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Unvorhersehbare Wendung

Eine Megamind-Fanfiction
von

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Der erste Tag

Auch in den nächsten Tagen blieb der Fokus Metro Citys bei Abigail. Wann immer Roxanne mit ihrer Tochter irgendwohin ging, folgten ihnen irgendwelche Reporter und Photographen. Dieses Gebaren ging ihr allmählich auf den Geist, aber da sie selbst Reporterin war, hätte man ihr Heuchelei vorgeworfen, wenn sie etwas gesagt hätte. Obwohl sie nie jemandem stundenlang nachrennen musste, um genug Stoff für eine Reportage zu bekommen.

Mittlerweile kam sie sich schon fast wie diese Hollywood-Damen vor, die ihre Kinder überall vorführen mussten, obwohl ihr persönlich lieber gewesen wäre, wenn Abigail in Ruhe gelassen würde. Sie hatte schon so viele Umwege genommen, nur um nicht geknipst zu werden, dass es schon nicht mehr lustig war.

Keine Erleichterung war da, dass noch niemand die Verbindung zwischen ihr und Abigail gefunden hatte. Nun gut, fast niemand. Roxannes Mutter Aileen hatte sie angerufen und den Grund verlangt, warum das kleine blaue Mädchen so viel Ähnlichkeit mit ihr hätte. Roxanne hatte ins Telefon schreien müssen, um sie am Weiterreden zu hindern und war gerügt worden, dass man seine Eltern nicht anschrie.

Eine Erklärung war von Nöten, weshalb sie in den Vorort fuhr, in dem ihre Eltern wohnten. Sie hatte ihre Mutter gebeten, erst nur mit ihr reden zu dürfen. Ihr Vater Thomas war ein Mann voreiliger Entscheidungen und unumstößlicher Meinungen. Wahrscheinlich käme sie gar nicht zu Wort.

Das Haus war sonnenblumengelb angestrichen und bildete einen seltsamen Kontrast zu den schneeweißen Häusern der Nachbarn. Vermutlich war das auch die einzige Seltsamkeit, die sich ihre Eltern jemals erlaubt hatten.

Ehe Roxanne überhaupt aus dem Auto steigen konnte, hatte Aileen bereits die Tür aufgemacht und kam auf sie zugeeilt. "Roxanne!", grüßte ihre Mutter. "Ich bin so froh, dass du kommen konntest!"

"Wir hatten doch eine Verabredung, oder?", erwiderte Roxanne und unterdrückte das Verlangen, die Augen zu verdrehen. "Wo ist Dad?"

"Oh, keine Sorge, der ist unterwegs", meinte Aileen gelassen und führte sie ins Wohnzimmer, wo bereits eine Kanne Tee auf dem Wohnzimmertisch stand. "Ich wusste nicht, ob du die Kleine mitnehmen würdest, daher habe ich jetzt drei Tassen hier", fuhr sie fort.

"Abigail wollte nicht mitkommen", erklärte Roxanne. "Nikolas hat ihr versprochen, dass er ihr beibringt, wie man Papierhüpfer macht und das wollte sie sich nicht entgehen lassen."

Mal abgesehen davon, dass ihre Tochter den Spruch "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben" nur im Zusammenhang mit unangenehmen Angelegenheiten wie dem Arztbesuch vor einer Woche verstand. Alles andere war für sie etwas, zu dem man nur einmal im Leben die Gelegenheit hatte. Die Sturheit hatte sie vermutlich... ...vermutlich von beiden. Da gab es nichts zu rütteln.

"Das ist zu schade", meinte Aileen bedauernd. "Ich wollte sie gerne kennen lernen."

"Sicherlich gibt es dazu noch genug Gelegenheit", erwiderte ihre Tochter und setzte sich aufs Sofa. "Es sieht nämlich wirklich so aus, als könnte sie bei mir bleiben."

Aileen goß den Tee ein und reichte ihr ihre Tasse. "So, wie wär's, wenn du mir jetzt erzählst, wie du zu einem Kind von Megamind kommst."

Roxanne seufzte. "Vor dir kann man wirklich nichts geheim halten, oder?"

"Es ist eine gute Eigenschaft für eine Mutter, wenn sie ihre Kinder lesen kann", meinte ihre Mutter trocken. "Auch wenn ich nicht erwartet hätte, dass es bei dir mit Megamind so weit kommen würde. Auch wenn's mich nicht sonderlich überrascht, wenn ich ehrlich bin."

"Ich habe kein Stockholm Syndrom, wenn du das meinst", verteidigte Roxanne sich.

Aileen verdrehte die Augen. "Habe ich auch gar nicht vermutet. Ich habe nur schon vor vielen Jahren mitbekommen, wie sehr eure Gespräche nach Geflirte klangen, wann immer ein Teil davon im Fernsehen kam."

"Nun gut. Wenn du das mitbekommen hast, dann erinnerst du dich vielleicht noch an das eine Mal, dass Megamind eine andere Frau entführte. Es war der siebzehnte Dezember, allgemein als Megaminds Geburtstag angesehen von denen, die sich dafür interessieren. Da er normalerweise mich 'abholte', um seinen Geburtstag zu feiern und es ein Samstag war, hatte ich meine Besorgungen für den Tag bereits gemacht und wartete nur noch darauf, dass er oder Minion kam." Roxanne lachte trocken. "Man stelle sich das vor! Ich wartete darauf, entführt zu werden. Meine Güte, ich muss unsere seltsame Beziehung wirklich verzweifelt negiert haben. Jedenfalls hatte ich es mir in meiner Wohnung gemütlich gemacht, da ich wusste, dass jede andere Aktivität nur von ihm unterbrochen würde. Nur wurde es immer später und weder er noch Minion waren aufgetaucht. Irgendwann schaltete ich vor Langeweile den Fernseher an und sah, warum sie nicht gekommen waren."

"Ich erinnere mich", sagte Aileen. "Der Name der Frau war, glaube ich, Natalie Smith. Sah ziemlich durcheinander aus. Nicht gerade als wäre diese Entführung harmlos gewesen."

"Wenn man nicht weiß, dass alle Geräte gesichert sind und nicht von selbst losgehen können, ist es zweifellos beängstigend", stimmte Roxanne zu. "Und es gab noch einen anderen Grund: Sie hatte Megamind gereizt und er wollte ihr eine Lektion erteilen. Aber ich wusste das damals nicht, da ich mich nicht mit Klatsch beschäftige. Ich dachte jedenfalls, dass ich ausrangiert worden war. Dieser Gedanken überraschte mich am meisten. Statt darüber froh zu sein, dass ich möglicherweise nie wieder entführt wurde, war ich wütend und enttäuscht. Es half auch nicht gerade, dass ein ganzer Monat verstrich, ehe ich ihn wieder zu Gesicht bekam. Die Mischung aus Verleugnung und unterdrückter Eifersucht bekam Megamind dann mit voller Wucht zu spüren. Mir war mittlerweile klar, dass das Gefühl, zurückgelassen worden zu sein nicht von irgendwelchen stressbedingten Syndromen kommen konnte, doch es laut auszusprechen und es auch vor der Welt zuzugeben, das wollte ich nicht."

Ihre Mutter nickte. "Du warst schon immer sehr stur. Du wolltest auch nie zugeben, dass du dich geirrt hattest."

"Wie auch immer." Roxanne verdrehte die Augen. "Jedenfalls fand ich mich endlich wieder in dem altbekannten Raum auf dem altbekannten Stuhl wieder und zu Megaminds Pech musste Minion noch einmal weg, um Ersatzteile zu holen, da mit einer der Erfindungen etwas nicht stimmte. Das bedeutete, dass er sich allein mit mir im Raum befand und ich nicht gerade bester Laune war.

Irgendwann wurde es ihm wohl unangenehm, von mir so angestarrt zu werden. Auf jeden Fall fragte er mich schließlich, was mit mir los war. Ich solle doch wissen, dass ich nunmal ein fester Bestandteil seiner Pläne wäre."

Sie machte eine kurze Pause und nippte an ihrem Tee. "Ich fragte ihn, warum eigentlich. Es gäbe genug andere Frauen zu entführen und Metro Man rette alle gleichermaßen. Das schien ihn ein wenig aus der Fassung zu bringen, zumindest fing er an zu stottern und mir vorzuwerfen, ich wolle ihn verwirren. Ich entgegnete, dass es nicht viel bedurfte, um ihn zu verwirren. Er wäre sowieso unfähig, irgendeinen Plan zu Ende zu bringen, selbst wenn ich nicht da war. Das habe ja die Tatsache bewiesen, dass Natalie nicht mehr in seiner Gewalt wäre. Er wunderte sich darüber, was das alles mit ihr zu tun habe. Schließlich habe er ihr nur eine Lektion erteilen wollen und nicht vorgehabt, seine Entführungsopfer zu wechseln. Und dann meinte er plötzlich mit diesem nervigen selbstgefälligen Grinsen, das er manchmal aufsetzt, wenn etwas ganz nach seinem Willen läuft, ich wäre eifersüchtig."

Aileen gab einen Laut von sich, der stark nach Belustigung klang.

Roxanne sah das als gutes Zeichen und fuhr fort: "Wie du dir denken kannst, machte mich diese Behauptung wütend. Deshalb sagte ich ihm, dass er doch gar nicht wisse, wie Eifersucht aussehe, weil er außer mit mir mit keiner Frau jemals Kontakt gehabt hätte. Daraufhin stemmte er wütend die Hände gegen die Armlehne und beugte sich zu mir herunter, dass sich unsere Nasenspitzen berührten. Und er sagte mir, dass es niemanden gäbe, der Eifersucht so genau kenne wie er. Dann küsste er mich. Als Minion zurückkam, fand er uns eng umschlungen da, oder besser gesagt: Megamind hatte mich umschlungen, weil ich immer noch die Hände in Fesseln hatte. Naja, du kannst dir sicher vorstellen, wie das für den armen Fisch ausgesehen haben muss." Sie lachte leise.

"Ich kann es mir denken." Ihre Mutter goß Tee nach und reichte ihr die nachgefüllte Tasse. "Ich nehme an, er hat versucht, ihn von dir wegzuziehen."

Roxanne kicherte. "Ja. Er hat Megamind wie einen Hundewelpen im Nacken gefasst und weggezogen. Dabei hat er ihm eine Strafpredigt darüber gehalten, was ein Superschurke tun konnte und was nicht. Geiseln küssen gehörte offenbar nicht dazu. Jedenfalls sagte er ihm dann, dass er in dem Zustand auf keinen Fall weiterarbeiten könne, vor allem wenn er mich wieder so anfiele."

"Hat er darauf gehört?"

"Erstaunlicherweise ja. Megamind brachte mich nach Hause und während der ganzen Fahrt sprachen wir kein Wort miteinander. Erst als er mich an meiner Haustür abgeliefert hatte, redete er wieder mit mir. Ihm wäre bewusst, dass ich vermutlich nichts mit seinen Plänen zu tun haben wolle, aber er wünsche sich, dass ich seine Gefühle erwidern könne, selbst wenn er nicht aufhöre, ein Superschurke zu sein. Er verlange nicht von mir, mich gegen Metro Man zu stellen und es würde ihren Kampf auch ziemlich unfair machen. Aber wenn ich es mir vorstellen könne, fernab der Kämpfe mit ihm zusammen zu sein, dann solle ich ihn im 'Otherworld' aufsuchen."

Aileen runzelte die Stirn. "Was soll das sein?"

"Das 'Otherworld' ist ein etwas abgelegenes, aber gut laufendes Lokal, das von Nikolas' Schwester betrieben wird", erklärte Roxanne. "Es bietet fast nur Menschen Arbeit an, die sonst niemand haben will, daher der Name. Minion hatte sich mit dem jungen Mann angefreundet und da die Leute vor ihm ähnlich wie vor Megamind Angst haben, wurden auch sie schnell Freunde. Bevor er mich dorthin eingeladen hatte, war Megamind noch nie in dem Lokal gewesen. Er wusste nur, dass es in der Nähe 'seines' Bezirks ist und dass man dort unentdeckt sitzen kann."

Sie sah auf ihre Finger. "Es dauerte eine Weile, ehe ich den Mut aufbringen konnte, dorthin zu gehen. Ich hatte immer noch Angst, offen zu gestehen, dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte und befürchtete sogar einen Trick. Megamind kann sehr gut schauspielern und nutzt diese Fähigkeit häufig, um durchs Leben zu kommen. Nikolas erzählte mir später, dass er jeden Tag in das Lokal gekommen wäre und seine Schwester langsam Zustände bekommen hätte, weil sie ihn ständig verstecken musste."

Ihre Erzählung wurde vom Klang der sich öffnenden Haustür unterbrochen.

"Aileen?", ertönte die Stimme ihres Vaters, Thomas Ritchi. "Bist du da?"

Ihre Mutter richtete sich schnell auf. "Ja. Roxanne ist auch hier."

"Roxanne?" Thomas Ritchi erschien im Türrahmen. "Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie zu Besuch kommt?", fragte er vorwurfsvoll.

Roxanne stand auf, um ihrem Vater einen Kuss auf die Wange zu geben. "Ich bin ganz spontan hierher gekommen. Mom hätte dir also gar nicht sagen können, dass ich vorbeikomme."

Er grummelte. "Ihr hätte es mir im Nachhinein immer noch sagen können. Da hätte ich mich viel früher von Wilkis abseilen können."

"Tut mir leid. War es wirklich so schlimm?"

"Du hast ja keine Ahnung." Er verzog das Gesicht. "Gefühlte zwei Stunden lang quasselt er mich mit irgendwelchen Tulpenzwiebeln voll."

Aileen sah aus, als müsse sie ein Lachen unterdrücken und zwinkerte ihrer Tochter zu, wie um zu sagen: "Der Plan hat doch wunderbar funktioniert."
 

"Oh, ist der süß!"

"Darf man ihn anfassen?"

"Hey, lasst mich auch mal!"

Smink saß in einer Ecke des Klassenzimmers und versuchte den Händen auszuweichen, die ihm ständig durchs Fell fuhren und schon zweimal schmerzhaft gegen seine Antenne gestoßen waren. Seine Augen huschten wild umher und suchten einen Ausweg aus dem Gedränge. Sein Instinkt sagte ihm, dass er sich wehren musste, aber er wollte Abigails ersten Schultag nicht gleich in einem Disaster enden lassen.

"Lasst ihn bitte in Ruhe, er mag es nicht gern, so in eine Ecke gedrängt zu werden", sagte Abigail mit zaghafter Stimme.

Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihre Mutter gleich wegzuschicken, aber sie hatte nicht wie ein Baby dastehen wollen, wenn sie schon in eine ältere Klasse kam. Mittlerweile fragte sie sich allerdings, ob sie da den Mund nicht ein wenig zu weit aufgerissen hatte, vor allem da ihre Mutter ihr noch angeboten hatte, draußen zu warten und sie wieder mitzunehmen, sollte es nicht klappen.

Ein rothaariges Mädchen sah sich mit großen Augen nach ihr um und fragte: "Woher hast du denn ein lebendiges Wiesel her? Ich habe noch nie eines zu Gesicht bekommen."

"Daddy hat ihn mir als Aufpasser zur Seite gestellt", erklärte Abigail nervös und versuchte sich durch die Menge zu drängen.

"Okay, das ist genug!", ertönte da die Stimme der Lehrerin.

Die Schüler stoben auseinander und setzten sich auf ihre Plätze, was Abigail die Möglichkeit gab, den ziemlich zerzaust aussehenden Smink aufzuheben. Das Wiesel grummelte leise vor sich hin.

"Man darf kleine Tiere nicht so in eine Ecke drängen", fuhr die Lehrerin fort. "Sie könnten sonst einen Herzanfall bekommen."

Smink schnaubte verächtlich. Das Einzige, das passieren konnte war, dass er jemandem kräftig in den Finger biss.

Die Lehrerin wandte sich nun Abigail zu und winkte sie zu sich heran. "Klasse, ich möchte, dass ihr eine neue Kameradin willkommen heißt. Ihr Name ist Abigail Mind." Bei der Einfallslosigkeit des Nachnamens verzogen sowohl Abigail als auch Smink das Gesicht. "Sie ist zum ersten Mal in einer Schule, also seid nett zu ihr. Wir wollen sie schließlich nicht gleich am ersten Tag vertreiben, oder?"

"Nein, Miss Pennyfeather", kam die einstimmige Antwort.

Miss Pennyfeather nickte zufrieden. "Gut, Abigail, dann erzähl der Klasse mal etwas über dich."

"Wir wissen doch schon, wer sie ist!", rief ein Junge in den Raum. "Sie ist Megaminds Klon!"

"Tom!", rief die Lehrerin wütend. "Noch so eine Äußerung und du bekommst eine Strafarbeit! Ihr müsst nicht alles glauben, was man euch erzählt."

Tom duckte sich hinter seinen Tisch und war still.

Miss Pennyfeather nickte Abigail aufmunternd zu, die zögerlich ein paar Schritte nach vorne trat und Smink so fest an sich drückte, dass er nach Luft schnappen musste.

"Ollo", grüßte sie und zuckte zusammen, als vereinzelt Gekichere zu hören war. "Ich bin Abigail und das ist Smink." Sie hob ihren Minion hoch, der die Klasse gelangweilt ansah. "Er ist mein Aufpasser, wenn Daddy nicht da ist."

"Wird Megamind in die Schule kommen?", fragte ein blondes Mädchen ängstlich.

Abigail wusste, was sie darauf zu antworten hatte. Ihre Eltern hatten es ihr oft genug eingeschärft. "Nein. Er hat Wichtigeres zu tun."

"Durftest du schon mal einen seiner Roboter steuern?", wollte ein sommersprossiger Junge aufgeregt wissen.

Sie schüttelte den Kopf. "Ich darf sie nicht mal anfassen. Zu gefährlich."

Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Klasse.

"Wie alt bist du eigentlich?" Ein Mädchen von chinesischer Abstammung musterte sie von Kopf bis Fuß. "Du siehst ziemlich klein aus."

"Naja, ich..." Abigail sah unsicher zu Smink hinunter. "Ich bin fünf. Smink ist fünfeinhalb."

Die Klasse begann erstaunt zu murmeln und Miss Pennyfeather musste auf den Tisch klopfen, ehe wieder Ruhe einkehrte.

"Ja, Kinder, ich weiß, das ist sehr jung", meinte sie. "Aber deswegen müsst ihr hier nicht gleich so ein Theater veranstalten." Sie wandte sich dem Mädchen zu. "Ich glaube, das reicht fürs Erste. Warum setzt du dich nicht neben Melissa?" Sie deutete auf das rothaarige Mädchen, mit dem Abigail bereits gesprochen hatte.

Abigail setzte sich und betrachtete das fremde Mädchen aus den Augenwinkeln. Sie hatte noch nie echtes rotes Haar gesehen. Eigentlich hatte sie gedacht, dass es so etwas nur in Filmen gibt.

Sie zuckte zusammen, als plötzlich ihre Hand berührt wurde.

"Oh, tut mir leid", sagte Melissa. "Ich wollte nur wissen, wie sich blaue Haut anfühlt."

Smink hob misstrauisch den Kopf von Abigails Schoß.

"Warum?", fragte diese.

"Weil mein großer Bruder gesagt hat, dass es sich anfühlen muss wie Schlangenhaut. Ich wollte immer schon herausfinden, ob das stimmt. Aber ich hatte nie Gelegenheit dazu."

"Daddy trägt immer Handschuhe", merkte Abigail an. "Das kannst du gar nicht überprüfen."

Melissa machte große Augen. "Zieht er sie nie aus? Auch nicht zum Schlafen?"

"Sei doch nicht blöd!", sagte ein Junge hinter ihnen. "Wer geht denn schon im Schlafanzug auf die Straße? Das wäre echt unsuperschurkenhaft."

"Halt den Mund, Damian!", zischte Melissa wütend. "Wir haben nicht mit dir geredet."

Damian streckte ihr die Zunge raus. "Wenn du so dumme Sachen fragst, kann man ja gar nicht anders als sich einzumischen."

"Achja?" Sie drehte sich verärgert zu ihm um. "Als wären deine Fragen sehr viel intelligenter."

"Äh, die Lehrerin...", murmelte Abigail, wurde aber von den sich kabbelnden Kindern überhört.

Erst als Miss Pennyfeather neben ihnen stand und sich laut räusperte, hörten die beiden auf und wandten sich wieder der Tafel zu.
 

Megamind saß im Unsichtbaren Auto vor der Greenwood-Schule und beobachtete misstrauisch das Treiben auf dem Schulhof, darauf wartend, dass seine Tochter auftauchte. Roxanne und er hatten eine heftige Diskussion darüber gehabt. Sie war der Meinung, dass Abigail zur Schule gehen musste, wenn sich die Leute jemals an sie gewöhnen sollten, während er der Meinung war, dass man seinen Gegner nicht noch mehr Möglichkeiten geben sollte, ihr zu schaden. Letztendlich hatte sie den Streit gewonnen und er hatte zähneknirschend nachgeben müssen.

Aber vielleicht waren seine Sorgen doch unbegründet, dachte er, als er seine Tochter mit einem rothaarigen Mädchen über den Schulhof eilen sah. Anscheinend brachte man sie nicht so selbstverständlich mit seinen Plänen in Verbindung, wie er befürchtet hatte.

"Sir?", fragte Minion vom Fahrersitz aus. "Können wir jetzt weiterfahren? Sie sehen ja, dass es Abigail gut geht."

Megamind lehnte sich seufzend in seinem Sitz zurück. "Es könnte immer noch etwas passieren."

"Und was wollen Sie tun, sollte dies tatsächlich der Fall sein?", erwiderte Minion augenrollend. "Sie können schließlich nicht da reinrennen und jeden dehydrieren, der sie schief ansieht. Offiziell wird angenommen, dass Sie das Interesse an ihr verloren haben. Wenn die Leute nun erfahren, dass Sie die Orte überwachen, die Abigail besucht, dann..."

"Jaja, ich weiß", unterbrach Megamind ihn genervt. "Keine öffentliche Kontaktaufnahme bis die Situation geregelt ist, schon kapiert." Er setzte sich aufrecht hin. "Dann fahr in Gottes Namen weiter."

Minion warf seinem Herrn einen entschuldigenden Blick zu und drückte aufs Gas.
 

Roxanne war gerade dabei in ihr Brot zu beißen, das sie in einem Café nur ein paar Meter von ihrem Arbeitsplatz entfernt gekauft hatte, als sie von der Seite her angesprochen wurde.

"Guten Tag, Miss Ritchi. Ich hoffe mit Abigail läuft alles gut?"

Sie ließ ihr Brot sinken, drehte den Kopf und erkannte Dr. Striker. Der hatte ihr gerade noch gefehlt.

"Was möchten Sie?", fragte sie gezwungen freundlich. "Abigail ist gerade in der Schule und ich habe nicht besonders lange Pause." Mal abgesehen davon, dass sie diesen Mann nicht in der Nähe ihrer Tochter haben wollte.

Dr. Striker hob beruhigend die Hände. "Ich bin nur zufällig vorbeigekommen und wollte mich über den Stand der Dinge erkundigen. Megamind war erstaunlich ruhig, dafür dass seine Tochter weg ist."

Roxanne musterte ihn misstrauisch. "Was meinen Sie damit?"

"Jeder, der ihn erlebt hat, war der Meinung gewesen, dass er die Stadt auf den Kopf stellen oder Sie zumindest aufsuchen würde", erklärte er. "Aber noch immer ist sie bei Ihnen und er hat noch immer nicht seine üblichen Pläne durchgezogen."

Sie zuckte mit den Schultern. "Bei mir ist er nicht vorbeigekommen. Vielleicht gefällt ihm die Vorstellung, dass ich auf sein Kind aufpasse."

"Das wäre doch sehr ungewöhnlich, finden Sie nicht?"

"Jeder weiß, dass Megamind eine kleine Schwäche für mich hat", meinte Roxanne abweisend. "Und ihm mag klar sein, dass es Abigail nur schadet, wenn er sie dazu zwingt, auf der Flucht zu leben."

"Ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt so vorausschauend sein kann", sagte Dr. Striker. "Alle seine Pläne haben Nachlässigkeitsfehler, die man sehr leicht vermeiden könnte."

"Er hat es immerhin geschafft, Abigail fünf Jahre versteckt zu halten", antwortete sie. "Das wäre doch ein Indiz für vorausschauendes Planen, oder?"

"Möglich", stimmte er zu. "Aber so rasend wie er gewesen ist..."

"Wenn er die Nachrichten gesehen hat, muss er bemerkt haben, dass ich mich um sie kümmere", unterbrach sie ihn. "Das mag sein Temperament gekühlt haben. Er kann sowieso nie lange wütend sein. Gut zehn Jahre als seine Geisel haben mich das erkennen lassen."

Dr. Striker machte den Mund auf, um etwas zu sagen, als "Andrew" angeschritten kam.

"Ol- Hallo!", grüßte er und konnte gerade so verhindern, sich durch seinen Sprachfehler zu verraten. Es wunderte sie, dass er nicht schon viel früher aufgeflogen war.

"Andrew!", sagte Roxanne erleichtert. Vielleicht hatte Megamind/Andrew mehr Glück, den neugierigen Doktor loszuwerden. "Ich dachte schon, du kommst nicht mehr."

"Oh, ich musste nur dafür sorgen, dass alles gut läuft", erwiderte er schulterzuckend.

"Ich habe dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist", meinte sie.

Dr. Striker sah zwischen ihnen hin und her, ehe er seinen Blick auf Megamind/Andrew richtete. "Kennen wir uns irgendwoher?"

"Andrew" zuckte abermals mit den Schultern. "Kann mich nicht erinnern. Ich habe allerdings ein Allerweltsgesicht."

Der Doktor nickte langsam. "Da habe ich mich wohl geirrt. Manchmal hat man dieses Gefühl von Déjà-Vu, wissen Sie?"

"Das kann den Besten unter uns passieren.", Megamind/Andrew sah auf seine Uhr. "Aber wir müssen jetzt wirklich los. Komm, Roxanne, bevor deine Pause vorbei ist!"

Roxanne nickte. "Tja, da hören Sie's, Doktor. Wir haben noch Dinge zu bereden."

Damit verschwanden sie aus Dr. Strikers Blickfeld.

"Was wollte der Kerl von dir?", fragte Megamind, als er sicher war, dass Dr. Striker ihnen nicht folgte.

"Hat versucht, mich über Abigail auszufragen", erwiderte Roxanne. "Wir müssen aber aufpassen. Ich glaube, ihm ist klar, dass es sehr ungewöhnlich für dich ist Abigail nicht wieder mitzunehmen."

Er sah sie nachdenklich an. "Hm, meine neueste Erfindung ist noch nicht fertig gestellt, deshalb kann ich im Moment noch nicht viel machen. Ich könnte allerhöchstens versuchen, die Brainbots durch die Stadt zu schicken, damit es so aussieht, als arbeite ich an etwas Großem."

"Gibt es da nicht eine alte Erfindung, von der du mir mal erzählt hast?", fragte sie und hakte sich bei ihm unter. "Den Megabot oder so?"

"Mega-Megamind", korrigierte er sie. "Aber der ist zu unberechenbar. Am Ende ergreift er dich noch und spielt King Kong."

"Dein Roboter ist weniger berechenbar als du." Roxanne lachte. "Warum wundert mich das nicht?"

Er schmollte. "Unsere Beziehung ist aber nicht berechenbar."

"Nein, aber das liegt eher an der Situation als an dir", neckte sie. "Aber wenn es wirklich nicht anders geht, musst du mich eben wieder mitnehmen. Ich kann Abigail bei meiner Mutter unterbringen, dann fällt es nicht auf, wenn du sie nicht mitnimmst."

"Deine Mutter ist einverstanden, das Kind eines Superschurken aufzunehmen?"

"Nein, aber das Kind ihrer Tochter", erwiderte sie.

Megamind versteifte sich. "Du hast es ihr gesagt?"

"War gar nicht nötig", meinte sie. "Sie hat die Ähnlichkeit zwischen Abigail und mir erkannt. Solange du ihr Haus nicht zum Einsturz bringst, hat sie kein Problem mit dir."

Er sah nicht überzeugt aus. "Hoffentlich erzählt sie nichts weiter."

Roxanne verdrehte die Augen. "Meine Mutter weiß doch, wie viel auf dem Spiel steht. Außerdem ist sie froh, dass es wenigstens nicht Metro Man ist. Sie misstraut allzu perfekten Menschen. Das wären die Ersten, die Probleme machen, meint sie."

Megamind grinste. "Na, immerhin eine, die nicht der Meinung ist, dass Metro Man das Beste seit geschnitten Brot ist."

"Wie? Ich gelte nicht?", fragte sie gespielt beleidigt und blieb stehen.

"Nein, du bist schließlich mit ihm befreundet", erwiderte er ernsthaft und küsste sie auf die Nase. "Du kannst dich also nicht damit rühmen."

Roxanne schlug ihm gegen die Schulter. "Nun gut, ich muss zur Arbeit zurück", sagte sie dann und setzte sich wieder in Bewegung. "Meine Mittagspause ist fast vorbei. Aber danke, dass du mich vor Dr. Striker 'gerettet' hast."

"Wann hat Abigail Schulaus?", fragte er unvermittelt. "Dann könnte ich sie abholen."

Sie schnaubte amüsiert. "Das gäbe ein Geschrei. 'Entschuldigen Sie, ich möchte meine Tochter abholen!' 'Aaah!'"

"Ich bleibe natürlich in Verkleidung", meinte er trocken.

"Und wie willst du sie heimbringen? Du kannst nicht mit dem Unsichtbaren Auto vorfahren, dann wissen sie gleich, dass du es bist. Und die U-Bahn ist zu gefährlich für Abigail."

"Nikolas hat auch kein Auto", erinnerte er sie. "Und er soll sie doch sicher abholen, oder?"

"Eigentlich wollte ich selbst hinfahren", erwiderte sie. "Ich nehme mir für eine halbe Stunde frei und setze sie bei Nikolas ab. Nach achtzehn Uhr hole ich sie dann wieder ab. Ich hatte erst überlegt, ob ich sie in die Hausaufgabenbetreuung schicken soll, aber ich habe bereits gesehen, wie schnell sie arbeitet. Die Bücher, die ich ihr mitgebracht habe, hat sie schon alle ausgelesen. Mein Chef hat auch nichts dagegen, wenn ich mir ein wenig für Abigail freinehme."

"Zahlt sich aus, die Reporterin zu sein, die die meisten Quoten bringt, was?"

"An manchen Tagen wäre ich lieber weniger bekannt", gab sie zu. "Besonders weil alle Welt immer nur wissen will, ob Metro Man irgendwann um meine Hand anhält."

Megaminds Gesicht verdüsterte sich. "Das soll er nur mal versuchen! Dann mische ich ihm Chilipfeffer unters Essen."

Roxanne lachte. "Und wie willst du nah genug herankommen? Am Ende erhält er noch eine Feuerspeifähigkeit dazu."

"Das wäre immerhin der Beweis dafür, dass er eine Cartoonfigur ist", scherzte er.

Sie waren an ihrem Arbeitsplatz angekommen.

"Huh, habe gar nicht gemerkt, dass wir in diese Richtung gesteuert sind", kommentierte Roxanne. "Aber es passt ganz gut." Sie wandte sich Megamind zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Wir sehen uns noch."

"Meinst du damit etwas Spezifisches?" Er grinste unverschämt.

Sie boxte ihn in den Arm. "Benimm dich."

Sie eilte die Stufen hinauf und verschwand durch die Tür.
 

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@ SainzDeRouse: Das mit Dr. Striker hat mir erst letztens eine Freundin erzählt. Ich selbst habe X-Men nie gesehen, deswegen kann ich das nicht beurteilen. Aber was auch immer ich versucht habe, mir ist einfach kein besserer Name eingefallen.

Sterilisation kann man sowohl bei Männern als auch bei Frauen sagen. Bei Kastration wird das gesamte Geschlechtsorgan abgeschnitten, während bei Sterilisation nur die Samenleiter durchgeschnitten wären. Hätten sie vorgeschlagen, dass man Megamind kastrieren soll, hätte man sie überhaupt nicht mehr in seine Nähe gelassen. Und Metro Man wird wahrscheinlich nicht als Alien gesehen, weil er nicht so aussieht. Ist natürlich eine Doppelmoral, aber gerade im Megamind-Fandom wird auch davon ausgegangen, dass er keine Kinder mit Menschenfrauen zeugen kann.

Naja, bei Minion ist es so, dass da tatsächlich eine Antenne aus seinem Hinterkopf ragt und ich mir sicher bin, dass die nicht an sich zu seinem Körper gehört. Ich habe einfach darauf aufgebaut mit Smink. Vielleicht ist Minion anders, aber bei Smink hätten sie gar keine andere Wahl.

Und der Witz ist ja, dass Minion kein kreativer Name ist.

Bei dem Im-Gefängnis-Aufwachsen gibt es die Theorien, dass er a) dort war, um ihn besser vor der Regierung zu schützen, b)von keinem Kinderheim oder Adoptionsbüro aufgenommen werden wollte oder c) er dort bleiben wollte, weil er dachte, dass das sein Schicksal wäre. Ich nehme hier eher Route b) mit Elementen von a), aber eher die harmlosere Variante.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SainzDeRouse
2011-12-23T16:59:09+00:00 23.12.2011 17:59
Mal wieder ein super Kapitel. ^^
Schön das Abigail wenigstens schon mal eine Freundin gefunden hat.
Mich stört aber etwas die Geschichte mit Roxanne's Mutter. Das war zu leichte Kost, meiner Meinung nach. Das sie die Ähnlichkeit entdeckt, gerade wenn sie Roxanne mit Abigail "zusammen" im Fernsehen sieht, gerade wenn Roxanne sie vielleicht auf dem Arm hat, und man beide Gesichter nebeneinander sieht, mag ja möglich sein. Aber das sie sooo gelassen reagiert, ich meine ihr wurde fünf Jahre lang ihre Enkeltochter vorenthalten und Megamind war vielleicht nie soooooo gefährlich, aber dennoch der ständige Entführer ihrer Tochter, und das Metro Man als Retter so schlecht ankommt, kann ich mir auch nicht vorstellen. Die Geschichte wie Roxanne und Megamind sich näher gekommen sind war interessant. ^^ Jetzt fehlt mir nur noch die Erklärung, wie sie zu ihrem Kinderwunsch gekommen sind. Klar, irgendwann tickt die innere Uhr, aber unter diesen Umständen, das muss schon ordentlich für Gefühlschaos und Diskussionen geführt haben.
Stimmt wohl, Kastration wäre wohl nicht passend, aber dennoch nennt man es nicht sterilisieren, sondern Vasektomie. ;-) (Musste jetzt tatsächlich googlen, mir fiel es beim besten Willen nicht ein.)Egal!
Bei Minion hast du wohl recht. Wollte eben noch schreiben das ich mir einbilde das die erst da ist, seit er den Gorillakörper hat, sozusagen, als fernsteuerung, aber das stimmt nicht. (Hab grad nachgesehen) Der war schon immer da. Tja, dann wohl doch ein Frankenstein-Fisch. ^^ Ich glaube der unkreative Name Minion stammt vom "kleinen" Megamind. Als Kind ist es einem nicht so wichtig, spektakuläre Namen zu vergeben. ^^ Ich tendiere auch dazu das die Regierung dahinter steckt und die Ämter und das Kinderheim da nicht mitspielen wollten. Ich glaube ja auch, bei näherer Überlegung, das Metro Mans Eltern es gar nicht "kapiert" haben das er mit einem Raumschiff kam. Ich meine die Mutter freut sich über ein "geschenktes" Baby und der Vater sagt nur zu allem "ja und amen", weil er mit seiner Zeitung beschäftigt ist. ^^ Hast da aber wohl recht, er sieht eben menschlich aus, wobei das keine vernünftige Erklärung ist, aber ist ja auch ein Kinderfilm.
Bin gespannt auf das nächste Kapitel, schreib schön weiter.
LG


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