hat. Vermutlich wird er schreiend zu seiner Mutter laufen, wenn er mich sieht."

Abigail nickte. "Aber komm nicht versehentlich an einen der Schalter."

"Ich klettere die Apparaturen Ihres Vaters seit Jahren hoch und runter", meinte er augenrollend und setzte sich in Bewegung. "Solange der Junge nicht falsch tritt, kann nichts passieren."

Smink flitzte los, schlängelte sich durch die Beine der Anwesenden, ohne dass diese ihn bemerkten und kletterte an einer kaum einsehbaren Stelle an dem Roboter hoch. Wenige Augenblicke später stieß der Junge einen spitzen Schrei aus und kletterte so schnell er konnte runter.

"Das ging ja schnell", meinte Melissa erstaunt.

"Na toll, jetzt hat er irgendetwas berührt, was er nicht berühren sollte", brummte Bernard missmutig und seufzte. "Ich hasse mein Leben."

Der Junge lief auf seine Mutter zu und jammerte: "Da oben war eine riesige Ratte!"

"Ratte?!", quietschte die Frau angewidert. "Halten Sie hier nicht sauber?!"

"Können nicht mal ein Wiesel von einer Ratte unterscheiden!", knurrte Smink beleidigt, der wie aus dem Boden gewachsen wieder neben ihnen aufgetaucht war und sah sich um. "Oh-oh!"

"Was ist?", fragte Abigail besorgt, als er in ihren Rucksack kletterte.

"Da ist die Spinatwachtel wieder!" Er deutete auf die Rezeptionistin, die in den Ausstellungsraum geeilt kam.

"Hast du ein Wiesel gesehen?", hörten sie Bernard fragen, der sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.

"Seit wann haben wir Wiesel?"

"Ein Mädchen hatte ein Wiesel dabei, so ein ganz räudiges Ding, das sie an der Rezeption gelassen hat", erklärte die Frau. "Als ich mich einmal weggedreht habe, war es weg. Ist vermutlich hier reingelaufen."

"Wer ist hier räudig?", fragte Smink empört. "Ihr Haar sieht schlimmer aus als mein Fell!"

"Psst!", machten Abigail und Melissa und sahen sich besorgt um, aber keiner schien ihn gehört zu haben.

Bernard drehte sich zu der Mutter hin. "Da haben Sie Ihre Ratte: Ein entlaufenes Hauswiesel."

"Das wird echt immer schöner!", zischte der Minion beleidigt. "Ratte, räudiges Ding, Hauswiesel... Was kommt als nächstes?"

Wieder wurde er ausgezischt.

Die Menschenmenge löste sich auf und die Mutter stolzierte mit ihrem Sohn davon, wobei sie etwas von Klage murmelte. Während sich Bernard mit der Rezeptionistin unterhielt und Melissa und ihre Eltern sich berieten, was sie als nächstes ansehen wollten, schlich sich Abigail vorsichtig davon. Sie musste einen Ort finden, an dem Smink unauffällig aus dem Museum verschwinden konnte. Sonst gab es sicherlich Ärger mit den Erwachsenen.

Als sie in einem abgelegenen Teil angekommen waren, der nur ein paar klobige Brainbot-Prototypen enthielt, holte sie ihren Minion aus dem Rucksack heraus.

"Puh, das war knapp", meinte Smink seufzend. "Wenn diese Frau mich gefunden hätte, hätte sie mich bestimmt auf die Straße geworfen."

"Naja, eigentlich hättest du ja draußen bleiben sollen", erwiderte sie und setzte ihn auf dem Boden ab.

"Ja, aber es war doch gut, dass ich nicht draußen geblieben bin, oder?" Er streckte sich ein wenig. "Mal abgesehen davon, dass ich Sie schlecht beschützen kann, wenn ich nicht bei Ihnen bin."

"Wirklich faszinierend", meinte eine Stimme hinter Abigail und sie drehte sich erschrocken um. Hinter ihr stand ein grauhaariger Mann in einem ebenfalls grauen Anzug, dessen hageres Gesicht von Falten durchzogen waren. Seine grauen Augen lagen hinter einer dünnen Drahtbrille. "Dieselbe Partnerarbeit wie bei Megamind und Minion während seiner Pläne", fuhr er fort und beugte sich ein wenig vor, um mit Abigail auf Augenhöhe zu sein. "Ich hätte nicht gedacht, dass er in der Lage wäre, dieses Phänomen für seine Tochter zu wiederholen. Auch wenn es natürlich gegen den Tierschutz verstößt."

Abigail hob Smink wieder hoch und drückte ihn gegen ihre Brust, während sie ihr Gegenüber ängstlich anstarrte. Sie kannte diesen Mann. Es war derselbe, der vor ein paar Wochen bei ihrer Mutter gewesen war und sich nach ihr erkundigt hatte: Dr. Striker.

Sie wich zurück und sah sich um. Ihr Vater hatte gesagt, wenn sie diesem Mann begegnete, sollte sie sich verstecken. Aber wo?

"Miss Abigails Vater hat mir das Leben gerettet, dadurch dass er mich zu Miss Abigails Minion gemacht hat", sagte Smink feindselig. Seine Muskeln spannten sich kampfbereit an und er fixierte Dr. Striker misstrauisch. "Andernfalls wäre ich wohl jämmerlich in einem Abflussrohr erfroren. Und seit wann ist eine Lebensdauer von hundert Jahren plus etwas, wogegen jemand etwas haben kann?"

"Nun, vermutlich wird nie jemand versuchen, Megamind irgendetwas deswegen zu sagen", erwiderte Dr. Striker. "Obwohl er so erfolglos ist, haben die Leute trotzdem Angst vor ihm."

Smink bleckte die Zähne. "Was wollen Sie hier? Miss Abigails Vater hat Ihnen doch klar und deutlich gesagt, dass Sie sich von Miss Abigail fernzuhalten haben."

"Ich war nur zufällig im Museum, nichts weiter", erwiderte der Doktor gleichmütig. "Aber als ich euch beide sah, dachte ich mir, dass ich mich auch gleich mal mit euch unterhalten könnte."

Abigails Minion gab ein warnendes Knurren von sich. "Bleiben Sie weg oder ich beiße Sie! Ich lasse nicht zu, dass Miss Abigail etwas geschieht!"

"Sehr lobenswert", meinte Dr. Striker. "Ich hatte auch nicht vor, jemandem zu schaden. Bisher habe ich nur noch nicht die Gelegenheit gehabt, Abigail in Person zu treffen. Ich wollte mich nur erkundigen, ob sie gesund ist."

"Kerngesund", knurrte Smink. "Da hätten Sie einfach nur Miss Ritchi fragen müssen."

Abigail mochte es nicht, wenn man von ihr redete, als wäre sie nicht da. Und diesen Mann mochte sie noch weniger. Sie ging langsam rückwärts, während sich ihr Minion versuchte aus ihrem Griff zu befreien und Dr. Striker anzugreifen.

Eine Hand an ihrem Oberarm hielt sie vom Flüchten ab. "Ich will dir nichts tun, Kindchen", sagte Dr. Striker ernst. "Egal was dein Vater dir über mich erzählt hat. Ich bin auf seiner Seite."

"Lassen Sie mich los!", quietschte sie und versuchte sich loszureißen. "Ich glaube Ihnen kein Wort! Daddy hat mir gesagt, was los ist!"

Er seufzte resigniert. "Nun hör mal..."

"Entschuldigen Sie bitte, es geht mich natürlich nichts an, aber ich habe so das Gefühl, als wolle sie nicht mit Ihnen kommen", mischte sich da jemand mit gelangweilter Stimme ein. "Und ich hatte heute schon genug mit schreienden Kindern zu tun, also lassen Sie sie besser los." Hinter Dr. Striker stand der Museumsangstellte von vorhin und sah den Doktor gelangweilt an.

"Ich will sie nicht mitnehmen", meinte dieser in ruhigem Ton und ließ Abigail los, sodass sie zwei Schritte nach vorne stolperte, da sie immer noch gezogen hatte. "Ich will nur ein Missverständnis aus der Welt schaffen."

Bernard seufzte genervt. "Das sagen Sie. Aber wenn ich Sie einfach machen lasse, habe ich am Ende eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung am Hals. Also, warum lassen Sie sie nicht in Ruhe?"

Der Doktor sah den Mann einen Moment lang wortlos an, dann nickte er. "Sicherlich. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Ihnen Ärger bereitet haben sollte. Auf Wiedersehen, Abigail." Er wandte sich um und ging.

"Gott, ich hasse diese Typen", murmelte Bernard. "Erinnert mich irgendwie an meinen Vorgesetzten. Aalglatt."

Abigail wandte sich ihm zu. "Danke, dass Sie uns geholfen haben."

Er brummte gleichmütig. "Wie gesagt, wenn ich nicht eingreife, wirft man mir unterlassene Hilfeleistung vor, auch wenn hier Dutzende von Leuten sind, die genauso gut eingreifen könnten. Aber was soll's? Mit mir kann man's ja machen."

Sie runzelte die Stirn. "Wieso?"

"Weil ich für den Megamind-Teil des Museums zuständig bin", erklärte er mit monotoner Stimme. "Bin der einzige Verrückte, der sich mit unserem stadteigenen Superschurken beschäftigt. Was bedeutet, dass man mir weniger zahlt als anderen."

Ihrer Meinung nach ergab das keinen Sinn. Was hatte ihr Vater denn damit zu tun, dass er einen schlecht bezahlten Beruf hatte?

"Warum?", fragte sie nachdenklich.

"Weil sie denken, dass meine Arbeit sinnlos ist", brummte er verärgert. "Dabei ist das wohl das unerforschteste Thema, das wir hier im Museum haben. Ich gelte zwar als Experte zu Megamind, aber ich werde nicht ernst genommen."

"Hm..." Abigail wiegte nachdenklich den Kopf. "Wenn Sie so ein Experte von meinem Daddy sind, haben Sie ihn doch sicher schon mal getroffen, oder?" Auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, dass ihr Vater irgendetwas in der Richtung erwähnt hätte.

Bernard lachte trocken. "Megamind treffen? Das ist absolut unmöglich. Keiner kommt an ihn heran. Da haben es die hundertzwanzig Metro Man-Experten einfacher."

Sie fragte sich, wozu man überhaupt einen Experten zu einer Person brauchte, geschweige denn hundertzwanzig. War wahrscheinlich wieder so ein Menschending. Aber vielleicht konnte sie ja ihren Vater fragen, ob er Bernard einen Besuch abstatten könnte...

"Na, was soll's", seufzte der Museumsangestellte und setzte sich in Bewegung. "Solange ich nicht auch noch für's Arbeiten bezahlen muss..."

Abigail sah ihm hinterher. Je länger sie mit der "Außenwelt" zu tun hatte, desto weniger verstand sie sie. Warum sollte man für's Arbeiten bezahlen müssen? Sie war immer der Meinung gewesen, dass man arbeitete, um Geld zu verdienen.

"Abby!" Wie aus dem Boden gewachsen stand Melissa vor ihr und griff nach ihrem Arm. "Da hast du dich also versteckt! Wir haben dich schon überall gesucht!" Sie zog sie weiter in Richtung eines Aufzuges. "Komm, wir wollen uns jetzt die oberen Stockwerke ansehen. Da können wir die Metro Man-Statue auch mal vom Nahen sehen."

"Na toll", brummte Smink gelangweilt, als sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte. "Als bekämen wir seine Visage nicht schon oft genug zu Gesicht."

Abigail hielt ihm die Schnauze zu.
 

Zu einem von Roxannes absoluten Lieblingslokalen gehörte "Nanny's Bistro", eine kleine Gaststätte, die von einer alten resoluten Dame geführt wurde, die alle nur unter dem Spitznamen "Nanny" kannte. Nanny hatte ein runzliges Gesicht ähnlich einer Rosine und ein Lachen, das an eine Gewitterhexe erinnerte. Außerdem war sie eine hervorragende Köchin.

Seit ihrer Kindheit ging sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder Jeremy in ihr Lokal, also erschien es nur logisch, dass sie Jeremy dorthin einladete, um mit ihm wichtige Dinge zu besprechen, vor allem da man sich dort relativ sicher sein konnte, nicht belauscht zu werden. Und das kam ihr bei ihrer Situation nur gelegen.

"Also, das ist der seltsamste Fall, den ich in meiner ganzen Strafverteidigerkarriere gehabt habe, Annie", sagte Jeremy, breitete die Akte, die er mitgebracht hatte, auf dem Tisch aus und rückte seine dünne Brille zurecht. "Laut seiner und deiner Aussage sollte er neunundneunzig Lebensstrafen haben, aber sieh her...!" Er blätterte die Akte durch und hielt sie ihr unter die Nase. "Es gibt keinerlei Aufzeichnungen über diese Gefängnisstrafen, ja, es gibt noch nicht einmal Aufzeichnungen über einen Prozess. Man hat ihn praktisch einfach beim Gefängnis abgesetzt und er ist schön brav hineingegangen." Er nahm die Brille von der Nase und rieb sich den Nasenrücken.

"Megamind hat sich mit mir nie über die Details unterhalten", gab Roxanne zu. "Er sagt mir nur immer: 'Ich bin der Böse und Metro Man ist der Gute. Ich stelle etwas an und er kommt mich einfangen.'"

Jeremy lachte über ihre Megamind-Imitation. "Ja, nun, vielleicht sollte er das nochmal überdenken. Genau genommen wird er nämlich widerrechtlich dort festgehalten, er könnte jederzeit dort rausspazieren." Er machte eine kurze Pause. "...Oh, warte, das macht er ja schon."

Sie lachte. "Aber eigentlich könnten sie ihn ja immer noch im Nachhinein verurteilen oder etwa nicht?"

"Sie könnten es zumindest versuchen, aber ob sie damit durchkommen ist eine andere Sache", meinte er. "Sie haben ihn dort ohne Gerichtsverhandlung eingesperrt, ohne seine Sicht der Dinge zu hören, ohne Beweise gesammelt oder Zeugen aufgerufen zu haben. Das ist gegen das Gesetz. Im Grunde genommen könnte er jetzt alles hinwerfen, gegen seine Inhaftierung vor Gericht protestieren und als freier Mann sein Leben weiterführen."

Sie schüttelte ungläubig den Kopf. "Das ist verrückt. ...Aber ich glaube nicht, dass wir Megamind dazu bringen können. Er wird mir wahrscheinlich nur sagen, dass er kein Mensch ist und somit keinen Anspruch auf dieselben Rechte wie ein Mensch hätte."

Jeremy schnaubte verächtlich. "Er sieht aus wie ein Mensch, klingt wie ein Mensch, lebt wie ein Mensch... Niemand kann ihm seine Menschenrechte absprechen. Es wird nicht nach der DNS definiert, denn dann müssten wir ja erst einmal alle Menschen der Erde darauf überprüfen und wenn solche Nörgler irgendeinen Beweis brauchen, dann müssen sie sich nur Abigail anzusehen. Das ist eigentlich Beweis genug." Nach einer Pause fügte er hinzu: "Außerdem haben sie selbst Metro Man diese Rechte anerkannt. Und bei ihm hat man herausgefunden, dass seine DNS nicht mit denen von Menschen übereinstimmt."

"Das bedeutet aber leider noch lange nicht, dass sie sich auch daran halten werden", gab Roxanne zu bedenken.

"Was wollen sie denn anderes tun?", konterte er. "Sie können ihn nicht zurückschicken, denn sein Heimatplanet existiert ja nicht mehr. Und dann müssten sie auch Metro Man wegschicken."

"Aber er wurde adoptiert. Er ist offiziell der Sohn der Scotts."

"Oh." Er sah nachdenklich zur Seite. "Das ist dann natürlich etwas anderes..."

Sie seufzte. "Ich wüsste nur zu gerne, wo er sich jetzt gerade rumtreibt. Als Nikolas gesagt hat, dass Wayne wahrscheinlich ein wenig Zeit braucht, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass er einfach die Stadt verlässt."

Jeremy putzte seine Brille. "Nun, sieh es mal so, Annie: Er hat Megamind und dich praktisch in flagranti erwischt. Und auch wenn es dir nicht so geht, scheint zumindest Metro Man ein gewisses romantisches Interesse an dir zu haben. Dass er, der er alles hat oder bekommt, was er will, dich ausgerechnet an einen solchen Habenichts verliert, war sicherlich ein herber Schlag." Er nahm einen Schluck seiner Limonade. "...Mal abgesehen davon, dass in Filmen die Bösen niemals das Mädchen bekommen."

"Es gibt Schlimmere als ihn", meinte Roxanne.

Er zuckte mit den Schultern. "Kann sein. Ich beschäftige mich lieber mit richtigen Fällen. Superschurkerei ist eher etwas, womit sich... nun... Superhelden beschäftigen."

"Ja, und das ist das Problem!" Sie warf die Hände in die Luft und ließ sich in ihrem Sitz zurückfallen. "Metro Man hat sich vollkommen zurückgezogen und jetzt kommen die anderen Schurken langsam aus ihren Verstecken. Und ich glaube nicht, dass die Polizei dem Herr werden kann."

"Die Polizei?" Er lachte trocken. "Nein, ich glaube auch nicht, dass die dazu in der Lage sein werden. Es ist insgesamt erstaunlich, dass wir überhaupt noch eine Polizei haben."

"Vielleicht kann ich Megamind irgendwie dazu bringen, diese Aufgabe zu übernehmen solange Metro Man weg ist", überlegte sie.

Ihr Bruder sah sie zweifelnd an. "Wie willst du das hinbekommen? Wahrscheinlich sind alle seine Kontakte Schurken. Es wäre Wahnsinn für ihn, sich gegen sie zu stellen."

"Megamind arbeitet allein. Und so wie ich ihn verstanden habe, wird man nur ein Superschurke, wenn man sich gegenüber den anderen Schurken durchsetzen kann."

"Und wenn die anderen Schurken jetzt herauskommen, um Metro City zu übernehmen...", führte Jeremy den Gedankengang fort, "...dann muss er sein Territorium verteidigen. Das ist es doch, was du meinst?"

Roxanne nickte. "Wenn ich ihn anders nicht dazu bringen kann, muss ich ihn wohl damit ködern."
 

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So, mit einiger Verspätung: Kapitel 8. Dieses Kapitel hat einiges an Edition hinter sich. Ich befürchte, man sieht's. Es ist gut möglich, dass ich es noch mal umändern werde.
 

@ SainzDeRouse: Nein, Roxanne wurde nicht dazu genötigt. Und da Minion Megamind bei seinen Plänen helfen muss, wäre es sehr unpraktisch, wenn er auch noch als Abigails Babysitter fungieren müsste. Der "Nistimpuls" bezeichnet in meiner Geschichte eigentlich einen körperlichen Zustand bei Megamind, der nicht rückgängig gemacht werden kann. Aber es ist normalerweise eine bewusste Entscheidung, diesen Zustand auszulösen.

Naja, ich habe mir überlegt, dass es ja eigentlich gar nicht so toll für Nikolas ist, immer die Gedanken anderer zu hören und sie nicht einmal ausblenden zu können. Dies ist eigentlich noch ein harmloses Beispiel, es kann noch sehr viel schlimmer werden, weshalb er auch so isoliert lebt.

Sag das mit der Tastensperre lieber dem Film-Megamind. xD

Schließlich habe ich die Idee der schlecht funktionierenden Uhr aus dem Film. Gut, Megamind hätte sie weiterentwickeln können, aber im Film wurde sie vor dem Bernard-Vorfall auch kaum benutzt und da in dieser Geschichte dieses Ereignis nicht stattfand...

Nein, ich habe keinen Betaleser. Ich editiere meine Texte selbst. Dadurch haben meine Texte vielleicht ab und zu einen kleinen "Schluckauf", wenn du das meinst.

Wenn der Superheld weg ist, tanzen die Schurken

Es war schon eine verkehrte Welt. Da stand er nun in einem der Randbezirke Metro Citys und übernahm die Arbeit, die eigentlich Metro Man machen sollte. Namentlich, andere Schurken davon abzuhalten, die Stadt während der Abwesenheit des Superhelden zu übernehmen.

Offiziell war der Grund für Megaminds Eingreifen die Verteidigung seines Territoriums und seiner Stellung als Superschurke der Stadt, doch inoffiziell war es seine Sorge um Roxanne und Abigail, die ihn dazu trieb, die anderen Schurken herauszufordern.

Normalen Menschen war nicht bewusst, dass nicht nur der Held die Stadt gegen Schurken verteidigen musste, sondern auch die Schurken - insbesondere Superschurken - ihre Stellung innerhalb der Stadt bewahren mussten. Dies beinhaltete unter anderem das Ziehen und Verteidigen von Grenzen, aber ein Superschurke musste auch dafür Sorge tragen, dass andere niedriger gestellte Schurken sich nicht in seine Pläne einmischten und nicht seine Hilfsmittel benutzten.

Roxanne war bereits vor Abigails Geburt öfters mal von Trittbrettfahrern entführt worden, die ebenfalls Metro Man herausfordern wollten, obwohl Megamind sein Vorrecht darauf schon vor langer Zeit klar gemacht hatte. Das Endergebnis waren Gehirnerschütterungen, leichte Verbrennungen und einmal wurde sie sogar über einen Bottich mit Säure baumeln gelassen, wo sie jederzeit die giftigen Dämpfe hätte einatmen können.

Megamind erschauderte immer noch bei der Erinnerung, wie sie ohne besondere Sicherung, nur mit einem alten Seil befestigt über der Schwefelsäure gehangen hatte. Das wollte er nicht mit seiner Tochter erleben. Und sie war in Gefahr, bedachte man doch, dass er praktisch an der Spitze saß und sozusagen den Alphawolf der Schurken Metro Citys darstellte, auch wenn er nie beziehungsweise nur sporadisch mit ihnen zusammengearbeitet hatte.

Somit blieb ihm keine andere Wahl als seinen Gegnern zu begegnen, bevor sie ihn mit Abigail oder Roxanne hervorlocken konnten. Wenn das so weiter ging, löste er am Ende noch Metro Man als Superhelden ab.

Sein heutiger Opponent war ein zwielichtiger, skelettartiger Typ mit violettgefärbter Haut namens Psycho Delic, ein Mitglied des berüchtigten Doom-Syndikats, das Megamind schon öfter Angebote gemacht und die er alle abgelehnt hatte. Nicht zuletzt deshalb, weil er ihnen einen Teil ihres Territoriums abgenommen hatte, das zu nah an seinem Wohnort gewesen war.

Adela und Nikolas hatten in der Vergangenheit schon Probleme mit diesem Typen und seiner Gang gehabt, vor allem nachdem Adela ihn aus dem "Otherworld" geworfen hatte, wo er versucht hatte, Drogen zu verkaufen. Erst Megaminds Übernahme des Bezirks hatte sie von diesem Gesellen befreit.

"Nun, Megamind, wie ich sehe hast du dich entschieden, gegen uns statt mit uns zu arbeiten", meinte Psycho Delic jetzt und zog an seiner Zigarette. "Gibst du eigentlich jemals diese Einsamer-Wolf-Nummer auf?" Er blies dem Superschurken eine Rauchwolke entgegen, die wie durch Magie nicht nach kurzer Zeit in sich einfiel, sondern ihn direkt im Gesicht traf.

Megamind hielt die Luft an bis der Rauch verschwunden war, bevor er seinen Gegner mit skeptisch hochgezogener Augenbraue ansah. "Ich glaube kaum, dass eine Verbindung zu so zweitklassigen Schurken vorteilhaft für mich wäre", erwiderte er mit einem spöttischen Grinsen. "Wo ist eigentlich der Rest deiner Clique? Normalerweise hängst du doch immer an Hot Flashs Rockzipfel."

Sein Gegenüber runzelte verärgert die Stirn. "Das sagt ausgerechnet der Mann, der von einem Achtzehnjährigen verteidigt werden musste."

Der Superschurke verdrehte die Augen. Wenn er glaubte, dass ihn das beleidigte, irrte er sich aber gewaltig. Wahrscheinlich war es ihm nur unangenehm, dass ausgerechnet Nikolas seine Schwäche herausgefunden hatte, indem er den violetthäutigen Mann mit Wasser überschüttet und mit einem Nudelholz verprügelt hatte. Und abgesehen davon hatte Nikolas Megamind nur Zeit erkauft, nachdem er durch Psycho Delics halluzinogenen Rauch kurzzeitig außer Gefecht gesetzt worden war. Man sollte eben nie über seine Schwächen nachdenken, wenn ein Gedankenleser in der Nähe war.

"Oh, bitte", schnaubte Megamind. "Hast du keine besseren Beleidigungen auf Lager? Das hätte ja selbst Nikolas besser gekonnt." Wie beiläufig sah er zu den Dächern der Häuser hinauf, über denen sich die Brainbots zu versammeln begannen, genau wie er ihnen aufgetragen hatte. "Mal abgesehen davon, dass ich keine weiteren Verbündeten brauche."

Psycho Delic schob seinen Hut nach oben und enthüllte so sein entstelltes Gesicht. Die Haut war so straff über seinen Schädel gezogen, dass er aussah wie ein violetter Totenschädel, die Wange waren eingefallen, die Nase verformt, die Augen - soweit sie nicht von der großen Sonnenbrille verdeckt waren - in ihren Höhlen eingesunken und die Lippen dünn, rissig und verschrumpelt, sodass man die Zähne hervorblitzen sah, selbst wenn er den Mund geschlossen hielt.

Man konnte nur Vermutungen anstellen, warum er so aussah, aber Megamind nahm an, dass es entweder auf einen Unfall oder übermäßigen Drogenkonsum zurückzuführen war. Vermutlich eher letzteres, schließlich handelte er auch damit.

"Was das schon für Verbündete sind", schnarrte Psycho Delic herablassend und warf seine Zigarette auf den Boden. "Ein Fisch, eine prüde Variétébesitzerin und ihr hühnerbrüstiger Bruder. Mir schlottern schon die Knie." Er lachte heiser. "Sollen wir also anfangen? Wollen mal sehen, wie gut du dich noch machst, alter Mann." Mit einer fließenden Bewegung schlug er seinen Mantel zurück.

Megamind schnaubte. Wen nannte er hier "alter Mann"? Psycho Delic war genauso alt wie er und hatte sich nicht mal ansatzweise so gut gehalten wie er.

Eine violette Rauchwolke raste auf Megamind zu und er ließ sich zu Boden fallen und rollte zur Seite, während er den Atem anhielt. Keine gute Idee das Zeug einzuatmen, er hatte gesehen, wie Leute allein durch den Rauch schon abhängig gemacht wurden. Bei ihm löste das Zeug zwar nur ein Schwindelgefühl und manchmal Halluzinationen aus, aber auch darauf konnte er gerne verzichten.

Gerade als er sich aufgerichtet hatte, ein Stück seines Umhangs vor seine Nase haltend, erschien wie aus dem Nichts eine Faust aus dem Rauch auf und schwang gegen sein Gesicht.

Der Superschurke lehnte sich zurück und fing den Arm ab, ohne aber seinen Umhang loszulassen. "Woah! Glaubst du wirklich, du kannst einen Faustkampf gegen mich gewinnen?"

Der Arm löste sich auf und im nächsten Moment war der Rauch verschwunden und Psycho Delic materialisierte sich hinter ihm. "Aber sicher doch", meinte er. "Man kann schließlich nichts schlagen, was man nicht treffen kann."

Abermals zerfiel er zu Rauch und Megamind ließ den Umhang los und gab den Brainbots das Zeichen zum Angriff. Durch Nikolas hatte er viele Schwächen seiner Gegner erfahren, darunter die Tatsache, dass Psycho Delic nichts sehen konnte, wenn er im gasförmigen Aggregatzustand war. Nichtsdestotrotz war er ein gefährlicher Gegner, einer, den es so schnell wie möglich auszuschalten galt, wenn man den Kampf gewinnen wollte.

Der Rauch schoß abermals auf Megamind zu, doch diesmal kamen die Brainbots mit mehreren schweren Behältern angesaust. Als Psycho Delic wieder einen Arm verfestigte und in die ungefähre Richtung des Superschurken schlug, ließen sie den Inhalt auf ihn herunterfallen.

Der Schurke stieß einen erschrockenen Schrei aus und versuchte auszuweichen, aber es war schon zu spät. Er materialisierte sich vor Megamind, triefend nass und verwundbar.

"Hochmut kommt vor dem Fall", meinte dieser grinsend, die Arme vor der Brust verschränkt. "Du bist bei weitem noch nicht auf Superschurkenlevel und den bräuchtest du, um mich schlagen zu können. Vielleicht solltest du es erstmal bei Metro Man versuchen."

"Und doch stehst du nur da und redest und redest, statt mir den Rest zu geben", erwiderte Psycho Delic, seine Stimme nun kaum mehr als ein heiseres Flüstern. "Dieses Balg, das du immer zum 'Otherworld' mitgeschleppt hast, hat dich ganz schön verweichlicht."

Megamind verzog höhnisch den Mund und öffnete den Mund zu einer Erwiderung, als er in der Ferne Polizeisirenen hörte. Verwirrt sah er von dem anderen Schurken weg und suchte die Umgebung ab. Tatsächlich schien hinter einem der Fenster jemand mit einem Telefon in der Hand zu stehen, der sie beobachtete.

Komisch. Normalerweise reagierte die Polizei nie auf diese Anrufe. Die Polizisten machten sonst immer einen Bogen um seine Kämpfe und erst recht um diese Gegend. Ein einzelnes Polizeiauto kam herangefahren und Officer Jones sprang aus dem Wagen, kaum dass er zum Stehen gekommen war.

Resigniert verdrehte der Superschurke die Augen. Natürlich. War klar, dass diese Nervensäge keine Möglichkeit ausließ, um ihm nachzustellen. Obwohl er nicht umhin kam, ihren Mut zu bewundern. So etwas sah er sonst nur bei Roxanne oder Warden.

"Keine Bewegung!", rief sie, die Waffe im Anschlag.

"Sie sind die Einzige, die sich gerade bewegt, Miss Jones", erwiderte er gelassen und stemmte eine Hand in die Hüfte, die Augenbrauen spöttisch hochgezogen.

"Ich sagte: Nicht bewegen!", fauchte sie und sah über seine Schulter. "Das gilt auch für Sie, Lilahaut!"

Megamind warf einen kurzen Blick auf Psycho Delic, der bei der Waffe, die auf ihn gerichtet war, erstarrte. Er hatte schon immer gewusst, dass das Syndikat weit weniger mutig war, wenn seine Mitglieder ihrer Kräfte beraubt wurden.

Der Superschurke drehte sich wieder zu der Polizistin um. "Wirklich, Miss Jones, Sie sollten an Ihren Beleidigungen arbeiten", meinte er. "Diese Beleidigung bekommt selbst meine Tochter hin."

"Ruhe!", befahl sie erbost. "Sie kommen jetzt sofort mit zum Gefängnis oder..."

"Oder was genau?", fragte er amüsiert. "Wollen Sie mich dann erschießen? Ich bin mir sicher, dass die Geheimlabore dieser Welt sich über meine Leiche freuen würden." Seine Stimme blieb dabei vollkommen ernst. Er wusste, dass dem so war.

Officer Jones schien von diesem Kommentar etwas aus der Fassung gebracht und ließ die Waffe ein wenig sinken. Dann schüttelte sie den Kopf und hob sie wieder an. "Versuchen Sie nicht, mich zu verwirren, Mr. Mind! Beine hoch und Hände auseinander!" Sie schüttelte abermals den Kopf, als sie erkannte, welchen Unsinn sie gerade gesagt hatte.

Megamind konnte nicht anders, er musste lachen. "Also Gesetzeshüter haben mir schon einige seltsame Dinge befohlen, aber einen Handstand musste ich bisher noch nicht vorführen. Und während Sie noch nach leeren Drohungen suchen, löst sich unser Freund hier in Rauch auf." Er deutete auf Psycho Delic, der ihm einen giftigen Blick zuwarf.

Die Polizistin richtete ihre Waffe auf den Schurken. "Keine Schritt weiter, Sie sind verhaftet!" Sie joggte zu ihm rüber und packte ihn am Arm, während Megamind amüsiert zusah.

Hinter ihm ertönte das Geräusch eines herannahendes Autos und er drehte den Kopf ein wenig, um aus den Augenwinkeln auf die Stelle zu sehen.

"Sir, steigen Sie schnell ein", hörte er Minion flüstern und eine Autotür erschien wie aus dem Nichts. "Sie ist gerade beschäftigt."

Megamind sah zu Officer Jones rüber, die Psycho Delic gerade Handschellen anlegte, ehe er sich blitzschnell umdrehte und in das Innere des Unsichtbaren Autos stürzte.

Die Polizistin fuhr herum, als sie die Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkte, konnte aber nichts mehr entdecken. "Was fällt Ihnen ein, einfach wegzulaufen?", schrie sie in die leere Straße hinein. Dann sah sie zu ihrem Partner rüber, der immer noch angstschlotternd hinter dem Lenkrad saß. "Mit dir als Partner braucht man echt keine Feinde mehr!"

Megamind und Minion hielten sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. Sie beobachteten, wie der andere Polizist vorsichtig rüberschlich und Psycho Delic zögerlich am Arm packte.

Während ihr Partner den Kriminellen zum Polizeiwagen führte, hielt Rebecca Jones sich den Kopf und murmelte: "Ich bin von Idioten umgeben! Mein Partner lässt Megamind entkommen und Dr. Striker pfuscht an den Computern herum, sodass wir nicht nach Abigails Daten suchen können."

Die beiden Freunde im Unsichtbaren Auto sahen sich erschrocken an.

"Dr. Striker hat Abigails Daten gesucht!", flüsterte Megamind entsetzt. "Minion, sieh nach, ob jemand versucht hat, unsere Sperre zu durchbrechen."

"Sofort, Sir."

Nach einer paar Minuten - die Polizisten waren längst weggefahren, nachdem sie die Gegend noch kurz abgesucht hatten und Megamind hatte es fast geschafft, seinen Handschuh durchzunagen - meldete Minion: "Also die gute Nachricht ist: Die Sperre steht noch. Die Schlechte: Jemand hat sie unterwandert und sowohl Abigails als auch Miss Ritchis Daten aufgerufen."

Der Superschurke runzelte die Stirn. "Aber wenn er es herausgefunden hat... ...Warum hat er es nicht der Polizei gesagt?"
 

Roxanne seufzte und klopfte gegen die Metalltür, die ihr den Weg versperrte. An ihrer anderen Hand hielt sich Abigail fest und trat nervös von einem Bein aufs andere, während sie die kahlen Wände musterte. Smink saß zwischen ihren Füßen und musste sich hin und herwiegen, um nicht getroffen zu werden.

"Hier ist es gruslig, Mommy", jammerte das Mädchen und drückte sich an ihre Mutter. "Können wir nicht einfach wieder nach Hause?"

Die Tür öffnete sich, ehe sie etwas erwidern konnte und Metro Man kam ins Blickfeld. Er sah ziemlich heruntergekommen aus. Sein Haar war wohl schon länger nicht mehr gebürstet worden und auf seinen Wangen hatte sich ein ziemlich struppiger Vollbart gebildet.

"Roxie?" Er öffnete die Tür etwas weiter und ließ sie eintreten. Jetzt sah sie auch, dass er nur einen flauschigen Bademantel über einem abgetragenen T-Shirt und einer ebensolchen Hose trug. "Was machst du hier? Hat Megamind dir wehgetan?"

Roxanne verdrehte die Augen und sah sich im Zimmer um. Auf dem Tisch standen drei oder vier leere Flaschen, die wohl mal Alkohol enthalten hatten.

"Tut mir leid, dass es so unordentlich ist", meinte Metro Man und räumte die Flaschen weg. "Ich habe versucht, mich zu betrinken. Bis mir einfiel, dass ich nicht betrunken werden kann." Er lachte kurz und rieb sich den Nacken.

Sie schüttelte resigniert den Kopf und hob Abigail auf das Sofa neben Metro Man, sodass sie sofort von ihm abrückte.

"Wie lange willst du eigentlich noch hier unten sitzen und schmollen?", fragte Roxanne und stemmte die Hände in die Hüfte. "Das ist nicht sehr heldenhaft!"

"Fühl mich auch nicht so", murmelte er und ließ sich auf das Sofa fallen. Abigail quietschte erschrocken auf, als sie ein kleines Stück in die Luft befördert wurde und versteckte sich hinter ihrer Mutter. "Ich nehme mal an, Megamind hat Metro City mittlerweile eingenommen", fügte er hinzu.

Roxanne schüttelte abermals den Kopf. "Er hat schon genug damit zu tun, die anderen Schurken aufzuhalten, die ihrerseits versuchen Metro City zu übernehmen. Nennt es Territoriumsverteidigung."

Metro Man lachte bitter. "Siehst du? Die Stadt kommt prima ohne mich aus. Solange der kleine Kumpel aufpasst..."

"Ja, bis sie ihn wieder einbuchten", meinte Roxanne augenrollend. "Die Leute erkennen das nicht als Hilfe. Mal abgesehen davon, dass das nicht seine Aufgabe ist, sondern deine."

"Er scheint diese Aufgabe aber gut zu machen", erwiderte er und stand wieder auf, um eine Gitarre von der Wand zu nehmen. "Vielleicht hätte ich schon viel früher darüber nachdenken sollen, es ihm zu überlassen."

Sie seufzte genervt. "Meine Güte, Wayne, hör endlich auf im Selbstmitleid zu baden. Ja, es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe, aber hättest du es denn je einfach so akzeptiert, selbst wenn ich direkt zu dir gekommen wäre und es dir erzählt hätte? Wahrscheinlich hättest du ihm nachgestellt, Kodex hin oder her."

"Es ist nicht nur euretwegen, Roxie", erwiderte Metro Man resigniert. "Um ehrlich zu sein fühle ich mich schon eine Weile so niedergeschlagen."

Roxanne setzte sich neben ihn auf das Sofa und zog Abigail nach kurzem Sträuben auf ihren Schoß.

"Also, seit wann fühlst du dich so niedergeschlagen?", fragte Roxanne, nachdem ihre Tochter aufgehört hatte zu zappeln und sich nun damit zufrieden gab, soweit von ihm weg zu sitzen, wie es ihr möglich war. "Weißt du das?"

Der Superheld wiegte den Kopf. "Ich glaube ungefähr seit der Eröffnung des Metro Man-Museums. Damals habe ich zum ersten Mal gedacht: Was wenn du jetzt einfach alles hinwirfst? Wenn Megamind an dem Tag angegriffen hätte, so bin ich mir sicher, hätte ich seine Erfindung vermutlich dafür benutzt, um aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen." Er zuckte mit den Schultern. "Aber er ist nie aufgetaucht. Obwohl du nach der Sendepause nirgends mehr aufzufinden warst, weshalb ich der Meinung gewesen war, dass er noch einen Angriff starten würde."

Sie nickte. "Es war auch ein Angriff geplant gewesen, wenn ich das richtig verstanden habe, allerdings war ich zu dem Zeitpunkt schon hochschwanger mit Abigail. Als wir im Versteck ankamen, kurz bevor Megamind dich herbeirufen wollte, setzten die Wehen ein. Megamind stellte alle Vorbereitungen sofort ein und holte Hilfe. Er wollte nicht riskieren, dass genau hier und jetzt unsere Beziehung öffentlich wurde und mit Gefahr für Abigail und mich."

"Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst", murmelte Metro Man. "Ganz allein, ohne ärztliche Hilfe, nur mit einem Fisch und dem Vater des Kindes als Gesellschaft..."

Roxanne schüttelte den Kopf. "Wir hatten ärztliche Hilfe. Adela und Nikolas haben glücklicherweise eine ziemlich weitverzweigte Familie und die hält zusammen wie Pech und Schwefel. Der Arzt war entweder ein Onkel oder Cousin der beiden, der auch die Voruntersuchungen durchgeführt hatte. Ein wirklich gute Arzt, der erst kürzlich zum Oberarzt befördert worden war."

"Legal war das sicher nicht", meinte er und bekam von Smink einen genervten Blick zugeworfen. "Und es wundert mich, warum das Geheimnis nicht just in diesem Moment aufgedeckt wurde."

"Nein, legal war es vermutlich wirklich nicht", stimmte sie schulterzuckend zu. "Aber er hatte die Möglichkeiten, alles im Geheimen durchzuführen. Wie gesagt, die Dolms sind eine Riesenfamilie, da findet man immer mal ein paar Leute mit den gleichen Berufen."

Er schüttelte ungläubig den Kopf. "An dem Tag ist meine Statue ihrer Nase verlustig geworden", sagte er nach einer kurzen Pause. "Das war auch er, oder?"

"Wer hätte sonst ein Interesse daran, dir die Nase abzuschlagen?", erwiderte sie belustigt. "Megamind war an dem Tag so aufgekratzt, dass er sich wohl irgendwie Luft verschaffen wollte. Und da er durch die Geburt natürlich die Möglichkeit verpasst hatte, dich an deinem Ehrentag herauszufordern, wollte er dir dadurch wohl noch eins auswischen. Mir wurde leider Bettruhe verordnet, einzuhalten in der Wohnung, die Megamind für Abigail gebaut hatte, deswegen konnte ich ihn nicht aufhalten."

Metro Man sah zu Abigail rüber, die sich unter seinem Blick klein machte und ihn misstrauisch ansah. "Ich verstehe nur nicht, warum wir wirklich nichts mitbekommen haben."

"Megamind gab sich viel Mühe, damit niemand etwas herausfinden konnte", erklärte Roxanne. "Er ließ den Teil der Dolms, die ihn noch nicht kannten, Verschwiegenheit schwören, entwickelte eine Hologrammuhr für mich und versuchte ansonsten sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Was bedeutete, dass er mit seinen Plänen so weitermachen musste wie zuvor. ...Ich muss zugeben, dass ich große Angst hatte. Vor der Geburt, vor Entdeckung, aber vor allem davor, dass Abigail oder ich sterben könnten. Deshalb bestand ich darauf, ins Krankenhaus zu gehen und deshalb wurden auch die Dolms so stark in unsere Pläne mit einbezogen, damit die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung geringer würde."

"Warum hat Megamind nicht einfach dafür gesorgt, dass du dein Kind außerhalb Metro City bekommst?", wunderte er sich. "Das war sehr leichtsinnig von ihm."

"Er wollte mich ursprünglich zu Adelas und Nikolas' Familie in Europa schicken, aber da gab es einen Haken." Sie lächelte resigniert. "Was hättest du wohl gemacht, wenn ich plötzlich verschwunden und für einige Monate nicht aufzufinden gewesen wäre? Sicherlich hättest du es auf Megamind bezogen, so wie alle anderen und vermutlich mehr Schaden angerichtet als gut gewesen wäre. Das konnten wir nicht riskieren. Also blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzuarbeiten und mich ab und zu, so dass es nicht auffiel, krank zu melden. Erst nach Abigails Geburt ließ ich mich für längere Zeit krank schreiben."

Sie seufzte. "Es war schon Wahnsinn und wir haben wirklich Glück gehabt, dass es so eine unkomplizierte Schwangerschaft war, sonst wäre es böse geendet."

"Eigentlich war ich immer der Meinung gewesen, dass Megamind genauso wenig Kinder mit Menschen zeugen könne wie ich", gab Metro Man zu. "Anscheinend habe ich mich zu sehr von seinem Aussehen ablenken lassen."

"Megamind meint, du hättest eine Dreifach-Helix", erklärte sie. "Und das bedeutet, dass du mit Menschen inkompatibel bist."

"Er hat Recht." Er lächelte verlegen. "Ich nehme mal an, dass ich ihn einfach ein wenig beneide. Schon als wir noch Kinder waren. Das ist mir in den letzten Tagen klar geworden. Er hat alles, was ich nicht habe; alles, was man sich nicht mit Geld kaufen kann: Intelligenz, einen kreativen Geist, Freunde, die ihm bis in den Tod treu sind... und jetzt auch dich und Abigail." Er sah zu dem Mädchen hin, das verärgert die Arme vor der Brust verschränkte und seinen Blick genervt erwiderte.

"Nun, Megamind hat mich dir nicht weggenommen", meinte sie und strich Abigail über den Kopf. "Ich bin immer noch deine Freundin."

Metro Man lächelte wehmütig. "Wenigstens etwas, das man teilen kann. Ich habe eben immer gehofft..."

"Ich weiß", sagte Roxanne mitfühlend. "Aber du und ich... Wir hätten sowieso nicht zusammengepasst. Unsere Interessen sind einfach zu verschieden. Wir würden uns abends wahrscheinlich nur stumm gegenübersitzen und dem Stundenzeiger folgen."

Er lachte. "Da ist Megamind wirklich eine bessere Wahl." Dann wurde er wieder ernst. "Ich glaube, ich schulde ihm eine Entschuldigung. Auch weil ich ihn meine ganze Arbeit machen lasse."

"Heißt das, du kommst zurück?"

Er nickte feierlich. "Kann meinem kleinen Kumpel schließlich nicht den ganzen Spaß überlassen. Am Ende lässt er mich nicht mehr meine Arbeit tun, weil sie ihm zu gut gefällt."

"Ich glaube, so sehr gefällt ihm diese Aufgabe nun auch wieder nicht", meinte sie lachend. "Besonders da ihm Officer Jones immerzu auf den Fersen ist."
 

Dr. Emmanuel Strikers Involvierung mit Megamind ging viel weiter zurück, als es selbst dem Superschurken bewusst war. Tatsächlich hatte er bereits mit dem enigmatischen Doktor zu tun gehabt, als er gerade mal ein paar Wochen alt war, auch wenn ihm das nicht bewusst war.

Vor ungefähr fünf- oder sechsunddreißig Jahren war eine Kapsel mit einem blauen Außerirdischenbaby darin im Innenhof des Metro City Gefängnisses für Kriminell Begabte gefunden worden. Am Anfang fiel es den Insassen und dem Personal leicht, das Kind zu verstecken, doch als es schließlich ein paar Monate später eine Wand des Gefängnisses einriss und dabei versehentlich einige Insassen freiließ, wurde die Welt zum ersten Mal auf den Jungen aufmerksam.

Und Dr. Striker sollte derjenige sein, der ihn mitnehmen sollte. Damals war er noch ein junger Mann gewesen, frühzeitig mit dem Studium fertig geworden und von allen als Genie gefeiert. Außerdem war er wahnsinnig blauäugig, wie die bald darauffolgenden Ereignisse enthüllen sollten.

Er war wohl der Meinung gewesen, dass all das, was er tat, dem Wohl des Kindes dienlich sein würde. Deshalb war er richtiggehend schockiert, als der Gefängnisdirektor, ein gewisser Jonathan Warden, der gerade erst als Leiter des Gefängnisses eingesetzt worden war, sich vehement gegen eine Wegführung des Jungen aussprach und sogar mit einer Klage drohte, sollte er ihn nicht in Ruhe lassen. Er setzte dem dann noch hinzu, dass er eher seine Gedärme in Brand stecken ließe, als den Jungen an diese Organisation zu übergeben. Und egal welche Argumente Dr. Striker vorbrachte, er konnte den anderen doch nicht umstimmen. Der Junge blieb im Gefängnis und damit basta.

Schließlich gab Dr. Striker nach. Wenn Jonathan Warden sich unbedingt selbst um das Kind kümmern wollte, dann sollte er das tun. Sie konnten immer noch später an den Jungen herantreten sobald er volljährig war. Schließlich und endlich ging es einzig und allein darum, etwas über außerirdische Kulturen zu lernen. ...So dachte er zumindest.

Seine Vorgesetzten waren nicht gerade zufrieden mit seinem Bericht, als er schließlich an seine Arbeitsstelle zurückkehrte. Er habe sich zu leicht abwimmeln lassen, sagten sie. Jetzt kämen sie nie mehr an den Jungen heran.

Dr. Striker wurde für einige Wochen strafverlegt und es dauerte eine ganze Weile, ehe er wieder das Vertrauen seiner Vorgesetzten inne hatte. Und vielleicht wäre es ihm gar nicht gelungen, wenn seine Kollegen nicht genauso erfolglos gewesen wären wie er.

Jonathan Warden hatte seine Beziehungen spielen lassen und hatte ein paar seiner Freunde, diverse Anwälte und Richter, dazu gebracht, den Jungen - der mittlerweile den klangvollen Namen "Jade Myalo" trug - offiziell dem Gefängnis und somit Jonathan Warden zu unterstellen, vor allem da kein Adoptionsbüro auch nur einen Blick auf Jade werfen wollte und der Junge sich sowieso vehement weigerte, sein "Zuhause" zu verlassen.

Das Gefängnis wurde somit rechtmäßig Jade Myalos Heim und der Gefängnisdirektor - der andernfalls keine Möglichkeit gehabt hätte, den Jungen bei sich aufzunehmen - sein Vormund.

Der Junge war somit offiziell außer Reichweite A.M.R.C.s, der Alien and Mutant Research Corperation, und es half auch nicht gerade, dass Metro City sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem eigenständigen Stadtstaat entwickelt hatte, die sich und das umliegende Land selbst verwaltete und sie somit keinen Einfluss dort hatten. Selbst die Währung war eine andere, obwohl sich Metro City immer noch als amerikanische Stadt sah.

Eigentlich hätten die Hartnäckigkeit seiner Vorgesetzten und die Reaktion von Jonathan Warden alle Alarmglocken in seinem Kopf schrillen lassen müssen, doch Dr. Striker war noch nie für seine Menschenkenntnis bekannt gewesen.

Die nächsten fünf bis sechs Jahre hörte er nur wenig von dem Außerirdischen Jade Myalo. Der Junge blieb fast immer im Gefängnis und wurde nur ab und zu unter strengster Aufsicht nach draußen, außerhalb der Gefängnismauern, gebracht. Dass er in einer Schule für "hochbegabte" Kinder angemeldet worden war, erfuhr Dr. Striker erst, als ein großer Artikel im "Metro City Telegraph" erschien, der über eine Farbbombe berichtete, die ein Schüler gebaut und in dem Schulgebäude gezündet hatte, sodass ebenjener Schüler vom Schulunterricht ausgeschlossen worden war.

Abermals wurde er von A.M.R.C. zum Gefängnis geschickt, um den Jungen zu holen, diesmal mit der Begründung, dass er zu gefährlich für die Gesellschaft wäre. Diesmal stellte man ihm bewaffnete Sicherheitsleute zur Seite, eine Geste, die Dr. Striker für vollkommen unnötig hielt. Es handelte sich hierbei schließlich um ein kleines Kind. Die Waffen würden es vermutlich nur erschrecken.

Auf seine Sorge wurde allerdings gar nicht erst eingegangen und als sie vor dem Gefängnis hielten, zog ihn einer der Bewaffneten zur Seite. Er solle nicht so sentimental sein, wurde ihm gesagt. Solches Verhalten brächten ihm vielleicht den Friedensnobelpreis ein, wäre für seinen Beruf aber eher hinderlich. Manchmal müsste man sich die Hände eben schmutzig machen.

Sein Gegenüber hatte das wahrscheinlich wohlwollend gemeint. Aber als sie auf das Gefängnis zugingen, blieb Dr. Striker fassungslos beim Eingang stehen. Es war alles so surreal, die Bewaffneten, die mit der Waffe im Anschlag das Gefängnis stürmten und den Jungen und seinen Fisch wegzerrten, die Insassen, die ihnen Morddrohungen an den Kopf warfen, wenn sie ihn nicht gleich gehen ließen, die Wachleute, die versuchten den Jungen zu erreichen und Jonathan Warden, der mit der Polizei drohte. Dies alles kam ihm vor wie ein schlechter Film, so etwas gab es nicht im wirklichen Leben. Es gab doch Gesetze, Regeln!

In all dem Chaos bemerkte Dr. Striker kaum, wie ihm der Junge in die Arme gedrückt wurde oder wie Jade seine Geistesabwesenheit ausnutzte, um ihn gegen das Schienbein zu treten. Er wusste nur, dass er auf einmal am Boden lag und sein Bein hielt, während um ihn herum Schüsse fielen und Männer zu Boden gingen. Von seiner Position auf dem Asphalt aus sah er, wie der Junge davonrannte. Irgendjemand - vielleicht war es der Anführer gewesen - richtete ihn wieder auf und befahl ihm, ins Auto zu steigen und dem Jungen zu folgen. Er bekäme sonst Ärger mit seinen Vorgesetzten.

Wie in Trance ging Emmanuel Striker zu dem Auto zurück und setzte sich hinters Steuer. Dies war die Wirklichkeit, realisierte er. So etwas wie eine rechtschaffene Organisation gab es wohl nicht, wenn Außerirdische involviert waren.

Er bemerkte kaum, wie er den Wagen startete und aufs Gas drückte. Der Motor heulte auf und das Auto machte einen Schlenker Richtung Gefängniseingang. Ein dumpfer Aufprall, dann glitt einer der Bewaffneten - vielleicht war es der Anführer, vielleicht ein gewöhnlicher Mann - von der Motorhaube und blieb verrenkt liegen. Die Verwirrung, die dadurch entstand, ermöglichte es den Gefängniswärtern die Bewaffneten außer Gefecht zu setzen und die Polizei zu rufen.

In seinen Akten würde später stehen, dass Emmanuel Striker vom Tatort fliehen wollte und dabei den Anführer des Trupps erfasst und getötet hatte, obwohl der Wagen im Eingang gestanden hatte, als die Polizei eintraf, was die Wahrscheinlichkeit einer Flucht eigentlich ausschloss.

Vor Gericht bekannte er sich schuldig, wies die Vorwürfe jedoch zurück, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein. Ein Wachmann bestätigte die Aussage, dass er sich im Hintergrund gehalten und auch keine Anstalten gemacht hätte, sich am Geschehen zu beteiligen.

Er bekam zehn Jahre wegen fahrlässiger Tötung, wobei sein mentaler Zustand zum Zeitpunkt des Unfalls berücksichtigt wurde. Seine Arbeit bei A.M.R.C. war er los, aber wirklich traurig war er nicht darüber. Als er nach sieben Jahren wegen guter Führung frühzeitig entlassen wurde, hörte er, dass sich die Organisation aufgelöst hatte.

Nach seiner Entlassung suchte er sich eine neue Arbeit und nach einigen Absagen fand er auch tatsächlich eine in seinem alten Berufsgebiet, diesmal in Metro City. Und ein Jahr später sollten sich seine Wege abermals mit denen Megaminds kreuzen.

Sein neuer Arbeitgeber war vielleicht nicht so ruchlos wie sein vorheriger, doch auch er beschäftigte sich mit dem Außerirdischen Jade Myalo. Mittlerweile war der Junge zu einem trotzigen Jugendlichen herangewachsen und Metro Citys Stadtrat hatte Interesse daran, den Jungen einmal gründlich auf körperliche und mentale Gesundheit zu untersuchen und dabei vielleicht noch das ein oder andere über mögliche Fähigkeiten herauszufinden, die der Stadt gefährlich werden könnten.

Wenn Jade Myalo - dem ein perfektes Gedächtnis nachgesagt wurde - sich an ihn erinnerte, so zeigte er dies nicht. Er war nicht direkt unfreundlich zu ihm, machte aber deutlich, dass er gut und gerne auf die Gesellschaft des älteren Mannes hätte verzichten können. Seit dem Vorfall mit der Farbbombe und dem darauffolgenden Angriff auf das Gefängnis hatte man den Jungen privat unterrichtet und mittlerweile war er in einem Teil des Gefängnisses untergebracht worden, der für den Rest der Insassen unzugänglich war.

Wenn Dr. Striker bei Jade war, war Jonathan Warden fast immer dabei. Unter seiner Aufsicht nahm der Wissenschaftler Blutproben und ähnliches, mit dem man die DNS des Jungen herausfinden konnte. Und es entging ihm nicht, dass der Gefängnisdirektor diesem Vorhaben wohl niemals zugestimmt hätte, wenn er nicht direkte Anweisungen von oben erhalten hätte.

Dr. Striker fand schnell heraus, dass es Jade Myalo sehr interessierte, wie ähnlich er den Menschen wirklich war und in einem unachtsamen Moment erzählte der Junge ihm sogar, dass er der Letzte seiner Art wäre und somit seine Ähnlichkeit zu Menschen gerne erfahren wollte

Die Proben wurden ins Labor geschickt und Dr. Striker begann damit, Jade Myalo auf Herz und Nieren zu prüfen. Über die Jahre hatte er zwar keine Menschenkenntnis dazugewonnen, dafür aber die Fähigkeit, andere unbewusst zum Reden zu bringen. Es war sehr einfach, vor allem da Jonathan Warden letztendlich doch nicht immer dabei sein konnte und dann nur ein paar Wachen vor der Tür platzierte, damit Dr. Striker den Jungen nicht entführen konnte.

Jade Myalo erzählte ihm einiges von der Kultur, die ihn zur Erde geschickt hatte, angespornt von dem offensichtlichen Interesse des Mannes. Dr. Striker fand heraus, dass Jades Volk - das er "Gloan" nannte - eine hochentwickelte Zivilisation gewesen war, bis hin zu ihrer Reproduktion.

Woher der Junge so etwas überhaupt wusste, konnte Dr. Striker sich nicht wirklich erklären, aber andererseits war Jade mitten in der Pubertät, auch wenn man das von außen nicht sah. Das einzig Auffällige waren sein Hinterkopf, der immer größer zu werden schien und die chronische Müdigkeit des Jungen, die ihn sogar einmal während eines Gesprächs einschlafen ließ.

Die Ergebnisse des Labors schafften Klarheit darüber, dass das einzig Nichtmenschliche an Jades Volk die Reproduktionsart war. Dr. Striker erfuhr nicht alle Details - und wollte sie auch nicht wissen, wenn er ganz ehrlich war -, aber von dem, was er erfahren hatte, entnahm er, dass die Gloaner Schwangerschaften bis ins kleinste Detail planen konnten.

Dieses Wissen in Kombination mit der Tatsache, dass der Junge sowohl mit Menschen kompatibel war und sich auch noch Gedanken darüber gemacht hatte, war Anlass genug für seinen Arbeitgeber, eine Vasektomie anzuordnen.

Dr. Striker fühlte sich schlecht deswegen. Jade war der letzte Gloaner und jetzt ordnete man einfach das Verschwinden dieser Art an statt sie zu erhalten, aus der irrationalen Angst einiger Menschen heraus, von einer neuen Rasse verdrängt zu werden.

Er kam sich vor wie ein Verräter. Der Junge hatte ihm ein großes Geheimnis verraten und er hatte es weiter erzählt. Er versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass der Junge sowieso keine Chance darauf hatte und trotz der genetischen Ähnlichkeit immer noch Fehler bei Jades Nachkommen auftreten könnten.

Natürlich sahen das Jade und Mr. Warden anders und im Rückblick hätte er sich wohl besser auf ihre Seite gestellt. Zumindest wäre der Junge wohl nicht ausgebrochen, um irgendeinen dummen Streich auszuhecken, nur um von einem jugendlichen Metro Man eingefangen zu werden, der noch nicht richtig mit seinen Kräften umgehen konnte und Jade deshalb fast den Arm gebrochen hatte. Und vermutlich wäre der Junge nicht der Meinung gewesen, dass alle Menschen Verräter wären und sich nicht gegen sie gestellt.

Jonathan Warden klagte gegen den Beschluss der Stadt und erreichte, dass Jade nicht ohne sein Einverständnis vasektomiert werden durfte. Dr. Striker wurde des Gefängnisses verwiesen und zog sich resigniert zurück mit der Gewissheit, dass seine Absichten abermals missverstanden worden waren. Wenigstens behielt er diesmal seine Arbeit, auch wenn er nur noch für sich selbst arbeitete.

Besorgt verfolgte er in den Medien die Verwandlung Jade Myalos in Megamind, "unglaublich gut aussehendes kriminelles Genie und Meister aller Schurkerei". Sein Ziel schien geworden zu sein, es den Menschen - und insbesondere Metro Man - das Leben schwer zu machen. Bald begann er damit, eine Reporterin zu entführen, Roxanne Ritchi, die zuvor ein Interview mit ihm hatte führen wollen. Die Chance, dass Megamind jemals eine Frau fände oder Miss Ritchis Zuneigung für sich gewinnen könnte, erschienen verschwindend gering. Und dennoch...

Vielleicht hätte er es ahnen müssen, überlegte er, während er auf den Ausdruck in seiner Hand starrte. Miss Ritchi hatte sich ein wenig zu vehement dagegen gewehrt, dass Abigail zu ihm kam. Damals hatte er sich keinen Reim darauf machen können, aber nun...

Dr. Striker wusste nicht, ob er lachen oder resigniert den Kopf schütteln sollte, als er den Namen unter der Rubrik "Kindsmutter" las: Roxanne Ritchi. Das war das Leichtsinnigste, was der Superschurke seit einer Weile gemacht hatte und noch leichtsinniger, dass er seiner Tochter auch noch ihren Nachnamen gegeben hatte. Es war beinahe so, als drehte Megamind ihm eine lange Nase.

Nach einem kurzen Blick über die Schulter zerknüllte Dr. Striker den Auszug, den er ausgedruckt hatte und tippte etwas in den Computer ein. Er hatte schon früher Megaminds Akten verändert, wann immer der Superschurke ohne Gerichtsverhandlung verurteilt worden war. Bei so einem einflussreichen Arbeitgeber angestellt zu sein, hatte seine Vorteile. Natürlich konnte er Abigails Daten nicht einfach löschen oder verändern, das konnte gefährlich für sie werden, aber...

Mit einigen wenigen Klicks hatte Dr. Striker die Sperre wieder hergerichtet, die Megamind gebaut hatte, um die Daten seiner Familie zu verbergen, ehe er aufstand und das Polizeiarchiv verließ. Er grüßte den diensthabenden Polizisten und lief auf die Straße hinaus, ehe jemand etwas bemerkte.

Was er da tat, war höchst illegal. Wenn irgendjemand das herausfand, kam er für etliche Jahre ins Gefängnis, aber irgendwie kümmerte ihn das nicht wirklich, solange er einen Teil seiner alten Schuld begleichen konnte. Vermutlich würden seine Absichten mal wieder falsch verstanden, aber wenigstens war sein Gewissen etwas erleichtert.
 

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Kapitel 9 ist das längste bisher, da es für mich keine Möglichkeit gab, das Kapitel aufzuteilen ohne das Gefühl zu haben, dass etwas fehlt.
 

@ SainzDeRouse: Da das Kapitel in diesem Museum gespielt hat, musste ich Bernard irgendwie einbringen. Er erscheint mir zwar nicht der Typ, der jemandem selbstlos hilft, aber wenn er die Befürchtung hat, dass er anderfalls belangt wird...

Aber vielleicht ist das auch nur eine Farce.

Nun, Striker ist ein Mann, der immer die falschen Entscheidungen getroffen hat. Da er außerdem in seiner Jugend so blauäugig und so leicht hinters Licht zu führen war, ist es verständlich, dass Megamind ihm nicht vertraut.

Vielleicht hast du jetzt auch eine ungefähre Ahnung, was - teilweise - mit Megaminds Akten passiert ist.

Verschnaufpause

Bernard Longfield war der einzige Experte zu Megamind, den Metro City, ach was, den die Welt hatte. Niemand sonst hatte jemals echtes Interesse an dem blauhäutigen Außerirdischen gezeigt. Für den Rest Metro Citys war er nur ein Störenfried, der alle zwei Wochen einen Plan zur Übernahme der Stadt hatte, die jedes Mal fehlschlugen.

Zu Metro Man gab es Dutzende Bücher, die ausführlich über den Superhelden berichteten, zu Megamind gerade mal eine Hand voll Abhandlungen, die sich noch dazu gegenseitig und manchmal sogar sich selbst widersprachen. Nicht einmal die einzige bestätigte Tatsache, nämlich dass Megamind außerhalb der Erde geboren worden war, fand Einzug in jedes Werk. Von Mutation bis hin zu nuklearer Strahlung gab es alles, was das Herz begehrte.

Deshalb war es wohl Bernards geheimer Wunsch, ein richtiges Buch über den Außerirdischen zu schreiben, eines, das tatsächliche Fakten über diesen beinhaltete. Das Problem war nur, dass es ihm an Zeit und Motivation fehlte. Wenn er Megamind im Gefängnis interviewen wollte, musste er sich eine Erlaubnis holen, weil er normalerweise keinen Besuch empfangen durfte und wenn der Superschurke ausgebrochen war, musste er vermutlich erst einmal anfangen zu suchen. Das war Bernard mit Verlaub einfach zu anstrengend, besonders wenn die Möglichkeit bestand, für seine Bemühungen mit einer Dehydration belohnt zu werden.

Abigail Minds Auftauchen an seinem Arbeitsplatz hätte ihm wohl die Möglichkeit geboten, etwas mehr über ihren Vater zu erfahren, aber leider hatte er nicht die Geistesgegenwart besessen, sie danach zu fragen. Vermutlich hätte das Mädchen sowieso keine seiner Fragen beantworten können, ob sie nun Megaminds Tochter war oder nicht.

Seufzend steckte Bernard den Schlüssel in das Schloss seiner Wohnungstür und drehte ihn um. Seit dem Tag, an dem er das kleine Mädchen im Museum gesehen hatte, war ein Monat vergangen. Weihnachten und Silvester waren gekommen und gegangen, ohne dass es irgendeinen Unterschied bei ihm gemacht hatte. Mit dem bisschen Geld, das er verdiente, konnte er gerade mal seine Wohnung und sein Essen bezahlen, somit fielen die beiden Feste für ihn flach.

Als die Tür mit leisem Knarren nach innen aufschwang, blieb er wie angewurzelt stehen. Der Flur seiner Wohnung war hell erleuchtet, obwohl er sich sicher war, dass er alle Lichter ausgeschaltet hatte, bevor er die Wohnung an diesem Morgen verlassen hatte.

Vorsichtig trat er durch die Tür und sah sich misstrauisch um. An der Tür hatte er keine Einbruchsspuren gesehen und auch der Flur war noch immer aufgeräumt. Das mussten die ordentlichsten Einbrecher in ganz Metro City sein.

Aus der Küche kam ein Poltern und er zuckte erschrocken zusammen, ehe er sich zur Küchentür schlich.

Bernard gab offen zu, dass er nicht der mutigste Mensch der Welt war, er ging Gefahr und Schwierigkeiten lieber aus dem Weg - wohl ein weiterer Grund, warum es ihm bisher noch nie gelungen war, Megamind zu interviewen -, aber wenn jemand in seiner Küche herumstöberte, musste er etwas unternehmen. Er konnte schließlich nicht die ganze Nacht im Flur ausharren, in der Hoffnung, dass die Einbrecher einfach weggingen.

Er drückte sich gegen die Flurwand, so wie das die Männer in den Filmen immer taten, wenn sie sich anschleichen wollten, und rutschte vorsichtig zu der Küchentür rüber. Durch das aufgeraute Glas der Küchentür fiel ein Schatten und Bernard blieb abrupt stehen. Der Mann musste direkt hinter der Tür stehen, denn sein Schatten war sowohl groß als auch sehr breit.

Gerade als er zurück zur Eingangstür schleichen wollte, öffnete sich die Küchentür und ein blauhäutiger Mann steckte seinen übergroßen Kopf aus der Küche und musterte ihn kritisch.

Und das Erste, das ihm einfiel zu sagen, war: "Das ist ein ziemlich geschmackloses Kostüm."

Der Mann sah ihn ungläubig an. "Kostüm?"

Bernard versuchte sein Möglichstes, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen, was wohl zur Folge hatte, dass er einfach weiterredete, obwohl er seine Situation dadurch vermutlich nur noch verschlimmerte. "Megaminds Kopf ist nicht so maßlos aufgedunsen."

Obwohl er das gar nicht wissen konnte, aber warum sollte der stadteigenen Superschurke in seiner Wohnung auftauchen? Es musste einfach ein schlechter Scherz sein.

Der Mann vor ihm runzelte verärgert die Stirn und griff nach etwas an seinem Gürtel.

Das war der Moment, an dem Bernard zu glauben begann, dass Angst keinen Nutzen für einen Menschen hatte. Warum sonst plapperte er immer weiter, wenn man ihn schon mit einer Waffe bedrohte? "Oh, und Sie haben auch noch eine billige Kopie seiner Dehydrationswaffe", hörte er sich sagen, während der Mann verwirrt auf seine Waffe ansah und diese anschließend wieder auf ihn richtete. "Wie origi-"

Die Welt um ihn herum wurde blau, dann bekam er einen Schwall Wasser über den Kopf geschüttet und fand sich rücklings auf seinem Küchentisch wieder. Über ihn war ein großer Gorillaroboterkörper gebeugt, aber der Fisch in dem Glas hatte ihm den "Rücken" zugewandt und schimpfte mit jemandem, den er von seiner Position aus nicht sehen konnte.

"Wirklich, Sir, war das von Nöten?", fragte der Fisch aufgebracht. "Sie sehen doch, dass er ein wenig durcheinander war."

"Mein Kopf ist nicht maßlos aufgedunsen!", hörte er Megamind - niemand anderes konnte es sein - sagen. "Wirklich, ist das der Mann, von dem Abigail behauptet, dass er ihr geholfen hat? Sollte er da nicht wissen, wie unsereins aussieht?"

Sein Begleiter seufzte resigniert und wandte sich wieder Bernard zu, der ihn skeptisch ansah. "Wie fühlen Sie sich?"

"Das ist der schlimmste Tag meines gesamten Lebens", seufzte Bernard und versuchte sich aufzurichten. Dabei fiel er fast vom Küchentisch herunter, wurde aber im letzten Moment von dem Fisch festgehalten.

"Es tut mir wirklich leid", versicherte dieser ihm und setzte ihn auf den Tisch. "Sir ist manchmal einfach ein wenig vorschnell."

Hinter ihm ertönte ein verächtliches Schnauben und Minion warf einen missbilligenden Blick über die Schulter.

"Was wollen Sie von mir?", fragte Bernard misstrauisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich irgendetwas von Interesse bei mir hätte."

"Sie nicht, aber ich", meldete sich Megamind zu Wort, ohne ihn anzublicken, lässig auf einem Stuhl schaukelnd.

Bernard sah fragend zu Minion rüber, der ihn nur scharfzähnig auf eine Weise angrinste, die wohl aufmunternd sein sollte.

Als er nichts dazu sagte, seufzte Megamind und fuhr fort, ohne ihn anzusehen: "Sicherlich erinnern Sie sich noch an das kleine blaue Mädchen, das Ihnen Ende letzten Jahres begegnet ist, oder? Ihr Name ist Abigail. Und wie Sie sich denken können, ist sie meine Tochter."

"Ja, und?", erwiderte Bernard und hoffte, dass seine Stimme nicht zu unsicher klang. "Was hat das alles mit mir zu tun?" Hoffentlich erwartete der Kerl nicht, dass er sich auf einmal um die Kleine kümmerte. Er konnte mit Kindern nichts anfangen.

"Sie haben meiner Tochter geholfen", meinte Megamind geistesabwesend. "Und sie hat mich darum gebeten, Ihnen einen Gefallen zu tun." Er sprach das Wort "Gefallen" so aus, dass klar war, dass er es nicht aus reiner Herzensgüte tat. Nicht dass Bernard dergleichen geglaubt hätte.

"Und der wäre?", wollte dieser misstrauisch wissen.

"Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Probleme damit haben, als Experte Respekt zu bekommen, weil Sie mich noch nie getroffen haben?"

Der Museumsangestellte sah ihn von oben bis unten an. "Möglich. Aber wie wollen Sie mir dabei helfen?"

Der Stuhl kam mit einem dumpfen Schlag wieder auf allen vier Beinen zu stehen und der Superschurke richtete sich auf. "Nun, ich bin bereit Ihre Fragen zu meiner Person zu beantworten. ...Insofern sie nicht allzu persönlich werden", fügte er hinzu. "Ich behalte mir vor, Fragen nicht zu beantworten, die ich für nicht zulässig halte."

Bernard dachte einen Moment lang nach.

Eine Falle war das wohl nicht, dafür gab es schließlich keinen Grund. Er war weder besonders klug noch besonders einfallsreich, konnte also nicht flüchten, wenn Megamind ihn erstmal in seiner Gewalt hatte. Auch gab es nichts, wofür man ihn gefangen halten konnte, weder Geld noch Wissen.

Vielleicht stimmte es wirklich und es war einfach eine Art Belohnung dafür, dass er die Kleine mehr oder weniger verteidigt hatte.

Und wie oft kam er schon in die Lage, seine Fragen von Metro Citys Superschurken höchst persönlich beantworten zu lassen?

Zögernd machte er einen Schritt auf Megamind zu und streckte ihm vorsichtig seine Hand entgegen. "Einverstanden."

Der Superschurke packte seine Hand mit festem Griff und sah ihm unverwandt in die Augen. "Auf gute Zusammenarbeit, Mr. Longfield."
 

Roxanne seufzte und hob den Schal und die Mütze auf, die ihre Tochter jetzt zum fünften oder sechsten Mal von sich geworfen hatte, offenbar in der Hoffnung, dass sie es diesmal nicht bemerkte. "Abigail!"

Das kleine Mädchen horchte auf und rannte in Richtung einiger Büsche am Rand des Spielplatzes, in denen sie sich versteckte. Obwohl "verstecken" wohl das falsche Wort dafür war, da sie es durch die blattlosen Äste gut sehen konnte.

Abermals seufzte Roxanne genervt und folgte ihrer Tochter, in der Hoffnung, ihr Schal und Mütze wieder überstreifen zu können. Kaum hatte Abigail sie aber gesehen, kämpfte sie sich bis zur anderen Seite durch und ein dritter Seufzer entfuhr der Mutter. Die Büsche waren zu dicht, als dass sie sich hindurchzwängen könnte, deshalb musste sie um die Büsche herumlaufen, um ihre Tochter einzufangen.

"Abigail, jetzt ist es wirklich genug", sagte Roxanne verärgert, als sie endlich das Ende erreicht hatte. "Du ziehst jetzt sofort Schal und Mütze an oder wir gehen gleich nach Hause!"

Abigail drehte sich nicht einmal nach ihr um. Stattdessen starrte sie wie gebannt auf eine weißhaarige Frau, die nur einige Meter vor ihr entfernt stand und sie aus pupillenlosen Augen musterte. Ihre Haare bewegten sich, als wehte ein Wind sie nach oben, obwohl es vollkommen windstill war.

Roxannes Augen weiteten sich, als sie der Frau gewahr wurde und sie ging eilends zu ihrer Tochter rüber, die sich unsicher an ihr Hosenbein klammerte. Der Schal und die Mütze lagen vergessen im Schnee.

"Hallo", sagte die Frau leise und lächelte sie beide an. Ihre Stimme klang wie ein schwacher Luftzug, der durch Ritzen ins Haus drang.

Roxanne sah sie nur misstrauisch an. Es gab eigentlich keinen Beweis dafür, aber sie war sich sicher, dass sie hier einer Schurkin gegenüberstand, auch wenn sie beide freundlich anlächelte und auch sonst noch keine Anstalten gemacht hatte, irgendetwas zu tun. Vielleicht war es nur die Art und Weise, wie sie erschienen war, vielleicht wie sie auftrat, aber irgendwie umgab sie diese besondere Aura.

Der Kleidung hätte man nicht entnehmen können, welcher Seite die Fremde angehörte. Die Farbkombination ihrer Kleidung - orangefarbene und weiße Streifen auf dem Oberteil und blau-weiße Streifen auf den Hosen - war normalerweise Helden vorbehalten, aber der Stehkragen und die armhohen, hellblauen Handschuhe waren eher Charakteristiken eines Schurken, wenn man Megamind als Beispiel nehmen konnte.

"Ich wollte gern mit Megamind reden", sagte die Frau. "Er ist nicht ... hier, oder?"

"Wer sind Sie?", fragte Roxanne unsicher. Die Tatsache, dass die Fremde wusste, dass normalerweise Megamind Abigail zum Spielplatz begleitete, machte ihr ein wenig Sorgen.

"Lady Doppler", erwiderte die Frau. "Hat Megamind ... Ihnen nichts über mich erzählt?"

Roxanne sah sie nur stumm an. Warum wollte sie mit Megamind sprechen und warum sollte er ihr etwas über sie erzählt haben?

"Ich bin... Nun, ich denke, Sie könnten mich eine alte 'Bekannte' nennen." Die Art, in der Lady Doppler das Wort 'Bekannte' aussprach, hatte etwas Doppeldeutiges, aber Roxanne konnte es nicht genau identifizieren. Vermutlich war sie einfach einer von Megaminds alten Kontakten.

"Und ... warum wollen Sie mit Megamind reden?", fragte Roxanne argwöhnisch.

Lady Doppler zuckte mit den Schultern. "Es ist viel vorgefallen. Und ich war schon länger nicht mehr in der Stadt. Ich wusste nicht, dass er mittlerweile eine Tochter hat." Sie wandte ihre pupillenlosen Augen Abigail zu, die sich gegen Roxannes Bein presste und sich so gut es ging zu verstecken versuchte.

"Also... Soll das so eine Art Freundschaftsbesuch sein?" Roxanne hob zweifelnd eine Augenbraue.

Die Frau lachte, leise und unheimlich wie der Wind, der um die Ecken eines alten, klapprigen Hauses zog. "Vielleicht. Ich weiß nicht, ob wir jetzt noch 'Freunde' sind, da er sich so sehr verändert hat. Früher wäre er nie auf den Gedanken gekommen, die anderen Schurken herauszufordern. Es war immer umgekehrt." Sie sah Roxanne mit schief gelegtem Kopf an. "Das müssten Sie eigentlich auch schon mal mitbekommen haben. Die anderen dachten, es wäre das Einfachste, wenn sie Megamind herausforderten, indem sie sein Lieblingsentführungsopfer gefangen hielten."

Roxannes Augen sah sie aus großen Augen an. Sie war immer der Meinung gewesen, jene anderen Schurken, die sie entführt hatten und dabei nicht gerade sanft mit ihr umgegangen waren, wären einfach nur Trittbrettfahrer gewesen, die es ebenfalls mit Metro Man aufnehmen wollten.

"Nun, so einfach war es dann doch nicht, oder?", fuhr Lady Doppler fort. "Jedenfalls haben sie es danach nie wieder versucht. Aber jetzt ist es Megamind, der die anderen herausfordert."

"Er hat sich schon in der Vergangenheit die Reviere anderer Schurken einverleibt", meinte Roxanne. Abigail war mittlerweile dazu übergegangen, an ihren Hosenbeinen zu ziehen.

"Oh, sicher, aber herausgefordert hat er sie nie", erwiderte Lady Doppler. "Er hat immer darauf gewartet, dass sie ihn angriffen, nur um ihnen dann zu zeigen, dass er ihnen überlegen ist."

Das passte wohl zu Megamind, der gerne seine Überlegenheit zur Schau stellte. Aber Roxanne fand es dennoch merkwürdig, dass diese Frau so anerkennend davon redete. Wenn sie eine Schurkin war, kämpfte sie sicher auch um ihr Revier und wenn sie eine Heldin war, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass sie irgendeine Anerkennung für seine Fähigkeiten als Superschurke hatte. Verachtung hätte da besser gepasst.

"Nun, das klingt ... eindeutig nach Megamind", stimmte sie nervös zu und nickte überflüssigerweise. "Hören Sie... Sie sehen ja, dass Megamind nicht hier ist. Und warum er jetzt die anderen Schurken herausfordert, weiß ich auch nicht."

Lady Doppler sah sie durchdringend an. "Das sollten Sie aber eigentlich." Sie lächelte wissend. "Schließlich sind Sie der Grund, warum er das alles auf sich nimmt."

"Eigentlich dachte ich eher, dass es Abigail ist, derentwegen er das macht."

"Ob seine Tochter oder Sie, das kommt letztendlich aufs Selbe heraus, oder?", erwiderte die Schurkin.

Roxanne sah sie nur stumm an. Sie war sich sicher, dass weder ein Dementi noch eine Zustimmung ihr bei dieser Frau einen Blumentopf gewinnen könnte. Und sie wusste auch beim besten Willen nicht, was es die Fremde überhaupt anginge.

"Wirklich beneidenswert", meinte Lady Doppler. "Wissen Sie, nicht viele Frauen können von sich behaupten, so unumschränkten Schutz von einem Superschurken zu bekommen. Ein Schurke dieses Kalibers kann es sich eigentlich nicht leisten, eine solche Schwäche zu haben. Ihre Geliebten müssen fast immer für sich selbst kämpfen, weshalb die meisten selbst in dem Metier tätig sind. Trennungen sind meistens ... brutal."

Sie sah auf einen Punkt hinter Roxanne, während sie fortfuhr: "Ich bin mir nicht sicher, ob es auf der Welt noch einen Superschurken wie Megamind gibt. Vermutlich wäre er schon längst erfolgreich gewesen, wenn er nicht so verdammt edelmütig wäre." Seufzend zuckte sie mit den Schultern. "Richten Sie ihm bitte von mir aus, dass ich ihn gesucht habe, ja?"

Ehe Roxanne noch etwas erwidern konnte, war die seltsame Frau verschwunden.

"Das war komisch", sagte Abigail leise und zog die Nase kraus. "Und warum kann sich Daddy keine Schwäche leisten? Er sagt immer, dass er bei Zitronen schwach wird. Heißt das, dass er keine Zitronen mehr haben darf?"

Ihre Mutter schüttelte den Kopf und ging zu der Stelle zurück, an der immer noch die Mütze und der Schal lagen. "Eine andere Art von Schwäche, Abigail", meinte sie und zog dem sich sträubenden Kind die Kleidungsstücke an.

Einen Moment lang zögerte sie, nicht sicher, ob das wirklich ein Thema war, das man mit einer Fünfjährigen besprechen sollte. Sie wusste, wie das Leben eines Superschurken ungefähr ablief und es war keine schöne Vorstellung, nichts was man normalerweise mit einem Kind besprach, aber früher oder später fand Abigail sicher von selbst heraus, was es bedeutete.

"Es gibt einen großen Unterschied zwischen Schurke und Superschurke", erklärte sie schließlich, sich an Megaminds Worte erinnernd. "Der Superschurke ist sozusagen der König unter den Schurken. Nur ein Overlord steht noch höher, aber beide müssen stets damit rechnen, dass ein anderer sie herausfordert, um ihren Platz einzunehmen. Da ist für Sentimentalitäten, Mitgefühl oder Liebe eigentlich kein Platz."

Abigail sah nachdenklich zu Boden. "Hat Daddy uns dann nicht lieb?"

Roxanne lachte und zog sie in eine Umarmung. "Du hast diese Doppler doch gehört, oder nicht? Es gibt vielleicht keinen zweiten Superschurken vom Kaliber deines Vaters. Er hat uns lieb", versicherte sie ihrer Tochter, als sie zu ihr aufsah. "Er tut all das - die Heimlichtuerei, die Herausforderungen, die Kämpfe - nur für unsere Sicherheit."

"Klingt wie der tiefste Kreis der Hölle", brummte Abigail. "Ich will jedenfalls kein Superschurke werden."

Abermals lachte ihre Mutter und schob sie vorsichtig an den Büschen vorbei zurück auf den Weg. "Na, hoffentlich. Sonst hätten dein Vater und ich als Erziehungsberechtigte versagt."
 

_______
 

Kapitel 10 war schwer zu schreiben, wie das bei Füllkapiteln so üblich ist. Ich habe bestimmt fünf Versionen geschrieben und wieder fallen gelassen und letztendlich ist es doch viel zu kurz ausgefallen.

Lady Doppler ist im Übrigen nicht meine Erfindung. Sie ist eine der Schurken, die es nicht in Film oder Spiel geschafft haben, die aber im "Art of"-Buch zu sehen waren.



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  SilverReader
2012-08-08T14:55:38+00:00 08.08.2012 16:55

Also ich hab jetzt alles gelesen an einem Tag und ich muss echt sagen das ich total begeistert bin.
Wie schon angemerkt die Story ist genial
Abigall ist wirklich Süß!
Die ganzen Hintergruninfos fin ich wirklich genial und Dr. Striker... sorry ich kenne X-Man und auch Dr. Striker und das er auch mal so... nett sein kann fand ich wirklich... aber es gibt auch Szenen die einfach zu ihm gepasst haben XD
*lach*

Aber was ich wirklich gerne wissen würde.
Die Info mit Megaminds Namen... hast du dir den Ausgedacht oder in iwo gefunden auf ner Ofiziellen Seite oder sowas?

Nochmal geile Geschichte und dein Schreibstiel hat mich echt gefesselt.
Würde mich wirklich freuen wenn es weiter geht.
Werd die FF auf jeden Fall empfehlen!!

lg Silver
Von:  SilverReader
2012-08-08T10:32:00+00:00 08.08.2012 12:32
Ups.

Aber wirklich echt genial. Mal ein etwas herrischer Megamind. Aber wenns um die eigene Tochter geht.
*lach*

Wirklich ein schönes Kapitel, auch die Characterdarstellung ist wieder gut gelungen.

Storytechnich bin ich bespannt wie es weiter geht ^^
Von:  SilverReader
2012-08-08T10:11:05+00:00 08.08.2012 12:11

Das ist wirklich.. wirklich mal ne geile Idee
ein geheimes Verhältnis mit Roxanne XD
Ich bin begeistert!

Dein Schreibstiel gefällt mir
Die Characterdastellung ist wirklich gut gelungen
und auch der Name der Tochter und deren Gehilfen ist wirklich gut gewählt XD
Hat mir spontan sehr sehr gut gefallen ^^

*sich jetzt über die Anderen Kapitel hermach*
Von:  SainzDeRouse
2012-04-28T16:59:10+00:00 28.04.2012 18:59
Oh Bernaaaaaard! XD *schwärm*
Ich liebe Bernard! ^^
Das hast du so super hinbekommen, vorallem die Vorstellung wie Abigail Megamind drum bittet Bernard ein paar Fragen zu beantworten. XD
Und Doppler ist dir richtig gut gelungen find ich. ^^
Bin gespannt was da noch so passiert und welche Art 'Bekanntschaft' sie ist.
Ich will nicht nerven, aber wann gibt es das nächste Kapitel? *hundeblick aufsetz*
Von:  SainzDeRouse
2012-04-28T16:51:14+00:00 28.04.2012 18:51
Mal wieder ein super Kapitel, was soll man auch sonst dazu sagen? ^^
Aber vorab erstmal eine Frage: Was zum Geier ist eine Dreifach-Helix?

Finde das aber eine gute Idee das Metro Man in Gegensatz zu Megamind keine Kinder mit Menschen kriegen kann, ist doch mal was Neues. ^^

Aber das Psycho Delic nur durch Drogen so geworden ist bezweifle ich.
Das erklärt ja nicht die violette Haut und seine Fähigkeit...
Obwohl es ja immer heißt, man ist was man isst. XD
Von:  SainzDeRouse
2012-01-23T19:14:39+00:00 23.01.2012 20:14
Sooooo, jetzt kommt endlich mein Kommentar. ^^

Striker ist schon ein widerlicher Kerl, zum Glück kam Bernard dazwischen. ^^ Auch wenn dieser eher unfreiwillig den Helden gespielt hat. *lol*
Smink tat mir schon echt leid, tja als Wiesel hat man es nicht leicht. Aber jedes andere Tier hätte da auch keine Chance gehabt.
Keine Gerichtsverhandlungen, keine Aussagen, keine Verurteilungen, keine Akte????? Was ist da denn los?
Also jetzt bin ich gespannt was da raus kommt. Kann doch nicht sein das sie von Anfang an Megamind wie ein Tier behandelt haben.
Wie immer schön geschrieben und spannend erzählt.
Bin gespannt wie es weiter geht. ^^

Akte
Von:  SainzDeRouse
2012-01-07T14:50:48+00:00 07.01.2012 15:50
Nistimpuls???? *loooooooooooooool*
Ich seh Megamind schon vor mir, wie er Roxanne ein Kissen unter den Pulli steckt, ganz verträumt darüber streicht und andauernd in Katalogen mit Babyzubehör blättert. *hehe*
Also eigentlich wurde Roxy doch genötigt oder? Megamind drohte wahrscheinlich damit sich eine gehörige Sammlung an Tierbabys zu holen,wenn sie ihm nicht dabei half ein Baby zu machen. ^^
Welche Voraussetzungen müssen denn erfüllt werden? DAS würde ich doch zu gerne wissen. Ich kann es mir schon denken.
1. eine Frau (Roxanne)
2. viel Platz (Fabrik) und
3. einen Babysitter (Minion) ^^
Bei Tieren reichen ja schon die ersten zwei Punkte. *lol*
Warum sehe ich Megamind jetzt mit Schnabel und Flügel vor mir? ^^

Wie das bei seiner Art abläuft, darüber habe ich mir selber nie Gedanken gemacht. Aber wahrscheinlich wie bei allen Lebewesen. Man verliebt sich, die Hormone springen an und die Fortpflanzung kann losgehen.
Aber bei der Art müssen vielleicht ja auch andere Punkte erfüllt werden. Tiere vermehren sich auch nicht wenn ihre Territorien dank des Menschen kleiner werden. Vielleicht braucht seine Art die Möglichkeit ihr Gehirn richtig auslasten zu können. Das ist ja schließlich ihr Lebensinhalt... sozusagen.

Die Szene wo Megamind Roxanne umarmt und unkoschere Gedanken hat und Nikolas drunter leiden musste, das war zum Schießen. ^^
Die Uhr aber hat doch zwei Fehler in ihrem System. Wenn sie sich einfach ausschaltet wenn Megamind schläft oder wenn sie gleich die Gestalt wechselt bei jeder kleinen Berührung, ist das sehr unpraktisch. Sie bräuchte so etwas wie eine Tastensperre.

Das Kapitel natürlich wieder sehr gelungen.
Aber was mich interessieren würde, hast du eigentlich eine Beta-Leserin?

LG
Von:  SainzDeRouse
2011-12-30T21:39:58+00:00 30.12.2011 22:39
Sehr schönes Kapitel. ^^
Wie immer.
Tja für Metro Man muss es schon sehr frustrierend sein von niemand Hilfe erwarten zu können und keinerlei Infos zu bekommen. Da scheint Megamind ja einen gefestigten, zuverlässigen Freundeskreis zu haben. Da bleibt doch glatt die Frage offen wie das zu Stande kam.
Die Szene mit Abigail im Bett, einfach göttlich. ^^
Ich habe nur nicht verstanden weswegen er in Roxannes Wohnung die Tarnung beibehält, wenn die Uhr sich von allein ausschalten musste.
Das mit Roxannes Mutter muss durchaus überarbeitet werden, aber dennoch wäre es mir lieber wenn du dich auf die nächsten Kapis konzentrierst. Ich weiß von mir selber das man nicht alles auf einmal machen kann. ^^
Der Kinderwunsch kommt von Megaminds Biologie????
Verstehe ich es richtig, wenn ich glaube, das bei Megamind die innere Uhr getickt hat und er unbedingt ein Kind haben wollte? Oder steh ich auf der Leitung?
Hoffe es kommt sehr bald das nächste Kapitel. ^^
Und ich wundere mich immer noch das ich die Einzige bin die hierzu was hinterlässt. Es kann doch nicht sein das außer mir das keiner liest. Sicherlich alles Schwarzleser. -.-
Aber lass dich davon nicht unterkriegen, ich weiß das es manchmal frustrierend ist.
LG
Von:  SainzDeRouse
2011-12-23T16:59:09+00:00 23.12.2011 17:59
Mal wieder ein super Kapitel. ^^
Schön das Abigail wenigstens schon mal eine Freundin gefunden hat.
Mich stört aber etwas die Geschichte mit Roxanne's Mutter. Das war zu leichte Kost, meiner Meinung nach. Das sie die Ähnlichkeit entdeckt, gerade wenn sie Roxanne mit Abigail "zusammen" im Fernsehen sieht, gerade wenn Roxanne sie vielleicht auf dem Arm hat, und man beide Gesichter nebeneinander sieht, mag ja möglich sein. Aber das sie sooo gelassen reagiert, ich meine ihr wurde fünf Jahre lang ihre Enkeltochter vorenthalten und Megamind war vielleicht nie soooooo gefährlich, aber dennoch der ständige Entführer ihrer Tochter, und das Metro Man als Retter so schlecht ankommt, kann ich mir auch nicht vorstellen. Die Geschichte wie Roxanne und Megamind sich näher gekommen sind war interessant. ^^ Jetzt fehlt mir nur noch die Erklärung, wie sie zu ihrem Kinderwunsch gekommen sind. Klar, irgendwann tickt die innere Uhr, aber unter diesen Umständen, das muss schon ordentlich für Gefühlschaos und Diskussionen geführt haben.
Stimmt wohl, Kastration wäre wohl nicht passend, aber dennoch nennt man es nicht sterilisieren, sondern Vasektomie. ;-) (Musste jetzt tatsächlich googlen, mir fiel es beim besten Willen nicht ein.)Egal!
Bei Minion hast du wohl recht. Wollte eben noch schreiben das ich mir einbilde das die erst da ist, seit er den Gorillakörper hat, sozusagen, als fernsteuerung, aber das stimmt nicht. (Hab grad nachgesehen) Der war schon immer da. Tja, dann wohl doch ein Frankenstein-Fisch. ^^ Ich glaube der unkreative Name Minion stammt vom "kleinen" Megamind. Als Kind ist es einem nicht so wichtig, spektakuläre Namen zu vergeben. ^^ Ich tendiere auch dazu das die Regierung dahinter steckt und die Ämter und das Kinderheim da nicht mitspielen wollten. Ich glaube ja auch, bei näherer Überlegung, das Metro Mans Eltern es gar nicht "kapiert" haben das er mit einem Raumschiff kam. Ich meine die Mutter freut sich über ein "geschenktes" Baby und der Vater sagt nur zu allem "ja und amen", weil er mit seiner Zeitung beschäftigt ist. ^^ Hast da aber wohl recht, er sieht eben menschlich aus, wobei das keine vernünftige Erklärung ist, aber ist ja auch ein Kinderfilm.
Bin gespannt auf das nächste Kapitel, schreib schön weiter.
LG
Von:  SainzDeRouse
2011-12-22T10:49:09+00:00 22.12.2011 11:49
Tut mir leid das ich jetzt erst schreibe, hatte es gleich am nächsten Tag gelesen, als du es hochgeladen hattest, aber leider bin ich noch nicht dazu gekommen ein Kommentar zu schreiben.
Ein super Kapitel, aber du hast recht. Etwas aus dem Zusammenhang, aber egal. Was ich noch gerne wissen würde: Dr. Striker hast du doch von X-Men 2 geklaut oder? ^^ Und wenn es nur der Name ist. Aber der Kerl ist schon echt widerlich. Heißt es bei Männern sterilisieren? Das sagt man doch nur bei Frauen, bei Männern schimpft sich das doch andres!? Bilde ich mir zumindest ein, es kann auch kastrieren sein, aber ich bin nicht sicher.
Ob Dr. Striker Megamind NUR kastrieren wollte, um eine "Alieninvasion" zu verhindern, na das glaube ich ja nicht. Da fällt mir ein, warum wird Metro Man nie als "Alien" angesehen, bei ihm hätte Dr. Striker doch das gleiche vorgehabt haben müssen, wenn man auch bedenkt das Metro Man alleine schon sehr viel anstellen kann. Welchen bürgerlichen Namen hast du Megamind denn verpasst? ^^ (Wenn man fragen darf)
Was Roxannes Gefühle angeht: Muttergefühle sind etwas ganz anderes. ;-) Eine Schwangerschaft und ein Kind verändern dich. Du hast nach der Geburt ganz andere Gedankengänge und Bedürfnisse als vorher. ;-)
Und das mit Tighten war auch eine besondere Situation. 1. Sie ist es "gewohnt" entführt und verschleppt zu werden. 2. Allein schon durch Metro Man und ihrem Apartment hat sie wohl keinerlei Höhenangst. 3. Ich kenne es von mir das ich bei besonders ungewöhnlichen, ungewohnten Situationen sehr klar denken kann, wo ich bei wenigeren schlimmen Situationen geradezu durchdrehen kann. Ich denke das wird auch vom Körper übernommen, in Panik zu verfallen bringt nichts. Bevor du dastehst und anfängst zu hyperventilieren, schaltet der Körper eben auf "überleben". Ich schätze deswegen können Mütter ihre Kinder auch plötzlich aus brennenden Autos ziehen oder das Auto heben, damit das Kind raus kann. Oder Feuerwehrmänner die gezielt und klar durch brennende Häuser laufen und andere retten. Die können auch jederzeit selbst dabei drauf gehen, aber dennoch klar denken und in Ruhe die Leute rausschaffen. Und ich glaube nicht das man, selbst nach Jahren in dem Job den Instinkt ausschalten kann.
Also Minion könnte ja auch normal so geboren worden sein, er muss ja kein Frankenstrein-Wesen sein. Außerdem wäre Minion ja nicht gerade ein kreativer Name.
Was mir noch gerade einfällt, es wundert mich das sich niemand von den Menschen in Metro City gewundert hat, das da Aliensbabys bei ihnen gelandet sind. Es gab keine Kommentare, keine Bedenken, die waren dann einfach so da und gut ist. Eigentlich müsste Megamind doch evtl in ein Kinderheim gekommen sein (gut, vielleicht haben sie sich nicht getraut oder sonst was), aber das man ihn von vorn herein im Gefängnis gelassen hat. Und diese Schule die man im Film sieht kommt mir auch komisch vor. SO eine riesen Stadt und die kommen nur in eine abgelegende Holzhütte, auf der Schule steht. .... Na ja, wer weiß schon was die sich dabei gedacht haben.
Was die Romantik angeht: die müssen sich ja nicht in die Arme fallen und sich Tag und Nacht Liebesschwüre runterleiern, die sind ja auch schon seit Jahren zusammen und erliegen dem Alltag. Aber vielleicht Kosenamen oder den ritualen Begrüßungs-und Abschiedskuss oder sowas.
So, das wars wieder, will dich ja nicht zutexten. Hoffe das nächste Kapitel folgt wieder so schnell und das dich die Muse noch sehr lange küsst, was diese Story angeht. Nicht das es nach sechs Kapis abgebrochen ist. LG



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