Zum Inhalt der Seite

Unvorhersehbare Wendung

Eine Megamind-Fanfiction
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Auf der Polizeiwache

Ja, schon wieder eine Megamind-Fanfiction von mir, obwohl die andere noch nicht fertig ist.

Dies ist eine "Was wenn"-Geschichte, sie weicht also in manchen Teilen vom Film ab. Allerdings habe ich versucht, die Charaktere so in character zu halten wie möglich.
 

------
 

Metro Man starrte mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen auf das kleine blauhäutige Wesen, das zusammengekauert auf einem Stuhl in der Polizeiwache saß und ihn keines Blickes würdigte. Es hatte die Knie unter das Kinn gezogen und hielt ein Wiesel umklammert, das den Superhelden mit größtem Argwohn musterte. Hin und wieder wurde das Tier an die Wange gedrückt, was dieses ohne Sträuben geschehen ließ.

Verstört wandte sich Metro Man zu dem Polizisten um, der ihn in das Zimmer geführt hatte.

"Grässlich, oder?", meinte der Beamte und musterte das Wesen auf dem Stuhl. "Wir haben dieses Kind in Megaminds Versteck gefunden, nachdem Sie ihn zurück ins Gefängnis gebracht haben. Es hat wohl versucht, sich hinter einem großen Roboter zu verstecken."

"Das... Ist das wirklich ein Kind?", fragte Metro Man verstört. Sicher, es sah aus wie eines, wenn man mal die blaue Haut und den kahlen Schädel ignorierte. Aber wie kam ausgerechnet Megamind an eines? Die gab es ja wohl kaum im Supermarkt im Angebot. "Kein Roboter oder etwas Ähnliches?"

Der Polizist lachte humorlos. "Wenn das da ein Roboter ist, dann ist es der lebensechteste, den ich je gesehen habe. Science-Fiction wäre nichts dagegen." Er schüttelte den Kopf. "Nein, es ist ein richtiges Kind. Vermutlich Megaminds Klon. Auf dem Weg hierher hat es die ganze Zeit geschrien. Erst als wir dieses Vieh zu ihm gelassen haben, ist es etwas ruhiger geworden."

Bei dem Wort "Vieh" wandte das Wiesel seinen durchdringenden Blick von Metro Man ab und starrte den Polizeibeamten wütend an.

"Und w-was ist es?", wollte Metro Man wissen.

Je länger er das Kind ansah, desto unwohler fühlte er sich. Er kam einfach nicht umhin, sich zu fragen, wie dieses Kind wohl entstanden war. Es blieb nur zu hoffen, dass Megamind nicht so tief gesunken war, wie er befürchtete.

Der Beamte zuckte mit den Schultern. "Wissen wir leider auch nicht", gab er zu. "Ist ziemlich schwer zu sagen bei dem kahlen Schädel und dieser geschlechtsneutralen Kleidung. Wir haben uns auch nicht getraut, das Geschlecht zu überprüfen, weil wir befürchten, dass es dann wieder anfängt zu schreien. Und dann würde wahrscheinlich das Wiesel da wieder angreifen." Er hob seine rechte Hand, die dick einbandagiert war. "Das ist passiert, weil ich das Kind ein wenig fester gepackt habe, als es die Füße in den Boden gestemmt hatte. Dieses Vieh ist sofort auf mich losgegangen und hat erst aufgehört, als das Kind nach ihm gerufen hat."

Metro Man schüttelte fassungslos den Kopf. "Wissen wir wenigstens, wie alt er oder sie ist?", fragte er.

Der Polizist verzog das Gesicht. "Wir vermuten, dass es zwischen vier oder fünf Jahren alt ist. Insofern es natürlich ein normales Kind ist und kein künstlich herangewachsener Klon." Er sah das Kind nachdenklich an. "Wir haben schon das Jugendamt angerufen, aber die haben einfach aufgelegt, als sie erfuhren, wer der Vater des Kindes ist. Deswegen haben wir Sie hierher gerufen, weil wir gehofft hatten, dass Sie vielleicht einen Ort kennen, an dem Megamind das Kind nicht finden kann. Je weniger Kontakt es mit ihm hat, desto besser stehen die Chancen, dass wir einen zweiten Megamind vermeiden können."

Zum ersten Mal seit Metro Man den Raum betreten hatte, gab das Kind einen Laut von sich. Mit einem leisen Schluchzer drückte es das Wiesel noch fester an sich, sodass sich Metro Man zu fragen begann, warum das Tier noch nicht versucht hatte, sich zu befreien und versuchte sich noch kleiner zu machen. Eine einzelne Träne lief ihm die Wange herunter und tropfte in das Fell des Tieres.

Der Anblick versetzte dem Superhelden einen Stich ins Herz. Sicher, es war wohl Megaminds Kind und er wusste nicht, ob es ein Klon, ein Kind einer Leihmutter oder einer Vergewaltigung war, aber letztendlich konnte es nichts für seinen Vater oder den Weg, auf dem es möglicherweise entstanden war.

"Kann ich kurz mit dem Kind alleine sprechen?", fragte Metro Man an den Beamten genannt.

Dieser nickte kurz und wandte sich zur Tür. "Sicher, Metro Man, was immer Sie wünschen. Aber seien Sie vorsichtig. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob das Kind nicht gefährlich ist."

Metro Man wartete, bis der Polizist die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe er sich dem Kind zuwandte.

"Hey", sagte er sanft und kniete sich vor ihm hin. "Wie ist dein Name?"

Das Kind schüttelte heftig den Kopf, sah ihn aber weiterhin nicht an.

"Hat Megamind dir keinen Namen gegeben?", fragte Metro Man verdutzt. Irgendwie konnte er sich das nicht vorstellen, wenn er bedachte, dass der Superschurke jeder einzelnen seiner eigenartigen Erfindungen einen Namen gab. Da würde er doch sicherlich auf einen Namen für sein eigenes Kind kommen!

Jetzt sah es ihn doch aus den Augenwinkeln heraus an und warf ihm einen dieser "Erwachsene-sind-ja-so-blöd"-Blicke zu, die Kinder manchmal benutzten, wenn man etwas nicht wusste, was eigentlich klar sein müsste.

"Ah!", machte Metro Man, erfreut darüber, endlich eine Reaktion von dem Kind bekommen zu haben. "Also hast du einen Namen, aber du willst ihn mir nicht sagen?"

Es schüttelte den Kopf und wandte sich wieder von ihm ab. So viel zu erfolgreichen Gesprächen.

"Na gut, dann versuche ich mal deinen Namen zu erraten, okay?"

Keine Reaktion.

Metro Man runzelte die Stirn. Wie würde Megamind sein eigen Fleisch und Blut eigentlich genau nennen? Er konnte sich nicht vorstellen, dass der angeberische Superschurke seinem Kind einen Allerweltsnamen gäbe. Das passte irgendwie nicht zu der Vorstellung, die er von seinem Widersacher hatte.

Vielleicht versuchte er es erst einmal anders...

"Willst du mir wenigstens sagen, ob du Junge oder Mädchen bist?"

Wieder Kopfschütteln.

Metro Man seufzte und musterte sein Gegenüber genauer. Vielleicht gab es doch irgendeinen Hinweis auf das Geschlecht des Kindes. Nun gut, es hatte dünne schwarze Augenbrauen, große grüne Augen, die von langen Wimpern umrahmt wurden, eine Stupsnase und - waren das Sommersprossen auf der Nase? Er kniff die Augen zusammen. Tatsächlich! Er hatte gar nicht gewusst, dass man blaue Sommersprossen haben konnte.

Das Kind rückte unbehaglich von ihm ab und ließ dabei ein Bein vom Stuhl gleiten. Dabei konnte er einen Blick auf die Latzhose des Kindes werfen. Ein Bild eines Kornblumenstraußes war zu sehen und direkt darunter ein Spruchband mit den Worten "I am a cornflower".

Metro Man schmunzelte. "Also, kleines Fräulein, willst du mir immer noch nicht deinen Namen sagen?"

Das Mädchen zuckte zusammen, schüttelte aber weiterhin den Kopf.

Die Tür öffnete sich wieder und der Polizeibeamte von vorhin sah ins Zimmer herein. "Irgendetwas herausgefunden?"

"Ja", erwiderte Metro Man und verdrehte dann die Augen. "Wie konnten Sie eigentlich dieses Kornblumenbild auf der Latzhose übersehen? Das ist doch ein ziemlich guter Hinweis auf das Geschlecht des Kindes."

Der Polizist sah zu dem Mädchen herüber, das sich wieder auf dem Stuhl zusammengekauert hatte. "Wie auch immer", sagte er dann. "Haben Sie eine Idee, wo wir es - sie - hinbringen könnten?"

Metro Man zuckte hilflos mit den Schultern. Wenn selbst das Jugendamt die Verantwortung von sich wies, konnte er sich auch nicht vorstellen, einen Ort für das Mädchen zu finden.

Nun gut, einen Platz hätte er schon, aber das war nichts für Kinder. Und er wollte auch nicht unbedingt der Tochter seines Erzfeindes, der sein ganzes Dasein darauf ausgerichtet hatte, ihn zu vernichten, seine Zuflucht offenbaren.

Was er brauchte, war der Rat eines Menschen, der in Megaminds Pläne mindestens genauso oft verwickelt war wie er...

"Könnten Sie mir vielleicht ein Telefon bringen?", fragte er den Polizeibeamten. "Ich muss jemanden anrufen."
 

Metro Man atmete erleichtert auf, als er Roxannes dunkelblaues Auto herannahen und am Bordstein parken sah. Aus dem Auto stieg eine besorgt aussehende Roxanne und eilte die paar Stufen zur Polizeiwache nach oben.

"Wayne!", grüßte sie ihn. "Was ist denn los? Am Telefon klangst du so beunruhigt."

Metro Man lachte nervös und rieb sich den Nacken. "Ja, nun... Ich habe da ein kleines Problem und hatte gehofft, ob du mir dabei helfen kannst."

Roxanne atmete tief durch und lächelte ihn an. "Okay. Worum geht's?"

Er seufzte erleichtert und führte sie in das Zimmer, in dem noch immer Megaminds Tochter zusammengekauert saß.

Als Roxanne das Mädchen erblickte, blieb ihr der Mund offen stehen. "A-ab--"

"Ja, das war auch meine Reaktion, als ich sie gesehen habe", meinte Metro Man trocken.

Das Kind hatte sich bei ihrem Anblick aufrecht hingesetzt und sah nervös von einem zum anderen, ehe es seinen Blick auf Roxanne fixierte.

"Die Polizei hat das Jugendamt informiert", fuhr er fort. "Aber die haben abgelehnt, als sie erfuhren, wessen Kind das ist. Und jetzt soll ich mich darum kümmern einen guten Platz für sie zu finden." Er sah zu Roxanne rüber, die das Kind immer noch anstarrte. "Roxanne?"

Sie zuckte zusammen und murmelte: "Oh, ja, natürlich... Und wohin willst du sie bringen?"

"Deswegen habe ich dich gerufen", erwiderte er hilflos. "Ich weiß nicht, bei wem sie gut aufgehoben wäre. Bei mir kann sie nicht unterkommen, ich bin zu viel unterwegs. Meine Mutter bekäme sicherlich einen Schlag, wenn ich die Kleine bei ihr abgäbe und ich kenne auch sonst niemanden, der sie aufnehmen würde. Ich meine, ich kann sie ja schlecht bei der Regierung abliefern, oder?"

Kaum hatte er es ausgesprochen, wurde er von eisigen Blicken seitens Roxanne und des Wiesels durchbohrt.

"Ich glaube, bevor du noch irgendeine Dummheit machst, nehme ich die Kleine lieber bei mir auf", meinte Roxanne kühl und streckte die Hand nach dem Kind aus, die diese sofort ergriff und aufstand.

"Aber was ist mit Megamind?", fragte Metro Man unbehaglich. "Die Polizei will nicht, dass sie nochmal mit ihrem Vater in Kontakt kommt."

Sie lachte trocken. "Glaub mir, wenn Megamind in Kontakt mit jemandem treten will, dann schafft er das auch. Und es ist für Metro City besser, wenn das Kind nicht bei irgendwelchen dubiosen Leuten unterkommt, die ihm schaden könnten."
 

"Was zum-?", machte der Polizist, als sie eine halbe Stunde später an ihm vorbei zum Ausgang gingen. "Wo wollen Sie mit dem Kind hin, Miss Ritchi?"

"Nach Hause natürlich", erwiderte sie unbekümmert und grinste, als das Kind ein Gähnen unterdrückte. "Es ist schon längst Schlafenszeit."

Damit drängte sie sich an ihm vorbei und ging zur Tür hinaus.

Metro Man lächelte den Polizisten an und zuckte mit den Schultern. "Sie wollten eine Lösung, jetzt haben Sie eine."

"Aber-" Der Beamte blieb sprachlos zurück, als Metro Man zur Tür hinauseilte.

Draußen war Roxanne schon bei ihrem Auto angelangt und war gerade dabei, auf ihrem Rücksitz ein paar Kissen zu einem Kindersitz aufzustapeln.

"Hey, Roxie!"

"Ja?"

Metro Man lief zu ihr rüber und sah sie nervös an. "Hast du eine Ahnung, warum Megamind dich heute nicht entführt hat? Er hat mich zwar wie üblich herausgefordert, aber irgendwas war anders. Und ich meine nicht nur das Kind."

Roxanne zuckte mit den Schultern und half dem Mädchen auf den Rücksitz. "Vielleicht hat er endlich erkannt, wie vorhersehbar seine Pläne geworden sind und wollte mal aus der Routine ausbrechen", mutmaßte sie und schnallte das Kind an. Dann richtete sie sich wieder auf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich habe keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht, letztendlich bin ich nur das Bauernopfer. Vielleicht hat er sich meine Kritik, dass er vorhersehbar ist, endlich zu Herzen genommen. Aber ich bezweifle es."

Sie schloss die Tür und ging um das Auto herum zur Fahrerseite.

"Roxie?"

"Was ist denn noch?", fragte sie genervt und legte den Ellbogen auf dem Autodach ab. "Ich bin ziemlich müde, Wayne."

"Ah", murmelte Metro Man. "Schon gut, du hast Recht, wir sollten jetzt wirklich alle nach Hause gehen. Wir sehen uns ja noch."

Roxanne nickte und stieg ins Auto. "Gute Nacht, Wayne."

Metro Man winkte, als sie den Wagen auf die Straße brachte und davonfuhr, ehe er sich in die Lüfte schwang und sich auf den Weg zu seiner Zuflucht machte. Er konnte nur hoffen, dass er heute nicht nochmal zu einem Notfall gerufen wurde.
 

"Das war knapp", seufzte Roxanne, als sie endlich außer Sichtweite der Polizeiwache waren. "Alles in Ordnung mit euch beiden?"

"Ja, uns geht's gut, stimmt's, Smink?", erwiderte das Mädchen und sah zu dem Wiesel in ihrem Schoß hinunter.

"Ich weiß nicht recht, Miss Abigail", meinte Smink mit einem angewiderten Gesichtsausdruck. "Ich habe einen scheußlichen Geschmack im Mund, seit ich dem Polizisten in die Hand gebissen habe."

"Zuhause habe ich eine Flasche Limonade", sagte Roxanne. "Damit kannst du den Geschmack runterspülen."

"Mommy, warum denken die Leute, ich wäre ein Roboter?", fragte Abigail unvermittelt und verzog das Gesicht.

Roxanne sah sie einen Moment lang sprachlos im Rückspiegel an, dann fing sie an zu lachen. "Wer hat denn das gesagt?"

"Der Mann mit den komischen Fransen an den Beinen."

Roxanne schüttelte amüsiert den Kopf. "Metro Man war wohl einfach erstaunt, das ist alles. Er dachte wohl, dass dein Vater das einzige blauhäutige Lebewesen auf der Erde ist."

"Oh." Abigail sah nachdenklich auf ihre Finger. "Kommt Daddy mich abholen, wenn er wieder zurück ist?"

Einen Moment lang überlegte Roxanne, ob sie ihr die Wahrheit sagen sollte. Glücklicherweise nahm ihr Smink diese unangenehme Aufgabe ab.

"Ich glaube, jetzt da die Menschen von uns wissen, sollten wir bei Ihrer Mutter bleiben, Miss Abigail", meinte er ernsthaft. "Das ist sicher auch in Ihres Vaters Sinne."

Abigail seufzte.

"Meine Güte, so schlimm ist es bei mir nun auch wieder nicht", scherzte Roxanne gutmütig. "Es ist sogar wesentlich ordentlicher als das Versteck."

Als Abigail nicht antwortete, fügte sie hinzu: "Keine Sorge, Spatz, es wird schon alles in Ordnung kommen." Hoffte sie zumindest...

Ihr Wohnhaus kam in Sicht und Roxanne fuhr in die Garage hinein. "So, da wären wir", sagte sie, nachdem sie den Motor abgestellt hatte. "Alles aussteigen, bitte."

"Und wie kommen wir bis nach oben, Miss Ritchi?", wollte Smink wissen und drapierte sich wie einen Schal auf Abigails Schultern und Nacken. "Haben diese Gebäude nicht normalerweise einen Wachmann?"

"Solange ihr bei mir seid, kann nichts passieren", erwiderte Roxanne lächelnd, auch wenn ihr bei dem Gedanken ein wenig mulmig war. "Und Carlos ist nett. Er mag Kinder."

Smink sah nicht überzeugt aus, hielt aber den Mund. Wenn es hart auf hart kam, konnte er Abigail immer noch verteidigen.

In der Vorhalle saß Carlos an der Rezeption und hatte den Kopf in seiner Zeitung vergraben. Ihre Chance erkennend zog Roxanne Abigail so schnell sie konnte zum Aufzug und drückte den Knopf. Gerade als die Aufzugtüren sich öffneten, senkte Carlos die Zeitung.

"Oh, guten Abend, Miss Ritchi", grüßte er freundlich. "Habe mich schon gewundert, wer da an mir vorbeischleichen wollte."

Roxanne gab einen erschrockenen Laut von sich und schob Abigail in den Aufzug hinein, bevor sie sich davor stellte. "Ah, ja, tatsächlich", stammelte sie zerstreut, verzweifelt nach einer guten Antwort suchend. "Es war ein langer Tag und ich will so schnell wie möglich ins Bett."

Aus den Augenwinkeln sah sie wie Abigail Smink hochhob, damit er den obersten Knopf drücken konnte.

"Natürlich", erwiderte Carlos und nickte ernst. "Sie sind fast jeden Tag da draußen und werden regelmäßig von Megamind entführt, da haben Sie jedes Recht, müde zu sein."

Roxanne merkte, wie sich hinter ihr die Aufzugtüren schlossen und drehte sich blitzschnell um. "Ja, also... Ich geh dann mal." Mit diesen Worten huschte sie in den Fahrstuhl, ehe sich die Türen ganz schließen konnten und ließ einen verdutzten Carlos zurück.

"Meine Güte", seufzte sie und lehnte sich gegen die Aufzugswand. "Konntet ihr nicht auf mich warten?"

"Tut mir leid", murmelte Abigail und zog beschämt den Kopf ein. "Smink meinte, wir sollten vielleicht schon mal vorgehen, solange du dich mit Mr. Carlos unterhältst."

Roxanne warf dem Wiesel einen strengen Blick zu, den dieses aber nur gleichgültig erwiderte.

"Ob nett oder nicht, er ist immer noch ein Mensch, der in Metro City lebt", sagte Smink ernst. "Und die sind nicht gut auf Mr. Megamind zu sprechen."

"Welch Überraschung", meinte Roxanne und verdrehte die Augen. "Wo er doch nicht mehr tut, als jede zweite Woche die Stadt auf den Kopf zu stellen."

"Ist das Szar-katz-mus?", fragte Abigail und zog die Nase kraus.

"Sarkasmus", korrigierte Roxanne lachend. Das Kind fing schon wie sein Vater an.

Der Aufzug kam mit einem "Ding!" zum Stehen und die Türen öffneten sich zum obersten Stockwerk.

Sie huschten den Gang entlang und Roxanne kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Wohnungsschlüssel. Wie in solchen Situationen so üblich, war der Schlüssel ganz nach unten gerutscht und kaum hatte sie ihn gefunden, öffnete sich weiter unten im Gang eine Tür.

Die Wohnungstür wurde - wie es in so einer Situation üblich ist - in Panik geöffnet und Kind und Wiesel durch einen Türspalt hineingeschoben, ehe Roxanne ihren Nachbarn unschuldig anlächelte und ebenfalls in ihrer Wohnung verschwand.

Sie lehnte sich erleichtert seufzend gegen die Tür. "Geschafft! Für heute dürfte es keine Zwischenfälle mehr geben."

"Müssen wir jetzt immer so herumschleichen?", wollte Abigail missmutig wissen. "Dazu habe ich nämlich keine Lust!"

Roxanne lächelte entschuldigend und drückte sie an sich, das erste Mal seit sie sie in der Polizeiwache angetroffen hatte. "Tut mir leid. Du musst deine Mutter für ziemlich dämlich halten."

Abigail schüttelte den Kopf, schlang die Arme um Roxannes Taille und drückte das Gesicht in ihren Bauch.

Roxanne streichelte ihr den Kopf, ehe sie sie vorsichtig von sich wegdrückte. "Hast du Hunger? Ich kann uns schnell etwas kochen."

"Soll heißen, sie wärmt Reste auf", fügte Smink von seinem Platz auf dem Sofa trocken hinzu.

Roxanne streckte ihm die Zunge raus, ehe sie sich wieder ihrer Tochter zuwandte. "Das ginge natürlich am schnellsten, aber wenn du willst, kann ich auch 'richtig' kochen. Das dauert dann aber länger."

Als Antwort gähnte Abigail hinter vorgehaltener Hand.

"Dachte ich mir." Roxanne ging zu ihrem Kühlschrank hinüber und öffnete ihn. "Mal sehen, wir haben hier noch ein wenig Auflauf - ach nein, du magst immer noch keinen Käse, oder?", fügte sie hinzu, als Abigail den Mund verzog. "Gut, dann keinen Auflauf. Wie wär's dann mit Spaghetti? Ich habe noch etwas Hackfleischsoße da."

Sie löste den Deckel und stellte die Schüssel auf der Küchentheke ab. Smink hüpfte auf die Theke und schnüffelte misstrauisch am Inhalt.

"Zu deiner Zufriedenheit?", fragte Roxanne mit sarkastisch hochgezogenen Augenbrauen.

"Scheint noch gut zu sein", meinte Smink.

Roxanne verdrehte die Augen und stellte die Schüssel in die Mikrowelle. Dann durchstöberte sie den Küchenschrank und holte einen Topf und eine Packung Spaghetti hervor.

"Das dauert nur ein paar Minuten", versicherte sie ihrer Tochter, die sich müde die Augen rieb.

"Wo soll ich eigentlich schlafen?", fragte Abigail unvermittelt. "Ein Bett habe ich nur bei Daddy."

"Ich habe ein großes Bett, da ist genug Platz für dich", erklärte Roxanne, während sie darauf warteten, dass das Nudelwasser zu kochen begann.

Während Abigail die Spaghetti aufaß, ging Roxanne in ihr Arbeitszimmer und schaltete den Fernseher an. Wie sie erwartet hatte, zeigten die Nachrichtenagenturen immer noch Szenen des Kampfes zwischen Megamind und Metro Man, obwohl es mittlerweile schon zehn Uhr war und sie den ganzen Tag nichts anderes gesendet hatten.

Roxanne verfolgte die Nachrichten aufmerksam, doch zu ihrer Erleichterung konnte sie keine Meldung über Abigail entdecken. Vermutlich würde die Polizei ihre Entdeckung erst morgen früh bekannt geben, was bedeutete, dass sie immer noch einen halben Tag Zeit hatte, sich auf die Massen an Journalisten vorzubereiten, die zweifelsohne versuchen würden, einen Blick auf Abigail zu erhaschen.

Doch das brachte ein neues Problem hervor: Ein fünfjähriges Mädchen konnte nicht alleine zuhause bleiben, auch wenn Abigail einen Minion hatte. Irgendjemand musste auf sie aufpassen, solange Roxanne bei der Arbeit war.

Wenn sie bloß wüsste, wie sie Minion erreichen konnte. Natürlich konnte sie sich auch einfach krank melden, bis sie eine Lösung gefunden hatte, aber ihr sträubten sich die Haare bei dem Gedanken, jemand anderes könnte über Abigail berichten und dabei irgendetwas sagen, dass ihrer Tochter schaden könnte.

"Mommy?"

Roxanne fuhr erschrocken hoch. "Abigail! Bist du mit deinem Essen fertig?"

Das Mädchen nickte. "Aber Smink hat mir zwei Fleischbälle stibitzt."

"Tss!" Empört plusterte Smink sich auf. "Ich habe mir die Fleischbälle genommen, nachdem Sie den Teller schon längst zur Seite gestellt hatten! Wenn überhaupt, dann habe ich verhindert, dass etwas weggeworfen werden muss."

Roxanne schmunzelte. "Schön, das wir das geklärt haben", meinte sie. "Wie wär's, wenn ihr zwei euch jetzt zu Bett begebt?"

"Ich habe keinen Schlafanzug!", protestierte Abigail und rieb sich die Augen. "In Straßenkleidung geht man nicht ins Bett. Hat Minion letztens zu Daddy gesagt."

Jetzt fing Roxanne an zu lachen. "Das sieht ihm ähnlich. Ich gebe dir einfach eines meiner T-Shirts, das kannst du dann als Nachthemd tragen."
 

Zehn Uhr abends war eine seltsame Zeit für eine Polizeibeamtin um einen Superschurken zu besuchen, fand Gefängnisdirektor Jonathan Warden.

Natürlich hatte die Polizei durchaus das Recht, "seine" Gefangenen zu verhören. Aber bei Megamind fand er das überraschend. Der Großteil der Polizeibeamten in Metro City hatte Angst vor dem exzentrischen Außerirdischen und überließen die Drecksarbeit dem Gefängnis und Metro Man.

"Es ist ungewöhnlich, dass sich ein Mitglied der Polizei in Megaminds Nähe traut", meinte Jonathan Warden, während sie die Gänge zum Verhörzimmer durchschritten. "Und ich hoffe, Ihnen ist klar, wie viel Aufwand es ist, ihn außerhalb seiner Zelle festzuhalten, Miss...?"

"Rebecca Jones", beantwortete die Polizistin die unausgesprochene Frage. "Und ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die Sie meinetwegen auf sich nehmen müssen. Aber es ist unausweichlich, dass ich mit ihm rede, Superschurke oder nicht."

Er schmunzelte. "Sie sind nicht von hier, oder?"

"Nein. Warum fragen Sie?"

"Tja, weil kein Polizist, der sein ganzes Leben hier gelebt hat, sich in seine Nähe traut, deshalb", erwiderte er amüsiert. "Es fällt uns sogar schwer, Personal für dieses Gefängnis zu finden, da die Leute wissen, dass er hier untergebracht ist."

Miss Jones schnaubte verächtlich. "Ja, ich habe auch schon mitbekommen, dass die Polizei in dieser Stadt einiges schleifen lässt. Allerdings glaube ich nicht, dass das allein aus Angst vor einem Superschurken ist."

Mr. Warden brummte zustimmend und öffnete die Tür zum Verhörzimmer.

Megamind saß bereits am Tisch, die Hände in Handschellen und zwei Gefängniswärter rechts und links neben sich.

"Guten Abend, Warden", grüßte er fröhlich. "Haben Sie mir Besuch mitgebracht?"

"Das ist kein Höflichkeitsbesuch, Mr. Mind!", sagte Miss Jones, bevor Mr. Warden überhaupt den Mund aufmachen konnte.

"Offensichtlich", erwiderte Megamind und hob seine Hände, damit seine Handschellen für jeden gut sichtbar waren. "Was wollen Sie von mir, Miss?"

"Nur ein paar kleine Fragen." Rebecca Jones setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber und sah ihn durchdringend an. "Zu einem Ihrer Geheimnisse."

Megamind verzog den Mund zu einem Grinsen. "Oh, wirklich?", fragte er und beugte sich lässig zu ihr herüber. "Glauben Sie denn, dass ich Ihnen dieses Geheimnis erzählen werde?"

"Oh, dieses Geheimnis kennen wir schon, Mr. Mind, keine Sorge."

Megamind sah sie misstrauisch an. "Worauf wollen Sie hinaus?"

Miss Jones zog ein Foto aus der Jackentasche und warf es vor ihm auf den Tisch. "Sie wissen doch sicher, wer das ist, oder?"

Auf dem Foto war ein kleines blauhäutiges Kind mit einem übergroßen kahlen Schädel zu sehen. Einem Unwissenden wäre an diesem Bild nichts Ungewöhnliches aufgefallen, doch Mr. Warden hatte so viele Jahre mit Megamind zugebracht, dass er fast sofort erkannte, dass das Kind auf dem Foto nicht Megamind sein konnte. Das Kind hatte Ähnlichkeit mit ihm, aber weder die Form der Augen noch des Mundes stimmten überein, auch wenn es dieselbe Augenfarbe hatte. Außerdem war Mr. Warden sich ziemlich sicher, dass es sich hierbei um ein Mädchen handelte, auch wenn er dafür nur die Latzhose als Hinweis hatte.

Und Megaminds Reaktion bestätigte seine Vermutung, dass das Kind nicht er selbst war. Beim Anblick des Bildes wurde er kreidebleich und er krallte die Finger an der Tischplatte fest, sodass seine Fingerknöchel hellblau hervortraten.

"Wer hat Ihnen das gegeben?", fragte er in einem Tonfall, den Mr. Warden so bei ihm noch nie gehört hatte, eiskalt und unheilverkündend.

Der Ton verfehlte seine Wirkung nicht. Miss Jones lehnte sich unter seinem Blick verunsichert zurück und die Wachleute machten einen Schritt rückwärts.

Nur Mr. Warden blieb, wo er war. So sehr ihn der plötzliche Stimmungsumschwung seines berüchtigsten Gefangenen auch beunruhigte, jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man in solch einer Situation keine Angst zeigen durfte.

Auch Rebecca Jones schien sich ein paar Augenblicke später daran erinnern, denn sie richtete sich kerzengerade auf und versuchte, Megaminds durchdringenden Blick so gut es ging standzuhalten.

"Wir haben das Mädchen in Ihrem Versteck gefunden, wo es sich gerade hinter einem Roboter zu verstecken versuchte", erklärte sie ihm kühl. "Wir haben sie gleich auf die Polizeiwache mitgenommen."

Megamind atmete schnaubend ein und aus, wobei er die Polizistin mit einem wütenden Blick fixierte. "Was...?", brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Was haben Sie mit Abigail gemacht?!" Sein Gesicht hatte einen violetten Farbton angenommen.

"Keine Sorge, sie wird in gute Hände kommen", meinte Miss Jones. "Schlimmer als bei Ihnen kann es nicht werden."

Bevor irgendjemand im Raum reagieren konnte, war Megamind aufgesprungen und hatte sie am Kragen gepackt. Er zog sie zu sich heran und zischte: "Wenn Abigail auch nur eine Wimper gekrümmt wird, werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen."

Im nächsten Moment hatten die Wachleute ihre Elektroschocker zur Hand genommen und ihn betäubt.

Während die Wachleute Megamind zurück in seine Zelle zogen, bedachte Mr. Warden die Polizistin mit einem missbilligenden Blick.

"Sie hätten ihn nicht so reizen sollen", sagte er. "Das ist das erste Mal, dass ich ihn so ausflippen sah."

Rebecca Jones rieb sich die Kehle. "Ich hätte nicht erwartet, dass er so eine Kraft hat."

"Haben Sie geglaubt, die Angst, die die Leute vor ihm haben, käme von nirgends her?" Mr. Warden schüttelte den Kopf. "Irgendwie muss er Metro Man ja standhalten können."

Er führte sie hinaus.

"Wer ist das Mädchen?", fragte er, als er sich von ihr verabschiedete. "Sie scheint ihm sehr wichtig zu sein."

"Wir vermuten, dass sie seine Tochter ist, auch wenn wir nicht wissen, welche Maßnahmen er vollzogen hat, um sie zu bekommen", erklärte Miss Jones. "Metro Man hat sich um einen Platz für die Kleine gekümmert."

"Sind Sie nur hierher gekommen, um ihm das zu sagen?", fragte Mr. Warden missbilligend. "Jetzt wird er ganz Metro City auf den Kopf stellen, um sie zu finden. Da hätten Sie auch gleich Minion filetieren können."

"Eigentlich hatte ich ihn fragen wollen, wer die Mutter des Kindes ist", meinte sie schulterzuckend. "Aber er hat mir ja keine Zeit gelassen."

Mit diesen Worten lief sie zu ihrem Wagen und fuhr davon.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SilverReader
2012-08-08T10:11:05+00:00 08.08.2012 12:11

Das ist wirklich.. wirklich mal ne geile Idee
ein geheimes Verhältnis mit Roxanne XD
Ich bin begeistert!

Dein Schreibstiel gefällt mir
Die Characterdastellung ist wirklich gut gelungen
und auch der Name der Tochter und deren Gehilfen ist wirklich gut gewählt XD
Hat mir spontan sehr sehr gut gefallen ^^

*sich jetzt über die Anderen Kapitel hermach*
Von:  SainzDeRouse
2011-12-09T22:33:46+00:00 09.12.2011 23:33
Hallo,

bin neu hier und habe vorhin deine Fanfic entdeckt,
und ich hoffe das du sie ganz schnell weiter schreibst. ^^
Das bis jetzt noch kein Review hier gelandet ist,
ist für mich gerade unverständlich.

Was mir vor allem gefällt ist die Ernsthaftigkeit deiner Geschichte,
und die "andere" Seite der Charaktere. Im Film ist es ja doch sehr lustig gehalten.
Es ist die erste FF die ich von dir gelesen habe, dein Stil gefällt mir sehr sehr gut, und natürlich werde ich noch die anderen lesen.
Eine Schande das es von Megamind nur so wenig FFs gibt. -.-
LG Sainz de Rouse


Zurück