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Unvorhersehbare Wendung

Eine Megamind-Fanfiction
von

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Wenn der Superheld weg ist, tanzen die Schurken

Es war schon eine verkehrte Welt. Da stand er nun in einem der Randbezirke Metro Citys und übernahm die Arbeit, die eigentlich Metro Man machen sollte. Namentlich, andere Schurken davon abzuhalten, die Stadt während der Abwesenheit des Superhelden zu übernehmen.

Offiziell war der Grund für Megaminds Eingreifen die Verteidigung seines Territoriums und seiner Stellung als Superschurke der Stadt, doch inoffiziell war es seine Sorge um Roxanne und Abigail, die ihn dazu trieb, die anderen Schurken herauszufordern.

Normalen Menschen war nicht bewusst, dass nicht nur der Held die Stadt gegen Schurken verteidigen musste, sondern auch die Schurken - insbesondere Superschurken - ihre Stellung innerhalb der Stadt bewahren mussten. Dies beinhaltete unter anderem das Ziehen und Verteidigen von Grenzen, aber ein Superschurke musste auch dafür Sorge tragen, dass andere niedriger gestellte Schurken sich nicht in seine Pläne einmischten und nicht seine Hilfsmittel benutzten.

Roxanne war bereits vor Abigails Geburt öfters mal von Trittbrettfahrern entführt worden, die ebenfalls Metro Man herausfordern wollten, obwohl Megamind sein Vorrecht darauf schon vor langer Zeit klar gemacht hatte. Das Endergebnis waren Gehirnerschütterungen, leichte Verbrennungen und einmal wurde sie sogar über einen Bottich mit Säure baumeln gelassen, wo sie jederzeit die giftigen Dämpfe hätte einatmen können.

Megamind erschauderte immer noch bei der Erinnerung, wie sie ohne besondere Sicherung, nur mit einem alten Seil befestigt über der Schwefelsäure gehangen hatte. Das wollte er nicht mit seiner Tochter erleben. Und sie war in Gefahr, bedachte man doch, dass er praktisch an der Spitze saß und sozusagen den Alphawolf der Schurken Metro Citys darstellte, auch wenn er nie beziehungsweise nur sporadisch mit ihnen zusammengearbeitet hatte.

Somit blieb ihm keine andere Wahl als seinen Gegnern zu begegnen, bevor sie ihn mit Abigail oder Roxanne hervorlocken konnten. Wenn das so weiter ging, löste er am Ende noch Metro Man als Superhelden ab.

Sein heutiger Opponent war ein zwielichtiger, skelettartiger Typ mit violettgefärbter Haut namens Psycho Delic, ein Mitglied des berüchtigten Doom-Syndikats, das Megamind schon öfter Angebote gemacht und die er alle abgelehnt hatte. Nicht zuletzt deshalb, weil er ihnen einen Teil ihres Territoriums abgenommen hatte, das zu nah an seinem Wohnort gewesen war.

Adela und Nikolas hatten in der Vergangenheit schon Probleme mit diesem Typen und seiner Gang gehabt, vor allem nachdem Adela ihn aus dem "Otherworld" geworfen hatte, wo er versucht hatte, Drogen zu verkaufen. Erst Megaminds Übernahme des Bezirks hatte sie von diesem Gesellen befreit.

"Nun, Megamind, wie ich sehe hast du dich entschieden, gegen uns statt mit uns zu arbeiten", meinte Psycho Delic jetzt und zog an seiner Zigarette. "Gibst du eigentlich jemals diese Einsamer-Wolf-Nummer auf?" Er blies dem Superschurken eine Rauchwolke entgegen, die wie durch Magie nicht nach kurzer Zeit in sich einfiel, sondern ihn direkt im Gesicht traf.

Megamind hielt die Luft an bis der Rauch verschwunden war, bevor er seinen Gegner mit skeptisch hochgezogener Augenbraue ansah. "Ich glaube kaum, dass eine Verbindung zu so zweitklassigen Schurken vorteilhaft für mich wäre", erwiderte er mit einem spöttischen Grinsen. "Wo ist eigentlich der Rest deiner Clique? Normalerweise hängst du doch immer an Hot Flashs Rockzipfel."

Sein Gegenüber runzelte verärgert die Stirn. "Das sagt ausgerechnet der Mann, der von einem Achtzehnjährigen verteidigt werden musste."

Der Superschurke verdrehte die Augen. Wenn er glaubte, dass ihn das beleidigte, irrte er sich aber gewaltig. Wahrscheinlich war es ihm nur unangenehm, dass ausgerechnet Nikolas seine Schwäche herausgefunden hatte, indem er den violetthäutigen Mann mit Wasser überschüttet und mit einem Nudelholz verprügelt hatte. Und abgesehen davon hatte Nikolas Megamind nur Zeit erkauft, nachdem er durch Psycho Delics halluzinogenen Rauch kurzzeitig außer Gefecht gesetzt worden war. Man sollte eben nie über seine Schwächen nachdenken, wenn ein Gedankenleser in der Nähe war.

"Oh, bitte", schnaubte Megamind. "Hast du keine besseren Beleidigungen auf Lager? Das hätte ja selbst Nikolas besser gekonnt." Wie beiläufig sah er zu den Dächern der Häuser hinauf, über denen sich die Brainbots zu versammeln begannen, genau wie er ihnen aufgetragen hatte. "Mal abgesehen davon, dass ich keine weiteren Verbündeten brauche."

Psycho Delic schob seinen Hut nach oben und enthüllte so sein entstelltes Gesicht. Die Haut war so straff über seinen Schädel gezogen, dass er aussah wie ein violetter Totenschädel, die Wange waren eingefallen, die Nase verformt, die Augen - soweit sie nicht von der großen Sonnenbrille verdeckt waren - in ihren Höhlen eingesunken und die Lippen dünn, rissig und verschrumpelt, sodass man die Zähne hervorblitzen sah, selbst wenn er den Mund geschlossen hielt.

Man konnte nur Vermutungen anstellen, warum er so aussah, aber Megamind nahm an, dass es entweder auf einen Unfall oder übermäßigen Drogenkonsum zurückzuführen war. Vermutlich eher letzteres, schließlich handelte er auch damit.

"Was das schon für Verbündete sind", schnarrte Psycho Delic herablassend und warf seine Zigarette auf den Boden. "Ein Fisch, eine prüde Variétébesitzerin und ihr hühnerbrüstiger Bruder. Mir schlottern schon die Knie." Er lachte heiser. "Sollen wir also anfangen? Wollen mal sehen, wie gut du dich noch machst, alter Mann." Mit einer fließenden Bewegung schlug er seinen Mantel zurück.

Megamind schnaubte. Wen nannte er hier "alter Mann"? Psycho Delic war genauso alt wie er und hatte sich nicht mal ansatzweise so gut gehalten wie er.

Eine violette Rauchwolke raste auf Megamind zu und er ließ sich zu Boden fallen und rollte zur Seite, während er den Atem anhielt. Keine gute Idee das Zeug einzuatmen, er hatte gesehen, wie Leute allein durch den Rauch schon abhängig gemacht wurden. Bei ihm löste das Zeug zwar nur ein Schwindelgefühl und manchmal Halluzinationen aus, aber auch darauf konnte er gerne verzichten.

Gerade als er sich aufgerichtet hatte, ein Stück seines Umhangs vor seine Nase haltend, erschien wie aus dem Nichts eine Faust aus dem Rauch auf und schwang gegen sein Gesicht.

Der Superschurke lehnte sich zurück und fing den Arm ab, ohne aber seinen Umhang loszulassen. "Woah! Glaubst du wirklich, du kannst einen Faustkampf gegen mich gewinnen?"

Der Arm löste sich auf und im nächsten Moment war der Rauch verschwunden und Psycho Delic materialisierte sich hinter ihm. "Aber sicher doch", meinte er. "Man kann schließlich nichts schlagen, was man nicht treffen kann."

Abermals zerfiel er zu Rauch und Megamind ließ den Umhang los und gab den Brainbots das Zeichen zum Angriff. Durch Nikolas hatte er viele Schwächen seiner Gegner erfahren, darunter die Tatsache, dass Psycho Delic nichts sehen konnte, wenn er im gasförmigen Aggregatzustand war. Nichtsdestotrotz war er ein gefährlicher Gegner, einer, den es so schnell wie möglich auszuschalten galt, wenn man den Kampf gewinnen wollte.

Der Rauch schoß abermals auf Megamind zu, doch diesmal kamen die Brainbots mit mehreren schweren Behältern angesaust. Als Psycho Delic wieder einen Arm verfestigte und in die ungefähre Richtung des Superschurken schlug, ließen sie den Inhalt auf ihn herunterfallen.

Der Schurke stieß einen erschrockenen Schrei aus und versuchte auszuweichen, aber es war schon zu spät. Er materialisierte sich vor Megamind, triefend nass und verwundbar.

"Hochmut kommt vor dem Fall", meinte dieser grinsend, die Arme vor der Brust verschränkt. "Du bist bei weitem noch nicht auf Superschurkenlevel und den bräuchtest du, um mich schlagen zu können. Vielleicht solltest du es erstmal bei Metro Man versuchen."

"Und doch stehst du nur da und redest und redest, statt mir den Rest zu geben", erwiderte Psycho Delic, seine Stimme nun kaum mehr als ein heiseres Flüstern. "Dieses Balg, das du immer zum 'Otherworld' mitgeschleppt hast, hat dich ganz schön verweichlicht."

Megamind verzog höhnisch den Mund und öffnete den Mund zu einer Erwiderung, als er in der Ferne Polizeisirenen hörte. Verwirrt sah er von dem anderen Schurken weg und suchte die Umgebung ab. Tatsächlich schien hinter einem der Fenster jemand mit einem Telefon in der Hand zu stehen, der sie beobachtete.

Komisch. Normalerweise reagierte die Polizei nie auf diese Anrufe. Die Polizisten machten sonst immer einen Bogen um seine Kämpfe und erst recht um diese Gegend. Ein einzelnes Polizeiauto kam herangefahren und Officer Jones sprang aus dem Wagen, kaum dass er zum Stehen gekommen war.

Resigniert verdrehte der Superschurke die Augen. Natürlich. War klar, dass diese Nervensäge keine Möglichkeit ausließ, um ihm nachzustellen. Obwohl er nicht umhin kam, ihren Mut zu bewundern. So etwas sah er sonst nur bei Roxanne oder Warden.

"Keine Bewegung!", rief sie, die Waffe im Anschlag.

"Sie sind die Einzige, die sich gerade bewegt, Miss Jones", erwiderte er gelassen und stemmte eine Hand in die Hüfte, die Augenbrauen spöttisch hochgezogen.

"Ich sagte: Nicht bewegen!", fauchte sie und sah über seine Schulter. "Das gilt auch für Sie, Lilahaut!"

Megamind warf einen kurzen Blick auf Psycho Delic, der bei der Waffe, die auf ihn gerichtet war, erstarrte. Er hatte schon immer gewusst, dass das Syndikat weit weniger mutig war, wenn seine Mitglieder ihrer Kräfte beraubt wurden.

Der Superschurke drehte sich wieder zu der Polizistin um. "Wirklich, Miss Jones, Sie sollten an Ihren Beleidigungen arbeiten", meinte er. "Diese Beleidigung bekommt selbst meine Tochter hin."

"Ruhe!", befahl sie erbost. "Sie kommen jetzt sofort mit zum Gefängnis oder..."

"Oder was genau?", fragte er amüsiert. "Wollen Sie mich dann erschießen? Ich bin mir sicher, dass die Geheimlabore dieser Welt sich über meine Leiche freuen würden." Seine Stimme blieb dabei vollkommen ernst. Er wusste, dass dem so war.

Officer Jones schien von diesem Kommentar etwas aus der Fassung gebracht und ließ die Waffe ein wenig sinken. Dann schüttelte sie den Kopf und hob sie wieder an. "Versuchen Sie nicht, mich zu verwirren, Mr. Mind! Beine hoch und Hände auseinander!" Sie schüttelte abermals den Kopf, als sie erkannte, welchen Unsinn sie gerade gesagt hatte.

Megamind konnte nicht anders, er musste lachen. "Also Gesetzeshüter haben mir schon einige seltsame Dinge befohlen, aber einen Handstand musste ich bisher noch nicht vorführen. Und während Sie noch nach leeren Drohungen suchen, löst sich unser Freund hier in Rauch auf." Er deutete auf Psycho Delic, der ihm einen giftigen Blick zuwarf.

Die Polizistin richtete ihre Waffe auf den Schurken. "Keine Schritt weiter, Sie sind verhaftet!" Sie joggte zu ihm rüber und packte ihn am Arm, während Megamind amüsiert zusah.

Hinter ihm ertönte das Geräusch eines herannahendes Autos und er drehte den Kopf ein wenig, um aus den Augenwinkeln auf die Stelle zu sehen.

"Sir, steigen Sie schnell ein", hörte er Minion flüstern und eine Autotür erschien wie aus dem Nichts. "Sie ist gerade beschäftigt."

Megamind sah zu Officer Jones rüber, die Psycho Delic gerade Handschellen anlegte, ehe er sich blitzschnell umdrehte und in das Innere des Unsichtbaren Autos stürzte.

Die Polizistin fuhr herum, als sie die Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkte, konnte aber nichts mehr entdecken. "Was fällt Ihnen ein, einfach wegzulaufen?", schrie sie in die leere Straße hinein. Dann sah sie zu ihrem Partner rüber, der immer noch angstschlotternd hinter dem Lenkrad saß. "Mit dir als Partner braucht man echt keine Feinde mehr!"

Megamind und Minion hielten sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. Sie beobachteten, wie der andere Polizist vorsichtig rüberschlich und Psycho Delic zögerlich am Arm packte.

Während ihr Partner den Kriminellen zum Polizeiwagen führte, hielt Rebecca Jones sich den Kopf und murmelte: "Ich bin von Idioten umgeben! Mein Partner lässt Megamind entkommen und Dr. Striker pfuscht an den Computern herum, sodass wir nicht nach Abigails Daten suchen können."

Die beiden Freunde im Unsichtbaren Auto sahen sich erschrocken an.

"Dr. Striker hat Abigails Daten gesucht!", flüsterte Megamind entsetzt. "Minion, sieh nach, ob jemand versucht hat, unsere Sperre zu durchbrechen."

"Sofort, Sir."

Nach einer paar Minuten - die Polizisten waren längst weggefahren, nachdem sie die Gegend noch kurz abgesucht hatten und Megamind hatte es fast geschafft, seinen Handschuh durchzunagen - meldete Minion: "Also die gute Nachricht ist: Die Sperre steht noch. Die Schlechte: Jemand hat sie unterwandert und sowohl Abigails als auch Miss Ritchis Daten aufgerufen."

Der Superschurke runzelte die Stirn. "Aber wenn er es herausgefunden hat... ...Warum hat er es nicht der Polizei gesagt?"
 

Roxanne seufzte und klopfte gegen die Metalltür, die ihr den Weg versperrte. An ihrer anderen Hand hielt sich Abigail fest und trat nervös von einem Bein aufs andere, während sie die kahlen Wände musterte. Smink saß zwischen ihren Füßen und musste sich hin und herwiegen, um nicht getroffen zu werden.

"Hier ist es gruslig, Mommy", jammerte das Mädchen und drückte sich an ihre Mutter. "Können wir nicht einfach wieder nach Hause?"

Die Tür öffnete sich, ehe sie etwas erwidern konnte und Metro Man kam ins Blickfeld. Er sah ziemlich heruntergekommen aus. Sein Haar war wohl schon länger nicht mehr gebürstet worden und auf seinen Wangen hatte sich ein ziemlich struppiger Vollbart gebildet.

"Roxie?" Er öffnete die Tür etwas weiter und ließ sie eintreten. Jetzt sah sie auch, dass er nur einen flauschigen Bademantel über einem abgetragenen T-Shirt und einer ebensolchen Hose trug. "Was machst du hier? Hat Megamind dir wehgetan?"

Roxanne verdrehte die Augen und sah sich im Zimmer um. Auf dem Tisch standen drei oder vier leere Flaschen, die wohl mal Alkohol enthalten hatten.

"Tut mir leid, dass es so unordentlich ist", meinte Metro Man und räumte die Flaschen weg. "Ich habe versucht, mich zu betrinken. Bis mir einfiel, dass ich nicht betrunken werden kann." Er lachte kurz und rieb sich den Nacken.

Sie schüttelte resigniert den Kopf und hob Abigail auf das Sofa neben Metro Man, sodass sie sofort von ihm abrückte.

"Wie lange willst du eigentlich noch hier unten sitzen und schmollen?", fragte Roxanne und stemmte die Hände in die Hüfte. "Das ist nicht sehr heldenhaft!"

"Fühl mich auch nicht so", murmelte er und ließ sich auf das Sofa fallen. Abigail quietschte erschrocken auf, als sie ein kleines Stück in die Luft befördert wurde und versteckte sich hinter ihrer Mutter. "Ich nehme mal an, Megamind hat Metro City mittlerweile eingenommen", fügte er hinzu.

Roxanne schüttelte abermals den Kopf. "Er hat schon genug damit zu tun, die anderen Schurken aufzuhalten, die ihrerseits versuchen Metro City zu übernehmen. Nennt es Territoriumsverteidigung."

Metro Man lachte bitter. "Siehst du? Die Stadt kommt prima ohne mich aus. Solange der kleine Kumpel aufpasst..."

"Ja, bis sie ihn wieder einbuchten", meinte Roxanne augenrollend. "Die Leute erkennen das nicht als Hilfe. Mal abgesehen davon, dass das nicht seine Aufgabe ist, sondern deine."

"Er scheint diese Aufgabe aber gut zu machen", erwiderte er und stand wieder auf, um eine Gitarre von der Wand zu nehmen. "Vielleicht hätte ich schon viel früher darüber nachdenken sollen, es ihm zu überlassen."

Sie seufzte genervt. "Meine Güte, Wayne, hör endlich auf im Selbstmitleid zu baden. Ja, es tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe, aber hättest du es denn je einfach so akzeptiert, selbst wenn ich direkt zu dir gekommen wäre und es dir erzählt hätte? Wahrscheinlich hättest du ihm nachgestellt, Kodex hin oder her."

"Es ist nicht nur euretwegen, Roxie", erwiderte Metro Man resigniert. "Um ehrlich zu sein fühle ich mich schon eine Weile so niedergeschlagen."

Roxanne setzte sich neben ihn auf das Sofa und zog Abigail nach kurzem Sträuben auf ihren Schoß.

"Also, seit wann fühlst du dich so niedergeschlagen?", fragte Roxanne, nachdem ihre Tochter aufgehört hatte zu zappeln und sich nun damit zufrieden gab, soweit von ihm weg zu sitzen, wie es ihr möglich war. "Weißt du das?"

Der Superheld wiegte den Kopf. "Ich glaube ungefähr seit der Eröffnung des Metro Man-Museums. Damals habe ich zum ersten Mal gedacht: Was wenn du jetzt einfach alles hinwirfst? Wenn Megamind an dem Tag angegriffen hätte, so bin ich mir sicher, hätte ich seine Erfindung vermutlich dafür benutzt, um aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen." Er zuckte mit den Schultern. "Aber er ist nie aufgetaucht. Obwohl du nach der Sendepause nirgends mehr aufzufinden warst, weshalb ich der Meinung gewesen war, dass er noch einen Angriff starten würde."

Sie nickte. "Es war auch ein Angriff geplant gewesen, wenn ich das richtig verstanden habe, allerdings war ich zu dem Zeitpunkt schon hochschwanger mit Abigail. Als wir im Versteck ankamen, kurz bevor Megamind dich herbeirufen wollte, setzten die Wehen ein. Megamind stellte alle Vorbereitungen sofort ein und holte Hilfe. Er wollte nicht riskieren, dass genau hier und jetzt unsere Beziehung öffentlich wurde und mit Gefahr für Abigail und mich."

"Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie du dich gefühlt haben musst", murmelte Metro Man. "Ganz allein, ohne ärztliche Hilfe, nur mit einem Fisch und dem Vater des Kindes als Gesellschaft..."

Roxanne schüttelte den Kopf. "Wir hatten ärztliche Hilfe. Adela und Nikolas haben glücklicherweise eine ziemlich weitverzweigte Familie und die hält zusammen wie Pech und Schwefel. Der Arzt war entweder ein Onkel oder Cousin der beiden, der auch die Voruntersuchungen durchgeführt hatte. Ein wirklich gute Arzt, der erst kürzlich zum Oberarzt befördert worden war."

"Legal war das sicher nicht", meinte er und bekam von Smink einen genervten Blick zugeworfen. "Und es wundert mich, warum das Geheimnis nicht just in diesem Moment aufgedeckt wurde."

"Nein, legal war es vermutlich wirklich nicht", stimmte sie schulterzuckend zu. "Aber er hatte die Möglichkeiten, alles im Geheimen durchzuführen. Wie gesagt, die Dolms sind eine Riesenfamilie, da findet man immer mal ein paar Leute mit den gleichen Berufen."

Er schüttelte ungläubig den Kopf. "An dem Tag ist meine Statue ihrer Nase verlustig geworden", sagte er nach einer kurzen Pause. "Das war auch er, oder?"

"Wer hätte sonst ein Interesse daran, dir die Nase abzuschlagen?", erwiderte sie belustigt. "Megamind war an dem Tag so aufgekratzt, dass er sich wohl irgendwie Luft verschaffen wollte. Und da er durch die Geburt natürlich die Möglichkeit verpasst hatte, dich an deinem Ehrentag herauszufordern, wollte er dir dadurch wohl noch eins auswischen. Mir wurde leider Bettruhe verordnet, einzuhalten in der Wohnung, die Megamind für Abigail gebaut hatte, deswegen konnte ich ihn nicht aufhalten."

Metro Man sah zu Abigail rüber, die sich unter seinem Blick klein machte und ihn misstrauisch ansah. "Ich verstehe nur nicht, warum wir wirklich nichts mitbekommen haben."

"Megamind gab sich viel Mühe, damit niemand etwas herausfinden konnte", erklärte Roxanne. "Er ließ den Teil der Dolms, die ihn noch nicht kannten, Verschwiegenheit schwören, entwickelte eine Hologrammuhr für mich und versuchte ansonsten sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Was bedeutete, dass er mit seinen Plänen so weitermachen musste wie zuvor. ...Ich muss zugeben, dass ich große Angst hatte. Vor der Geburt, vor Entdeckung, aber vor allem davor, dass Abigail oder ich sterben könnten. Deshalb bestand ich darauf, ins Krankenhaus zu gehen und deshalb wurden auch die Dolms so stark in unsere Pläne mit einbezogen, damit die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung geringer würde."

"Warum hat Megamind nicht einfach dafür gesorgt, dass du dein Kind außerhalb Metro City bekommst?", wunderte er sich. "Das war sehr leichtsinnig von ihm."

"Er wollte mich ursprünglich zu Adelas und Nikolas' Familie in Europa schicken, aber da gab es einen Haken." Sie lächelte resigniert. "Was hättest du wohl gemacht, wenn ich plötzlich verschwunden und für einige Monate nicht aufzufinden gewesen wäre? Sicherlich hättest du es auf Megamind bezogen, so wie alle anderen und vermutlich mehr Schaden angerichtet als gut gewesen wäre. Das konnten wir nicht riskieren. Also blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzuarbeiten und mich ab und zu, so dass es nicht auffiel, krank zu melden. Erst nach Abigails Geburt ließ ich mich für längere Zeit krank schreiben."

Sie seufzte. "Es war schon Wahnsinn und wir haben wirklich Glück gehabt, dass es so eine unkomplizierte Schwangerschaft war, sonst wäre es böse geendet."

"Eigentlich war ich immer der Meinung gewesen, dass Megamind genauso wenig Kinder mit Menschen zeugen könne wie ich", gab Metro Man zu. "Anscheinend habe ich mich zu sehr von seinem Aussehen ablenken lassen."

"Megamind meint, du hättest eine Dreifach-Helix", erklärte sie. "Und das bedeutet, dass du mit Menschen inkompatibel bist."

"Er hat Recht." Er lächelte verlegen. "Ich nehme mal an, dass ich ihn einfach ein wenig beneide. Schon als wir noch Kinder waren. Das ist mir in den letzten Tagen klar geworden. Er hat alles, was ich nicht habe; alles, was man sich nicht mit Geld kaufen kann: Intelligenz, einen kreativen Geist, Freunde, die ihm bis in den Tod treu sind... und jetzt auch dich und Abigail." Er sah zu dem Mädchen hin, das verärgert die Arme vor der Brust verschränkte und seinen Blick genervt erwiderte.

"Nun, Megamind hat mich dir nicht weggenommen", meinte sie und strich Abigail über den Kopf. "Ich bin immer noch deine Freundin."

Metro Man lächelte wehmütig. "Wenigstens etwas, das man teilen kann. Ich habe eben immer gehofft..."

"Ich weiß", sagte Roxanne mitfühlend. "Aber du und ich... Wir hätten sowieso nicht zusammengepasst. Unsere Interessen sind einfach zu verschieden. Wir würden uns abends wahrscheinlich nur stumm gegenübersitzen und dem Stundenzeiger folgen."

Er lachte. "Da ist Megamind wirklich eine bessere Wahl." Dann wurde er wieder ernst. "Ich glaube, ich schulde ihm eine Entschuldigung. Auch weil ich ihn meine ganze Arbeit machen lasse."

"Heißt das, du kommst zurück?"

Er nickte feierlich. "Kann meinem kleinen Kumpel schließlich nicht den ganzen Spaß überlassen. Am Ende lässt er mich nicht mehr meine Arbeit tun, weil sie ihm zu gut gefällt."

"Ich glaube, so sehr gefällt ihm diese Aufgabe nun auch wieder nicht", meinte sie lachend. "Besonders da ihm Officer Jones immerzu auf den Fersen ist."
 

Dr. Emmanuel Strikers Involvierung mit Megamind ging viel weiter zurück, als es selbst dem Superschurken bewusst war. Tatsächlich hatte er bereits mit dem enigmatischen Doktor zu tun gehabt, als er gerade mal ein paar Wochen alt war, auch wenn ihm das nicht bewusst war.

Vor ungefähr fünf- oder sechsunddreißig Jahren war eine Kapsel mit einem blauen Außerirdischenbaby darin im Innenhof des Metro City Gefängnisses für Kriminell Begabte gefunden worden. Am Anfang fiel es den Insassen und dem Personal leicht, das Kind zu verstecken, doch als es schließlich ein paar Monate später eine Wand des Gefängnisses einriss und dabei versehentlich einige Insassen freiließ, wurde die Welt zum ersten Mal auf den Jungen aufmerksam.

Und Dr. Striker sollte derjenige sein, der ihn mitnehmen sollte. Damals war er noch ein junger Mann gewesen, frühzeitig mit dem Studium fertig geworden und von allen als Genie gefeiert. Außerdem war er wahnsinnig blauäugig, wie die bald darauffolgenden Ereignisse enthüllen sollten.

Er war wohl der Meinung gewesen, dass all das, was er tat, dem Wohl des Kindes dienlich sein würde. Deshalb war er richtiggehend schockiert, als der Gefängnisdirektor, ein gewisser Jonathan Warden, der gerade erst als Leiter des Gefängnisses eingesetzt worden war, sich vehement gegen eine Wegführung des Jungen aussprach und sogar mit einer Klage drohte, sollte er ihn nicht in Ruhe lassen. Er setzte dem dann noch hinzu, dass er eher seine Gedärme in Brand stecken ließe, als den Jungen an diese Organisation zu übergeben. Und egal welche Argumente Dr. Striker vorbrachte, er konnte den anderen doch nicht umstimmen. Der Junge blieb im Gefängnis und damit basta.

Schließlich gab Dr. Striker nach. Wenn Jonathan Warden sich unbedingt selbst um das Kind kümmern wollte, dann sollte er das tun. Sie konnten immer noch später an den Jungen herantreten sobald er volljährig war. Schließlich und endlich ging es einzig und allein darum, etwas über außerirdische Kulturen zu lernen. ...So dachte er zumindest.

Seine Vorgesetzten waren nicht gerade zufrieden mit seinem Bericht, als er schließlich an seine Arbeitsstelle zurückkehrte. Er habe sich zu leicht abwimmeln lassen, sagten sie. Jetzt kämen sie nie mehr an den Jungen heran.

Dr. Striker wurde für einige Wochen strafverlegt und es dauerte eine ganze Weile, ehe er wieder das Vertrauen seiner Vorgesetzten inne hatte. Und vielleicht wäre es ihm gar nicht gelungen, wenn seine Kollegen nicht genauso erfolglos gewesen wären wie er.

Jonathan Warden hatte seine Beziehungen spielen lassen und hatte ein paar seiner Freunde, diverse Anwälte und Richter, dazu gebracht, den Jungen - der mittlerweile den klangvollen Namen "Jade Myalo" trug - offiziell dem Gefängnis und somit Jonathan Warden zu unterstellen, vor allem da kein Adoptionsbüro auch nur einen Blick auf Jade werfen wollte und der Junge sich sowieso vehement weigerte, sein "Zuhause" zu verlassen.

Das Gefängnis wurde somit rechtmäßig Jade Myalos Heim und der Gefängnisdirektor - der andernfalls keine Möglichkeit gehabt hätte, den Jungen bei sich aufzunehmen - sein Vormund.

Der Junge war somit offiziell außer Reichweite A.M.R.C.s, der Alien and Mutant Research Corperation, und es half auch nicht gerade, dass Metro City sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem eigenständigen Stadtstaat entwickelt hatte, die sich und das umliegende Land selbst verwaltete und sie somit keinen Einfluss dort hatten. Selbst die Währung war eine andere, obwohl sich Metro City immer noch als amerikanische Stadt sah.

Eigentlich hätten die Hartnäckigkeit seiner Vorgesetzten und die Reaktion von Jonathan Warden alle Alarmglocken in seinem Kopf schrillen lassen müssen, doch Dr. Striker war noch nie für seine Menschenkenntnis bekannt gewesen.

Die nächsten fünf bis sechs Jahre hörte er nur wenig von dem Außerirdischen Jade Myalo. Der Junge blieb fast immer im Gefängnis und wurde nur ab und zu unter strengster Aufsicht nach draußen, außerhalb der Gefängnismauern, gebracht. Dass er in einer Schule für "hochbegabte" Kinder angemeldet worden war, erfuhr Dr. Striker erst, als ein großer Artikel im "Metro City Telegraph" erschien, der über eine Farbbombe berichtete, die ein Schüler gebaut und in dem Schulgebäude gezündet hatte, sodass ebenjener Schüler vom Schulunterricht ausgeschlossen worden war.

Abermals wurde er von A.M.R.C. zum Gefängnis geschickt, um den Jungen zu holen, diesmal mit der Begründung, dass er zu gefährlich für die Gesellschaft wäre. Diesmal stellte man ihm bewaffnete Sicherheitsleute zur Seite, eine Geste, die Dr. Striker für vollkommen unnötig hielt. Es handelte sich hierbei schließlich um ein kleines Kind. Die Waffen würden es vermutlich nur erschrecken.

Auf seine Sorge wurde allerdings gar nicht erst eingegangen und als sie vor dem Gefängnis hielten, zog ihn einer der Bewaffneten zur Seite. Er solle nicht so sentimental sein, wurde ihm gesagt. Solches Verhalten brächten ihm vielleicht den Friedensnobelpreis ein, wäre für seinen Beruf aber eher hinderlich. Manchmal müsste man sich die Hände eben schmutzig machen.

Sein Gegenüber hatte das wahrscheinlich wohlwollend gemeint. Aber als sie auf das Gefängnis zugingen, blieb Dr. Striker fassungslos beim Eingang stehen. Es war alles so surreal, die Bewaffneten, die mit der Waffe im Anschlag das Gefängnis stürmten und den Jungen und seinen Fisch wegzerrten, die Insassen, die ihnen Morddrohungen an den Kopf warfen, wenn sie ihn nicht gleich gehen ließen, die Wachleute, die versuchten den Jungen zu erreichen und Jonathan Warden, der mit der Polizei drohte. Dies alles kam ihm vor wie ein schlechter Film, so etwas gab es nicht im wirklichen Leben. Es gab doch Gesetze, Regeln!

In all dem Chaos bemerkte Dr. Striker kaum, wie ihm der Junge in die Arme gedrückt wurde oder wie Jade seine Geistesabwesenheit ausnutzte, um ihn gegen das Schienbein zu treten. Er wusste nur, dass er auf einmal am Boden lag und sein Bein hielt, während um ihn herum Schüsse fielen und Männer zu Boden gingen. Von seiner Position auf dem Asphalt aus sah er, wie der Junge davonrannte. Irgendjemand - vielleicht war es der Anführer gewesen - richtete ihn wieder auf und befahl ihm, ins Auto zu steigen und dem Jungen zu folgen. Er bekäme sonst Ärger mit seinen Vorgesetzten.

Wie in Trance ging Emmanuel Striker zu dem Auto zurück und setzte sich hinters Steuer. Dies war die Wirklichkeit, realisierte er. So etwas wie eine rechtschaffene Organisation gab es wohl nicht, wenn Außerirdische involviert waren.

Er bemerkte kaum, wie er den Wagen startete und aufs Gas drückte. Der Motor heulte auf und das Auto machte einen Schlenker Richtung Gefängniseingang. Ein dumpfer Aufprall, dann glitt einer der Bewaffneten - vielleicht war es der Anführer, vielleicht ein gewöhnlicher Mann - von der Motorhaube und blieb verrenkt liegen. Die Verwirrung, die dadurch entstand, ermöglichte es den Gefängniswärtern die Bewaffneten außer Gefecht zu setzen und die Polizei zu rufen.

In seinen Akten würde später stehen, dass Emmanuel Striker vom Tatort fliehen wollte und dabei den Anführer des Trupps erfasst und getötet hatte, obwohl der Wagen im Eingang gestanden hatte, als die Polizei eintraf, was die Wahrscheinlichkeit einer Flucht eigentlich ausschloss.

Vor Gericht bekannte er sich schuldig, wies die Vorwürfe jedoch zurück, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein. Ein Wachmann bestätigte die Aussage, dass er sich im Hintergrund gehalten und auch keine Anstalten gemacht hätte, sich am Geschehen zu beteiligen.

Er bekam zehn Jahre wegen fahrlässiger Tötung, wobei sein mentaler Zustand zum Zeitpunkt des Unfalls berücksichtigt wurde. Seine Arbeit bei A.M.R.C. war er los, aber wirklich traurig war er nicht darüber. Als er nach sieben Jahren wegen guter Führung frühzeitig entlassen wurde, hörte er, dass sich die Organisation aufgelöst hatte.

Nach seiner Entlassung suchte er sich eine neue Arbeit und nach einigen Absagen fand er auch tatsächlich eine in seinem alten Berufsgebiet, diesmal in Metro City. Und ein Jahr später sollten sich seine Wege abermals mit denen Megaminds kreuzen.

Sein neuer Arbeitgeber war vielleicht nicht so ruchlos wie sein vorheriger, doch auch er beschäftigte sich mit dem Außerirdischen Jade Myalo. Mittlerweile war der Junge zu einem trotzigen Jugendlichen herangewachsen und Metro Citys Stadtrat hatte Interesse daran, den Jungen einmal gründlich auf körperliche und mentale Gesundheit zu untersuchen und dabei vielleicht noch das ein oder andere über mögliche Fähigkeiten herauszufinden, die der Stadt gefährlich werden könnten.

Wenn Jade Myalo - dem ein perfektes Gedächtnis nachgesagt wurde - sich an ihn erinnerte, so zeigte er dies nicht. Er war nicht direkt unfreundlich zu ihm, machte aber deutlich, dass er gut und gerne auf die Gesellschaft des älteren Mannes hätte verzichten können. Seit dem Vorfall mit der Farbbombe und dem darauffolgenden Angriff auf das Gefängnis hatte man den Jungen privat unterrichtet und mittlerweile war er in einem Teil des Gefängnisses untergebracht worden, der für den Rest der Insassen unzugänglich war.

Wenn Dr. Striker bei Jade war, war Jonathan Warden fast immer dabei. Unter seiner Aufsicht nahm der Wissenschaftler Blutproben und ähnliches, mit dem man die DNS des Jungen herausfinden konnte. Und es entging ihm nicht, dass der Gefängnisdirektor diesem Vorhaben wohl niemals zugestimmt hätte, wenn er nicht direkte Anweisungen von oben erhalten hätte.

Dr. Striker fand schnell heraus, dass es Jade Myalo sehr interessierte, wie ähnlich er den Menschen wirklich war und in einem unachtsamen Moment erzählte der Junge ihm sogar, dass er der Letzte seiner Art wäre und somit seine Ähnlichkeit zu Menschen gerne erfahren wollte

Die Proben wurden ins Labor geschickt und Dr. Striker begann damit, Jade Myalo auf Herz und Nieren zu prüfen. Über die Jahre hatte er zwar keine Menschenkenntnis dazugewonnen, dafür aber die Fähigkeit, andere unbewusst zum Reden zu bringen. Es war sehr einfach, vor allem da Jonathan Warden letztendlich doch nicht immer dabei sein konnte und dann nur ein paar Wachen vor der Tür platzierte, damit Dr. Striker den Jungen nicht entführen konnte.

Jade Myalo erzählte ihm einiges von der Kultur, die ihn zur Erde geschickt hatte, angespornt von dem offensichtlichen Interesse des Mannes. Dr. Striker fand heraus, dass Jades Volk - das er "Gloan" nannte - eine hochentwickelte Zivilisation gewesen war, bis hin zu ihrer Reproduktion.

Woher der Junge so etwas überhaupt wusste, konnte Dr. Striker sich nicht wirklich erklären, aber andererseits war Jade mitten in der Pubertät, auch wenn man das von außen nicht sah. Das einzig Auffällige waren sein Hinterkopf, der immer größer zu werden schien und die chronische Müdigkeit des Jungen, die ihn sogar einmal während eines Gesprächs einschlafen ließ.

Die Ergebnisse des Labors schafften Klarheit darüber, dass das einzig Nichtmenschliche an Jades Volk die Reproduktionsart war. Dr. Striker erfuhr nicht alle Details - und wollte sie auch nicht wissen, wenn er ganz ehrlich war -, aber von dem, was er erfahren hatte, entnahm er, dass die Gloaner Schwangerschaften bis ins kleinste Detail planen konnten.

Dieses Wissen in Kombination mit der Tatsache, dass der Junge sowohl mit Menschen kompatibel war und sich auch noch Gedanken darüber gemacht hatte, war Anlass genug für seinen Arbeitgeber, eine Vasektomie anzuordnen.

Dr. Striker fühlte sich schlecht deswegen. Jade war der letzte Gloaner und jetzt ordnete man einfach das Verschwinden dieser Art an statt sie zu erhalten, aus der irrationalen Angst einiger Menschen heraus, von einer neuen Rasse verdrängt zu werden.

Er kam sich vor wie ein Verräter. Der Junge hatte ihm ein großes Geheimnis verraten und er hatte es weiter erzählt. Er versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass der Junge sowieso keine Chance darauf hatte und trotz der genetischen Ähnlichkeit immer noch Fehler bei Jades Nachkommen auftreten könnten.

Natürlich sahen das Jade und Mr. Warden anders und im Rückblick hätte er sich wohl besser auf ihre Seite gestellt. Zumindest wäre der Junge wohl nicht ausgebrochen, um irgendeinen dummen Streich auszuhecken, nur um von einem jugendlichen Metro Man eingefangen zu werden, der noch nicht richtig mit seinen Kräften umgehen konnte und Jade deshalb fast den Arm gebrochen hatte. Und vermutlich wäre der Junge nicht der Meinung gewesen, dass alle Menschen Verräter wären und sich nicht gegen sie gestellt.

Jonathan Warden klagte gegen den Beschluss der Stadt und erreichte, dass Jade nicht ohne sein Einverständnis vasektomiert werden durfte. Dr. Striker wurde des Gefängnisses verwiesen und zog sich resigniert zurück mit der Gewissheit, dass seine Absichten abermals missverstanden worden waren. Wenigstens behielt er diesmal seine Arbeit, auch wenn er nur noch für sich selbst arbeitete.

Besorgt verfolgte er in den Medien die Verwandlung Jade Myalos in Megamind, "unglaublich gut aussehendes kriminelles Genie und Meister aller Schurkerei". Sein Ziel schien geworden zu sein, es den Menschen - und insbesondere Metro Man - das Leben schwer zu machen. Bald begann er damit, eine Reporterin zu entführen, Roxanne Ritchi, die zuvor ein Interview mit ihm hatte führen wollen. Die Chance, dass Megamind jemals eine Frau fände oder Miss Ritchis Zuneigung für sich gewinnen könnte, erschienen verschwindend gering. Und dennoch...

Vielleicht hätte er es ahnen müssen, überlegte er, während er auf den Ausdruck in seiner Hand starrte. Miss Ritchi hatte sich ein wenig zu vehement dagegen gewehrt, dass Abigail zu ihm kam. Damals hatte er sich keinen Reim darauf machen können, aber nun...

Dr. Striker wusste nicht, ob er lachen oder resigniert den Kopf schütteln sollte, als er den Namen unter der Rubrik "Kindsmutter" las: Roxanne Ritchi. Das war das Leichtsinnigste, was der Superschurke seit einer Weile gemacht hatte und noch leichtsinniger, dass er seiner Tochter auch noch ihren Nachnamen gegeben hatte. Es war beinahe so, als drehte Megamind ihm eine lange Nase.

Nach einem kurzen Blick über die Schulter zerknüllte Dr. Striker den Auszug, den er ausgedruckt hatte und tippte etwas in den Computer ein. Er hatte schon früher Megaminds Akten verändert, wann immer der Superschurke ohne Gerichtsverhandlung verurteilt worden war. Bei so einem einflussreichen Arbeitgeber angestellt zu sein, hatte seine Vorteile. Natürlich konnte er Abigails Daten nicht einfach löschen oder verändern, das konnte gefährlich für sie werden, aber...

Mit einigen wenigen Klicks hatte Dr. Striker die Sperre wieder hergerichtet, die Megamind gebaut hatte, um die Daten seiner Familie zu verbergen, ehe er aufstand und das Polizeiarchiv verließ. Er grüßte den diensthabenden Polizisten und lief auf die Straße hinaus, ehe jemand etwas bemerkte.

Was er da tat, war höchst illegal. Wenn irgendjemand das herausfand, kam er für etliche Jahre ins Gefängnis, aber irgendwie kümmerte ihn das nicht wirklich, solange er einen Teil seiner alten Schuld begleichen konnte. Vermutlich würden seine Absichten mal wieder falsch verstanden, aber wenigstens war sein Gewissen etwas erleichtert.
 

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Kapitel 9 ist das längste bisher, da es für mich keine Möglichkeit gab, das Kapitel aufzuteilen ohne das Gefühl zu haben, dass etwas fehlt.
 

@ SainzDeRouse: Da das Kapitel in diesem Museum gespielt hat, musste ich Bernard irgendwie einbringen. Er erscheint mir zwar nicht der Typ, der jemandem selbstlos hilft, aber wenn er die Befürchtung hat, dass er anderfalls belangt wird...

Aber vielleicht ist das auch nur eine Farce.

Nun, Striker ist ein Mann, der immer die falschen Entscheidungen getroffen hat. Da er außerdem in seiner Jugend so blauäugig und so leicht hinters Licht zu führen war, ist es verständlich, dass Megamind ihm nicht vertraut.

Vielleicht hast du jetzt auch eine ungefähre Ahnung, was - teilweise - mit Megaminds Akten passiert ist.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SainzDeRouse
2012-04-28T16:51:14+00:00 28.04.2012 18:51
Mal wieder ein super Kapitel, was soll man auch sonst dazu sagen? ^^
Aber vorab erstmal eine Frage: Was zum Geier ist eine Dreifach-Helix?

Finde das aber eine gute Idee das Metro Man in Gegensatz zu Megamind keine Kinder mit Menschen kriegen kann, ist doch mal was Neues. ^^

Aber das Psycho Delic nur durch Drogen so geworden ist bezweifle ich.
Das erklärt ja nicht die violette Haut und seine Fähigkeit...
Obwohl es ja immer heißt, man ist was man isst. XD


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