Zum Inhalt der Seite

Ich lass dich nicht allein

Hab's geschafft! Die Fanfic ist hiermit abgeschlossen und ich hoffe euch gefällt das Ende --> LESEN ^___^
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wer weiß, was die mit dir anstellen

Also, das hier ist meine erste Fanfic:

Ich hoffe sie gefällt euch zumindest ein wenig. Ich merk selbst, dass ich ganz schön lange brauche um auf den Punkt zu kommen, aber ich kann gar nicht anders schreiben. Außerdem wär's ja auch langweilig, wenn ich sofort alles sagen würde. Und außerdem Betrug an meinem Stil und Betrug an den Charakteren ^_^

Also lest mal, wenn ich euch jetzt nicht abgeschreckt hab und schreibt mir nen paar Kommis. Wär nett mich darin nicht total runterzumachen (und wenn, nur mit guten Begründungen!)

Na dann wünsch ich mal viel Spaß ^.^
 

Ach ja: Mir gehören: Das Onsengrundstück, das Taxi, inklusive Fahrer, die Straßen zum Krankenhaus, das Krankenhaus, inklusive Empfangstussi, Securitymensch, Schwester, Ärztin und Patienten, das andere Taxi, inklusive Fahrer, die Straßen zum Hotel, das Hotel, inklusive Empfangsherr, Hoteldirektor und Fotographen, dann noch die Handlung selbst und die Idee, diese Charaktere dafür zu benutzen ^_^

Demnach könnt ihr euch ja auch denken, was mir nicht gehört und womit ich auch kein Geld verdiene ^,^''
 

Ich lass dich nicht allein
 

Kapitel 1: Wer weiß, was die mit dir anstellen
 

"Hey, das ist ja klasse hier!"

Man hörte Takao mal wieder durch den ganzen Raum und wahrscheinlich noch bis nach draußen, doch das schien ihm wie immer egal zu sein. Er hatte anscheinend seinen Spaß und wollte das auch allen anderen mitteilen.

Mit einem waghalsigen Sprung landete er in dem warmen Wasser der heißen Quelle. Dass er dabei Kyouju und Max, sowie alle anderen Badegäste, die sich zu ihrem Leidwesen in der Nähe aufgehalten hatten, vollkommen durchnässte, war ihm ebenfalls egal. Als er jedoch wieder auftauchte hielt er sich schmerzverzerrt den Bauch und meinte kleinlaut "Man, ist Wasser manchmal hart."

"Hoffentlich hat es ordentlich weh getan", dachte Kai, der sich in sicherer Entfernung noch am Eingang aufgehalten hatte. Da Takao sich vorerst beruhigt zu haben schien, wagte er sich nun etwas näher heran und betrachtete still das dampfende Wasser, während er gemächlich auf die anderen zuschritt. Er war halb um das Becken gegangen, als er zu der Stelle kam, an der Takao sich mittlerweile am Beckenrand niedergelassen hatte. Er hatte nur noch ein Handtuch auf dem Kopf und sonst nichts mehr an, wohingegen Kai noch den Yukata¹ trug, den man beim Besuch des Onsens² kostenlos leihen konnte.

Er hatte fast geahnt, dass schon in den nächsten Sekunden Takao nach ihm greifen und versuchen würde, ihn in voller Montur in das heiße Wasser zu ziehen. Und doch war er recht überrascht, als Takao tatsächlich den Mut besaß sich am Beckenrand hochzustemmen und nach seinem Arm zu greifen. Kai blickte ihn - wie immer, wenn er eine derartige Aktion brachte - vernichtend an und versuchte seinen Griff zu lockern. Er war auch insofern erfolgreich, dass Takaos Hand immerhin von seinem Arm abrutschte und sich nur noch in den Ärmel des Yukatas krallte, während er lautstark gegen Kais Versuche sich zu wehren protestierte.

"Kai, das hier ist ein Onsen. Hier badet man und sitzt nicht nur rum und beobachtet das Wasser und die anderen Badegäste! Nun komm freiwillig ins Wasser oder ich muss dich reinziehen!"

Jetzt hatte es garantiert auch der letzte Mensch in diesem Bad gehört. Kyoujyu versuchte schon wegen der neugierigen und teilweise verärgerten Blicke abzutauchen, während Max sich hinter Takao aufgestellt hatte und ihm verstehend zunickte, auch wenn dieser das gar nicht sah. Rei war erst in diesem Augenblick am Eingang zum Baderaum aufgetaucht und schaute leicht verwirrt in die Runde.

Kai hingegen, der bis jetzt kein Wort gesprochen hatte, wandte sich Takao zu, warf ihm einen warnenden Blick zu und sagte leise, aber drohend "Lass mich los."

Takao schien diese Drohung nicht im Geringsten zu beeindrucken - zumindest äußerlich. Er lächelte Kai herausfordernd an und verstärkte seinen Griff in den Yukata. Während er Kai weiter nach unten zog, sagte er ebenso leise wie dieser zuvor "Komm baden."

Da Kai jedoch - allein schon weil Takao in dazu zwingen wollte - keine Lust hatte jetzt ins Wasser zu gehen (schon gar nicht mit Klamotten), richtete er sich wieder auf und stand, herablassend auf Takao hinunterblickend, am Beckenrand, während dieser nur noch halb im Wasser an seinem Ärmel hing. Ein kühles Lächeln setzte sich auf sein Gesicht, als Takao es endlich geschafft hatte zu ihm aufzusehen. Daraufhin lief er los. Den ersten Schritt zog er ihn mit sich. Den zweiten auch noch. Doch dann fand Takao den Halt, den er gesucht hatte.

Er stieß sich mit den Füßen kraftvoll von der Wand ab und zog Kai, der dies nicht erwartet hatte, hinter sich her. Die Badegäste waren nun vollends auf die Beiden aufmerksam geworden und beobachteten mit Erstaunen, wie Kai in der Luft einen Salto schlug, woraufhin Takao seinen Arm losließ und Kai auf der anderen Beckenseite aufkam, ohne das Wasser auch nur gestreift zu haben.
 

Er hatte sich im letzten Moment vom Beckenrand abstoßen können, sodass er genug Schwung für diesen Sprung gehabt hatte, doch war er dann doch nicht so gelungen, wie Kai sich das vorgestellt hatte: Er kam zwar mit dem rechten Fuß auf der anderen Beckenseite auf, landete aber anscheinend so unglücklich, dass ein lautes Knacken zu hören war und sich ein unbeschreiblicher Schmerz in seinem ganzen Körper ausbreitete. Sein Fuß knickte weg und er verlor das Gleichgewicht, sodass er nach hinten ins Wasser stürzen würde.

Weder die entsetzten Schreie der Gäste, noch die Rufe seiner Teamkameraden nahm er mehr wahr, während er wie in Zeitlupe nach hinten kippte. Der Schmerz benebelte sein Bewusstsein und doch streckte er reflexartig eine Hand aus, als er am Rand seines Blickfeldes Rei auf sich zustürmen sah. Dieser war vom Eingang aus losgesprintet und hielt ihm während des Laufens seinerseits eine Hand entgegen. Sein Gesicht spiegelte Sorge und gleichzeitig den Willen seinen Freund noch zu erreichen.

Und tatsächlich schaffte er es. Seine Fingerspitzen berührten die des Stürzenden, doch Kai war schon zu weit über dem Wasser, als dass Rei in der Lage gewesen wäre ihn zurückzuziehen, selbst wenn er seine ganze Hand zu fassen bekommen hätte. Doch anstatt am Beckenrand stehen zu bleiben und nach Kai ins Becken zu springen, stieß Rei sich noch ab, um seine Hand zu greifen. Einen kurzen Moment schienen Beide in dieser Position zu schweben - Rei noch mit einem Fuß am Boden, Kai nur knapp über der Wasseroberfläche und ihre beiden Arme leicht angewinkelt, die Hände einander greifend, als ob sie sich gegenseitig zueinander ziehen wollten - bevor sie zusammen unter den Schreien der Zuschauer ins Wasser eintauchten.

Das Becken war nicht sehr tief und so prallten beide auf den Steinboden. Rei, durch den Aufschlag aus seiner Starre gerissen, öffnete noch unter Wasser die Augen. Er sah Kai, wie dieser mit ebenfalls geöffneten Augen reglos nah über dem Boden trieb. Er hatte Arme und Beine leicht angewinkelt, sodass klar war, dass er sie im Moment nicht anspannte, sondern sich nur treiben ließ. Rei konnte nicht umhin den anscheinend zufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht festzustellen. Nichts von dem grimmigen Äußeren war geblieben. Auch war nicht die Überraschung zu sehen, die sich auf seinen Zügen gespiegelt hatte, als er nach hinten gefallen war. Es stand sogar ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht, was Rei fast etwas irritierte.

Nachdem er ihn einige Sekunden erstaunt betrachtet hatte, meldeten sich seine Lungen und befahlen ihm endlich aufzutauchen. Also stemmte er sich mit den Füßen gegen den Boden und stieß sich ab. Er durchbrach die Wasseroberfläche begleitet von den erneuten Schreien der Zuschauer und schnappte nach Luft. Schlagartig wurde ihm bewusst, wie still es unter Wasser gewesen war. Eine angenehme Stille im Gegensatz zu dem Lärm, der ihn hier oben empfangen hatte.

Er konnte demnach durchaus nachvollziehen, dass Kai es vorzog vorerst in dieser Stille zu bleiben - wo er doch auch bekannt dafür war, die Ruhe mehr als die Aufregung zu schätzen. Doch als er herabblickte und Kai immer noch keinerlei Regung zeigte, sondern nur unter Wasser zu schweben schien, machte sich Rei langsam Sorgen.
 

Erst als er den Entschluss gefasst hatte, Kai selbst hochzuziehen, bemerkte er, dass er die ganze Zeit seine Hand gehalten hatte. Er zog leicht an dem schwimmenden Körper, merkte jedoch, dass er es wohl so nicht fertig bringen würde, ihn an die Oberfläche zu befördern. Langsam wich die Sorge schierer Angst und hektisch tauchte er unter noch bevor er überhaupt Luft geholt hatte. Noch während er sich mit dem reglosen Körper wieder aufrichtete, legte er Kais Arm über seine Schulter und seinen eigenen Arm um Kais Hüfte, um ihn stützen zu können.

Wieder durchbrachen sie gleichzeitig die Wasseroberfläche und Rei schnappte nach Luft, während Kai nicht die geringsten Anstalten machte überhaupt zu Atmen. Er hing einfach schlaff über Reis Schulter und erst als dieser seinen Körper kräftig schüttelte und sein Gesicht anhob, begannen seine Augen zumindest wieder ein kleines Anzeichen von Leben zu zeigen. Sie glitten über Reis Hand unter seinem Kinn, den Arm entlang und hinauf zu seinem panisch aussehenden Gesicht. Erst Reis angsterfüllte Augen schienen Kai wieder daran zu erinnern, dass er eventuell mal anfangen könnte Luft zu holen. Hektisch sog er die relativ frische Luft ein.

Langsam schien auch sein Bewusstsein wieder zurückzukehren. Er stützte einen Teil seines Gewichtes auf den unverletzten linken Fuß und blickte sich um, während er sich leicht aufrichtete. Die Blicke all der Gäste waren ihm überaus unangenehm, besonders weil er nicht mehr so genau wusste, warum sie ihn alle so besorgt ansahen. Auch Takao, Max und Kyoujyu standen wie angewurzelt im immer noch unruhigen Wasser und blickten ihn ungläubig und schuldvoll an.

Zögernd kam nun die Erinnerung an das eben Geschehene zurück. Er war vom Beckenrand abgerutscht und doch noch mit seinen Klamotten in das Onsen gestürzt - was Takao doch eigentlich hätte freuen müssen. Kai verstand dann seinen schuldvollen Blick nicht ganz. Es war nun wirklich nicht Takaos Art sich für irgendetwas zu entschuldigen, schon gar nicht, wenn es ihm eigentlich solchen Spaß bereiten sollte.
 

Während er mit diesen Widersprüchen beschäftigt war, begann Rei ihn wieder auf seine Schulter hochzuziehen, um ihn zu Beckenrand tragen zu können. Erst jetzt bemerkte Kai, wie nah ihm Rei eigentlich war. Und auch erst jetzt wurde ihm klar, dass Rei ihn angesprochen hatte, während er seinen Gedanken nachgehangen war. Nur hatte er nicht die geringste Ahnung, was er wohl gesagt haben mochte. Da er jedoch meinte, sein Bewusstsein nun wieder unter Kontrolle zu haben, setzte er den unverletzten Fuß, der durch Reis Bewegung vom Boden weggezogen worden war, wieder auf und verlagerte sein Gewicht auf diesen. Er zog den Arm, der über Reis Schulter lag zurück, während er einen Schritt nach vorn begann.

"Lass mich. Ich kann auch allei..."

Sein rechter Fuß hatte in diesem Moment den Boden berührt und schon ein Minimum seines eigenen Gewichtes hatte einen solchen Schmerz ausgelöst, dass es Kai schier die Luft nahm. Obwohl das Wasser seinen Körper ebenso trug, wie auch Rei, dessen Hand noch an seiner Hüfte lag und ihn so stützte, hatte dieser Bruchteil an Belastung vollkommen ausgereicht, um Kai beinahe wieder das Bewusstsein zu rauben. Er krallte die Hand, die noch immer um Reis Hals lag, weil er nicht weit genug gekommen war, um sich ganz von ihm zu lösen, in dessen Schulter und führte die freie Hand an Reis Körper entlang hoch zu dem Kragen seines Yukatas, um sich dort in dem Stoff festzukrallen, damit er sich wenigstens über Wasser halten konnte.

Rei wiederum hatte zwar erwartet, dass Kai auf eigenen Füßen nicht weit kommen würde; dass es so sehr schmerzte, hatte er jedoch nicht gedacht, besonders weil es Kai war, der sich hier vor unerträglichem Schmerz in seinen Armen krümmte. Der Kai, der sonst immer so hart tat und alles ohne Worte ertrug. Wenn er genau nachdachte, hatte er Kai eigentlich noch nie Schmerz zeigen sehen, was bedeutete, dass diese Schmerzen für jeden Normalsterblichen mindestens zur Bewusstlosigkeit geführt hätten. Bewunderung breitete sich in seinen Gedanken aus, während er seinerseits versuchte, die Schmerzen zu ertragen, die die in seine Schulter gekrallte Hand verursachte. So gut es ging versuchte er Kai zu stützen und ihn davon abzuhalten sich so weit zu krümmen, dass sein Mund wieder unter Wasser kam.

Einige quälende Sekunden verharrte Kai in dieser Position, bevor sich sein Körper zögernd wieder entspannte, während er sein Gewicht nun auf Rei liegen ließ. Noch leicht benebelt blickte er zu ihm auf, nachdem Rei ihn wieder in eine halbwegs aufrechte Position gebracht hatte. Dieser lächelte ihm zu und meinte, nicht wie Kai eigentlich erwartet hatte ironisch "Tja, soviel zu 'das kann ich auch allein', was?", sondern sagte nur wohlwollend "Ich helfe dir, ja?"

Kai war immer noch nicht begeistert von der Idee sich tragen zu lassen, doch ließ er es die ersten paar Schritte einfach geschehen, auch weil seine eigenen Sinne noch nicht ganz funktionsbereit waren. Da sie jedoch schon nach wenigen Schritten an der kleinen Ausstiegstreppe angelangt waren und Rei Anstalten machte, Kai auch noch außerhalb des Wassers zu tragen, waren sie auffallend schnell wieder funktionsfähig.

Er trat mit dem gesunden Fuß auf, langte mit der einen Hand nach dem Geländer und wollte auch die andere Hand von Reis Schulter ziehen, als dieser sie festhielt. Etwas vorwurfsvoll sah dieser ihn an und sagte in eben einem solchen Ton leise "Kai", was jedoch bei ihm immer noch freundlich klang. Er trat einen Schritt näher an ihn heran, ging leicht in die Knie und versuchte sacht Kai wieder an sich zu ziehen, während er leise und beruhigend zu ihm sprach:

"Kai. Bitte. Du hast doch gesehen, dass du nicht mal mit der Hälfte deines Gewichtes auch nur leicht auftreten kannst. Wie willst du denn da außerhalb des Wassers laufen? Komm, ich trag dich."

Als Kai ihn immer noch vollkommen verständnislos anblickte, setzte er hinzu, dass es nötig sei, so schnell wie möglich den Fuß zu kühlen und ihn ins Krankenhaus zu bringen.
 

Es waren weniger die Worte, die Kai dazu brachten sich zumindest nicht mehr zu wehren, als vielmehr die Art, in der Rei sie aussprach und die Art, wie er ihn währenddessen ansah. Er machte zwar keinerlei Anstalten Rei dabei zu helfen seinen Körper auf den Rücken des Anderen zu hieven, doch zumindest leistete er auch keinen Widerstand mehr. Allerdings konnte er es doch nicht lassen sich zumindest noch an dem Geländer des Ausstiegs festzuhalten, während Rei ihn aus dem Wasser trug.

Dieser, als er endlich die paar Stufen hinaufgekommen war, ächzte unter der Last, die er nun zu tragen hatte. Er hatte nicht bedacht, dass sowohl er als auch Kai noch Yukatas trugen und dass der Stoff so voll gesogen mit Wasser doch recht schwer war - um nicht zu sagen verdammt schwer. Trotzdem gelang es ihm noch während er lief Takao seine Befehle über die immer lauter werdenden Badegäste hinweg zuzurufen.

"Hey Takao, ruf uns ein Taxi. Sag wir zahlen den doppelten Preis, wenn das Taxi in 2 Minuten hier ist und uns schnellstens ins Krankenhaus bringt!"

"Wieso dann nicht sofort ein Krankenwagen?! Das wär doch viel praktischer und schneller auch."

"Es ist keine offene Wunde, also ist er nicht in Lebensgefahr. Wir würden nur wirklichen Notfällen die Hilfe wegnehmen! Und jetzt geh endlich!"

Schon rauschte er davon, sodass die anderen Leute ihm hastig Platz machen mussten. Rei war unterdessen mit Kai am Eiswasserbecken angelangt. Es war nicht wirklich eiskalt, hatte aber doch eine erheblich kühlere Temperatur als die übrigen Becken. Vorsichtig setzte er Kai ab und beförderte seinen rechten Fuß in das kalte Wasser. Dieser sog die Luft geräuschvoll zwischen seinen Zähnen hindurch ein, gab jedoch sonst keinen Schmerzens- oder Ärgernislaut von sich. Rei sah allerdings, dass sich seine Hand um das dortige Geländer krampfte und er außerdem nervös zu den umstehenden Leuten sah. Er konnte förmlich spüren, wie unangenehm Kai diese Situation war. Bevor er sich also zu ihm hinunterkniete, verscheuchte er mit energischen Gesten und sogar einigen Flüchen die neugierigen Badegäste.

Manche der Ausdrücke, mit denen Rei dort um sich warf, hatte ihm Kai beim besten Willen nicht zugetraut, und selbst Rei schien überrascht, als er sich nach der Aktion neben ihn setzte. Es ließ sich jedoch nicht leugnen, dass sie ihren Zweck voll und ganz erfüllt hatte. Die Leute waren gegangen. Einige blickten zwar noch aus einiger Entfernung in ihre Richtung, aber die meisten waren wieder mit ihren eigenen Bedürfnissen beschäftigt, wobei einzelne sogar eingeschüchtert gewirkt hatten, als sie abgezogen waren.

Kai konnte sich ein flüchtiges Grinsen darüber und über Reis Reaktion auf diesen unerwarteten Erfolg einfach nicht verkneifen. Als dieser es bemerkte und eine Erklärung verlangte, winkte er jedoch nur schnell ab. Daraufhin rief Rei Max zu sich und bat ihn sein Portemonnaie aus dem Spind zu holen. Kai wollte noch hinterher rufen, dass er seines auch bräuchte, doch als der sich halb umdrehte, stieß er mit dem Fuß an das Treppengeländer, sodass es ihm die Luft nahm.

Rei hatte den erneuten Schmerz in Kais Gesicht bemerkt und meinte sofort "Nicht bewegen!"

"Meinst du, ich mach das absichtlich?", presste Kai zwischen den Lippen hervor. "Ich kann Schmerz ertragen, aber das heißt nicht, dass ich darauf stehe."

"Das meinte ich auch nicht", sagte Rei besänftigend. "Ich hab ihn extra nur mein Geld holen geschickt, falls du ihm nachrufen wolltest, er solle auch deines mitbringen."

"Ich kann es mir im Gegensatz zu dir aber leisten, den doppelten Preis für ein Taxi hinzublättern. Also..."

"Mittlerweile bin ich auch nicht mehr so mittellos, wie du vielleicht meinst. Auch ich hab was von dem Geld gesehen, dass so ein Sieg bei einer Meisterschaft bringt. Außerdem bist du doch der Verletzte, da musst du nicht auch noch das Taxi bezahlen, klar?"

Kai schien das alles nicht so ganz klar zu sein, doch sagte er nichts mehr dazu, sondern konzentrierte sich auf seinen inzwischen ziemlich kalten Fuß. Zu Anfang war die Kälte noch angenehm gewesen, da sie den Schmerz betäubte, doch jetzt erzeugte sie selbst einen stechenden Schmerz, der sich sein Bein hoch fraß. Er setzte dazu an es aus dem Becken zu ziehen, doch Rei schien schon vorher gewusst zu haben, was er vorhatte und drückte sein Knie zurück ins Wasser.

"Wirst du wohl den Fuß dadrin lassen?! Du musst ihn kühlen, damit er nicht zu stark anschwillt. Es ist zwar kein offener Bruch, aber trotzdem nicht unbedingt angenehm kann ich mir vorstellen. Und außerdem kann der Arzt nachher vor lauter Schwellung nichts mehr feststellen..."

"Der brauch nichts festzustellen. Und es ist kein Bruch. Die Bänder sind gerissen, schätze ich. Ein Bruch fühlt sich anders an."

"Oh, bist du da Experte, oder was?"

Sofort wusste Rei, dass er das nicht hätte sagen sollen, vor allem nicht in einem solchen Ton. Kais Gesicht verfinsterte sich und er versuchte erneut, sein Bein aus dem Wasser zu ziehen.

"Bitte Kai, lass den Fuß doch noch im Wasser. Nur bis das Taxi kommt."

"Hör mal, man legt abgetrennte Gliedmaßen auf Eis, damit man sie eventuell später wieder annähen kann, aber ich hab mir den Fuß nicht abgesäbelt. Wenn mein Bein noch länger in diesem Wasser bleibt, brauchen wir nur noch ins Krankenhaus, damit sie es ganz abnehmen."

"Aber die Schwellung..."

"Scheiß auf die Schwellung. Erstens wird die schon nicht so schlimm sein und zweitens werden die Ärzte da sowieso nicht viel untersuchen, sondern mir bloß nen Verband in die Hand drücken und sagen ich soll in ein paar Wochen noch mal vorbeischauen, damit sie in ihre Akten schreiben können 'Juchhu, wieder ein Patient erfolgreich ohne unser Zutun geheilt'. Wenn du so viel Spaß an eiskaltem Wasser hast, kannst du gerne deine Füße da rein halten."

Die kleine Ansprache hatte Rei überzeugt, wenn auch weniger durch die Worte, als durch den Ausdruck in Kais Augen. Die Kälte schien ihm tatsächlich weh zu tun. Also entschied er sich ihm dabei zu helfen seinen Fuß aus dem Becken zu heben. Kai jedoch schien es ziemlich eilig zu haben, denn er stand schon kurz darauf wieder auf seinem unverletzten Bein. Rei neben ihm umfasste seine Hüfte, um ihn zumindest zu stützen und fühlte sich nun vollends in seiner Entscheidung, den Fuß nicht weiter zu kühlen, bestätigt. Kais Zehen waren schon leicht bläulich, sein Bein zitterte und sein schmerzverzerrtes Gesicht sagte Rei, dass die Kälte Kai wirklich gequält hatte. Er hatte fast Schuldgefühle, weil er ihn gezwungen hatte, den Fuß im Wasser zu lassen. Entschuldigend blickte er Kai an, doch dessen Gesicht zeigte keine Regung.

Wie um zu zeigen, dass er Reis Entschuldigung dennoch annahm, legte Kai seinen Arm um Reis Schulter, damit dieser ihn stützen konnte. Natürlich wäre es auch möglich, dass dies nur geschah, weil er wirklich nicht mehr genug Kraft besaß, um allein auf einem Bein stehen zu können, doch da es sich hier um Kai handelte, der dafür bekannt war, seinen Stolz wirklich bis zum Äußersten zu verteidigen, was auch hieß keinerlei Schwäche zu zeigen, und weil Reis Lebenseinstellung der pure Optimismus war, nahm er einfach mal an, Kai hätte seine Entschuldigung akzeptiert.
 

Reis leises Lächeln darüber sahen jedoch weder Kai noch Takao, der in diesem Moment vom Eingang her angerannt kam und ihnen wild mit den Armen herumfuchtelnd zurief, das Taxi sei sofort da. Schon wollte Kai loshüpfen, als er sanft von Rei zurückgehalten wurde. Er bedeutete ihm, er solle auf seinen Rücken steigen, doch war allein der Gedanke daran Kai zuwider. Er konnte sich nicht schon wieder wie ein kleines Kind tragen lassen. Schon gar nicht in aller Öffentlichkeit, erst Recht nicht vor Takao und ganz bestimmt nicht von Rei.

Er nahm den Arm von Reis Schulter und wollte allein los, als auch noch Takao auf ihn zukam. Dieser versuchte tatsächlich ihn zu stützen, was für ihn wiederum damit endete, dass er schon im nächsten Moment in dem Eiswasserbecken landete.

Lauthals protestierend tauchte er wieder auf und mühte sich aus dem Wasser zu kommen, während Rei Kais Schadenfreude und daraus folgende Unaufmerksamkeit dazu nutzte ihn schnell Huckepack zu nehmen. Vollkommen überrumpelt fand sich Kai im nächsten Moment schon in der Eingangshalle wieder, wo die neu angekommenen Gäste die zwei triefnassen jungen Männer, die anscheinend ein lustiges Spiel zu spielen schienen, neugierig beobachteten, was Kai ebenfalls missfiel.

Rei hingegen schien die Aufmerksamkeit nicht besonders zu stören, denn er ging geradewegs quer durch die Halle auf das große Eingangsportal zu, ohne auch nur einen Blick auf die Umstehenden zu werfen. Kai flüsterte ihm in einem doch ernst zu nehmenden Ton ins Ohr, er solle ihn runterlassen, doch Rei kümmerte sich wenig um den Einwand, während er auf Max zulief, der seine Geldbörse in der Hand hielt.

"Ach Kai, du weißt, dass du nicht laufen kannst, also halt jetzt endlich den Mund und lass mich dich tragen, ohne dass du die ganze Zeit meckerst. Du sitzt ja gleich im Wagen, da sieht dich keiner mehr."

Während Rei Max erklärte, dass er mit Kai ins Krankenhaus fahren würde und die anderen inzwischen zurück ins Hotel gehen und ja ihre Sachen mitnehmen sollten, hing Kai seinen Gedanken nach. Er hatte nie darüber nachgedacht, doch schien Rei ihn doch besser zu kennen, als er gedacht hatte. Er hatte genau gewusst, was ihn daran störte getragen zu werden. Komischerweise war das Kai ausnahmsweise mal nicht unangenehm.

Sein Blick ins Leere wurde jedoch schlagartig wieder klar, als er vor der Tür ein Auto mit quietschenden Bremsen zum Stehen kommen hörte. Schon im nächsten Moment setzte sich Rei in Bewegung. Max öffnete ihnen das große Portal und sie traten hinaus in eine Kälte, die Kai selbst in der Abtei im tiefsten Russland noch nicht erlebt hatte. Natürlich lag es mehr an ihren nassen Klamotten, als an der tatsächlichen Temperatur, doch verschlug es sowohl Kai als auch Rei im ersten Moment glatt den Atem.
 

Immer noch barfuss tapste Rei über den kalten Steinboden zu dem Taxi hin. Er öffnete, mit Kai noch auf seinem Rücken, die hintere Tür auf der Beifahrerseite und setzte ihn vorsichtig ab. Der Boden war fast noch kälter als die Luft, fand Kai. Schnell und etwas unachtsam ließ er sich auf die Rückbank fallen, stieß sich dabei den Kopf und wurde - mal wieder - von Rei ermahnt, er solle doch bitte vorsichtiger sein, wenn er schon verletzt war. Er ließ sein berühmtes "hmm" hören und setzte sich gerade auf den Sitz.

"Nun rück schon! Hinterherlaufen tu ich dir nicht!"

Schon hatte Rei begonnen ihn zur Seite zu schieben. Etwas perplex ließ Kai das einige Sekunden mit sich machen, doch dann stemmte er sich gegen Rei und sah in herausfordernd an.

"Du willst doch nicht etwa mitfahren..."

"Natürlich fahr' ich mit! Was hast du denn gedacht? Ich lass dich doch nicht allein ins Krankenhaus. Wer weiß, was die Ärzte mit dir anstellen?!"

Kai musste sich selbst eingestehen, dass das ziemlich überzeugt geklungen hatte und er musste sich ebenfalls eingestehen, dass es ihn freute, dass Rei ihn begleiten wollte. Trotzdem setzte er zu einem Widerspruch an, während Rei wieder begann ihn auf die andere Seite des Wagens zu drücken.

"Ich bin doch kein kleines Kind. Du brauchst nicht mitzukommen. Ich ...argh"

Rei hatte es geschafft ihn zu bewegen und Kai hatte sich dabei den Fuß gegen den Sitz gehauen. Heftig krallte sich seine Hand, mit der er vorher versucht hatte den anderen von sich fernzuhalten, in dessen Kragen. Als Rei bemerkte, dass er ihm schon wieder weh getan hatte, wich sein ehemals ehrgeiziger Blick wieder einem sorgenvollen, mit dem er Kai ansah, während er die Hand hielt, die sich so hartnäckig an seiner Kleidung festhielt.

Als sich die Spannung etwas löste, entschuldigte sich Rei förmlich bei ihm, schloss die Wagentür und ging hinüber auf die andere Seite. Er stieg ein, vermied es jedoch seinen Nachbarn anzublicken, sondern sprach stattdessen mit dem Fahrer über ihren Zielort. Er sagte ihm auch, er würde ihm das Doppelte bezahlen, wenn sie innerhalb von 10 Minuten vor dem Krankenhaus standen und so setzte sich der Wagen nicht unbedingt langsam in Bewegung.

Während der ersten Minuten schwiegen sich die beiden Fahrgäste zwar an, doch beobachtete Rei Kai und Kai Rei, wenn der jeweilige gerade nicht ihn beobachtete.
 

¹Yukata = ein leichter Sommer- oder Badekimono

²Onsen = ein Badehaus (meist mit heißen Quellen)
 

So das war's erst mal ^.^ ich mach so schnell es geht weiter (hoffe ich ^,^')

*selber gespannt bin, wie's weitergeht*

also denne ciaoi

tenshi

Wer weiß, was dir geschehen wäre

Kapitel 2: Wer weiß, was dir geschehen wäre
 

Natürlich trafen sich unausweichlich nach einiger Zeit ihre Blicke, woraufhin beide scheu schnell woanders hinschauten. Wiederum herrschte einige Zeit Schweigen, das überraschenderweise Kai nach einer Weile durchbrach.

"Wieso hast du das getan?"

Verunsichert blickte Rei ihn an. Machte er ihm jetzt wegen dem Stoß von vorhin Vorwürfe? Aber der Ton in seiner Stimme war so anders. Nicht so, wie er sonst immer sprach. Es war nichts von dem normalen, leicht bedrohlichen Ton in seiner Stimme, den sie immer besaß, wenn er zum Beispiel mit Takao stritt, oder wenn er mal einen seiner Ratschläge gab.

Auch die Frage an sich war gar nicht Kais Art. Er fragte nicht nach dem "warum?" einer Handlung. Er nahm wahr und nahm hin, was geschah, machte sich vielleicht auch Gedanken über das Geschehene, aber er sprach nicht darüber, schon gar nicht über die Gründe eines Ereignisses. Er nannte ja auch nie seine Gründe für eine bestimmte Handlung, also fragte er auch nicht nach denen anderer Leute.

Der Gesichtsausdruck auf Kais Gesicht, den er erst bemerkte, als er sich von dem ersten Erstaunen gelöst hatte und in der Lage war, sich zu Kai hinzudrehen, verwirrte ihn noch um einiges mehr. Er hatte sich zwar ebenso zu Rei hingedreht, doch waren seine Augen gesenkt und schauten stur auf den mittleren Sitz zwischen ihnen. Seine Wangen waren leicht rötlich, was aber auch daran lag, dass es immer noch sehr kalt war in den nassen Klamotten - Rei ging es nicht anders - und doch fand er etwas in seinen Augen, das er dort noch nie gesehen und auch nie erwartet hätte, als Kai in einem Anflug von Selbstachtung wieder stolz zu ihm aufblickte.

Selbst der Stolz konnte es - zumindest nicht ganz - verdecken und nun wusste Rei auch den Ton in seiner Stimme und die Frage selbst zu deuten. Das, was er in Kais Augen entdeckt hatte, war Unsicherheit.

Noch immer etwas irritiert - und weil ihm auch grad nichts anderes einfiel - entschuldigte er sich noch einmal bei Kai.

"Es tut mir ehrlich Leid, dass ich dir vorhin wehgetan hab'. Ich wollte nicht, dass du dir den Fuß stößt, wirklich. Entschuldigung." Schuldbewusst - aber auch noch aus einem anderen Grund - senkte nun er den Blick auf den Sitz zwischen ihnen. Er hätte Kai offen angelächelt, hätte er ihn weiter ansehen müssen. Es war so untypisch für den sonst so 'harten Kerl' unsicher zu sein, dass es Rei einfach zum Lächeln brachte. Und Kai sah dabei mit den leicht roten Wangen auch noch so süß aus.

"Das meinte ich nicht", entgegnete er harsch. Doch schon im nächsten Moment schien er zu bedauern, dass er einen solchen Ton angeschlagen hatte. Entschuldigend setzte er rasch hinzu, dass er Rei deshalb nicht böse sei.

Dieser hatte sich nun wieder etwas gefangen und war fähig, Kai wieder anzusehen, ohne gleich den Reflex unterdrücken zu müssen, ihm durch die Haare zu wuscheln, die immer noch nass an seinem Kopf herunterhingen und ihn weniger wild erscheinen ließen.

"Was ist denn dann?"

Kai hatte zwar erwartet, dass er diese Frage gestellt bekommen würde - schließlich hatte er ja angefangen zu reden, was er jetzt schon wieder leicht bedauerte - doch überraschte ihn einmal mehr die Art, in der Rei sie stellte. Seine Stimme klang so sanft, als wolle sie ihm zeigen, dass, egal was er sagte, Rei ihn nicht verurteilen würde. Zu seinem eigenen Erstaunen hörte sich Kai kurze Zeit später selbst und ohne weitere Aufforderung Reis sprechen.

"Ich meinte vorhin, als ich ins Wasser gefallen bin." Zögernd senkte er wieder seinen Blick. Vielleicht würde Rei ja allein darauf kommen, was er meinte - was natürlich nicht der Fall war.

"Tut mir Leid, ich verstehe nicht. Meinst du, dass wir uns erst hätten umziehen sollen? Stimmt eigentlich, wir machen das ganze Auto nass..."

Wie aufs Stichwort machte der Wagen einen groben Schlenker - wahrscheinlich quer über die drei Fahrstreifen - als der Fahrer sich entsetzt herumdrehte. Zum ersten Mal seit sie eingestiegen waren, meldete er sich zu Wort. Ein starker Dialekt prägte die folgenden Flüche, die er ihnen entgegenkreischte.

"Was meint ihr? 'Ganze Auto nass?' Ihr wahnsinnig? Das Ledersitze! Die teuer! Boss mich..."

Viel weiter kam er nicht. Kais Gesichtsausdruck, war wieder dem Bedrohlichen gewichen. Warnend starrte er den Mann, der sich notgedrungen wieder mehr oder weniger auf den Verkehr konzentrierte, durch den Rückspiegel an und sagte drohend, er solle sich gefälligst um seinen eigenen Kram kümmern und seine Fahrgäste nicht unterbrechen, wenn sie sich unterhielten.

"Außerdem bezahlen wir, wenn Sie schnell genug sind und uns nicht zu Schrott fahren, sogar das Doppelte. Also beeilen Sie sich lieber, anstatt sich hier einzumischen, verstanden?"

Etwas verängstigt sah der Mann noch kurz in die leuchtend roten Augen, die ihn so durchdringend ansahen, bevor er sich wieder komplett dem Fahren widmete und mit einer erneuten waghalsigen Aktion zurück auf den Fahrstreifen wechselte, von dem sie gekommen waren.

Kai wandte sich wieder Rei zu, der die ganze Szene ruhig beobachtet und wieder ein leichtes Lächeln auf den Lippen hatte, doch war die Unsicherheit komplett aus seinen Gesichtszügen verschwunden. Er atmete geräuschvoll aus und schloss für einen Moment die Augen um wieder runterzukommen.

Rei tat währenddessen nichts als ihn anzusehen, doch auch als dieser ihn wieder direkt anschaute, war sein Blick fest und fast herausfordernd. Er holte noch einmal tief Luft und begann dann zu sprechen, wobei Rei in seiner Stimme jedoch wieder diesen besonderen Ton zu hören glaubte.

"Nein", sagte er ruhig "das meinte ich auch nicht." Wieder zögerte er einen Augenblick, senkte die Augen und holte nochmals Luft. "Du bist zu mir hingerannt. Als ich fiel. Du wolltest mich festhalten. Zurückziehen, wenn möglich..."

"Ja natürlich wollte ich das. Du hast Takao klar gemacht, dass du nicht ins Wasser wolltest, schon gar nicht in voller Montur, nehme ich an, aber der Idiot hat das mal wieder nicht verstehen wollen. Ich wollte dich auffangen..."

Nun war es Rei der zögerte das Folgende zu sagen.

"Außerdem... du hattest geschrieen. Und es hatte laut geknackt, als du mit dem Fuß am Beckenrand aufgekommen warst. Ich wusste, dass du dich verletzt hattest. Und dass es ziemlich schlimm sein musste. Du schreist nicht vor Schmerz, Kai. Zu zeigst ihn überhaupt nicht. Aber da hattest du geschrieen. Der Schmerz muss dir alle Sinne geraubt haben... Ich wollte dich so nicht ins Wasser fallen lassen. Wer weiß, was dir da noch geschehen wäre."

Schon seit dem 'Außerdem' hatte Kai wieder aufgeschaut. Und er blickte Rei auch jetzt noch leicht irritiert an. Er hatte geschrieen? Davon hatte er gar nichts mitbekommen. Konnte das wirklich sein? Andererseits, hatte er auch unter Wasser nichts mitbekommen, plötzlich war er über Wasser gewesen. In Reis Armen.

Was ihn allerdings noch um einiges mehr überraschte, war erneut die Tatsache, das Rei ihn doch besser zu kennen schien, als er je gedacht hatte. Seine Aussagen über Kais eigentliches, 'normales' Verhalten hatten ihn einfach verblüfft. Er selbst konnte ja nicht beurteilen, wie er war. Und eine solche Beurteilung aus Reis Mund zu hören, machte ihn ausnahmsweise mal nicht wütend.

Denn er konnte beurteilen, dass er wütend würde, wenn Takao eine solche Diagnose über ihn anfertigte und lauthals hinausposaunte. Bei Rei schmeichelte es ihm fast, dass dieser ihn so durchschaute - was ihn wiederum verwirrte. Doch gab es nun kein zurück mehr. Er musste und wollte endlich die Frage stellen, auf die es ihm ankam und auf die Rei anscheinend dann doch noch nicht schließen konnte.

"Nein, das war's auch nicht. Oder nur zum Teil. Ich meine eigentlich, warum du meine Hand gefasst hast."

"Na, das ist doch wohl klar. Das hab ich doch eben schon erklärt und du selbst hast es auch schon gesagt. Ich wollte dich nicht ins Wasser fallen lassen."

"Ja, das mag sein. Aber du weißt genau, was ich meine. Ich war zwar zu diesem Zeitpunkt nicht ganz da, aber ich hab doch gemerkt, dass ich schon viel zu weit unten war, als du mich erreicht hattest, um mich wieder hochziehen zu können. Du hättest es nicht geschafft, selbst wenn du meine Hand noch ganz erreicht hättest."

Langsam schien Rei zu verstehen, worauf Kai hinaus wollte. Und doch wollte er es ihm nicht sagen, wenn er es ihn nicht wenigstens direkt fragte. Er verstand ja nicht einmal selbst so recht, warum er das getan hatte.

"Entschuldige, ich verstehe nicht so ganz. Wo ist das Problem?"

Jetzt wurde Kai etwas sauer. Er sprach nicht viel, das wusste er selbst nur allzu genau. Und er hasste es, wenn der, mit dem er dann mal sprach, das was er nun meinte nicht verstand, oder nicht verstehen wollte. Er hatte keine Lust immer alles lang und breit zu erklären. Entweder die Leute verstanden sofort, was er wollte, oder sie taten es eben nicht. Auch, dass es sich bei seinem Gesprächspartner hier um Rei handelte, änderte nichts an dieser Tatsache. Er hatte keine Lust mehr.

"Es gibt kein Problem", entgegnete er gereizt und drehte sich wieder gerade auf den Sitz, um Rei nicht ansehen zu müssen. "Vergiss es einfach. Es ist egal."

"Das ist es nicht. Es war dir wichtig, sonst hättest du mir nicht so lange versucht zu erklären, was du wissen wolltest. Also, ich schwör, wenn ich es nach der nächsten Erklärung nicht verstehe, dann sag ich auch nichts mehr, ja? Aber du könntest einfach mal versuchen, die Frage etwas konkreter zu stellen. Sonst kann dich ja niemand verstehen."

"Sag mir nicht, was ich tun soll!"

"Kai! Hör auf damit. Und fauch mich gefälligst nicht so an. Ich kann nichts dafür, dass ich nicht verstehe, was du willst. Stell mir eine Frage und ich beantworte sie dir. Und sieh mich zumindest an."

Kai sagte zwar noch nichts, doch gehorchte er tatsächlich dem Befehl des Anderen und sah ihn an. Es bedeutete ihm viel, was er in Reis Blick lesen konnte. Er wollte ihn wirklich verstehen. Er wollte, dass Kai sich wieder wohler fühlte.

"Okay", begann er ruhig, "Wieso hast du dich von Rand abgestoßen, um meine Hand zu greifen, obwohl du genau gewusst haben musst, dass du mich nicht würdest halten können und dass du mit ins Wasser fallen würdest?"

Er hatte Rei, während er die Frage nun doch endlich ausgesprochen hatte angesehen, doch als er nun, bewusst dessen, was er soeben gesagt hatte, in seine Augen sah, konnte er dem Blick nicht mehr standhalten, auch wenn dieser keineswegs abweisend oder verständnislos war.

Kai wurde bewusst, dass Rei ihn sehr gut verstanden hatte - und das machte ihm fast etwas Angst. Er war nie wirklich 'verstanden' worden. Er hatte auch nie verstanden werden wollen, aber jetzt hatte er Rei eine direkte Frage gestellt und dieser setzte zu einer direkten Antwort an.

"Nun, ja, das stimmt. Ich bin zu dir hingelaufen, weil ich dich erreichen und vor einem Sturz bewahren wollte. Und als ich dort am Beckenrand stand und deine Fingerspitzen streifte, wusste ich, dass ich dich nicht würde halten können. Aber ich hatte dich schon berührt. Ich war in dem Moment so enttäuscht von mir selbst, dass ich dich enttäuscht hatte, weil ich dich doch hatte erreichen wollen. Und als ich dann in deine Augen sah...

Du sahst mich an. Du hattest mich erkannt, und du hattest auch erkannt, dass ich dich nicht würde halten können. Aber du blicktest mich nicht enttäuscht an, du schautest... Deine Augen... sie schrieen nach mir. Sie zeigten so deutlich, dass du so gehofft hattest, ich würde dich festhalten; dass du so gehofft hattest, ich würde dich bei der Hand nehmen und wieder hochziehen.

Deine Augen schrieen, ich solle dich nicht... du wolltest nicht... Ich wollte dich nicht fallen lassen. Ich wollte es immer noch versuchen. Ich wusste, es würde nicht gehen, aber... ich konnte nicht anders."

Rei hatte einiges nicht gesagt, was er hatte sagen wollen. Er hatte sich nicht getraut Kai so etwas ins Gesicht zu sagen. Er hatte versucht ihn, in der Zeit in der er gesprochen hatte, fest anzusehen, doch am Ende war es ihm nicht mehr gelungen.

Er hatte den Satz schon begonnen, bevor ihm klar wurde, dass er Kai dergleichen nicht einfach so sagen konnte. Er hatte angefangen zu stottern und Ausflüchte gesucht, und am Ende hatte er zwar immer noch die Wahrheit gesagt, doch kam es ihm selbst vor wie eine Lüge, weil er nicht den wahren Grund genannt hatte.

Er hatte Kai keine ehrliche Antwort auf seine Frage gegeben, obwohl es Kai doch so viel gekostet hatte, sie zu stellen, und er schämte sich dafür. Aber gleichzeitig war ihm bewusst, dass er sich auch jetzt noch nicht in der Lage sah, Kai die Wahrheit zu sagen. Er konnte ihm unmöglich sagen, was er tatsächlich in seinen Augen gesehen hatte.

Er konnte ihm nicht sagen, dass er die Angst in diesem Augenblick förmlich gespürt hatte. Dass er Kai nach gesprungen war und seine Hand gegriffen hatte, damit er nicht allein sein musste; damit die Einsamkeit aus seinen Augen verschwand; damit er, wenn auch nur in dem kurzen Moment des Sturzes, spürte, dass er einen Freund hatte, der ihn nie wieder alleine lassen würde.

Seine Augen hatten so nach Rei geschrieen und er war dem Ruf gefolgt, ohne an irgendetwas anderes als an Kai zu denken. Er hatte in diesem Augenblick auf keinen Fall allein sein wollen und Rei hatte die Einsamkeit, wenn auch nur für den winzigen Moment, in dem sich ihre Hände berührt und sich ihre Körper zueinander gezogen hatten, aus seinen Augen weichen sehen.

Er hatte gespürt, dass es richtig war, was er getan hatte, und dass es für Kai wichtig gewesen war, und doch konnte er ihm die wahren Gründe nicht nennen, denn was er getan hatte, war doch nicht richtig gewesen. Seine Beweggründe waren schlichtweg falsch, so weh es ihm auch selbst tat, sich das einzugestehen.

Rei war komplett in Gedanken versunken, nachdem er aufgehört hatte zu sprechen und Kai hatte schweigend neben ihm gesessen, bis er sah, dass sie das Krankenhaus fast erreicht hatten. Er sagte nur noch "aha", was Rei aus seiner geistigen Abwesenheit zurückholte, und schnallte sich dann schon mal ab. Der Fahrer heizte durch die schmale Straße, die zum Eingang des Krankenhauses führte und blieb schließlich mit quietschenden Bremsen direkt vor der Tür stehen.

Da Rei so in seine eigenen Selbstzweifel vertieft gewesen war, hatte er nichts von Kais Reaktion auf seine Antwort mitbekommen und nachfragen konnte er ja schlecht, besonders wo Kai schon wieder Anstalten machte, allein aus dem Wagen zu steigen.

Doch Rei hatte sich umsonst Sorgen darüber gemacht. Kai wusste zwar nicht, was genau Rei eigentlich hatte sagen wollen, doch ahnte er zumindest unbewusst, dass Rei nicht einfach so oder zufällig nach seiner Hand gegriffen hatte. Und so konnte er sich auch nur unbewusst seine momentane Stimmung erklären.

Er war schlicht und einfach glücklich. Er hatte Schmerzen, war klatschnass, ihm war eiskalt und doch war er glücklich, was ihn selbst etwas verwirrte, da er bewusst keinen Grund für seine Freude finden konnte. Ein wenig war es ihm vielleicht doch bewusst, dass seine Hochstimmung Rei zuzuschreiben war, doch das wollte er sich genauso wenig eingestehen, wie Rei sich eingestehen wollte, dass er Kai aus anderen Gründen nach gesprungen war, als er genannt hatte.

So schnallte sich Rei so schnell er konnte ab und rannte um den Wagen zu Kai, der es mittlerweile schon aus dem Auto geschafft hatte und nun allen Ernstes versuchte zum Eingang der Notaufnahme auf einem Bein zu hüpfen.

Rei baute sich demonstrativ vor ihm auf und versperrte ihm so den Weg, sodass er unweigerlich anhalten musste.

"Das ist ja jetzt wohl nicht dein Ernst gewesen, oder? Du wolltest doch nicht da reinhüpfen, oder doch?"

"Wenn's nun mal nicht anders geht", meinte Kai beiläufig und hob die Schultern.

"Es geht anders und das weißt du! Ich trag dich, ob du nun willst, oder nicht!"

"Versuch's doch", meinte der Angesprochene herausfordernd. "Wenn ich es nicht will, schaffst du es auch nicht."

"Deswegen bitte ich dich jetzt höflich: Bitte lass mich dich in die Notaufnahme dieses Krankenhauses tragen. Es sind nur einige Schritte und die Leute dadrinnen werden zu sehr mit sich selbst beschäftigt sein, als dass sie sich groß darum scheren werden, dass ein neuer Verletzter herein getragen wird. Also: Bitte lass mich dir helfen."

Rei hatte sich, während er sprach, tatsächlich vor Kai verbeugt, um seiner Bitte mehr Ausdruck zu verleihen und ganz offensichtlich hatte das enormen Einfluss auf Kais Reaktion ausgeübt. Als Rei sich wieder aufrichtete, setzte Kai zu einem verlegenen "okay" an, doch bevor er es aussprechen konnte, unterbrach ihn der Fahrer des Taxis.

"Hey, Jungens! Ich noch Geld kriegen. Nur 9 Minuten gefahren! Das heißt: doppelter Preis!"

Kai hätte den Kerl angefallen, wäre er in der Lage gewesen über das Auto zu springen und auf der anderen Seite halbwegs sicher zu landen. Doch so warf er ihm nur einen bitterbösen Blick zu und widmete sich dann wieder seinem Hüpfen.

Rei war in der Zwischenzeit um den Wagen gegangen, um dem Fahrer sein Geld zu geben. Er hatte Kai zwar gebeten zu warten, doch das war diesem dann doch zu blöd gewesen. Selbst Verletzte hatten schließlich ihren Stolz. So hüpfte er mühsam auf einem Bein Richtung Tür und noch bevor Rei ihn erreicht hatte, öffnete sie sich automatisch und ein Schwall warmer, aber abgestandener Luft kam den Beiden entgegen.

Schlagartig fiel Kai wieder ein, warum er Krankenhäuser immer gehasst hatte: Man konnte das Elend, das in diesem Gebäude wohnte, regelrecht spüren und das behagte ihm gar nicht. Rei schien es ähnlich zu gehen, denn er zögerte einen Moment, bevor er den letzten Schritt zu Kai tat, seinen Arm um seine Schulter legte, seine Hüfte umfasste und den Schritt über die Schwelle tat, wobei er das Gewicht Kais auf sich verlagerte. Kai ließ sich bereitwillig ziehen, auch weil er gar nicht mehr die Absicht hatte, in diesen Raum voller kranker, verletzter und trauriger Menschen, freiwillig einzutreten.

Sie durchquerten den Gang zwischen den vielen Hilfe Suchenden und gelangten schließlich, beobachtet von scheinbar Tausenden von Augen, zur Information, wo sie eine Kaugummi kauende, desinteressierte Dame mit einem monotonen "Hallo" begrüßte, das genauso gut ein Anrufbeantworter hätte sprechen können.
 


 

So, das war's mal wieder erst einmal ^.^ Aber ich freu mich immer jedes Mal so sehr, wenn ich ein neues Kapitel on stellen kann, dass ich nicht mal traurig bin. Natürlich mach ich so schnell es geht weiter. Schreibt mal was Schönes dazu (und sagt mir ob es nicht doch etwas zu übertrieben ist ^_^')

na denne ciaoi

tenshi
 

kurzes PS.: Tschuldigung, dass das hier ne Seite ist, aber der von der Story eigentlich nix steht... Solche Seiten nerven mich auch immer ù_ú

Aber ich schwör's, ich hab alles versucht das zu ändern, aber dann hätte hier gar nichts gestanden und das fand ich dann noch bescheuerter... also müssen ich und ihr uns wohl oder übel mit dieser Müllseite begnügen...

Noch einmal mein Bedauern aus tiefster Seele.

Wer weiß, was man dir antut

Hallo mal wieder ^_^

Hat was länger gedauert, tschuldigung, ist dafür aber auch ganz lang das Kapitel!

Ich hab mich übrigens ganz doll über die Kommentare gefreut (ganz besonders, das euch (einem von euch zumindest *drop*) mein Stil gefällt und dass ich so ausführlich beschreibe *freu*)

Dazu wollt ich sowieso schon die ganze Zeit was sagen: Also, ich weiß nicht, ob ihr das auch so macht, aber ich denke in Bildern, d.h. ich stell mir Bilder zu der Geschichte vor und denke nicht sofort in Worten (nur die Dialoge natürlich). Das heißt wiederum, dass ich diese Bilder dann mit Worten beschreiben muss, was sich bei mir irgendwie immer etwas hinzieht, weil Bilder nun mal komplex sind ^.^' Die Gefühle, die ich dann auch noch beschreiben muss, kommen noch dazu. In Gedanken (also Bildern) sind die immer schon so irgendwie mit dabei... (hört sich jetzt total konfus an, aber ihr braucht mich ja auch nicht alle zu verstehen, Hauptsache ich versteh mich selbst - was auch immer seltener vorkommt... *drop*)

Na jedenfalls besteht die Geschichte deshalb zu größten Teil aus einer Beschreibung... wobei mir auffällt, dass alle Geschichten im Endeffekt Beschreibungen sind... na toll, das Obere war also vollkommener Schwachsinn... vergesst es einfach und lest die Fanfic

Viel Spaß
 


 

Kapitel 3: Wer weiß, was man dir antut
 

Die Empfangsdame reichte ihnen wortlos ein Anmeldeformular. Rei nahm es entgegen, doch als die Beiden sich immer noch nicht von der Stelle rührten, begann die Frau genervt zu erklären, was sie tun sollten.

"Tragen sie da ihren Namen, sowie Krankenkasse und Versicherungsnummer ein. Dann die Art, auf die sie sich verletzt haben und ihre Eigendiagnose. Danach geben sie das Formular hier wieder ab und erhalten eine Nummer. Sie bleiben dann dort im Wartezimmer und werden der Reihe nach aufgerufen."

Rei hätte gedacht, er würde mit einem Roboter sprechen, hätte er nicht die Frau, ihr Kaugummi um den Finger drehend, vor sich sitzen sehen. So etwas Dreistes, Dummes und Hässliches würde doch niemand erfinden und auch noch bauen.

Diese Dame musste wohl tatsächlich 'echt' sein. Eine von ihrem Job vollkommen enttäuschte Frau, die in einem Krankenhaus, wo Menschen mit Anteilnahme geholfen werden sollte, nun wirklich gar nichts zu suchen hatte. Sie schien nicht mal mehr in der Lage die unterschiedlichen Patienten wahrzunehmen. Für sie mussten alle gleich aussehen: krank, uninteressant, verabscheuungswürdig.

Als Rei mit seinen Gedanken an diesem Punkt angelangt war, packte ihn eine Wut, die er bisher nur selten gespürt hatte. Es machte ihn unbeschreiblich zornig, dass ein Mensch, der einen Beruf gewählt hatte, in dem er Anderen helfen sollte, ein solches Desinteresse an den Tag legte. Hauptsächlich deshalb, aber auch wegen dem, was die Dame gesagt hatte, schrie er sie im nächsten Moment ohne Vorwarnung an.

"Sind Sie noch ganz dicht?! Mein Freund ist verletzt. Er hat Schmerzen. Sie werden ihm jetzt helfen! Sofort!"

Immer noch überaus ruhig, aber doch ein ganz klein wenig interessierter, blickte die Angestellte sie nun an. So ruhig wahrscheinlich auch nur wegen der durchsichtigen Hartglasscheibe, die sie von Aufenthaltsraum trennte und dem riesigen, grimmig aussehenden Mann vom Sicherheitsdienst, der keine 3 Meter weit entfernt stand und Rei schon warnend ansah, was dieser aber in seiner Rage gar nicht wahrnahm - Kai allerdings schon.

Er versuchte die Hand, die über Reis Schulter in der seinen lag, etwas zusammen zu drücken, um auf sich aufmerksam zu machen und Rei zu warnen, nicht noch weiter zu gehen, doch schien Rei auch ihn nicht mehr wahrzunehmen. Er schleifte ihn zwar mit sich, als er einen weiteren Schritt auf die Glasscheibe zumachte, doch ließ er Kais Hand dann los, sodass dieser sein Gewicht nun wieder zum größten Teil selbst tragen musste.

Mit der nun freigewordenen Hand knallte er das Anmeldeformular auf den Tresen und schlug dann gegen die Scheibe.

"Wozu sind Sie denn da, wenn nicht um uns zu helfen?! Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ihnen geht's doch nicht mehr ganz gut. Wie lang gedenken Sie ihn denn warten zu lassen? 1 Stunde? Oder gleich 3? Und überhaupt, was soll der Scheiß mit der Eigendiagnose? Was meinen Sie denn, warum wir hier sind? Weil wir uns nicht mehr anders zu helfen wussten! Sie sollen meinem Freund jetzt helfen! Und zwar sofort!"

Rei hätte noch einige Zeit weiter schreien können, doch war der Wachmann schon auf dem Weg. Er hatte ihn noch nicht einmal bemerkt, als Kai ihn zu Seite stieß und er unsanft auf dem kalten Boden landete. Der Schrank von Mann, der drohend auf sie zugelaufen war, blieb stehen und selbst die Empfangsdame schaute nun doch leicht neugierig über den Tresen zu dem am Boden liegenden Unverletzten.

Kai stützte sich mit einer Hand auf den Tresen und winkte dem Wächter mit der anderen zu, um ihm zu bedeuten, er solle nicht näher kommen, da sich die Sache erledigt hätte. Da der Kerl nicht gleich kehrt machte, blickte ihn Kai noch kurz aber durchdringend an, bis er sich umdrehte und auf seinen Posten zurückging. Er griff mit der Hand nach dem Zettel, nahm sich einen Stift und begann seinen Namen einzutragen, nachdem er Rei noch einmal warnend, aber doch auch entschuldigend angesehen hatte.

Dieser hatte die Szene still von unten beobachtet und rappelte sich nun langsam auf. Er verstand nicht ganz, warum Kai so heftig auf seinen Ausbruch reagiert hatte, doch wollte er ihn nun auch nicht mit seiner Fragerei nerven, besonders, wo es ihm wieder schlechter zu gehen schien. Er lehnte schwer auf dem Tisch und Rei konnte schon von weitem sehen, dass er zitterte.

Er ging zu ihm hin und wollte seinen Arm wieder stützend um ihn legen, woraufhin Kai ihn erneut wegstieß, allerdings nicht so heftig wie vorhin. Er taumelte nur ein paar Schritte zurück, während Kai versuchte weiter zu schreiben. Der Kugelschreiber zitterte in seiner Hand, sodass man die Schriftzeichen seines Namens eher schlecht als recht entziffern konnte, was nicht nur an der Kälte lag, wie Kai sich widerwillig eingestehen musste.

Rei war eben richtig ausgetickt. Darauf war er überhaupt nicht vorbereitet gewesen und hätte es auch nie erwartet, besonders nicht wegen so einer Kleinigkeit und erst recht nicht von Rei. Er war doch sonst immer so ausgeglichen.

Wiederum konnte er sich unbewusst die Gründe, die Rei so auf die Palme gebracht hatten zusammenreimen. Und diese Gründe schmeichelten ihm, was er sich aber nicht eingestehen wollte. Rei wollte ihm anscheinend um jeden Preis und so schnell wie möglich helfen. Er wollte nicht, dass er weiter Schmerzen hatte und Kai fühlte sich von einer solchen Anteilnahme geehrt, doch konnte er Rei dafür trotzdem nicht danken, denn zugleich war es ihm zuwider, wie Rei diese Anteilnahme zum Ausdruck gebracht hatte.

Es war ja in Ordnung, dass Rei seine Gefühle so offen zeigen konnte - Kai beneidete ihn manchmal fast darum - doch sollten solche Gefühle wie Wut, auch wenn sie gerechtfertige, verständliche Motive haben mochten, nicht so gezeigt werden. Kai hatte es satt, andauernd nur Schreie zu hören, selbst wenn sie nicht einmal ihm galten. Er hatte für sein Leben genug Zorn erlebt. Seinen eigenen und den Anderer ihm gegenüber.

Außerdem hatte Rei so laut herumgeschrieen, dass mal wieder alle Augen im ganzen Wartezimmer auf sie gerichtet waren - und Rei hatte doch vorhin so eingebildet gemeint, er wüsste, was Kai mochte und was nicht. Kai hatte tatsächlich daran geglaubt, es würde jemanden geben, der ihn verstand. Das war ja dann wohl - mal wieder - nichts gewesen. Auch Rei war eben jemand, der sich doch im Grunde nur um sich selbst kümmerte.

Genau deshalb hatte Kai bis jetzt krampfhaft versucht, niemanden in seine Nähe zu lassen, damit ihn eben auch niemand so enttäuschen konnte, wie Rei es eben getan hatte. Er hatte die Situation für Kai noch um einiges unangenehmer gestaltet, als sie ohnehin schon war und doch hatte Kai tatsächlich etwas wie Sorge gespürt, als der riesige Security auf sie zugekommen war, ganz offensichtlich um Rei - wenn nötig - auf irgendeine Weise aufzuhalten.

Kai hatte auf jeden Fall verhindern wollen, dass dieser Schrank Rei zwischen seine Drecksgriffel bekam. Er hatte sogar kurz daran gedacht selbst auf den Wachmann loszugehen, um die Aufmerksamkeit von ihm abzulenken und auf sich zu ziehen, hatte sich dann aber an seine Verletzungen erinnert und es für besser befunden, Rei selbst zum Schweigen zu bringen, was ja schließlich auch geklappt hatte, obwohl Kai die Art, auf die er es getan hatte, schon wieder Leid tat, während er versuchte zu schreiben. All diese Gefühle: die Wut, die Sorge und das Bedauern verwirrten ihn so sehr, dass sogar sein Körper darauf reagierte, indem er zitterte.
 

Rei hatte also die Gründe, die Kai zum Zittern brachten, falsch eingeschätzt, doch verhielt er sich auch schon auf Grund des vermuteten, geringeren Auslösers sehr zuvorkommend.

Er wollte keinesfalls, dass Kai sich aufregte, schon gar nicht in seinem Zustand. Er war verletzt und wurde vermutlich wegen der Kälte auch noch krank. Also nahm sich Rei vor im weiteren Verlauf ihres Aufenthalts im Krankenhaus keine Aufmerksamkeit mehr auf sie zu ziehen, auch weil ihm jetzt schmerzlich bewusst wurde, dass diese unfreiwillige Beachtung wohl zumindest einer der Gründe für Kais heftige Reaktion von vorhin gewesen war. Mal ganz davon abgesehen, dass er auf gar keinen Fall riskieren wollte, Kai erneut in eine solche Gefahr zu bringen, indem er einen riesigen, bösartigen Wachmann auf sie aufmerksam machte.

Rei hatte die Szene vom Boden aus vermutlich noch um einiges eindrucksvoller erfahren und er wagte sich gar nicht auszumalen, was er getan hätte, wäre der Wachmann nicht auf Kais Zeichen hin stehen geblieben, sondern hätte sich ihn gepackt. Rei wäre dann wohl vollends ausgerastet und Kai wäre wohl nicht der einzige Verletzte geblieben.

Beschwichtigend ging Rei nun langsam auf Kai zu und legte seine Hand behutsam auf die des Anderen, sodass dieser nicht mehr schreiben konnte. Er nahm ihm vorsichtig den Stift aus den Fingern und legte seinen Arm wieder um seine Schulter, während er ein leises, aber ehrlich gemeintes 'Entschuldige' murmelte. Daraufhin ließ Kai sein Gewicht wieder auf Rei liegen, auch weil ihn die Aktion von eben ziemlich erschöpft hatte, ohne dass er es währenddessen gemerkt hätte; aber auch weil er Rei zu seiner eigenen Überraschung schon nicht mehr richtig böse war.

Er hatte ihm in dem Moment verziehen, in dem Rei seine Hand so sanft auf die seine gelegt hatte. Er hatte ruhig hinter ihm gestanden und nur seine Hand berührt. Kai hatte sacht seinen warmen Atem an seinem Hals spüren können, hatte unwillkürlich die Augen geschlossen und Reis Entschuldigung stillschweigend angenommen.

Er stützte sich noch immer auf den Tresen, während Rei den Kugelschreiber nahm und die Adresse sowie die Art und Weise, wie er sich verletzt hatte eintrug. Ebenso schrieb er die Eigendiagnose, die Kai noch im Onsen aufgestellt hatte: Bänderriss.

"Kennst du deine Versicherungsnummer und die Krankenkasse, Kai?", fragte Rei ruhig, worauf Kai mit einem Nicken antwortete. Er nannte den Namen der Krankenkasse, überlegte kurz, während Rei schrieb und gab dann auch, zur Verblüffung Reis, auswendig die Versichertennummer an.

"Die weißt du auswendig?", fragte er ungläubig.

Kai jedoch antwortete wieder nur mit einem Nicken. Er war halt öfter mal verletzt, da musste man die Nummer auch aus dem Kopf können, und nach einiger Zeit konnte man das dann auch. Aber er hatte nicht mehr die Kraft Rei diese Zusammenhänge zu erklären, auch weil dieser ganz bestimmt nach dem 'wann' und 'warum' fragen würde, worauf Kai nicht bereit war eine Antwort zu geben.

Also schnappte er sich das ausgefüllte Formular und reichte es der Frau unter der Scheibe hindurch. Diese legte es sorgfältig in einen Ständer, in dem schon Hunderte anderer solcher Bögen standen, gab ihnen einen Zettel, den sie aus einem kleinen Gerät neben dem Locher zog und auf dem die Nummer 354 in großen schwarzen Lettern stand, und widmete sich daraufhin wieder mit voller Hingabe ihren Fingernägeln.

Kai spürte, wie sich Reis Muskeln erneut anspannten und sich seine Gesichtszüge verfinsterten. Er hoffte inständig Rei würde sich diesmal beherrschen, festigte deshalb seinen Griff um Reis Schulter leicht, sodass er ihn näher an sich heranzog und sah ihn unentwegt an. Rei schaute erstaunt in die bittenden Augen und ließ die Anspannung langsam aus seinem Körper weichen, was Kai sichtlich erleichterte. Auch er ließ seinen Arm wieder relativ locker über Reis Schulter liegen, während dieser nach seiner Hand griff und sich schon halb zum Gehen umdrehte, doch bevor die Informationstussi außer Sicht war, wendete Rei noch einmal den Kopf in ihre Richtung und sagte mit zu freundlicher und damit heuchlerisch wirkender Stimme:

"Könnten Sie sich vielleicht ein wenig mit dem Formular beeilen. Mein Freund hat wirklich Schmerzen und ich würde gern so schnell wie möglich einen Arzt dazu befragen. Ich danke Ihnen."

Kai musste bei dieser Heuchelei, auf die die 'Roboterfrau' auch noch ungemein freudig überrascht reagierte und sich das Blatt sofort aus dem Ständer nahm, unweigerlich lächeln. Rei bemerkte es zwar, sagte jedoch nichts weiter dazu, sondern lächelte nur seinerseits, weil er sich über diese Gefühlsregung Kais freute.

Zusammen bahnten sie sich einen Weg durch die vielen Wartenden zu 2 tatsächlich noch unbesetzten Stühlen, in der Reihe neben dem Mittelgang. Erst nachdem Rei Kai vorsichtig auf den unbequemen Stuhl hatte gleiten lassen und sich dann neben ihn gesetzt hatte, bemerkten beide die große Wasserlache, die sie vor der Information hinterlassen hatten. Vereinzelt beschrieben einige kleinere Tropfen den Weg, den sie bis hierher genommen hatten; die Stelle, an der Rei zu Boden gegangen war, konnte man jedoch deutlich erkennen. Als Kai klar wurde, dass er dafür verantwortlich war, drehte er sich schuldbewusst in Richtung Rei, sah ihm kurz in die Augen und senkte sofort wieder seinen Blick.

"Hast du dir wehgetan?"

Rei fuhr zu ihm herum und blickte ihn fast verständnislos an. Da er Kais Augen nicht sehen konnte, konnte er auch nicht einschätzen, was genau Kai nun damit gemeint hatte, oder auch nur, ob es ehrlich gemeint war. Doch wurde ihm durch den gesenkten Blick wiederum klar, dass Kai sich mit dem gerade Ausgesprochenen zumindest nicht wohl fühlte. Vielleicht war es ihm peinlich und er schämte sich für die Frage, doch wollte Rei nicht so recht in den Kopf, warum sich Kai dafür schämen sollte. Zudem wusste er ja nicht einmal recht, worum es Kai hier wieder ging. Er könnte sich wirklich mal etwas konkreter ausdrücken.

Nachdem Rei ihm lange schweigend gegenübergesessen hatte, wollte er schon zu einer Gegenfrage ansetzen, als Kai den Kopf hob und tatsächlich ohne Reis Aufforderung seine Frage neu formulierte.

"Ich meine vorhin... als ich dich...", sagte er kleinlaut und ohne Rei direkt anzusehen.

"Achso, als du mich umgestoßen hast", sagte Rei, dem plötzlich ein Licht aufging.

Kein Wunder, dass Kai diese Frage peinlich war. Ihm tat die Aktion Leid und er wollte sich dafür entschuldigen, doch war das doch überhaupt nicht nötig, fand Rei. Er wusste doch - zumindest halbwegs - warum Kai das getan hatte.

"Nein, ich hab mir nicht wehgetan", meinte er aufmunternd und grinste "Ich bin ja nicht so zimperlich. Es war gut, dass du mich weggestoßen hast, sonst wär noch was geschehen. Tut mir Leid, dass ich so ausgetickt bin. Ich wollte nur, dass sie dir helfen. Entschuldige."

"Du hast dich schon entschuldigt. Ich kann solch ein Geschrei einfach nicht haben, okay?"

"Ja, natürlich. Ich hab nicht nachgedacht. Ich bin nur froh, dass der Security verstanden hat."

Rei war sichtlich niedergeschlagen gewesen, während er sich erneut entschuldigte, doch Kais Worte hatten ihn sofort wieder aufgemuntert. Das, was Rei seinerseits gesagt hatte, hatte Kai aufgeheitert, da er in den Augen des Anderen hatte ablesen können, dass er sich Sorgen um Kai gemacht hatte, so wie sich Kai Sorgen um ihn gemacht hatte, was erst der Grund gewesen war, warum er sich dem Wachmann in den Weg gestellt hatte.

In seiner momentanen Hochstimmung konnte Rei nicht einmal die immer stärker werdende Kälte spüren, die Kai jedoch immer mehr zu schaffen machte, ganz davon abgesehen, dass sein Fuß verdammt weh tat.

"Hey Kai", begann Rei und tippte ihm leicht auf das rechte Bein. "Möchtest du dein Bein über meines legen? Dann musst du den Fuß nicht die ganze Zeit hochhalten. Du musstest dein Bein ja schon den ganzen Weg hierher anspannen. So kannst du dich etwas ausruhen."

Er legte den Kopf leicht schief und sah Kai fragend und sogar leicht bittend an. Kai konnte förmlich hören, wie er sagte "Ach, komm schon" und zu seiner eigenen Verwunderung, regte sich in Kai ein Teil, der der Bitte nachgeben wollte, allein schon, weil es stimmte, was Rei gesagt hatte. Sein Bein war erschöpft. Er selbst war erschöpft.

Ohne dass er es selbst so genau mitbekam, hob Kai sein Bein an und legte es vorsichtig auf Reis wieder ab. Er sank ihm Sitz zurück und ließ einen leichten Seufzer hören. All seine Muskeln entspannten sich auf angenehme Weise, doch spürte er jetzt auch seine Müdigkeit, Erschöpfung und die Kälte deutlicher.
 

Eine ganze Weile saßen die beiden, wie alle anderen Wartenden auch, einfach nur stumm da, während hin und wieder eine Nummer aufgerufen wurde. Die erste, die Kai wieder bewusst wahrnahm, war die 297, meilenweit von seiner eigenen Nummer entfernt.

Er schloss seine Augen wieder und versuchte die Kälte zu verdrängen und sich selbst vom Zittern abzuhalten, denn jede Bewegung, die er tat, konnte nun auch Rei spüren. Es reichte schon, dass dieser ihn nach dem Ausrufen der 297 so sorgenvoll angesehen hatte. Kai konnte nicht so recht verstehen, warum. Rei wusste doch, dass er einiges ertragen konnte, da würde er das bisschen Warten auf eine eh unzureichende Behandlung ja wohl locker überstehen.

Zusammen mit der Anspannung war sogar ein Teil des Schmerzes aus Bein und Fuß gewichen. Wegen der Schmerzen würde es also keine Probleme geben. Was Kai und auch Rei allerdings zu schaffen machte, waren die nassen Sachen, die sie immer noch am Leib trugen, und die bei jedem Öffnen der Außentür erneut von einem Windzug ein wenig kälter zu werden schienen. Außerdem, bemerkte Rei, war Kais Fuß, trotz des Kühlens, noch um einiges weiter angeschwollen.

Nachdem die Nummer 326 ihren Platz verlassen hatte, drehte sich Rei langsam in Kais Richtung und berührte leicht den nassen Stoff des Yukatas an seinem Ärmel. Kai hob blitzschnell den Kopf, den er leicht an die Lehne des Stuhles gestützt hatte und blickte Rei zunächst verstört an. Er hatte nicht geschlafen - das war bei dieser Kälte unmöglich - doch ein wenig weggedöst war er wohl doch.

Er hob eine Hand und rieb sich die Augen, während er den Mund öffnete um zu fragen, was Rei wollte und ob sie schon dran seien, doch kam kein Ton aus seiner Kehle. Er hustete und wollte erneut ansetzen, doch Rei kam ihm zuvor.

"Entschuldige, ich wusste nicht, dass du schläfst. Ich wollte nur fragen, ob ich kurz aufstehen kann, um uns etwas Warmes zu trinken zu besorgen. Deine Lippen sind schon ganz blau."

Wortlos nahm Kai sein Bein von dem Reis und legte es behutsam über sein eigenes. Rei stand auf und lief zu dem Kaffeeautomaten am anderen Ende des Raumes. Während er Geld für 2 heiße Schokoladen einwarf und die entsprechenden Knöpfe drückte, kamen zwei neue Patienten von der Information zurück in den Warteraum.

Die Mutter mit ihrem kleinen Kind erblickte den freien Platz neben Kai und ging langsam auf ihn zu. Kai hatte sie schon im Auge, seit sie den Raum betreten hatten, weil das kleine Mädchen so fürchterlich hustete. Auch die Mutter sah nicht besser aus. Sie war blass wie die Wand und hatte dunkle Ringe unter den Augen, die verrieten, dass sie sich die ganze Nacht um die Kleine gekümmert hatte. Kai sah sich um, erblickte jedoch keinen anderen freien Platz. Als die Frau neben ihm stand und sich schon zum hinsetzen umgedreht hatte, hielt er sie mit heiserer Stimme davon ab.

"Einen Moment. Der Stuhl ist ganz nass. Entschuldigen Sie."

Er versuchte mit den eingeweichten Händen das Wasser davon zu entfernen, doch wurde ihm schnell klar, dass diese Aktion vollkommen sinnlos war. Enttäuscht und schon fast verzweifelt, sah er erneut zu der Frau auf. Das Mädchen schüttelte ein neuer Hustenanfall und doch blickte die Frau ihn dankend an, obwohl sein ganzes Tun nichts gebracht hatte.

Jetzt fühlte er sich noch schlechter. Er konnte ihrem Blick nicht mehr standhalten und schaute zu Boden, wo er die zerlaufenen Schuhe der Frau bemerkte. Sie hatte es wahrscheinlich so schwer und doch bedankte sie sich für unnütze Hilfe. Kai kam sich so hilflos vor - nicht das erste Mal in seinem Leben, aber doch auf eine erschreckend heftige Weise. Er blickte wieder zu ihr auf und entschuldigte sich, wobei seine Augen deutlich zeigten, was er innerlich fühlte.

Genau diese Augen, die seine Hilflosigkeit, die Enttäuschung darüber und die Traurigkeit so klar darstellten, waren das Erste, was Rei auf seinem Rückweg sah. Fast wären ihm beide Kakaobecher aus den Händen gefallen - und das nicht, weil sie heiß waren. Einen Moment lang konnte er sich gar nicht von diesen Augen abwenden, die so blutrot waren, als würden sie tatsächlich wie durchsichtig einen Blick auf Kais blutende Seele gewähren.

Dann erblickte er die Frau und das kranke Kind, die sich auf seinen nassen Stuhl setzen wollten. Die Frau sagte gerade, dass es schon okay sei und es ihr nichts ausmache, sodass Rei daraus schließen konnte, dass Kai versucht hatte den Stuhl zu trocknen, es ihm aber nicht gelungen war.

Schnell schritt er auf die drei zu und hielt die Frau erneut davon ab sich zu setzen. Er stellte die Becher vor Kai auf den Boden und nahm die mitgebrachten Servietten um den Sitz trocken zu wischen. Die Mutter bedankte sich sowohl bei Kai als auch bei Rei und setzte sich nun endlich, während sie das nun nicht mehr hustende Kind sanft auf ihren Schoß legte. Rei kniete nieder um die Becher zu heben, blieb jedoch gleich sitzen, weil er ja nun keinen Stuhl mehr hatte. Er reichte Kai, der sich schon wieder etwas beruhigt zu haben schien, einen der Becher.

"Vorsicht, allein die Becher sind schon total heiß. Vielleicht kannst du ihn ja auf der Lehne abstellen."

Kai tat wie ihm geheißen, schwieg jedoch weiterhin, auch weil er befürchtete seine Stimme wieder nicht gebrauchen zu können. Zudem machte ihn Rei, wie er da vor ihm kniete, nervös und verlegen, weil er jetzt durch seine Schuld keinen Platz zum Sitzen mehr hatte. Lange konnte er seinen eigenen Schuldgefühlen jedoch nicht aus dem Weg gehen. Er blickte solange zu Rei hinab, bis dieser zu ihm aufschaute.

"Tut mir Leid. Wegen mir kannst du nun nicht mehr sitzen. Ich kann mich auf den Boden setzen, wenn du magst..."

"Das glaubst du doch wohl selbst nicht", unterbrach ihn Rei und sah ihn entgeistert an. "Denkst du echt, ich würde dich auf den Boden verfrachten, während ich auf einem Stuhl sitze? Das darf ja wohl nicht wahr sein. Es ist kalt hier unten. Und dir ist so oder so schon kalt. Das muss also jetzt nicht sein, klar? Trink deinen Kakao, bevor der auch noch kalt ist."

Er lächelte Kai zwar an, doch war ein fast befehlender Ton in seiner Stimme. Dieser wusste zunächst nichts darauf zu entgegnen, bis er seinen Kakao in der Hand hatte und langsam an seine Lippen führte, während er Rei über den Rand beobachtete und dieser seinerseits auf ihn achtete, als wolle er kontrollieren, ob er auch wirklich seinen Kakao trank.

Kurz bevor die heiße Flüssigkeit seine Lippen berührte, zog Kai den Becher vom Mund fort und blickte Rei aufrecht in die Augen.

"Deine auch."

Rei gab ein leises "hm?" von sich und sah ihn verwirrt an.

"Deine Lippen sind auch blau. Dir ist auch kalt."

Rei konnte sehen, dass es Kai einiges gekostet hatte, eine Antwort auf sein 'hm' zu geben. Anscheinend hatte er das Erste ausgesprochen ohne nachzudenken, wollte Rei jedoch nicht wieder im Unklaren lassen, sodass er sich gezwungen hatte, auszusprechen, was er schon hatte entgegnen wollen, als Rei ihn vorhin so voller Sorge angesehen hatte, bevor er den Kakao holen ging.

Rei fühlte sich geschmeichelt, weil Kai sich ganz offensichtlich Gedanken um ihn machte und wahrscheinlich sagte er deswegen auch nichts weiter. Er senkte den Kopf, weil er spürte, wie das Blut zurück in seine Wangen floss, während Kai sich wieder seinem Getränk widmete. Auch er konnte Rei jetzt nicht weiter ansehen. Er hatte nicht erwartet, dass seine Äußerung eine solche Wirkung auf ihn selber hätte und wieder einmal verstand er sich selbst nicht so recht. Und Rei sowieso nicht.

Zu allem Überfluss musste sich Kai natürlich auch noch an dem Kakao die Zunge verbrennen. Er hatte zwar gewusst, dass der Becher heiß war und demnach auch sein Inhalt, doch hatte er irgendwie unterschätzt, wie schnell die Flüssigkeit in seinen Mund gelangte. Er schluckte sie so schnell es ging herunter, verbrannte sich dabei wohl auch noch den Hals und fluchte anschließend lautstark.

Rei erschrak dermaßen, dass er fast seinen Becher hätte fallen lassen, was ihm auf der kalten Haut wohl auch noch eine Verbrennung beschert hätte, und auch die anderen Patienten drehten sich zu Kai herum. Dem war die Situation mal wieder unangenehm und noch unangenehmer war ihm Reis Reaktion auf seinen Fluch, nachdem er seinen Becher wieder sicher festhielt.

"Was? Was ist los? Hast du Schmerzen? Ich hol wen!"

Schon wollte er aufspringen, doch Kai schaffte es gerade noch seinen Ärmel zu erwischen und zog ihn ungestüm zurück zu Boden. Erst als Rei einige Sekunden wieder saß und ihn entsetzt angesehen hatte, sagte Kai leise, aber auch leicht drohend, er solle die Klappe halten.

"Was fällt dir ein, hier so rumzukreischen? Geht's noch? Es ist ja nichts passiert. Außerdem hätte ich dann kaum geflucht", meinte Kai.

Und er hatte gedacht, Rei würde ihn zumindest soweit kennen. Wieder eine Fehleinschätzung, nur war diese doch etwas enttäuschender, als die mit dem Kakao. Er hätte Rei jetzt gern an den Kopf geworfen, dass er gedacht hatte, er würde ihn kennen, doch traute er sich bei dem Gedanken daran dann doch nicht. Besonders nicht als Rei ihn dann auch noch ansah, als hätte er ihm sonst was gesagt.

Vielleicht hatte er sich etwas im Ton vergriffen - und das tat ihm ja auch schon wieder Leid - aber Rei hatte nun doch wirklich nicht so rumschreien müssen. Der vorwurfsvolle Ausdruck in seinen Augen ließ ihn jedoch auch daran zweifeln und schon wendeten sich seine Gedanken zu Reis Gunsten. Er hatte ihm ja nur helfen wollen. Er hatte sich große Sorgen gemacht und war bereit gewesen einen Arzt aufzutreiben, egal wer sich ihm in den Weg stellte - wahrscheinlich hätte er sogar dem Schrank von Aufpasser getrotzt.

Und nun machte sich tatsächlich ein schlechtes Gewissen in Kai breit, was wahrlich nicht oft geschah; das wusste er selbst nur allzu genau. Und je länger Rei ihn so tadelnd ansah, desto schlimmer wurde es, bis er sich dann tatsächlich entschuldigte.

Kaum hatte er den Blick gesenkt und ein leises 'tut mir Leid' von sich gegeben, hellte sich Reis Gesichtsausdruck schlagartig auf. Er legte ihm die Hand aufs Knie, sodass Kai wieder zu ihm aufsah und lächelte ihn an.

"Es geht dir wirklich gut?", fragte er zwar noch etwas ängstlich, aber lange nicht mehr so hysterisch wie noch vor einer Minute.

Und trotzdem reagierte Kai ziemlich gereizt. Er kam mit seinem schlechten Gewissen nun mal nicht so schnell wieder einfach so ins Reine. Außerdem wusste er im Moment überhaupt nicht mehr, warum er sich überhaupt entschuldigt hatte. Es war ja wohl kaum sein Fehler gewesen, dass Rei so komisch reagierte und damit alle Aufmerksamkeit mal wieder auf sie zog. Selbst wenn er ihn daraufhin angeblufft hatte, war das sein gutes Recht. Schließlich war er ja mal wieder der Leidtragende des Ganzen gewesen. Und jetzt war er auch noch der Schuldige? Das konnte er einfach nicht so auf sich sitzen lassen.

"Nein, tut es nicht! Was hast du denn gedacht? Ich hab nen fetten Bänderriss, mir ist scheißkalt und dieser Dreckskakao schmeckt widerlich! Außerdem sitz ich hier blöd rum und warte auf einen Arzt, der sowieso nichts machen wird. Ist doch alles echt für'n Arsch!"

Schon stand er und schaute arrogant auf den verdatterten, immer noch halb am Boden liegenden Rei hinab. Dieser jedoch war schneller wieder auf den Beinen, als Kai je erwartet hätte, und baute sich vor ihm auf.

"Du wirst jetzt hier nicht abhauen. Schon gar nicht allein und erst recht nicht, ohne dass sich ein Arzt deinen Fuß angesehen hat! Also setz dich sofort wieder hin, sonst verletzt du dich vielleicht noch mehr..."

"Du drohst mir?", zischte Kai ihm entgegen.

Rei war keine 2 Zentimeter mehr von Kais Gesicht entfernt, sodass Kai jede Regung in seinen Zügen deutlich erkennen konnte. Doch einmal mehr geschah nicht das, was er erwartet hatte. Er hatte gedacht, Rei würde entweder Angst zeigen und ein Stück vor ihm zurückweichen, oder sich stark zeigen und mit einem neuen frechen Kommentar dagegen halten - Kai persönlich hatte eher Letzteres erwartet; vielleicht sogar gewünscht.

Rei allerdings zeigte weder Angst noch Trotz. Kai fegte die Enttäuschung, die er in seinen Augen wahrnahm, regelrecht von den Füßen. Nur ein Augenblick genügte, damit er sich auf seinem Sitz wieder fand, weil sein Standbein unter ihm nachgegeben hatte. Rei stand noch eine Weile vor ihm und blickte auf ihn hinunter. Jedoch nicht auf diese herablassende Art, auf die Kai immer jemanden von oben herab ansah, sondern auf diese verletzte Art, die Kai schier durch Mark und Bein ging.

Er konnte dem Blick keinen Moment länger standhalten, aber auch Rei setzte sich langsam wieder. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie stark der Ausdruck seiner Augen Kai beeinflussen würde. Ihm war auch jetzt noch nicht bewusst, wie genau er geguckt hatte und er dachte auch, Kai hätte sich freiwillig wieder gesetzt, aber das alles hielt ihn nicht davon ab, sich doch etwas schuldig zu fühlen, weil er Kai allein durch seinen Blick so aus der Fassung gebracht hatte, dass er nach einem solchen Kommentar von wegen 'drohen' rein gar nichts mehr gesagt hatte und auch nicht mehr in der Lage gewesen war, ihn anzusehen.

Langsam ließ er sich wieder auf dem Boden vor Kais Stuhl nieder, vermied es aber ebenso ihn anzusehen. halten, woraufhin er sich ohne Kommentar herum drehte, sodass er Kai den Rücken zuwendete und dieser schon dachte, er würde es nicht einmal mehr ertragen, ihm gegenüber zu sitzen und schon wieder einem Schwall an Schuldgefühlen erlag.

Rei jedoch stützte seine Hand vorsichtig in seine Kniekehle und hob das Bein auf seine Schulter, sodass der Fuß frei über seinen ausgestreckten Beinen schwebte und Kai sich wieder entspannen konnte. Dieser ließ alles geschehen ohne auch nur einen Gedanken an eventuelle Gegenwehr zu verschwenden. Dazu war er noch viel zu irritiert von seinen Gefühlen und von der erneut unerwarteten Tat Reis.

Überhaupt zeigte Kai eigentlich einige Zeit keinerlei Reaktion: Weder bewegte er sich, noch entspannten sich die Muskeln in seinem Bein und sagen tat er schon gar nichts, sodass Rei nach einer Weile den Kopf herumdrehte, um ihn aufzufordern jetzt endlich seine heiße Schokolade zu trinken.

Erst als er sprach, bemerkte Kai, dass er Rei direkt ins Gesicht sah und zuckte leicht zusammen. Allerdings nicht weil immer noch die Enttäuschung zu sehen wäre, sondern weil sie eben nicht mehr da war. Vollkommen verschwunden. Er konnte diesen Kerl da vor sich einfach nicht begreifen. Kein Stück.

Endlich nahm er also nun seinen Kakao und versuchte sich diesmal nicht wieder zu verbrennen und eine solch verquere Situation heraufzubeschwören, was ihm glücklicherweise auch gelang. Er begann sogar sich wieder etwas zu entspannen, obwohl ihm nicht ganz wohl bei seiner momentanen Lage war.

Es kam ihm irgendwie komisch vor, wie Rei da mit seinem Bein über der Schulter vor ihm auf dem Boden saß. Es war ihm irgendwie wohl peinlich so bemuttert zu werden, und dass es ihm irgendwie auch noch gefiel, machte es noch unheimlicher.

Der warme Kakao allerdings, der seinen Körper tatsächlich sofort wieder etwas aufwärmte, nahm einen Großteil dieser Gedanken und Gefühle mit sich. Kai trank ihn ganz leer, lehnte sich zurück und döste wieder ein wenig ein, während Rei an seinem Kakao nippte und ab und zu die Augen nach ihm wandte, bevor auch er seinen Kopf an Kais kaltes Bein lehnte und die Augen schloss. Allerdings war er die ganze Zeit bei vollem Bewusstsein und achtete auf die aufgerufenen Nummern.
 

Als nach einer Ewigkeit endlich die 353, ein älterer Herr, der ihn schon die ganze Zeit mit seinem ständigen Gehuste aufgeregt hatte, von einer Schwester abgeholt wurde, öffnete er die Augen, hob den Kopf und wollte sich herumdrehen um Kai zu wecken. Der allerdings hatte sich schon, von Rei unbemerkt, aufgerichtet und schaute unentwegt zur Informationsdame, die nun bald auch ihre Nummer ausrufen würde.

Als er bemerkte, dass Rei ihn beobachtete, sah er auch ihn an. Rei lächelte, was Kai zumindest einen Teil seiner Sorgen nahm und ihn in die Lage versetzte als Erster zu sprechen.

"Ich bin gleich dran. Dann kannst du wieder auf einem Stuhl sitzen."

"Wieso?", fragte Rei, der ehrlich nicht verstand, was das nun wieder sollte.

Sie beide würden zusammen zu dem Arzt gehen, aber woher wusste Kai, dass es dort einen Stuhl für sie beide gab? Oder wollte er dann etwa so lange stehen, falls es nur einen gab? Sollte er ihm das jetzt etwa zum dritten Mal ausreden? Der Kerl schien echt schwer von Begriff zu sein, dachte er und musste im nächsten Moment Lächeln, weil man Kai ja nun wirklich vieles nachsagen konnte, aber bestimmt nicht, dass er nur schwer verstand, jedenfalls nicht was Dinge angingen, die ihn nicht direkt betrafen.

Vielleicht war er wirklich etwas begriffsstutzig, wenn es um ihn ging, aber vielleicht war er auch einfach nicht gewohnt, dass man sich so mit ihm beschäftigte. Vielleicht waren so gut wie alle Menschen bisher einfach nur an ihm vorübergegangen, ohne ihn wirklich wahrzunehmen, sodass er einfach nicht wusste, wie es war, wenn sich jemand um ihn kümmerte, sich Sorgen um ihn machte und ihn verstehen wollte.

Das wiederum wischte das Lächeln aus Reis Gesicht und stimmte ihn einerseits traurig, aber andererseits auch ehrgeizig. Denn er hatte nicht vor einfach so an Kai vorüberzugehen. Er würde ihn kennen lernen, er mochte noch so bockig sein und es mochte noch so lange dauern.

Kai war durch die ehrliche Unwissenheit Reis wiederum sichtlich irritiert und brauchte einige Zeit bis er antwortete.

"Na, du kannst dich dann auf diesen Stuhl hier setzten. Dir macht es ja nichts, dass er nass ist."

Rei zog eine Augenbraue hoch und sah Kai etwas verwundert an. Glaubte er wirklich er würde hier auf ihn warten? Er verstand wirklich nicht viel von Menschen, die sich um ihn kümmern wollten.

"Ähm... ich werd' doch nicht hier warten."

Nun war es wieder Kai, der verwirrt war und Rei dementsprechend ansah. Allerdings mischte sich auch ein wenig Enttäuschung in seinen Blick. Unbewusst hatte er einfach erwartet, dass Rei hier bleiben und auf ihn warten würde, und dass es nun nicht so schien, machte ihn irgendwie traurig. Er hätte sich gefreut nach dem Arzt Rei zu sehen, anstatt nur wildfremde Leute, die sich eh nicht für ihn interessierten.

"Oh... ich dachte nur... Tschuldigung, natürlich kannst du gehen. Dir ist sicher kalt. Fahr ins Hotel. Ich komm dann später irgendwie nach oder so..."

Das nun hatte Rei absolut nicht erwartet. Er sah zunächst verdutzt, dann fast belustigt zu Kai auf und fing nach einer Weile sogar leise an zu kichern.

"Aber nicht doch", brachte er lachend hervor. "Ich geh doch nicht zurück ins Hotel. Ich geh natürlich mit dir. Hast du echt gedacht, ich lass dich allein zu diesen Kurpfuschern? Wer weiß, was man dir noch antut?"

Kai stieg die Röte schneller ins Gesicht, als er sich wegdrehen konnte. Wie hätte er denn bitte ahnen sollen, dass Rei das gemeint hatte? Es war ihm peinlich, dass er sich so verschätzt und Rei damit wieder einmal bewiesen hatte, dass er ihn keineswegs auch nur im Ansatz verstand und er war sauer, dass Rei sich darüber lustig machte, aber dennoch mischte sich eine Prise Erleichterung in seine Gefühle.

Er mochte Ärzte nicht, auch - oder gerade weil - er schon bei so vielen gewesen war und er war froh nicht allein hin zu müssen, auch wenn es ihm selbst widersprüchlich vorkam, da er sonst immer allein war und meist auch sein wollte.

Noch während Kai seinen Gedanken verfallen und Rei damit beschäftigt war, Kai anzulächeln, rief die monotone Stimme der Informationsdame durch Lautsprecher in 2 Ecken des Warteraumes die Nummer 354 auf. Hastig sprangen beide auf die Füße, ohne dass Rei Kai diesmal wehgetan hätte, denn er hatte schon, während Kai noch seinen Gedanken nachgehangen hatte, begonnen, das Bein vorsichtig von seiner Schulter zu heben und sich umzudrehen, sodass Kai mühelos hatte aufstehen können. Rei umfasste wieder die Hüfte des Anderen und dieser legte sogar aus eigenem Antrieb den Arm um seine Schultern. Sie liefen zu der Schwester, die schon am Eingang auf sie wartete.

"Das geht so aber nicht, junger Mann! Immer nur ein Patient pro Nummer. Also würden sie sich bitte trennen?", sagte die füllige Krankenschwester zwar freundlich, aber bestimmend und stemmte die Hände in die Hüften, um ihrem Befehl noch mehr Ausdruck zu verleihen, denn zuerst schauten die Beiden sie nur verdutzt an.

"Nein."

Das war das Einzige, was Kai nach einer Weile dazu sagte. Er blickte der Frau fest in die Augen und zunächst schien sie auch nichts darauf entgegnen zu können. Zu ungewohnt war ein solcher Widerspruch.

Dann allerdings färbte sich ihr ganzer Kopf befremdend rot und Rei sah, wie sie ihre Muskeln (unter dem Fett) spannte und einen kurzen Seitenblick zum Wachmann warf. Würde er nicht schnell etwas unternehmen, würde entweder die Frau explodieren oder die Security würde Kai und ihn hochkant rausschmeißen - oder noch schlimmer: Rei rausschaffen und Kai allein zu einem Arzt zerren. Er musste also schnellstens irgendetwas tun, um die Schwester zu beruhigen.

"Schwester, entschuldigen Sie. Er kann nicht allein laufen. Wir vermuten er hat einen Bänderriss. Wäre es nicht eventuell möglich, dass ich mitkomme. Ich bin ja auch gar nicht verletzt. Nur er braucht einen Arzt. Bitte?"

Die Freundlichkeit in Reis Stimme sorgte zumindest dafür, dass die Dame nicht mehr zu dem Aufpasser schielte und auch langsam die Farbe wieder aus ihrem Gesicht wich. Sie blickte Rei noch einen Moment unschlüssig an, nickte dann aber.

"Na, wenn das so ist. Sagt das doch gleich und nicht einfach bloß so unfreundlich 'nein'! Also dann folgt mir mal."

Sie sah Kai noch einmal tadelnd an und lief dann vor. Rei warf Kai noch ein flüchtiges Lächeln zu und dann folgten die Beiden ihr so schnell sie konnten.

Die Frau, die trotz ihrer Fülle, recht flink auf den Füßen war, bog um 2 Ecken und lief dann einen kurzen Gang entlang, der in einen großen Raum mündete, in dem ein halbes Dutzend Betten standen, von denen nur eines unbesetzt war. Die Schwester blieb kurz vor diesem stehen und bedeutete ihnen hier zu warten. Sie gingen langsam auf das Bett zu, während sie von über einem Dutzend Augenpaaren akribisch verfolgt wurden.

Rei konzentrierte sich nur darauf Kai heil zum Bett zu schaffen, während Kai sich angewidert umsah. Abermals wurde ihm schlagartig bewusst, wo er hier war. In einem Krankenhaus voller kranker, verletzter, leidender Menschen. Er konnte diese Last kaum ertragen.
 

Das war's dann mal wieder ^_^ reicht jetzt aber auch, hat lange gedauert *trotzdem tierisch freu*

Noch einige kleine Anmerkungen:

- Zum Kakao: Mir passiert es grundsätzlich, dass ich mir an einem warmen Kakao die Zunge verbrenn: Egal, wie heiß er noch ist, egal, wie vorsichtig ich bin... Jedes verdammte Mal ~.~°

- Die Notaufnahme dieses Krankenhauses sieht so aus, wie die Notaufnahme aus Emergency Room, falls das jemand kennt (und falls es jemand bemerkt hat: "Danke" und "Boah, bin ich gut" *grins*) Das ist so, weil ich in meinem Leben noch nicht im Krankenhaus war (außer zu Besuch und bei meiner Geburt) und weil ich auch sonst noch keine andere Notaufnahme, als die in dieser (überaus tollen) Serie gesehen habe.

Also schätze ich mal Notaufnahmen in Deutschland sind anders, aber vielleicht sind sie in Amerika ja wirklich so ^.^ Oder vielleicht sogar in Japan (eigentlich ist es auch vollkommen wurscht, denn das Land, in dem sich die Bladebreakers gerade aufhalten, ist eh nicht wichtig... also eigentlich schon wieder viel umsonst geschrieben *seufz*... na egal *freu*)

- Mit dieser Notaufnahme und ihren Personen möchte ich natürlich niemandem auf den Schlips treten. Ich weiß (oder hoffe zu wissen), dass die Empfangsdamen, Schwestern und Ärzte (kommt im nächsten Kapi auch noch vor) eigentlich nicht so rücksichtslos handeln, aber da dies hier eine Geschichte ist, was bedeutet, dass sie fiktional / erfunden / ausgedacht / meiner kranken Phantasie entsprungen ist, handeln die darin vorkommenden Personen, wie ich es will. D.h. sie benehmen sich Rei und Kai gegenüber nicht besonders nett, da ich glaube, dass dies die beiden enger zusammenbringen wird.

Demnach soll hier also kein Verweis auf die wirkliche Welt gesehen werden, sondern ein völlig fiktionales Gebäude mit fiktionalen Personen und Handlungen.

Ich entschuldige mich bei allen, die sich hier angegriffen gefühlt haben, versichere aber noch mal, dass ich es nicht besser weiß und dass es eine Fiktion ist, die nichts mit realen Ärzten und Krankenhäusern zu tun hat! Ihr solltet keine Geschichten lesen, wenn ihr nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden könnt.

- {[Edit]: Ich habe vor ein paar Tagen genau das gemacht, was ich euch hier verbiete... Ich habe eine Fanfic gelesen, in die, 'weil es grad so schön passte' (Zitat), eine Vergewaltigung eingestreut war. D.h. dass einfach mal gesagt wurde, das Mädchen sei schon 2 Mal von ihren Managern vergewaltigt worden (sie war Sängerin). Jetzt benahm sich das Mädchen aber nicht wirklich so, als hätte sie davon einen Schaden davongetragen. Ich glaube jedoch, dass man allein über 1 (eine) Vergewaltigung kaum hinwegkommt.

Leider war das aber noch nicht alles... Während der Story wurde das Mädchen nun ein drittes Mal vergewaltigt (es wurde zumindest von mir so interpretiert, als sie sich in zerrissener Kleidung zurück ins Hotel schleppte und dort zusammenbrach). Ihre große Liebe findet sie dort und verarztet liebevoll die kleinen Schnittwunden... Tja, und dann am nächsten Morgen war scheinbar alles wieder in Ordnung, außer, dass das Mädchen hoffte, ihr Liebster habe nicht herausgefunden, dass sie ein Mädchen sei, da sie sich schon die ganze Geschichte als Junge ausgab... Weiter hatte sie scheinbar keine Probleme mit der 3. (in Worten: dritten) Vergewaltigung...

Diese Herangehensweise an dieses meiner Meinung nach doch ernstzunehmende Thema hat mich dermaßen aufgeregt, dass ich nen ellenlangen Kommentar dazu abgegeben hab. Nun, und das ist genau das, was ich einen Punkt vor diesem so bemängel -_-' Damit will ich jetzt im Endeffekt sagen: Vergesst zwar nicht einfach, was ich da oben geschrieben hab, aber nehmt zu Kenntnis, dass es bei manchen Themen doch angebracht ist, eine nicht korrekte Herangehensweise, selbst wenn es nur in einer fiktionalen Geschichte geschieht, zu kritisieren. Hiermit entschuldige ich mich bei allen, die sich auf Grund des Krankenhauspersonals in dieser Geschichte aufgeregt haben und werden in folgenden Geschichten versuchen, mir die Wirklichkeit nicht so zurechtzubiegen, wie ich sie gern hätte.

Danke, dass ihr mir zugehört / das hier gelesen habt}

- Beim Schreiben des letzten Teils hatte ich eine ganz tolle Musik laufen! Das Video ist so schön und doch so traurig und dann am Ende trotzdem aufmunternd, genau wie ein Lied eben sein soll (find ich) Schaut es euch mal an: es heißt shii's song und ist ein flash: hier also mal draufklicken --> http://www.albinoblacksheep.com/flash/shii.php

- Nur eins noch: Da könnt ihr sagen, was ihr wollt: Das mit der blutenden Seele... tja, das war dann wohl doch etwas viel. Aber ich wollt's so ungern rausnehmen -_-' Ich weiß auch nicht warum... irgendwie mag ich's, auch wenn's absolut übertrieben ist... sagt mal eure Meinung, bitte *blush*

So, nun gut, dann werd ich mal mit Kapitel 4 anfangen ^_^ Schreibt mir nen paar Kommis und macht die Story mal publik (also weiterempfehlen und so *grins*) hab sie selbst in meiner Empfehlungsliste ^.^' bißchen Eigenwerbung muss ja auch mal sein *hehe*

So denne, ciaoi

tenshi

Wer weiß, was du denkst

!ACHTUNG!

Vorab: Der erste Teil dieses Kapitels ist ein Optionalteil, d.h. im weiteren Verlauf der Geschichte werde ich nicht auf seinen Inhalt eingehen.

Ich wollte das gar nicht schreiben... ú.ù Ich weiß auch gar nicht so recht, wie es eigentlich entstanden ist... *seufz* Es war spät, ich war müde, aber ich wollte weiter schreiben... <.< und da brauchte ich einen Einstieg. Da dachte ich mir, lass ich Kai mal auf dem Nachttisch was Interessantes sehen...

Ich will jetzt nicht alles vorher verraten, also erklär ich nach dem ersten 4. Kapitel, wie es entstanden ist.

Wenn ihr nur wissen wollt, wie die Story weitergeht, solltet ihr das nicht lesen. Eigentlich wollte ich es gar nicht erst hochstellen, aber dann hab ich es selbst noch mal gelesen und gedacht "wow, ist ja doch nicht so schlecht, wie ich dachte" und außerdem, hab ich ja doch ne Zeit dran gesessen und wollte die Mühe nicht umsonst sein lassen. Also wenn ihr mal etwas Zeit habt, lest es ^_^ wenn nicht, springt sofort auf Seite 13 weiter ^_^
 


 

Kapitel 4 Wer weiß, was war, ist und sein wird
 


 

Erst als Rei auf einmal stehen blieb, bemerkte Kai, dass sie angekommen waren. Das ordentlich gemachte Bett vor ihnen, die Geräte darum und der Vorhang auf der Gegenüberliegenden Seite, der zumindest die Blicke der Menschen in den 3 Betten dahinter von ihnen fernhielten, machten ihn nervös. All das war Kai bekannt, und doch behagte es ihm aufs Neue rein gar nicht. Lange musterte er all die Geräte neben dem Bett, die ihm immer unheimlicher wurden. Wozu sollten diese Dinge denn nur alle gut sein. Rei schien es nicht anders zu gehen. Auch er schaute sich die Umgebung genau an, bevor er seinen Blick Kai zuwand.

"Los Kai, setz dich schon hin", meinte er freundlich und versuchte Kai zum Bett hinzubewegen.

Dieser jedoch stand steif, wie eine Salzsäule, und starrte nur in geradeaus. Rei versuchte Kai zu schieben, doch obwohl er nur auf einem Bein stand, konnte er ihn kein Stück bewegen.

Er wusste ja, dass Kai nicht viel redete, aber wenn ihm etwas nicht passte, dann tat er es schon. Und Rei konnte sich nicht vorstellen, dass er es toll fand, wenn man ihn drückte und schob. Er hatte sowieso keinerlei Regung gezeigt, sondern nur unbewegt auf einem Bein dagestanden. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass Rei ihn bewegen wollte, was diesem etwas komisch vorkam, denn sonst bemerkte Kai doch wirklich alles in seiner Umgebung.

Erst jetzt, da er realisierte, dass seine Bemühungen rein gar nichts brachten und sich auch langsam Sorgen wegen des so untypischen Verhaltens machte, suchte Rei nach der Ursache. Er schaute auf in ein ausdrucksloses Gesicht, dessen Augen wie versteinert auf das Bett gerichtet waren. Rei folgte diesem Blick, konnte jedoch nichts Außergewöhnliches erkennen. Mit dem Bett war alles in Ordnung.

"Kai, was hast du?", fragte er besorgt.

Der Angesprochene jedoch gab keine Antwort. Noch nicht mal ein Zeichen, dass er ihn gehört hatte, konnte Rei auf den weiterhin unbewegten Gesichtszügen lesen. Langsam machte er sich wirklich Sorgen.

Noch einmal folgte er dem Blick, und ihm wurde klar, dass er nicht, wie er gedacht hatte, auf das Bett gerichtet war, sondern auf den Nachttisch dahinter. Doch auch jetzt verstand Rei Kais komische Reaktion noch nicht. Auf dem Nachttisch lehnte an der Lampe eine Puppe. Wahrscheinlich hatte sie der Patient vor ihnen hier liegen lassen. Was an diesem Püppchen irritierte Kai nur so sehr?

Reis Blick wanderte erneut vom Nachttisch zu Kai, wieder zurück und erneut zu seinem Freund. Dieser stand immer noch, gestützt von Rei, nur da, doch sein Blick hatte sich irgendwie verändert. Rei konnte nicht sagen, was es war, was er in den Augen des Anderen sah, doch er bemerkte, dass es ihm selbst innerlich wehtat. Etwas in seiner Brust zog sich zusammen und plötzlich spürte er auch, dass Kai zitterte, was ihm vorher gar nicht aufgefallen war, vielleicht, weil er sich schon so genug Sorgen gemacht hatte.

"Kai, was ist denn?"

Langsam bekam er richtig Angst. Seine Stimme klang schon fast hysterisch, doch Kai zeigte noch immer keine Reaktion. Rei musste also wohl oder übel selbst herausfinden, was ihn so aus der Bahn geworfen hatte und der Schlüssel dazu lag eindeutig in der Puppe. Daher wendete er sich also wieder dem Spielzeug zu.

Er hatte keine 3 Sekunden hingeschaut, als ihm plötzlich unwillkürlich die Kinnlade runterklappte. Augenblicklich verstand er alles.

Was er für die ungewöhnliche Musterung des Kleides der Puppe gehalten hatte, war Blut. Auch auf dem Nachttisch selbst sah er nun noch einige Spritzer der roten, lebensnotwendigen Flüssigkeit. Und nun konnte er auch Kais Blick deuten. Es war Trauer, die er in seinen Augen gesehen hatte und die diesen stechenden Schmerz in seiner Brust hervorgerufen hatte. Kai hatte sich schon bei dem kleinen Mädchen vorhin im Warteraum so ungewöhnlich verhalten. Rei hatte gesehen, wie er sorgenvoll das hustende Kind lange beobachtet hatte.

Und das hier war noch um einiges schlimmer, als 'nur' der Husten. Hier war ein Kind anscheinend gestorben. Unter schrecklichsten Umständen. Und Rei konnte sich vorstellen, wie sich Kai in diesem Moment die ganze Situation ausmalte.

Er machte sich Vorwürfe, weil er so lange gebraucht hatte, um zu begreifen und dass er nicht aus den vielen Geräten geschlossen hatte, dass hier etwas geschehen sein musste. Doch jetzt durfte er keine Sekunde mehr zögern. Er musste Kai, wenn nötig mit Gewalt, von diesem Anblick losreißen. Daher festigte er kurzerhand den Griff um seine Hüfte, hob ihn an und drehte sich komplett mit ihm herum.

Endlich schien Kais Bewusstsein zurückzukehren. Er atmete schnell und kurz ein, keuchte schon fast, als hätte er gerade einen Marathon gelaufen und sank, trotzdem Rei ihn zu halten versuchte, zu Boden. Rei wurde mit herunter gezogen und musste Kai schließlich loslassen, weil er ihm sonst wehgetan hätte, auch wenn dieser das wahrscheinlich gar nicht mitbekommen hätte, denn auch sein Fuß war kurzzeitig belastet worden, als er niedersank, doch er hatte keinen Schmerz gezeigt - und auch wenn das allein noch nichts heißen mochte, da Kai ja eigentlich nie zeigte, dass er Schmerzen hatte, wusste Rei, dass er es nicht gespürt hatte.

Kai saß auf dem kalten Boden, das linke Bein unterschlagen, das rechte leicht angewinkelt von sich gestreckt und stützte sich zudem noch mit beiden Armen ab. Er starrte zu Boden und atmete immer noch flach und schnell.

Rei hatte sich vor ihm auf den Boden gekniet, so schnell er nur konnte, wusste jedoch jetzt einfach nicht, was er tun sollte. Er fühlte sich hilflos, denn er hatte nicht erwartet, dass Kais Verhalten nach dieser langen Trancephase in einen solchen Ausbruch umschlagen würde. Er hatte Angst Kai würde zu schnell atmen und irgendwann einfach aufhören und dann obwohl sie hier in einem Krankenhaus von Ärzten umgeben waren, einfach sterben. Und er wusste nicht, was er dagegen unternehmen sollte, doch irgendetwas musste er tun - und zwar schnell, denn Kai wich scheinbar die Kraft aus den Armen und er sank noch weiter hinunter.

Ohne wirklich zu realisieren, geschweige denn zu wissen, was er tat, packte Rei Kai an den Schultern und brachte ihn in eine halbwegs aufrechte Position. Mit der linken Hand hielt er ihn weiter hoch, während er mit der rechten Kais Kopf am Kinn anhob und in seine Richtung drehte. Aus weit aufgerissenen Augen sah ihn der Verletzte an und schien ihn doch nicht wirklich wahrzunehmen. Rei war mittlerweile den Tränen nahe, doch versuchte er weiterhin mit fester Stimme auf den Anderen einzureden, bis dieser wieder zu sich kommen würde.

"Kai. Kai! Los, sieh mich richtig an! Ich bin's: Rei. Los. Komm wieder zu dir. Kai!"

Doch alles Reden schien vergebens. Kai blickte quasi durch ihn hindurch und bekam offenbar auch keines seiner Worte mit. Aus Verzweiflung begann Rei sogar ihn zu schütteln, doch auch das brachte nichts. Immer schneller holte Kai Luft und stieß sie wieder aus. Das einzige, was Rei in seiner Panik jetzt noch einfiel, war ihm eine Ohrfeige zu verpassen, auch wenn sich ihm bei dem Gedanken daran wieder die Brust zusammenzog. Er hielt Kais Oberkörper mit der linken Hand fest und holte mit der rechten aus.

"Kai!", schrie er noch einmal verzweifelt und schwang dann seinen Arm.
 

Kai blinzelte.

Er sah Rei, wie er den Tränen nahe vor ihm am Boden saß und eine Hand erhoben hatte. Er hörte, wie er laut seinen Namen rief, obwohl er doch direkt vor ihm saß. Er sah, wie Rei die Augen schloss und seine Hand niedersauste.

Kai fühlte den Schmerz und doch wollte er gar nicht begreifen, was gerade geschehen war. Sein Kopf war zur Seite geworfen worden, sodass er Rei für kurze Zeit nicht sah, doch bekam er aus den Augenwinkeln mit, wie dieser die Augen wieder öffnete und ihn verzweifelt und ein bisschen erwartungsvoll ansah.

Langsam drehte er den Kopf wieder in Reis Richtung und sah ihn seinerseits vollkommen verstört an. Was war geschehen? Warum saßen sie beide auf dem Boden? Warum weinte Rei fast? Und warum hatte er ihn geschlagen? Was hatte er getan?

Während sich diese Fragen in seinem Kopf drehten, realisierte Rei, das Kai wieder da war. Er war so erleichtert, dass er ihm fast um den Hals gefallen wäre, sich im letzten Moment jedoch selbst davon abhielt und nur seine rechte Hand auf Kais gerötete Wange legte und ihn überglücklich anlächelte. Dieser jedoch schlug sie im nächsten Moment weg, was die Freude auf einen Schlag aus Reis Gesicht fegte.

Kai fasste nun selbst an seine lädierte Wange und starrte Rei vollkommen verständnislos und schon fast feindselig an. Es hatte ihm wehgetan. Nicht der Schlag an sich - das hatte er schon zu oft erlebt - sondern, dass Rei ihn geschlagen hatte. Er war so dermaßen enttäuscht, denn er hatte gedacht, wenigstens Rei sei anders. Er hatte ihn doch verstehen wollen, er hatte sich doch um ihn gesorgt und ihn bis hierher begleitet, damit er nicht allein war.

Warum schlug er ihn dann einfach so, ohne Grund? Was hatte er wieder falsch gemacht? Und was war überhaupt geschehen? Seine Erinnerung schien einfach weg. Er wusste nur noch, dass die Schwester sie in diesen großen Raum gebracht hatte, doch auch von diesem war nichts mehr zu sehen. Sie hockten neben dem Bett und nur noch der gestreifte Vorhang umgab sie beide. Irgendwer musste ihn zugezogen haben, vielleicht eine Schwester oder ein Arzt.

War etwa schon ein Arzt da gewesen? Nein, dann hätte er ja wohl kaum seine Erinnerung verloren. Und Rei hätte ihn auch nicht geschlagen. Das einzige, was er nun noch tun konnte, war Rei zu fragen, auch wenn ihm das schwer fiel.

Unter normalen Umständen, wäre er schon längst aufgestanden und einfach gegangen - nicht, dass er das nicht versucht hätte, doch kam ihm da leider sein verletzter Fuß nicht sehr entgegen. Außerdem hätte er normalerweise auch sofort zurückgeschlagen - nicht, dass er es nicht fast sogar getan hatte. Er hatte unbewusst schon kurz vor dem eigentlichen Schlag selbst ausgeholt, doch hatte er dann erst richtig bemerkt, wer da vor ihm saß - und hatte nichts tun können.

Er wusste selbst nicht warum. Sonst ließ er sich nicht mal eine harmlose Beleidigung so gefallen und schon gar keine Tätlichkeit, doch es war Rei, der es getan hatte. Er war einerseits viel zu überrascht und dann enttäuscht gewesen, als dass er irgendetwas hätte tun können und andererseits hatte er die Rache beim Anblick Reis sofort aus seinen Gedanken verbannt. Unter keinen Umständen würde er ihn je schlagen. Niemals. Und doch hatte Rei ihm eine verpasst. Ohne dass er wusste, warum.

"Kai?"

Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Ängstlich sagte Rei seinen Namen und blickte ihn eingeschüchtert an. Kai erwiderte den Blick und sah Reis Hand langsam auf sich zukommen, doch noch bevor sie ihn berührte, schlug er sie erneut fort.

"Fass mich nicht an", schrie er fast. Rei zuckte stark zusammen und wich sogar ein Stück zurück.

"Was ist denn, Kai? Was war denn nur los mit dir? Bitte sag mir, dass es dir gut geht", flehte ihn der vollkommen verzweifelte Junge an.

Kai jedoch, verstand erstens die Fragen nicht und wollte sie zweitens auch gar nicht beantworten. Er hatte genug von Rei; er wollte nicht mehr bei ihm sein. Er wollte, dass er auf der Stelle verschwand und er ihn nie mehr wieder sehen müsste, weil dann die Enttäuschung, die er jetzt so deutlich fühlte, und die ihm die Brust zerriss, vielleicht auch verschwinden würde. Er konnte Rei kaum ansehen und er wollte es auch nicht, weil er wusste, dass dann die Wut in ihm hochsteigen und der Stolz seine anderen Gefühle hinten anstellen würde. Und das wollte er nicht, denn trotz allem, wollte er Rei nicht verletzten.

Dieser jedoch ahnte davon nichts und schaffte es in einem unaufmerksamen Moment nach Kais Kinn zu greifen und ihn zu zwingen ihn anzusehen. Kai war nicht in der Lage sich zu wehren. Rei schien so verzweifelt und er wollte ihm nicht wehtun, aber je länger er ihn ansah, desto weniger hatte die Tatsache, dass es Rei war, Einfluss auf seine Gedanken.

Die Wut über seine Hilflosigkeit brodelte immer höher und sein Stolz meldete sich eindrucksvoll mit dem Befehl sich dergleichen keinesfalls gefallen zu lassen zurück. Bald konnte er nicht mehr so klar denken, wie noch zu Anfang und sein Zorn übernahm die Kontrolle. Er stieß Rei von sich weg, sodass er ein Stück weit über den Boden schlitterte und schrie los.

"Was fällt dir ein, du miese Ratte?! Du bist wohl lebensmüde mich herauszufordern?! Scheiß Dreckskerl, ich glaub's ja nicht! Hast sie wohl nicht mehr alle! Ich warn dich, komm mir nicht zu nahe! Ich töte dich, solltest du mich noch mal anfassen!"

Kai war währenddessen aufgestanden und hatte sich eindrucksvoll vor Rei aufgebaut. Dieser jedoch hatte sich ebenfalls erhoben und sogar versucht ihn zu beruhigen, Kai jedoch hatte ihn mit allen Mitteln von sich ferngehalten.

Nun standen sie schweigend voreinander und starrten sich gegenseitig an. Kai mit zu Fäusten geballten und Rei mit erhobenen, beschwichtigenden Händen.

"Kai, ich will ja gar nicht, dass du dich erinnerst, aber bitte glaub mir doch, es war anders, als du wahrscheinlich denkst. Ich hab dich nicht absichtlich geschlagen..."

"Natürlich hast du das! Denkst du, ich bin blöd?! Du hast mit voller Absicht zugeschlagen!"

"Kai, nein, ja, schon absichtlich, aber nicht aus dem Grund, den du dir vielleicht denkst!"

"Ich sehe da gar keinen Grund, du Arschloch! Das ist ja das Problem!"

"Ich wollte dir nicht wehtun..."

"Das hast du nicht! Was denkst du denn, wer hier vor dir steht? Soll ich dir zeigen, was wehtut?!"

"Kai, sei still! Was denkst du denn, wer hier vor dir steht? Ich wollte das nicht! Ich wusste keinen anderen Weg!"

"Ja, Gewalt ist meistens die Lösung, wenn man keine andere findet."

"Ich wollte dir helfen!"

"Ach, du wolltest mir helfen? Na dann ist ja alles gut. Hast du sie noch alle, Mistkerl? Ich lass mir nicht helfen und schon gar nicht so!"

"Aber Kai..."

"Halt's Maul! Du hast wohl geglaubt, weil du ein bisschen nett zu mir warst und ich verletzt bin, könntest du dir alles erlauben, was? Da hast du dich aber ganz derbe geschnitten! Ich lass mir nichts gefallen, schon gar nicht von so einem wie dir!"

"Jetzt hältst du deine Klappe! Ich hab nichts von dem gedacht! Ich wollte dir helfen! Ob du das nun glaubst, oder nicht, ist mir doch egal. Dreh dich doch um, vielleicht fällt es dir ja dann wieder ein! Aber sag nachher nicht ich hätte dich nicht gewarnt! Und wenn nötig schlag ich noch mal zu, nur dass das klar ist!"

Kai ließ sich zwar von dem Reden nicht beeindrucken, doch hatte ihm Rei nun einen Anhaltspunkt gegeben, wo seine Erinnerung geblieben war und er wollte ja auch endlich wissen, was geschehen war. Also drehte er sich herum.

Zuerst sah er nur das Bett. Nichts Außergewöhnliches in einem Krankenhaus. Doch dann fiel sein Blick erneut auf den Nachttisch. Die Puppe! Es fiel ihm wieder ein. Die blutbeschmierte Puppe! Das Kind! Hier war ein Kind gestorben. Es konnte noch nicht lange her sein.

In Kais Kopf entstanden wieder die Bilder, die er auch schon vorhin gesehen hatte. Ein Kind in einem großen Krankenhausbett. Es hustete. Es hustete Blut. Kai sah alles aus einer viel zu tiefen Perspektive, als sei er selbst nicht höher als das Bett. Seine Hände krallten sich in die Bettdecke und er rief den Namen des Jungen. Niemand anders war da. Kein Arzt, keine Eltern, niemand. Und Kai konnte nichts tun. Nichts. Bis sich der Junge ein letztes Mal aufrichtete, ihn verzweifelt ansah, die blutverschmierte Hand um die Puppe klammerte... und fiel. Er fiel rückwärts in die Kissen und blieb stumm liegen. Kein Husten mehr, kein Keuchen, Stille. Kai sah zu der Puppe, an der das Blut klebte und zurück zu ihm, wie er friedlich in den Kissen lag. Und er schrie.

Er sah Rei. Dieser hielt ihn an den Oberarmen und schüttelte ihn. Er sagte oder schrie etwas, doch Kai hörte nichts. Er sah nur die Verzweiflung in seinen Augen. Dieselbe Verzweiflung, die auch dieser Junge in den Augen gehabt hatte.

Er konnte nicht mehr atmen. Er hörte einfach auf. Er sah wie sich Reis Augen noch mehr weiteten und spürte, wie seine Beine unter ihm nachgaben und er erneut zu Boden sank. Er wusste jetzt, dass Rei ihn nicht geschlagen hatte, um ihn zu verletzen, sondern um ihn wieder zum atmen zu bringen. Doch das nützte jetzt auch nichts mehr. Er wollte gar nicht mehr atmen. Es war genug.

Er spürte, wie Rei ihn hinlegte und er sah das vertraute Gesicht über sich und die Tränen, in den sonst immer so fröhlichen Augen. Er fühlte, wie Rei seine Hand nahm und sie einfach hielt. Und plötzlich hörte er wieder. Nicht die unzähligen Menschen um sie herum, wie sie schrieen und auch nicht die Ärzte, wie sie riefen, nur Rei. Rei, der ganz leise und klar sprach.

"Kai, geh nicht fort. Geh nicht fort von mir."

Er atmete. Er holte Luft. Ganz tief und gleichmäßig. Wegen Rei.

Rei hielt Kais Hände.

Er hatte um Hilfe gerufen, als er aufgehört hatte zu atmen, doch die Patienten und auch die Ärzte hatten nicht viel getan. Die anderen Verletzten gafften nur und die Ärzte riefen den Schwestern widersprüchliche Befehle zu und standen sich gegenseitig im Weg.

Doch nun atmete Kai wieder. Hätte er nicht wieder angefangen, hätte sich Rei für den Rest seines Lebens Vorwürfe gemacht, denn Kai hatte sich umgedreht, die Puppe erblickt und war wieder erstarrt, nur dass er dieses Mal aufgehört hatte zu atmen. Rei hätte diese Schuld nicht ertragen. Er hätte sich ebenfalls umgebracht. Nie hätte er Kais Tod verkraftet.

Doch Kai lebte, er griff seine Hand und er blickte in direkt an. Er sah ihn und er dankte ihm. Auch ohne dass er sprach, verstand Rei.
 

So, hehe, ich hoffe ihr fandet das jetzt nicht allzu schlimm...

Das war alles so nicht geplant... ú.ù

Ich erzähl jetzt einfach weiter, wie es entstanden ist:

Wie gesagt, ich war müde... Ich brauchte einen Einstieg. Als ich schrieb, dass er auf den Nachttisch starrte, wusste ich noch nicht mal, was er da sehen würde... Und dann kam das mit der Puppe, aber da wusste ich auch noch nicht, warum das Kai so aus der Bahn werfen würde.

Das mit dem "Immer-schneller-Atmen-und-dann-Aufhören"... nya, das kommt aus MARS (falls es jemand bemerkt haben sollte. Ich geb's ja zu ^,^' Ich hab's letztens gelesen und es hat mich doch irgendwie schwer beeindruckt.)

Das mit der Ohrfeige und das der Geohrfeigte "wach" wird, bevor der Andere zuschlägt, dieser aber nicht mitkriegt, dass ein Schlag nicht mehr nötig ist, hatte ich schon länger im Kopf (zwar zu ner ganz anderen Geschichte, aber die aufzuschreiben, werd ich wohl nie schaffen -_-') Der folgende Dialog gefällt mir selbst übrigens sehr *vor Eigenlob stink* ^,^'

Nya, so ist das nu entstanden, also quasi von ganz allein... ich weiß auch nicht... <.< Irgendwie hat es sich von selbst geschrieben und als ich fertig war, hab ich gedacht "Na toll, alles umsonst. Das ist gar nicht die Geschichte, die du erzählen wolltest..." Aber wie ihr seht stell ich es einfach mal on, weil ich selbst komischerweise irgendwie von mir beeindruckt bin... Als ich's noch mal gelesen hab, konnt ich mir fast nicht mal mehr vorstellen, dass ich das geschrieben hatte...

Ich laber zuuuu viel...

Also jetzt das "richtige 4. Kapitel"
 

Bitteschön:
 

Kapitel 4 Wer weiß, was du denkst
 


 

Abrupt blieb Kai vor dem ordentlich gemachten Bett stehen. Verwirrt sah Rei ihn an.

"Komm, setz dich. Du musst müde sein", sagte er wohlwollend, als sich Kai nach einiger Zeit immer noch nicht bewegte.

"Hm", machte dieser nur und versuchte sich von Rei zu lösen, was diesem aber gar nicht gefiel und er ihn deshalb nur noch etwas näher an sich zog.

"Wenn du immer nur 'hm' machst, ist es kein Wunder, dass dich niemand versteht. Ich schätze mal, jetzt gerade bedeutete es soviel wie 'nein'. Aber 'nein' wozu? Willst du dich nicht setzen oder bist du nicht müde?"

"Ich bin nicht müde und ich setze mich auch nicht", sagte Kai knapp und in einem Ton, der scheinbar keinen Widerspruch duldete.

Rei jedoch war mittlerweile daran gewöhnt. Er traute sich zwar immer noch nicht ihn direkt nach dem Grund zu fragen, doch schaffte er es ihn einige Zeit fragend anzusehen, bis Kai sich dadurch so genervt fühlte, dass er mit der Sprache rausrückte.

"Meine Klamotten sind nass. Ich will nicht alles hier durchnässen."

Er hatte hier schon zu viel angerichtet. Wegen ihm war das halbe Wartezimmer nass und rutschig, was für die Patienten bestimmt nicht gut war. Wegen ihm fühlten sich bestimmt einige Leute genervt, wo sie doch hierher gekommen waren um auszuruhen. Und wegen ihm war Rei klatschnass. Er fror bestimmt erbärmlich und wurde wahrscheinlich wegen ihm auch noch richtig krank. Schuldbewusst betrachtete Kai die bläulichen Lippen des Anderen, der ihn trotz der widrigen Umstände freundlich - ja fast tröstend - ansah.

"Aber dafür sind Krankenhäuser doch da. Also jetzt nicht zum durchnässen, aber man soll sich hier doch auch ausruhen können und Hilfe finden. Deshalb kannst du dich ruhig setzen. Die Bettwäsche wird danach eh gewechselt."

"Nein."

Das war nun wirklich endgültig. Kai wollte nicht und absolut nichts würde ihn umstimmen können. Schweren Herzens gab Rei also auf, doch konnte er nicht zulassen, dass Kai auch noch die ganze Zeit stand. Dieser sah ihn zwar nicht mal mehr an, aber trotzdem musste er zumindest versuchen, ihn dazu zu bewegen sich auf den Boden zu setzen, auch wenn der kalt war. Immer noch besser als das gesunde Bein weit mehr als nötig zu belasten.

"Kai, dann setz dich wenigstens auf den Boden."

Der Angesprochene sah ihn ungläubig an. Was war nun wieder ihn seinen 'Beschützer' gefahren. Vorhin hatte er ihn angeblufft, weil Kai nur daran gedacht hatte, sich auf den Boden zu setzen und jetzt schlug er es selbst vor? Mal wieder war Reis Handlungs- und Denkweise für ihn ein Rätsel.

Nachdem er ihn einige Sekunden lang angestarrt hatte, drehte er einfach den Kopf wieder weg. Er wäre weggegangen, hätte ihm sein Fuß dergleichen erlaubt, doch so blieb ihm nichts anderes übrig, als von Rei gestützt nah bei ihm stehen zu bleiben, ihn aber nicht mehr anzusehen.

Diesem allerdings wurde das Ganze langsam zu blöd. Er sah, dass es Kai enorme Kräfte kostete stehen zu bleiben, selbst wenn er ihn stützte. Er konnte spüren, wie seine Muskeln zu zittern begannen und wie er immer schwerer atmete. Und er wusste leider auch, dass er ihn auf normale Weise nicht dazu kriegen würde sich hinzusetzen. Also beschloss er kurzerhand, dass er ihn wohl oder übel zu seinem Glück zwingen musste.

Da Kai immer noch stur in eine andere Richtung blickte, bekam er nicht mit, wie sich Rei auf die geplante Aktion vorbereitete. Er spürte zwar, wie sich Rei, während er ihn weiterhin festhielt, bewegte und seinen Stand festigte, doch konnte er sich nicht erklären wozu und machte sich auch eigentlich keine Gedanken darüber. Erst als Rei ihm das eine Bein, das ihm noch zum Stehen geblieben war, geschickt wegzog, dachte er daran, dass er vielleicht doch etwas mehr auf dessen Bewegungen hätte achten sollen.

Da war es aber dann auch zu spät. Rückwärts näherte sich Kai langsam dem Boden. Rei hielt ihn und ließ ihn langsam hinunter gleiten und Kai konnte nichts dagegen tun, da er keine Kraft dagegen setzen konnte, weil er mit keinem Körperteil mehr den Boden berührte und darüber hinaus schwer damit beschäftigt war, sich an Reis Yukata zu klammern, weil er ihm nun doch noch nicht so bedingungslos vertraute, um sich ohne Sorge so von ihm halten ließ.

Und er merkte auch wie schwer es Rei fiel, denn auch er war langsam mit seinen Kräften am Ende. Kai immer zu stützen war halt doch nicht so leicht, wie es schön war. Auch Rei merkte, dass er Kai so nicht lange würde halten können und beeilte sich daher, ihn heil zu Boden zu schaffen.

Vorsichtig setzte er ihn ab und um sie herum wurde es dunkler. Jemand hatte den Vorhang um das ganze Bett zugezogen, sodass sie nun auch vor den Blicken der anderen Patienten sicher waren. Noch vorsichtiger, legte Rei Kais Fuß ab ohne seine Augen dabei von seinem Gesicht zu wenden. Kai sah ihn immer noch etwas entsetzt an, doch lag auch ein ganz leichtes Lächeln auf seinen Zügen, was Rei sehr freute und ihn auch davon abhielt, das Folgende zu genau zu nehmen.

"Was fällt dir ein?! Hast du sie noch alle?! Ich hätte mir sonst was brechen können! Solltest du so etwas noch einmal versuchen, mache ich dasselbe mit dir, aber ohne dich aufzufangen!"

Rei sagte dazu einfach mal nichts, sondern lächelte Kai einfach nur freundlich an und freute sich, dass er ihn endlich sitzen sah, wenn auch mit einem etwas widerwilligen Gesichtsausdruck. So schnell würde er zumindest nicht wieder hochkommen.

Während Rei darum so vor sich hin grinste, schmollte Kai, blieb allerdings sitzen, was mit ausgestreckten Beinen und krummen Rücken jedoch auch nicht entspannender war, als zu stehen. Außerdem konnte er sich seine Gefühle gerade mal wieder nicht erklären. Als er so in Reis Armen gelegen hatte, war ihm richtig warm geworden. Es war unbequem gewesen und er hatte alle Hände voll damit zu tun gehabt, sich festzuhalten, und doch hatte es ihn auf eine andere Weise entspannt.

Da er jedoch mit diesem Wirrwarr an Gefühlen nicht hatte umgehen können, hatte er Rei sofort wieder angeschrieen, was ihm jetzt schon wieder Leid tat. Doch hatte Rei nicht einmal auf seine Vorwürfe reagiert oder Anzeichen von Angst gezeigt, als er ihm gedroht hatte. Er hatte einfach nur gelächelt, was Kai sehr schnell den Großteil seiner Wut aus den Segeln genommen hatte.

Allerdings war er nun nicht mehr in der Lage Rei anzusehen, ganz einfach weil er nicht wusste, wie er gucken sollte. Wütend, überrascht oder einfach auch freundlich?

Nach einiger Zeit, in der Rei wieder etwas von seinem Hochgefühl runtergekommen war und sich nicht mehr nur wie ein Kind freute, dass er es geschafft hatte, Kai zu etwas zu bringen, das er eigentlich nicht gewollt hatte, bemerkte er, dass die Position, in der er Kai da zurückgelassen hatte, doch recht unbequem sein musste.

Also stand er auf, ging um ihn herum und kniete sich hinter ihm wieder zu Boden. Kai hatte ihn aus den Augenwinkeln verfolgt, war jedoch nicht bereit, sich auf irgendeine Weise dankbar zu zeigen, weshalb er seinen Kopf immer in die Richtung drehte, die entgegengesetzt zu Reis Aufenthaltsort lag.

Rei, dem Kais Verhalten doch langsam auf den Keks ging, zog ihn einfach spontan an sich. Da er die Knie auseinander bewegt hatte, lehnte Kai nun direkt an seiner Brust und schaute ihm unwillkürlich von einer etwas niedrigeren Position in die Augen, als er überrascht den Kopf wendete. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen und auch Rei merkte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg, ohne dass er etwas daran hätte ändern können. Er hatte nicht erwartet, dass Kai ihm so nah sein würde, wenn er ihn an sich zog. Er hatte auch erst darüber nachgedacht, als er schon seine Schultern gepackt hatte.

Kai war zuerst nur überrascht gewesen, dann jedoch auch wieder irritiert von seinen eigenen Gefühlen, denn er fand es komischerweise schön so nah bei Rei zu sein. Wieder mal verstand er sich selbst nicht und er wusste nicht einmal mehr, wie oft ihm das heute schon passiert war.

Beide wurden aus ihren Gedanken zurückgeholt, während sie sich noch immer ansahen, als eine Ärztin den Vorhang um das Bett zurückzog und die beiden am Boden sitzenden, durchnässten und in Yukata gekleideten Jungen verwirrt ansah.

Der eine Junge saß mit ausgestreckten Beinen in einer kleinen Pfütze und blickte sie im ersten Moment fast entsetzt an, dann jedoch wandelte sich sein Blick in bloße Abscheu. Der Junge lehnte an dem anderen, schwarzhaarigen, der, genau wie er, ganz blaue Lippen hatte und den anscheinend Verletzten stützte. Er hatte den linken Arm um seinen Bauch gelegt und zog den Jungen, der die Ärztin immer noch böse anfunkelte, in diesem Moment noch näher an sich heran, sodass er in einer fast aufrechten Position dasaß.

Der Junge der hinter dem Verletzten kniete, sah die Ärztin freundlich an, während der Andere seine feuerroten Augen von der Ärztin gewand hatte und nun seinen Freund verächtlich anblickte, was diesen aber gar nicht zu stören schien.

"Sie sind Ärztin, oder? Helfen sie ihm?", fragte Rei erleichtert, dass endlich jemand da war, der sich um Kais Verletzung kümmern würde, aber auch erleichtert, dass jemand die peinliche Situation von eben unterbrochen hatte. Er hätte Kai sonst ewig ansehen und ihn in seinen Armen spüren wollen und hätte nicht gewusst, wie er ohne Einwirkung von Außen wieder aus dieser Situation heraus gekommen wäre.

Auch Kai war die Störung erst ganz recht gewesen, bis er erkannt hatte, dass eine Ärztin sie unterbrochen hatte. Das hieß, dass er sich jetzt wieder einmal einer Untersuchung stellen musste, was ihm gar nicht behagte. Die meisten Ärzte, bei denen er gewesen war, hatten alles nur noch schlimmer gemacht. Sie hatten ihm wehgetan und er hatte es ihnen nicht zeigen können, weil ihm von klein auf eingebläut worden war, dass man nur stark war, wenn man seinen Schmerz nicht zeigte.

Und er hatte stark sein müssen. Er wollte stark sein. Erst recht jetzt, da Rei hier hinter ihm saß und ihn noch näher an sich gezogen hatte, wahrscheinlich nur, um ihn zu stützen, doch machte es diese Nähe Kai nur noch schwerer, die Behandlung reaktionslos über sich ergehen zu lassen, weil er spürte, dass Rei da war und ihm beistehen würde, wenn er Schmerzen hatte.

Der Zwiespalt einerseits keine Anzeichen von Schmerz zeigen zu wollen, andererseits aber die Gewissheit zu haben, dass jemand da war, der diese mit ihm ertragen würde, beanspruchte für die nächste Zeit sein komplettes Bewusstsein und ließ ihn sogar nicht einmal mitkriegen, wie sich die Ärztin zu ihnen hinunterkniete und mit Rei über seine Verletzung sprach.
 

"Er hat sich also was am Fuß getan? Und ihr vermutet einen Bänderriss? Warum? Erklär mir bitte noch mal genau, wie das passiert ist."

Sie blickte Kai an, der jedoch nur ins Leere starrte, weshalb Rei, nach einem besorgten Blick in Kais ausdrucksloses Gesicht, zu erzählen begann. Er berichtete von Kais Salto und der Landung, bei der es laut geknackt hatte; wie sie beide danach ins Wasser gefallen waren, den Fuß ein wenig gekühlt hatten und dann mit dem Taxi vor ungefähr 3 Stunden hier angekommen waren, wobei er die Ärztin bei Erwähnung der Wartezeit vorwurfsvoll ansah. Er erklärte, dass Kai gemeint hatte, es sei kein Bruch, sondern wohl ein Bänderriss und dass sie nun hier auf dem Boden saßen, weil sie das Bett nicht hatten durchnässen wollen.

Etwas ungläubig hatte die Ärztin dem Bericht gelauscht und sich währenddessen schon mal Kais Fuß angesehen.

"Ihr sitzt seit 3 Stunden völlig durchnässt in dem kalten Wartezimmer?", fragte sie fast mitleidig. "Hätte euch niemand Sachen bringen können? Oder hättet ihr nicht sagen können, es sei dringend?"

"Glauben Sie wirklich, ich hätte nicht alles getan um ihn schnell zu einem Arzt zu kriegen?", zischte Rei zurück. "Er hat große Schmerzen, ist eiskalt und braucht jetzt endlich Hilfe, also tun Sie gefälligst was! Sofort!"

Der drohende Ton in seiner Stimme brachte die Ärztin dazu, unverzüglich Kais Fuß hochzunehmen und ihn abzutasten.

Kai hingegen, war aus seinen Gedanken geschreckt, als Reis Aussage diesen drohenden Unterton zeigte. Das war er von dem sonst immer freundlichen, zuvorkommenden Jungen gar nicht gewöhnt.

Kai hatte aus seiner halb liegenden, halb sitzenden Position zu ihm aufgeblickt und Reis Blick verriet ihm, dass es diesem tatsächlich sehr ernst war, mit dem was er da sagte. Er selbst hatte nicht alles genau mitbekommen, aber er merkte, dass es um ihn und seine Behandlung ging. Rei war so aufgebracht, weil die Ärztin immer noch nichts getan hatte, um herauszufinden, was er hatte und wie sie ihm helfen konnte und diese Wut schmeichelte Kai, auch wenn er sich das nicht eingestehen wollte, selbst als sich Reis Arm um seinen Bauch verkrampft hatte, als er angefangen hatte zu sprechen.

Er wäre wieder fast ausgetickt, als diese dumme Ärztin so scheinheilig gefragt hatte, warum sie denn nicht früher gekommen waren. Die hatte anscheinend keinen blassen Schimmer, wie man hier in den Warteraum abgeschoben wurde, nur damit die Ärzte sich nicht allzu sehr hetzen mussten. Rei hatte immer daran geglaubt, dass Ärzte den Menschen helfen würden, wenn sie Hilfe benötigten, doch langsam merkte er zu seinem Bedauern, dass Kais Sicht von Ärzten wohl doch um einiges zutreffender war, als die seine.

Er hatte Recht: Ärzte waren nicht da, wenn man sie brauchte und sie behandelten einen auch nicht hinreichend. Die Ärztin, die hier vor ihnen saß, drehte Kais Fuß nur ein wenig hin und her und schaute ihn sich an, tat jedoch nichts um die Schmerzen zu lindern, die Kai ganz offensichtlich hatte. Sein Körper hatte sich immer mehr verkrampf, seit die Frau seinen Fuß hochgehoben hatte.

Rei konnte spüren, wie Kai krampfhaft versuchte keinen Laut von sich zu geben und sich auch sonst ruhig zu verhalten, doch schienen die Schmerzen, die die Ärztin ihm bereitete, beinahe unerträglich zu sein, denn auf einmal krallte sich Kais linke Hand in Reis Yukata über dessen Knie, zu dem Kais Hand ganz langsam gewandert war. Zögernd drehte sich Kais Kopf nach links, bis seine Stirn in Reis Halsbeuge lag.

Er hatte seine Augen fest geschlossen, sodass er nicht sah, wie besorgt dieser zu ihm nieder blickte, doch spürte er, wie seine rechte Hand langsam Kais Oberarm hoch strich und schließlich über seinem Ohr in seinen Haaren liegen blieb. Auch festigte Rei seinen Griff um Kais Bauch, ohne ihm dabei jedoch weh zu tun. Kai war dankbar, darüber, dass Rei ihm auf diese Weise zeigte, dass er ihn nicht allein lassen würde; dass er ihm beistand.

Die Ärztin war immer noch nur mit dem verletzten Fuß beschäftigt und hatte nicht einmal aufgesehen, obwohl sie doch merken musste, wie sich Kais Körper anspannte. Sie drückte auf mehrere Stellen rund um die vermutete Verletzung und ganz plötzlich, als die Frau an eine bestimmte, ziemlich geschwollene Stelle Hand anlegte, bäumte sich Kais ganzer Körper vor Schmerz auf.

Er warf den Kopf zurück, riss den Mund auf, gab jedoch keinen Ton von sich. Rei hatte Mühe ihn weiter festzuhalten und bemerkte deshalb auch zuerst nicht, dass Kai mit der freien Hand nach der seinen gegriffen hatte. Sein Arm lag immer noch auf Kais Bauch und dieser hielt ihn nun auch dort. Er hatte seinen Arm blitzschnell an Reis entlang geführt, bis er an dessen Hand angelangt war und diese gepackt hatte. Er hielt sie so fest, dass es Rei wehtat. Er versuchte jedoch seinerseits Kais Hand zu drücken, um ihm zu zeigen, dass er nicht allein war.

Gerade als Rei los schrie: "Hören Sie auf! Sie tun ihm weh!", trat Kai mit dem unverletzten Fuß nach der Ärztin, sodass sie nach hinten kippte und Kais Fuß losließ. Er landete schmerzhaft auf dem harten Boden, doch war Kai diese Kurpfuscherin nun endlich los.

Er krallte sich noch immer in Reis Yukata, hielt seine Hand und legte seine Stirn langsam wieder in seine Halsbeuge, doch begann sein Körper sich langsam wieder von der minutenlangen Anspannung zu erholen. Er konnte nicht denken, er war nur unendlich froh, dass er in diesem Moment nicht allein sein musste - wie sonst immer.

Rei blickte entsetzt abwechselnd Kai und die Frau an. Er hielt Kais Kopf an seine Brust und drückte seine Hand so fest er nur konnte, doch schien dies Kai die erste Zeit gar nicht zu helfen. Erst nach qualvollen Minuten, begann er sich langsam wieder zu entspannen. Rei hatte die Frau während dieser Zeit immer wieder hasserfüllt angesehen, auch wenn es ihm nach einiger Zeit Leid tat, da sie so verängstigt aussah, doch hatte sie Kai wehgetan und das konnte und wollte er ihr nicht verzeihen. Und auch jetzt saß sie nur da auf dem Boden und tat nichts um Kai zu helfen. Ärzte waren anscheinend wirklich vollkommen nutzlos, wie Kai schon gesagt hatte.
 

Erst als Kai sich wieder soweit entspannt hatte, dass er die Augen öffnen konnte, nahm er seine Umgebung wieder richtig wahr. Er sah die Frau, wie sie am Boden kauerte und ihn ängstlich ansah und er spürte Reis Hand in seinen Haaren, und wie seine Finger behutsam auf und ab strichen. Die Blässe wich so schnell aus seinem Gesicht, wie sie bei dem heftigen Schmerz gekommen war, denn seine Wangen röteten sich zusehends, erst recht als er auch noch registrierte, dass er Reis und Rei seine Hand festhielt.

Er hatte nicht mehr gewusst, was er tat, als der Schmerz ihm fast das Bewusstsein geraubt hatte, doch musste er wohl aus Reflex nach Reis Hand gegriffen haben. Schnell ließ er sie wieder los und wollte sich aufrichten um etwas Abstand von Rei zu gewinnen. Dieser jedoch hielt ihn fest an sich gedrückt, sodass Kai, auch weil er kaum mehr Kraft hatte, keine andere Wahl blieb, als sich wieder anzulehnen.

"Geht's wieder?", fragte Rei besorgt, ohne jedoch seine Hände von Kai zu nehmen.

Kai war noch nicht in der Lage zu sprechen, erst recht nicht, nachdem er wider Willen abermals in Reis Armen lag, doch nickte er kurz. Daraufhin wendete sich Rei wieder an die Ärztin, die bis jetzt immer noch keinerlei Regung gezeigt hatte. Er schaute sie verachtend an, versuchte aber seine Stimme so ruhig wie möglich zu halten.

"Ich hoffe ihre 'Untersuchung' hat jetzt was gebracht und sie können eine Diagnose stellen, damit wir auch was kriegen können, das ihm hilft."

"Ich kann nichts Genaues sagen. Der Knöchel ist sehr geschwollen und er hat ja nicht gesagt, wo er Schmerzen hat, als ich ihn abtastete..."

"Das ist ihre Entschuldigung?", fragte Rei aufgebracht. "'Er hat nichts gesagt'? Vielleicht konnte er nicht, weil er zu große Schmerzen hatte. Sie sind doch Ärztin, Sie müssen fühlen, wie es einem Patienten geht und vielleicht würde es dabei auch helfen, wenn sie sich ihn bei der Untersuchung auch mal ansehen würden!"

Weil die Frau auch nach einer längeren Pause nichts erwiderte, nahm Rei langsam seine Hände von Kai und stand auf, während er ihn noch immer stützte.

"Also geben Sie uns jetzt was gegen die Schmerzen und wir verschwinden endlich von hier!"

Der Ton war nicht drohend, aber befehlend und die Ärztin machte sich verängstigt auf den Weg ein Schmerzmittel zu holen. Währenddessen half Rei Kai wieder hoch und sie warteten ungeduldig auf die Rückkehr der nutzlosen Ärztin.

Kai ging es wieder etwas besser, obwohl es ihm jetzt noch schwerer fiel, zu stehen, auch wenn Rei ihn stützte. Und auch dieser hatte nicht mehr so viel Kraft. Die ganze Zeit, in der sie dort standen, redeten sie kein Wort und sahen sich auch nicht an, und doch wussten beide, wie es dem anderen ging und wie er sich fühlte - zumindest halbwegs.

Rei fühlte, dass es Kai besser ging, aber auch, dass er langsam mit seinen Kräften am Ende war. Und er spürte auch, dass Kai ihm für seinen Beistand dankbar war. Er hatte zwar nichts in der Richtung erwähnt, aber er hatte auch nichts dagegen gesagt. So war Rei sich ziemlich sicher, dass es Kai geholfen hatte, dass er ihn gehalten hatte.

Kai hingegen hatte sich schon wieder Gedanken gemacht, ob er sich nicht doch bei Rei bedanken sollte, wo er ihm doch wirklich so dankbar war, doch sein Stolz ließ dergleichen nun mal einfach nicht zu. Irgendwann merkte er jedoch, dass ein 'Danke' nicht nötig war. Rei wusste, dass er ihm dankbar war, und die Vorstellung, dass sich die beiden ohne Worte verstanden gefiel Kai, genauso wie Rei auch.

Als die Ärztin endlich zurückkehrte, reichte sie Rei wortlos eine Plastiktasche, in der sich zwei Schmerzmittel, eine Salbe und drei Rollen Verband befanden, und sah dann wieder zu Boden. Sie war richtig geknickt, dass sie nicht hatte helfen können, sondern dem Patienten auch noch Schmerzen zugefügt hatte.

Rei tat dieses Häufchen Elend schon wieder Leid, während Kai sein Mitleid, aber auch seine Wut hinten anstellte und nur zu Rei meinte "Gehen wir." Die Frau blickte überrascht auf, denn zum ersten Mal hörte sie Kais sanfte Stimme, denn die ganze Zeit vorher hatte er nicht gesprochen. Kai irritierte dieser Blick schon wieder und er wurde langsam nervös, doch dann entschuldigte sich die Ärztin mit einer tiefen Verbeugung bei ihm für die unnötigen Schmerzen.

"Reib den Fuß gründlich mit der Salbe ein und verbind ihn dann. Weißt du wie ein Stützverband aussieht?", fragte sie an Rei gewand.

Dieser nickte und bedankte sich freundlich bei der Frau. Diese sah Kai noch einmal entschuldigend an und holte ein Paar Krücken aus einem Schrank in dem großen Raum, nachdem der Verletzte ihr leicht zugenickt hatte.

Verblüfft sah Rei ihn an. Er hatte nicht erwartet, dass sich Kai so beherrschen, sondern die Ärztin erst mal gehörig zusammenstauchen würde, um die Wut über seine Schmerzen an ihr auszulassen. Er nahm an, dass Kai einfach zu erschöpft war, um sich jetzt noch einem Wutanfall hinzugeben, doch das war nur die halbe Wahrheit. Kai war erschöpft, aber noch entscheidender für seine ruhige Reaktion war, dass er vor Rei nicht ausrasten wollte.

Er hatte ihm vorhin gesagt, dass er Geschrei und Wutausbrüche nicht ab konnte, und so konnte er jetzt ja schlecht selbst hier rumkeifen. Also blieb er ganz ruhig, wartete, dass die Ärztin mit den Krücken zurückkam und versuchte sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen, dass er sich freute, dass Rei sich darüber freute, dass er die Frau nicht anschrie.

Kai nahm die Krücken entgegen und wollte sich aus Reis Griff lösen, um sich auf die Gehhilfen zu stützen. Rei jedoch hielt ihn nur noch fester und sah ihn ungläubig an.

"Du willst doch wohl nicht allein mit diesen Dingern laufen? Du bist viel zu erschöpft. Los, ich trag dich wieder."

"Als ob du nicht auch erschöpft wärst. Du hast nicht mehr genug Kraft mich zu tragen. Ich laufe auf Krücken, das ist nicht so anstrengend."

"Ja, sicher. Und ich hüpf fröhlich neben dir her und auf dem Weg nach Hause springen wir noch Seilchen. Sonst noch Wünsche?"

Anstatt der wütenden Reaktion, die Rei erwartet hatte, grinste Kai jedoch. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - seiner momentanen Erschöpfung bewies er ausnahmsweise mal Humor.

"Ja, und im Hotel spielen wir mit den anderen fangen", meinte er immer noch lächelnd, doch war sein Ton so trocken, dass die Ärztin, die die beiden bis jetzt ruhig beobachtet hatte, energisch den Kopf schüttelte, woraufhin Rei laut lachen musste. Lächelnd wendete er sich wieder Kai zu und nahm ihm eine Krücke aus der Hand.

"Ich mach dir einen Vorschlag: Jeder stützt sich auf eine Krücke. Ich halt dich weiterhin fest und du lässt deinen Arm um meinen Hals. So dürfte es gehen, denk ich."

Er legte sich die Krücke richtig in die Hand und verlagerte sein Gewicht etwas darauf. Kai tat es ihm gleich und beide versuchten vorsichtig den ersten Schritt zu tun. Glücklicherweise schien Reis Vorschlag tatsächlich umsetzbar zu sein, sodass sie langsam zur Information zurückliefen, um nach einem Taxi zu fragen.

Die Dame dort saß gelangweilt auf ihrem Stuhl, blickte jedoch erfreut auf, als sie die beiden Jungen vor der Scheibe stehen sah. Vermutlich erinnerte sie sich an die angenehme Abwechslung von ihrer gewohnten Tätigkeit von vorhin und erwartete nun, dass noch mal etwas in dieser Art geschehen würde, das sie interessieren könnte. Als Rei sie jedoch nur nach einem Telefon fragte, schien sie etwas enttäuscht. Sie deutete wortlos den Gang hinunter, an dessen Ende ein Münztelefon hing und wendete sich wieder einigen Dokumenten auf ihrem Tisch zu.

Kai lehnte sich an den Tresen und bedeutete Rei allein telefonieren zu gehen. Er war doch um einiges erschöpfter, als er gedacht hatte und schon der kurze Weg in den Warteraum hatte ihn ziemlich geschafft. Er merkte auch, dass es Rei nicht viel anders ging, aber immerhin konnte der auch ohne Krücken laufen, deshalb schickte er ihn einfach mal. Außerdem wollte er noch mal kurz allein sein, bevor sie wieder die ganze Taxifahrt so nah beieinander sein würden.

Er konnte immer noch nicht so ganz begreifen, was er da eben getan hatte. Er hatte - zwar unbewusst, aber dennoch irgendwie absichtlich - nach Reis Hand gegriffen. Und es hatte ihn beruhigt; ihm geholfen. Sehr sogar. Er konnte sich nicht so ganz erklären, warum das für ihn eine solche Bedeutung gehabt hatte und er hatte auch keine Ahnung, was Rei nun von ihm dachte.

Ob er ihn nun für einen Schwächling hielt? Ob er sich ihm gegenüber von jetzt an anders verhalten würde, nachdem Kai ihm so nah gewesen war? Ob es ihm überhaupt etwas bedeutet hatte?

Kai war sich in nichts von alledem auch nur im Ansatz sicher. Er wusste nur, dass er schleunigst ins Hotel wollte. Ihm war eiskalt, er hatte Hunger und er wollte sich nicht mehr so von Rei abhängig fühlen, auch wenn es ihm auf gewisse Weise gefiel.

Während Rei am Telefon stand, die Nummer des erstbesten Taxiunternehmens anrief und möglichst versuchte Kai in der Zeit des Gesprächs nicht anzusehen, dachte auch er darüber nach, was eben geschehen war: Kai war in seinen Armen vor Schmerz fast ohnmächtig geworden und hatte doch nach seiner Hand gegriffen. Zum ersten Mal hatte er Hilfe gefordert und Rei hatte nichts tun können, außer ihn zu halten, was ihm ja nicht wirklich geholfen hatte.

Er fühlte sich ziemlich nutzlos und das wollte er für Kai einfach nicht sein. Außerdem wusste er nicht, ob Kais Reaktion nach seiner Hand zu greifen nicht einfach nur ein Reflex gewesen war. Er hatte keine Ahnung, was er jetzt von ihm dachte. Ob er ihn nun für einen Schwächling hielt? Ob er sich ihm gegenüber von jetzt an anders verhalten würde, nachdem er Rei so nah gewesen war? Ob es ihm überhaupt etwas bedeutet hatte?

"Aber wer weiß schon, was du denkst?", sagte er leise vor sich hin.

Kai wendete ihm zwar den Kopf zu, gab aber vor, nichts gehört zu haben.

Bevor er jedoch weiter darüber nachdenken konnte, sagte ihm der freundliche Mann am anderen Ende der Leitung, dass gerade ein Taxi vor dem Krankenhaus stehen würde, da es einen Verletzten gebracht hatte und dass sie sich beeilen sollten, dahin zu kommen, bevor es sich jemand anders schnappte.

Schnell hängte Rei ein, lief zu Kai und erklärte ihm hastig, dass sie sich beeilen müssten. Dieser entsprach seiner Bitte tatsächlich sofort und legte eigenständig den Arm um ihn, während sich Rei schnell die Krücke krallte und um Kais Hüfte fasste. Gleichzeitig schauten beide noch einmal auf, um zu fragen, ob der Andere bereit sei, doch stellten auch beide diese Frage nicht, sondern blickten sich nur kurz aber durchdringend an.

Weder Rei noch Kai wussten, warum dieser Blick für sie so intensiv gewesen war, nur die Frau hinter der Glasscheibe schien zu begreifen. Trotzdem sie augenscheinlich nicht besonders intelligent war, konnte sie erkennen, wozu die beiden Jungen noch eine ganze Zeit brauchen würden. Bei dem Gedanken lächelte sie still vor sich hin und beobachtete, wie Kai und Rei durch das Wartezimmer nach draußen eilten.

Wieder empfing sie diese atemraubende Kälte, die sie sofort wieder die Kälte spüren ließ, die sich in den letzten 3 Stunden in ihren Körpern mehr und mehr ausgebreitet hatte. Schnellstens gingen sie zu dem Taxi, das nicht weit vom Eingang wartete.
 

So, das war dann mal Kapi 4

Ich mach mich schnell an Nummer 5 und hoffe, dass ich auch das schreibe, was ich schreiben will und nicht irgendwas anderes -_-' komisch war das, ehrlich mal...

Nya denne, danke für's lesen und ciaoi

tenshi

Wer weiß, was deine Gründe sind

Es tut mir wirklich ganz aufrichtig Leid, dass das jetzt so lange gedauert hat. Ich komm einfach im Moment nicht so richtig dazu, Entschuldigung *verbeug*

Das Abi rückt immer näher und alle machen sich schon verrückt, und da hab ich dann auch mal was getan, und dann kam diese Geschichte hier voll zu kurz... Bitte verzeiht mir GOMEN NASAI

Aber ich bedank mich dann wenigstens mal für die Kommis, auch wenn's nicht sonderlich viele sind. (^,^') Also danke an all die, die sich das hier antun. ARIGATOU!

Nun aber endlich zu Kapitel 5

Ich hab's noch nicht Korrektur gelesen, weil ich's so schnell wie möglich on stellen wollte, aber das mach ich noch. Ich schätz aber, dass trotzdem nicht allzu viele Fehler drin sein werden (ein Glück gibt es Rechtschreibprogramme n.n) Ich werd wohl später nur noch ein paar Formulierungen korrigieren, für die mir beim Nachlesen noch bessere einfallen, aber nya, ich will nicht weiter rumlabern... *selbst hau*

Edit: Ich hab's jetzt Korrektur gelesen und musste doch noch einiges ändern *drop* nya, jedenfalls ist es jetzt fertig ^,^

So: LESEN, LOS!
 

Kapitel 5 Wer weiß, was deine Gründe sind
 

Ein Glück hatte sich noch kein anderer Fahrgast um das Taxi bemüht, sodass Rei und Kai nach kurzem Klopfen an die Scheibe und einem freundlichen Nicken des Fahrers einsteigen konnten. Rei half Kai ins Auto, dieser rutschte rüber auf die Beifahrerseite und nahm die Krücken und die Tasche mit dem Verbandszeug und den Schmerzmitteln entgegen, die Rei ihm hinhielt. Er legte alles vor die Sitze zu ihren Füßen und machte es sich dann soweit bequem.

Rei kletterte in den Wagen und nannte dem Fahrer, nach kurzem Seitenblick auf Kai, ihr Ziel. Dieser stellte die Uhr an und fuhr gemächlich los, während auch Rei versuchte sich einigermaßen gemütlich hinzusetzen.

Kai hatte dies mittlerweile aufgegeben und nur das verletzte Bein über das gesunde gelegt, um zumindest den Fuß nicht unnötig zu belasten. Wie das Taxi da auf die Ausfahrt des Krankenhauses zuschlich, machte ihn schon wieder rasend. Er wollte nach Hause, so schnell es ging, und wenn nötig auch mit einer kleinen Geschwindigkeitsüberschreitung.

"Wäre es eventuell möglich, dass sie versuchen, die Schnecke, die uns gerade überholt zumindest ein Stück abzuhängen?", meinte er mit sarkastischem Unterton. "Wenn wir in 10 Minuten am Hotel sind, zahle ich Ihnen noch mal die Hälfte des Preises drauf, einverstanden?"

Bei diesen Worten wurde der Fahrer hellhörig. Er hatte auch schon bei dem vor Ironie strotzenden Witz leicht gegrinst, jetzt jedoch drehte er ungläubig den Kopf und sah dem blassen Jungen mit den blauen Lippen in die rubinroten Augen. Dieser starrte fest zurück und wusste nicht, warum ihn dieser Typ so skeptisch ansah.

"Und du bist sicher, dass du dir das auch leisten kannst? Du siehst nicht unbedingt nach dem reichsten Jungen der Welt aus und außerdem würde ich, an deiner Stelle, mein Geld eher für ein paar vernünftige Klamotten ausgeben", meinte der kühne Mann hinterm Steuer.

Kai überging diese Bemerkung und den Blick, mit dem dieser Kerl ihn angesehen hatte einfach mal, auch wenn es ihm nicht leicht fiel, nicht direkt zurückzuschlagen, doch traute er sich ein solches Wortgefecht in seinem momentanen Zustand nicht unbedingt zu. Außerdem wollte er nicht, dass das Gespräch vor Reis Augen in wüste Beleidigungen ausartete, was wohl nach einiger Zeit durchaus passiert wäre: Er kannte doch solche Taxifahrer.

Zudem behagte ihm etwas an dem Blick dieses Mannes nicht so ganz. Er konnte nicht so recht sagen, was es war, aber auf irgendeine Weise war es ihm unangenehm von dem Typen so angesehen zu werden. So deutete er nur mit dem Finger auf Rei und grinste diesen frech an.

"Er zahlt."

Der Fahrer lachte laut auf, während Rei Kai verblüfft anblickte.

Auf das war er nicht vorbereitet gewesen. Er hatte das Gespräch interessiert verfolgt und auch schon eingreifen und die Situation erklären wollen, als der Fahrer Kai wegen seiner nassen Klamotten so abwertend angesehen hatte, doch hatte auch er dann diese andere Art bemerkt, auf die der Mann Kai angesehen hatte. Auch Rei hatte im ersten Augenblick nicht erkannt, was es war, das ihn an diesem Blick so dermaßen störte, doch war es ihm nach einiger Zeit auch egal geworden, da er nur noch wollte, dass der Typ aufhörte.

Bevor er noch weiter über den Grund nachdenken konnte, kam dann diese Aussage von Kai. Ganz trocken hatte er gesagt, Rei würde zahlen. Erst als er darüber nachdachte, wurde Rei klar, dass das mal wieder Kais Art von Humor gewesen war, allerdings hatte er ihn dabei so keck angegrinst, dass Rei die Röte ins Gesicht geschossen war. Irgendwas war, trotzdem er es nicht anders gesagt hatte, als er es vorher getan hatte, anders.

Vielleicht kam es Rei aber auch nur so vor.
 

Sie fuhren schon einige Zeit auf der Straße, die sie wieder auf den großen Stadtring brachte, bevor Rei langsam wieder zu Kai aufblickte und ihm leise zuflüsterte.

"Kai, ich hab nicht mehr so viel Geld. Ich weiß nicht, ob das für einen Zuschlag noch reicht und ich glaub nicht, dass der hier Karten annimmt."

"Ach, und wenn schon. Dann kriegt er entweder nichts, oder muss mal kurz warten, bis ich mein Geld geholt hab. Das wird doch nun wirklich kein Problem sein. Mal keine Sorge."

Kai war ja so cool.

Als ob dies Rei zum ersten Mal auffiel, wurde es ihm bewusst. Er selbst war schon fast wieder innerlich an dieser Sache mit dem Geld verzweifelt, doch Kai saß, trotz der Schmerzen, trotz der Kälte da und sagte etwas, was ihn einfach beruhigte, auch wenn es vielleicht nicht darauf abgezielt hatte. Aber ihm wurde nun später auch bewusst, was es war, das ihn an dem Blick des Mannes so sehr angewidert hatte, denn er fühlte, dass in dieser Sekunde genau dasselbe in seinem Blick lag.

Er hatte das ganz sicher nicht mit Absicht gemacht, doch schon senkte er schuldbewusst den Kopf. Er hatte Kai nicht nur angestarrt, er hatte ihn mit seinem Blick praktisch verschlungen. Seine kühlen und doch feurigen Augen; seinen angespannten, muskulösen Oberkörper, der sich unter dem nassen Stoff abzeichnete; seine Hände, die ruhig, fast beruhigend, auf seinem Bein lagen; seine ganze Erscheinung einfach in sich eingesogen und es hatte ihn glücklich gemacht, was für Rei das Schlimmste an der ganzen Sache war.

Der Fahrer hatte Kai vorhin ebenso gemustert und Rei war es nun nicht nur peinlich, dass er Kai auch auf diese Weise angesehen hatte, sondern vielmehr dass er sich innerlich so sehr über den Blick des Fahrers aufgeregt hatte. Er verstand nicht recht warum. Sollte doch jeder Kai ansehen, wie er wollte.

Solange er ihn nur nicht anfasste.

Schon wieder ertappte sich Rei dabei, wie er allein bei dem Gedanken, dass jemand Kai berühren konnte, eifersüchtig wurde. Was war denn nur mit ihm los? Kai gehörte doch nicht ihm.

Noch nicht.

Wieder diese Stimme in seinem Kopf, die nicht die seine war, aber doch irgendwie zu ihm gehörte. Er wollte das alles nicht hören und doch spürte er ganz tief in sich, dass die Stimme genau das endlich aussprach, was er sich schon die ganze Zeit so sehr gewünscht hatte, ohne dass es ihm jemals wirklich bewusst geworden war.

Er schüttelte heftig den Kopf, um seine Gedanken aus seinem eigenen Schädel zu verscheuchen, was auch gleichzeitig Kai aus seinen Gedanken zurückholte. Er hatte, nachdem er versucht hatte Rei mit seinen Worten etwas zu beruhigen, die Zeit damit verbracht, abwesend auf sein Knie zu starren und nachzudenken.

Rei hatte ihn eben komisch angesehen. Es war ihm so vorgekommen, wie bei dem Taxifahrer vorhin. Auch dieser hatte ihn gemustert und jede Einzelheit seines Körpers quasi studiert. Deshalb war der Blick Kai auch so unangenehm gewesen. Bei Rei allerdings hatte es ihn zumindest nicht ganz so sehr gestört. Irgendwie war es okay, wenn es Rei war. Aber kein anderer sollte ihn so ansehen.

Kai irritierten diese Gefühle ziemlich und er versuchte sie zumindest ein wenig aus seinem Kopf zu verdrängen, was ihm jedoch mal wieder nicht recht gelang, denn wenn er nicht an die Gefühle dachte, dann dachte er an den Blick von Rei, was wieder dazu führte, was dieser in ihm ausgelöst hatte. Er wurde allmählich wütend auf sich selbst, weil er sie sich nicht erklären konnte, doch spürte er ganz tief in sich, dass diese Gefühle richtig waren und dass es diese Art von Blick gewesen war, die er sich von Rei schon lange gewünscht hatte, was ihn noch wütender machte, weil er sich dergleichen niemals eingestehen konnte.

Seine Gedanken rotierten nur noch um Rei und die Tatsache, dass nur er ihn so ansehen durfte, als dieser plötzlich seinen Kopf wild schüttelte, sodass einige Tropfen aus den immer noch nassen Haaren bis zu Kai hinüberspritzten, was ihn endlich aus seinen Gedanken riss.

Beide sahen sich kurz an, senkten jedoch die Augen sehr schnell wieder, während der Fahrer sich seinen Teil zu dem Verhalten der beiden dachte und still vor sich hinlächelte, während er in einem rasanten Tempo in eine Straße abbog, die gar nicht mehr so weit von ihrem Ziel entfernt war.

Mit waghalsigen Überholmanövern und viel Gebrauch der Lichthupe, bahnte sich der Wagen seinen Weg durch den Verkehr. Kai sah sich förmlich schon durch die Windschutzscheibe fliegen, als der Fahrer nur millimeterbreit an einem stehenden LKW vorbeiraste. Auch Rei schien jetzt erst den doch recht aggressiven Fahrstil zu bemerken und krallte sich augenblicklich in den Sitz.

Sie überholten drei Autos auf der falschen Seite, während sie außerdem 2 rote Ampeln überfuhren, mussten dann jedoch vor einem großen Laster, der die nächste Kreuzung mit roter Ampel komplett blockierte, bremsen.

Rei warf es in den Gurt, sodass er mit der Stirn an der Kopfstütze des Fahrers aufschlug, bevor er fast genauso heftig wieder zurückgeworfen wurde und einen Moment regungslos sitzen bleiben musste, um das Schwindelgefühl in seinem Kopf zumindest ein wenig loszuwerden. Als er sich wieder in der Lage fühlte, den Kopf zu bewegen, ohne dass ihm schlecht wurde, schaute er hinüber zu Kai.

Er erblickte ihn früher, als er erwartet hatte. Kai hatte es ebenso vor den Vordersitz geworfen, wie Rei, doch lag er nun halb am Boden, halb auf dem Sitz.

Ihn hatte der Gurt nicht aufgefangen. Er war nicht angeschnallt gewesen.

Rei nahm die ersten Schreckenssekunden nur wahr, wie sich Kais Hand immer fester in das Polster des mittleren Sitzes krallte und sein Kopf immer weiter nach unten sank.

Nachdem er nach schier endloser Zeit seine Fassungslosigkeit überwunden hatte, schnallte er sich blitzschnell ab und fiel vor Kai auf die Knie, soweit das in der Enge zwischen dem Vorder- und Hintersitz möglich war. Er griff mit beiden Händen nach Kais Kopf und zog ihn und damit seinen ganzen Oberkörper hoch, der sich dabei jedoch kaum bewegte. Völlig verkrampft ließ sich der Junge von ihm halten und blickte ihn dabei nur aus weit aufgerissenen, glasigen Augen an.

Erst nach einigen Sekunden, in denen Rei verängstigt in das schmerzverzerrte Gesicht des Verletzten gesehen hatte, bemerkte er, dass dieser nicht atmete. Der Schmerz musste ihm nicht nur die Sinne, sondern auch die Instinkte geraubt haben, was bedeutete, dass jeder andere Normalsterbliche sicherlich schon bei einem Bruchteil dessen, was Kai im Moment spürte, das Bewusstsein verloren hätte.

Ohne richtig zu registrieren, was er da tat, griff er Kai unter die Achseln und hob ihn auf den Sitz zurück, wo er sogar halbwegs aufrecht sitzen blieb, während Rei sein rechtes Bein so drehte, dass der verletzte Fuß auf dem Sitz neben ihm relativ bequem lag. Dann kniete er sich mit einem Bein zwischen Kais Beine und stützte sich mit dem anderen Fuß so ab, dass er einen gewissen Halt hatte.

Immer noch hatten sich die Augen Kais nicht verändert, bis auf dass aus ihnen nun ein dünner Streifen von Tränen an dem weit aufgerissenen Mund, aus dem jedoch kein Ton zu hören war, vorbei, bis zu seinem Kinn lief. Rei setzte bei diesem Anblick das Herz aus, doch er durfte keine Sekunde mehr verlieren. Wie bei einem kleinen Kind, dass sich so sehr wehgetan hatte, dass es keine Luft mehr holte, hob er Kais Arme an den Handgelenken so hoch es in dem Auto möglich war und schaute ihn weiter durchdringend, aber dennoch beruhigend an.

Dieser jedoch schien keine Anstalten zu machen überhaupt zu versuchen wieder zu atmen. Er hatte nichts gesehen, nichts gehört, rein gar nichts in seiner Umgebung wahrgenommen, nachdem das Auto gebremst und ihn nach vorn geschleudert hatte. Er musste mit seinem ohnehin schon lädierten Fuß so unglücklich aufgekommen sein, dass es ihm erneut fast das Bewusstsein geraubt hatte.

Diesmal jedoch war es anders. Selbst wenn er es zugelassen hätte, wäre er nicht in die erlösende Ohnmacht gefallen. Etwas hielt ihn hier und Kai war sich ziemlich sicher, dass es der Schmerz an sich war. Er war diesmal so heftig, dass er überhaupt nicht zuließ, dass sich sein Bewusstsein verflüchtigte. Dabei spürte er ihn eigentlich gar nicht. Im Grunde spürte er überhaupt nichts.

Ohne irgendetwas tun zu können, war er doch voll da. Er wollte atmen, er wollte schreien, er wollte sich in Reis Kleidung, in seinen Haaren, in seinem Körper festkrallen, doch bewegte sich nicht ein Muskel in seinem ganzen Leib. Alle waren angespannt und nicht unter seiner Kontrolle. Er spürte deutlich, was Rei tat. Er beförderte ihn auf den Sitz, legte seinen Fuß so, dass zumindest kein neuer Schmerz entstehen konnte und kniete sich dann vor ihn, um seine Arme zu heben. Kai verstand zwar nicht, warum er das tat, doch da er eh nichts dagegen unternehmen konnte, nahm er es einfach hin und versuchte sich soweit auf seine Atmung zu konzentrieren, dass er zumindest diese wieder unter Kontrolle bekam.

Es gelang ihm nicht.

Immer länger lag er verkrampft und doch regungslos auf dem Sitz, während Rei, dessen anfangs fester Blick nun doch langsam in schiere Panik umschlug, seine Arme hochhielt. Bei den kleinen Kindern, denen der Schmerz die Luft genommen hatte, hatte das nie so lang gedauert. Sie hatten bald nachdem man ihre Arme in die Höhe hob, wieder angefangen zu atmen, doch Kai tat nichts. Rein gar nichts an ihm bewegte sich, außer den Tränen, die mittlerweile schon bis auf den Kragen des Yukata hinabgetropft waren.

Rei hatte so entsetzliche Angst, dass Kai nie wieder atmen würde, dass ihm dieses 'Kleinkinderhilfezeugs' egal wurde, er die Arme sinken ließ und stattdessen nach einer Hand Kais griff. Er hob sie vor seine eigene Brust und drückte den Handrücken dagegen. Nun füllten sich auch seine Augen mit Tränen. Er war so hilflos. Wieder. Nichts konnte er tun, außer Kais Hand zu halten, was diesem erneut rein gar nicht zu helfen schien.

Doch da irrte er sich. Wieder. Dass Rei nach seiner Hand griff, riss Kai aus seiner Konzentration auf seine Atmung. Er hatte es trotz aller aufgebrachten gedanklichen Kräfte nicht fertig gebracht sich selbst wieder zum Atmen zu bewegen, doch nun da Rei seine Hand hielt und Kai wieder bewusst das die nun feucht glänzenden Augen seines Gegenübers wahrnahm, war er einen Moment unaufmerksam.

Und atmete.

Wie aus Reflex holte er plötzlich tief Luft und bekam auch die Kontrolle über seine Muskeln zurück. Im ersten Moment dachte er, seine Lunge würde platzen, als sie sich endlich wieder mit Sauerstoff füllte, doch schon nach einigen schnellen, aber tiefen Atemzügen, hatte sich das Gefühl 'einfach zu atmen' schon wieder etwas normalisiert.

Ohne es richtig zu bemerken, schloss sich seine Hand fester um Reis, der ihn die Zeit, in der Kai nun schon wieder atmete, nur regungslos angestarrt hatte. Er spürte die Berührung, registrierte, dass Kai wieder atmete und realisierte, dass er lebte.

Im nächsten Moment fiel er ihm um den Hals. Die freie Hand führte er zwischen die Kopfstütze und Kais Hals und zog ihn so nah wie möglich an sich. Immer noch hielt er seine Hand zwischen ihren beiden Oberkörpern, sodass Kai seinen und Rei Kais Herzschlag deutlich spüren konnte.

Kai konnte das Schluchzen, das nun an sein Ohr drang kaum ertragen. Er wollte nicht, dass Rei weinte, schon gar nicht seinetwegen, doch konnte er nichts dagegen unternehmen, denn er wollte Rei auch auf keinen Fall von sich wegstoßen. Er war so froh, dass er bei ihm war; dass er nicht allein gewesen war; dass sich tatsächlich jemand so sehr um ihn sorgte, dass er erst weinte, wenn die Gefahr praktisch vorüber war.

So tat er das einzige, was er in diesem Moment tun konnte. Er führte seine freie Hand Reis Oberarm entlang, über seine Schulter bis in den Nacken und ließ sie dort knapp unter dem Ansatz des Zopfes liegen. Ganz leicht drehte er den eigenen Kopf, zog Reis leicht an sich und flüsterte ihm ein heiseres "danke" ins Ohr.
 

"Ich bitte euch, Jungs. Könnt ihr nicht warten, bis ihr auf eurem Zimmer seid? Wir sind ja gleich da. Ihr zahlt mir extra, wenn das Auto dreckig wird."

Schon flog Rei wieder durch die Luft. Diesmal hingegen in Richtung Tür. Und auch nicht, - zumindest nicht nur - weil der Fahrer eine scharfe Kurve gefahren hatte - was allerdings noch erschwerend hinzukam - sondern, weil Kai ihn weggestoßen hatte. Und zwar ziemlich heftig. Er knallte mit dem Kopf an die Fensterscheibe und musste erneut warten, bis sich das Schwindelgefühl verzogen hatte, bevor er zu Kai hinüber sehen konnte.

Dieser saß immer noch weder richtig auf dem rechten noch auf dem mittleren Sitz mit dem verletzten Bein angewinkelt, sodass zumindest sein Fuß geschont war, während er schon fast verzweifelt versuchte, sich schnellstmöglich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Rei musste erneut feststellen wie süß Kai war, wenn er versuchte seinen Schmerz oder irgendwelche Anzeichen davon zu verstecken, doch hatte er ihn deshalb wirklich nicht so wegstoßen müssen.

Auch er wischte sich nun die Tränen, so gut es ging, von den Wangen und versuchte nicht zu traurig über Kais Reaktion zu sein. Auch ihm waren die Worte des Fahrer unheimlich peinlich gewesen, aber er war nicht schnell genug selbst von Kai weggekommen, weil dieser ihn schon, als Rei nur den Gedanken gefasst hatte, dass er sich jetzt wohl besser von Kai löste, so grob weggeschubst hatte.

Aber hieß das dann, dass ihm die Worte auch peinlich gewesen waren? Oder war ihm nur Reis Verhalten, die Umarmung, peinlich gewesen? Aber warum hatte er ihn dann gewissermaßen 'zurückumarmt'? Er hatte ihn schließlich auch an sich gezogen und ihm sogar gedankt. Da blieb nur noch die Möglichkeit, dass die Worte des Fahrers seine Reaktion ausgelöst hatten.

Komischerweise gefiel Rei dieser Gedanke ungemein. Dass Kai und ihm dieselbe Aussage peinlich war, weil sie ihr Verhältnis zueinander als enger darstellte, als es war, war Rei irgendwie ganz recht.

Kai hingegen war im Moment gar nichts recht. Er schämte sich, wegen der Worte des Fahrers; weil er geweint hatte und weil er Rei quasi umarmt hatte. Das alles war ihm so dermaßen peinlich, dass ihm schon wieder die Wut hochkam. Wut auf sich, auf Rei und vor allem auf den scheiß verdammten Taxifahrer.

Es war alles seine Schuld. Wegen ihm hatte er sich seinen Fuß an diesem Tag nach der eigentlichen Verletzung schon zum dritten Mal gestoßen und wäre wegen dem verfluchten Schmerz fast draufgegangen. Wegen ihm war es danach zu dieser Situation mit Rei gekommen, in der er über ihm kniete, seine Hand hielt und ihn umarmte. Und wegen ihm war er jetzt so wütend.

Und das sollte dieser Dreckssack noch deutlich zu spüren bekommen, denn sein Stolz würde es nicht ohne entsprechende Rache zulassen, dass er so gedemütigt wurde, schon gar nicht vor Rei. Er hatte gesehen, wie er geweint hatte und obwohl Kai die Tatsache, dass Rei und kein anderer ihn so gesehen hatte noch am liebsten war, war es ihm im gleichen Augenblick doch am unangenehmsten, dass es ausgerechnet Rei hatte sein müssen.

Er bemerkte, dass Rei ihn beobachtete, wie er versuchte sich schnellstmöglich die Tränen fortzuwischen und erst in diesem Moment wurde ihm klar, dass er den Armen nicht gerade sanft zur Seite befördert hatte. Schon bereute er seine Tat wieder und wollte Rei mit seinen immer noch geröteten Augen entschuldigend ansehen, wobei er jedoch kläglich versagte, da er sofort, als Rei seinen Blick erwiderte, die Augen wieder senken musste, weil er sonst wieder angefangen hätte zu weinen.

Rei schaute ihn so... ruhig... an.

Keine Spur von Wut oder Enttäuschung oder Angst. Kai hatte erwartet, dass er zumindest gekränkt sein würde, weil er ihn - mal wieder - von sich gestoßen hatte, doch Rei schien dagegen auch noch verständnisvoll, als ob er ihn verstand und ihm schon längst wieder verziehen hatte.

Das war für Kai eindeutig zu viel.

Ihn hatte doch noch nie jemand wirklich begriffen. Das verstand er nicht. Rein gar nicht.

"Hey, vorsichtig! Wenn ihr das Auto demoliert, müsst ihr erst recht draufzahlen, ja? Muss euch doch nicht peinlich sein, nur sollt ihr warten, bis ihr aus diesem Taxi raus seid, okay? Also seid artig dahinten."

Das war für Rei eindeutig zu viel.

Während Kai immer noch krampfhaft versuchte, an etwas anderes als Reis Gesichtsausdruck zu denken und deshalb erst gar nicht mitbekam, was Rei da anstellte, war der schon aufgesprungen. Er stützte sich mit einem Bein auf seinem Sitz ab, klammerte sich mit dem linken Arm an der Kopfstütze des Fahrers fest und beugte sich soweit zu ihm herüber, dass seine Wange nahezu die des Mannes berührte. Mit der rechten Hand griff er ihm an die Kehle und drückte zu. Schlagartig nahm der das Gas weg, bremste aber nicht, sondern ließ den Wagen ganz einfach die letzten paar Meter zur Auffahrt des Hotels rollen.

"Sie widerlicher, abscheulicher Dreckskerl", flüsterte er bedrohlich. "Sie haben anscheinend tatsächlich keinen Schimmer, was eben passiert ist, nicht wahr?"

Da der Mann ja schlecht antworten konnte, versuchte er nur leicht den Kopf zu schütteln, um Rei zu zeigen, dass er es wirklich nicht wusste und um zu zeigen, dass er vollkommen hilflos war. Weiterhin hielt er die Hände am Lenkrad und ließ das Auto langsam über den Parkplatz des Hotels rollen.

Rei allerdings gefiel es noch weniger, dass der Typ wirklich nichts mitbekommen hatte und so zog er seinen Kopf noch etwas höher und drückte noch etwas fester zu.

"Sie haben also nichts mitbekommen von dem 'kleinen Unfall' eben?", fragte er mit einem derart ironischen Unterton, dass dem Fahrer nun tatsächlich etwas mulmig wurde. "Mein Freund hier ist wegen Ihnen gerade fast draufgegangen, aber Sie Spackenverschnitt haben nichts mitgekriegt?"

Seine Stimme war nun schon mehr als drohend und trotzdem er sehr leise sprach, bemerkte Kai nun endlich, was Rei da tat. Er hatte sich doch tatsächlich zu dem Fahrer vorgelehnt und würgte ihn gerade. Und nicht nur das: Er drohte ihm indirekt auch noch viel schlimmere Sachen an. Ein solches Aggressionsverhalten war so untypisch für Rei, doch hatte er an diesem Tag Kais Erwartungen ja schon einige Male übertroffen.

Dennoch war das hier nun wirklich der Gipfel. Und dennoch war Kai aus irgendeinem merkwürdigen Grund nicht direkt wütend auf ihn. Ganz komischerweise fühlte er sich ein wenig geschmeichelt von der Aktion, was er nicht ganz verstand, denn normalerweise würde an einer solchen Stelle sein Stolz einspringen und ihm sagen, dass er sich selbst verteidigen könnte und der andere sich da gefälligst raushalten sollte.

Bei Rei jedoch war das - wie mit so vielem, wie Kai langsam bewusst wurde - anders. Er durfte einiges, was sich andere niemals in seiner Gegenwart hätten erlauben dürfen. Aber dennoch war das Würgen des Fahrers selbst für Kais Geschmack etwas sehr drastisch.

Wäre er in der Lage gewesen, hätte er wahrscheinlich etwas Ähnliches gemacht, aber er hätte auch darauf geachtet, dass der Fahrer oder er selbst die Kontrolle über den Wagen behielt, was mit einem langsam bewusstlos werdenden Fahrer etwas schwierig aussehen würde. Er musste was tun und zwar schnell. Außerdem wollte er nicht, dass Rei noch etwas tat, das er später bereute.

"Nun Sie verfluchte Gesichtsgrätsche, dann passen Sie mal schön auf. Ich erklär Ihnen das jetzt mal, okay? Und wagen Sie es ja nicht ohnmächtig zu werden. Sie dämliche Bratze haben gebremst, wir flogen in die Gurte, sofern wir sie angelegt hatten, was mein Freund leider nicht hatte, sodass er vor den Vordersitz knallte und sich dabei den verletzten Fuß wieder verdrehte.

Falls Sie blöde Hackfresse es nicht mehr wissen sollten, wir kommen gerade aus dem Krankenhaus und wir sehen nicht umsonst so aus, als wären wir vorher direkt aus dem Onsen dahingefahren. Also, jedenfalls hat er keine Luft mehr bekommen und wäre fast abgekratzt, während Sie Kastrationskanditat seelenruhig weiterfuhren.

So, das war's dann auch schon und sollten Sie irgendwas zu Ihrer Verteidigung vorzubringen haben, können Sie sich das getrost schenken. Ich werd Ihnen jedenfalls nicht zuhören, also halten Sie Evolutionsbremse jetzt den Wagen an und..."

Rei hatte sich da richtig reingesteigert und all die bösen Schimpfwörter ausgegraben, die Kai oder sonst jemand irgendwann mal benutzt hatte und es hatte ihm komischerweise sogar irgendwie Spaß gemacht, sie mal selbst auszusprechen. Seine Wut auf diesen verantwortungslosen Blödföhn hatte sich schon etwas gelegt, doch dass Kai ihn jetzt so grob von ihm wegzog, sagte ihm, dass er wohl doch etwas zu weit gegangen war.

Er hörte wie der Kerl hektisch nach Luft schnappte, während er selbst den verblüfften Kai entschuldigend ansah. Der hatte sich zwischendurch tatsächlich das Lachen verkneifen müssen, während Rei mit gewissen Bezeichnungen losgelegt hatte. Jetzt jedoch hatte er sich wieder etwas gefangen und versuchte ihn möglichst tadelnd anzusehen.

Er hatte Rei einfach am Yukata gepackt und nach hinten gezogen, damit er endlich aufhörte den Kerl zu würgen, der schon langsam die Augen nicht mehr hatte aufhalten können und den Wagen mit Sicherheit bald vor einen der nicht vorhandenen Bäume gesetzt hätte - naja, vielleicht vor ein anderes Auto.

Jedenfalls hatte Kai das nicht länger mit ansehen können, obwohl er auch nicht leugnen konnte, dass es ihn doch ein wenig amüsiert hatte und obwohl er gesehen hatte, dass es für Rei vielleicht mal ganz gut war, seine selten, aber dann umso heftiger auftretenden Aggressionen mit derartigen Worten abzubauen. Es hatte ihm sichtlich Spaß gemacht, was Kai bei dem sonst so ruhigen und besonnenen Rei doch etwas irritiert hatte. Aber nun saß er schuldbewusst wieder hinten im Wagen, während dieser vor dem Nebeneingang des Hotels zum Stehen kam.

Trotzdem Kai ihn recht tadelnd angesehen hatte, hatte Rei auch den etwas amüsierten Ausdruck auf seinem Gesicht wahrgenommen, sodass seine Hochstimmung weiterhin ungetrübt in ihm wütete, obwohl er jetzt, wo das Auto stand und er aussteigen musste, doch etwas Angst vor der Reaktion des Mannes bekam, der immerhin mindestens einen Kopf größer war als er und doch noch um einiges kräftiger schien.

Aber es half ja alles nichts. Kai musste so schnell wie möglich unter eine warme Dusche und dann in ein warmes Bett. Folglich würde er jetzt wohl oder übel aussteigen müssen, und wenn der Typ sich irgendwie rächen wollte, dann sollte er das halt tun, solang er danach nur noch genug Kraft hatte, Kai hochzubringen, sonst war ihm das Ganze eigentlich ziemlich egal.

Er kletterte also aus dem Wagen und half danach Kai auszusteigen. Der Fahrer stieg ebenfalls aus und Rei wurde nun doch etwas mulmig.

"Kannst du hier kurz allein stehen bleiben, Kai? Ich hol die Tasche und die Krücken, ja?"

Kai zeigte ein leichtes Nicken und schon war Rei wieder im Auto verschwunden, während Kai den Mann aus den Augenwinkeln misstrauisch beobachtete, wie er Rei wütend, aber auch irgendwie anders hinterher starrte.

Der Kerl wurde ihm immer unheimlicher. Erst sah er ihn so komisch an und nun starrte er Rei, der ihn vor ein paar Sekunden noch fast erwürgt hatte, auf den Arsch.

Das ging ja jetzt wohl mal gar nicht.

Hätte er Rei irgendwie angegriffen, hätte Kai gewusst, was er tun würde. Er hätte Rei weggestoßen und diesem Gesichtselfmeter in die eh schon verunstaltete Fresse geschlagen. Dann hätte der erst mal auf der Straße gelegen und sie hätten in Ruhe verschwinden können. Aber auf das, was dieser Asi da veranstaltete, wusste er keine Antwort.

Er konnte ihn zuerst nur vollkommen fassungslos anstarren, bevor er sich besann und es vorzog auf den Boden vor ihm zu schauen, denn er spürte, wie die Wut in ihm hochstieg und er wollte vor Rei nicht ausrasten, obwohl er nach dessen Nummer von eben, das gute Recht dazu besaß. Und was ihn außerdem noch dazu brachte nichts zu tun war die Tatsache, dass er gar nicht mehr so genau wusste, warum er jetzt so wütend war.

Er versuchte sich einzureden, dass dieser Arsch mit Ohren ihn gedemütigt hatte, doch das war schon lang nicht mehr der Grund dafür, das sein Herz schneller schlug und er sich zwingen musste seine schon zur Faust geballte Hand ruhig zu halten. Es war die Art wie er Rei ansah, der sich im Augenblick abmühte die sperrigen Krücken halbwegs heil aus dem Auto zu bekommen. Im Blick dieses Kerls lag etwas Verlangendes, als ob er Rei im nächsten Moment anspringen wollte.

Wenn Kai nur daran dachte, wurde ihm regelrecht übel. Niemand sollte Rei auf solche Weise ansehen, schon gar nicht in seiner Gegenwart!

Als Rei erneut im Wagen verschwand um die Tasche mit den Verbänden und der Salbe herauszuholen, war der widerliche Dreckskübel nun anscheinend endlich in der Lage, seinen Blick von ihm zu lösen. Stattdessen musterte er Kai von oben bis unten, was diesem zuerst sogar recht war, weil der Mann zumindest nicht mehr auf Rei starrte. Doch schon nach einigen Sekunden wurden ihm diese Augen, die ihn förmlich in aller Öffentlichkeit auszogen, zuviel. Obwohl er noch nicht einmal aufgesehen hatte, spürte er ihren starrenden Blick über sich gleiten. Noch fester spannten sich seine Muskeln an, noch schneller begann sein Herz zu schlagen und doch war er tatsächlich noch in der Lage, seine Bewegungen zu kontrollieren.

Als Rei wieder aus dem Wagen stieg und auf ihn zuging um ihm eine Krücke zu reichen, damit sie gemeinsam endlich von diesem grässlichen Typen wegkamen, stand er ruhig und scheinbar entspannt mit gesenktem Kopf vor ihrem Fahrer, während dieser ihn immer noch mit den Augen, wie mit unsichtbaren Händen abtastete.

Als Rei diesen Blick bemerkte, wurde auch er wieder unruhig. Zwar hatte er immer noch Respekt vor diesem Kerl, doch sollte er Kai weiterhin mit seinem Blick auf diese Weise ausziehen, dann würde er wohl erneut die Beherrschung verlieren.

Langsam ging er auf Kai zu und hielt ihm die eine Krücke hin. Dieser jedoch reagierte erst, als der Fahrer seinen Blick von ihm wendete und stattdessen Rei ansah. Schnell riss er Rei die Krücke aus der Hand und stützte sich mit der linken Hand auf sie. Der Fahrer sah immer noch erwartungsvoll zu Rei, allerdings nicht mehr auf diese anzügliche Weise, sondern schon wieder etwas wütender.

"Entschuldigt mal, kann ich jetzt langsam mal mein Geld bekommen. Wir haben nicht mal 8 Minuten gebraucht. Also her damit", sagte er auffordernd und hielt Rei die Hand hin. Dieser starrte ihn zuerst nur etwas fassungslos an, bevor ihm dann die Kinnlade hinunterfiel und sich seine Augen danach zu schmalen Schlitzen verengten.

"Sie erwarten ernsthaft, dass ich Ihnen dafür jetzt auch noch Geld gebe?! Sie haben meinen Freund fast umgebracht! Sind Sie eigentlich noch ganz bei Trost?! Sie haben ja nicht mehr alle Schnitzel in der Pfanne!"

Er redete sich schon wieder in Rage. Den letzten Satz hatte er beinahe geschrieen, sodass auch Kai nun gezwungen war, aufzublicken und sich seiner eigenen Wut zu stellen.

Dieser Taxifahrer war ein schlechter Mensch. Er verdiente es nicht, dass man ihn verschonte und mittlerweile war Kai auch relativ egal, dass Rei neben ihm stand und sehen würde, wie er austickte, doch noch konnte er sich so gerade eben beherrschen. Er humpelte vorsichtig auf Rei zu, auf den nun auch der Mann bedrohlich langsam zuging.

"Ja, Kleiner. Und du hast mich fast um die Ecke gebracht, also beschwer dich nicht, ja? Los, rück die Kohle raus oder du siehst gleich nur noch Schnitzel, die um Pfannen fliegen!"

Die Stimme des Typen war so leise und doch so drohend, dass Rei einen Schritt vor ihm zurückwich. Er hatte langsam echt Angst. Was sollte er nur tun, wenn der ihn jetzt hier zusammenschlug? Er konnte Kai doch nicht allein lassen. Er wollte nicht.

Die einzige Möglichkeit war wohl doch nur ihm das Geld zu geben, das er verlangte. Resignierend senkte er den Kopf und wollte sich umdrehen um die Tasche aufzuheben, in die er sein Portemonnaie noch im Krankenhaus hineingesteckt hatte. Der Fahrer jedoch trat schnell einen weiteren Schritt vor und packte ihn unsanft am linken Oberarm, sodass er grob zurückgerissen wurde und in zwei wutentbrannte Augen starrte.

"Du bist wohl lebensmüde?! Aber mutig! Das muss ich dir lassen! Du..."
 

Kai hatte er, als er so schnell vorgetreten war, angerempelt, sodass er nur mit Mühe das Gleichgewicht hatte halten können und als er erneut aufblickte, hatte sehen müssen, wie diese schmierige Missgeburt Rei anpackte. Er hatte die Hand gesehen, die Rei den Oberarm zusammendrückte; er hatte die zornigen Augen des Mannes gesehen; er hatte Reis verängstigten Blick gesehen. Und das hatte nun endgültig jede Art von Beherrschung oder gar Mitleid in ihm ausgeschaltet.

Wie konnte dieser Unwürdige es wagen, Rei zu berühren? Wie konnte er es nur wagen?

Kai fühlte sich, als durchströme ihn auf einmal wiedergekehrte Kraft, die zweifellos auf seine Wut zurückzuführen war, doch war ihm im Moment eigentlich völlig gleichgültig woher sie kam, solange sie nur da war. Blitzschnell setzte er die Krücke einen Meter weit vor in Richtung der beiden, schwang sich auf sie gestützt zu ihnen hin und holte noch während er in der Luft hing aus.

Mit noch nicht mal halbwegs festem Stand, dafür aber mit umso mehr Schwung, schlug er seine Faust dem völlig verblüfften Taxifahrer ins Gesicht. Der landete rückwärts hart auf dem kalten Asphalt und hielt sich ächzend blutende Lippe und Nase.

Kai selbst hatte nicht einmal mitbekommen, dass der Kerl Rei auch mit Worten gedroht hatte. Er hatte Reis Gesicht gesehen und augenblicklich war alles um ihn herum verstummt. Er hatte nichts gehört, nichts gesehen außer Rei und nichts gefühlt außer dieser unglaublichen Wut und der neuen Kraft, die ihn befähigt hatte, mit einer enormen Zielsicherheit und Geschwindigkeit einen solchen Schlag auszuführen.

Rei sah ihn nur fassungslos an. Zu etwas anderem war er gerade nicht fähig.

Kai hatte den Mistkerl mit einem Schlag K.O. gekriegt, als Rei noch überlegt hatte in welchen Farben er denn gerne die Blumen auf seiner Beerdigung hätte. Einfach unglaublich, dieser Kai.

Verblüfft und beeindruckt betrachtete er den immer noch vor Wut schnaubenden Kai. Rei hatte ja erwartet, dass sich Kai noch für die Demütigung rächen würde, doch dass er so ausrastete, hatte ihn dann doch überrascht.

Er hatte gesehen, wie der Mann ihn angerempelt hatte, als er auf ihn zugestürmt war. Vielleicht hatte er ihm wieder wehgetan und das hatte für Kai das Fass zum überlaufen gebracht. Er konnte ja bekanntlich keine Kränkung ertragen und wurde auch bekanntlich ungern berührt und erst recht nicht gern angerempelt. Er hatte Takao ja heut sogar schon ins eiskalte Wasser befördert, als der ihn angefasst hatte.

Langsam verstand Rei also Kais Reaktion, wollte jedoch trotzdem noch mal nachfragen, auch um zu wissen, ob der Kerl ihm wehgetan hatte und da dieser nun erst mal so schnell nicht wieder aufstehen würde, ging er ganz ruhig einen Schritt auf den noch immer seine Umwelt ignorierenden Kai zu, der nur den am Boden liegenden Widerling ansah, während er schwer atmend auf einem Bein in der Kälte stand und sich notdürftig auf eine Krücke lehnte.

Erst als Rei ganz leicht seinen Arm berührte, er daraufhin seinen Kopf zu ihm herum warf und in die beruhigenden bernsteinfarbenen Augen blickte, kehrten auch seine anderen Sinne zurück und leider verließ ihn damit auch die neu gewonnene Kraft.

Wie als wenn sie ganz plötzlich aus ihm wich, knickte sein Bein weg. Er versuchte noch sich auf die Krücke zu stützen, wurde jedoch schon vorher von Rei aufgefangen. Der hatte blitzschnell die Arme um ihn gelegt und hielt ihn nun an sich gelehnt oben. Kai versuchte trotzdem sich so gut wie möglich auf die Gehhilfe zu stützen, um nicht zu hilflos in Reis Armen zu liegen.

"Geht's dir gut? Hat der Kerl dir irgendwie wehgetan, als er dich umgestoßen hat, Kai?", fragte Rei besorgt.

"Ich schätze ich hab ihm wehgetan, nicht er mir...", meinte dieser nur, konnte sich ein Grinsen aber doch nicht ganz verkneifen.

"Aber er hat dich doch angerempelt, als er auf mich zuraste. Ich dachte, da hätte er dir vielleicht wehgetan. Du hast ihn schließlich danach mit einem Schlag einfach ausgeknockt..."

"Tja, da kannst du mal sehen, wie wütend ich war und wie stark ich dann bin."

"Aber warum warst du denn dann so wütend, wenn er dir doch so gesehen nichts mehr getan hat. Immer noch wegen dem im Auto? Ich mein, klar, das war heftig, aber die Reaktion darauf kam jetzt ein wenig spät, findest du nicht?"

"Du hast keine Ahnung, nicht wahr?", fragte Kai nach kurzer Pause ungläubig, senkte den Kopf, legte sich zwei Finger an die Stirn und seufze kapitulierend.

Dann löste er sich aus Reis Griff, der ihn währenddessen nur verständnislos ansah. Er hatte wirklich keine Ahnung und auch keinen Schimmer, was Kai mit der Frage gemeint hatte. Vollkommen ratlos stand er da und wartete, bis Kai wieder halbwegs aufrecht auf die Krücke gestützt vor ihm stand. Dann erst blickte er den vollkommen verwirrten Rei an.

"Na, wegen dir."

Rei verstand zwar immer noch nicht, doch auch wenn er ihn noch so lange fragend ansehen würde, würde Kai wohl nichts weiter dazu sagen. Er wartete noch einen Moment, erkannte dann jedoch, dass er aus Kai nichts mehr würde herausbekommen können. Er gab sich mit dem Gedanken zufrieden, dass Kai es wahrscheinlich selbst nicht verstand.

"Na, okay. Wer weiß schon, was deine Gründe waren", sagte er leise zu sich selbst und entschied sich dann, es dabei zu belassen.

Er nahm die Tasche auf, ging auf ihn zu, legte seinen Arm um Kais Hüfte, stützte sich auf die Krücke und ging langsam mit ihm los. Nicht einer von ihnen blickte sich noch einmal zu dem immer noch am Boden liegenden Fahrer um und doch wussten beide, dass er nicht bewusstlos war und bald wieder aufstehen würde, auch wenn er dann wahrscheinlich erst mal zurück ins Krankenhaus würde fahren müssen.

Sie waren schon fast an der Tür zum Hotel angekommen, als es bei Rei fast hörbar 'klick' machte.

Kai hatte den Typen wegen ihm K.O. geschlagen! Weil er ihn bedroht hatte! Und weil Kai gewusst hatte, dass er nicht allein gegen ihn ankommen würde. Er hatte ihn beschützt!

Ungläubig drehte er so schnell den Kopf, dass es in seinem Nacken zu kribbeln begann und die Stelle dann ganz heiß wurde. Kai blickte ihn indes irritiert an, denn er hatte sich so sehr auf das Laufen konzentrieren müssen, dass er nicht mitbekommen hatte, dass Rei endlich klar geworden war, warum er so ausgetickt war.

Als Rei aus solcher Nähe in die rubinroten, erschöpften und doch starken Augen schaute, färbten sich seine Wangen ungemein schnell rot. Er fühlte sich geehrt, dass Kai ihn tatsächlich hatte beschützen wollen. Sein Herz hatte bei dem Gedanken daran einen Schlag ausgesetzt und danach so schnell geschlagen, dass Kai es bestimmt spürte, wenn nicht sogar hörte. Schnell drehte er also seinen Kopf wieder zurück und achtete auf den Boden vor ihnen.

Kai, der zwar etwas verwirrt war, jedoch nicht die Lust hatte, nachzufragen, was Rei so aus dem Konzept gebracht hatte, schaute ebenfalls bald wieder auf den kurzen Weg, den sie noch zum Eingang zurücklegen mussten, während Rei diesen schon gar nicht mehr wahrnahm, weil er schon wieder so sehr mit seinen Gedanken beschäftigt war.

Er konnte gar nicht ausdrücken, was er alles fühlte. Er fühlte sich geehrt, geschmeichelt, beachtet und gemocht und er hatte die Hoffnung, dass es vielleicht sogar noch mehr war. Und er fühlte Dankbarkeit. Er wollte Kai danken. Nicht nur dafür, dass er ihn beschützt hatte, sondern für die Gründe, die er hinter Kais Verhalten vermutete oder besser erhoffte.

Während die Glastür automatisch aufschwang und ihnen warme aber frische Luft entgegen zog, und noch bevor beide den Teppich im Innern des Ganges, der zum großen Empfangsbereich führte, betreten hatten, hob Rei erneut seinen Kopf, wartete bis Kai ihn auch wieder ansah und murmelte dann leise, aber deutlich 'danke'.

Kai sah ihn etwas irritiert an, begriff dann jedoch und nickte Rei kurz freundlich zu, bevor beide durch die Tür ins Warme traten.
 


 

So fertig

Ich hoffe es hat zumindest ein paar Leutchen gefallen. Geht nicht ohne nen Kommentar dazulassen. "Danke"

Also dann, ich versuch mich mal zu beeilen

ciaoi

tenshi

Wer weiß, was man dir genommen hat

So, der PC ist wieder heile, Kapi 6 ist fertig und endlich on, und es tut mir ehrlich wahnsinnig Leid, dass es so lang gedauert hat, aber ich bin im Moment dermaßen im Stress mit Abi und allem, und dann war der Computer auch noch nen halben Monat Schrott, wo ich doch schon ein paar Tage kaum ohne überstehe...

Aber nya, ich bin noch da und Kapitel 6, wie ihr seht, auch ^___^

Allerdings ist dazwischen nun doch einige Zeit vergangen, sodass ich erst noch einiges schreiben werd, bevor das eigentliche Kapitel anfängt:

Also, ich red jetzt seit 10 Kapiteln (soviel hab ich noch gar nicht... nya, egal ^,^') ich red jedenfalls schon ewig davon, dass Kai ins Hotel muss und ich will ihn auch endlich im Bett haben (^.^' nicht, wie ihr jetzt wieder denkt... obwohl... eigentlich ja schon...) nya, jedenfalls weiß ich auch nicht, warum das immer so lange dauert und ich geh mir schon selber auf den Keks. Ich will endlich fertig werden -_-'

Es ist nämlich ziemlich deprimierend, wenn ich mir so vieles ausdenken, es aber einfach nicht schnell genug zu Papier / in den PC bringen kann >.<

Außerdem denke ich, wie gesagt, in Bildern... Wieso kann ich nicht zeichnen T_T

Es ist einfach zu viel. Ein Abend und eine kleine Story ist fertig, vielleicht folgt am nächsten Abend die Fortsetzung. Aber ich kann es nicht aufschreiben *durchdreh*

Schreiben ist so was Umständliches! Der, der sich irgendwann mal gedacht hat, man müsse Gedanken anderer Menschen lesen können, hatte völlig Recht!

Nur so nebenbei: Sollte jemand von euch später mal einen Beruf ergreifen, der irgendwas mit Forschung zu tun hat, dann bitte ich hiermit inständig darum: Erfinde ein Gerät, mit dem man Gedanken lesen oder besser noch sehen kann. Ich halte das für wichtiger, als eine Zeitmaschine oder einen Beamer.

Also Aufruf: Erfindet eine Gedankenprojiziermaschine! Bitte möglichst schnell ^.^'''

So, das wich jetzt etwas vom Thema ab... Tschuldigung... -_-'

Nun also zum eigentlichen Text: Ich hab zu Beginn des Schreibens (hört sich das jetzt hochgestochen an... du meine Güte >.<) ein Buch für die Schule gelesen: Das Parfum. Im Grunde besteht das ganze Buch nur aus Aufzählungen (nicht, dass es schlecht wäre), also seid nicht überrascht, solltet ihr zu Beginn des Kapis ne Menge Aufzählungen finden. Ich glaub aber im Verlauf schreib ich wieder wie ich ~.~ Hat mich wohl doch mehr beeinflusst, das Buch, als ich dachte... Ist mir schon aufgefallen, als ich es geschrieben hab, aber ich wusste einfach zu dem Zeitpunkt nicht, wie ich es anders ausdrücken sollte.

Außerdem hab ich versucht mal mehr Absätze zu machen, damit das Ganze etwas übersichtlicher wird. Hoffe mal, das hat was gebracht ^_^ Und wenn ich mal Lust und Zeit hab, mach ich das auch noch bei den ersten Kapis, aber das interessiert euch wahrscheinlich rein gar nicht, also werd ich jetzt mal ganz schnell aufhören ~_~'

Nur noch eines: Dieses Kapitel war eigentlich mal wieder gar nicht geplant, aber anders als das erste nicht Geplante, wird dieses als mit-zur-Handlung-gehörend veröffentlicht und im weiteren Verlauf als solches berücksichtigt. Das heißt im Grunde es ist ein "richtiges" Kapitel. Es war bloß nicht wirklich geplant. Ich wusste, dass sie nicht sofort in Kais Zimmer stürmen sollten und so musste das mit dem Schlüssel her. Allerdings ist alles was dann geschieht eigentlich erst beim Schreiben entstanden.

Ich weiß, interessiert euch auch nich... ~,~'

Also jetzt dürft ihr dann lesen ^_^ Viel Spaß

Übrigens hab ich jetzt keine Weisheitszähne mehr, also wundert euch nicht, wenn meine Logik manchmal schwer nachvollziehbar ist (Schlicht: Ich laber Müll) Aber ich wünsch euch das niemals. Ich konnt ewig nich richtig essen und ich sah scheiße aus ((õ_õ)) und ganz nebenbei tat's auch weh und schmeckte nich besonders.

So, jetzt aber, los lesen! ^__^
 


 

Kapitel 6 Wer weiß, was man dir genommen hat
 

Im ersten Moment erdrückte sie die Wärme fast, obwohl es in dem schmalen Gang nun wirklich nicht sonderlich warm war, doch nach über drei Stunden in der feuchten Kälte ihrer nassen Klamotten, waren selbst 2, 3 Grad mehr als die Temperatur draußen wie eine Sauna.

Kai schien es plötzlich unglaublich eilig zu haben, denn trotzdem es ihn augenscheinlich viel Kraft kostete überhaupt zu laufen, legte er ordentlich an Tempo zu. Rei kam kaum so schnell mit, denn auch er war nahezu mit den Kräften am Ende.

Während sie in die weiträumige Empfangshalle eintraten war es schon so, dass eher Kai Rei stützte, als umgekehrt. Aber Kai interessierte das nicht sonderlich. Er hatte sozusagen Blut geleckt. Es war auf einen Schlag so wunderbar warm gewesen. Er hatte vorher schon gar nicht mehr gewusst, dass es auch eine angenehme Außentemperatur gab. Und jetzt wollte er endlich wieder richtige Wärme spüren. Er wollte endlich auf sein Zimmer, duschen, schlafen, sich aufwärmen, denn ihm war schon geraume Zeit so kalt, dass er das Zittern nicht mehr unterdrücken konnte.

Dass es ihm allerdings nichts ausmachte Rei hinter sich herzuschleifen, lag zumindest nicht nur an der Kälte. Seinen Fuß spürte er schon einige Zeit nicht mehr, sodass er auch keine Schmerzen hatte, außer wenn er sein Gewicht ziemlich darauf stützte. Deshalb konnte er ziemlich schnell laufen, obwohl er eigentlich recht schwer verletzt war.

Doch er hatte auch bemerkt, dass es Rei langsam an den Kräften zehrte ihn die ganze Zeit halb zu tragen. Ihm musste genauso kalt sein, auch er musste mittlerweile nicht mehr alle seine Körperteile spüren können und auch er musste erschöpft sein und endlich ins Warme wollen.

Also nahm Kai die Sache nun selbst in die Hand, auch weil er meinte, Rei habe nun genug für ihn getan. Zielstrebig steuerte er auf den Tresen zu, hinter dem ein Mann in Anzug scheinbar interessiert in ein paar Dokumenten blätterte, obwohl er sie schon längst bemerkt haben musste - so auffällig wie sie waren.

Der Mann blickte erst auf, als Kai die rechte Hand, die er vorher von Reis Schultern genommen hatte, auf die bereitstehende Klingel schlug. Rei hatte er nebenbei vorsichtig an den Tresen gelehnt, denn das von Kai vorgelegte Tempo hatte ihn doch sehr angestrengt, was Kai jedoch erst jetzt richtig bewusst wurde.

Der Mann hob gemächlich seinen Blick und ließ ihn über die beiden Jungen gleiten, ohne dabei einen deutbaren Ausdruck auf sein Gesicht zu lassen. Nur eines konnte Kai ganz deutlich in seinen Augen sehen: Herablassung.

Dieser Kerl in nachtschwarzem Nadelstreifenanzug, gestärktem weißen Hemd und passender Seidenkrawatte sah sie beide dermaßen abwertend an, dass es Kai fast wehtat, obwohl er sich längst an solche Blicke gewöhnt zu haben glaubte, doch war er froh, dass Rei diesen Blick nicht mitbekam, weil er sich immer noch schwer auf die Theke stützen musste um überhaupt stehen zu bleiben und noch mehr damit beschäftigt war, erst mal wieder in einem normalen Rhythmus Luft zu holen.

Also versuchte Kai den Blick so neutral wie möglich zu erwidern, denn auch er war erschöpft und nicht bereit schon wieder jemanden K.O. zu schlagen.

"Die Herren wünschen?", fragte der Mann arrogant und musterte die immer noch feuchten Yukata, die er eindeutig für unangebracht hielt.

"Wir hätten nur gern unseren Zimmerschlüssel, wenn Sie so freundlich wären", versuchte Kai möglichst freundlich zu sagen, konnte den leicht heuchlerischen Unterton seiner Stimme jedoch einfach nicht unterdrücken.

Rei blickte verwundert auf, denn er hatte Kai noch nicht oft - eigentlich nie - in einem solchen Ton sprechen hören, doch es schien ihm offensichtlich, warum er das nun tat. Er wollte endlich auf sein Zimmer und hatte nicht mehr die Kraft, sich auch noch mit dem Empfangsherren anzulegen.

Da sein Blick Kai jedoch sichtlich irritierte, ließ er ihn zu dem Mann hinüber gleiten und blickte ihn ebenso freundlich an, allerdings auf eine doch etwas ehrlichere Weise, denn Rei dachte zuerst immer das Gute von den Menschen. Er wollte ihnen nicht mit dem Glauben begegnen, sie alle seien schlecht, also schaute er auch diesen Mann an, als sei er voller guter Einflüsse und würde ihnen sogleich ihren Schlüssel geben, sodass sie endlich auf Kais Zimmer gehen konnten. Außerdem hatte er den abwertenden Blick des Kerls ja auch nicht mitbekommen, sonst wäre er zumindest ein wenig auf die folgende Aussage des Empfangsherrn vorbereitet gewesen.

"Nun, die Herren entschuldigen ja wohl, doch ich glaube nicht, dass Ihnen hier ein Zimmer gehört. Folglich bitte ich Sie nun sich zu entfernen. Sie stören die Atmosphäre. Dies ist ein vornehmes Hotel, wenn Sie verstehen."

Rei fiel unwillkürlich die Kinnlade hinunter. Eine solche Unverschämtheit hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Dem Kerl war nicht im Ansatz klar, wer da vor ihm stand.

Auch Rei war ja bewusst, dass sie ziemlich schrecklich aussehen mussten, doch würde man sie doch wohl noch erkennen können, immerhin waren sie im Moment andauernd im Fernsehen, obwohl die Meisterschaften noch nicht einmal begonnen hatten. Ihn hatte es ja schon gewundert, dass sie in der Notaufnahme niemand angesprochen hatte, doch hatten die Leute da auch ihre eigenen Probleme gehabt. Der Kerl hier musste aber doch wenigstens wissen, wer in seinem Hotel wohnte, gerade dann, wenn die Gäste auch noch eine halbe Etage gemietet hatten!

Aber dass er nicht wusste, wer sie waren, war ja nicht einmal das Schlimmste. Wie er sie behandelte, das war die Höhe. Wie Aussätzige versuchte er sie herauszuschmeißen, wollte sich jedoch gleichzeitig nicht die Hände an ihnen schmutzig machen, sondern bat sie mit unterschwelliger Drohung und latenten Beleidigungen zu gehen. Das ging doch nun um einiges weiter, als dass Rei jetzt noch an das Gute in diesem arroganten Arschloch hätte glauben können.

Nach einem kurzen Seitenblick auf Kai, der ihm zeigte, dass auch dieser vollkommen perplex von der Antwort des in seinen Augen mittlerweile zum Pagen degradierten Mannes war, obwohl er ja schon geahnt hatte, dass der Kerl sie nicht gerade freundlich behandeln würde. Trotzdem schaute er dem Mann direkt in die feindseligen Augen.

"Entschuldigen Sie bitte, aber ich glaube sehr wohl, dass wir hier ein Zimmer gemietet haben, um nicht zu sagen die halbe siebte Etage. Wenn es Ihnen also nun nichts ausmachen würde uns den Schlüssel für Zimmer 703 auszuhändigen. Bitte."

Verwirrt sah der Page immer wieder von Rei zu Kai und dann auf den Fernseher, der mitten in der Eingangshalle stand und im Moment die Nachrichten des Tages zeigte, in denen auch die Bladebreakers mal wieder vorkamen. Hastig tippte er auf dem Computer herum um sich noch einmal zu vergewissern, dass er sich auch nicht täuschte, dass es die Bladebreakers waren, die die halbe siebte Etage gemietet hatten.

Mit hochrotem Kopf wandte er sich eilig wieder den leicht angenervten Jungen zu und entschuldigte sich ausführlich. Rei nickte ihm akzeptierend zu, während Kai ziellos in der Gegend herumschaute, nur um den Typen nicht ansehen zu müssen, denn dann wäre wohl doch noch ein Unglück geschehen - wenn auch nur mit Worten.

Gerade als der Kerl sich wieder abgewendet hatte und nun nervös hinter dem Tresen nach ihrem Schlüssel kramte, erblickte Kai genau die Sorte von Mensch, die er im Moment rein gar nicht gebrauchen konnte: Journalisten.

Sie schlenderten gerade vom Haupteingang aus durch die große Halle und blieben glücklicherweise vor dem Fernseher stehen, was Kai erst einmal Zeit verschaffte sich zu überlegen, wie er diesen Aßgeiern entkam, denn in diesem Zustand auch noch durch die Nachrichten zu flimmern war ihm mehr als zuwider.

Rei hatte die beiden noch nicht bemerkt und beobachtete nur interessiert, wie der Empfangsherr immer nervöser nach dem anscheinend verschwundenen Schlüssel suchte, was seinerseits ihn langsam etwas nervös machte. Er wollte hoch in sein - besser gesagt Kais - Zimmer, sofort, auf der Stelle, um endlich wieder warm zu werden, sich auszuruhen, Kais Verletzung zu versorgen.

Und wenn dieser, noch dazu äußerst unfreundliche Typ nicht bald den Schlüssel fand, würde er über den Tresen klettern und eigenhändig danach suchen, und wenn er ihn nicht fand würde er auch notgedrungen die Tür eintreten, wenn es wirklich nicht anders gehen sollte. Er hatte so langsam einfach keine Lust mehr und bekam wegen des Wartens, der Ungewissheit und nicht zu vergessen wegen der immer unerträglicher werdenden Kälte schon schlechte Laune.

Die, allerdings, besserte sich so schlagartig, dass nicht einmal Rei selbst es sofort mitbekam. Viel zu angenehm war ihm die Situation, als dass er an irgendetwas anderes hätte denken können. Er vergaß die schlechte Laune, die Kälte, seine Erschöpfung, einfach alle Sorgen, die er noch vor einem Augenblick gehabt hatte.

Er sah nur noch Kai, spürte nur noch Kai, roch nur noch Kai. Außer dem Schmecken waren all seine Sinne nun von ihm beansprucht, was ihnen allerdings zu viel schien, denn das Hören fiel kurzerhand einfach aus. Kein Ton drang an Reis Ohr, obwohl er sah, dass Kai die Lippen bewegte.

Allerdings hörte er nicht nur Kai nicht reden, sondern hörte gar nichts mehr. Es war als seien seine anderen Sinne mit dem Geschehen mehr als beschäftigt genug - um nicht zu sagen schlichtweg überfordert - sodass der Gehörsinn wegen Überbeanspruchung der anderen Sinne einfach kurz aussetzen musste.

Dafür waren die Eindrücke, die ihm seine verbleibenden Sinne vermittelten jedoch umso intensiver. Allein die Tatsache, dass Kai sich zwischen ihn und den Tresen gedrängt hatte und nun auch noch mit der Hand über seinen Arm strich, brachte ihn fast um den Verstand, ganz zu schweigen von dem, was er dabei fühlte.

Kai war ihm an diesem Tag schon öfter nahe gewesen, aber doch nie auf eine solche Art und Weise. Immer war Rei während dieser Nähe komplett mit etwas anderem beschäftigt gewesen: Als er ihn aus dem Onsen getragen hatte, hatte er sich eben auf das Tragen konzentrieren müssen; als er ihn im Krankenhaus gehalten hatte, hatte er sich auf das Halten konzentriert, damit er Kai wenigstens eine kleine Stütze hatte sein können; und als er ihn im Taxi umarmt hatte, da war er viel zu erleichtert gewesen, um an irgendetwas anderes als an seine Erleichterung zu denken.

Diese Nähe war also im Grunde die erste bewusste Nähe an diesem Tag, eigentlich seitdem sie sich kannten, und umso stärker wurde Rei in diesem Moment auch klar, was ihm diese Nähe bedeutete: Sie war ihm wichtiger als alles andere. Kein Wunder, dass seine Sinne verrückt spielten.

Und doch konnte er sich den Grund für dieses Gefühl immer noch nicht so recht zusammenreimen. Wieso er fast schon durchdrehte, nur weil Kai ihn berührte, konnte er sich einfach nicht erklären. Obwohl in diesem Zusammenhang die Worte "berühren" und "nur" auch nicht wirklich zusammenpassten.

Wenn Kai jemanden berührte, war das eben schon was Besonderes. Er hatte die rechte Hand an Reis Arm, der noch auf dem Tresen lag, entlang geführt und diese dann auf seiner Schulter liegen lassen. Sein Bein mit dem verletzten Fuß hatte nirgendwo anders, als zwischen Reis Beinen Platz gefunden und trotzdem er sich noch auf eine der Krücken stützte, lehnte er immer mehr an Rei. Er sah ihn nicht an, schaute stattdessen verstohlen über seine Schulter und schien irgendetwas zu beobachten.

Gelegentlich duckte er sich weg oder zog ihn noch etwas näher an sich, sodass es Rei fast so vorkam, als würde er sich vor jemandem verstecken. Angst schien er allerdings nicht wirklich zu haben, was Rei doch auch etwas komisch vorgekommen wäre.

Er hatte zwar heute in den rubinroten Augen des stolzen Jungen schon so einiges gesehen, was gar nicht zu ihnen passte, doch konnte er sich Angst beim besten Willen nun wirklich überhaupt nicht vorstellen. Und doch war etwas in Kais Augen, dass er allerdings nicht gleich zu deuten wusste, obwohl es ihm fast bekannt vorkam.

Rei spürte, dass Kai recht angespannt war und wusste mit einem Mal auch, was er in seinen Augen las. Es war ihm so bekannt und er hatte sich so sehr gefürchtet, dass Kai ihn einmal so ansehen könnte, dass er sich scheinbar unterbewusst geweigert hatte, den Blick als diesen zu erkennen.

Eigentlich war der Blick, an sich, ziemlich leer. Er vermittelte keinerlei Gefühle Kais, als würde er einfach rein gar nichts empfinden, bei dem, was er ansah. Und doch vermittelte er etwas anderes, viel schlimmeres, das Rei, wenn er nur daran dachte, dass Kai ihn so ansehen könnte, das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Der Blick war drohend, fast warnend, dass die Person, dem er gewidmet war, es ja nicht wagen sollte auch nur ansatzweise etwas zu tun, das Kai nicht gefiel. Er sagte dem Betroffenen, dass es nun angebracht sei, das Weite zu suchen, und zwar so schnell wie möglich, denn selbst wenn er nichts tat, war es möglich, dass dieses Nichtstun Kai so in Rage versetzte, dass von dem Betroffenen mit etwas Glück nach einigen Minuten noch ein Häufchen Asche übrig blieb.

Und das Schlimmste war, dass man in dem Blick keine Wut ausmachen konnte. Er war vollkommen gefühllos und zeigte einem, dass man in Kais Augen rein gar nichts wert war; allenfalls noch für einen Spaß beim Auseinander nehmen gut genug.

Rei erschauderte bei dem Gedanken daran und ihm tat die Person, die diesen Blick abbekam schon fast Leid. Er drehte langsam den Kopf und folgte Kais verstohlenem, gefühllosem Blick in Richtung der beiden Journalisten, die allerdings - zu ihrem Glück - nicht in ihre Richtung sahen.

Kaum hatte er jedoch die Ursache für Kais Aktion entdeckt, wurde er auch schon "gezwungen" in dessen Augen zu sehen. Kai hatte seine Hand eilig an Reis Hinterkopf geführt und ihn wieder in seine Richtung gedreht. Schlagartig kehrte Reis Gehörsinn wieder zurück, sodass es ihm im ersten Moment schien, als würde Kai die an sich geflüsterten Worten brüllen. Erschreckt zuckte er zusammen.
 

Kai spürte das deutlich und war nun seinerseits etwas verunsichert, da er nicht wusste, welchen Grund er Rei gegeben hatte, sich so zu erschrecken. Er hatte ihm doch nur zugeflüstert, er solle sich nicht so auffällig herumdrehen. Er nahm Kai ja so seine Deckung. Und zu harsch war sein Ton nun auch nicht gewesen.

Daran konnte es nicht gelegen haben, wobei beim Ausschluss dieses Grundes nur noch die Berührung als Auslöser für Reis Zucken übrig blieb. Ohne zu wissen warum, zog sich für einen kurzen Moment etwas in Kais Magen unangenehm zusammen. Es war ihm ganz und gar nicht recht, dass seine Berührung Rei erschreckt haben sollte. Er wollte ihn nicht erschrecken. Er wollte ihn auch noch öfter berühren.

Dieser Gedanke war ihm irgendwie unheimlich. Hatte er das gerade selbst gedacht?

Egal, sollte ihn nicht weiter stören, auch wenn er sich und seine Gedanken eigentlich immer rigoros unter Kontrolle hatte. Er führte diesen Aussetzer jetzt einfach mal auf die Schmerzen, die Kälte und die Erschöpfung zurück, sodass er sich darum keine weiteren Gedanken zu machen brauchte. Außerdem war jetzt erst einmal wichtig diesen miesen Paparazzi zu entkommen, wozu er einen klaren Verstand brauchte, denn er musste ja nicht nur sich selbst, sondern auch Rei unbeschadet - und unfotografiert - aus der Schusslinie bekommen.

Daran hatte er die ganze Zeit gar nicht gedacht. Er hatte sich einfach hinter ihm versteckt, dabei musste es Rei doch ebenso unangenehm sein, so nass, durchgefroren und erschöpft wie er war, abgelichtet zu werden, obwohl er ja mit den leicht geröteten Wangen schon wieder niedlich aussah.

Hatte er das nun auch selber gedacht? Er musste ja wirklich extrem erschöpft sein.

Wie auch immer, er musste ihn sofort aufs Zimmer bringen, natürlich ohne Aufsehen zu erregen. Somit konnte er leider auch den immer noch suchenden Pagen nicht anschreien, er solle ihnen nun endlich ihren Schlüssel aushändigen, sonst erlebe er noch sein blaues Wunder - nämlich mit vielen blauen Flecken.

Deshalb drehte er sich nun langsam um und stützte sich wieder mehr auf die Theke, als dass er sich an Rei lehnte, obwohl er zugeben musste, dass es ihm wirklich gefallen hatte an dem kalten Körper zu lehnen.

"Rei, achte du doch bitte kurz auf die Journalisten, ja?"

Ohne Einspruch drehte auch dieser sich herum, sodass er nun leicht an Kais Rücken lehnte. Endlich hatte er verstanden, warum Kai sich eben so an ihn gedrängt hatte. Er wollte keinesfalls in seiner derzeitigen Verfassung fotografiert werden - verständlicherweise. Es wäre ein großes Problem, wenn die anderen Teams noch vor Beginn der Meisterschaft erfahren würden, dass der beste Blader des Favouritenteams erheblich beeinträchtigt war.

Aber glaubte Rei auch, dass das nicht der einzige Grund war, der Kai zu seinem 'Versteckspiel' getrieben hatte. Er wusste ja, wie Kai sich in der Öffentlichkeit gab: selbstbewusst, zuweilen sogar arrogant, stark und unnahbar.

Das alles war er im Moment nicht, zumindest nicht sichtbar.

Rei hielt ihn jetzt für noch stärker, als er ihn schon vorher gehalten hatte. Er hatte gewusst, dass Kai Schmerzen ohne einen Ausdruck ertragen konnte, aber das heute war ja wirklich unglaublich gewesen. Er war fast ohnmächtig geworden - er, Kai - ohne auch nur einen Laut des Schmerzes über die Lippen zu bringen.

Doch bei aller innerlichen Stärke sah er in dem zwar mittlerweile recht trockenen, aber dafür zerknitterten und schmutzigen Yukata und mit den blauen Lippen nun mal einfach nicht stark aus.

Rei ging davon aus, dass er sich wohl hauptsächlich deshalb hinter ihm versteckt hatte, doch war ihm der Grund, wenn er ehrlich war, eigentlich vollkommen egal. Er hatte sich so sehr gefreut, dass Kai ihm so nah gewesen war, dass ihm der Grund eigentlich schlichtweg egal war, obwohl er ihn doch etwas enttäuschte, weil Kai sich nicht ganz einfach, weil er ihm nah sein wollte, an ihn gedrückt hatte. Die Enttäuschung wurde jedoch schnell von der maßlosen Freude einfach übermalt.

Auch wenn er selbst nicht der Grund für die Nähe gewesen war, musste es doch etwas geben, dass zumindest dafür sorgte, dass Kai auf die Idee kam, sich hinter ihm zu verstecken, anstatt hinter einer Blume oder sonst wo.

Denn Kai war Menschen im Allgemeinen nicht gern nahe. Das hatten Rei und wohl auch alle anderen, die je mit ihm zu tun gehabt hatten, schnell mitbekommen. Er war nun einmal ein Einzelgänger, jemand dem Worte und Berührungen so wichtig waren, dass er nicht wild damit um sich warf.

Er ließ die Ehre, von ihm angesprochen oder gar berührt zu werden ausschließlich besonderen, ausgewählten Personen zuteil werden. Und dass Rei eine solche Person sein sollte, machte ihn mehr als nur glücklich, es machte ihn wahnsinnig vor Glück.

Jedoch musste er sich jetzt um die von Kai aufgetragene Aufgabe kümmern. Er hatte die beiden Journalisten schon fast völlig vergessen. Sie waren weitergegangen, liefen in Richtung Treppe und mussten folglich am Empfang vorbei.

Kai hatte sie noch nicht bemerkt, denn er war vollauf damit beschäftigt, dem Pagen möglichst leise, aber auch möglichst eindringlich klar zu machen, dass er jetzt endlich den verdammten Zimmerschlüssel haben wollte, während dieser möglichst nett versuchte, Kai klarzumachen, dass er den verfluchten Schlüssel nicht finden konnte.

"Verdammte Hacke! Dann geben Sie mir eben den Generalschlüssel. Und das ein bisschen plötzlich, sonst trete ich die Dreckstür höchstpersönlich ein. Haben Sie das jetzt gerallt?"

"Einen Moment noch, bitte. Ich werde meinen Direktor holen. Der hat einen Generalschlüssel. Sind Sie denn sicher, dass Sie ihn auch abgegeben haben?"

"Ja, verflucht! Zum dritten Mal! Ich habe ihn abgegeben. Und jetzt verschwinden Sie endlich und wagen Sie es nicht ohne Schlüssel wieder aufzutauchen."

So schnell es ging war der Empfangsherr aus Kais Blickfeld verschwunden, was Rei mit einem leichten Lächeln beobachtet hatte. Allerdings wurde das mit den Journalisten jetzt langsam knapp. Rei war von dem Dialog so gefesselt gewesen, dass er sich, nachdem er sich schon wieder zu Kai herumgedreht hatte, nicht mehr gerührt hatte.

Schnell stellte er sich so neben Kai, dass er ihn aus der Sicht der Journalisten verdeckte und drehte den Kopf zu ihm, damit sie auch ihn nicht erkannten. Kai sah ihn zunächst fragend an, als Rei jedoch flüchtig den Kopf in Richtung Reporter bewegte, verstand er.

Verstohlen schielte er an Rei vorbei bis sie die Treppe erreicht hatten, lächelte ihn dann erleichtert an und wandte sich wieder seinen Fingern zu, die nervös auf der Theke herumtippten. Er war ziemlich erleichtert, dass diese Typen sie nicht entdeckt hatten. Er hätte nicht gewusst, was er hätte tun sollen, wenn sie sie bemerkt und sofort losgeknipst hätten. Niederschlagen wäre etwas drastisch gewesen, mal davon abgesehen, dass sie ihn hätten verklagen können, aber weglaufen ging ja auch schlecht.

Außerdem war er etwas durcheinander. Mal wieder wegen Rei. Der hatte sich so neben ihn gestellt, dass seine Brust Kais auf dem Tresen aufgestützten Arm berührte. Wieder zog sich etwas in seinem Magen zusammen, diesmal jedoch keineswegs unangenehm. Ohne es sich erklären zu können, nahm Kai dieses Gefühl als durchaus angenehm wahr.

Er wusste, dass es etwas mit der Berührung Reis zu tun haben musste und konnte sich auch dunkel erinnern, es schon mehrere Male gespürt zu haben. Er versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, wann das gewesen war und kam zu der Erkenntnis, dass Rei immer irgendetwas damit zu tun gehabt hatte. Er hatte ihn angesehen oder berührt, oder Kai hatte einfach nur an eine Situation mit ihm denken müssen, während er Rei angesehen hatte.

Allerdings war ihm dieses Ziehen im Bauch nie so bewusst geworden, wie jetzt gerade, was ihm doch etwas komisch vorkam, weil es bei weitem nicht die größte Nähe oder der intensivste Blick gewesen war. Rei war einfach nur da gewesen, hatte sich neben ihn gestellt, damit die Reporter ihn nicht sahen und hatte Kai ganz ruhig angesehen. Er hatte zwar ein wenig gelächelt, doch war es eben nicht so eine überragende Geste gewesen, dass sie eine solche Reaktion Kais gerechtfertigt hätte.

Als Kai klar wurde, dass sich sein Gesicht leicht rot zu färben begann, während er an dieses angenehme Gefühl dachte, drehte er schnell den Kopf wieder nach vorn und beschäftigte sich mit seinen auf der Theke herumtippenden Fingern, um sich etwas abzulenken. Erst jetzt wurde ihm auch klar, dass er Rei angelächelt hatte, als die Journalisten auf der Treppe verschwunden waren und er wurde noch ein wenig roter.

Rei bemerkte dies kaum, obwohl er Kai ansah. Er war immer noch zu glücklich, als dass er sich über derlei Details Gedanken machte.

Außerdem kam schon im nächsten Moment der Page mit einem groß gewachsenen, streng aussehenden Mann mit Schnurrbart im Schlepptau durch die Tür hinter dem Tresen gestürmt. Er sah nun noch eingeschüchterter aus, als nach Kais Standpauke und hielt sich das ganze Gespräch über dezent im Hintergrund, während der Direktor mit fester Stimme und schon fast arrogant gehobenem Kinn noch einmal dieselben Fragen stellte, die Kai schon dreimal beantwortet hatte.

An seiner Stelle antwortete jedoch dieses Mal Rei, auch weil Kai keinerlei Anstalten machte, den Mann auch nur anzusehen.

"Ja, wir sind uns ganz sicher, den Schlüssel abgegeben zu haben. Nein, wir haben ihn nicht schon abgeholt. Ja, wir haben auch ganz sicher abgeschlossen."

Reis höfliche Ausdrucksweise und wohl auch sein angeschlagener Zustand brachten den Direktor dazu, ihm zu glauben und sie zu bitten, ihm zu folgen.

Während er schon fast um den Tresen flog und durch die Halle hastete, um den Aufzug zu rufen, brauchten Kai und Rei doch etwas mehr Zeit, schließlich mussten sie auch erst wieder einen Rhythmus finden, in dem sie sich beide auf relativ angenehme Weise fortbewegen konnte. Erst als ihm die beiden Jungen entgegenhumpelten, schien der Direktor zu bemerken, dass sie anscheinend nicht nur angeschlagen, sondern richtig verletzt waren.

Blitzschnell schnipste er zweimal mit den Fingern und sofort kamen zwei Pagen angerannt, die, auf Anweisung ihres Chefs, tatsächlich versuchten Kai von Rei zu trennen und ihn zu tragen. Dieser allerdings wehrte sich nicht nur lautstark, sondern auch mit Händen und Füßen gegen die Bevormundung. Der Direktor schaute zuerst nur ungläubig zu, bedeutete jedoch seinen Angestellten nach einer Weile, ihn loszulassen.

Rei hatte währenddessen beharrlich versucht Kai zu helfen, auch wenn er gegen die zwei Männer nicht angekommen war. Er hatte Kais entsetztes Gesicht gesehen, als die Kerle nach ihm gegriffen hatten und es hatte ihm einen Stich versetzt, dass er sie nicht davon hatte abhalten können, ihm Kai quasi aus den Armen zu reißen.

Er fühlte sich fast schon schuldig, Kai allein gelassen zu haben und versuchte nun fast verzweifelt, ihn wieder zu sich zu bekommen. Er hatte sich schon im Onsen von ihm nur äußerst widerwillig tragen lassen und nun wollten diese Männer, wenn auch nur auf Befehl von oben, ihn vollkommen gegen seinen Willen schleppen.

Rei konnte verstehen, dass er das nicht wollte. Auch wenn er schwach war, hatte er schließlich immer noch seinen Stolz - und trotz all der Stärke, des Selbstbewusstseins und der Unnahbarkeit, kam es Rei manchmal so vor, als sei dieser Stolz das Einzige, was Kai noch geblieben war. Zumindest verhielt er sich manchmal so, als sei ihm sein Stolz wichtiger als alles andere, so als sei er das Einzige, das man ihm noch nicht hatte nehmen können.

Diese Vorstellung war erschreckend.

Als Kai endlich wieder auf eigenen Füßen stand und die Pagen von sich weggestoßen hatte, eilte Rei zu ihm. Im Laufen hatte er die Krücken aufgehoben, die sie beide in der wilden Auseinandersetzung eben von sich geworfen hatten, und drückte nun eine wieder Kai in die Hand, während er um seine Hüfte griff und ihn an sich zog, nicht nur um ihn zu stützen, sondern auch - oder vor allem - um ihm zu zeigen, dass er da war.

Selbst für Kai kaum hörbar flüsterte er ihm beruhigende Worte zu und versuchte ihn so gut es ging zu halten.

"Wer weiß, was man dir alles genommen hat. Aber ich schwöre dir, ich gehe nicht fort. Mich werden sie dir nicht nehmen."

Erschöpft von der Rangelei lehnte sich Kai dankbar an die ihm dargebotene Stütze und hörte gar nicht recht, was Rei ihm da sagte. Er nahm nur den beruhigenden Ton seiner sanften Stimme wahr.

Er wollte sich nicht tragen lassen. Nicht von Rei und schon gar nicht von irgendwelchen Fremden. Er versuchte krampfhaft sich einzureden, dass das der einzige Grund war, aus dem er so ausgerastet war, doch als er die Hand auf seiner Hüfte und die Brust an seiner Schulter spürte, konnte er nicht mehr leugnen, dass es vor allem das Gefühl war, von Rei getrennt zu sein, das zu seiner heftigen Reaktion geführt hatte.

Für einen Moment schloss er die Augen und genoss ganz einfach die Nähe des Anderen, bevor er den Arm erneut um ihn legte und wartete, bis Rei sich die Krücke richtig in die Hand gelegt hatte, damit sie weitergehen konnten.

Der Aufzug war mittlerweile angekommen und wurde von dem immer noch leicht verblüfften Direktor aufgehalten. Er hatte seine Leute mit einer Handbewegung wieder weggeschickt, bevor sie noch ernsthaft verletzt wurden und wartete nun neugierig, aber auch etwas besorgt auf die Jungen, die langsam in den Aufzug humpelten und auch als sich die Türen längst geschlossen hatten, den Blick nicht voneinander wenden konnten.

Leicht angeekelt versuchte der Direktor sich auf die blinkenden Knöpfe des Liftes zu konzentrieren, um, zumindest bis sie in der richtigen Etage angekommen waren, diese widerlichen Blicke nicht sehen zu müssen.

Als die Türen in der siebten Etage endlich aufgingen, sprang der Mann regelrecht aus dem Lift und hetzte zur Tür von Zimmer Nummer 703. Kai und Rei beeilten sich zwar ihm hinterher zu kommen, hatten den Direktor aber erst erreicht, als dieser schon wieder auf dem Rückweg war. Nur flüchtig sah er auf sie herab, murmelte etwas von 'neuen Schlüssel anfertigen' und war auch schon verschwunden, bevor Rei auch nur "Danke" sagen konnte.

Verwirrt sah er Kai an, doch auch der verstand nicht recht, was den Direktor so hatte verunsichern können. Er blickte Rei auch bloß verdattert an, zuckte dann mit den Schultern und setzte sich in Richtung seiner Zimmertür in Bewegung.

Gemeinsam betraten sie den angenehm warmen und von Sonnenlicht durchfluteten Raum. Erleichtert, endlich am lang ersehnten Ziel zu sein, seufzten beide auf und blieben einen Moment mitten im Zimmer im wärmenden Licht stehen.
 


 

Feddisch ^.^

Hoffe es hat gefallen und ich versuch schnell weiter zu machen, kann allerdings mit Abi und so etwas dauern... bitte verzeiht mir ~_~

Ach ja, und ich hab's mir überlegt: Ich möchte keine Gedankenlese- oder -projeziermaschine. Eine, die die Gedanken speichert, sodass ich mir sie wieder ansehen kann, reicht vollkommen aus.

Und übrigens auch mal "Dankeschön", dass ihr mir zuhört ^__^ Ich hab anscheinend ein doch recht extremes Mitteilungsbedürfnis, tschuldigung, aber ich denk mal hier stört das nicht so sehr. Wer's nicht lesen will, braucht ja nicht ~.~

nya, also egal...

tenshi

Wer weiß, was du fühlst

ENTSCHULDIGUNG !!!

Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, wirklich, ich kann mich gar nicht genug entschuldigen... T_T Es tut mir so Leid, dass es so lang gedauert hat!

Vier Monate...

Ich würde mich von einer Brücke stürzen, aber ich will ja selbst wissen, wie die Geschichte weitergeht und ihr hoffentlich auch ^.^

Aber ich find ich hab ne halbwegs passable Entschuldigung: Ich hab Abi gemacht *lernen musste*, musste den AbiGag organisieren *zu nix mehr Zeit hatte* und dann bin ich fast sofort arbeiten gegangen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie wenig Zeit man noch hat, wenn man um halb 5 nach Hause kommt und zumindest noch Beyblade gucken will -.-'

Aber letztens hatte ich eine Woche Urlaub und da hab ich ganz viel geschrieben, und auch wenn ich von Höcksken auf Stöcksken gekommen bin und in drei Stunden schreiben in der Story vielleicht 10 Minuten vergangen sind, bin ich irgendwie doch vorangekommen ^__^

Und irgendwie hat sich die Geschichte von allein geschrieben. Vielleicht weiß ja jemand, was ich meine... wohl nich... Also ich schreibe, überlege, wie ich das, was ich nun schreiben will ausdrücken kann, will ja auch, dass die Story vorankommt, weiß dann irgendwann, was ich schreiben will (z.B. die Stelle, an der Kai, nachdem Rei ihm den Verband angelegt hat, vom Bett aufsteht), fang an zu tippen, schreib 2 Zeilen, les mir die durch und da steht was völlig anderes (wieder zum Beispiel: Kai sollte ganz einfach ins Bett gehen, aber dann stand da plötzlich, dass er das Gleichgewicht verliert und in Reis Armen landet...)

Also, ich fand das jetzt ja nicht schlecht oder so, aber doch irgendwie störend, denn ich bin mir selbst auf den Keks gegangen, weil ich nie das geschrieben hab, was ich schreiben wollte, und so nicht gescheit vorankam ;_;

Aber irgendwie ist das, als würde ich die Geschichte nur in Worte fassen, sie aber, ohne dass ich großen Einfluss darauf hätte, vor meinen Augen abläuft und die Charaktere machen, was sie wollen...

*drop*

Das hört sich jetzt voll bescheuert an T_T Keiner versteht mich...

Aber mal ganz am Rande bemerkt bin ich doch recht stolz auf dieses Kapi. Erstens weil es wirklich echt lang ist (29158 Wörter reine Story *stolz desu*) und zweitens, weil endlich was passiert *sich selbst gefreut hat*

Ich hoffe ihr findet es auch gut und jetzt will ich nicht weiter labern, denn das Kapitel ist so schon genug zu lesen ^,^ *immer noch stolz desu*

Viel Spaß wünsch ich, und hinterlasst mir doch nen Kommi, wenn's geht *Puppydoggyeyes mach*
 


 

Kapitel 7 Wer weiß, was du fühlst
 

Als die Tür, die Kai im Vorbeigehen angestoßen hatte, zu fiel, schien es, als sei mit der sich schließenden Zimmertür, eine Tür in den Köpfen der Jungen wieder geöffnet worden. Plötzlich wurde beiden bewusst, dass sie allein waren.

Nicht allein wie vorhin im Taxi oder im Krankenhaus. Das war eine Art öffentlichen Alleinseins gewesen. Dies hier allerdings, in Kais Zimmer, mit geschlossener Tür, das war privates Alleinsein.

Sie waren das erste Mal an diesem Tag allein zusammen, vollkommen ungestört und privat.

Rei meinte sogar, dass es das erste Mal überhaupt war, dass sie ganz allein waren. Sonst war immer jemand von den Bladebreakers dabei oder zumindest im Nebenraum gewesen, sodass Rei nie etwas außer alltäglichen Nichtigkeiten mit Kai hatte austauschen können aus Angst im nächsten Moment könne jemand in den Raum gestürmt kommen und sie erwischen. Wobei er sie allerdings 'erwischen' sollte, war Rei nie so ganz klar gewesen.

Er hatte einige Male darüber nachgedacht, warum er mit Kai eigentlich nie über andere Sachen als das Wetter und die nächsten Kämpfe sprach, war jedoch nie zu einem vernünftigen Schluss gekommen.

Jedes Mal hatte er sich vorgenommen am nächsten Tag mit Kai mal über etwas anderes zu sprechen, wie zum Beispiel seine kleinen alltäglichen Probleme oder einfach seine Gedanken zu einem bestimmten Thema außer Beyblade, doch wenn er ihn dann sah, vielleicht sogar für einen kurzen Moment mit ihm alleine war, hatte er wieder gewusst, warum er nichts sagen konnte.

Es fielen ihm tausend Gründe ein, Kai nicht mit seinen blöden Problemchen zu belästigen. Er sagte sich, dass Kai bestimmt selbst genug Probleme hatte, die seine an 'Problemhaftigkeit' ganz sicher ausstachen; dass Kai gar nicht wissen wollte, was Rei dachte, weil er sich dann auch noch Gedanken darüber würde machen müssen; dass es besser und klüger sei, Kai nicht anzusprechen, damit er zumindest nicht noch zusätzliche Sorgen mit sich herumtragen müsste.

Im Grunde wusste Rei, dass all diese 'Gründe' nur billige Ausreden waren, die sich sein Verstand ausdachte, um ihm vorzuspielen, dass es für all die Gefühle, die er hatte, wenn Kai in der Nähe war, eine logische Erklärung gab. Im Grunde wusste Rei, dass er sich schlicht und einfach nicht traute Kai anzusprechen, weil er dessen Reaktion nicht voraussehen konnte. Er hatte einfach Angst, dass Kai auf seine Fragen nur mit einem abfälligen "hn" antworten würde.

Er hatte heute zwar gesehen, dass Kai auch durchaus menschlich sein konnte - entgegen dem, was er bis jetzt immer von sich gezeigt hatte - doch war die Atmosphäre, als die Tür zu fiel, wieder genau diese, die Rei innerlich immer so wehgetan hatte. Und dennoch war diesmal eines anders: Kai, der sonst immer nur ruhig dagesessen und scheinbar die Ruhe genossen hatte, war es, dem die Situation nun unangenehm schien.

Noch während Rei seinen Gedanken nachhing, begann Kai sich von ihm zu lösen und auf den Weg ins Bad zu machen. Ganz plötzlich war ihm die Nähe des anderen irgendwie unangenehm gewesen. Nicht so unangenehm, dass er Rei von sich hätte wegstoßen wollen, aber doch auf eine andere Art unangenehm, als würde sie etwas Verbotenes sein.

Dass etwas verboten war, hatte ihn noch nie sonderlich gestört, aber diese Nähe zwischen ihnen kam ihm auf einmal, als die Tür ins Schloss gefallen war, komisch vor, so als ob es anders sein müsste. Schon im Krankenhaus und dann im Taxi war es ihm so vorgekommen, als würde sich Rei mehr Sorgen machen, als sich ein Junge um seinen Teamkameraden machte.

Kai war sich zwar im Klaren darüber nicht urteilen zu können, da er schlichtweg nicht wusste, wie sich Freunde umeinander sorgten, doch kam es ihm trotzdem komisch vor. Auch hatte er bemerkt, dass Rei, seit Kai ihm, mit dem Einverständnis ihn zu tragen, quasi erlaubt hatte, ihn zu berühren, scheinbar keine Gelegenheit ausließ, dies auch zu tun.

Gekonnt übersah er dabei, dass auch er selbst Rei oft berührt hatte, seit mit dem Tragen die erste Schwelle überwunden worden war.

Jetzt jedoch war ihm die Berührung plötzlich nicht mehr Recht. Schnellstmöglich nahm er den Arm von Reis Schulter und hüpfte Richtung Bad davon, ohne den Grund für seine Gefühle auch nur ansatzweise zu kennen.

"Wo willst du denn hin?"

"Na, duschen. Mir ist scheiße kalt! Was hast du denn gedacht?"

"Warte doch, ich bring dich. Das Hüpfen ist bestimmt nicht gesund. Du brauchst Hilfe."

"Ich brauch gar nichts, klar? Das Einzige, was jetzt nicht schaden könnte, ist ne warme Dusche. Also lass mich bloß in Ruhe mit deinem 'Ich helfe dir'. Du bist mir die letzten vier Stunden schon genug auf die Pelle gerückt!"

So harsch hatte er nicht klingen wollen, doch die Worte waren einfach aus ihm herausgeströmt. Dabei war er gar nicht so sehr auf Rei, als vielmehr auf sich selbst wütend, weil er sich im Moment einfach selbst nicht verstand. Die Wut allerdings hatte sich ihren Weg aus seinen Gedanken heraus in die Wirklichkeit gesucht und sich auf Rei gerichtet.

Kai konnte Reis Enttäuschung beinahe körperlich spüren, als er in das verzweifelte Gesicht blickte. Schon im nächsten Moment jedoch wandelte sich der Ausdruck in Verständnis, was Kai allerdings nur noch deutlicher vor Augen führte, wie unberechtigt und gemein seine Worte gewesen waren.

Er fühlte, wie sich sein Magen wieder auf diese unangenehme Weise zusammenzog und versuchte nun so schnell wie möglich ins Bad zu kommen, bevor ihm noch etwas herausrutschte. Es tut mir Leid. Er hörte schon die Worte in seinem Kopf widerhallen, doch war er einfach nicht bereit sie auszusprechen. Sein Stolz verbot es ihm - selbst bei Rei.

Während die Tür des Badezimmers ebenso laut, wie zuvor die Zimmertür, ins Schloss fiel, stand Rei vollkommen ruhig mitten im Hotelzimmer und schaute immer noch verständnisvoll und entschuldigend auf die Tür, durch die Kai verschwunden war. Er hatte es doch wissen müssen. Kai mochte Berührungen nicht unbedingt.

Und doch hatte er tatsächlich geglaubt, seine wären ihm zumindest nicht so unangenehm. Er hatte geglaubt, Kai würde seine Nähe recht sein. Aber vier Stunden waren dann wohl doch zu viel gewesen. Das konnte er ja verstehen. Es war für Kai vielleicht das erste Mal, dass man ihm so nahe war und dann auch gleich noch so lange. Es musste ihm ja irgendwann zu viel werden.

Doch trotz allem konnten all diese Argumente, die ihm für Kais Reaktion einfielen, nicht den Schmerz, den er dabei gefühlt hatte, überdecken. Er hatte den Stich noch zu deutlich in Erinnerung und er fühlte auch schon, wie ihm Tränen in die Augen stiegen.

Rei konnte den Gedanken, dass er allein der Grund für Kais Reaktion gewesen war, einfach nicht ganz verdrängen. Er hoffte zwar inständig, dass Kai nicht aufgrund der Tatsache, dass es Rei war, der ihm auf die Pelle gerückt war, so reagiert hatte, sondern wegen der Nähe an sich, doch konnte er sich einfach nicht ganz sicher sein.

Allerdings wollte er jetzt auch nicht weinen. Nicht er war es, dem es schlecht ging, sondern Kai. Er musste sich jetzt um ihn kümmern, auch wenn der das nicht wollte. Er brauchte Hilfe, erst recht, da er es nicht einsah. Und Rei würde ihm diese Hilfe geben, er würde da sein, wenn Kai jemanden brauchte und er würde da sein, wenn er niemanden brauchte. Er würde einfach da sein.

Deshalb war er ja auch jetzt da.

Er zwang sich selbst dazu, nicht weiter über das alles nachzudenken und stattdessen zu handeln. Er ging zum Fenster, schaute einen Moment nach draußen auf den sonnenüberfluteten Park, schloss dann das Fenster und ließ die Jalousie ein Stück weit herunter, sodass es immer Zimmer zwar immer noch hell war, die Sonne aber nicht mehr so blendete.

Dann ging er zur Heizung und drehte sie voll auf, denn trotz der Sonne war das Zimmer doch recht kalt, was aber auch daran liegen konnte, dass Rei allgemein fror. Ihm war so kalt, dass er seine Finger kaum mehr bewegen konnte. Die Jalousie war ihm vorhin einfach durch die Hände gerutscht.

Ihm wurde erst jetzt bewusst, dass ihm schon eine ganze Zeit so kalt war, dass er sich aber nicht darum geschert hatte, weil er Kai hatte beistehen wollen. Außerdem merkte er, dass sein Yukata mittlerweile ein ganzes Stück verrutscht war und seine halbe Brust entblößte.

Obwohl niemand ihn so sah, wurde Rei schlagartig rot. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon so herumlief. Vielleicht seit der Rangelei unten in der Empfangshalle. Hatte der Hoteldirektor deshalb so abwertend geguckt? Oder schon länger? Seit dem Unfall im Taxi? Hatte der Taxifahrer deshalb diesen Kommentar abgelassen?

Rei richtete den Yukata wieder weitgehend und zog den Obi³ so fest, dass er grad noch Luft bekam. Nicht noch mal wollte er riskieren sich vor Kai unbeabsichtigt so zu entblößen.

Beabsichtigt wär das okay.

Schon wieder dachte er so was. Diese Stimme in seinem Kopf verschwand einfach nicht mehr. Ganz gleich, was er tat, sie war immer da und sagte ihm, was er wirklich wollte. Im Grunde war das ja nicht schlecht, zumindest verstand er dann, warum er tat, was er da tat, aber die Gründe, die ihm diese Stimme nannte, waren ihm doch nicht ganz geheuer.

War er wirklich so verrückt nach Kai? Und war er es schon die ganze Zeit gewesen und hatte es einfach nicht bemerkt oder war er es erst seit heute?

Auch diese Fragen beantwortete ihm die Stimme und Rei begriff, dass es sich nicht um eine Stimme handelte, sondern um ein Gefühl. Wenn er an Kai dachte, dann hatte er dieses bestimmte Gefühl im Bauch. Und wenn er mit ihm zusammen war, dann war es noch um einiges stärker. Und wenn er ihn berührte, dann konnte er es kaum mehr ignorieren, wie er es sonst immer getan hatte.

So gesehen war er erst seit heute so verrückt nach Kai, weil er erst heute wirklich begriffen hatte, dass er es war. Genau genommen war er es aber schon seit einer langen Zeit. Er hatte keine Ahnung, wie lange schon.

Und da er es jetzt wusste, war es auch nicht mehr wichtig. Nur eines war wichtig: Dass er es Kai nicht zu deutlich spüren ließ. Er durfte ihn nicht erschrecken. Das hatte er ja anscheinend mit seiner Nähe heute schon geschafft. Aber dieser Fehler würde ihm kein zweites Mal unterlaufen, weil er jetzt wusste, was er wollte und was er dafür tun musste.

Als Kai dann jedoch plötzlich nur mit einem Handtuch bekleidet auf seine Krücken gestützt im halbdunklen Zimmer direkt vor Rei stand, waren all die Vorsätze aus seinen Gedanken gefegt. Er hatte Kai nicht deutlich spüren lassen wollen, dass er ihn allein mit seiner Anwesenheit fast wahnsinnig machte, doch im Angesicht des vollkommenen Körpers vor ihm wurde Rei wahnsinnig.

Sein Zeitgefühl ließ ihn völlig im Stich und so wusste er auch nicht, wie lange er Kai schon angestarrt hatte, bevor er sich langsam wieder auf seine eigenen Gedanken konzentrieren konnte. Das Gefühl in seinem Bauch schrie und wollte, dass er jetzt endlich tat, was er die ganze Zeit gewollt hatte, doch Rei gelang es, das Geschrei zu ignorieren - wenn auch nur mühsam und eigentlich ungern. Als ihm schließlich bewusst wurde, dass er Kai nun schon einige Zeit direkt in die Augen sah und ihm danach bewusst wurde, dass Kai kaum etwas anhatte, schoss ihm das Blut in die Wangen.

Hastig stotterte er, er wolle auch duschen und verschwand schnellstens im Bad.

Kai blieb allein im Zimmer zurück.

Auch er hatte völlig die Zeit vergessen in den Sekunden, Minuten, Stunden, in denen sie sich angesehen hatten. Auch er hatte seine eigenen Gedanken in dieser Zeit nicht mehr hören können. Und auch er hatte erst später bemerkt, dass er nur ein Handtuch trug.

Als er im Bad das Wasser in der Dusche rauschen hörte, wurde er rot. Er wusste nicht so recht warum. Es war doch nur Rei gewesen.

Alle Bladebreakers hatten ihn schon mal in Badeshorts oder dergleichen gesehen. Sie waren doch die größte Zeit des Jahres Tag und Nacht beieinander. Wieso nur hatte es ihn so aus der Bahn geworfen, dass Rei ihn halbnackt gesehen hatte? Er war ja nicht einmal ganz nackt gewesen. Und jetzt überlegte er, ob er auch gut ausgesehen hatte. Was war denn nur mit ihm los?

Schon wieder konnte sich Kai seine Gefühle nicht erklären. Vielleicht war er ja auch einfach nur etwas überrumpelt gewesen, weil er gar nicht erwartet hatte, dass Rei noch da war. Er hatte gedacht, Rei wäre nach seinen gemeinen Worten verschwunden und hätte versucht in sein eigenes Zimmer zu kommen. Sonst wäre er ja auch gar nicht nur mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad gekommen.

Allerdings wäre ihm nicht viel anderes übrig geblieben. Es gab ja nichts anderes im Badezimmer.

Jetzt, wo ihm das auffiel, bemerkte er auch, dass Rei dann gar nichts zum anziehen hatte. Und schon wieder wurde er allein bei dem Gedanken an Rei rot. Er hatte ihn sich gerade nackt vorgestellt und hätte sich jetzt dafür ohrfeigen können, obwohl er wieder nicht ganz verstand, warum überhaupt. War doch nur Rei.

Sein Rei.

Schon wieder hörte er sich Worte denken, die ihm nicht wie die seinen vorkamen. Wieso dachte er 'mein Rei'? Rei war sein Teamkamerad, mehr doch nicht. Mittlerweile wurde ihm das hier viel zu kompliziert und er erkannte einfach nicht, was es so kompliziert machte.

Wie um die Gedanken aus seinem Kopf zu wischen, fuhr er sich durch die Haare und humpelte dann auf seinen Krücken zum Schrank, um sich eine Boxershorts und ein T-Shirt überzuziehen, bevor er eine weitere Shorts und ein schwarzes Shirt aus dem Schrank nahm und sorgfältig auf das Bett legte. Die sollte Rei anziehen.

Er wollte ja nicht, dass der noch krank wurde, obwohl das nach dem heutigen Tag wohl kaum zu vermeiden sein würde. Kai wollte, dass Rei sich bei ihm wohl fühlte.

... Hier. Er hatte 'hier' sagen wollen. Nicht 'bei ihm'. Wieso sollte er wollen, dass sich Rei bei ihm wohl fühlte? Konnte ihm doch egal sein.

War es aber nicht.

Das musste sich Kai nun eingestehen. Es war ihm nicht mehr egal, wie Rei sich fühlte. Er wollte, dass ihm warm war und dass er sich in seiner Gegenwart zumindest nicht unwohl fühlte. Er wollte, dass er sich 'bei ihm' wohl fühlte, so schwer es ihm auch fiel, das zuzugeben.

Also sollte er ihm besser schnell die Sachen bringen, was sich jedoch als recht schwierig herausstellte, da er ja in beiden Händen je eine Krücke hielt.

Nachdenklich stand er vor dem Bett, als Rei auch schon wieder aus dem Bad kam. Auch er trug jetzt nur ein Handtuch - gab ja im Bad sonst nichts. Er war froh, dass überhaupt ein zweites da gewesen war. Die Sachen, die Kai ihm nun hinhielt, waren ihm aber doch noch um einiges lieber.

Nicht einfach, weil es richtige Klamotten waren, sondern vielmehr, weil sie Kai gehörten. Er hatte noch nie jemanden seine Sachen tragen lassen. Immer war er fast ausgerastet, wenn Tyson sie auch nur angerührt hatte. Und jetzt reichte er Rei wie selbstverständlich eine Shorts und ein Shirt, noch dazu quer über das Bett, indem er sich mit dem verletzten Bein darauf stützte und sich, so weit es ging, zu Rei hinüberbeugte.

Nach kurzem Zögern, da ihn die Aktion doch etwas überrascht hatte, nahm Rei die Sachen entgegen, blieb jedoch dann unschlüssig stehen. Er würde sich ja vor Kais Augen umziehen, aber da war doch dieser Vorsatz, Kai nicht mit seinen neu realisierten Gefühlen zu erschrecken, und das würde er definitiv tun, wenn er jetzt einfach das Handtuch fallen ließ.

Außerdem hatte er ja immer noch ein gewisses Schamgefühl, das gegenüber Kai noch um einiges stärker war, als bei den anderen Bladebreakers. Er könnte einfach zurück ins Bad gehen und sich dort umziehen, aber er wollte ja auch nicht, dass Kai dachte, dass seine Anwesenheit Rei unangenehm sei.

Die Entscheidung wurde ihm dann allerdings von Kai abgenommen, der sich wieder aufgerichtet, auf seine Krücken gestützt und sich umgedreht hatte.

Rei hatte auf ihn irgendwie hilflos gewirkt, als wisse er nicht, was er mit den Klamotten tun solle und als sei es ihm unangenehm, sich vor Kais Augen umzuziehen, was Kai etwas komisch vorkam, wo er nun darüber nachdachte. Rei hatte sich sonst eigentlich immer mit den anderen in den Umkleidekabinen von Schwimmbädern oder Fitnesshallen umgezogen ohne darauf zu achten, wer ihn sah.

Kai hatte immer gewartet oder sich sogar auf der Toilette umgezogen, selbst wenn nur die Bladebreakers da gewesen waren. Er wusste selbst nicht so genau, warum, aber er hatte es einfach nicht gewollt. Rei allerdings war immer recht freizügig gewesen, jetzt jedoch schien er durch Kais Anwesenheit fast verunsichert, was Kai dazu veranlasst hatte, ihm die Sache etwas leichter zu machen, indem er sich zum Schrank drehte, so dass Rei quasi unbeobachtet war.
 

Doch mehr als einmal war Kai tatsächlich versucht sich umzudrehen. Er hatte schon die Muskeln zur Bewegung angespannt, als er plötzlich bemerkte, dass Rei ja noch gar nicht fertig war. Aber Kai wollte ihn sehen.

Schon der nackte Oberkörper eben hatte ihn irgendwie fasziniert, obwohl er rein gar nicht verstand, warum. Ein muskulöser Oberkörper, an dem noch vereinzelt Wassertropfen herunter liefen und glänzende Streifen auf der gebräunten Haut hinterließen, halt.

Erst als er das dachte, wurde Kai bewusst, wie genau er Rei angesehen hatte und seine Wangen färbten sich leicht rötlich. Jetzt war er selbst froh, Rei nicht beim Umziehen beobachten zu 'müssen'. Er hätte sich wohl kaum mehr unter Kontrolle gehabt, wobei ihm jedoch verschleiert blieb, was er denn dann getan hätte.

Während Kai noch immer krampfhaft versuchte sich vorzustellen, was er denn gemacht hätte, wenn er Rei zugesehen hätte, wurde er plötzlich durch eine sanfte Berührung aus seinen Gedanken gerissen.

Entsetzt wirbelte er trotz der Krücken herum und sah Rei in die verdutzten, goldgelben Augen. Er war, nachdem Kai mehrere Male nicht auf seinen Namen reagiert hatte, auf ihn zugegangen und hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt.

Dann hatte Kai reagiert, allerdings nicht so, wie Rei insgeheim gehofft hatte. Er war vor ihm zurückgewichen, anstatt ihm um den Hals zu fallen - aber was hatte Rei auch erwartet. Jetzt wo er ernsthaft daran dachte, konnte er selbst sich kaum vorstellen, dass Kai jemals wem um den Hals fiel.

Allerdings konnte er nicht umhin Kais Mimik dann zumindest als winziges, angedeutetes 'Um-den-Hals-fallen' zu deuten, denn nachdem er sich so schlagartig herumgedreht hatte, hatte Kai sich erst einmal die Zeit genommen, Rei eingehend zu mustern. Und dann hatte sich tatsächlich ein leichtes Lächeln in seinen Mundwinkeln angedeutet.

Rei würde sterben um ihn nur einmal wirklich lächeln zu sehen. Das wäre bestimmt so außergewöhnlich, dass es entweder furchteinflößend war oder schlichtweg göttlich - Rei glaubte eher an letzteres.

Kai war indessen nicht wirklich damit beschäftigt, wie er aussehen könnte, wenn er lächelte - schon allein, weil er ewig nicht richtig fröhlich gelächelt hatte. Wenn dann immer nur aus Schadenfreude oder Überlegenheit - sondern, wie ein gewisser Rei in seinen Klamotten aussah.

Nicht dass sie zu eng waren, sie waren eben eng geschnitten. Kai trug gern körperbetonte Sachen, denn er wusste, dass er gut aussah. Aber wenn er Rei jetzt so betrachtete... "Wow" war das Einzige, was er denken konnte, obwohl er immer gefunden hatte, dass er selbst besser aussah, was ja auch die Mädchenmassen an Fans bestätigten.

Aber das musste daran liegen, dass man in hautengen Klamotten, die noch dazu Kais Stil entsprachen, einfach immer gut aussah. Mit Kais Anziehsachen würde selbst Tyson nicht schlecht aussehen - ... vielleicht, aber das war wieder eine andere Frage.

Die Frage, die Kai im Moment beschäftigte, beanspruchte ihn mehr als genug: Warum konnte er nicht umhin sich einzugestehen, dass er fand, dass Rei jetzt unheimlich sexy aussah? Er fand das wirklich und er konnte und wollte auch gar nicht leugnen, einfach weil er sich dabei wohl fühlte. Er war von seiner Erscheinung komplett beeindruckt, wobei auch sein leicht sorgenvoller Blick, der Kai wieder klar machte, dass er Rei nicht egal war, eine Rolle spielte.

Dass er die anderen nicht interessierte, glaubte er schon eine ganze Zeit nicht mehr, dazu waren sie schon zu lang beieinander, aber dass Rei so offen zeigte, dass er sich um ihn sorgte und ihm helfen wollte, war für Kai noch ungewohnt - und doch angenehm.

Dass sich Leute um ihn sorgten, war bestimmt schon vorgekommen und dass Leute ihm helfen wollten, hatte er auch schon erlebt, aber bisher hatte er sie immer schnellstmöglich von sich weggestoßen. Er war der vollen Überzeugung gewesen, er schaffte alles allein.

Und auch die Sache mit seiner Verletzung heute hätte er allein bewältigen können: Er wäre allein im Taxi zum Krankenhaus gefahren, hätte allein gewartet und sich unzureichend behandeln lassen - vielleicht hätte er sich auch gleich allein selbst behandelt - und wäre dann allein wieder zurück zum Hotel gefahren.

Er hätte es hingekriegt, ganz allein. Aber er wollte nicht mehr.

Es hatte ihm gefallen, dass Rei bei ihm gewesen war; dass er für ihn da gewesen war; dass er sich um ihn sorgte und ihm helfen wollte. Ihm wurde klar, dass es nicht an den Klamotten lag, die Rei trug und auch nicht an dem Blick, den er ihm zuwarf, sondern daran, dass er nicht mehr allein war und daran, dass er auch nicht das Bedürfnis verspürte, Rei so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Daran lag es, dass er sich so wohl fühlte - mal abgesehen von den Schmerzen.

Rei schien nicht Kais Gedanken, aber seine Gefühle gelesen zu haben, denn gerade als ihm wieder einfiel, dass er ziemliche Schmerzen hatte, griff Rei nach seiner Hand und zog ihn mit sich. Kai wurde aufs Bett hinuntergedrückt, bevor Rei sich vor ihn hinhockte und vorsichtig seinen Fuß anhob und betrachtete.

Da nicht viel außer einer Schwellung zu sehen war, setzte Rei den Fuß sanft wieder ab und lief in die Mitte des Zimmers, wo auf dem Boden noch immer die Tüte der Ärztin lag, die Kai vorhin bei seiner 'Flucht' ins Bad einfach achtlos hatte fallen lassen. Er nahm sie auf, lief zurück und kniete sich vor Kai nieder, um die Tasche auf den Boden zu entleeren.

Ernst begutachtete er die Päckchen, bis ihm schlagartig etwas klar zu werden schien. Er zuckte zusammen und wandte seinen Blick Kai zu, der sich wegen dem Zusammenzucken Reis auch erschreckt hatte.

"Scheiße, daran hab ich gar nicht mehr gedacht. Das tut mir so Leid. Ich hab's einfach vergessen. Aber du sagst ja auch nichts! Das heißt jetzt nicht, dass es deine Schuld war, aber du könntest dich ja ruhig mal melden. Ach Mist, ich hätte dran denken sollen! Entschuldige bitte!"

Verzweifelt legte Rei den Kopf in seine Hand, während Kai ihn nur vollkommen verständnislos ansah. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und wollte wieder dazu ansetzen, etwas zu sagen, doch schon sprang Rei auf und rannte ins Badezimmer.

Verdutzt sah Kai ihm hinterher. Was zum Teufel war denn jetzt wieder los? Warum begriff Rei ihn immer ohne Worte, während Kai nicht einmal im Ansatz verstand, was gerade in Rei vorging? Er erkannte weder seine eigenen Gefühle noch die anderer.

Aber vielleicht war genau das der Grund. Er musste sich erst selbst verstehen, damit er wissen konnte, was Rei fühlte. Der musste demnach mit sich selbst und seinen Gefühlen im Reinen sein. Wie schön für ihn, obwohl er ja gerade nicht danach aussah. Er machte sich wegen irgendwas, woran er nicht gedacht hatte und was mit Kai zusammenhing, große Vorwürfe.

Das hatte selbst Kai verstanden, auch wenn das so ziemlich das Einzige gewesen war. Aber Rei kam so oder so mit einem Zahnputzbecher voll Wasser wieder hereingestürmt und würde Kai nun hoffentlich aus seiner Unwissenheit erlösen.

Er drückte Kai das Glas in die Hand, ließ sich wieder auf dem Boden vor ihm nieder und versuchte so schnell er konnte, das Päckchen mit dem Schmerzmittel aufzukriegen, das dabei leider komplett zu Bruch ging und der Beipackzettel sowie die zwei Tablettenstreifen durchs Zimmer segelten. Rei beeilte sich alles wieder einzusammeln und begann hastig die Gebrauchsanweisung zu überfliegen, während Kai nach einem Streifen griff, sich zwei Tabletten herausdrückte und sie mit etwas Wasser hinunterschluckte.

Jetzt ergaben Reis Sätze von eben auch Sinn: Er hatte sich Vorwürfe gemacht, dass er vergessen hatte, dass Kais Fuß schmerzte. Aber Kai hatte auch nichts gesagt, eben weil er in Reis Gegenwart selbst nicht mehr daran gedacht hatte.

Deshalb brauchte sich Rei doch keine Gedanken zu machen. Er wusste doch, dass Kai einiges aushielt - oder hatte er sich etwa heute zu viel Blöße gegeben? Ihm fiel die Situation im Krankenhaus wieder ein, in der er sich an Rei festgekrallt hatte und auch die Sache im Taxi, als er keine Luft mehr bekommen hatte.

Dachte Rei jetzt etwa er sei ein Schwächling?

Das war er nicht. Rei würde allein bei der Vorstellung dessen, was Kai schon alles widerfahren war, laut schreien müssen. Kai hatte in seinem Leben schon mehr Schmerz erlitten, als sich irgendwer auch nur im Ansatz vorstellen konnte.

Er war kein Schwächling, ganz gleich, was sein Großvater ihm immer einzureden versuchte. Der hatte doch keine Ahnung. Er kannte ihn gar nicht. Und Rei kannte ihn auch nicht.
 

"Okay, also du nimmst am Besten gleich zwei Tabletten, damit..." Rei unterbrach sich selbst, nachdem er zu Kai aufgeschaut hatte. "Du hast sie schon genommen? Verdammt, warte gefälligst bis ich die Gebrauchsanweisung gelesen hab!"

"Wozu? Es sind Schmerztabletten, oder? Runterschlucken und fertig. Die Nebenwirkungen will ich gar nicht wissen und wenn ich sie nicht nehmen dürfte, hätte die Ärztin ja wohl was gesagt. So ganz unterbemittelt war die ja auch nicht. Und wenn ich sie nicht nehmen sollte, dann hättest du sie nicht auspacken sollen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich sie nicht bräuchte."

Kai verschränkte die Arme vor der Brust, während Rei ihn nur stumm ansah. Was war denn plötzlich in den gefahren? Eine solche Laune hatte er aber bis eben noch nicht gehabt. Und was sollte das wieder mit 'brauch ich nicht'? Rei hatte gedacht, dass sich dieses Thema mittlerweile erledigt hätte und dass Kai seine Hilfe akzeptierte.

Dachte er jetzt etwa, das Rei ihn für schwach hielt und ihm deshalb Schmerztabletten gab?

Er hätte Kai jetzt gern einen Klaps auf den Hinterkopf gegeben, damit er sich diesen Gedanken mal schön aus dem Kopf schlug. Rei wollte, dass es ihm gut ging und dass er keine Schmerzen hatte! Deshalb die Tabletten. Was dachte der Kerl eigentlich von ihm?

Rei war schon dabei sich in Rage zu denken, als Kai ihn anfuhr, er solle ihm das Verbandszeug endlich herübergeben.

"Nein!"

"Wie 'nein'?! Hast du sie noch alle? Gib mir jetzt sofort den Verband! Oder denkst du etwa nicht mal das kann ich allein?!"

"Verflucht, fauch mich nicht so an! Ich weiß, dass du das alleine kannst. Du kannst viel mehr allein, als wir anderen je zusammen hinkriegen würden. Aber ich will nicht, dass du's allein machst!"

Nun war Kai wieder dran, Rei verblüfft anzusehen. Wieso wollte Rei nicht, dass er seine Verletzung allein versorgte? Und was hatte der Blick, den er ihm bei diesem Satz zugeworfen hatte, zu bedeuten? Und der Tonfall? Und überhaupt?

Seine Tonlage hatte ausgedrückt, dass er es wirklich nicht wollte. Und sein Blick war ganz ernst gewesen, obwohl Kai meinte auch Verständnis und Fürsorge darin zu entdecken. Als Rei selbst nach der Kühlsalbe und dem Verband griff, begann Kai langsam zu verstehen.

Rei würde es machen. Rei würde seinen Fuß versorgen.

Er wollte nicht, dass er es allein tat, weil er nicht wollte, dass er allein war. Er wollte ihm helfen, für ihn da sein, damit er nicht allein war, nicht etwa, weil er dachte, er würde es allein nicht schaffen. Und er hatte ihn völlig zu Unrecht angeschrieen. Schon wieder. Und es tat ihm so Leid.

Er hatte sich in seinem Leben noch für nahezu nichts entschuldigt, schon allein, weil er gelernt hatte, keine Fehler zu machen. Aber jetzt hatte er einen gemacht. Normalerweise würde ihm auch hier sein Stolz verbieten sich zu entschuldigen, wie er es eben noch getan hatte, bevor Kai ins Bad gestürmt war.

Aber er wollte sich entschuldigen. Er hatte Rei wehgetan, auch wenn dieser es nicht offen zeigte. Aber Kai wusste es.

Und er wusste auch, dass er Rei heute schon einige Male wehgetan hatte. Das hatte er nicht gewollt.

Anfangs schon, weil er ihn wieder von sich hatte wegstoßen wollen, aber jetzt nicht mehr. Er glaubte beinahe, dass er gar nicht mehr wollte, dass Rei überhaupt wieder wegging. Er hatte fast Angst, dass er ihn wieder allein lassen würde.

Deshalb wollte er sich entschuldigen. Er wollte Rei zeigen, dass er ihn nicht hatte verletzen wollen und dass er nicht wollte, dass er ging.

"Es..."

Rei blickte überrascht auf. Immer noch hielt er behutsam Kais Fuß und strich sacht die Salbe darüber.

"Oh, verzeih, hab ich dir wehgetan? Entschuldige."

Er nahm wieder etwas Salbe und verteilte sie noch sanfter über dem geschwollenen Knöchel.

Trotzdem er ziemliche Schmerzen hatte, gefiel Kai die Berührung. Irgendwie entspannte sie ihn. Aber er wollte sich entschuldigen. Wieso brachte er diese Worte nicht über die Lippen.

Rei entschuldigte sich andauernd. Gerade schon wieder. Wieso konnte der das, ohne zu stottern und sich so unwohl dabei zu fühlen? Oder anders: Wieso konnte Kai das nicht? Er wollte doch, wollte so sehr. Er musste endlich seinen verdammten Stolz hinunterschlucken, der ihn schon von so Vielem abgehalten hatte.

Es war doch Rei, bei dem er sich entschuldigen wollte. Sein Rei, den er nicht wieder verlieren wollte, weil er doch gerade erst da war; weil er der erste war, der überhaupt jemals da gewesen war; weil sich Kai zum ersten Mal in seinem Leben wirklich bei jemandem wohl fühlte.

Er hatte solche Angst, dass, wenn er es jetzt nicht lernte, er es niemals können würde und er wusste, dass das Rei bald wieder von ihm fort treiben würde. Er wollte sich entschuldigen. Jetzt.

"Rei?"

Wieder hielt der Angesprochene in seiner Bewegung inne und blickte auf. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er Kai schon wieder wehgetan hatte. Er war überaus vorsichtig gewesen. So sanft es nur ging hatte er die Salbe verteilt. Außerdem hatte Kai nicht so geklungen, als hätte er Schmerzen.

Rei war davon überzeugt, dass er sehr heftige Schmerzen hatte, aber Kai hatte seinen Namen nicht vorwurfsvoll, ärgerlich oder gar gepresst ausgesprochen. Der Ton in seiner Stimme kam Rei aber doch irgendwie bekannt vor. Er glaubte sogar, dass es noch gar nicht so lange her war, dass Kai in dieser Stimmlage gesprochen hatte. Doch seine Ahnung bestätigte sich erst, als er zu Kai aufblickte.

Dieser sah ihn nicht an. Er schaute auf seine Hände, die er in seinem Schoß verkrampft hielt. Rei dachte zuerst wieder daran, dass er ihm wehtat, doch etwas an Kais Gesicht hielt ihn davon ab den Fuß sanft abzusetzen und sich von Kai zu entfernen: Er biss sich auf die Unterlippe.

Das hatte Rei bei ihm noch nie gesehen. Und nun wusste er auch, woher ihm der Ton seiner Stimme so bekannt vorgekommen war: Er war unsicher. Wie heute Nachmittag auf der Taxifahrt ins Krankenhaus.

Rei war überrascht. Er hätte nicht gedacht, dass er diesen Anblick so schnell wieder zu Gesicht bekommen würde, auch wenn Kai mit den roten Wangen und nassen Haaren vorhin im Taxi süßer ausgesehen hatte.

Jetzt jedoch wollte er nicht weiter nachhaken. Er wusste ja, dass Kai, wenn er etwas wirklich wollte, auch mit der Sprache herausrückte, oder es zumindest so lang versuchte, bis Rei klar war, dass er es wirklich wollte. Bis jetzt hatte er ihn bloß zwei Mal angesprochen, vielleicht sogar nur einmal: Rei wusste nicht so genau, ob der erste Ansatz, woraufhin er sich entschuldigt hatte, schon deshalb gewesen war.

Dass Kai wegen ihm unsicher war, fand Rei ja irgendwie niedlich, doch war es Kai augenscheinlich ziemlich unangenehm. Deshalb würde er nicht nachfragen, sondern einfach weiter seinen Fuß eincremen. Leicht hob er ihn wieder an und fuhr fort die noch nicht verriebene Kühlsalbe zu verteilen.

Dabei glaubte er tatsächlich zu spüren, wie Kai sich ein wenig entspannte. Entgegen allem, was Rei über Kai und Berührungen gedacht hatte, schien ihm diese hier zu gefallen, was wiederum Rei gefiel. Er freute sich, dass es mittlerweile sogar so weit war, dass Kai nicht nur seine Hilfe, sondern auch seine Berührung akzeptierte, wenn nicht sogar genoss, was Rei allerdings mehr hoffte, als glaubte oder wusste.

Deshalb, aber auch weil Rei es selbst genoss die weiche Haut zu berühren, hörte er nicht auf über den geschwollenen Knöchel zu streichen, obwohl er die Salbe damit eher wieder wegnahm, als sie auf der Verletzung zu verteilen. Erst als sein Arm schon langsam schwer wurde und er glaubte gleich einen Krampf zu bekommen, ließ er den Fuß etwas herunter und beugte sich zu der Rolle Verband vor, die er vorher neben Kai auf das Bett gelegt hatte.

Er hatte die Rolle schon ergriffen und wollte sie zu sich nehmen, um Kais Fuß endlich verbinden zu können, als Kai plötzlich seine Hand ganz sanft auf Reis legte und ihn so davon abhielt.

Wieder blickte Rei auf, doch was er diesmal in Kais Gesicht las, war nicht mehr Unsicherheit, sondern eher Ehrgeiz. Es kam ihm fast vor, als hätte sich Kai fest vorgenommen nun etwas zu tun oder zu sagen und würde sich auch von nichts und niemandem mehr davon abbringen lassen. Als er jedoch begann zu sprechen, konnte Rei immer noch einen Funken von Unsicherheit hören, was ihn zum Lächeln brachte.

"Rei. Es..."

"Kai, du brauchst nichts zu sagen, wenn es dir so schwer fällt. Ich glaube, ich weiß sowieso, was du möchtest", unterbrach Rei ihn und senkte den Blick.

Er hatte es befürchtet. Er hatte sich fest an diesen Strohhalm geklammert, dass es Kai gefiel, dass er ihn berührte. Doch selbst wenn das vielleicht sogar stimmte: Kai konnte es nicht. Er konnte sich nicht berühren lassen und schon gar nicht zeigen, dass es ihm auch noch gefiel.

Und dennoch zerriss es Rei schier das Herz im Leib. Er hatte so sehr gehofft, Kai in Zukunft noch öfter berühren zu dürfen. Er hatte so sehr gehofft, Kai endlich näher zu kommen. Aber er wusste, dass er ihn auf gar keinen Fall zwingen durfte. Er durfte ihm so lange nicht zeigen, wie stark seine Gefühle für ihn waren, wie Kai noch nicht bereit war, sie zu ertragen.

Und Rei wusste, dass er es noch nicht war, solange er ihn weiter von sich fern hielt. Also würde er warten, sich weiter um ihn kümmern, sofern er dies zuließ; sich von ihm fernhalten, sofern er dies wollte. Aber er würde nicht gehen. Er würde für ihn da sein, wann immer er es auch wollte und solange es auch dauern mochte. Er würde bei ihm bleiben.

"Ich verbind dir nur eben den Fuß. Danach fass ich dich nicht mehr an. Ich schwör's."

"Nein!"

Es war ihm einfach so rausgerutscht. Und er hatte auch noch Reis Hand gegriffen. Dieser hatte sie einfach unter seiner liegen lassen, während er gesprochen hatte, aber jetzt lag sie in seiner Hand, weil er sie hielt.

Er hatte einfach Panik bekommen, als Rei gesagt hatte, er würde ihn nicht mehr anfassen. Das hatte er doch nie gewollt.

Natürlich, am Anfang. Aber jetzt nicht mehr. Er wollte doch, dass er bei ihm blieb. Und ihm wurde klar, dass er nicht nur das wollte. Er wollte von ihm berührt werden. Wenn er darüber nachdachte, dann hatten ihm alle Berührungen von Rei gefallen, selbst das Tragen aus dem Onsen, das ihm doch eigentlich so zuwider gewesen sein müsste.

Er hatte sich schon da bei ihm wohl gefühlt, auch wenn er es zu dem Zeitpunkt noch nicht wahrgenommen hatte.

Er wollte nicht, dass Rei wieder ging. Er wollte, dass er blieb. Und wieder stieg Verzweiflung in ihm auf. Verzweiflung über die ganze Situation, dass Rei ihn diesmal nicht ohne Worte verstand und über seine eigene Unfähigkeit, die ihn davon abhielt, es Rei endlich einfach zu sagen. Er wollte es doch so sehr.

"Nein. Nein, das hab ich nicht gemeint. Das ist es nicht, was ich möchte."

Rei saß immer noch völlig verdutzt reglos da und blickte einfach nur zu Kai hoch. Diese Reaktion hatte ihn einfach völlig aus der Spur geworfen.

Er hatte nicht nur nicht damit gerechnet, dass Kai so aus sich heraus ging, fast verzweifelt "Nein" rief, nach seiner Hand griff und sie auch vorerst nicht mehr los ließ. Er hatte nicht einmal erwartet, dass Kai überhaupt etwas sagte.

Er hatte geglaubt, er würde einfach schweigen und zu Boden sehen, froh darüber es nicht selbst aussprechen zu müssen, denn anscheinend waren Kai die Gefühle Anderer doch nicht ganz so egal, wie er es allen immer weiß machen wollte.

Rei hatte gespürt, dass er ihn nicht hatte verletzen wollen, auch wenn er sich über den Grund nicht sicher sein konnte.
 

Ohne dass Rei es richtig bemerkt hatte, hatte Kai sich ihm heute geöffnet. Er hatte ihm sein wahres Ich gezeigt. Er war unsicher gewesen. Er hatte Angst gehabt. Und er hatte sich bei jemandem festgehalten, als ihm die Schmerzen über den Kopf gewachsen waren.

Und nun hatte er ihm gezeigt, dass ihm seine Teamkameraden nicht vollkommen egal waren - auch wenn das nicht das war, was Rei eigentlich gewollt hatte. Er hatte gehofft zu erfahren, dass er Kai nicht völlig egal war, aber da hatte er wie immer zu viel erwartet, gehofft.

Erst als er so gründlich darüber nachdachte, bemerkte Rei, wie viel er eigentlich in der kurzen Zeit, in der sie heute zusammen gewesen waren, über Kai erfahren hatte und wie persönlich diese Dinge an sich waren. Schon immer hatte sich Kai mit Rei am besten verstanden, war ihm sozusagen am nächsten gewesen, und doch war er immer so weit entfernt, dass Rei ihn nie wirklich erreicht hatte.

Heute allerdings war Kai ihm wirklich nahe gekommen. Nicht nur körperlich - auch wenn das wohl eine ebensogroße Rolle spielte, denn auch bei Berührungen hatte sich Kai bekanntlich immer mehr als zurückgehalten. Er hatte sich Rei gegenüber mehr oder weniger freiwillig geöffnet, auch wenn das nicht wirklich dazu geführt hatte, dass Rei ihn nun besser verstand.

Eigentlich verstand er ihn jetzt sogar noch weniger als vorher. Wieso zeigte Kai keine Unsicherheit, keine Sorge, überhaupt kaum Gefühle? Hatte er solche Angst? Aber wovor? Und wer hatte ihn dazu getrieben?

Rei wollte ihm so gern helfen, doch er wusste, dass er Kai nicht bedrängen durfte. Er durfte ihm seine Gefühle nicht zeigen, so stark sie auch waren und so schwer es ihm auch fiel, und er durfte ihn genauso wenig mit seinen eigenen Gefühlen erschrecken.

Rei glaubte, dass Kai sich seiner Gefühle gar nicht so sehr bewusst war; dass er sie zwar bemerkte, doch im Grunde nicht verstand, was er da fühlte und warum. Deshalb fiel es ihm wohl auch so schwer sie zu zeigen.

Rei hatte mit so etwas nie Probleme gehabt, aber er hatte auch gelernt, dass man seine Gefühle zeigen darf. Nach allem was er von Kais Vergangenheit, seiner Familie und seinen "Freunden" wusste, konnte er sich nicht vorstellen, dass Kai dasselbe gelernt hatte. Vermutlich hatte er nie Gefühle zeigen dürfen: keine Freude, keine Schwäche, keine Angst und keine Liebe.

Es stimmte nicht, was er eben gedacht hatte.

Kai hatte sich Rei geöffnet und Rei verstand ihn nun besser - zumindest glaubte er ihn besser zu verstehen. Aber das reichte ihm ja schon. Er fühlte sich Kai näher als je zuvor und er glaubte auch, dass Kai sich ihm näher fühlte.

Dass er seine Hand nun hielt, bestätigte Reis Vermutung und doch konnte er sich immer noch nicht denken, was Kai ihm denn nun wirklich hatte sagen wollen. Aber er spürte, dass es für Kai sehr wichtig sein musste. Nicht nur der Inhalt, sondern auch, dass er es sagte. Er konnte spüren, dass Kai es wirklich wollte, dass ihn aber doch irgendetwas davon abhielt und Rei wusste nicht, was er tun konnte um Kai diese Last abzunehmen.

Kai hatte, während Rei ihn nur stumm angesehen hatte, immer wieder versucht den Mund zu öffnen und es endlich zu sagen, doch er war nie weiter gekommen, als zu dem Punkt, wo er, anstatt seine Lippen auseinander zu bewegen, sie immer stärker zusammenpresste. Er wusste selbst nicht einmal, warum es ihm so schwer fiel diese einfachen Worte zu sagen. Er wollte es doch.

Vor lauter Verzweiflung - und wahrscheinlich auch, weil ihm langsam wieder kalt wurde - begann sein ganzer Körper zu zittern und er merkte, wie er fast instinktiv den Griff um Reis Hand verstärkte. Es kam ihm vor, als würde Rei, trotzdem er der eigentliche Grund für seine derzeitige Lage war, ihn beruhigen; als könne er sich bei ihm festhalten, wenn die ganze Welt vor ihm schwankte - oder wenn er schwankte; wenn er einmal nicht mehr weiter wusste; wenn er einfach nicht mehr wollte.

Noch nie hatte er sich bei einem Menschen anlehnen wollen - nicht seit ihm eingeprügelt wurde, er müsse alles allein schaffen - doch bei Rei wollte er es und es kam ihm nicht einmal mehr so vor, als dürfe er es nicht.

Erst als er sich wirklich wieder vollkommen beruhigt hatte, bemerkte er, dass nicht nur er Reis Hand, sondern auch Rei die seine hielt. Er hatte es gar nicht mitbekommen, dass Rei seine Finger umfasst hatte, doch nun wurde Kai klar, dass er wahrscheinlich deshalb innerlich so ruhig war. Weil er gespürt hatte, dass Rei ihn nicht zurückwies, von sich stieß und ihn wieder allein ließ. Er hatte gespürt, dass Rei die Berührung akzeptierte und er spürte, dass Rei wusste, dass Kai auch seine Berührungen akzeptierte.

Doch trotzdem würde er sich entschuldigen. Er musste es jetzt tun, denn sonst würde er es nie können und das würde dafür sorgen, dass Rei wieder fort ging.

Also nahm er all seine neu gefundene Ruhe zusammen und blickte Rei in die bersteinfarbenen Augen, die ihn immer noch etwas verdutzt und doch ebenso ruhig anblickten. Und das obwohl Rei noch vor wenigen Sekunden innerlich fast gestorben wäre, als Kai angefangen hatte zu zittern.

Er hatte nicht gewusst, warum, und er hatte nicht gewusst, was er tun sollte. Aber schließlich hatte er anscheinend doch das Richtige getan: Er hatte Kais Hand gehalten. Sie einfach nur festgehalten, um zu zeigen, dass er bei ihm war, so wie er es sich im Stillen vorgenommen hatte.

Er war bei ihm gewesen, als er ihn gebraucht hatte und es hatte ihm augenscheinlich geholfen. Und dabei hatte er noch solche Angst gehabt, dass Kai, wenn er fühlte, dass sich auch Reis Griff um seine Hand verstärkte, sie schnellstmöglich wegziehen würde. Doch stattdessen hatte er sich entspannt.

Es kam Rei fast vor, als hätte er gar nicht bewusst mitgekriegt, dass Rei seine Hand gehalten hatte, sondern die Berührung unwillkürlich akzeptiert. Rei war es beinahe so vorgekommen, als würde Kai aus ihm Kraft schöpfen für das, was er ihm sagen wollte. Und nun, da er ihn so direkt ansah, wusste Rei, dass Kai die Kraft gefunden hatte; und selbst wenn er sie nicht aus Rei geschöpft hatte, so war er doch so überaus glücklich, dass es Kai trotz der Kälte, der Schmerzen und trotz seiner ganzen Vergangenheit im Augenblick so gut zu gehen schien.

Rei freute sich so sehr, dass sich Kai in seiner Gegenwart wohl fühlte, dass das auch ihm zu einer inneren Ruhe verhalf, die er lang nicht mehr gespürt hatte und egal, was Kai ihm nun sagen würde, er würde es gut finden, allein deswegen, weil es Kai helfen würde, sich ein Stück weiter zu öffnen.

Weil es Kai glücklich machte, machte es auch Rei glücklich, selbst wenn er nun zu hören bekam, dass er gefälligst verschwinden solle. Er wäre trotzdem glücklich.

"Es tut mir Leid."

Kai hatte es geschafft. Er hatte die vier kleinen Worte einfach ausgesprochen und es ging ihm jetzt nicht nur besser, er spürte auch, wie die Ketten, die ihn die ganze Zeit davon abgehalten hatten, in sich zusammenfielen.

In Zukunft würde es ihm nicht mehr so schwer fallen, sich zu entschuldigen. Jetzt wusste er, dass nicht nur der, bei dem er sich entschuldigte, sich dann besser fühlte, sondern vor allem er selbst, weil er diese Last der Schuld und der Verantwortung und der Angst dann nicht ständig mit sich würde herumtragen müssen.

Und obwohl Rei ihn eher ansah, als hätte man ihm gerade einen kompletten Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf geschüttet, als dass er aussah, als würde er sich wegen Kais Entschuldigung besser fühlen, konnte Kai doch spüren, dass Rei erleichtert war.

Allerdings war der Grund dafür nicht Kais Entschuldigung an sich, sondern eher die Tatsache, dass er nichts anderes gesagt hatte. Aber das konnte Kai ja nicht wissen und selbst Rei wurde die Ursache erst bewusst, als sich die Erleichterung schon in seinem ganzen Körper ausgebreitet hatte und er das dringende Bedürfnis verspürte Kai um den Hals zu fallen, denn zuerst hatten ihm die Worte schlichtweg nicht nur die Sprache, sondern gleich das ganze Denkvermögen genommen.

'Es tut mir Leid'. Diese Worte aus Kais Mund und noch dazu in dieser Situation, in der er weiß Gott alles erwartet hätte, aber keine Entschuldigung, schon gar nicht von jemandem, der sich vermutlich in seinem Leben noch nicht entschuldigt hatte.

Er war so perplex gewesen, dass ihm nicht einmal mehr der Unterkiefer heruntergeklappt war, sondern er Kai nur absolut fassungslos angesehen hatte. Er konnte es tatsächlich nicht fassen. Kein Bisschen. Und doch breitete sich, nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, die pure Erleichterung in ihm aus.

Zuerst begriff er nicht ganz, worüber er eigentlich so erleichtert war, besonders, da er sich doch eben noch selbst eingeredet hatte, dass kein einziger Satz ihn aus der Ruhe würde bringen können und dass er, egal, was Kai ihm sagte, glücklich sein würde.

Doch diesbezüglich hatte er sich mal wieder selbst angelogen. Hätte Kai tatsächlich gesagt, er solle gehen, wäre er wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen. Aber zum Glück hatten sich seine schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheitet...

Oder war das vielleicht erst der Auftakt gewesen? Würde Kai gleich weiter sprechen und ihm sagen, dass es ihm zwar Leid tat, dass Rei jetzt aber trotzdem bitte gehen sollte und am besten auch nie wieder kam?

Allein der Gedanke daran sorgte dafür, dass Rei den Tränen um einiges näher kam, als er in Kais Gegenwart je gewollt hatte. Er wollte nicht vor seinen Augen zu heulen anfangen. Kai durfte doch nicht erfahren, wie stark Reis Gefühle ihm gegenüber in Wahrheit waren. Er durfte ihn doch nicht noch mehr verschrecken, als er es anscheinend schon getan hatte. Er durfte jetzt nicht weinen.

Doch je mehr er versuchte sich selbst davon abzuhalten, desto näher kam er den Tränen und desto weniger bekam er mit von dem, was Kai nun wirklich sagte, während er noch immer seine Hand hielt.

"Ich hab dich den ganzen Tag immer wieder vollkommen zu Unrecht angeschrieen. Das hab ich nicht gewollt. Bitte entschuldige."

Kai ging es nun noch besser, genau wie es Rei hätte gehen sollen, doch fühlte der sich im Gegenteil jetzt noch mieser.

Er hatte Kai tatsächlich zugetraut ihn wegzuschicken. Er hatte so schlecht über ihn gedacht, obwohl Kai sich nur bei ihm hatte entschuldigen wollen, was ihn doch so viel Überwindung gekostet hatte. Und er war die Entschuldigung nicht im Geringsten Wert gewesen. Nicht im Ansatz. Nicht ein winziges Bisschen, so wie er in Gedanken über ihn hergezogen war.

Und nun war Rei den Tränen noch um einiges näher gekommen, obwohl er doch hätte erleichtert sein müssen, dass Kai ihn nicht fortschickte, sondern sich anscheinend sogar bei ihm entschuldigte, damit er nicht auf die Idee kam, zu gehen, weil er dachte, er sei Kai egal.

Denn Rei war Kai nicht mehr egal. Schon länger nicht mehr, doch war ihm das heute erst richtig bewusst geworden. Kai wollte nicht, dass Rei jetzt ging. Er sollte bei ihm bleiben, so lang und so nah er es ertragen konnte; und langsam glaubte Kai, dass er Reis Nähe nicht zu "ertragen" brauchte, sondern sie eher genoss, wie in diesem Moment, in dem er schlicht und einfach seine Hand hielt.
 

Doch ganz plötzlich hatte er ein ungutes Gefühl. Er spürte, dass Rei sich auf einmal nicht mehr wohl fühlte. Seine Hand verkrampfte sich in seiner und nun schien er an Kai Halt zu suchen.

Als Kai etwas verstört zu Rei hinunterblickte, sah er gerade noch die überdurchschnittlich glänzenden Augen, bevor sich Reis Gesicht aus seinem Blickfeld bewegte, weil er den Kopf senkte und zu Boden sah.

Kai konnte sich zwar denken, dass eine Entschuldigung aus seinem Mund für etwas Überraschung sorgen konnte, dass sie Rei aber zum Weinen brachte, hätte er beim besten Willen nicht gedacht - mal ganz davon abgesehen, dass er sich nicht wirklich sicher war, ob es seine Entschuldigung war, die für diese Tränen sorgte, oder ob er vielleicht unbewusst wieder irgendetwas völlig verbockt hatte.

Dafür würde er sich dann ja gern entschuldigen - jetzt wo er es doch endlich konnte - sollte Reis Reaktion allerdings tatsächlich auf die Entschuldigung zurückgehen, dann würde es ihm durch noch ein "Tut mir Leid" von Kai bestimmt nicht besser gehen.

Und das wollte Kai natürlich nicht. Er hatte ja gerade herausgefunden, dass er wollte, dass es Rei bei ihm gut ging. Nun stellte sich allerdings die Frage, was er dann überhaupt tun konnte. Er konnte doch nicht einfach zusehen, wie Rei dort vor ihm kniete und ihm die Tränen über die Wangen liefen. Noch konnte er zwar keine entdecken, allerdings sah er Reis Gesicht ja auch nicht so gut, da dieser alles tat, um das zu verhindern. Aber Kai konnte deutlich hören, wie schwer Rei Atem holte.

Rei wusste, dass Kai bemerkt hatte, dass er fast heulte, aber trotzdem würde er weiterhin alles versuchen, um die Tränen zu unterdrücken, obwohl er immer beigebracht bekommen hatte, dass das das Schlimmste war, was man tun konnte. Er würde jetzt nicht heulen.

Durch tiefe Atemzüge versuchte er sich selbst zu beruhigen und als er spürte, wie Kai ganz leicht, fast unmerklich, mit seinem Daumen über Reis Handrücken strich, war er mit einem Schlag so glücklich, dass er die Tränen fast vergaß und nun vornehmlich damit beschäftigt war, ein wohliges Schnurren zu unterdrücken, denn das konnte er Kai nun wirklich nicht zumuten.

Dieser allerdings hätte das Geräusch wohl gar nicht erst zuordnen können: Weder zu Rei noch als Reaktion auf seine kaum spürbare Bewegung, die ihm selbst noch nicht einmal aufgefallen war. Erst als Rei aufsah, um sich zu vergewissern, dass er sich die Berührung auch nicht nur einbildete, folgte Kai seinem Blick und bemerkte, dass sich sein Daumen ganz vorsichtig über Reis Hand bewegte.

Er konnte sich gar nicht erklären, wie seine Muskeln auf die Idee gekommen waren, das zu tun, denn bewusst hatte er ihnen das ganz sicher noch nie befohlen.

Allerdings beschäftigte ihn im Moment weniger er selbst, als vielmehr Rei, denn anscheinend schien es ihm wieder besser zu gehen, was Kai ungemein freute, auch wenn er nicht wusste, wie er das geschafft hatte, oder ob er überhaupt etwas damit zu tun gehabt hatte. Aber eigentlich war es ihm auch egal. Hauptsache Rei fühlte sich wieder etwas wohler und würde nicht gehen.

Deswegen hielt er in der Bewegung auch nicht inne, sondern tat sie nun bewusst, da er doch spürte, dass sie zumindest einen Teil zu Reis besserem Befinden beigetragen hatte, mal ganz davon abgesehen, dass ihm selbst die Berührung auch gefiel.

Nach kurzer Zeit hörte er jedoch dennoch damit auf, denn er wollte endlich seinen Fuß verbunden haben, um zumindest wieder halbwegs gescheit laufen zu können. Außerdem spürte er langsam die Müdigkeit in sich aufsteigen, die er die ganze Zeit erfolgreich unterdrückt hatte, um sich richtig auf Rei konzentrieren zu können.

Er wollte endlich schlafen und er sah Rei an, dass auch er endlich ins Bett wollte, denn für ihn war der Tag fast noch anstrengender und aufregender gewesen, als für Kai.

Rei wollte ins Bett. Da hatte Kai vollkommen Recht. Allerdings wollte er das nicht unbedingt, weil er so müde war. Natürlich war er müde, keine Frage. Die letzten Stunden waren tatsächlich sehr anstrengend und nervenaufreibend gewesen. Aber er wollte nicht allein ins Bett. Und wenn er das nicht müsste, würde er ein entsprechendes Angebot mit Sicherheit nicht ausschlagen.

Er hoffte ja insgeheim darauf direkt neben Kai, besser noch in seinen Armen schlafen zu dürfen, auch wenn er wusste, dass eine solche Situation sich wohl kaum ergeben würde. Aber wenn er ihm zumindest erlauben würde in seinem Zimmer zu bleiben, während Kai sich in sein Bett legte, war er ja schon glücklich.

Also beeilte er sich Kai den Verband anzulegen, als dieser in seiner Berührung inne hielt, erstens weil er vor Vorfreude und Spannung fast umkam, zweitens weil er merkte, dass Kai nur in Shorts und T-Shirt wieder kalt wurde und drittens weil er schnellstmöglich wieder eine Situation heraufbeschwören wollte, in der Kai ihm womöglich wieder mit dem Finger über die Hand fahren könnte, auch wenn er nicht einmal selbst daran glaubte, dass das innerhalb der nächsten Jahre je wieder geschehen würde.

Eher, glaubte Rei, würde Kai sich die ganze Hand abhacken, um bloß nie wieder in Versuchung zu kommen.

Doch in diesem Punkt irrte sich Rei, auch wenn Kai dies nie offen zugegeben hätte. Er würde Rei gern weiter berühren und er würde Rei auch gern neben sich schlafen lassen, doch sein Stolz schaltete sich nun langsam wieder ein.

Er hatte ihn heute schon länger ignoriert und unterdrückt, als er es in seinem ganzen Leben insgesamt getan hatte und allmählich brachte er nicht mehr die Kraft auf es noch weit länger zu tun. Außerdem wusste er ja nicht, ob Rei es überhaupt in Erwägung zog mit ihm in einem Bett zu liegen und ob er selbst es überhaupt ertragen würde.

Er hatte immer ein Einzelzimmer gehabt, wenn sie als Team verreist oder zu einer Meisterschaft gefahren waren. Takao hatte sich mit Kyouju ein Zimmer geteilt und Rei war für die Zeit mit Max zusammengezogen. Überhaupt war Kai die meiste Zeit, außer beim Training, allein gewesen. Selbst das Abendessen hatte er öfter einfach mal so ausfallen lassen, nur damit er ... Ja, warum eigentlich?

Er hatte allein in seinem Zimmer gehockt und nachgedacht oder er hatte allein trainiert oder er war allein etwas spazieren gegangen. Wieso kam ihm das plötzlich so jämmerlich vor? Wieso hatte er nichts mit seinen Teamkameraden unternommen oder war zumindest in ihrer Nähe geblieben? So schlimm waren sie doch gar nicht. Natürlich: viel zu kindisch für seine Verhältnisse, aber was störte Kai eigentlich so sehr daran?

Es war, wenn sie ihn denn einmal dazu überredet hatten, etwas mit ihnen gemeinsam zu unternehmen, doch eigentlich immer ganz lustig gewesen, auch wenn er es nie geschafft hatte, das auch zu zeigen. Insgeheim hatte ihm die Zeit mit ihnen zusammen gefallen, besonders wenn er zusammen mit Rei ein Team gebildet hatte oder wenn sie beide zusammen einfach nebeneinander hergelaufen waren.

Wo er nun so darüber nachdachte, bemerkte er erst, dass er schon viel länger, als er immer gedacht hatte, gern mit Rei zusammen gewesen war. Er hatte sich von allen Bladebreakers mit ihm immer am besten verstanden und doch hatte er ihn immer auf Abstand gehalten, wobei er das doch eigentlich gar nicht so gewollt hatte.

Ihm war Reis Nähe nicht unangenehm gewesen. Er hatte einfach nicht gewusst, wie er ihn näher an sich heranlassen sollte. Er hatte doch noch nie jemanden an sich heran gelassen. Er konnte doch gar nicht wissen, wie. Ihn selbst hatte doch auch noch niemand an sich heran gelassen. Er hatte doch nie wirkliche Freunde gehabt, weil er doch alles allein hatte schaffen müssen.

Dieser verdammte Stolz war ihm eingebrannt worden, auch wenn er nie darum gebeten hatte, und dieser verdammte Stolz sorgte noch nach Jahren dafür, dass er nicht in der Lage war, sich zu entschuldigen. Das war doch nicht zu fassen. Etwas, das er nie gewollt hatte, durfte ihn doch nicht an seinem Glück hindern.

Immer hatten andere Leute für ihn entschieden - natürlich nur um ihm zu helfen. Wahrscheinlich hielt er sich auch deshalb immer von Menschen fern, die vorgaben ihm helfen zu wollen, denn zu oft hatte diese Hilfe dazu geführt, dass er dennoch verletzt worden war, was wiederum dazu geführt hatte, dass er sich immer weiter in sich selbst zurückgezogen und alles versucht hatte, so auszusehen, als brauche er keine Hilfe und auch sonst niemanden.

Er selbst hatte nach einiger Zeit geglaubt, dass er tatsächlich niemanden brauchte, jetzt allerdings wurde ihm auf Grund von Reis Anwesenheit erstmals bewusst, dass er sich wohl die ganzen Jahre selbst belogen hatte.

Auch er brauchte jemanden. Zumindest einen Menschen, mit dem er reden konnte. Wirklich reden über das, was ihn beschäftigte: was ihm Spaß machte, was ihm Sorgen machte, was ihm Angst machte. Über sich selbst: was er dachte, was er fühlte, was er wollte - und auch über seine Vergangenheit.

Schon oft hatte er selbst über sie nachgedacht, hatte aber nie wirklich damit abschließen können. Oft holte sie ihn nachts in seinen Alpträumen ein und machte ihm bewusst, dass er sie noch lange nicht verarbeitet hatte. Und er wurde das Gefühl nicht los, dass er das auch nie tun könnte, solange er niemandem davon erzählte.

Er musste diese Last, die seit ewigen Jahren ganz allein auf seinen Schultern lag, mit irgendwem teilen. Er wusste, dass sie niemals ganz verschwinden würde, aber sie würde kleiner werden und nicht mehr tagtäglich drohen, ihn unter sich zu begraben.

Und Kai glaubte, dass er in Rei zum ersten Mal einen Menschen gefunden hatte, dem er bereit war, davon zu erzählen. Allerdings musste er sich erst sicher sein, dass Rei seine Vergangenheit auch ertragen konnte, denn er wollte ja nicht, dass dann anstatt ihm Rei die ganze Last trug, und sie drohte ihn zu erdrücken.

Dann trug er sie lieber weiterhin ganz allein. Rei sollte nicht wegen ihm zu Schaden kommen. Niemals.

Noch mehr festigte sich Kais Vermutung, Rei könne dieser eine Mensch sein, bei dem es ihm möglich sein könnte, offen zu sprechen, als Rei, nachdem er endlich seinen Fuß verbunden hatte, zu ihm aufsah und ihn liebevoll aus seinen im Licht der untergehenden Sonne, das das Zimmer noch immer durchflutete, goldgelb leuchtenden Augen anstrahlte.

Rei war glücklich. Er war glücklich sich in Kais Nähe zu wissen und glücklich Kai in seiner Nähe zu wissen. Und er war glücklich, dass es ihm gut ging und glücklich, dass es Kai gut ging. Er war einfach erfüllt von Zufriedenheit und Glück, als würde nichts auf der Welt das ändern können.

Er stand auf und beobachtete immer noch zufrieden lächelnd, wie Kai es ihm gleichtat und seinen verletzten, nun versorgten Fuß ganz vorsichtig aufsetzte. Zuerst schien es gut zu gehen, doch schon mit einem Bruchteil an Belastung kehrte der Schmerz so heftig zurück, dass Kai überrascht den Fuß vom Boden hob, wobei sich dann allerdings auch sein Gleichgewicht verabschiedete und er haltlos nach vorn kippte, nur um mit leicht geröteten Wangen und ein wenig stärker klopfendem Herzen in Reis Armen zu landen.

Im ersten Moment konnte Kai wieder nicht denken. Er fühlte nur, wie sich Reis Brustmuskulatur unter seinen Händen, die er aus Reflex nach vorn gestreckt hatte, anspannte und sich Reis Arme um seinen Körper schlangen, um ihn aufzufangen, bis er wenige Augenblicke später ruhig an Rei lehnte und an den winzigen Moment dachte, in dem sich ihre Wangen ganz sacht berührt hatten.

Ohne es zu merken, schloss er die Augen, um sich noch besser daran erinnern zu können und sogar sein Stolz schien sich für diese Zeit verflüchtigt zu haben, denn nicht ein Teil von Kai hatte jetzt das Bedürfnis sich von Rei zu entfernen.

Diesem ging es nicht anders. Er hatte Kai zwar heute schon öfter berühren dürfen, doch war er auf diese Körperkontakte meist vorbereitet gewesen oder hatte sich in dem Moment nur Sorgen machen können, ob es Kai gut ging. Jetzt allerdings wusste er, dass es Kai gut ging, weil er spürte, wie dieser sich in seinen Armen entspannte, und hatte demnach Zeit sich ganz auf die Berührung an sich zu konzentrieren.

Er hatte die ganze Zeit gar nicht bemerkt, wie zerbrechlich sich Kais Körper in seinen Armen angefühlt haben musste. Er hatte das Gefühl ihn besser nicht zu fest an sich zu drücken, um ihm nicht weh zu tun.

Ihm war Kai sonst noch nie 'zerbrechlich' vorgekommen. Das Wort passte gar nicht zu Kai. Er war doch immer derjenige gewesen, den alle für hart oder sogar gefühllos gehalten hatten; der immer am meisten hatte ertragen können.

Jetzt jedoch konnte Rei fühlen, wie schwer es Kai immer hatte fallen müssen. Er hatte die Schmerzen nicht so kommentarlos ertragen, weil er sie vielleicht nicht so deutlich gespürt hatte. Er hatte sie sich nur nicht anmerken lassen. Nie hatte er Schmerz gezeigt, genauso wenig wie andere Gefühle.

Und Rei spürte in diesem Augenblick, in dem Kai an ihm lehnte und sich zum ersten Mal nicht sofort wieder wegstieß, ganz einfach, weil er zum ersten Mal in der Lage war, zuzugeben, dass ihm diese Berührung nicht unangenehm war, wie schwer ihm dieses Leugnen seiner Gefühle immer gefallen war, auch wenn er das vielleicht selbst nie wirklich bemerkt hatte.

Es war ihm schwer gefallen, allen immer Desinteresse und Härte vorzuspielen, wo er doch genau wusste, dass er auch Gefühle hatte.
 

So hielt Rei noch eine Zeit lang die Arme fest um Kai geschlungen, weniger aus Mitleid, als vielmehr aus einem Gefühl, dem er keinen wirklichen Namen geben konnte. Er wollte Kai beistehen; ihm zeigen, dass es okay war, dass er seine Gefühle so lange nicht gezeigt hatte, und vor Allem, dass es okay war, dass er es jetzt tat. Er wollte bei ihm sein.

Als sich seine Hand jedoch fast wie von selbst hoch zu Kais Nacken bewegte und sanft begann durch die Haare auf der weichen Haut entlang zu fahren, was Kai einen Schauer über den Rücken laufen ließ, richtete sich dieser, schneller als er selbst eigentlich gewollt hatte, wieder auf und stand auf eigenem Bein.

Etwas verwirrt blickte er in die Katzengleichen Augen, die ihm jedoch signalisierten, dass Rei keineswegs enttäuscht über Kais plötzliche Reaktion war. Er lächelte ihn nur stumm an und meinte dann bloß, dass Kai mit dem Laufen ohne Krücken wohl doch noch etwas warten sollte.

Kai nahm sich daraufhin die Gehhilfen vom Bettrand und machte sich auf den Weg. Langsam wurde er nun wirklich müde. Seine Augen waren ihm ja schon zugefallen, als er nur kurz an Rei gelehnt hatte, doch war er sich nicht ganz sicher, ob das tatsächlich ausschließlich auf die Müdigkeit zurückzuführen war.

Sicher war er allerdings, dass er das Laufen mit Krücken keine 5 Minuten mehr durchhalten würde, selbst wenn ihn sein Großvater und Boris verfolgen würden, um ihn wieder in die Abtei zu schleppen... - na gut: unter diesen Umständen würde er es sogar mit gebrochenen Armen und einem Bänderriss im Fuß auf Krücken bis ans Ende der Welt schaffen, aber er war trotzdem jetzt ziemlich geschafft und wollte endlich ins Bett - mal davon abgesehen, dass er nun auch endlich Rei im Bett haben wollte... -

Moment! So hatte er das jetzt nicht denken wollen! Er meinte das ganz harmlos! Rei war doch auch ganz schön müde! Deshalb wollte Kai, dass er ins Bett ging! Das hatte er gemeint! Nicht das, was er sich selbst bei diesem Gedanken wieder gedacht hatte und was ihm jetzt schon wieder rote Wangen verpasste.

Verstohlen warf er einen Blick auf den anderen zurück, der immer noch am unteren Ende des Bettes stand und anscheinend interessiert beobachtete, wie Kai sich abmühte auf den Krücken zum Kopfende zu gelangen. Langsam fragte sich Kai wirklich, warum er überhaupt so viel an Rei dachte und warum er bei diesen Gedanken öfter mal die Kontrolle über sein Denkvermögen verlor.

War es eigentlich normal, dass er überhaupt an so etwas dachte, wenn er 'Rei ins Bett wollte'? Er hätte doch selbst eigentlich gar nicht an diese andere Bedeutung denken müssen, wenn es da nicht etwas gäbe, was er noch nicht so ganz begriffen hatte.

Ihm war es ja immer schwer gefallen, seine eigenen Gefühle einzuordnen, geschweige denn zu verstehen, aber langsam wollte er sich nicht mehr damit zufrieden geben. Er wollte endlich verstehen, was er fühlte, warum er es fühlte und am besten auch noch, warum er es solange nicht verstanden hatte.

Vermutlich lag das an seiner Vergangenheit, aber da er kaum Vergleichsmöglichkeiten hatte, war ihm auch nicht so recht klar, was an den Vergangenheiten der Anderen denn so anders gewesen sein mochte, dass sie so anders gemacht hatte, als ihn.

Natürlich war ihm bewusst, dass seine Kindheit fast völlig ausgefallen war, aber dadurch wusste er auch nicht wirklich, was man denn in seiner Kindheit so machte und wie einen das beeinflussen konnte. Er glaubte aber, mit Rei könne er über so etwas sprechen.

Bei ihm würde er sich nicht schämen etwas zu fragen, was er nicht wusste oder nicht verstand. Sonst hatte er immer so getan, als ob er einfach alles wüsste, hauptsächlich um seinen Stolz und seinen Ruf zu wahren, damit die Anderen bloß nicht dachten, auch er sei nur ein normaler Mensch. Sie hatten ihn für einen Übermenschen halten sollen, der alles wusste, alles konnte und wunderbar allein zurechtkam, ohne je irgendwelche Hilfe in Anspruch zu nehmen und ohne je einen Fehler zu machen.

Doch langsam glaubte er, dass ihn das nur noch weiter von ihnen entfernte; dass es ihn davon abhielt, jemanden an sich herankommen zu lassen; und dass es ihn damit auch davon abhielt, sich selbst zu verstehen.

Er nahm sich vor, Rei bald eine Frage zu stellen. Irgendetwas, das er nicht genau wusste, oder nicht ganz verstand. Er würde einfach ganz langsam bei ihm beginnen, so wie er es auch mit der Entschuldigung getan hatte und vielleicht war es ihm dann bald sogar möglich, auch andere Leute einfach etwas zu fragen, selbst wenn es nur um das Wetter ging.

So würden diese Menschen etwas von ihm erfahren und er etwas von ihnen. Er hätte Kontakt, der über den üblichen Kontakt in einem Kampf, der ja eigentlich nur aus überheblichen Beleidigungen bestand, hinausging. Er würde sich richtig unterhalten. Darauf freute er sich schon, aber noch mehr freute er sich über die Tatsache, dass er sich dann mit Rei würde 'richtig' unterhalten können, was ihn wiederum etwas irritierte.

War ihm Rei wirklich in dieser kurzen Zeit, die sie heute zusammen gewesen waren, so wichtig geworden? Oder war ihm Rei schon länger so wichtig, dass er sich darauf freute bei ihm zu sein? Denn das tat er, wie ihm jetzt erst richtig auffiel.

Er hatte sich unbeschreiblich gefreut, als Rei verkündet hatte, er würde ihn ins Krankenhaus begleiten. Er hatte es nicht gezeigt, weil sein Stolz eine solche Gefühlsregung gar nicht zugelassen hätte, aber vor allem, weil er es selbst eigentlich kaum bemerkt hatte, wahrscheinlich auch, weil ihm unterbewusst von vornherein klar gewesen war, dass er es eh nicht würde zeigen können. Sein Stolz und die daraus folgende äußere Gefühllosigkeit hatten ihn schon so einige Gefühle gar nicht erst wahrnehmen lassen, weil sein Stolz ihn ja doch davon abhielt, diese zu zeigen. Doch jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich über Reis Angebot bei ihm zu bleiben sehr gefreut hatte, und das nicht einmal, weil er dann nicht allein mit seinen Schmerzen unterwegs sein würde, sondern sogar, weil es Rei war, der bei ihm sein würde.

Unbewusst hatte Kai in den letzten Wochen immer öfter Reis Nähe gesucht. Öfter als sonst war er mit den Bladebreakers unterwegs gewesen, eigentlich nur um ruhig neben Rei hergehen zu können. Öfter als sonst war er mit ihnen zum Abendessen gegangen, eigentlich nur um ruhig neben Rei essen zu können. Öfter als sonst hatte er sich in den Zimmern der anderen aufgehalten, anstatt nur in seinem eigenen, eigentlich nur um ruhig neben Rei sitzen zu können.

Und wenn die Anderen das Zimmer mal für einige Zeit verlassen hatten, hatte er nicht einfach bloß die Ruhe genossen, sondern eigentlich viel mehr Reis Anwesenheit.

Schon da hatte er manchmal darüber nachgedacht, ob er ihn nicht mal ansprechen und sich mit ihm über irgendwas unterhalten sollte, doch war ihm nicht klar gewesen, warum der das tun sollte und warum er das überhaupt in Betracht zog, wo er doch eigentlich die kurze Ruhe genießen sollte, und hatte es aus Mangel an Gründen dann einfach sein lassen.

Jetzt aber wusste er - zumindest halbwegs - warum er es wollte und nahm sich deshalb vor, bald mit Rei zu reden; ihn etwas zu fragen, woraus sich vielleicht ein Gespräch entwickeln könnte.

Darauf freute er sich schon, aber erst einmal mussten sie beide jetzt ins Bett, denn mittlerweile war Kai am Kopfende angekommen und versuchte, möglichst ohne unbeabsichtigt umzufallen, unter die Decke zu kommen, während Rei ihn halb amüsiert, halb besorgt dabei beobachtete.

Schon auf dem Weg neben dem Bett her hatte Kai auf ihn einen irgendwie schwachen Eindruck gemacht. Als würde er im nächsten Moment umkippen. Rei wollte schon hinter ihm herlaufen, um ihn gegebenenfalls auffangen zu können, hatte sich dann aber doch selbst davon abgehalten, weil das Kai wahrscheinlich zu sehr irritiert hätte.

Schon die unbeabsichtigte Hand in seinem Nacken war ja zu viel gewesen. Rei hatte ihn anscheinend mit seiner Berührung erschreckt, anstatt ihn, wie er es vorgehabt hatte, zu beruhigen. Würde er jetzt hinter ihm herschleichen, brächte er Kai womöglich dazu, ihn noch einmal und wahrscheinlich um einiges heftiger wegzustoßen, und das wollte Rei unter allen Umständen verhindern.

Er wollte ja für die größtmöglichste Nähe zwischen ihnen beiden sorgen und indem er Kai hinterher schlich, selbst wenn er es nur mit guten Absichten tat, und ihn so erschreckte, erreichte er ganz bestimmt das genaue Gegenteil.

Aber trotzdem konnte er nicht umhin, ihm besorgt nach zu sehen. Wieder kam Kai ihm 'zerbrechlich' vor, so als ob jemand ihn vor der ganzen, bösen weiten Welt beschützen musste, die ihm schon so viele grausame Dinge angetan hatte, die ihn so verschlossen und scheinbar gefühllos hatten werden lassen.

Und Rei wollte dieser jemand sein. Dieser eine, der ihn beschützte; dieser eine, dem er erzählen konnte, was ihm alles zugestoßen war und zu dem gemacht hatte, der er heute war. Rei wollte dieser eine sein, mit dem Kai reden konnte.

Jedoch wusste er, dass dazu Kai den ersten Schritt würde tun müssen, denn selbst wenn Rei anfangen würde, würde auf Dauer nichts dabei herauskommen, weil Kai vermutlich noch nicht bereit gewesen war und so nicht wirklich auf ein Gespräch würde eingehen können. Kai müsste Rei ansprechen, somit zeigen, dass er bereit war sich ihm zu öffnen und dann würde Rei darauf eingehen können.

Aber Rei würde in jedem Fall da sein, wann auch immer Kai dazu bereit sein würde und wie lange es auch dauern mochte. Rei würde dann in Kais Nähe sein.

Das würde er auch jetzt gern, aber Kai sah nicht so aus, als würde er es begrüßen, wenn Rei unaufgefordert zu ihm unter die Bettdecke krabbelte. So blieb ihm nichts anderes übrig als resigniert nach einer Decke zu fragen, um sich auf den Boden zu legen, denn weder eine Couch noch ein anderes Möbelstück, auf dem es sich zumindest relativ bequem würde schlafen lassen, war hier in Sicht.

"Ich hab nur diese eine Decke. Ist ja auch ein Ehebett."

"Stimmt, wieso hast du überhaupt eins. Du schläfst doch allein hier."

Schon als er das Wort 'allein' aussprach, wusste Rei, dass er das besser hätte sein lassen sollen. Nicht nur, dass es immer schlechtes Karma brachte, Worte auszusprechen, deren Bedeutung man in den nächsten Stunden am liebsten gar nicht mehr kennen wollte. Nein, auch Kai schien der Satz irgendwie nicht gefallen zu haben. Rei vermutete, dass er wahrscheinlich gar nicht so gern allein war, wie er immer tat und dass es sich für ihn so angehört hatte, als wolle Rei, dass er mal schön allein auf seinem Zimmer blieb.

Doch bevor er dazu ansetzen konnte sich zu entschuldigen oder zu erklären, dass er es nicht so gemeint hatte, wandelte sich Kais Gesichtsausdruck von leicht enttäuscht zu fast trotzig, was Rei auch noch davon abhielt etwas zu sagen, ganz einfach, weil ihm dieses niedliche Gesicht, wie es dort nur noch halb unter der Bettdecke hervorlugte, die Sprache verschlug.

"Ihr habt doch auch solche Betten."

"Ja, aber wir schlafen ja auch zu zweit dadrin."

Und schon wieder hatte er ohne Nachzudenken geantwortet und Kais Gesicht verzog sich noch weiter. Es schien nicht richtig böse, aber irgendwie, als ob er ... schmollte.

Rei musste sich wirklich beherrschen, damit er nicht fröhlich vor sich hinlächelte, während sich seine Wangen leicht rötlich färbten. Das war ja nun wirklich zu süß.

Vor ein paar Tagen hätte er es nicht einmal für möglich gehalten, dass Kai überhaupt irgendeine Emotion zwischen Gleichgültigkeit und Wut empfinden, geschweige denn zeigen könnte, und nun saß dieser niedliche Kerl aufrecht in seinem Bett, hielt die Decke leicht zwischen seinen Fingern und zog einen Schmollmund. Das sah wirklich zu süß aus!

"Das weiß ich! Aber dieser blöde, alte Mr. Dickenson hat sich mal wieder nicht gescheit um unsere Zimmer gekümmert. Er hat zwar eine halbe Etage gemietet, aber eine, auf der es nur Doppelzimmer gibt."

"Das wusste ich nicht. Aber, nya, so hast du viel Platz. Ist ja auch schön."

Es war eine jämmerliche Art die Situation retten zu wollen, aber die einzige, die Rei im Moment einfiel. Er hoffte nur, dass Kai die Verzweiflung, die hinter dieser Antwort steckte, nicht heraus hörte und einfach glaubte, er sei ein bisschen zu müde, um noch intelligente Sätze hinzubekommen.

Schnell versuchte er deshalb wieder von diesem Thema abzulenken, auch wenn ihm das nächste noch viel weniger gefiel.

"Aber ohne Decke ist mir das auf dem Boden auch zu kalt. Ich schau mal, ob Max vielleicht in unserem Zimmer ist."

Kai kam sich so langsam tatsächlich ein bisschen verarscht vor. Erst konnte Rei die Finger gar nicht von ihm lassen, dann fing er an ihm unter die Nase zu halten, dass er eigentlich ziemlich allein war, dann redete er Müll, wahrscheinlich um sich indirekt zu entschuldigen und ihn zu besänftigen und jetzt sprach er davon zu gehen.

Was war eigentlich mit dem los? Kai hatte gedacht Rei sei mit seinen Gefühlen im Reinen, aber das war wohl ein ziemlicher Irrtum gewesen. Er schien seine Gefühle zwar zu erkennen, dafür schwankten sie aber ganz schön!

Dass er ihn oft berührt hatte, hatte Kai ja über sich ergehen lassen - naja, eigentlich schon fast genossen. Dass er ihm unbedingt zeigen wollte, dass er allein war, wo er das doch wohl am besten wusste und selbst auch nicht mehr besonders glücklich darüber war, hatte er hingenommen und Rei anscheinend verständlich gemacht, dass er es nicht schätzte von ihm darauf hingewiesen zu werden. Dass er dann ziemlichen Stuss redete, wahrscheinlich weil er die Situation irgendwie noch retten wollte, hatte ihn fast schon amüsiert. Dass er anscheinend auf dem Boden hatte schlafen wollen, nur damit er bei Kai bleiben konnte, hatte ihm beinah geschmeichelt.

Aber dass er jetzt einfach verschwinden wollte, fand Kai beim besten Willen nicht mehr lustig! Er hatte sich zwar etwas beruhigt und brach nun nicht mehr innerlich in Verzweiflung aus, doch wollte er nun noch weniger, dass Rei ging und auch die Zweifel, ob er ihn denn wirklich in seinem Bett würde haben wollen, verschwanden mit einem Schlag, als Rei sich zur Tür umwandte.

"Hey, hier passen doch... zwei rein."

Rei wirbelte beinah herum und sah ihn aus mehr als ungläubigen Augen an, als würde er nicht fassen können, was Kai eben gesagt hatte.

Und Kai beschlich ein ungutes Gefühl. Er hatte gar nicht daran gedacht, ob Rei überhaupt bei ihm schlafen wollte. Er hatte nur an sich und seine eigenen Gefühle gedacht, aber gar nicht daran, was Rei eigentlich wollte. Vielleicht war er ja wirklich heute nur so lang in seiner Nähe geblieben, weil er sich Sorgen gemacht hatte, aber jetzt, wo er wusste, dass es Kai wieder einigermaßen gut ging, wollte er viel lieber wieder gehen.

Er hatte die ganze Zeit geglaubt, Rei würde auch seine Nähe genießen, jetzt, wo er sie endlich zulassen konnte, aber das musste ja gar nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Wenn Kai sich schon bei seinen eigenen Gefühlen nie sicher sein konnte, wie sollte er sich dann über die Anderer gewiss sein? Vielleicht, ja sogar wahrscheinlich, hatte er Rei die ganze Zeit falsch interpretiert!

Und jetzt hatte er ihn gefragt, ob er nicht zu ihm ins Bett kommen wollte!

Was sollte Rei denn jetzt von ihm denken? Er musste doch schon völlig verwirrt sein, weil Kai, der sonst nie jemanden auch nur in seine Nähe gelassen hatte, sich an ihm festgehalten, sich fast schon auf ihn verlassen hatte. Was dachte er denn jetzt nur von ihm? Was sollte Kai denn jetzt tun?

Einerseits hatte es ihm sehr gefallen sich Rei so zu öffnen, aber andererseits ... wusste er ja gar nicht, was Rei überhaupt davon hielt. Wie sollte er sich denn jetzt verhalten?

"W... wirklich? Darf ... ich bei dir schlafen?"

Rei hatte einige Momente gebraucht, um zu realisieren, dass Kai wirklich gerade ausgesprochen hatte, was er sich die ganze Zeit gewünscht hatte.

Erst hatte er es für einen Wunschtraum gehalten. Dass es schon so weit gekommen war, dass er am helllichten Tage von einem Kai träumte, der wollte, dass er bei ihm schlief. Doch als er herumgewirbelt war, um sich zu vergewissern, dass es eventuell doch real gewesen sein könnte, hatte er Kai noch einen kurzen Augenblick fast erwartungsvoll in seine Richtung schauen sehen, bevor er den Blick gesenkt und nahezu etwas erschreckt geschaut hatte, als ob ihm erst mit dem Anblick von Reis Gesicht etwas Wichtiges eingefallen war.

Jetzt saß er mit verkrampften Händen in seinem Schoß auf dem Bett und schien angestrengt über etwas nachzudenken. Vielleicht waren ihm die Worte nur so herausgerutscht und er hatte gar nicht richtig darüber nachgedacht, was er da sagte und hatte es vielleicht sogar gar nicht sagen wollen.

Oder er wollte es im Grunde schon, hatte es aber erst begriffen, nachdem er es ausgesprochen hatte und musste nun erst einmal darüber nachdenken. Aber er hätte es doch nicht gesagt, wenn er es überhaupt nicht wollen würde!

Er hätte ihn einfach stumm aus seinem Zimmer verschwinden lassen und wäre froh gewesen, dass Rei von allein gegangen war. Dass er es tatsächlich ausgesprochen hatte, musste doch bedeuten, dass er es wollte; dass er es zumindest in Betracht zog!

Rei bemerkte, dass er sich mit diesen Gedanken eigentlich nur selbst Mut zu machen versuchte, aber er wollte einfach nicht glauben, dass Kai nicht wollte, dass er in seiner Nähe war, wenn er es doch sagte.

Deshalb machte er nun auch wieder einen Schritt auf das Bett zu, nachdem Kai auf seine Frage nicht reagiert hatte. Dieser blickte daraufhin auf und sah ihn noch etwas verwirrt an.

"Kai... darf ich?"

Die Art, wie Rei diese Frage aussprach, kam Kai fast etwas flehend vor, aber auch immer noch, als könnte er nicht glauben, dass Kai das gefragt hatte. Demnach musste Rei die Frage zwar nicht erwartet haben, aber mit Kai in einem Bett zu liegen auch nicht ablehnen, so wie Kai zuerst gedacht hatte.

Dass Rei so ungläubig geschaut hatte, musste einfach darauf zurückzuführen sein, dass er die Frage beim besten Willen nicht erwartet hatte, wahrscheinlich, weil Kai so etwas eigentlich nie fragen würde. Er wunderte sich ja selbst noch darüber. Da war es kein Wunder, dass Rei aus allen Wolken fiel.

Die Gegenfrage Reis musste dann aber bedeuten, dass er es auch wollte und dass er nicht wegen dem Inhalt der Frage, sondern wegen der Frage an sich so überrascht gewesen war.

Das wiederum bedeutete, dass Kai sich mal wieder ganz umsonst solche Gedanken gemacht hatte und dass er Rei wieder falsch eingeschätzt und fast schlecht von ihm gedacht hatte. Das wollte er wieder gut machen, auch wenn eine weitere Entschuldigung dazu wohl nicht geeignet sein würde. Er würde Rei ganz einfach anlächeln. Vielleicht verstand er ja.

"Ja."

Wäre die verdammte Schwerkraft nicht gewesen, wäre Rei direkt zu Kai ins Bett geflogen. So jedoch musste er sich ziemlich auf seine Beine konzentrieren, um dafür zu sorgen, dass sie sich auch nicht zu schnell in Richtung Bett bewegten, denn es wäre Kai wohl doch etwas suspekt gewesen, wäre Rei wie ein geölter Blitz auf die andere Seite gesprintet und hätte sich zu ihm unter die Decke gekuschelt.

Er wollte ihn ja nicht erschrecken und so zwang er sich möglichst ruhig zu der Seite vom Bett zu gehen, die neben der Tür zum Bad lag. Dabei konnte er allerdings nicht umhin fortwährend zu Kai zu schauen, der ihm lächelnd mit den Augen folgte.

Das war fast schon zu schön um wahr zu sein. Hoffentlich wachte er nicht gleich auf dem kalten Boden auf und hatte diese ganze Szene nur geträumt. Aber... ach und wenn schon. Selbst wenn das hier nur ein Traum war, war es doch der beste seit Ewigkeiten und Rei war nicht bereit ihn einfach auf Grund eines leisen Verdachtes zerplatzen zu lassen. Wenigstens im Traum wollte er Kai nah sein.

Vielleicht könnte er so auch noch lernen, wie er sich das nächste Mal am besten verhielt, wenn er mit Kai zusammen war. In jedem Fall konnte er diesen Traum nur als wunderbar bezeichnen und es war ihm egal, dass es nur ein Traum war.

Dann lief er schmerzhaft gegen die Bettkante. Er hätte nicht so viel nachdenken und besser darauf achten sollen, dass er schon längst angekommen war.

Aber: Moment mal! Schmerzhaft? Während er unter die Decke krabbelte, versuchte er sich möglichst unauffällig selbst zu kneifen. Und tatsächlich: es tat weh! Er träumte nicht! Er lag wirklich mit Kai in einem Bett!

Was sollte er denn jetzt machen? Er hatte es sich zwar die ganze Zeit so gewünscht, aber gleichzeitig für so unwahrscheinlich gehalten, dass er gar nicht weitergedacht hatte.

Hmm... was machte man denn in einem Bett?

Schon färbten sich seine Wangen wieder rot. Nein, das hatte er jetzt nicht denken wollen.

Er musste an diese Sache herangehen, als wenn nicht Kai, sondern beispielsweise Max neben ihm lag. Was machten denn Max und Rei immer im Bett? Natürlich schlafen! Wie hatte Rei das nur vergessen können? Allein deswegen waren Kai und er doch eigentlich auch nur ins Bett gegangen. Sie waren hundemüde.

Kein Wunder nach diesem Tag. Der war wirklich anstrengend gewesen und Rei bemerkte jetzt, wo er endlich lag, auch wieder, dass er die Augen kaum mehr aufhalten konnte. Er blickte zu Kai, während er seinen Kopf langsam auf das Kissen sinken ließ und bemerkte, dass auch dieser sich nun schon ganz hingelegt hatte.

Auch er sah wirklich müde aus, aber trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - immer noch niedlich, wie er da mit halb geschlossenen Augen zu Rei blickte und sich die Decke bis zum Kinn hochzog. Auch Rei kuschelte sich nun in die Bettdecke, die er sich mit Kai teilte, versuchte aber die Augen noch etwas aufzuhalten, denn schließlich wollte er Kai noch etwas sagen.

Der jedoch, so schien es, würde es nicht mehr allzu lange schaffen wach zu bleiben, denn immer wieder klappten seine Augenlieder völlig herunter und er musste sich wirklich zwingen, sie wieder zu öffnen, obwohl er sie doch eigentlich irgendwie gar nicht schließen wollte. Und kaum hatte er sie erneut halb geöffnet, wusste er auch wieder ganz genau, warum: Er konnte Rei sehen.

Mit den halb geschlossenen Augen, die so nur noch mehr wie Bernstein glitzerten und den entspannt angezogenen Armen und Beinen, machte Rei auf ihn einen Eindruck, den er nicht ganz in Worte fassen konnte. Er sah niedlich aus, wie er da so zusammengerollt lag und sein Lächeln verriet Kai, dass es ihm wirklich gut ging und er sich keine Sorgen mehr zu machen brauchte, weder um sich noch um Rei.

Und nach einer ganzen Zeit, in der er Rei einfach bloß angesehen hatte, wusste er auch endlich, welchen Eindruck er auf ihn machte: Er fühlte sich wohl. Rei fühlte sich in seiner Nähe wohl. Er fühlte sich bei ihm wohl.

Diese Erkenntnis sorgte jedoch dafür, dass es Kai nun gar nicht mehr möglich schien, seine Augen offen zu halten. Er wusste nun fast sicher, was ihn all die Zeit beschäftigt hatte und außerdem waren seine Augenlieder schwer wie Beton und er brachte nach all den Anstrengungen heute nicht mehr lange die Kraft auf, sie noch aufzuhalten.

Eines jedoch brachte ihn dazu, sie dennoch ein weiteres Mal zu öffnen: Rei.

"Kai?"

Mit einigem Kraftaufwand gelang es ihm seine Augenlieder zu heben und Rei fragend anzusehen. Zum Antworten fehlte ihm momentan die Kraft - und auch der Enthusiasmus. Rei verstand ihn doch auch gut ohne Worte.

"Ich hoffe dir geht es bald wieder besser. Schlaf gut."

Er hatte sich eigentlich keine Gedanken darüber gemacht, was Rei nun sagen würde, aber das hatte er trotzdem nicht erwartet.

Rei hoffte, dass es ihm bald wieder gut ging? Das war ja so... nett von ihm.

Das hatten bestimmt noch nicht viele Menschen gehofft. Sie hatten es gewollt, aber nicht gehofft. Sie hatten gewollt, dass Kai schnell wieder fit war, damit er weiter trainieren konnte, oder ihnen aus einer prekären Situation würde heraushelfen können, aber sie hatten nicht gehofft. Dass Rei für Kai hoffte, zeigte, dass er sich wirklich um ihn sorgte und wollte, dass es ihm schnell wieder besser ging, nicht damit er für Rei wieder zur Verfügung stehen würde, sondern um seinetwillen.

Kai würde ihm gerne dafür danken, doch einerseits müsste er ihm dann auch erklären, warum er denn so dankbar war und dazu war er noch nicht bereit, und andererseits würde Rei ein "Danke" aus Kais Mund wohl nicht viel weniger aus der Bahn werfen, als ein "Entschuldigung".

Deshalb entschied sich Kai das besser sein zu lassen und ihm stattdessen still zu danken, indem er ihn einfach weiterhin ansah und lächelte. Rei würde ihn schon verstehen.

Und das tat er.

Er spürte - viel mehr, als dass er es Kai ansah - dass dieser ihm dankbar war und doch machte es ihn noch um einiges glücklicher, als er in Kais lächelndes Gesicht sah.

Er hatte erst nicht wirklich gewusst, ob er es denn sagen sollte, doch jetzt war er froh es getan zu haben, denn es hatte Kai zeigen sollen, dass er Rei etwas bedeutete und Rei glaubte zu erkennen, dass Kai es auch verstanden hatte.

So konnte er nun ruhigen Gewissens die Augen schließen und einfach abwarten, was passieren würde.
 

...

Er hatte gemeint, was passieren würde, sobald er am nächsten Morgen wieder aufwachte, doch anscheinend wollte dieser Morgen noch etwas auf sich warten lassen, denn nach geschlagenen 10 Minuten lag Rei immer noch wach. Dabei war er wirklich hundemüde und konnte die Augen nicht mehr aufhalten und doch wollte der erlösende Schlaf einfach nicht kommen.

Irgendwas schien ihn so sehr zu beschäftigen, dass es ihn vom Schlafen abhielt, aber ihm fiel erst nach angestrengter Überlegung ein halbwegs plausibler Grund ein. Eigentlich der Einzige, der im Moment in Frage kam und Rei wunderte sich ein wenig, dass er wirklich hatte überlegen müssen, um darauf zu kommen, wo es doch der Grund war, aus dem er schon einige Nächte wach gelegen hatte oder mitten am Tag seinen Träumen nachgehangen war: Kai.

Eigentlich kein Wunder, dass der ihn vom Einschlafen abhielt, wenn er so dicht neben ihm lag, dass Rei leicht den Luftzug seines ruhigen Atems über seine Hand wehen spürte. Anscheinend hatte er gerade keine Gründe, die ihn vom Schlafen abhielten. Natürlich freute sich Rei für Kai darüber, aber das half ihm selbst nun auch nicht weiter.

Langsam schlug er die Augen auf, was ihm wiederum glatt den Atem verschlug.

Kai lag dort, keinen halben Meter von ihm entfernt, mit über der Brust gekreuzten Armen und in die Decke gekrallten Fingern halb auf dem Rücken, halb auf der Seite und schlief mit leicht geöffnetem Mund. Die Haare fielen ihm ein klein wenig über die Augen und gerade als Rei zu ihm sah, schien er sich noch etwas mehr zu lockern, sodass sich seine rechte Hand aus der Bettdecke löste und hinunter auf das Kopfkissen glitt, um entspannt direkt neben seinen geschlossenen Augen liegen zu bleiben.

Dieses bestimmte Gefühl in seinem Bauch, das schon den ganzen Tag mehr oder weniger stark da gewesen war, breitete sich so schnell und so stark in seinem ganzen Körper aus, dass Rei erst gar nicht wusste, wie ihm geschah. Er konnte nur noch seufzen und Kai mit einem mehr als schwärmenden Blick weiterhin beobachten.

Er war so froh, dass er bei ihm sein durfte; dass er das hatte sehen dürfen. Es kam ihm so vor, als hätten sich mit diesem Anblick all die Wünsche, die er in Bezug auf Kai und sich selbst gehabt hatte, erfüllt und als würde er gar nichts anderes mehr wollen, als Kai beim Schlafen zuzusehen.

Allein die Ahnung der Nähe und dass sich Kai anscheinend in seiner Nähe geborgen fühlte, sodass er sogar schlafen konnte, machte ihn so überglücklich, dass er aus dem Bett hätte springen und im Zimmer hätte herumtanzen können, gleichzeitig aber beruhigte ihn dieser Anblick so sehr, dass er einfach still neben Kai liegen wollte, um weiterhin dem ruhigen Atem zu lauschen und die leichten Bewegungen der Decke, die das Heben und Senken seines Brustkorbes auslösten, zu spüren.

Am Ende tat er nichts von beidem. Was er allerdings tat, realisierte er selbst erst nachdem er es getan hatte.

Sonst hätte er so etwas nie getan. Er hätte sich gar nicht getraut. Aber irgendwie war sein Kopf, während er es tat, völlig leer.

Nein, nicht leer, tatsächlich schon übervoll. Mit nur einem Gedanken: Kai.

Und dieser Gedanke sorgte dafür, dass sich für diese Zeit scheinbar sein Verstand ausschaltete und er einfach tat, was er schon so lange hatte tun wollen, ohne sich selbst mit Sorgen und Ängsten davon abzuhalten.

Langsam und fast geräuschlos stützte er sich auf seinen linken Ellenbogen und beugte sich das kleine Stück zu Kai vor. Behutsam legte er seine andere Hand zwischen sich und Kai, um sich darauf lehnen zu können und überwand, während er seine Augen schloss, den verbleibenden Abstand, bevor er sanft seine Lippen auf Kais legte.

Nur einen kurzen Augenblick verweilte er so, bevor er genau so geräuschlos und bedächtig, wie er sich zu Kai hingebeugt hatte, zurück auf seine Seite vom Bett rückte und sich wieder hinlegte.

Er dachte an nichts als dieses Gefühl, das er während der kurzen Berührung empfunden hatte und wie überaus glücklich es ihn immer noch machte.

Das hatte er die ganzen letzten Wochen so gerne tun wollen und er hatte es sich nicht schöner vorstellen können.

Allerdings wurde ihm, jetzt, als er es sich wieder vorstellte, erst bewusst, was er da gerade getan hatte.

Er hatte Kai geküsst! Auf den Mund! Während er schlief! Er hatte Kai geküsst!

Mit einem Schlag wurde Reis Gesicht so heiß, dass er nicht glaubte, dass er nur rot wurde, sondern dass er tatsächlich gleich Feuer fing. Allerdings nur im Gesicht, denn sein restlicher Körper schien gerade alle Wärme zu verlieren, die er je besessen hatte. Ihm wurde plötzlich so kalt, dass er begann zu zittern, während er sich vorstellte, was passiert wäre, wäre Kai bei seiner Aktion eben aufgewacht. Er hatte ihn geküsst!

Wahrscheinlich hätte Kai ihn nicht nur hochkant aus dem Bett, sondern gleich ganz aus dem Zimmer befördert, vermutlich durchs Fenster. Und er wäre eine Ewigkeit auf ihn sauer gewesen. Wahrscheinlich hätte er ihn bis ans Ende seines Lebens nicht mehr angesprochen, nicht mehr angesehen, nicht einmal mehr auf 20 Meter in seine Nähe gelassen.

Allein die Vorstellung zerriss Rei schier das Herz im Leib. Dabei war Kai ja nicht wach geworden.

Oder?

Panisch riss Rei die Augen auf und blickte zu Kai herüber, der immer noch ruhig atmend in derselben Position lag, die Rei anscheinend dazu gebracht hatte, diese schwachsinnige Aktion zu starten.

Er hatte Kai geküsst!

Er konnte es gar nicht oft genug wiederholen und da er nun wusste, dass er höchstwahrscheinlich in nächster Zukunft keine Flugstunden würde nehmen müssen und auch nicht mit vollkommener Ignoranz seitens Kai gefoltert werden würde, verebbte der Panik auslösende Beigeschmack dieser Aussage und hinterließ stattdessen bei jedem neuen Gedanken daran dieses bekannte Kribbeln in seinem Bauch und zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.

Er hatte sich wieder hingelegt und die Augen geschlossen, um sich noch besser daran zurückerinnern zu können.

Er hatte Kai geküsst! Er hatte ihn wirklich geküsst und es war ein so unbeschreiblich tolles Gefühl gewesen, dass Rei es nicht in Worte fassen konnte. Es war einfach toll. Und nichts würde etwas an seiner momentanen Hochstimmung ändern können.

So glaubte er. Doch da machte sich Rei selbst einen Strich durch die Rechnung.

Er hatte Kai geküsst! Und Kai war sein Teamchef, sein Spielpartner, sein Freund. Kai war ein Junge.

Und Rei war auch ein Junge!

Und er hatte ihn eben geküsst!

Und sie waren beide Jungen!

Warum war ihm das eigentlich früher nie in den Sinn gekommen. Er dachte doch schon so lange in dieser Art und Weise an Kai. Wie hatte er da übersehen können, dass Kai ein Junge war? Das konnte man doch gar nicht übersehen! Kai war so stark und so durchtrainiert und so cool und überhaupt so männlich. Er hatte eine riesige Schar an weiblichen Fans, die immer kreischend in den Gängen stand, wenn sie irgendwo einen öffentlichen Auftritt hatten. Kai war so überdeutlich ein Junge, dass Rei sich fragte, ob er selbst vielleicht keiner war.

Also die langen Haare hätten genauso gut einem Mädchen gehören können und schon einige Male war er ja sogar für eines gehalten worden, aber trotzdem wusste er leider nur zu gut, dass er keines war. Er war auch ein Junge, genau wie Kai. Und er hatte ihn gerade geküsst. Und er hatte das nicht freundschaftlich getan.

Dieses Gefühl in seinem Bauch war keine Freundschaft. Es war einiges mehr als das. Und Kai war ein Junge!

Er hätte wirklich heulen können, wollte aber nicht riskieren Kai doch noch aufzuwecken, also biss er sich stumm auf die Unterlippe und unterdrückte die Tränen, wie er es eben erst schon einmal getan hatte, obwohl er wusste, dass das nicht gut war und er seinen Gefühlen besser freien Lauf ließ, wenn er nicht irgendwann davon überfallen werden wollte.

Mit gleichmäßigem, tiefem Atmen versuchte er sich zu beruhigen, während er darüber nachdachte, was ihn eigentlich schon wieder den Tränen so nahe brachte. So schlimm war es doch eigentlich gar nicht, dass sie beide Jungen waren. Es gab doch viele Jungen, die ... schwul waren.

Rei war schwul.

Das Gefühl in seinem Bauch war dieses eine, unerreichte Gefühl, das man hatte, wenn man verliebt war. Er war noch nie zuvor wirklich verliebt gewesen, aber er konnte es sich nicht anders erklären.

Und er war in Kai verliebt.

Und Kai war ein Junge.

Und er auch.

Und das bedeutete, dass Rei schwul war.

Er war schwul und in Kai verliebt.

Wieder musste er sich zu ruhigem Atmen zwingen. Er fragte sich, ob er das schlimm fand.

In Kai verliebt zu sein kam ihm wie das Beste vor, das ihm je passiert war, machte es ihn doch so unbeschreiblich glücklich. Aber schwul zu sein...

Er hatte noch nie daran gedacht. Er hatte sich eigentlich immer für relativ tolerant gehalten. Er hatte Menschen nie sofort nur auf Grund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder eben ihrer Liebe verurteilt. Er dachte zuerst immer das Gute von Menschen.

Aber war er wirklich so tolerant, dass er es akzeptieren könnte schwul zu sein?

Im Grunde würde ihm nicht viel anderes übrig bleiben. Schließlich wollte er Kai auf keinen Fall aufgeben. Nicht jetzt, da er endlich begonnen hatte sich ihm zu öffnen. Nicht jetzt, da er ihn sich berühren ließ. Und nicht jetzt, da Rei ihn einmal geküsst hatte.

Es war einfach ein zu tolles Gefühl gewesen, als dass er es einfach so vergessen könnte, nur weil er sich selbst im Moment mit der Erkenntnis überfahren hatte, dass er anscheinend schwul war. Kai war seine erste Liebe und die würde er nicht einfach vergessen. Das könnte er gar nicht.

Er liebte ihn. So etwas konnte er nicht einfach verdrängen, ignorieren und so tun, als sei nichts. Er liebte ihn. Und er wollte bei ihm sein. Er wollte.

Schwul war doch auch nur ein anderes, negativ behaftetes Wort für Liebe. Er liebte Kai und er würde sich nicht durch ein blödes Vorurteil seine erste Liebe stehlen lassen.

Es war so oder so äußerst unwahrscheinlich, dass jemals etwas zwischen ihnen beiden passieren würde. Schließlich gehörten zur Liebe immer zwei und Rei bezweifelte, auch wenn es ihm höllisch weh tat es sich einzugestehen, dass Kai in der gleichen Weise für ihn fühlte.

Trotzdem würde Rei bei ihm bleiben. Das hatte er sich geschworen. Außerdem konnte er einfach nicht umhin sich zumindest noch ein winziges Fünkchen Hoffnung zu bewahren, dass vielleicht, nur ganz eventuell, Kai auch irgendwann einmal etwas für ihn empfinden könnte. Denn: Wer weiß, was er fühlte? Nicht einmal er selbst schien es ja wirklich zu wissen.

Rei würde Kai helfen sich zu Öffnen und sich so auch selbst besser zu verstehen, selbst wenn das nie dazu führen würde, dass Kai so für ihn empfand, wie Rei für ihn. Er wollte Kai nicht darunter leiden lassen, dass er selbst mit einer unzureichenden Definition von Liebe zwischen Jungen nicht zurechtkam.

Er würde bei ihm bleiben, denn schon Kais Nähe machte ihn glücklicher, als er es jemals wieder sein könnte, wenn er sich jetzt nur auf Grund eines verdammten Wortes wieder zurückzog. Er würde für ihn da sein, selbst wenn seine schwule Liebe nie erwidert würde. Er würde da sein. Für Kai. Denn es ging um ihn, nicht um Rei.
 

Rei wurde so sehr von seinen eigenen Gedanken in Anspruch genommen, dass er nicht einmal ansatzweise mitbekam, dass sich neben ihm etwas bewegte.

Kai hatte nicht geschlafen. Auch er war todmüde und doch hatte er einfach nicht einschlafen können. Er wusste nicht so recht warum, aber er glaubte, dass es irgendetwas mit Rei zu tun hatte. Nicht nur, dass er der erste Mensch war, mit dem Kai sich je ein Bett geteilt hatte und es Kai einfach nicht unangenehm war, was ihn fast schon etwas verblüffte, denn immer war ihm nach einer Zeit die Nähe eines Menschen unangenehm geworden. Bei Rei kam es ihm vor, als würde er diese Nähe sogar immer mehr genießen, je länger sie sich nahe waren. Er wollte gar nicht einschlafen, weil er dann nicht mehr dem leisen Atem würde lauschen können, der ihn so beruhigte.

Reis Anwesenheit beruhigte ihn, regte ihn aber gleichzeitig so auf, dass er nicht schlafen konnte. Dabei konnte er seine Augen schon eine Weile nicht mehr offen halten und auch seine Muskeln entzogen sich langsam aber sicher seiner Kontrolle. Er entspannte sich mehr und mehr, atmete ruhig und wartete auf den angenehmen Schlaf, als... Rei...

Kai hatte bemerkt, dass Rei sich im Bett bewegt hatte.

Zuerst hatte er gedacht, er drehe sich nur auf die andere Seite, dann allerdings hatte er gespürt, wie sich die Matratze neben ihm ein wenig nach unten durchbog, was ihm trotz immer noch geschlossener Augen mitgeteilt hatte, dass Rei sich anscheinend zu ihm herüberbeugte.

Dann hatte er gedacht, dass Rei sich wahrscheinlich nur vergewissern wollte, dass Kai schlief, damit er wusste, dass es ihm gut ging und so hatte er sich eben schlafend gestellt. Er wollte Rei ja nicht unnötig Sorgen bereiten. Das hatte er am heutigen Tag wohl schon mehr als genug.

Deshalb war er auch nicht zurückgewichen, als er Reis warmen Atem auf seiner Haut hatte spüren können. Er hatte ja so tun wollen, als schliefe er und außerdem hatte er ja gedacht, Rei würde ihn nur ansehen.

Dann allerdings hatte er durch den Schall von Reis Atem gehört, dass er ihm immer und immer näher kam. Doch auch daraufhin hatte er sich nicht gerührt, auch um Rei nicht zu Tode zu erschrecken, wenn er jetzt plötzlich die Augen aufschlug und ihn vielleicht sogar noch böse anblickte - mal ganz davon abgesehen, dass ihm seine Augenlieder immer noch so schwer wie Blei vorkamen.

Und dann... ja, dann hatte er einfach dagelegen und es zugelassen, dass Rei so sanft, wie Kai noch kein Mensch berührt hatte, die Lippen auf die seinen gelegt hatte.

Er hatte gefühlt, dass Reis Lippen, genau wie seine, leicht geöffnet gewesen waren und als sie sich berührten, hatte Rei die seinen behutsam ein wenig geschlossen, sodass Kais Unterlippe sacht zwischen ihnen geruht hatte.

Und dann hatte Rei, ohne seine Lippen wieder weiter zu öffnen, seinen Kopf zurückbewegt und seinen Körper wieder von Kais entfernt.

Erst einige Momente später hatte Kai bemerkt, dass Rei sich wieder auf seiner Seite hingelegt hatte und auch dann hatte er das eben Geschehene noch nicht wirklich realisiert.

Er war Rei heute schon näher gewesen und doch kam ihm das wie Nichts vor, im Gegensatz zu der Nähe, die er eben gespürt hatte. Nur ein winziger Teil ihrer Körper hatte sich berührt und doch hatte Kai das Gefühl, als sei er noch nie einem Menschen näher gewesen.

Und es hatte ihm wirklich gefallen, sogar mehr als das. Er hatte nicht gewollt, dass es aufhörte. Er hatte es genossen und das nicht nur, weil er zum ersten Mal eine solche Nähe spürte. Er hatte es genossen, weil er sich so geborgen gefühlt hatte; weil er sich bei Rei so geborgen gefühlt hatte; weil es Rei war, der ihm so nah kam.

Und erst, als er sich darüber im Klaren war, dass es ihm mehr als gefallen hatte, was eben passiert war, wurde ihm bewusst, was eigentlich passiert war. Er musste seine Gedanken selbst bremsen, da sie sich sonst überschlagen hätten und er ihnen nicht mehr hätte folgen können.

Also langsam: Rei hatte sich zu ihm gebeugt, war mit seinem Gesicht so nah an ihn herangekommen, dass sich ihre Lippen berührt hatten und hatte sich dann wieder wegbewegt. Das bedeutete, in einem Wort ausgedrückt, Rei hatte ihn gerade geküsst.

Er hatte sich zu ihm gelehnt und ihn geküsst. Rei hatte ihn geküsst. Rei hatte ihn geküsst?! Moment! Das konnte nicht sein! Das musste er geträumt haben! Wahrscheinlich war er doch schon eingeschlafen! Aber warum bitteschön, sollte er träumen, wie Rei ihn küsste?! Dazu gäbe es doch nun wirklich gar keinen Grund! Aber war es denn möglich, dass das dann doch real gewesen war?! Hatte Kai gerade seinen ersten Kuss bekommen?! Von Rei?! Und hatte es ihm gefallen?!

Ja. Ja. Ja. Und ja, mehr noch: Er wollte dasselbe wieder spüren! Nicht von irgendwem. Nur von Rei! Er wusste, dass es sonst nicht dasselbe sein würde, wenn einfach irgendjemand seine Lippen auf die seinen presste.

Er wollte, dass Rei ihn noch mal küsste! Er wollte Rei noch einmal so nah sein; sich so wohl fühlen, wie er sich noch nie in seinem Leben gefühlt hatte.

Rei musste tatsächlich der eine sein, dem er sich anvertrauen konnte, wenn schon eine winzige Berührung von seinen Lippen in Kai eine solche Welle an Gefühlen auslöste. Wie sollte Kai es nur je wieder überstehen, allein zu sein? Nie wieder wollte er so allein sein, wie er es die letzten Jahre freiwillig gewesen war.

Rei sollte bei ihm sein; sollte ihm nah sein; sollte sein sein.

Und noch bevor er es selbst merkte, hatte sich Kai aufgerichtet und war dabei, sich zu dem ruhig atmenden, scheinbar schlafenden Rei herüber zu beugen.

Er wollte in diesem Moment gar nicht darüber nachdenken, was er da eigentlich genau tat. Er spürte nur, dass er es wollte und er wusste, dass ihn sein Stolz oder sonst irgendein anderer von dem Leben in der Abtei viel zu sehr beeinflusster Teil seines Geistes, wenn er nun darüber nachdachte, davon abhalten würde, es zu tun.

Und so beugte er sich, mit nur einem einzigen Gedanken weiter vor: Rei.

Er stützte sich neben ihm ab, bewegte seinen Kopf noch weiter auf ihn zu, bis er wieder seinen Atem spüren konnte, schloss die Augen und legte gefühlvoll seine Lippen auf Reis. Und wieder spürte er dieses unbeschreibliche Gefühl, das ihm versicherte, das Richtige getan zu haben.

Er traute sich kaum sich zu bewegen, denn er wollte das Gefühl nicht wieder verlieren, und doch bewegten sich seine Lippen fast wie von selbst: öffneten sich ein wenig, schlossen sich wieder, sodass er Reis Lippen noch deutlicher zwischen den seinen spüren konnte, entfernten sich ein Stück und legten sich dann noch fester auf Reis.

Am Anfang hatte er gar nicht darauf geachtet und auch gar nicht erst daran gedacht, aber anscheinend war Rei doch noch wach, genauso wie er selbst eben, nur dass Rei scheinbar nichts davon hielt sich schlafend zu stellen.

Er war über dem Gedanken, dass er trotz allem glücklich war, wenn er nur in Kais Nähe sein dürfte, schon fast eingeschlafen, als er plötzlich spürte, wie seine Wange anfing zu kribbeln. Ein warmer Luftzug zog über sie hinweg und löste dieses Kribbeln aus.

Zuerst konnte er sich diesen Hauch nicht erklären. Dann glaubte er, er müsse wieder träumen, denn das Einzige, was ihm als Erklärung für den Luftzug einfiel, war Kais Atem, doch dazu hätte er ihm näher sein müssen, als er es wohl je freiwillig gewesen wäre. Und dann... dann hatte er einfach an die Realität, die ihm seine Sinne vermittelten, glauben wollen.

Er wollte, dass dieser Kuss, den Kai ihm gab, real war. Und er wollte, dass er erst einmal nicht endete. Deswegen begann nun auch er seine Lippen zu bewegen, immer noch mit geschlossenen Augen, aus Angst die Berührung würde verschwinden, wenn er sie öffnete. Doch verrieten ihm seine anderen Sinne mehr als genug über die Situation.

Der, der ihn da gerade küsste, roch unverkennbar nach Kai. Auch schmeckten diese Lippen noch ein ganz klein wenig nach Kakao, genauso wie Rei sie in Erinnerung hatte, auch wenn der erste Kuss nur wenige Sekunden gedauert hatte und sein Verstand in dieser Zeit nicht ganz anwesend gewesen war. Und auch hörte sich sein Gegenüber an wie Kai, dessen Atem nicht mehr ganz so ruhig ging, aber dennoch beruhigend an seiner Wange entlang strich. Und zuletzt spürte er noch, wie der Arm, auf den sich dieser hoffentlich reale Traum stützte, neben ihm zu zittern begann, weil er sein eigenes Gewicht kaum mehr halten konnte.

Kai war ziemlich am Ende - allerdings nur körperlich. Sein Verstand war wieder vollkommen da und doch hatte er nicht im Geringsten die Absicht sich jetzt von Rei zu trennen, auch wenn ihm bald seine körperliche Verfassung einen Strich durch die Rechnung machen würde. Lange würde er nicht mehr in der Lage sein, sich in dieser Position zu halten. Das war einfach zu anstrengend, nachdem er heute den ganzen Tag schon auf Krücken hatte laufen müssen.

Und als wenn Rei ihn schon wieder ohne Worte verstanden hatte, begann sich sein Körper langsam aufzurichten und Kais somit zurückzudrängen, ohne dass sich jedoch ihre Lippen voneinander gelöst hätten. Behutsam wurde Kai immer weiter nach hinten geschoben, bis er fast wieder auf seiner Seite auf dem Rücken lag und Rei sich neben ihn gestützt über ihn beugte.

Er hatte nun doch nicht widerstehen können und die Augen für einen kurzen Moment geöffnet, weil er einfach sicher hatte sein müssen, bevor er sich noch in die Vorstellung Kai tatsächlich zu küssen hineinsteigerte und später bemerken müsste, dass alles nur ein Hirngespinst gewesen war.

Er hatte nur einen kleinen Augenblick die leicht geröteten Wangen und die geschlossenen Augen gesehen, doch allein die Bestätigung, dass da überhaupt jemand war, hatte ihn so beflügelt, dass er sich nicht mehr hatte bremsen können und seine Lippen so fest gegen Kais gepresst hatte, dass dieser zurückgewichen war.

Rei hatte fast wieder Panik bekommen, dass er diese Lippen verlieren könnte und war Kai mit seinem Körper gefolgt, bis Kai auf dem Rücken gelegen hatte und nicht weiter zurück konnte, während Rei seine rechte Hand neben Kais Kopf gestützt hatte und ihn weiter küsste.

Immer schneller öffneten und schlossen sich seine Lippen, während Kais es ihnen gleichtaten, ohne dass Rei dies auf irgendeine Weise bewusst beeinflusste. Er war schon wieder viel zu sehr mit diesem einen Gedanken beschäftigt: Kai.

All die Sorgen, Ängste und Wünsche waren aus seinem Kopf gefegt und er dachte nur noch an diesen Moment und hoffte, er würde nie vorübergehen.

So weit war Kai schon nicht mehr in der Lage zu denken. Ihn beschäftigte nur der Moment: Rei und er in seinem Bett, wie sie so nah beieinander waren. So nah, wie er noch keinem Menschen je gewesen war und auch keinem Menschen je hatte sein wollen. Aber jetzt wollte er. Er wollte Rei noch näher sein, so nah es eben ging.

Deshalb erschreckte er sich zwar anfangs, als er plötzlich nicht mehr nur Reis Lippen an den seinen spürte, ging aber bald selbst darauf ein. Rei hatte seine Lippen so weit geöffnet, dass seine Zunge an Kais Lippen gestoßen war. Und wider Erwarten hatte auch dies Kai gefallen und er spürte, dass er dadurch Rei noch näher sein könnte.

Nun bewegte auch Kai seine Lippen auseinander und ließ seine Zunge leicht über Reis Lippen streifen, sodass Rei nun derjenige war, der sich etwas erschreckte, besonders, weil er gar nicht wirklich mitbekommen hatte, dass er es gewesen war, der angefangen hatte, in diesen Kuss auch die Zunge mit einzubeziehen.

Überrascht hatte er die Augen aufgeschlagen und war aus Reflex ein Stück zurückgewichen. Nun blickte er auf Kai hinab, der fast reglos unter ihm lag und dessen Augen ihn mit so viel Ausdruck ansahen, dass Rei gar nicht alles in Worte fassen konnte. In seinem Gesicht spiegelten sich Überraschung, Enttäuschung, etwas wie Sehnsucht, aber auch Ehrgeiz. Seine Wangen waren immer noch rot, seine Haare lagen überall auf dem Kissen um seinen Kopf herum und ließen ihn wild und doch gleichzeitig friedlich erscheinen, weil er einfach dalag und Rei nur stumm ansah, so wie Rei ihn nur stumm ansah.

Er war nicht fähig jetzt etwas zu sagen, auch wenn es ihn fast umbrachte nicht zu wissen, ob das alles hier wirklich real war. Aber selbst wenn er Kai jetzt fragte und das ganze hier ein Traum war, würde ihm dieser Traum wahrscheinlich mit einem "Ja" antworten, eben weil es ein Traum war und weil Träume dazu da waren, Wünsche auszuleben.

Aber auch bewegen konnte sich Rei nicht mehr, einfach weil ihn allein der Anblick Kais, wie er dort unter ihm lag und ihn fast erwartungsvoll anschaute, nicht nur sprachlos sondern gleich bewegungsunfähig machte. Er wollte diesen Moment nicht zerstören, indem er wieder die Augen schloss und sich zu ihm herunterbeugte. Außerdem befiel ihn wieder diese Angst, dass es eventuell ja doch Realität war, was hier geschah und dass Kai ihn, wenn er noch einmal versuchen sollte, ihn zu küssen, wieder wegstoßen könnte.
 

Und während Rei noch damit beschäftigt war, zu fürchten, was passieren könnte, fürchtete Kai, was geschehen war.

Rei war vor ihm zurückgewichen, als er versucht hatte, ihm näher zu kommen, und hatte ihn dann fast verängstigt angesehen. Dabei war Kai seine Aktion nicht wirklich angsteinflößend vorgekommen. Er hatte doch nur sacht Reis Lippen gestreift. Man konnte das nicht einmal eine richtige Berührung nennen. Darüber hinaus war Rei auch noch damit angefangen, also sollte er sich doch nicht erschrecken, wenn Kai nun dasselbe tat.

Endlich wollte er mal einem Menschen nah sein und dann entfernte sich dieser möglichst schnell wieder von ihm. Das war wirklich unfair. Endlich hatte er den Stolz und all die Ängste überwunden und dann wollte der andere plötzlich nicht mehr, wo er doch den ganzen Tag nahezu an ihm gehangen hatte.

Und jetzt kniete Rei reglos über ihn gebeugt und starrte ihn an, als wäre er nicht real. Er konnte ja verstehen, dass es Rei überraschte, dass Kai beinah freizügig mit Berührungen umging, aber er sollte sich verdammt noch mal freuen, anstatt ihn wie ein Auto anzustarren, mit diesen rötlichen Wangen, den verwuschelten Haaren, die ihm ins Gesicht hingen, aber trotzdem nicht die glänzenden, bernsteinfarbenen Augen verdeckten, die ihn, trotz allem - wie Kai erst jetzt bemerkte - sehnsüchtig ansahen.

Vielleicht glaubte Rei ja, dass Kai das hier nicht wirklich wollte, auch wenn Kai fand, dass er klar gemacht hatte, dass er wollte, aber er hatte Rei ja noch nie richtig verstanden. Vielleicht wollte Rei es ja genauso, traute sich aber nicht irgendetwas zu tun, weil er glaubte, Kai wolle es nicht.

So jedoch würden sie ewig in dieser Position in diesem Bett verharren, bis irgendetwas oder irgendjemand sie unterbrach. Und da Kai weder ewig unter Rei liegen, noch aufhören, noch unterbrochen werden wollte, nahm er die Sache nun in die Hand, da Rei offensichtlich vorerst nicht dazu in der Lage sein würde.

Kai war immer jemand gewesen, der, wenn er etwas wirklich gewollt hatte, dies auch unter allen Umständen zu erreichen versucht hatte, und wenn er dabei draufgegangen wäre. Und da nicht einmal dieses Risiko bei der bevorstehenden Aktion bestand, begann Kai sich fast ohne Sorge langsam aufzurichten.

Er stützte sich auf seine Ellenbogen und führte sein Gesicht bedächtig an Reis heran. Dieser schien noch immer nicht in der Lage sich zu rühren und blickte nur halb ungläubig, halb hoffend auf Kai herab. Jener näherte sich ihm weiterhin, jedoch mittlerweile zögernd, da nun auch ihn wieder Zweifel beschlichen, ob das, was er hier tat, wirklich richtig war.

Doch je näher er den zarten Lippen vor ihm kam und je mehr er das gelb von Reis Augen leuchten sah, desto entschlossener wurde er, dass es richtig sein musste, wenn schon allein dieser Anblick ihn so glücklich machte. Und dennoch überwand er die letzten Millimeter in einem, auch für ihn, grausam langsamen Tempo, weil er Rei die Chance geben wollte, sollte er es, entgegen seinem Eindruck und seiner Hoffnung, tatsächlich nicht wollen, zurückzuweichen.

Als er jedoch vor seinen Augen nur noch dieses gelbe Leuchten sehen konnte, musste er einfach die letzte Entfernung schnell überwinden und seine Lippen endlich wieder auf Reis legen. Und wieder spürte er dieses Gefühl tief in sich, das ihn nicht nur glücklich und zufrieden machte, sondern ihn auch mit neuer Energie versorgte, sodass nun er Rei zurückdrängte.

Dieser, viel zu perplex, um überhaupt zu begreifen, was passierte, ließ es einfach geschehen, bewegte unbewusst auch seine Lippen und fand sich nur Augenblicke später in der Mitte des Bettes mit dem Kopf in den Kissen und auf dem Rücken liegend wieder, während Kai noch sein linkes Knie zwischen seinen Beinen platzierte, ohne auch nur einen Moment ihre Lippen voneinander zu trennen.

Rei bemerkte, dass er unbewusst nach Kais Shirt gegriffen hatte, um sich an diesem festzuhalten, als Kai ihn herumgedreht hatte, und er bemerkte, wie nun diese Hand, jetzt wo sie sich nicht mehr festhalten musste, langsam immer weiter nach oben glitt, ohne dass Rei etwas dagegen hätte unternehmen können, mal davon abgesehen, dass er es nicht gewollt hätte, denn allein das, was er durch das Shirt von Kai spürte, schaltete seinen Verstand komplett aus und überließ seinen Gefühlen die Kontrolle.

Und die sagten ihm, er solle bei Gott bloß nicht aufhören, diesen Körper zu berühren.

Also führte er seine Hand weiter an Kais Brust entlang, hinauf zu seinem Hals, an diesem entlang und legte sie schließlich in seinen Nacken, damit Kai auch ja nicht auf die Idee kam, seinen Kopf zurückzubewegen und den Kuss zu unterbrechen, obwohl Rei damit eigentlich gar nicht rechnete, weil Kai, kaum hatte Rei nicht weiter zurückweichen können, damit begonnen hatte, wieder seine Zunge über Reis Lippen zu führen und Rei diese daraufhin Stück für Stück weiter geöffnet hatte und sich bald ihrer beider Zungenspitzen berührt hatten.

Doch entgegen Reis Erwartungen war Kai nicht zurückgezuckt, sondern hatte sich noch weiter zu ihm heruntergebeugt, indem er sich anstatt auf die Hände auf die Ellenbogen stützte und seine Finger durch Reis Haare fahren ließ.

Er war wie berauscht von dem Gefühl und registrierte gar nicht recht, was eigentlich geschah, und doch spürte er nur allzu deutlich Reis Nähe: roch die frisch gewaschenen, noch leicht nassen Haare, hörte den immer schnelleren Atem, spürte jede noch so kleine Berührung ihrer Körper: sein Bein an Reis, seine Hand in Reis Haaren, Reis Hand in seinem Nacken und Reis heißen Atem auf seiner Wange.

Und den Kuss. Den Zungenkuss, den sie in diesem Augenblick miteinander teilten.

Kai hatte noch beinahe nichts von sich mit anderen geteilt. Weder seine Sachen, noch seine Vergangenheit, noch seine Gefühle. Doch schien all dies in diesem einen Moment, in dem er Rei küsste, völlig unwichtig.

Nur eines war wichtig: Rei.

Kai begriff, dass er nicht nur selbst glücklich sein wollte, sondern eigentlich viel mehr wollte, dass Rei glücklich war. Und insgeheim hatte er gewusst, dass diese Nähe zwischen ihnen Rei glücklich machen würde.

Rei hatte an diesem Tag dafür gesorgt, dass Kai nichts Schlimmes passiert war, er hatte sich um ihn gekümmert, gesorgt, hatte ihm beigestanden, war für ihn da gewesen; und hatte dafür gesorgt, dass Kai etwas gelernt hatte, über Rei, über sich selbst und über seine Gefühle; und all das, zusammengefasst einfach Reis Anwesenheit, hatte Kai glücklich gemacht.

Und Kai wollte nun zumindest einen Teil davon Rei zurückzahlen. Er wollte sich revanchieren, nicht weil es ihm seine Ehre gebot, sondern weil er wollte, dass Rei glücklich war; weil er wollte, dass es ihm gut ging; weil er wollte, dass Rei ihn mochte.

Es wurde ihm so schlagartig klar, dass er einen Moment in der Bewegung innehielt, während Rei ihn weiterhin küsste.

Er wollte, dass Rei ihn mochte.

Er wollte nicht, dass er ihn respektierte, dass er Angst vor ihm hatte, oder dass er ihm gehorchte. Er wollte, dass Rei ihn mochte, gern mochte, lieb hatte.

Er wollte, dass er ihn lieb hatte, weil er ihn lieb hatte.

Schon die ganzen Wochen vorher hatte er seine Nähe gesucht, weil er ihn lieb hatte.

Er hatte so oft etwas mit den Bladebreakers zusammen unternommen, weil er auch sie lieb hatte.

Aber Rei hatte er noch mehr lieb. Viel lieber, als er jemand anderen je gehabt hatte oder je haben würde. Er hatte ihn so lieb, dass sein Glück ihm wichtiger war, als sein eigenes; dass ihm sein Wohl wichtiger war, als sein eigenes; dass ihm sein Leben wichtiger war, als sein eigenes.

Und sein Leben war ihm immer das höchste Gut gewesen, denn in manchen Momenten seines Lebens war dieses das Einzige gewesen, was er gehabt hatte. Und jetzt wurde ihm ganz plötzlich bewusst, dass es ihm, im Gegensatz zu dem Wert, den Reis Leben für ihn hatte, nichts bedeutete. Es war wertlos, sollte Rei gehen.

Er hatte ihn lieb und er wollte nicht, dass er je wieder aus seinem Leben verschwand. Und jetzt, da er endlich - zumindest teilweise - begriffen hatte, warum er tat, was er hier tat, tat er es bewusst.

Auch Rei hatte den Kuss unterbrochen, als Kai plötzlich innegehalten und sich langsam von ihm entfernt hatte, und sah ihn nun fast wieder verängstigt an. Kein Wunder, wenn Kai sich immer so seltsam benahm, nur weil er sich einmal selbst verstand.

Doch weil er nun endlich begriffen hatte, was er wollte und warum er es wollte, konnte er auch endlich bewusst tun, was er wollte.

Er stützte sich nur noch auf die rechte Hand neben Reis Kopf, legte die andere auf Reis Brust, setzte währenddessen seine Knie so auf, dass er sich so halten konnte und bewegte nun auch die rechte Hand weiter auf Rei zu, dessen Hand von seinem Nacken, aufgrund der gestiegenen Entfernung, wieder etwas nach vorn gerutscht war und nun auf seinem Hals und Schlüsselbein lag.

Kai strich sacht über Reis Wange, blickte in die schon wieder viel zu sehr glänzenden, goldenen Augen vor ihm, führte seine Hand weiter in Reis Nacken, während die andere über seine Brust strich und näherte sich mit seinem Gesicht wieder Reis, bevor er fast übereilt die letzten Zentimeter überwand und ihn ungestüm erneut küsste, indem er jedoch den Teil, der nur die Lippen einbezog, übersprang und gleich seine Zunge mit einsteigen ließ.

Nun war Rei schon wieder zu perplex, um etwas zu unternehmen. Er lag einfach nur unter Kai, genoss die Berührungen, den Kuss, einfach Kais Nähe und musste erst einmal nachdenken.

Als Kai sich so plötzlich aufgerichtet und ihn aus ungläubigen Augen angesehen hatte, hatte er schon gedacht, Kai würde nun realisieren, was er hier eigentlich tat und Rei gleich eine schallende Ohrfeige verpassen und ihn hochkant aus dem Zimmer befördern.

Er hatte es ja gewusst. Es konnte nicht gut ausgehen. Kai konnte so etwas nicht mit vollem Bewusstsein getan haben. Es musste an dem Schmerzmittel liegen, das vorübergehend nicht nur Kais Schmerzen, sondern auch seinen Verstand betäubt und ihn diese Dinge hatte tun lassen.

Jetzt allerdings ließ die Wirkung nach und Kai wurde bewusst, dass er Rei gerade küsste und dass das nichts mehr damit zu tun hatte, dass er ihn vielleicht etwas lieber mochte, als die anderen Bladebreakers, was Rei schon wieder die Tränen in die Augen trieb.

Er hatte doch so sehr gehofft.

Aber dann, ganz plötzlich, war Kais Blick nicht mehr ungläubig gewesen, sondern wissend. Er hatte Rei angesehen, als sei ihm endlich etwas Entscheidendes klar geworden; als hätte er eine Erleuchtung gehabt und wüsste nun, was er zu tun hatte, damit er erreichte, was er wollte.

Und dann hatte er sich Rei wieder genähert, sogar noch mehr als vorher, denn nun berührten auch seine Hände Reis Körper und auch den Kuss empfand Rei von Anfang an als noch leidenschaftlicher, als die vorigen.

Die Leidenschaft ging von Kai auf Rei über und auch er konnte nun seine Hände nicht mehr so reglos bei sich lassen, sondern begann die rechte wieder in Kais Nacken zu bewegen und durch seine Haare zu fahren, während die linke über seine Brust strich, die Seite entlang wanderte, um zu seinem Rücken zu gelangen und diesen gefühlvoll entlang zu streichen.

Er intensivierte auch seinerseits den Kuss und bewegte nicht mehr nur Lippen und Zunge, sondern seinen ganzen Kopf, weil Kai immer wieder die Lippen ganz schloss und sich ein Stück von seinem Gesicht entfernte und Rei daraufhin seinen Kopf anheben und mit den Lippen nach Kais langen musste, damit er wieder näher kam, wenn Rei es geschafft hatte sie leicht zu streifen, während er versuchte Kais Kopf mit der Hand in seinem Nacken weiter herunter zu ziehen, was allerdings nicht viel brachte, da Kai immer noch eindeutig der Stärkere von ihnen war.

War es Rei allerdings gelungen, Kais Lippen mit den seinen zu berühren, beugte sich dieser wieder zu ihm herunter, drückte ihn zurück in die Kissen und ließ seine Zunge wieder in Reis Mund gleiten.

Ein paar Mal wiederholte sich dieses Spiel, bevor Kai schließlich ganz auf Rei landete, weil ihm das verletzte rechte Knie weggerutscht war und er sich nur mit dem einen zwischen Reis Beinen nicht hatte halten können.

Sein Bein war nur ganz allmählich weggerutscht, aber da er es kaum bemerkt hatte, weil er mit seinen Gedanken an Rei zu sehr beschäftigt gewesen war, war er ganz plötzlich leicht zur Seite gekippt und hatte nur noch seinen Kopf abfangen können, indem er den Ellenbogen neben Rei aufstützte.

Sein ganzer Körper lag nun auf Rei und obwohl ihm die Nähe - zu seinem eigenen Erstaunen - immer noch nicht unangenehm war, war sie doch so ungewohnt, dass er rot wurde und Reis Blick kaum standhalten konnte. Dieser blickte ihn aus immer noch halb geschlossenen Augen leise lächelnd an, als wolle er ihm mit seinem Blick sagen, dass es in Ordnung war; dass alles in Ordnung war, wie es jetzt war.

Denn auch Rei genoss diese neue, andere Nähe, die sich so plötzlich zwischen ihnen ergeben hatte. Er hatte nicht mitbekommen, wie Kai weggerutscht war. Auf einmal hatte er einfach auf ihm gelegen und ihn mit geröteten Wangen und aufgerissenen Augen angesehen, während er versuchte zumindest seinen Oberkörper mit dem einen Arm etwas hochzuhalten.

Die andere Hand lag noch immer auf Reis Brust, doch versuchte er sich mit dieser nicht abzustützen, weder auf seiner Brust, noch neben ihm. Anscheinend wollte er sie dort nicht wegbewegen, was Rei seinerseits durchaus verstehen konnte. Er konnte in diesem Moment, in dem Kai ihm näher denn je war, seine Hände auch nicht von ihm nehmen.

Er wollte nicht. Er wollte so nah bei Kai sein, wie dieser es zuließ.

Der Kuss hatte sie einander schon sehr nah gebracht, aber dass sich nun ihre Körper nahezu überall berührten, war eine andere Art von Nähe, eine noch intensivere Art, die Rei eigentlich hätte um den Verstand bringen sollen, die ihm jedoch vielmehr alles so deutlich sehen ließ, dass er klar erkennen konnte, was er wollte und was er dafür tun musste.

Er wollte Kai noch näher sein, so nah es eben ging. Also zog er ihn behutsam mit der Hand in seinem Nacken und dem Arm auf seinem Rücken zu sich herunter, führte seinen Kopf neben den seinen, sodass sich ihre Wangen berührten und blieb erst einmal mit Kai in seinen Armen so liegen.
 

Noch niemand hatte ihn je so umarmt. Noch niemand hatte ihn je im Arm gehalten, nur um bei ihm zu sein; um ihm zu zeigen, dass es in Ordnung war. Niemand hatte ihn einfach um seinetwillen umarmt.

Kai konnte sich nicht recht erklären, was er fühlte, während er dort in Reis Armen lag, und doch trieb ihn dieses Gefühl dazu, seinerseits die Arme um Rei zu schlingen und sich an ihm festzuhalten, als sei er der einzig sichere Ort auf dieser Welt und sein Gesicht neben Rei fest in das Kissen zu drücken, damit er nicht mitbekam, wie sich seine Augen mit Tränen füllten und er sich mit schweren, langsamen Atemzügen beruhigen musste.

Doch Rei bemerkte es.

Wie hätte er es nicht bemerken können, jetzt wo Kai ihm doch so nahe war, dass er alles von ihm spürte? Er krallte seine Hände in Reis Shirt fest, drückte sich so nah an ihn, dass Rei fast keine Luft mehr bekam und atmete schwer.

Erst dachte er, Kai hätte wegen dem weggerutschten Fuß vielleicht wieder Schmerzen, aber dann erinnerte er sich daran, dass Kai ihn ja direkt danach erst einmal lange angesehen hatte. Dabei hatte er nichts von Schmerzen erkennen können.

Denn selbst, wenn Kai seine Schmerzen nicht zeigte, hatte Rei sie doch jedes Mal spüren können. Er hatte gespürt, wenn es Kai schlecht ging. Das spürte er auch jetzt, aber auf irgendeine Art und Weise war es anders.

Wahrscheinlich hatte Kai immer noch unbeschreibliche Schmerzen, aber diese waren nicht der Grund dafür, dass er sich so an Rei krallte. Es war etwas, dass Rei nicht wissen und auch nicht erraten konnte, aber anscheinend quälte es Kai schon eine lange Zeit und nun endlich war er in der Lage sich jemandem anzuvertrauen, wenn auch nicht mit Worten, sondern allein, indem er sich ihm näherte.

Rei war unbeschreiblich glücklich, dass er derjenige sein durfte, dem Kai bereit war sich anzuvertrauen. Und er würde alles dafür tun, Kai bei dem zu helfen, was er zu verarbeiten hatte. Wenn nötig würde er ihn auf ewig so in den Armen halten, nur damit Kai wusste, dass er nicht mehr allein sein musste.

Rei legte seine Arme noch fester um Kai und langsam begann dieser sich wieder etwas zu beruhigen, seinen Griff zu lockern und leichter zu atmen.

Er wusste nun, was er fühlte. Er war gerührt.

Rei umarmte ihn, damit er ihn trösten, ihm beistehen konnte. Er war Rei wichtig. Nicht seine Fähigkeiten als Blader. Nicht seine Herkunft oder sein Ansehen. Er selbst war Rei wichtig.

Das erste Mal in seinem Leben spürte Kai, was es bedeutete, gemocht zu werden. Rei hatte ihn lieb, so wie Kai ihn lieb hatte. Rei sorgte sich um ihn, half ihm, wollte, dass es ihm gut ging. Das machte Kai so glücklich, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb, aber er wollte nicht, dass Rei dachte, er würde weinen, weil es ihm schlecht ging.

Deshalb unterdrückte er die Tränen und krallte sich stattdessen an Rei fest, weil er dieses Gefühl niemals wieder verlieren wollte; weil er Rei niemals wieder verlieren wollte. Und als er spürte, wie auch Rei ihn fester an sich drückte, wusste er, dass er ihn genauso bei sich haben wollte.

Und wieder rührte es ihn fast zu Tränen, einfach weil ihn noch nie jemand hatte bei sich haben wollen.

Aber Rei wollte.

Er hatte es die ganze Zeit gewollt. Und jetzt endlich lag Kai in seinen Armen, wie er es sich so oft vorgestellt hatte.

Langsam begann Rei sich umzudrehen, ohne die Arme auch nur einen Millimeter von Kai zu bewegen. Er drehte sie beide, bis Kai wieder unter ihm auf Reis Seite des Bettes lag.

Zögernd zog er die Hand unter seinem Rücken hervor, richtete sich auf sie neben Kai gestützt ein Stück auf und blickte in die seltsam glänzenden Augen. Das Rot trat so noch sehr viel stärker aus ihnen hervor und brachte Rei beinahe von seinem eigentlichen Vorhaben ab.

Behutsam strich er mit dem Daumen über Kais Wange, ohne jedoch die Hand aus seinem Nacken zu nehmen, richtete nun auch seinen restlichen Körper etwas mehr auf, indem er das eine Bein, das neben Kai und nicht zwischen seinen Beinen lag, etwas anzog, und beugte sich dann langsam wieder zu Kais Lippen hinunter.

Dieser hatte schon während Rei sacht über seine Wange gefahren war, die Augen geschlossen und schlichtweg die Berührung genossen, die ihm erneut zeigte, dass er Rei etwas bedeutete. Auch er wollte nun Rei zeigen, dass er ihm wichtig war. Rei sollte wissen, dass Kai das alles nicht nur aus irgendeinem verqueren Grund zuließ, sondern dass er es wollte.

So führte er die Hände, die zuvor noch immer auf Reis Rücken gelegen hatten, an seinen Hals, öffnete die Augen, um in seine schon leicht geschlossenen, im Licht der untergehenden Sonne, das sie beide einschloss, golden leuchtenden Augen zu blicken, und zog Reis Gesicht zu sich herunter.

Dieser schloss ebenso wie Kai die Augen und legte sanft seine Lippen erneut auf Kais.

Er war da. Er war da für ihn. Und er glaubte, dass Kai bemerkt hatte, dass Rei für ihn da sein wollte. Und er glaubte auch, dass Kai ihn bei sich akzeptierte; mehr noch, dass er glücklich war jemanden bei sich zu haben, vielleicht sogar glücklich ihn bei sich zu haben.

Das war es, was Rei all die Wochen, Monate gehofft hatte: Kai wegen ihm glücklich zu sehen. Na gut, er wusste nicht so wirklich, was Kai gerade fühlte, und ob diese Gefühle etwas mit ihm selbst zu tun hatten. Er wusste ja nicht einmal wirklich, ob das hier überhaupt die Realität war. Und er sah ihn auch nicht, weil er noch immer die Augen geschlossen hatte, um sich gänzlich auf den Kuss konzentrieren zu können, während seine Finger noch immer sacht über Kais Wange strichen, sein Gesicht entlangfuhren und durch seine Haare glitten.

Gleichzeitig spürte er, wie Kai seine linke Hand von seinem Hals entfernte, seine Brust hinabführte, bis er das Ende seines T-Shirts zu fassen bekam und seine Hand behutsam darunter gleiten ließ, um mit den Fingerkuppen kaum merklich an seiner Seite auf der nackten Haut wieder nach oben zu fahren.

Rei lief ein Schauer über den Rücken und er spürte noch eine Weile später genau, welche Stellen seines Körpers Kai gestreift hatte. Überwältigt von diesem Gefühl ließ er nun auch seine linke Hand, auf die er sich nun nicht mehr stützte, sondern das Gewicht komplett von seinen Beinen tragen ließ, Kais Körper hinunterfahren, um sie unter seinem Shirt den Bauch und die ebenso muskulöse Brust entlang zu führen.

Diese Berührung berauschte ihn fast genauso sehr, wie Kai, denn dieser war mit Reis Hand auf seiner nackten Brust kaum in der Lage den Kuss weiterzuführen.

Für ihn waren Berührungen immer etwas Besonderes gewesen. Nie hatte er jemanden einfach ohne einen wirklichen Grund berührt und nie hatte er sich ohne einen wirklichen Grund berühren lassen. Denn nie war ihm in den Sinn gekommen, dass die Berührung an sich schon einen überaus wirklichen Grund darstellen könnte.

Er berührte Reis nackte Haut nur um der Berührung willen, weil er ihn spüren wollte und weil er wollte, dass er ihn spürte.

Er zog Reis Gesicht mit der Hand in seinem Nacken noch weiter zu sich herunter, drückte seine Lippen gegen Reis, nur um sie öffnen und seine Zunge wieder zu Reis führen zu können, während er nun nicht mehr nur mit den Fingerkuppen, sondern mit der ganzen Hand über Reis Haut strich, bis es an ihrer Zimmertür klopfte.
 

"Hey! Kai?! Rei?! Seid ihr schon wieder zurück?!"

Takao. Das war eindeutig Takao.

Rei war wie erstarrt.

Immer noch lag seine Hand unter Kais T-Shirt auf seiner Brust. Immer noch befand sich die andere mitten in Kais verwuschelten Haaren. Immer noch schlossen seine Lippen Kais Unterlippe ein, der jedoch ebenso bewegungsunfähig unter ihm lag.

Was, wenn die Tür nicht abgeschlossen war. Hatte er sie abgeschlossen? Wer hatte sie überhaupt zu gemacht? Und was zum Teufel sollte er tun, wenn dieser trottelige Blader gleich einfach hier rein marschierte?!

Er würde sie sehen! Sie beide! Hier! Zusammen! Im Bett! Übereinander! Mit den Händen unter dem Shirt des jeweils anderen! Mit den Lippen auf den Lippen des jeweils anderen! Er würde sie sehen! Was sollte er nur tun?!

Die Entscheidung wurde ihm von Kai abgenommen.

Zuerst war auch er erstarrt, als er das Klopfen und dann Takaos Stimme gehört hatte, doch waren dafür seine Gedanken umso schneller gerast. Er hatte sie sich selbst noch einmal in Erinnerung rufen müssen, damit er selbst verstehen konnte, was er gedacht hatte.

Also langsam und von Anfang an: Er hatte sich im Onsen wegen diesem bescheuerten Takao verletzt, war daraufhin mit Rei ins Krankenhaus gefahren und danach wieder zurück ins Hotel. Und jetzt lag er mit Rei in seinem Bett und genoss seine Berührungen und den Kuss...

Rei und er... küssten sich...

Sie lagen übereinander. Kais Hand berührte Reis nackten Rücken. Und Reis Hand lag auf Kais nackter Brust. Und sie küssten sich. Und vermutlich standen alle Bladebreakers gerade vor der Tür und würden im nächsten Moment hereinstürmen. Und sie sehen! Ihn sehen! Wie er in jemandes Armen lag! Wie er sich berühren ließ! Wie er sich küssen ließ! Wie er Gefühle zeigte!

Er würde sein Gesicht verlieren! Er konnte seine Gefühle vielleicht Rei zeigen, aber nur weil er dieser eine Mensch zu sein schien, dem Kai nach einer Zeit alles von sich würde zeigen können. Auf gar keinen Fall konnte er zulassen, dass ihn jemand anderes so sah.

Er war noch lange nicht bereit, sich jemandem anzuvertrauen. Nicht Rei und erst recht nicht den anderen Bladebreakers. Niemandem. Er konnte nicht. Er konnte sich ihnen nicht zeigen. Er konnte nicht so offen sein.

Sie würden ihn nicht verstehen. Niemand konnte ihn verstehen. Sie würden so tun, als verständen sie ihn und sie würden so tun, als wollten sie ihm helfen und am Ende würde er wieder am Boden landen, ausgenutzt von denen, die meinten, sie würden ihm helfen.

Er wollte nicht mehr. Er konnte nicht mehr. Er konnte es nicht länger ertragen. Deshalb war er immer allein geblieben. So konnte er die Kontrolle behalten. Er bestimmte, was geschah. Er bestimmte, ob und wie nah er jemanden an sich heran ließ und wann er ihn wieder wegstieß.

So hatte er verhindern können, dass ihn jemand enttäuschte. Wenn niemand ihm etwas bedeutete, konnte ihm auch niemand wehtun. Er konnte niemanden verlieren, wenn ihm niemand wichtig war.

Aber jetzt war ihm Rei wichtig. Wichtiger als alles andere. Wichtiger als sein Stolz. Und die anderen Bladebreakers waren ihm auch wichtig. Sie waren sein Team. Sie waren so etwas wie seine Freunde. Was sollte er tun, wenn er sie verlieren sollte? Wo konnte er denn dann noch hin?

Und wenn sie ihn so sahen, würde er sie verlieren. Sie kannten ihn nur kalt und gefühllos. Sie würden ihn nicht verstehen. Sie konnten ihn nicht verstehen. Er hatte ja auch nie versucht sie ihn verstehen zu lassen. Sie würden fortgehen. Alle. Und er wäre wieder allein. Völlig allein.

Er musste hier weg. Schnell. Sie durften ihn nicht sehen. Er hatte doch immer allein sein wollen. Er würde es schon wieder lernen. Er durfte nur nicht an diese Nähe zurückdenken, die er im Moment spürte.

Er musste weg. Er musste wieder kalt, desinteressiert, arrogant und gefühllos werden. So konnten sie ihm nicht zu nahe kommen. Und so konnten sie ihn nicht verlassen. Nie wieder.

Hastig zog er seine Hand unter Reis T-Shirt hervor und die andere aus seinem Nacken, legte beide auf seine Brust und stieß ihn kraftvoll von sich.

Rei flog tatsächlich durch die Luft und landete unsanft auf der Seite vom Bett, auf der ehemals Kai gelegen hatte, rollte jedoch durch den Schwung und weil er viel zu überrascht war, um sich irgendwie festzuhalten, ganz vom Bett und schlug schmerzhaft auf den Boden.

Schnell rappelte er sich wieder hoch und sah noch, wie Kai mit enormem Schwung selbst vom Bett rollte und sofort los ins Bad sprinten wollte. Allerdings hatte er bei dieser Aktion nicht an seinen Fuß gedacht und war zuerst mit dem verletzten Fuß aufgetreten, der bei dieser Belastung wieder Schmerzen auslöste, die Kai fast das Bewusstsein zu rauben schienen, denn landete er wenige Sekunden später keuchend und mit tränenden Augen auf dem Boden.

Rei sprang mit einem Satz mitten auf das Bett und dann hinüber zu Kai, um sich neben ihn zu knien und seine Hand zu greifen. Dieser jedoch richtete sich daraufhin blitzschnell mit zusammengebissenen Zähnen auf und zog seine Hand aus Reis Griff.

Er blickte ihn mit zwar glänzenden, aber klaren, fast ausdrucklosen Augen an. Das Einzige, was Rei in ihnen lesen konnte, war genau das, wovor er sich immer so sehr gefürchtet hatte. Der Blick Kais war dieser eine, der Rei schon immer das Blut in den Adern hatte gefrieren lassen, auch wenn Kai noch nie ihn so angesehen hatte.

Es war der Blick, der dem, dem er gewidmet war, klar machte, dass er Kai nun nicht zu nahe kommen durfte, wenn er nicht in den nächsten zwei Tagen unter der Erde landen wollte. Kais Augen sagten Rei, dass er es nicht wert war ihn berühren zu dürfen. Und Rei stiegen bei diesem Blick die Tränen in die Augen. Mit weit aufgerissenen Augen, durch die er schon nur noch verschleiert sehen konnte, saß er bewegungslos vor Kai, bis dieser sich mit immer noch schmerzverzerrtem Gesicht auf den einen unverletzten Fuß quälte, ins Bad hüpfte und die Tür hinter sich zuschlug.

Er glitt kraftlos mit dem Rücken an die Tür gelehnt an selbiger hinunter, drehte noch schnell den Schlüssel herum und blieb mit angezogenem linken Bein sitzen.

Er hatte Rei verletzt. Und das hatte ihn verletzt. Ihn hatten die Gefühle anderer doch nie interessiert oder gar berührt. Aber Reis Tränen hatten ihm fast das Herz im Leib zerrissen. Er wollte ihm doch nicht wehtun. Er wollte, dass es ihm gut ging; dass es ihm bei ihm gut ging. Aber das war jetzt nicht mehr möglich.

Vielleicht war es am Besten so. Er hatte ihn einmal verletzt, aber er würde es nie wieder tun.

Er begriff, dass nicht immer nur er von anderen verletzt worden war, sondern dass auch er andere verletzt hatte. Aber immerhin war es ihnen dann besser ergangen. Wer länger mit Kai zusammenblieb, der wurde entweder wie er oder ging ganz an ihm zu Grunde.

Es war besser für Rei, wenn dieses eine Mal auch das Einzige blieb. Er würde ihn nie wieder berühren. Nie wieder die glatte, weiche Haut spüren; nie wieder durch die seidigen Haare fahren; nie wieder die warmen Lippen fühlen. Er musste sich krampfhaft einreden, dass es so für ihn und für Rei besser war, denn sonst wäre er auf der Stelle wieder hinausgerannt und Rei um den Hals gefallen.

Der würde jetzt die Tür öffnen und mit den anderen Bladebreakers auf sein Zimmer verschwinden. Er würde fortgehen und Kai wieder allein lassen, so wie er es immer gewesen war und immer hatte sein wollen.

Bis heute. Bis Rei gekommen war.

Aber er konnte nicht. Er durfte nicht. Er würde Rei schaden, wenn er bei ihm blieb. Und dann würde er sich an Rei gewöhnen, ihn in seiner Nähe akzeptieren und es bald als falsch empfinden allein zu sein. Und dann würde er ihn verlieren. Rei würde seine Anwesenheit auf Dauer schaden und dann würde er fortgehen und Kai wäre wieder allein. Aber dann könnte er nicht mehr allein sein. Er würde nicht mehr zurechtkommen.

Es war besser, wenn Rei jetzt ging. Bevor irgendjemand von diesem Zwischenfall erfuhr. Bevor Kai dieser Zwischenfall zu viel bedeutete. Rei würde es besser gehen ohne Kai.

Doch Rei ging es nicht besser.

Er saß noch immer auf dem Boden neben dem Bett und starrte geradeaus auf die Stelle, an der Kai vor geraumer Zeit gesessen hatte. Doch er sah so oder so nur noch verschleiert. Die Tränen tropften herunter auf seine Shorts. Doch er spürte sie nicht. Das Klopfen an der Tür wurde lauter. Doch er hörte es nicht. Es gab nur eines, was er in seiner Umgebung wahrnahm: Etwas fehlte. Jemand fehlte. Kai fehlte.

Er war weggelaufen. Er hatte ihn von sich gestoßen und mit dem Blick klar gemacht, dass Rei ihn niemals wieder würde berühren dürfen.

Wie hatte er überhaupt darauf hoffen können? Er hätte doch wissen müssen, dass das niemals gut enden könnte. Er hätte doch wissen müssen, dass Kai das nicht konnte. Er hätte es doch wissen müssen! Wieso fand er jetzt nicht heraus, dass das alles nur ein Traum war? Wieso musste es nun doch die verdammte Realität sein, die ihm nun in Wirklichkeit sein Herz brach?

Er wäre mit einem solchen Traum von sich und Kai doch schon vollkommen zufrieden gewesen. Warum war es jetzt plötzlich alles so real? Er hörte wieder das Klopfen an der Tür. Spürte seine Tränen. Sah den Raum vor sich. Er musste wieder in diese verdammte Realität zurückkehren. Er musste aufstehen, sich dir Tränen wegwischen und die Tür öffnen.

Also stand er auf, wischte sich notdürftig über die Augen und ging zur Tür. Er musste für diesen Moment verdrängen, was soeben geschehen war. Er musste alles verdrängen, was in diesem Zimmer geschehen war.

Wenn er jemals wem davon erzählte, würde Kai sein Gesicht verlieren. Kai hatte in seinem Leben schon genug verloren. Rei konnte nicht daran Schuld sein, dass er das letzte bisschen Stolz verlor, das ihm noch geblieben war. Er wollte Kai doch glücklich sehen. Das war das einzig Wichtige. Kai sollte glücklich sein.

Und deshalb war es auch gut, dass das alles hier kein Traum gewesen war. Kai war glücklich gewesen. Rei hatte gefühlt, dass er glücklich gewesen war. Es hatte ihm gut getan nach so langer Zeit endlich wieder jemandem nah zu sein. Dieser winzige Augenblick war alle Qualen, die Rei jetzt zu erleiden hatte, wert gewesen.

Alles, was er je gewollt hatte, hatte sich heute erfüllt. Was sollte er mehr erwarten. Kai war glücklich gewesen. Bei ihm. Mit ihm. Das war das Einzige, was zählte: Kai.

Also ging er langsam durch den Raum, während das Klopfen und die Rufe von draußen immer lauter wurden.

"Hey! Rei! Kai! Ihr seid doch dadrin, oder?! Wir haben was gehört! Was ist los?!"

Rei öffnete die Tür und Takao fiel ihm fast in die Arme, weil er gerade hatte klopfen wollen und die anderen starrten ihn an, als sei er vom Mars. Als Takao wieder fest auf seinen eigenen Beinen stand, starrte auch er ihn mit demselben entgeisterten Blick an.

Rei überlegte kurz und sah an sich herab, aber er konnte nichts Auffälliges entdecken, sodass er die anderen fragend ansah, während er noch immer die Tür halb geschlossen hielt. Er hatte nicht vor auch nur einen von ihnen in dieses Zimmer zu lassen. Erstens wollte Kai das nicht - er hatte es nie haben können, wenn sich Menschen in dem Bereich aufhielten, der auf Reisen seine einzige wirkliche Privatsphäre darstellte - und zweitens wollte Rei das nicht, weil Kai es nicht wollte, aber auch weil er sonst einiges würde erklären müssen.

"Wie... wie siehst du denn aus?!"

Endlich hatte Max seine Sprache wieder gefunden, während Kyouju Rei noch immer mit offenem Mund musterte und Takao aussah, als fielen ihm gleich die Augäpfel heraus.

Abermals blickte Rei an sich herunter, konnte jedoch noch immer nichts sehen. Auch glaubte er nicht, dass seine Augen noch so verheult aussahen. Er wusste nicht, wie lang und wie sehr er geweint hatte, aber so schlimm konnte es gar nicht sein.

"Wieso? Was ist denn?"

"Du... du..." Takao hatte seine Sprache anscheinend noch nicht wieder gefunden. Kyouju starrte weiterhin nur, aber Max wollte wohl etwas sagen.

"Du..."

"Meine Güte. Erst denken, dann reden. So schlimm sehe ich nicht aus, ja?"

Schon etwas genervt lehnte sich Rei gegen die halb geöffnete Tür. Er hätte nicht gedacht, dass stehen so anstrengend sein konnte. Aber nach diesem Tag war alles anstrengend. Er wollte nur noch ins Bett-

Nein, er musste es verdrängen. Er durfte jetzt nicht daran denken. Er durfte niemals wieder daran denken. Sonst würde ihn die Erinnerung auffressen. Er würde sich so sehr danach sehnen, dass er daran zu Grunde ging.

Er musste sich jetzt auf die Situation vor ihm konzentrieren: Irgendetwas störte die anderen Bladebreakers an seinem Aussehen. War sein T-Shirt etwa immer noch hochgeschoben? Schnell blickte er zum dritten Mal an sich herab. Aber da war nichts. Alles war an seinem normalen Platz. Das Shirt lag eng auf seiner Haut und die Shorts saßen auch gut. Was hatten die nur?

"Du... deine Sachen... das sind nicht deine... du... trägst Kais Klamotten!"

Irgendwie hatte Max Stimme gegen Ende des Satzes angefangen zu quietschen.

Und alles was Rei daraufhin denken konnte war "Oh". Richtig, er hatte ja Kais Sachen an. Kein Wunder, dass die so dämlich guckten. Kai hatte ja bis heute noch niemals seine Sachen verliehen. Keiner von ihnen hatte sie jemals auch nur anfassen dürfen. Und nun trug Rei sie. Am Körper. Immer noch hatte er etwas von Kai ganz nah bei sich.

Das machte ihn glücklich und gleichzeitig so traurig. Er würde niemals wieder etwas von Kai so nah bei sich haben. Er sollte diese Zeit genießen. Den Geruch so lange einziehen, bis er nicht mehr da war. Den weichen Stoff so lange auf der Haut spüren, bis nicht mehr weich war. Die Sachen so lange tragen, bis er sie sich immer in Erinnerung würde rufen können, denn das war das Einzige was ihm blieb.

An den Duft von Kais Klamotten durfte er sich erinnern, denn das wüssten die anderen so oder so. Dadurch würde Kai zwar etwas von seiner Unnahbarkeit verlieren, aber es würde ihn nicht sein Gesicht kosten.

Und trotzdem würde er ihnen nicht die ganze Wahrheit sagen können. Er konnte Kai unmöglich so bloßstellen, indem er erzählte, dass Kai ihm die Sachen freiwillig gegeben hatte, obwohl es ja diese Geste war, die Rei so beeindruckt hatte.

Aber er durfte nicht zeigen, was er fühlte. Nicht das, was er gegenüber Kai empfand. Wahrscheinlich war es Kai auch immer so ergangen. Er hatte gedacht, er dürfe nicht zeigen, was er fühlte und irgendwann hatte er dann gar keine Gefühle mehr gezeigt. Bis heute-

Aber Rei durfte jetzt nicht daran denken. Sonst würden ihm vor lauter Verzweiflung erneut die Tränen in die Augen steigen und dann müsste er den anderen erklären, warum er weinte und das durfte er nicht. Er musste sie jetzt in Bezug auf die Klamotten ein wenig anschwindeln, auch wenn das komplett seinem Wesen widersprach.

Es tat ihm fast weh sie anzulügen, aber wenn er sich wieder in Erinnerung rief, warum er es tat; für wen er es tat, waren alle Gewissensbisse null und nichtig. Er wollte für Kai da sein. Gerade jetzt, wo er es nie wieder würde sein können. Er musste Kai schützen. Er hatte schon zu viel verloren.

"Ähm, naja... Wir hatten doch noch die Yukata an. Tja, und dann war ich duschen und das Teil war noch so nass. Da hab ich mir ein paar Klamotten von Kai genommen. Ich hoffe er killt mich nicht, wenn er das sieht."

Verlegen hielt er sich die Hand hinter den Kopf, um dieser Lüge zumindest einen wahren Anschein zu verleihen. Kyouju sah ihn an, als sei er lebensmüde, Takao schaute eher bewundernd und Max blickte ihn schlichtweg fassungslos an.

"Bist du wahnsinnig? Der killt dich garantiert! Wir dachten ja eben schon, ihr würdet dadrin ne Schlägerei veranstalten, als es so gepoltert hat", meinte Kyouju, der dann doch die Bedeutung seiner Stimmbänder wieder erkannt hatte.

"Hehe, nein, das war ich allein. Ich hab mich bei eurem Geklopfe so erschreckt, dass ich aus dem Bett gefallen bin..."

Wie zur Bestätigung seiner Aussage, schlich sich eine leichte Röte auf Reis Wangen, die aber weniger mit Verlegenheit, als vielmehr mit Erinnerung zu tun hatte. Er erinnerte sich daran, was in dem Bett geschehen war und erst jetzt wurde ihm wirklich klar, was er da getan hatte; was sie getan hatten.

Kein Wunder, dass Kai schnellstmöglich weggerannt war, als ihm das klar wurde. Wenn Rei schon im Boden versank, wenn er nur daran dachte, dass die Anderen sie so hätten sehen können, war es klar, dass Kai bei diesem Gedanken völlig ausrastete.

Warum jetzt allerdings die drei Jungen vor ihm ausrasteten, verstand Rei wieder mal nicht ganz.

"Oh. Mein. Gott. Du hast in Kais Bett gelegen?!"

Beinah wären die Fensterscheiben zersprungen, so hoch war die Tonlage von Max Stimme. Takao konnte wieder nur glotzen und Kyouju war dabei in Ohnmacht zu fallen.

"Ich war so müde. Ich wollte mich bloß etwas hinlegen, aber ich muss eingenickt sein und von eurem Klopfen bin ich wieder aufgeschreckt und prompt rausgefallen."

"Wow."

Das war das Einzige, was Takao herausbrachte.

Naja, Rei konnte es verstehen. Hätte er wirklich mit Kais Sachen am Körper in Kais Bett gelegen, wäre er aus dem Bad gekommen, hätte er ihn wahrscheinlich in Stücke gerissen. Zumindest hätte das der Kai getan, der er bis gestern noch gewesen war und der er anscheinend jetzt wieder war.

Rei wäre selbst von sich beeindruckt gewesen, hätte er das gebracht. Und jetzt musste er sich wieder daran gewöhnen, Kai so gegenüber zu treten, wie vor diesem Tag. Also freundlich, aber nicht zu nah. Nur nicht zu nah.

Er wusste, sollte er noch einmal Kais Geruch in die Nase bekommen, müsste er sofort aus dem Zimmer sprinten, denn sonst würde er ihm heulend um den Hals fallen. Also versuchte er sich die Lüge, die er den anderen soeben aufgetischt hatte, selbst einzureden.

Er hatte sich die Sachen genommen, sich auf das Bett gelegt, war eingepennt, hatte diesen - zugegeben - wunderbaren Traum gehabt und war dann vom Klopfen an der Tür wieder wach geworden. So war es gewesen und nicht anders. Und als ob es so gewesen wäre, musste er jetzt auch reagieren.

"So, ihr verschwindet jetzt besser. Ich will wenigstens warten, bis Kai aus dem Bad kommt und ihm gestehen, dass ich seine Sachen anhab. Außerdem: Nicht, dass er dadrin noch draufgeht."

Wieder sahen ihn die Anderen etwas komisch an.

"Kai kann nicht draufgehen. Der stirbt nie. Ich hab's mir schon so oft ausgemalt, aber ich glaube nichts würde funktionieren. Bestimmt ist er jetzt total sauer und lässt uns morgen den ganzen Tag im Kreis rennen..."

Rei wäre Takao beinah an die Gurgel gesprungen, als er meinte, er hätte sich Kais Tod ausgemalt. Wie konnte er es wagen? Rei musste sich selbst im Zaum halten, doch Max beruhigte ihn etwas.

"Hey. Wenn, dann ist er auf dich sauer und wird dich im Kreis rennen lassen."

Jetzt konnte sich Rei doch nicht mehr zurückhalten. Er hatte sich schon den ganzen Tag überlegt, wie er Takao für seine seltendämliche Aktion im Onsen eine Abreibung verpassen konnte.

"Und glaub mir, Takao, ich werde ihn nicht davon abhalten. Deine Wunschvorstellungen sind nämlich heute fast in Erfüllung gegangen. Kai wäre auf dem Weg zurück ins Hotel fast krepiert, also hast du es mehr als verdient morgen und die nächsten Wochen von ihm rumgescheucht zu werden!"

Er war richtig in Rage geraten, als er Takao so die Meinung gegeigt hatte. Aber, Herrgott, er hatte es verdient! Dieser blöde Hornochse war Schuld an Kais Verletzung, Schuld an Kais Schmerzen, Schuld an der ganzen Situation.

So gesehen musste Rei ihm aber eigentlich dankbar sein. Wegen Kais Verletzung war er mit ihm ins Krankenhaus gefahren, hatte seine Hand halten dürfen, war mit ihm in sein Zimmer gegangen und Kai so nah gewesen, wie er es sich so lang gewünscht hatte-

Aber nein, er hatte es ja nur geträumt. Es war nicht real gewesen. Er hatte sich die Sachen aus dem Schrank genommen und war auf dem Bett eingeschlafen. Allein. Er hatte nicht mit Kai im Bett gelegen. Er hatte ihn nicht geküsst. Er hatte ihn nicht umarmt. Es war nicht real gewesen.

Und trotzdem hätte er Takao, selbst wenn er die Situation in Kais Zimmer in seinem Bett aus seinen Erinnerungen verbannte, dankbar sein müssen, allein weil er heute so lange bei Kai hatte sein dürfen; weil er sich ihm doch etwas mehr geöffnet hatte.

Aber das konnte er ja nicht zeigen. Er durfte es nicht zeigen. Keiner von ihnen durfte erfahren, was er in seinem Innern für Kai empfand. Niemand. Es war schon schlimm genug, dass Kai es jetzt wusste. Wie würde er sich wohl verhalten? Und wie sollte sich Rei verhalten?

Erst einmal musste er jetzt aber seine Teamkameraden loswerden, damit er noch einmal allein mit Kai reden konnte. Er musste sich entschuldigen. Für alles.

"So, und jetzt verschwindet", meinte er noch und schlug ihnen auch schon die Tür vor der Nase zu.

Draußen konnte er hören, wie die drei über sein komisches Verhalten tuschelten, aber es störte ihn nicht. Er musste sich erst einmal einen Plan zurechtlegen, wie er sich nun in nächster Zukunft verhielt, solange konnten sie reden, so viel sie wollten. Wenn er einen Plan hatte, würden sie nicht mehr reden können. Doch zu allererst musste er jetzt zu Kai.

Der saß noch immer regungslos an die Badezimmertür gelehnt.

Er hatte gelauscht. Er hatte gehört, was im Zimmer gesprochen worden war. Er hatte gehört, was Rei gesagt hatte; was er gesagt hatte, um Kai zu schützen.

Wieder stiegen ihm vor Rührung Tränen in die Augen. Rei tat alles für Kai, damit es ihm gut ging und er nicht sein Gesicht verlor, selbst wenn es ihm selbst dabei schlecht ging. Er hatte sogar für ihn gelogen, was ihm ganz bestimmt schwer gefallen war. Rei hasste Lügen. Das hatte er oft genug gesagt. Aber für Kai hatte er gelogen. Um ihn zu schützen.

Und Kai saß hier stumm auf den kalten Fliesen und tat nichts. Nichts als dazusitzen und die Tränen zu unterdrücken, die nun nicht mehr wegen Rührung aus seinen Augen laufen wollten, sondern schlichtweg aus Verzweiflung.

Er hatte das alles so nicht gewollt. Er hatte nicht gewollt, dass alles so endete. Er hatte nicht gewollt, dass Rei für ihn log; nicht, dass Rei wegen ihm verletzt wurde; nicht, dass Rei traurig war. Er hatte ja nicht einmal gewollt, dass es aufhörte. Er hatte ewig so nah bei Rei sein wollen.

Warum waren sie nur unterbrochen worden? Und warum hatte Kai nicht einfach so cool mit der Situation umgehen können, wie er es mit allen anderen Situationen tat? Warum nur hatte er Rei von sich gestoßen, als er dort am Boden kniete und seine Hand hielt? Er hatte ihm doch nur beistehen wollen. Er hatte sich doch nur Sorgen gemacht. Und es hatte Kai doch gefallen. Alles, was in diesem Zimmer geschehen war, hatte ihm gefallen. Warum konnte er das nur nicht zeigen? Er wollte es doch. Es sollte ihm doch egal sein, was die anderen davon dachten. Es war ihm doch immer egal gewesen, was sie über ihn dachten.

Was war nur mit ihm los? Er fühlte sich nicht mehr, wie er selbst. Er verstand nicht mehr, was er fühlte, was er tat, und er wusste nicht, was er nun tun sollte. Aber er sollte sich besser schnell etwas überlegen, denn Rei war noch im Zimmer und Kai befürchtete, dass er bald zu ihm kommen würde.
 

Sacht pochte Rei an die Tür, doch bekam er keine Antwort. Weder ein "herein", das er nun nicht wirklich erwartet hatte, aber man durfte ja noch hoffen, noch ein "Verschwinde".

Er vermutete, dass Kai sein Klopfen einfach nicht gehört hatte, also pochte er erneut etwas lauter an die Tür. Doch noch immer konnte er nichts hören und langsam begann er sich Sorgen zu machen. Hatten ihn die Schmerzen am Ende doch noch ohnmächtig werden lassen? Und war er dann vielleicht umgekippt und mit dem Kopf auf den Badenwannenrand gefallen und lag jetzt auf den kalten Fliesen und verblutete, während Rei untätig vor der Tür stand?

Panik breitete sich in ihm aus und hastig drückte er die Klinke herunter. Doch die Tür war verschlossen. Kai musste noch abgeschlossen haben, weil er Rei nicht noch einmal sehen wollte. Aber wenn er wirklich bewusstlos und schwer verletzt am Boden lag und Rei nicht schnellstens ins Bad kam, würde er ihn wirklich nie wieder sehen können.

Panisch begann Rei gegen die Tür zu hämmern, während er immer wieder Kais Namen rief, während dieser immer noch stumm dasaß und in die Leere starrte.

Was sollte er tun? Wenn er Rei zu sich herein ließ, würde er ihn nicht mehr gehen lassen können. Doch das durfte er nicht. Er musste Rei schützen, indem er ihn von sich fernhielt. Wenn er aber nur stumm hier sitzen blieb, würde Rei wohl die Tür eintreten, so wie sich das anhörte. Er dachte anscheinend, Kai wäre vor Schmerz zusammengebrochen, läge nun mitten im Raum und krepierte.

Es rührte ihn, dass er Rei wirklich so viel bedeutete, dass er sich solche Sorgen um ihn machte, obwohl er ihn doch noch vor wenigen Minuten so sehr verletzt hatte. Und er wollte nicht, dass Rei sich weiter sorgte. Es sollte ihm so bald wie möglich wieder gut gehen. Ohne ihn. Und ohne, dass er sich um ihn sorgen musste.

Deshalb musste er jetzt wieder kalt und hart sein, wie er es so lange gewesen war. Er musste ihn wegschicken, damit er aufhörte daran zu denken, was geschehen war. Er musste es vergessen und auch Kai musste es vergessen. So schnell wie möglich.

Er musste sich Rei gegenüber jetzt so verhalten, als hätte es den heutigen Tag nie gegeben. So, als ob er nicht herausgefunden hätte, was er ihm bedeutete. So, als ob er noch immer allein war. Das stimmte ja sogar. Er war allein. Nur dass er eben nicht noch immer, sondern wieder allein war; es nicht mehr sein wollte, sondern es sein musste. Er musste Rei wegschicken, so schwer es ihm auch fiel. Er musste.

"Was willst du? Lass mich in Ruhe!"

"Kai? Kai! Kai, geht's dir gut? Sag, bist du verletzt? Kann ich dir helfen? Bitte! Bitte, mach die Tür auf!"

Kai konnte an Reis Stimme hören, dass er schon wieder weinte. Er machte sich solche Sorgen um ihn, dass er vor Verzweiflung weinte.

Kai wollte nicht, dass er je wieder wegen ihm weinte. Er musste ihn wegschicken. Doch als er die Worte sprach, konnte er nicht verhindern, dass seine Stimme zitterte und ihm die Tränen nun schließlich doch über die Wangen liefen.

"Nein. Geh weg! Lass mich allein!"

Rei war froh. So froh, dass Kai bei Bewusstsein war und es ihm anscheinend relativ gut ging. Und er hatte ja auch erwartet, dass Kai ihn fortschicken würde. Er war ja gar nicht hier geblieben, weil er gedacht hatte, Kai noch einmal sehen zu können, geschweige denn ihn berühren zu dürfen. Er war hier um sich zu entschuldigen.

Er musste Kai sagen, dass niemals jemand von ihm davon erfahren würde und dass es nicht Kais Schuld gewesen war. Rei hatte Schuld. Aber trotzdem konnte er nicht sagen, dass es ihm nichts bedeutet hätte. Er wollte Kai zwar zeigen, dass er keine Schuld trug, aber er wollte nicht, dass Kai dachte, er hätte ihn einfach so zum Spaß geküsst.

Er sollte wissen, dass er ihm etwas bedeutete, auch wenn Rei ihm nicht sagen durfte, wie viel er ihm bedeutete. Er wollte nur, dass Kai wusste, dass er, falls er irgendwann dazu in der Lage sein würde, jederzeit zu Rei kommen konnte; dass er nicht allein sein brauchte, wenn er es nicht mehr sein wollte. Rei würde da sein.

Er legte beide Hände flach an das Holz und glitt langsam hinunter auf die Knie.

Kai musste direkt hinter dieser Tür sitzen. Seine Stimme hatte sehr nah geklungen. Und sie hatte verzweifelt geklungen. Rei musste die Entschuldigung nun schnell hinter sich und vor allem hinter Kai bringen, damit er allein über all das Geschehene nachdenken konnte, aber er würde nicht gehen, bevor er nicht ausgesprochen hatte, was er sagen wollte.

"Kai. Wirklich, ich verschwinde sofort, aber hör mir noch kurz zu. Bitte."

Er musste eine kurze Pause machen, einerseits, weil er Kai die Chance geben wollte etwas zu erwidern, andererseits, weil er spürte, wie ihm die Stimme versagte.

Kai jedoch konnte genauso wenig etwas sagen. Auch seine Stimme wollte ihm nicht mehr gehorchen, was vielleicht so auch besser war, denn er war kurz davor, Rei zu bitten, nicht zu verschwinden. Doch so schwieg er, hörte, wie Rei nach einiger Zeit tief Luft holte und dann weiter sprach.

"Es tut mir Leid. Es tut mir schrecklich Leid, was geschehen ist. Ich habe nicht gewollt, dass du dich so erschreckst. Und ich schwöre, von mir wird niemals irgendjemand ein Wort darüber erfahren. Aber ich habe wirklich gedacht, es würde dir gefallen... Mir hat es gefallen... Aber wenn du es nicht willst, werde ich dir nie wieder nahe kommen. Ich halte mich fern von dir, aber ich bin da, ja? Ich werde da sein, falls du... irgendwann... Es tut mir Leid..."

Nun hatte seine Stimme ihn doch im Stich gelassen. Seine Hände hatten sich verkrampft, er hatte die Stirn an die Tür gelehnt und ihm waren die Tränen auf die nackten Beine getropft. Und jetzt musste er fort.

Er wollte nicht, dass Kai merkte, wie weh es ihm tat. Kai würde sich sonst sorgen. Er war Kai nicht egal. Das wusste er. Aber es war Kais Entscheidung. Allein er würde bestimmen, wie es nun weiterging und Rei durfte ihn dabei nicht mit seinen Tränen beeinflussen. Er wollte nicht, dass Kai aus Mitleid seine Entscheidung fällte. Er sollte frei entscheiden, was er wollte und was er brauchte. Es war seine Entscheidung.

Deshalb musste er jetzt schnellstmöglich weg von hier. Er rappelte sich auf und lief aus dem Zimmer, schloss die Tür hinter sich und ging einfach den Gang entlang, ohne auch nur daran zu denken, in welche Richtung er lief.

Schließlich stand er dann aber doch irgendwann vor seiner Zimmertür, wischte sich notdürftig über die Augen und klopfte dann leise an, woraufhin Max ihm die Tür öffnete.

"Hat mich hochkant rausgeschmissen, aber ich lebe noch. Ich geh jetzt schlafen", murmelte er, ging dann kommentarlos an Max vorbei und legte sich in sein Bett, während Max ihm zwar besorgt nachsah, aber weiter nichts dazu sagte, sondern meinte, er würde zu Takao und Kyouju gehen und Rei solle sich ausruhen.

Der jedoch lag noch einige Stunden wach und ließ seinen Tränen freien Lauf.

Genau wie Kai. Er hatte Rei zugehört. Er hatte gehört, was er gesagt hatte und er hatte gespürt, wie es Rei dabei gegangen war.

Er war verzweifelt gewesen. Er hatte geweint. Aber er hatte unbedingt gewollt, dass Kai wusste, dass dieser Kuss etwas bedeutet hatte. Er hatte ihm zeigen wollen, dass er nichts tun würde, was er nicht wollte. Aber dass er, wenn Kai etwas wollte, immer da sein würde. Er würde da sein, egal wie Kai sich nun ihm gegenüber verhalten würde. Er würde ihm nicht zu nahe kommen, aber er würde da sein, wenn Kai es wollte.

Kai konnte nicht sagen, aus welchem Grund er nun weinte. Rührung, Verzweiflung, Schuld. Vermutlich waren es so viele Gründe, dass er sie nicht alle erkennen konnte, aber er konnte erkennen, dass er die Tränen nun endlich herauslassen musste. Er durfte sie nicht länger unterdrücken, denn dann würde er nie über den heutigen Tag hinwegkommen.

Er musste bedauern, wie alles geendet hatte und dann musste er es verdrängen, damit Rei nicht noch weiter leiden musste und auch damit er nicht weiter leiden musste. Damit er wieder allein war und wieder lernte, das zu schätzen. Er musste wieder lernen allein sein zu wollen, auch wenn es ihm jetzt so vorkam, als würden Rei und er unter seiner Entscheidung sehr viel mehr leiden, als dass es ihnen besser ging.

Aber er redete sich ein, dass das nur vorübergehend war. Er fühlte sich im Moment nur allgemein so elend, dass er dachte, er wähle falsch, wenn er sich gegen Rei entschied. Aber schon morgen, würde die Sache bestimmt anders aussehen. Dann würde er sich wieder etwas normaler fühlen und sich gar nicht erklären können, warum er ernsthaft darüber nachgedacht hatte. Es war die richtige Entscheidung. Für sie beide.

Doch so sehr er sich das auch einzureden versuchte, die Tränen liefen über seine Wangen, während er noch immer an die abgeschlossene Tür gelehnt mit angezogenem Bein auf den kalten Fliesen saß, bis er einschlief.
 

Und auch als er am nächsten Morgen erwachte, war das erste, das er wahrnahm, seine feuchten Wangen. Danach kam der Schmerz.

Er musste wohl, nachdem er eingeschlafen war, zur Seite gekippt sein, denn nun lag er mit dem Kopf auf dem rechten Arm noch immer mit dem Rücken an der Tür auf den Fliesen. Die Schmerztabletten hatten ihre Wirkung verloren, was wohl auch der Grund war, aus dem er wach geworden war. Sein Fuß tat höllisch weh. So wehgetan hatte der gestern nicht.

Aber er wusste ja, dass man den Schmerz erst wirklich spürte, wenn alles vorbei war. Und nicht nur mit körperlichen Schmerzen schien es sich so zu verhalten. Der nächste Gedanke nach dem an die Tränen und dann dem an den Schmerz war Rei. Er erinnerte sich, was geschehen war.

Gestern hatte er noch gedacht, er müsse nur ein wenig weinen, um es dann verdrängen zu können, doch so schien es nicht zu funktionieren. Er bedauerte noch immer. Er trauerte. Er wünschte es hätte anders ausgehen können. Und doch wusste er gleichzeitig, dass es nicht ging. Es ging einfach nicht. Es durfte nicht so sein, wie er es sich wünschte. Es ging nicht.

Er würde jetzt einfach herunter in den Speisesaal gehen, ein wenig frühstücken und sich den anderen gegenüber so verhalten, wie sie es erwarteten. Er würde kalt, gefühllos und wütend auf sie wirken. Er würde Takao mit eiskalten Blicken bedenken, ihn einen Kopf kürzer machen, wenn er ihn auch nur ansah und ihn herumscheuchen, so gut er konnte. Die anderen würde er einfach gar nicht ansehen.

So musste er auch Rei nicht ansehen, denn er wusste einfach nicht, wie er ihn anschauen sollte. Wenn er böse guckte, würde er Rei wahrscheinlich wieder wehtun. Schaute er entschuldigend, könnte Rei sich womöglich Hoffnungen machen und Kai würde ihm wieder wehtun. Doch sah er ihn gar nicht an, konnte er ihm nicht wehtun.

Das war Blödsinn. Das wusste Kai. Er würde ihm wehtun, egal was er tat, aber er wusste einfach nichts anderes. Vielleicht merkte Rei ja, dass ihm bei der ganzen Sache auch elend zumute war und könnte ihm verzeihen. Rei war doch so groß im Verzeihen. Er verzieh doch jedem, selbst wenn dieser es nicht verdient hatte.

Kai hatte es eindeutig nicht verdient und eigentlich wollte er ja auch gar nicht, dass Rei ihm verzieh. Er wollte Rei nur nicht weiter wehtun.

Am liebsten wäre er einfach hier liegen geblieben, aber langsam spürte er die Kälte, die sich die ganze Nacht in ihn hineingefressen hatte und den Schmerz, der ihn geweckt hatte überdeutlich. Wenn er nichts dagegen unternahm, würde er hier tatsächlich noch draufgehen, wie Rei es gestern schon befürchtet hatte.

Und das konnte er ihm nicht antun, obwohl es für ihn der einfachste Weg wäre. Einfach hier liegen bleiben, bis er nicht mehr nachzudenken brauchte. Doch er glaubte, dass er Rei damit zu Grunde richten würde. Er würde sich die Schuld geben und das konnte Kai nicht verantworten.

Also würde er aufstehen, wieder 2 Schmerztabletten nehmen, damit er überhaupt laufen konnte, duschen, damit ihm wieder warm wurde und dann hinunter zum Frühstück gehen. Normalerweise aß er morgens nichts, doch heute hatte er schon Magenkrämpfe vor Hunger. Immerhin hatte er seit vorgestern Abend nichts mehr gegessen. Gefrühstückt hatte er gestern Morgen nicht und über Mittag hatten sie ein Interview gehabt und danach waren sie gleich zum Onsen gefahren. Er musste zugeben, dass das selbst für ihn zu wenig an Nahrung gewesen war.

Also begann er langsam sich auf den Ellenbogen gestützt aufzurichten, bis er wieder aufrecht saß. Fast hätte er es nicht einmal bis hierher geschafft. Ihm tat alles weh. Wirklich alles, aber er hatte es erst bemerkt, als er sich bewegte.

Er hatte heftigen Muskelkater in den Armen, wahrscheinlich vom Laufen mit den Krücken. Sein Fuß machte sich noch schmerzlicher bemerkbar, als er ihn versehentlich etwas drehte, sodass ihm glatt die Luft wegblieb. Und außerdem hatte er in dieser Nacht wohl ziemlich elendig gelegen, denn sein ganzer Hals, ganz zu schweigen von seinen Schultern und dem Rücken, war verspannt.

Er zog sich schwer an der Türklinke hoch, um überhaupt auf die Füße zu kommen - ein Wunder, dass die nicht abbrach - und hüpfte dann erst einmal zum Spiegel über dem Waschbecken. Schwer auf dieses gestützt blieb er davor stehen und musterte seine wirklich jämmerliche Erscheinung. So konnte er sich gar nicht aus dem Zimmer trauen.

Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, seine Haare sahen aus wie Müll und über die Art, wie er da stand, wollte er gar nicht erst nachdenken. Würde ihn jemand so sehen, müsste er denjenigen wohl töten. Es sei denn es war Rei. An ihm könnte er sich festhalten...

Nein, nicht nach gestern. Nach dem ersten Teil von gestern, ja. Aber nicht nach dem zweiten, in dem er ihn vom Bett geworfen, von sich gestoßen und dann weggeschickt hatte. Er musste es vergessen. Beide Teile von gestern. Den ganzen Tag. Nur den Teil, in dem er sich verletzt hatte, durfte er in seinen Erinnerungen behalten, damit er Takao auch eine ordentliche Abreibung verpassen konnte.

Der würde sich noch wundern. Kai war schon oft gemein zu ihm gewesen, aber er hatte ja keine Ahnung, wie grausam er sein konnte. Nachdem er mit ihm fertig war, würde er es nie wieder wagen ihn anzufassen. Nie wieder... würde Rei ihn anfassen...

Als wenn die Gedanken dadurch verschwinden würden, schüttelte er heftig den Kopf. Er drehte den Wasserhahn auf, ließ den Strahl über seine Hände laufen, bis er warm war, ließ nun seine Hände voll laufen und tauchte sein Gesicht in das warme Wasser. Er fühlte sich schon etwas besser.

Noch immer auf das Waschbecken gestützt lehnte er sich zur Tür herüber und drückte die Klinke herunter. Doch die Tür öffnete sich nicht. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, dass er ja gestern noch abgeschlossen hatte. Sonst wäre Rei ja zu ihm hineingekommen und er wäre nicht mehr in der Lage gewesen ihn fortzuschicken.

Hätte er doch nur nicht abgeschlossen. Dann wäre vielleicht alles anders gelaufen. Dann wäre er jetzt nicht allein. Aber er musste allein sein. Er durfte nicht bei Rei sein. Er musste dieses Gefühl endlich verdrängen, das ihn befiel, wenn er an Rei dachte und daran, was er mit ihm verloren hatte. Er musste tun, was er sich vorgenommen hatte, ohne groß nachzudenken, wie er es sonst auch immer getan hatte. Handeln statt denken.

Also lehnte er sich noch weiter herüber, drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür. Gleich spürte er die warme Luft hereinströmen. Sie fühlte sich überaus gut auf seiner eiskalten Haut an und doch würde nur diese Luft nicht ausreichen um sein gefrorenes Inneres wieder zu erwärmen.

Nach einer kurzen Verschnaufpause hüpfte er aus dem Bad in Richtung Bett an dessen Fußende noch immer die Schmerztabletten lagen. Das Bett selbst sah ziemlich zerwühlt aus. So hatte sein Bett noch nie ausgesehen und erst konnte er sich den Grund auch gar nicht erklären, bis ihm wieder einfiel, was er so krampfhaft zu verdrängen versuchte.

Allein die Erinnerung daran ließ ihn rot werden, obwohl ihm immer noch eiskalt war. Schnell wandte er den Blick ab und beugte sich zu den Schmerztabletten hinunter. Nachdem er sich mit einiger Anstrengung wieder aufgerichtet hatte, drückte er sich zwei Tabletten heraus und hüpfte dann zurück ins Bad, ohne auch nur noch einen Blick auf das Bett zu werfen. Er beugte sich zu dem Wasserhahn hinunter, trank erst etwas von dem Wasser und behielt noch etwas im Mund, womit er dann die beiden Tabletten schluckte, bevor er sich das T-Shirt über den Kopf zog.

Allerdings brauchte er dazu tatsächlich zwei Anläufe. Er hatte nicht gewusst, wie sehr seine Armmuskeln gestern tatsächlich beansprucht worden waren, aber anscheinend war es ziemlich heftig gewesen. Er konnte sich kaum bewegen. Die Shorts bekam er einfacher aus, doch musste er in der Dusche die ganze Zeit auf einem Bein stehen und dafür sorgen, dass sein verletzter Fuß kein Wasser abbekam. Der Verband durfte nicht nass werden.

Als er wieder aus der Dusche trat, war ihm zwar wärmer, dafür war er aber auf Grund der Anstrengung völlig fertig, sodass er sich noch eben ein Handtuch umwarf, hinaus ins Zimmer hüpfte und sich kraftlos aufs Bett fallen ließ.

Aber nicht nur das war der Grund, aus dem er es hinauszögerte, das Zimmer zu verlassen.

Es war fast 9 Uhr. Zu dieser Zeit frühstückten die Anderen auch meistens, wenn kein wichtiger Termin anstand. Wenn er nun hinunterging, würde er ihnen begegnen.

Er wollte noch etwas allein sein, um sich klar zu machen, dass er das Richtige tat, denn er war sich einfach nicht mehr sicher, was das Richtige war. Noch vor zwei Tagen hätte er es ohne Zögern genau sagen können, doch jetzt war er einfach nicht mehr so sicher.

Die Situation mit Rei war ihm als richtig vorgekommen, als er mittendrin gesteckt hatte, aber danach hatten sich Zweifel eingeschlichen und jetzt wusste er gar nicht mehr, was er davon halten sollte.

Er hatte es gewollt, wollte es noch immer, mehr als alles andere und doch konnte er nicht. Er wusste nicht, warum. Es konnte doch nicht nur an der Meinung der Anderen liegen. Er hatte doch nie etwas um ihre Meinung gegeben. Und es konnte doch auch nicht nur daran liegen, dass er glaubte Rei wieder zu verlieren. Er hatte in seinem Leben schon so viel verloren, da müsste er sich doch langsam daran gewöhnt haben.

Und er wollte es doch. Er wollte es doch zumindest versuchen. Seit einer Ewigkeit hatte er sich wieder jemandem zugewandt, hatte ihn an sich heran gelassen und war dabei glücklich gewesen. Seit einer Ewigkeit war er wieder für einen kurzen Moment glücklich gewesen. Er wollte es nicht einfach wegschmeißen, begraben oder verdrängen. Er wollte glücklich sein. Er hatte lang genug darauf verzichtet. Er wollte bei Rei sein.

Nicht gleich die ganze Welt brauchte zu erfahren, dass er sich jemandem anvertrauen wollte, aber er spürte, dass er es langsam tun musste, sonst würde er es nie schaffen. Und Rei schien ihm der erste Mensch zu sein, bei dem er es auch versuchen konnte, ohne gleich zu wissen, dass er sich nach kurzer Zeit wieder zurückziehen würde.

Er musste es riskieren ihn zu verlieren, denn sonst würde er nie jemanden gewinnen können. Er wollte versuchen sich zu ändern, sodass er Rei nicht schaden würde. Er wollte bei Rei sein.

Der Wunsch wurde so stark, dass Kai, die Schmerzen ignorierend zum Schrank hüpfte, sich ein Muskelshirt und eine lange Hose anzog, sich den weißen Schal umwarf und auf schnellstem Wege das Zimmer verließ, nachdem er sich seine Krücken geschnappt hatte.

Doch schon als die Tür hinter ihm zufiel, schlichen sich erneut Zweifel in seine Gedanken.
 


 

(3) Obi = Gürtel vom Yukata
 


 

So, das war's. Ich hoffe mal, ihr seid überhaupt bis hierher gekommen *drop* Ich weiß es war viel und ich bin stolz auf alle, die es geschafft haben ^-^ und natürlich dankbar.

Danke, danke, danke, dass ihr euch dieses elendig lange Kapi angetan habt *verbeug*

Nun nur noch eine kleine Anekdote aus der Schreibphase:

Als ich die Stelle geschrieben hab, an der Kai auf Rei fällt, weil sein Bein wegrutscht und Rei ihn dann umarmt und Kai fast anfängt zu weinen, hab ich zuerst das hier geschrieben:

Er konnte sich nicht recht erklären, was er fühlte, während er dort regungslos in Reis Armen lag, und doch trieb ihn dieses Gefühl dazu, seinerseits die Arme um Rei zu schlingen und sich an ihm festzuhalten, als sei er der einzig sichere Ort auf dieser Welt und sein Gesicht fest in das Kissen zu drücken, damit er seinen immer schnelleren Atem bremsen konnte. Seine Augen füllten sich mit Tränen und

... 5 Minuten später hab ich mir das durchgelesen, weil mich meine Mutter vom PC weggerufen hatte und ich hab erst gedacht "das hast du nicht geschrieben...ô_ô", aber anscheinend hatte ich das... *drop*

Irgendwie hatte ich auch gerade angefangen, diese verdammte Harry Potter Fanfic "In Perfect Harmony" zu lesen, in der es so ziemlich nur um Harry und Draco im Bett ging (also mit nem eindeutigen Adultteil; hihi ich bin schon 19, ich darf das ^-^ ... -_-')

Nya, jedenfalls, musste ich das ganz schnell abändern. Ich hoffe, man denkt bei der jetzigen Formulierung nicht immer noch, dass Kai gerade nen Orgasmus hat c_c und ich hoffe, das hier lesen auch nicht zu junge Kinder õ_õ

Und diese Stelle:

„Er zog Reis Gesicht mit der Hand in seinem Nacken noch weiter zu sich herunter, drückte seine Lippen gegen Reis, nur um sie öffnen und seine Zunge wieder zu Reis führen zu können, während er nun nicht mehr nur mit den Fingerkuppen, sondern mit der ganzen Hand über Reis Haut strich, bis es an ihrer Zimmertür klopfte.“

Ich find das so grausam T_T Ich hab’s ja selbst geschrieben, aber jedes Mal, wenn ich’s mir wieder durchlese, bin ich auf’s Neue geschockt. Man kann doch da nicht unterbrechen ù_ú und dann auch noch so plötzlich und ohne jede Vorwarnung! Ich kann’s immer wieder lesen und ich weiß genau, dass gleich Schluss ist, aber jedes verdammte Mal kommt es früher, als ich erwartet hab und ich sitz wieder da *heul*

Ich bin dann grad einfach so drin in der Situation und plötzlich ist es eine völlig andere und ich krieg das erst gar nicht richtig mit, sodass ich dann erst mal kurz mit dem Lesen aufhören muss ~.~

Nun ja, egal, ich find diese Stelle neben dem Dialog aus Kapi 4 am besten in dieser Geschichte. Bisschen Eigenlob muss ja auch mal sein ^__^

So, mehr will ich nun auch nicht mehr schreiben, aber langsam hab ich gar keinen Muskelkater vom Tippen mehr *freu*

Ich versuch das nächste Kapitel schneller hinzukriegen, aber das wird auch nicht so lang werden... denk ich...

Ach: Und nicht den Kommentar vergessen *liebguck*

Ciaoi

tenshi

Wer weiß, was du willst

Tagchen mal wieder ^__^

Ich hab grad ziemlich gute Laune, also wundert euch nicht, wenn ich im Vorwort etwas übertreibe ^,^' Ich hab nämlich jetzt Urlaub! Fast einen ganzen Monat, nachdem ich 4 Monate gearbeitet habe, obwohl ich gar keine Ausbildung mache, sondern ja bald studieren geh *flöt* Japanologie, falls es wen interessiert ^____^

Also, ich hab mir vorgenommen jeden Tag weiterzuschreiben, was ich wahrscheinlich mal wieder nicht hinbekomm, aber immerhin schreib ich dann öfter, als wenn ich mir nichts vornehm. (Und dann hab ich auch nicht andauernd ein schlechtes Gewissen. Also purer Eigennutz ^.^)

Nun also zum eigentlichen Vorwort:

Ich hatte zu Beginn dieses Kapitels ne ziemliche Krise, glaub ich -.- Wahrscheinlich weil ich in den letzten Wochen nur auf die Fertigstellung des siebten Kapitels fixiert war und ich dann, nachdem es tatsächlich irgendwann fertig war, gar nicht mehr wusste, wie's weitergehen sollte. Aber - blöd wie ich bin - hab ich einfach mal angefangen irgendwas zu schreiben. Nach vielleicht einer Seite musste ich ganz schnell wieder aufhören, weil ich das, was ich das schrieb selbst so schrecklich fand. Aber - noch blöder wie ich bin - hab ich das erst mal stehen lassen. Da ich aber Angst hatte, dass ich, wenn ich mir das noch mal durchlese und dann weiterschreibe, wieder auf dieser Schiene fahre, die mir selbst nicht ganz geheuer war, hab ich nach ein paar Tagen Pause einfach noch mal angefangen >.< Und damit nahm das Unheil seinen Lauf. Ich hatte die zweite Version fast fertig geschrieben (also ungefähr in der eigentlichen Handlung so weit, wie ich in der ersten auch schon gekommen war), bevor mir auffiel, dass ich gar nicht mehr so genau wusste, was ich nun in der ersten und was in der zweiten geschrieben hatte. Daraufhin las ich mir die erste noch mal durch und fand sie gar nicht mehr soo schlecht -.-° Und dann fiel mir noch auf, dass teilweise sogar dasselbe in beiden Versionen stand. Also hab ich in mühevoller Kleinarbeit die beiden Versionen parallel gelesen und die Stellen, die ich am Besten fand in beide eingefügt (ich bin krank >,<)

Wie ihr euch jetzt sicher schon denken könnt, bekommt ihr in diesem Kapi wieder mal 2 Versionen zu lesen ^,^' Aber immerhin stellen sie nur den ersten Teil des Kapis dar ^.^' Was übrigens zu einem weiteren Problem führte, das in einer weiteren, wenn auch kleineren Krise endete ú_ù Nämlich konnte ich mich nicht entscheiden, auf welche Version ich nun die weitere Handlung aufbauen sollte, was bedeutete, dass ich auf beide gleichermaßen eingehen würde müssen (der Satz ist irgendwie komisch Ô_ò), was bedeutete, dass ich beide kennen, aber auch auseinander halten können musste (, was ich ja mal gar nicht gut kann >_<), weil sie zwar gleiche Stellen, aber auch einige unterschiedliche haben... *selber jetzt noch komplizierter find, wo ich das jetzt mal ausformuliert hab* ~.~

Jedenfalls müsst ihr wieder mal 2 Versionen lesen und dann den Rest des Kapitels ^__^ wobei das stellenweise dann etwas unlogisch sein könnte, da ich kleinere Probleme beim Schreiben hatte, weil es ja auf zwei unterschiedlichen Vorgeschichten aufbaut *seufz* Und trotzdem hab ich, als ich die Wörter hab zählen lassen, gedacht "Wie? Nur 10331?", obwohl das ja eigentlich ganz schön viel ist...

Vermutlich ist das Vorwort jetzt auch wieder viel zu lang v_v

Also freut euch schon mal auf das Nachwort *evilgrin*

Aber jetzt: Viel Spaß beim Lesen ^_____^
 


 

Kapitel 8 Wer weiß, was du willst
 

Version I
 

Langsam humpelte er den Gang bis zum Aufzug entlang. Er dachte nach. Er musste noch nachdenken. Er hätte das Zimmer noch nicht verlassen sollen. Er war sich doch noch nicht sicher. Er konnte doch jetzt nicht einfach zu Rei gehen, sagen "Hey, ich hab's mir anders überlegt" und erwarten, dass Rei das so einfach hinnahm und ihm dann womöglich noch vor allen Leuten um den Hals fiel. Allein der Gedanke ließ ihm wieder die Röte ins Gesicht steigen, als er an die Wand gelehnt auf den Aufzug wartete. Entweder Rei würde ihm das gar nicht erst glauben, ihm eine Ohrfeige verpassen und mit Tränen in den Augen wegrennen, oder er würde gleich im Speisesaal über ihn herfallen. Beides wäre Kai mehr als unangenehm. Das sollte er nicht riskieren.

Konnte er es überhaupt riskieren, Rei wieder in seine Nähe zu lassen? Er wollte ihm nie wieder wehtun, aber das würde fast zwangsläufig geschehen, wenn er ihn so nah bei sich hatte. Vielleicht hätte er auch schon nach kurzer Zeit genug von dieser Nähe und würde ihn wieder von sich stoßen. Und das würde Rei ein zweites Mal das Herz brechen. Kai glaubte nicht, dass Rei das überstehen würde. Auch Rei war hart im nehmen. Er hatte schwere Verletzungen, die er in seinen Kämpfen erlitten hatte, überstanden; hatte den Schmerz ertragen, ohne zu jammern; hatte sich um die Anderen gekümmert, wenn sie verletzt gewesen waren, selbst wenn es ihm auch nicht gut gegangen war. Und doch hatte es ihn jedes Mal berührt, wenn er jemanden hatte leiden sehen. Er selbst hatte fast noch mehr gelitten, als der Verletzte. So war es auch gestern gewesen. Kais Verletzung hatte Rei fast mehr wehgetan, als ihm selbst. Das bedeutete, dass Rei sich für andere selbst vernachlässigte; dass er alles tat, damit andere glücklich waren, was aber nicht bedeutete, dass er selbst glücklich war. Auch das war gestern geschehen, als Rei gegangen war. Er war gegangen, weil er glaubte, Kai würde dann glücklicher sein.

Kai war sich fast sicher, dass Rei selbst, bei Gott, nicht hatte gehen wollen. Er hatte gemerkt, wie glücklich Rei gewesen war, schon als er ihm nur erlaubt hatte ihn zu begleiten. Jetzt als er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass in den letzten Wochen nicht nur er Reis Nähe gesucht hatte, sondern Rei ebenso sehr die seine. Er hatte auch einfach bei ihm sein wollen, selbst, wenn sie nur stumm nebeneinander hergelaufen waren. Und gestern hatte Kai Reis Augen funkeln sehen, nur weil er hatte bei ihm sein dürfen. Er war glücklich gewesen, hatte das alles aber einfach aufgegeben, als er meinte, Kai würde damit nicht glücklich sein.

Rei war so ein Idiot. Wieso dachte er nur immer zuerst an andere? Und wieso war er gegangen, obwohl er doch hatte merken müssen, dass es auch Kai gefallen hatte so nah bei ihm zu sein? Er musste doch auch mitbekommen haben, dass Kai seine eigenen Gefühle nicht unbedingt immer richtig einschätzen konnte. Er hätte ihn zwingen sollen, ihn ins Bad zu lassen. Er hätte bei ihm bleiben sollen, selbst wenn Kai gesagt hätte, er solle verschwinden. Er hätte an sich denken sollen, nicht an Kai. Er hätte nicht gehen sollen.

Aber Kai hatte es ja gewusst. Er kannte Rei. Er hatte gewusst, dass er tun würde, was Kai ihm sagte, selbst wenn es ihn verletzte. Er hatte es gewusst. Und es eiskalt ausgenutzt. Er war der Idiot. Nein, er war noch viel schlimmer. Er hatte Rei absichtlich verletzt. Aus purem Egoismus, damit es ihm selbst besser ging. Wie sollte er ihm jetzt unter die Augen treten? Er konnte jetzt nicht einfach in den Speisesaal spazieren und ihn behandeln, wie er es immer getan hatte. Im Grunde hatte er das vorgehabt, denn ihm war noch immer keine andere Art und Weise eingefallen, aber nun wurde ihm klar, dass wirklich zu viel geschehen war, als dass alles weiter seinen gewohnten Weg gehen konnte. Etwas Außergewöhnliches war geschehen, das sein ganzes Denken verändert hatte. Etwas so großartiges, dass er bei dem Gedanken daran noch immer dieses Gefühl in seinem Bauch spürte. Etwas, das in berührt hatte.

Er musste erst noch weiter nachdenken. Er konnte noch nicht zu ihnen hinuntergehen. Er konnte Rei nicht in die Augen sehen, nach dem, was er ihm angetan hatte. Er konnte sich ja nicht einmal selbst in die Augen sehen, als sich die Türen des Fahrstuhls öffneten und den Blick auf den Spiegel im Innern freigaben. Er war so ein verdammter Heuchler. Er hatte Rei nie verletzen wollen und doch hatte er es in vollem Bewusstsein absichtlich getan, nur damit Rei reagierte, wie er es von ihm wollte, indem er ging. Dabei hatte er nicht einmal das wirklich gewollt. Er musste nachdenken.

Die Aufzugtüren schlossen sich langsam wieder vor seiner Nase und er humpelte zurück zu seinem Zimmer. Was sollte er nur tun. Er hatte immer Angst vor den Menschen gehabt, allerdings nie so sehr, dass er sich nicht aus seinem Zimmer getraut hätte. Er war allein geblieben, weil er es hatte sein wollen, nicht aus Angst. Seine Angst war eine andere gewesen. Die Menschen sollten ihm nicht zu nahe kommen. Sie sollten sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und ihn mit seinen Angelegenheiten alleine kämpfen lassen. Jetzt jedoch hatte er schlichtweg Angst ihnen zu begegnen, einfach weil es ihm so vorkam, als sei er nicht mehr so weit von ihnen entfernt, wie noch vor wenigen Tagen. Jahrelang hatte er mit den Menschen um sich herum gelebt, ohne jedoch unter ihnen zu leben. Er hatte sie wahrgenommen und auch sie hatten ihn bemerkt, doch hatten sie ihn nie berühren können. Er war einfach zu weit weg gewesen. Jetzt jedoch, da er einem Menschen nahe gewesen war, war er ihnen allen wieder näher gekommen. Er schwebte nicht länger hoch über ihnen, sondern bewegte sich zwischen ihnen. Er war nicht mehr allein, so gern er es auch wieder sein wollte.

Doch er wollte es ja gar nicht mehr. Er hatte in diesen kurzen Momenten, in denen er Rei gestern berührt hatte, bemerkt, was ihm all die Jahre über gefehlt hatte, obwohl er doch schon so lange mit den Bladebreakers zusammen war. Einfach die Berührung hatte ihm gefehlt. Nie hatte er zugelassen, dass sie ihn anfassten. Passierte es einmal aus Versehen, stieß er sie gleich heftig weg und bald hüteten sie sich ihm zu nahe zu kommen. Ihm war bis gestern nicht aufgefallen, wie sehr ihm die einfache Berührung fehlte. Und als er es einmal zugelassen hatte, konnte er gar nicht genug davon bekommen. Er wollte berührt werden. Er wollte, dass Rei ihn berührte. Jetzt. Sofort.

Wieder war er so schrecklich egoistisch. Das, was Rei an Egoismus fehlte, besaß Kai doppelt und dreifach. Er musste jetzt an Rei denken, nicht an seine lächerlichen Bedürfnisse. Er würde es nicht ertragen, wenn er jetzt zu ihm ging, nur um ihn im nächsten Moment doch wieder fortzuschicken, weil er es sich wieder einmal anders überlegt hätte. Er musste jetzt in Ruhe über das alles noch einmal nachdenken. Er könnte ja auch noch zu Mittag etwas essen. Das würde reichen. Er war schon weit länger ohne Nahrung ausgekommen. Nun musste er nur zurück in sein Zimmer...

Tja, das war wohl nichts. Er hatte keinen Schlüssel. Ihm fiel wieder ein, dass der Hoteldirektor ihnen gestern Abend das Zimmer aufgeschlossen hatte und dann so blitzschnell verschwunden war, dass Kai ihn nicht mehr nach einem neuen Schlüssel hatte fragen können, wobei er wahrscheinlich auch gar nicht daran gedacht hätte. Viel zu sehr war er zu diesem Zeitpunkt mit Rei beschäftigt gewesen. Aber er konnte doch nicht bis zum Mittagessen einfach vor seiner Tür sitzen bleiben. Diese Etage war zwar allein für die Bladebreakers reserviert, sodass ihn kein Fremder so hilflos würde sehen können, doch erhöhte sich somit auch die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Bladebreakers, einschließlich Rei, den Korridor entlangkam. Kai wollte ihm doch zumindest aufrecht und aus eigener Entscheidung entgegentreten.

Also bewegte er sich trotz Muskelkater und sonstiger Schmerzen erneut in Richtung Aufzug und drückte auf den kleinen Knopf. Wieder lehnte er an der Wand gegenüber der Tür, versuchte sich nun aber krampfhaft vom Nachdenken abzuhalten, da ihn dieses sonst davon abhalten würde irgendetwas zu tun. Wieder öffneten sich die Türen und schnell humpelte er hindurch, bevor er Gefahr lief, es sich noch mal zu überlegen und schon setzte sich der Aufzug in Bewegung.

Kai hatte eigentlich immer gefunden, dass Aufzüge recht langsam waren und man genauso gut die Treppen benutzen konnte, sofern man nicht auf Krücken ging, doch dieser Aufzug schien annähernd mit Lichtgeschwindigkeit zu fahren. Kaum hatte er für einen kurzen Moment die Augen geschlossen, um seine Gedanken zu ordnen, öffneten sich die Türen auch schon wieder und er stand vor einer Horde neu eingetroffener Gäste in der Eingangshalle, die mit dem Aufzug in ihre Zimmer fahren wollten.

Wie gesagt: Er hatte nie Angst vor ihnen gehabt, einfach weil er ihnen nie nah genug gewesen war, als dass sie ihm hätten schaden können, aber das hatte sich geändert und somit auch seine Einstellung zu ihnen. Er hatte Angst. Sie sollten bloß von ihm wegbleiben, ihn aus dem Aufzug gehen lassen, sich selbst hineindrängen und schnellstens verschwinden. Er konnte ihre Anwesenheit einfach nicht ertragen. Er war so lang allein gewesen. So allein, dass er selbst unter Menschen allein geblieben war, auch, wenn sie mit ihm redeten oder es gar wagten, ihn anzufassen. Er war so allein gewesen, dass er sich vollkommen an die Stille um sich herum gewöhnt hatte, ohne es recht selbst zu bemerkt zu haben.

Gestern allerdings hatte sich dies geändert. Es war noch immer still gewesen und doch hatte er die Anwesenheit eines anderen Menschen spüren können. Rei war bei ihm gewesen und das hatte ihn den Menschen wieder näher gebracht, ohne dass er es zu diesem Zeitpunkt wahrgenommen hätte. In der Nacht war er wieder vollkommen allein gewesen und die Stille hatte sich erneut über ihn gelegt und doch war sie nicht in sein Inneres vorgedrungen. Sie erfüllte ihn nicht mehr, sodass er nun auch wieder die anderen Menschen und die Geräusche, die sie erzeugten, wahrnahm. Sie waren so schrecklich laut. Wie ein Mensch, der sein Leben lang taub gewesen war, erschien ihm alles so laut, dass er es gar nicht voneinander unterscheiden konnte. Nur Lärm, den er nicht ertragen konnte. Er musste weg von ihnen.

Einen einzelnen Menschen konnte er bei sich haben. Ein einzelner Mensch machte nicht so viel Lärm und kam ihm auch nicht näher, als er ihn bei sich haben wollte. Mit einem einzelnen Menschen kam er klar. Mit Rei kam er klar. Mit Rei konnte er allein zusammen sein, ohne dass ihm allein von der Anwesenheit dieses Menschen in seiner Nähe übel wurde. Nein, das war es nicht einmal mehr. Er wollte Rei in seiner Nähe haben. Er akzeptierte seine Nähe nicht, er brauchte sie. Er fühlte sich, als würde ihm ohne Reis Nähe allmählich übel, denn er wusste nicht, wie es ihm ging. Er hatte Angst, dass es Rei fürchterlich ging, nachdem, was er ihm angetan hatte. Er wollte, dass Rei bei ihm war, genauso wie er Rei bei sich haben wollte. Er wollte ihm helfen. Rei war der Erste, dem er jemals hatte helfen wollen; der Erste, um den er sich jemals gesorgt hatte; der Erste, bei dem er sein wollte. Er wollte.

Also ging er los. Mitten durch die Eingangshalle, ohne auf die nebensächlichen Menschen und ihren Lärm zu achten. Er war zu beschäftigt. Wieder nur mit diesem einen Gedanken: Rei. Er wollte zu Rei. Er wollte zu Rei. Er wollte Rei.

Rei saß am Tisch.
 

Version II
 

Langsam humpelte er den Gang bis zum Aufzug entlang. Er dachte nach. Er musste noch nachdenken. Er hätte das Zimmer noch nicht verlassen sollen. Er war sich doch noch nicht sicher. Er konnte doch jetzt nicht einfach zu Rei gehen, sagen "Hey, ich hab's mir anders überlegt" und erwarten, dass Rei das so einfach hinnahm. Er konnte doch so nicht zu ihm gehen. Nicht, wo er so viele Zweifel hatte, obwohl die Tür doch gerade erst ins Schloss gefallen war.

Aber genau das war der Punkt: Die Tür war zugefallen. Er konnte nicht mehr zurück. Und in diesem Fall war das nicht einmal nur eine Redewendung, weil er eigentlich auch gar nicht mehr wollte. Er konnte tatsächlich nicht. Erst als die Tür schon längst zu war, fiel es ihm ein: Er hatte keinen Schlüssel. Der Direktor hatte ihm gestern keinen dagelassen, wo er doch so eiligst verschwunden war, obwohl Kai immer noch nicht verstand, warum.

Aber ganz davon abgesehen, dass es unmöglich war, wollte er, wenn er wirklich darüber nachdachte, auch gar nicht zurück. Er konnte es sich gar nicht erlauben. Er konnte sich doch nicht vor den anderen Bladebreakers verkriechen. Das würden selbst die merken. Er hatte sich nicht oft mit ihnen blicken lassen, aber zumindest einmal am Tag war er eine Zeit lang bei ihnen gewesen, und wenn es nur war, um sie zum Training zu zwingen. Er konnte sich nicht erlauben heute auszusetzen. Zuallererst weil Takao noch eine derbe Abreibung zu erwarten hatte und Kai ihm diese nicht vorenthalten wollte, und außerdem weil die Anderen dann vielleicht denken könnten, er verstecke sich vor ihnen, weil er seine Schmerzen nicht verstecken könnte. Er war kein Schwächling. Er könnte ihnen, selbst wenn er vor Schmerz beinah ohnmächtig würde, immer noch vorspielen es ginge ihm prächtig.

Und das würde er jetzt auch tun. Er humpelte bis zum Aufzug und drückte auf einen der kleinen Knöpfe. Er würde einfach hinunterfahren, in den Speisesaal marschieren - so gut man eben mit Krücken marschieren konnte -, würde sich zu ihnen setzen, etwas essen und sie dann zum Training schicken. Und sollte irgendwer von ihnen einen Kommentar zu seinem Verhalten, seinem Aussehen oder seiner Verletzung machen, würde dieser jemand so lange von ihm gehetzt um das Hotel rennen, bis er vor Sauerstoff-, Nahrungs- oder sonstigen Mangelerscheinungen tot umfiel.

Er würde sich so verhalten, wie sie es von ihm erwarteten. Er würde für seine Verhältnisse 'normal' sein. So, als sei gestern nichts geschehen. Nichts Außergewöhnliches, das sein ganzes Denken verändert hatte. Nichts so großartiges, dass er bei dem Gedanken daran noch immer dieses Gefühl in seinem Bauch spürte. Nichts, das ihn berührt hätte. Es hatte ihn nicht berührt, denn es war nie geschehen. Er hatte sich verletzt und sonst war nichts geschehen. Nichts...

Gerade als er das dachte öffneten sich die Türen des Aufzugs und gaben den Blick auf den Spiegel im Innern frei. Kai konnte sich selbst nicht ansehen. Er belog nicht nur sich selbst. Er belog die ganze Welt. Und er belog Rei. Er verleugnete ihn. Er war enttäuscht von sich selbst, dass er fähig war, den einzigen Menschen, dem er etwas bedeutete und der ihm etwas bedeutete, so zu enttäuschen. Wie sollte er ihm denn so unter die Augen treten, wenn er sich nicht einmal selbst im Spiegel ansehen konnte? Wie sollte er da ihn ansehen?

Doch er konnte jetzt keinen Rückzieher machen! Es war ein Dilemma: Die eine Möglichkeit war genauso schlimm, wie die andere. Weder konnte er einfach so auf seinem Zimmer bleiben, weil er etwas essen musste; weil er sich nicht verstecken wollte; und weil er auch gar nicht zurückkonnte; noch konnte er einfach so hinuntergehen, weil er Rei nicht noch weiter wehtun wollte; weil er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte; und weil er fürchtete die Anderen würden bemerken, dass sich in ihm etwas verändert hatte.

Frustriert betrat er dennoch den Aufzug, eben weil er nicht mehr zurück konnte und hob die Faust um den Spiegel zu zerschlagen. Doch dazu musste er wieder aufsehen, und was er sah machte ihm Angst. Er bekam Angst vor seinem eigenen Anblick, wie er da mit erhobener Faust und leeren Augen allein in dem kleinen Raum stand. Seine Einsamkeit wurde ihm so unendlich bewusst. Er konnte diese Einsamkeit nicht mehr ertragen. Er war so lang allein gewesen und hatte es als völlig normal empfunden, doch gestern hatte er nur für einen kurzen Moment und doch überdeutlich gespürt, wie es sich anfühlte nicht allein zu sein. Er hatte Blut geleckt. Er wollte nicht mehr allein sein, doch hatte ihn das Gefühl gestern so sehr überwältigt, dass er nicht in der Lage gewesen war, es zu akzeptieren. Er hatte Rei fortgeschickt. Er hatte ihm wehgetan, weil er mit sich selbst nicht klargekommen war. Nur wegen ihm war Rei verletzt worden. Das hatte er doch nicht gewollt...

Er wusste, dass auch Rei Schmerzen ertragen konnte, ohne wie Takao jedem, der ihm zu nahe kam, sein unendliches Leid zu klagen. Rei hatte sich sogar immer um die Anderen gekümmert, selbst wenn es ihm auch nicht gut gegangen war. Und doch hatte es ihn jedes Mal berührt, wenn er jemanden hatte leiden sehen. Er selbst hatte fast mehr gelitten, als der Verletzte. So war es auch gestern gewesen. Kais Verletzung hatte Rei fast mehr wehgetan, als ihm selbst. Das bedeutete, dass Rei sich für andere selbst vernachlässigte; dass er alles tat, damit andere glücklich waren, was aber nicht bedeutete, dass er selbst glücklich war. Auch das war gestern geschehen, als Rei gegangen war. Er war gegangen, weil er glaubte, Kai würde dann glücklicher sein.

Noch immer stand er unbeweglich in dem Aufzug, dessen Türen sich nun langsam schlossen und starrte sein eigenes Spiegelbild an. Der Aufzug begann hinunter zu fahren. Jemand musste ihn gerufen haben, denn Kai hatte noch nicht auf den Knopf fürs Erdgeschoss gedrückt. Er hatte noch nicht den Mut gefunden. Doch er würde nun nicht mehr zurückgehen. Ihm war bewusst geworden, was er wollte und wie sehr er es wollte. Er wollte, dass Rei glücklich war. Rei hatte für Kais Glück sein eigenes aufgegeben, doch das würde Kai nicht zulassen. Er wollte, dass Rei glücklich war und er wusste, dass er ihn glücklich machen würde, wenn er bei ihm war. Er hoffte es. Er musste hinunterfahren und es zumindest versuchen. Er würde aus dem Aufzug steigen und zum Speisesaal gehen. Und wenn er in sich selbst den Mut fand diesen auch zu betreten, dann würde sich schon alles irgendwie ergeben. Das Einzige, was er nun nicht tun durfte, war wegbleiben. Er musste zu Rei; musste ihm zeigen, dass es ihm Leid tat. Er wollte ihn trösten, auch wenn er selbst der Grund für seine Traurigkeit war.

Aber wieso dachte er überhaupt, dass Rei traurig sein würde? Vielleicht war Rei schon über ihn hinweg. Vielleicht hatte das Ganze Rei gar nicht so mitgenommen, wie Kai gedacht hatte. Er hatte ihn ja nicht weinen sehen. Er dachte, ihn gehört zu haben, aber das musste ja nicht stimmen. Vielleicht hatte er sich das alles nur eingebildet, weil er es sich gewünscht hatte. Vielleicht hatte er sich schlichtweg gewünscht, dass Rei weinte, weil er wollte, dass er weinte, weil ihm das zeigte, dass er Rei wichtig war. Er wollte so gern einem Menschen wichtig sein. Er wollte so gern, dass ein Mensch ihm wichtig war. Und Rei war dieser Mensch. Er musste jetzt zu ihm, selbst wenn er ihn nicht eines Blickes würdigen würde.

Er wollte bei ihm sein. Er wollte.

Er war so schrecklich egoistisch. Wieso dachte er, trotzdem er jetzt endlich jemanden gefunden hatte, der ihm mehr bedeutete, als er sich selbst wert war, immer noch nur an sich? Er hatte einfach vorausgesetzt, dass Rei auch bei ihm sein wollte, weil er selbst es so wollte. Er hatte ihn gestern weggeschickt, weil er dachte, dass es ihm selbst dann besser ging. Er kannte Rei. Er hatte gewusst, dass er tun würde, was er ihm sagte, selbst wenn es ihn verletzte. Er hatte es gewusst. Und es eiskalt ausgenutzt. Er hatte Rei absichtlich verletzt. Aus purem Egoismus, damit es ihm selbst besser ging. Wie sollte er ihm jetzt unter die Augen treten?

Er hatte keine Sekunde daran gedacht, was Rei eigentlich wollte. Er hatte nur nach seinem eigenen Willen gehandelt. Und auch jetzt, wo er ihn nicht mehr von sich stoßen, sondern bei sich haben wollte, dachte er nur an sich. Dabei wollte er doch viel mehr, dass es Rei gut ging, als dass er sich um sein eigenes Wohl sorgte. Aber was würde geschehen, wenn er Rei wieder bei sich hatte, einmal vorausgesetzt dieser wollte das noch? Er würde ihm fast zwangsläufig wieder wehtun. Vielleicht befand sich Kai im Moment auch bloß in einer Phase, in der er Nähe brauchte und anders als in all den früheren Phasen dieser Art, hatte er sie diesmal auch bekommen. Vielleicht hätte er bald genug davon und würde Rei wieder von sich stoßen. Konnte er das riskieren? Nicht um seinetwillen, sondern wegen Rei. Er wollte nicht mehr egoistisch sein. Er wollte nur noch an Rei denken. Er wollte ihm nie mehr wieder wehtun. Nie mehr.

Und doch hatte er es in vollem Bewusstsein absichtlich getan, nur damit Rei reagierte, wie er es von ihm wollte, indem er ging. Und er hatte ihn verletzt. Rei hatte geweint. Das hatte er sich nicht eingebildet.

Was sollte er nur tun? Was konnte er tun? Was konnte er für Rei tun? Er kannte ihn zwar ein wenig, aber lang nicht genug, um sagen zu können, was Rei nun wollte. Wollte er, trotz allem, dass Kai weiterhin in seiner Nähe war? Oder wollte er viel lieber allein gelassen werden und Kai in seinem Leben nicht mehr wieder sehen?

Kai wusste es nicht. Zum ersten Mal seit Tagen wusste er einmal, was er selbst wollte, doch brachte ihm das rein gar nichts, wenn er nicht wusste was Rei wollte. Er wollte zu Rei. Es kam ihm vor, als sei er seit Monaten von ihm getrennt; als hätte er ihn seit Jahren nicht berühren dürfen. Er hatte seit Jahren niemanden berührt - gestern ausgenommen. Und er sehnte sich so sehr nach dieser Berührung. Nach seiner Berührung. Er sehnte sich nach Rei.

Und je näher der Aufzug dem Erdgeschoss kam, desto stärker wurde diese Sehnsucht. Die Türen öffneten sich, doch Kai bemerkte die Menschen, die ungeduldig warteten, bis er ausgestiegen war, gar nicht recht. Er sah nur eines überdeutlich vor sich: Rei. Er hielt es nicht mehr aus. Er musste zu ihm. Er wusste noch immer nicht, was er tun sollte, wenn er dann vor ihm stand, aber das würde sich ergeben. Er wollte einfach zu ihm. Er wollte bei ihm sein. Er wollte wissen, wie es ihm ging. Er hatte sich nun so viele verschiedene Versionen ausgemalt und jetzt wollte er endlich die Wahrheit sehen. Er wollte ihn sehen. Er wollte. Sicher war das egoistisch, aber er wollte es doch auch für Rei. Er wollte ihn nicht nur seinetwegen sehen. Er wollte sehen, wie es ihm ging und schauen, ob er ihm nicht vielleicht irgendwie helfen konnte. Er wollte ihn trösten oder eben der sein, an dem Rei sich abreagieren konnte, wenn er sauer war. Er wollte doch nur bei ihm sein, damit er bei ihm war. Er wollte.

Also ging er los. Mitten durch die Eingangshalle, ohne die neugierigen Blicke der Gäste und des Personals zu bemerken. Er war zu beschäftigt. Er musste sich darauf konzentrieren, was er wollte, denn sonst vergaß er es wieder und bekäme Zweifel, ob er das, was er vorhatte, auch wirklich tun sollte. Er wollte zu Rei. Er wollte zu Rei. Er wollte Rei.

Rei saß am Tisch.
 

Rei saß am Tisch. Er war mit den anderen Bladebreakers frühstücken gegangen, als Max ihn vorsichtig gefragt hatte. Der war erst am Morgen wieder in ihr Zimmer gekommen. Er meinte, er sei irgendwann bei Takao eingeschlafen, aber Rei glaubte eher, dass er ihn nicht hatte stören wollen. Max hatte gemerkt, dass es Rei nicht gut gegangen war. Er war absichtlich die Nacht über bei Kyôjyu und Takao geblieben, damit Rei allein sein konnte. Und das hatte er auch gebraucht. Er hätte weder Max mit seiner eklig guten Laune, noch Takao mit seinem ewigen Gefrage ertragen können. Doch heut Morgen, als Max ganz leise das Zimmer wieder betreten hatte und Rei dennoch sofort aufgewacht war, hatte er nicht mehr mit seinen Tränen allein sein wollen.

Er hatte Stunden geweint. Bis er irgendwann eingeschlafen war und er fühlte sich noch immer elend. Nicht - zumindest nicht nur - wegen des Schlafmangels, sondern sehr viel mehr, wegen dem, was gestern geschehen war. Er konnte es einfach nicht vergessen, so sehr er es auch versuchte. Er wollte es ja vergessen, verdrängen, weil er ja doch nie darüber würde sprechen können. Er durfte es den Anderen auf keinen Fall auch nur ansatzweise erzählen. Nichts von dem, was gestern geschehen war. Denn es war nichts geschehen. Nichts war geschehen, das ihn so glücklich machte, eben weil es geschehen war und doch gleichzeitig so traurig, weil es nie wieder geschehen würde. Er durfte nicht darüber sprechen und auch nicht darüber nachdenken, zumindest nicht für die erste Zeit, in der ihm die Situation noch so nah war, dass er allein bei dem Gedanken an Kai noch dessen sanfte Berührungen auf seiner Haut spürte. Wenn er etwas Abstand dazu gewonnen hatte, konnte er sich vielleicht schwärmerisch daran erinnern, dass dieses Erlebnis wohl das Schönste seines bisherigen Lebens gewesen war. Vielleicht würde er sich bald auch gar nicht mehr erinnern wollen, weil Kai ihn einfach nicht mehr so sehr anziehen würde oder weil vielleicht jemand anderes seinen Platz einnehmen würde. Vielleicht wäre Rei dann mit diesem jemand glücklich. Jemandem, der ihn nicht wieder von sich stieß und der seine eigenen Gefühle auch erkennen und zeigen konnte. Jemand, den Rei lieben konnte, wie er zur Zeit Kai liebte...

Wohl kaum. Er konnte niemanden so lieben, wie er Kai liebte. Allein die Vorstellung war absurd. Allein der Gedanke daran kam ihm wie Verrat an seinen Gefühlen und Verrat an Kai vor. Er wollte gar niemand anderen lieben. Er wollte Kai lieben. Doch das durfte er nicht. Er durfte nicht und es zerriss ihm das Herz. Aber er durfte ja nicht nur an sich denken. Kai war wichtig und der wollte es nicht. Vielleicht, nur ganz eventuell wollte es ein winziger Teil von ihm tief versteckt in seiner Seele. Aber wer wusste schon, was Kai wollte. Falls es diesen Teil gab, würde er sowieso garantiert niemals überhand gewinnen und Kai dazu treiben Rei auf diese Weise bei sich haben zu wollen. Die einzige Hoffnung, die Rei blieb, war, dass es diesen winzigen Teil in Kai gab, der sich ebenso nach ihm sehnte, wie sich Reis ganze Seele nach Kai sehnte. An diese kleine Hoffnung musste er sich klammern, wenn er nicht an der Sehnsucht zu Grunde gehen wollte, denn sie schloss die Möglichkeit, dass eventuell die Chance bestand, dass Kai vielleicht doch etwas für ihn empfand, zumindest nicht gänzlich aus.

Er durfte ihm nur nie wieder so nahe kommen. Er durfte mit niemandem darüber sprechen. Er durfte sich nicht anders verhalten, als er es sonst gegenüber Kai getan hatte. Das Einzige, das er durfte, war ihn still zu beobachten und zu warten, dass vielleicht irgendwann er zu ihm kam. Er konnte nichts tun, als warten. Er durfte nichts tun. Nichts, das in irgendeiner Weise mit Kai zu tun hatte, außer eventuell trainieren, denn darum würde er wohl nicht herumkommen. Kai war es schon öfter schlecht gegangen, er war schon oft verletzt gewesen und doch hatte er es jedes Mal fertig gebracht, seine Teamkameraden mindestens genauso sehr herumzuscheuchen, als wäre er in bester Form. Er selbst hatte immer mittrainiert, selbst wenn er vermutlich danach ohnmächtig in sein Bett gefallen war. Er hatte nie zugelassen, dass sein Leid den anderen schadete, indem es sie von irgendetwas abhielt.

Im Grunde hatte er sich anscheinend sehr viel mehr Gedanken um sie gemacht, als Rei jemals gedacht hatte. Er hatte nicht gedacht, dass Kai sie vollkommen ignorieren würde oder sie schlichtweg nicht wahrnahm, doch war er der Meinung gewesen, dass Kai immer auf einer anderen Ebene gegangen war, in seiner eigenen kleinen Welt, in der sie nur am Rande vorkamen, sodass er sie zwar wahrnahm, sich aber keine großen Gedanken um sie machte. Er hatte gedacht Kai sei so, wie er sich immer gezeigt hatte: desinteressiert, arrogant, gefühllos. Doch das war er nicht. Er hatte ebensolche Gefühle, wie jeder Normalsterbliche, nur dass Kai einfach nie gelernt hatte, diese auch zuzulassen. Er hatte sich hinter seiner Arroganz und dem gespielten Desinteresse versteckt und so alle hinters Licht geführt. So waren sie ihm nie zu nahe gekommen.

Nur gestern war Rei ihm nahe gekommen. Zu nahe, anscheinend. Es hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Rei konnte seine Reaktion ja sogar verstehen und doch zerbrach ihm allein die Erinnerung daran erneut das Herz. Er saß gegenüber von Max am Frühstückstisch und musste schwer schlucken, um sich zumindest ein wenig unter Kontrolle zu halten. Er hatte morgens eigentlich nie besonders gute Laune, doch hatte er den Anderen nie etwas davon gezeigt. Er war ruhig geblieben bis er richtig wach war und hatte sich dann eben so verhalten, wie er sich immer verhielt. Auch heute Morgen war er ruhig, aber anscheinend etwas zu ruhig, denn schon bald erkundigte sich Max, ob es ihm denn auch gut ginge. Takao blickte bei dieser Frage tatsächlich von seinem voll gepackten Teller auf und Kyôjyu ließ sogar einen Moment die Augen von seinem Laptop. Wahrscheinlich hatten sie sich gestern noch lang über sein komisches Verhalten unterhalten. Sie mussten sich einiges zusammengereimt haben, aber den wahren Grund würden sie wohl nicht gekommen sein. Weder konnten sie ihn erraten, noch würde Rei oder gar Kai ihn jemals aussprechen.

Rei musste einfach so tun, als sei er in seiner normalen Schlechte-Laune-am-Morgen-Phase, die er ja auch sonst immer vor ihnen versteckte und sagen ihm ginge es gut, er sei nur noch etwas müde. Er wollte den Mund öffnen, doch seine Lippen bewegten sich einfach nicht. Er wollte sprechen, doch sein Hals kam ihm plötzlich ganz geschwollen vor, sodass er seine Stimme nicht gebrauchen konnte. Er wollte seine Freunde nicht belügen, doch er wollte noch weniger, dass sie den wahren Grund erfuhren. Er wollte nicht, dass sie sich Sorgen machten, doch noch weniger wollte er Kai verletzen. Er würde nichts tun, was Kai in irgendeiner Weise schadete. Er würde nichts sagen. Er würde seine Gefühle nicht zeigen. Er würde sie erkennen und wenn er allein war, würde er sie zulassen, doch er würde sie nie in Gegenwart der Anderen zeigen, schon gar nicht in Kais Gegenwart. Er würde Kai nicht weiter belasten. Er würde ihn in Ruhe lassen, solang er es wollte, doch er würde in seiner Nähe bleiben. Nicht so sehr für ihn, sondern leider mehr für sich selbst. Er wollte nicht von ihm weg. Er wollte bei ihm sein, selbst wenn es nie wieder so nah sein würde. Er wollte nicht fort von ihm. Er war egoistisch, doch er konnte nichts dagegen tun. Er wollte es einfach nicht. Er wollte bei ihm sein, so oft und so nah es eben ging. Er wollte.

Er durfte es nur nicht zeigen. Es kam ihm vor, als würde er Kai immer besser verstehen. Vielleicht hatte er auch all die Jahre so gedacht. Er wollte bei ihnen sein, doch hatte gedacht er dürfe nicht. So war er allein geblieben und nur ab und zu bei ihnen gewesen, so nah er dachte es sich erlauben zu können. Wenn er allein gewesen war, hatte er vielleicht seine Gefühle offener gezeigt, doch hatten sie das niemals gesehen. Vielleicht hatten sie ihn all die Jahre gar nicht gekannt.

Diese Erkenntnis machte Rei traurig und schon wieder war er den Tränen nahe, weil ihm einfach die ganze Situation zu viel wurde. Doch er durfte nicht zeigen, was er empfand. Er musste dafür sorgen, dass sich Takao, Max und Kyôjyu keine Sorgen machten und er musste dafür sorgen, dass es Kai gut ging, soweit er eben dafür sorgen konnte, wenn er sich nicht einmal in der Lage fühlte ihn in diesem Moment anzusehen. Er musste dafür sorgen, dass es den Anderen gut ging, selbst wenn er sich gerade miserabel fühlte. Er wollte, dass es ihnen allen gut ging. Wie es ihm dabei ging war nebensächlich. Er musste seine Emotionen jetzt verstecken. Er hatte das doch auch schon öfter gemacht. Er war niemals offen ihnen gegenüber wütend geworden. Er würde sich einfach einreden, dass er sehr wütend war, dass er seine Wut aber nicht herauslassen durfte, da er sonst die Falschen traf. Er würde ganz einfach so tun, als ginge es ihm gut.

"Ach, ich bin nur müde. War anstrengend gestern."

Das klang nun nicht sehr überzeugend und bis auf Takao, der sich zufrieden wieder seiner Mahlzeit zuwendete, waren etwas ungläubig schauende Augen auf ihn gerichtet. Da Rei aber nicht bereit und auch nicht in der Lage war noch mehr dazu zu sagen, widmete sich Kyôjyu bald wieder seinem Computer, während Max ihn noch etwas länger misstrauisch beobachtete, wie er in seinen Cornflakes herumstocherte.

Schon wieder saß ihm ein riesiger Kloß im Hals. Er hatte nicht weiterreden können. Er wollte doch nicht lügen. Aber er wollte doch auch nicht, dass sie sich sorgten. Und er wollte doch Kai auch nicht wehtun. Die beiden letzteren Gründe überwogen einfach. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Es bestimmte seit jeher sein Verhalten, dass er Anderen nicht zur Last fallen wollte. Und der Gedanke an Kai bestimmte ebenfalls schon sehr lang sein Verhalten. Kai war ihm einfach wichtiger als alles andere. Nichts würde ihn dazu bringen ihm zu schaden. Rein gar nichts.

Außer eines: Kai selbst, der gerade auf Krücken den Speisesaal betrat und sich hektisch umsah. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen war Reis Blick gebannt auf ihn gerichtet, während die Anderen ihn noch nicht bemerkt hatten und auch Kai sich noch suchend umschaute, bis sich ihre Blicke trafen. Rei sah Kai an, nicht mehr erschreckt, sondern vielmehr überrascht, denn er kam ihm nicht so vor, wie er ihn erwartet hatte und Kai sah Rei an, eben genau so, wie er eigentlich noch nie geguckt hatte. Für einen kurzen Moment vergaß Rei all seine Sorgen, aber auch all seine Vorsätze. Er konnte Kai einfach nur anstarren. Wie lang hatte er davon geträumt, dass Kai ihn einmal so ansah. So als sei er lang auf der Suche nach etwas gewesen und hätte es nun in Rei gefunden. So als sei er gekommen, allein um ihn zu sehen. So als sei er erleichtert endlich bei ihm angekommen zu sein.

Und das war er. Er hatte so lang darüber nachgedacht, was er tun würde, wenn er Rei nun gegenüberstand, doch in dem Moment, in dem er ihn endlich gefunden hatte, waren alle Gedanken aus seinem Kopf gefegt und seine Muskeln bewegten sich von ganz allein immer schneller auf ihn zu. Er wollte nur endlich bei ihm sein. Und kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, stand er auch schon am Kopfende des Tisches, den Blick noch immer nur auf Rei gerichtet und noch immer mit diesem Ausdruck in den Augen, den er, selbst wenn er gewollt hätte, nicht unterdrücken konnte. Er war so glücklich endlich bei ihm zu sein, zu sehen, dass es ihm gut ging, sofern er das von Außen beurteilen konnte. Doch nicht einmal dieser Blick, sondern schon allein seine Anwesenheit, schien die anderen Bladebreakers und wohl auch Rei dermaßen zu irritieren, dass sie den Mund nicht aufbekamen. Nicht einmal Max, der ihm sonst wirklich immer eine freundliche Begrüßung um die Ohren warf. Und noch nicht einmal Takao, obwohl die Stäbchen nur noch Zentimeter von seinem Mund entfernt war.

"Morgen", meinte er knapp und ließ sich dann auf dem freien Stuhl neben Rei nieder. Takao guckte immer noch, wie ein Auto und verlor dabei einen Großteil des auf seinen Stäbchen gestapelten Eies. Max hatte es nun geschafft seinen Mund zu öffnen, allerdings kam weder eine Begrüßung noch eine Frage heraus, noch kriegte er ihn so schnell wieder zu.

Und auch Reis Blick war eine Mischung aus Schrecken, fast freudiger Überraschung und so etwas wie Angst. Vielleicht wusste auch er nicht recht, wie er Kai jetzt gegenübertreten sollte. Es war einfach zu viel geschehen. Viel mehr, als dass es je wieder normal zwischen ihnen werden konnte. Keiner von beiden war in der Lage sich so zu verhalten, wie sie es sonst getan hatten. Kai wollte es nicht einmal mehr so haben. Er wollte Rei kennen lernen, denn trotzdem er ihn schon so lang in seiner Nähe hatte, hatte er ihn nie richtig kennen gelernt, genauso wenig, wie die anderen, einschließlich Rei, ihn kennen gelernt hatten. Doch jetzt wollte er, dass Rei ihn kennen lernte und dass er Rei kennen lernte. Nur überkamen ihn, kaum dass er sich neben ihn gesetzt hatte, schon wieder Zweifel: Wollte Rei das überhaupt? Konnte er Rei das überhaupt zumuten? Konnte er sich selbst überhaupt so radikal ändern und sich Rei gegenüber so öffnen? Und wenn, wie sollte er das überhaupt anstellen? Sollte er einfach hingehen und sagen: "Rei, komm, erzähl mir was über dich!" oder "Rei, komm, ich erzähl dir was über mich!", so als ob das ganze ein Kennenlernspiel aus dem Kindergarten war? Name, Alter, Hobbies? Die sollte Rei außerdem doch kennen. Kai Hiwatari, fast 17, Beybladen.

Das war eine dämliche Idee. Er musste erst einmal dieses Frühstück überstehen, bevor er sich Gedanken machen konnte, was er machen würde, wenn er mal mit Rei allein war, denn die angespannte Stimmung an diesem Tisch war deutlich genug zu spüren und außerdem, würde Kai mit Sicherheit nicht vor den Anderen mit Rei so sprechen. Er stellte sich vor, was sie sagen würden, wenn er sich hier und jetzt bei Rei entschuldigte, wenn seine Entschuldigung gestern doch schon Rei völlig aus der Spur geworfen hatte und die anderen Bladebreakers schon durch seine Anwesenheit beim Frühstück und noch mehr durch die Tatsache, dass er tatsächlich auch frühstückte nur noch fassungslos vor sich hinstarrten. Bei dem Gedanken musste er grinsen. Kein gehässiges oder fieses Grinsen. Viel mehr ein Lächeln, das zeigte, dass er an etwas sehr Lustiges dachte.

Und Takao klappte der Kiefer runter, sodass die Hälfte seines halb zerkauten Mundinhaltes wieder in der Schüssel landete. Rei und Max hatten es während Kais Gedankengängen geschafft ihre Blicke von ihm zu wenden, doch als sie den Reis wieder in die Schüssel fallen hörten, sahen sie kurz zu Takao, folgten seinem Blick zu Kai und starrten ihn dann ebenso entgeistert an.

Rei konnte es nicht fassen. Er hatte Kai ja gestern schon ein paar Mal lächeln sehen, aber dieses hier war irgendwie anders. So offen fröhlich, als fände er irgendetwas furchtbar witzig und könnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Klar, sie mussten alle ziemlich bekloppt ausgesehen haben, aber Kai würde doch nie so offen grinsen. Kai, die Gefühllosigkeit in Person. Kai, der bis gestern nicht ein einziges Mal wirklich gelächelt hatte. Wie konnte er ihm das hier und jetzt nur antun. Er war doch so schon verwirrt genug. So, wie Kai jetzt gerade lächelte, konnte Rei sich kaum davon abhalten ihn in einer wilden Umarmung mit sich vom Stuhl zu reißen. Er musste den Blick abwenden. Er musste sich auf seine Cornflakes konzentrieren. Er musste an irgendetwas anderes denken. Zum Beispiel an das, was sie heut noch vorhatten. Was hatten sie denn noch mal vor? Oh, ja: Nichts. Heut war ihr freier Tag. Verdammt! Das hieß, dass sie wohl trainieren würden. Aber Kai konnte doch noch nicht trainieren. Er sah nicht gerade fit aus. Nicht nur wegen der Krücken, sondern allgemein. Er war ganz blaß und doch waren seine Wangen leicht gerötet. Er frühstückte, doch er kam Rei dabei irgendwie kraftlos vor. Er bewegte sich ganz langsam, verzog bei bestimmten Bewegungen leicht die Mundwinkel und lehnte sich immer wieder erschöpft an die Stuhllehne, während er einen Bissen von seinem Brötchen kaute.

Schon wieder war er mit seinen Gedanken nur bei Kai. Er hatte ihn bestimmt wieder angestarrt. Schnell wandte er den Blick ab und blickte wieder in seine Schüssel, in der sich die Cornflakes langsam in der Milch auflösten. Er spürte, wie ihn jemand beobachtete. Er hatte sich wohl doch etwas sehr abrupt weggedreht. Er musste Kai mit seinem Verhalten ziemlich verwirren, noch mehr, als er es wahrscheinlich schon war. Der wusste nämlich bestimmt erst recht nicht, wie er sich nun verhalten sollte. Wie auch? Vermutlich war er noch nie jemandem so nah gewesen und hatte sich noch nie so sehr mit seinen eigenen Gefühlen auseinandersetzen müssen, denn in dem einen war Rei sich nun sicher. Kai hatte etwas gefühlt, als sie beide beieinander gewesen waren. Und als er sich dessen bewusste geworden war, hatte er Rei fortgeschickt, weil er sich zuerst mit seinen eigenen Gefühlen hatte auseinandersetzen müssen, bevor er in irgendeiner Weise auf Rei eingehen konnte. Deshalb beobachtete er ihn wohl jetzt, damit er nachdenken konnte.

Rei sollte ihn in Ruhe lassen, damit er das auch tun konnte, doch wieder einmal siegte seine Neugier und er drehte leicht den Kopf, um einen Blick auf Kai werfen zu können, der sein Brötchen bereits gegessen hatte und nun kraftlos auf dem Stuhl saß. Doch er sah ihn gar nicht an! Er war es nicht, der ihn beobachtete. Er starrte nur geradeaus und schien leicht abwesend. Er nahm seine Umgebung gar nicht recht wahr und so bemerkte er auch nicht, wie Rei seinen Kopf nun ganz ihm zuwendete und ihn beobachtete. Kai sah ihn nicht an. Er hatte ihn nicht beobachtet. Wahrscheinlich hatte Rei sich eingebildet einen Blick auf sich ruhen zu spüren, weil er sich gewünscht hatte, dass Kais Blick auf ihm ruhte. Doch das tat er nicht. Er nahm ihn nicht einmal wahr. Er verschwendete wahrscheinlich nicht mal einen Gedanken an ihn, sondern dachte sich gerade einen Rache-Trainingsplan für Takao aus. Er dachte gar nicht an ihn oder was er für ihn fühlte. Er fühlte gar nichts für ihn. Er hatte das Ereignis von gestern verdrängt. Er empfand nichts für Rei.

Jetzt konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Egal was er tat oder wohin er sah, immer sah er Kai vor sich. Kai der ihn nicht ansah. Und keine Sekunde konnte er seine Gedanken davon abhalten, sich um diese eine schreckliche Erkenntnis zu drehen: Kai fühlte nichts für ihn. Er empfand nichts für ihn. Rei war ihm nicht wichtig.

Er musste hier weg. Er konnte es nicht länger ertragen. Allein, dass er Kai neben sich spürte und dennoch genau wusste, dass er ihm doch nie wieder würde nah sein dürfen, zerriss ihn. Das Einzige, was ihm geblieben war, war gerade gestorben. Der winzige Funke Hoffnung, der ihn weiter hatte aufrecht gehen lassen; der ihn Kais Abwesenheit und ebenso seine Anwesenheit hatte ertragen lassen. Dieser Funke war erloschen. Es gab keinerlei Hoffnung mehr.

"Ich geh schon mal..." Seine Stimme versagte. Er sprang so schnell auf, dass der Stuhl hinten herüber fiel, aber er fühlte sich nicht in der Lage ihn wieder aufzuheben. Keine Sekunde länger konnte er hier bleiben. Er musste weg, nur weg. Er rannte aus dem Speisesaal, ohne noch einen Blick zurück auf die verdutzten Bladebreakers zu werfen.

So sah er auch nicht, dass Kai auch von seinem Stuhl aufgesprungen war und ihm nun verwirrt, besorgt und fast ängstlich nachsah. Er hatte aus den Augenwinkeln gesehen, wie Rei ihn beobachtet hatte, genau wie er gesehen hatte, wie Max Rei die ganze Zeit beobachtet hatte. Anscheinend irritierte ihn Reis Verhalten genauso sehr wie Kais, was eigentlich nicht weiter verwunderlich war, da sich keiner von ihnen beiden normal verhielt. In diesem Moment am wenigsten Rei: sein Blick hatte sich plötzlich verändert. Kai konnte nichts Genaues erkennen, doch er glaubte Reis Augen immer mehr glänzen zu sehen. Rei hatte angefangen zu weinen und Kai hatte weder gewusst warum, noch hatte er etwas dagegen unternehmen können. Und dann war Rei einfach aufgesprungen und weggerannt. Was hatte er getan? Hatte er überhaupt was getan? Oder war vielleicht gerade, dass er nichts getan hatte, der Grund für Reis Verhalten? Und was sollte er jetzt tun?

Er starrte zur Tür, obwohl Rei längst hinter dieser verschwunden war, bis Max vorsichtig das Wort an ihn richtete.

"Kai? Kai?"

Langsam drehte sich Kai wieder zum Tisch herum. Er hüpfte zurück zu seinem Stuhl, denn er hatte eben unwillkürlich versucht hinter Rei herzulaufen, bis er bemerkt hatte, dass er gar nicht laufen konnte und Rei außerdem wahrscheinlich gerade von ihm nicht verfolgt werden wollte. Er setzte sich wieder hin, während er Takao bedeutete, er solle den Stuhl aufheben, bevor er sich an Max wandte.

Er hatte Angst vor dem, was Max ihn nun fragen würde, denn er würde nicht erklären können, warum er aufgesprungen war, als Rei weggerannt war. Er konnte es sich selbst erklären, aber er konnte es keinesfalls den Anderen erzählen. Dazu war er noch lange nicht bereit. Außerdem war er jetzt viel zu sehr damit beschäftigt, was Rei dazu gebracht hatte, so panisch zu flüchten. Er hatte Kai doch nur beobachtet und dann waren ihm plötzlich die Tränen in die Augen gestiegen.

Vielleicht hätte Kai nicht herkommen sollen. Bestimmt hätte er nicht herkommen sollen. Wieso war er nur so egoistisch gewesen. Er hätte daran denken sollen was für Rei das Beste war. Aber er hatte doch gedacht, dass Rei ihn trotz allem würde bei sich haben wollen. Er hatte nicht geahnt, dass Rei es nicht ertragen konnte. Wie sollte er denn so je etwas tun, das gut für Rei war, wenn er nicht wusste, was er wollte. Deshalb hatte er es ja auch vermieden ihn anzusehen, während er neben ihm saß, mal davon abgesehen, dass es ihm ziemlich schwer viel seinen Kopf zu drehen, ohne vor Schmerz in seinem Nacken die Augen zukneifen zu müssen. Er hatte gedacht, seine Anwesenheit sei Rei recht, aber er dürfe ihm erst einmal nicht zu offensichtlich zeigen, dass er eigentlich nur wegen ihm hier war.

Er hatte ihn ja ansehen wollen. Er hatte so sehr in die leuchtenden Augen sehen wollen, dass er sich stark auf etwas ganz anderes hatte konzentrieren müssen, damit er ja nicht in Versuchung geriet. Er hatte sich überlegt, wie er sich an Takao rächen könnte. Er würde ihn rennen lassen, bis er umfiel. Das hatte ihn von Rei abgelenkt, aber anscheinend war das grundfalsch gewesen. Rei hatte bemerkt, beachtet werden wollen. Und Kai hatte ihn nicht eines Blickes gewürdigt, nachdem Rei so erschreckt geguckt hatte, als er im Speisesaal aufgetaucht war. Er hatte doch bloß Angst gehabt, dass Rei, wenn er ihn noch länger ansah, genauso reagieren würde, wie er es getan hatte, jedoch ohne das Kai etwas gemacht hatte. Wie sollte er denn wissen, dass Rei angesehen werden wollte? Wie sollte er überhaupt je wissen, was Rei wollte? Und was sollte er jetzt tun? Wie sollte er sein Verhalten rechtfertigen? Am Besten gar nicht. Das hatte er sonst auch nie getan. Warum sollte er jetzt damit anfangen? Das würde die Anderen eh nur verwirren. Und wieso dachte er überhaupt darüber nach? Hatte ihn dieses eine Erlebnis denn wirklich so sehr verändert?

"Kai?", fragte Max ein weiteres Mal, weil er noch immer nicht reagiert hatte, seit er saß. Er musste sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Er musste diesen Morgen überstehen, bevor er sich über irgendwelche Veränderungen den Kopf zerbrechen konnte. Er musste so sein, wie er immer gewesen war, obwohl ihm das mittlerweile nicht falsch, aber doch irgendwie auch nicht richtig vorkam. Außerdem wusste er gar nicht recht, wie er sich immer verhalten hatte. Er war abweisend gewesen, das wusste er. Also würde er jetzt auch abweisend sein und Max anschnauzen, wenn er nach dem Grund für sein Verhalten fragte. Er sah zu ihm auf und nickte leicht, um zu zeigen, dass er ihm nun notgedrungen Gehör schenkte. Doch Max Frage brachte ihn trotzdem aus dem Konzept. Er versuchte ihn nichts in seiner Mimik lesen zu lassen und blieb so ruhig es ihm möglich war sitzen, doch anscheinend konnte er doch nicht ganz verstecken, was die Frage in ihm auslöste, denn Takao konnte einfach den Blick nicht von ihm wenden, nachdem er kurz von seinem Teller aufgesehen hatte, als Max zu sprechen begann.

"Was hat Rei?"

Kai schluckte schwer. Damit hatte er nicht gerechnet. Wie sollte er darauf antworten? Es war wohl weiterhin besser, abweisend zu reagieren und einfach zu lügen, obwohl es ihm doppelt schwer fiel, weil ihm die Lüge gleichzeitig wie eine Verleumdung seiner eigenen Gefühle und wie ein Verrat an Rei vorkam. Die Frage hatte all die Sorge, die er schon den ganzen Morgen für Rei zu ignorieren versuchte mit einem Schlag zurückkehren lassen. Er konnte vor lauter Sorge um ihn schon gar nicht mehr in geraden Bahnen denken. Immer führten ihn seine Gedankengänge an den Punkt zurück, an dem er aufspringen und Rei hinterherlaufen wollte. Doch er musste sich zusammenreißen. Er durfte vor Max und Takao nicht zeigen, wie sehr ihn Reis Reaktion mitgenommen hatte. Sie sollten nicht wissen, dass ihn die Angelegenheit etwas anging; dass er sogar der Auslöser für diese ganze Misere war, weil er plötzlich auch etwas fühlte und es auch fühlen wollte.

Also: abweisend sein, so schwer es ihm auch fallen mochte. Nicht zeigen, was er fühlte. Nicht andeuten, was geschehen war. Sie würden es nicht verstehen. Nichts würden sie verstehen. Also: lügen. Und das möglichst unverschämt, damit sie mit ihren Spatzenhirnen auch ja nicht auf die Idee kamen, irgendetwas weiter wissen zu wollen.

"Woher soll ich das bitte wissen? Ich bin doch nicht sein Kindermädchen", antwortete Kai harsch und lehnte sich wieder mit gekreuzten Armen in seinem Stuhl zurück. Er hatte sehr böse geklungen. Er wusste, dass er immer so geklungen hatte, aber als er sich selbst so über Rei hatte reden hören, hatte es ihm fast die Stimme geraubt. Er war sich nicht sicher, ob aus Enttäuschung oder mehr aus Wut. Er war wütend. Er war aus Enttäuschung über sich selbst wütend geworden, weil er nicht wusste, was er tun sollte, und er würde diese Wut nun liebend gern herauslassen, wie er es sonst immer getan hatte, aber auch diese seine Verhaltensweise kam ihm mittlerweile unrecht vor. Er konnte doch nicht die Anderen für seine eigene Unfähigkeit bestrafen. Er war doch auf sich selbst wütend. Er war wütend, dass er Rei nicht hatte helfen können; dass er Rei auch jetzt nicht helfen konnte, weil er schlichtweg keinen Plan hatte, wie; und dass er auch noch so unverfroren gelogen hatte, nur damit niemand mitbekam, wie es ihm ging. Das war fast noch schlimmer, als früher. Da hatte er nur einen abfälligen Spruch fallen lassen, aber es war ihm auch mehr oder weniger egal gewesen. Dieses hier war ihm keineswegs egal und dennoch log er ohne jede Skrupel. Gegen besseres Wissen sagte er einfach, er habe keine Ahnung und sorgte so dafür, dass sich die Anderen noch mehr Sorgen um Rei machten.

Ihm wurde klar, dass er nicht der Einzige war, der sich hier sorgte. Max und Takao waren von Reis Verhalten noch mehr überrascht worden und hatten nicht mal eine leise Ahnung, warum er sich so komisch verhielt. Deshalb sorgten sie sich mindestens genauso sehr, auch wenn man es Takao mit seinem vierten Nachschlag in der Schüssel nicht wirklich ansah, doch er war bestimmt besorgt. Kai wurde klar, dass er immer ziemlich abfällig von ihm gedacht hatte. Und nicht nur von ihm. Auch Max und Kyôjyu waren ihm seine Zeit nur wegen ihren Fähigkeiten im Bereich Beybladen wert gewesen. Selbst Rei war eine lange Zeit nichts weiter als ein guter Blader für ihn gewesen, mit dem es wert war ein Team zu bilden. In dieser Zeit waren die anderen gute Freunde geworden, die sich schon lange umeinander Sorgen machten, wenn sie bemerkten, dass es dem Anderen nicht gut ging. Kai hingegen war davon immer ausgeschlossen gewesen. Er hatte sich selbst ausgeschlossen. Er hatte nicht einmal bemerkt, wie sich die Freundschaft zwischen ihnen langsam entwickelt hatte. Er hatte sie einfach nicht gesehen.

Er war hier derjenige, der nichts wert war. Sie sollten abfällig über ihn denken. Doch sie schätzten ihn. Sie respektierten ihn als Teamcaptain, obwohl er sie immer so schlecht behandelte und nie auch nur im Geringsten auf sie eingegangen war. Er war es nicht wert, dass sie ihn als 'Freund' bezeichneten. Er war es nicht wert, sich um Rei zu sorgen. Gerade mal ein paar Stunden hatte er mit ihm verbracht und maß sich nun an, zu denken, er sei der Einzige, der besorgt war. Er war es nicht einmal wert zu denken, dass die Chance bestand, dass er und Rei jemals Freunde werden könnten. Er war Rei einfach nicht wert.

Erst als ihm richtig bewusst wurde, dass er nie das Recht haben würde, Rei nahe zu sein, wurde ihm wirklich klar, wie sehr er es wollte. Er wollte jetzt bei Rei sein. Er wollte bei ihm sein, wenn es ihm gut ging und wenn es ihm schlecht ging. Er wollte sich mit ihm freuen und er wollte ihn trösten. Er wollte Rei besser kennen, als er sich selbst kannte. Er wollte jetzt zu ihm, selbst wenn Rei ihn nicht ansehen würde oder bei seinem Anblick gleich wieder in Tränen ausbrach. Er wollte bei ihm sein, weil er die Ungewissheit einfach nicht ertragen konnte. Er hatte ihn doch so lieb und hatte es all die Zeit nicht bemerkt. Das musste er doch wieder gut machen. Er wollte doch nicht, dass es Rei wegen ihm so schlecht ging.

Doch was sollte er tun, wenn er nicht wusste, was Rei wollte? Wer wusste denn, was Rei wollte? Eigentlich war die Antwort mehr als klar, aber erst durch die Frage kam Kai darauf: Rei. Rei sollte doch wissen, was er wollte. Kai würde jetzt zu ihm gehen und einfach fragen, was er tun sollte; was Rei wollte, das er tat. Wenn er sagte, er solle ihn bloß in Ruhe lassen, dann würde er schnellstmöglich aus seinem Blickfeld verschwinden und ihm auch die nächste Zeit nicht mehr über den Weg laufen. Und wenn er sagte, er solle bei ihm bleiben, dann würde er das tun. Er wollte doch tun, was Rei wollte. So konnte er nichts mehr falsch machen. Auf diese Weise lief er zumindest weniger Gefahr Rei wieder durch irgendeine unüberlegte Handlung wehzutun. Das wollte er doch auf keinen Fall mehr. Das war der einzige Grund, aus dem er im Moment irgendetwas tat.

Also: Wie kam er möglichst unauffällig zu Rei? Wo mochte er hingegangen sein? Vermutlich nach draußen, denn die Tür, durch die er vorhin gerannt war, führte auf einen Gang, der auf dem Innenhof des Hotels endete. Dort gab es eine Beyarena. Rei würde sich dort entweder still in eine Ecke setzen oder die Enttäuschung über die ganze Situation mit seinem Blade an der Arena auslassen, überlegte Kai. Er selbst würde an Reis Stelle wahrscheinlich wütend werden und sich den erstbesten Gegner schnappen, um ihn gehörig in Grund und Boden zu stampfen. Aber würde Rei das auch tun? Würde er nicht vielmehr versuchen möglichst wenige Menschen in seine Probleme mit hineinzuziehen?

Aber egal, was er nun auch gerade machte, am wahrscheinlichsten war es, dass er sich im Innenhof aufhielt. Und da musste Kai jetzt hin! Schnellstmöglich. Und er hatte auch schon einen guten Plan, wie er wirklich unauffällig da hinkam. Nämlich einfach, indem er sich verhielt, wie er sich in einer solchen Situation verhalten würde, wenn sie ihn nichts angehen und ihn auch nicht wirklich interessieren würde.

"Takao! Bist du jetzt endlich mal fertig?! Du kannst es dir weiß Gott nicht leisten, soviel in dich hineinzustopfen, sowohl was dein Gewicht betrifft, als auch was die Trainingszeit betrifft, die dir dadurch verloren geht. Also hau rein oder ich zehr dich eigenhändig nach draußen, damit du endlich was tust!"

Kai war fast schon von sich selbst überrascht. Das hatte wirklich so geklungen, wie er es hatte klingen lassen wollen, was aber auch daran liegen konnte, dass er, trotzdem er nun eingesehen hatte, dass er ihn nicht wirklich fair behandelt hatte, tatsächlich immer noch verdammt sauer auf Takao war, weil es schließlich doch seine Schuld gewesen war, dass er nun verletzt war und dass es demnach auch seine Schuld war, dass es Rei nun so schlecht ging, weil er sich den Tag zuvor um Kai gekümmert hatte, eben weil er sich verletzt hatte, eben wegen Takao. Im Grunde konnte man also Takao tatsächlich die Schuld für alles, was nach der Verletzung geschehen war, in die Schuhe schieben, was Kai normalerweise auch sofort liebend gern getan hätte, selbst wenn ihm eigentlich klar war, dass das unrecht war. Aber es wäre ihm egal gewesen. Das war es ihm jetzt nicht mehr und doch konnte er nicht ganz verhindern, dass er Takao doch zumindest einen Teil der Schuld aufbürdete und sich auch noch gebührend dafür rächen würde, einfach weil er anscheinend von Zeit zu Zeit mal eine Abreibung nötig hatte, damit er nicht größenwahnsinnig wurde.

Und Kais Tonfall schien auch schon Wirkung zu zeigen, denn Takao verschlang schnellstens die restlichen Reiskörner und machte sich dann eiligst daran mit Max und Kyôjyu im Schlepptau zur Tür zu sprinten, während Kai fast gemütlich hinter ihnen herschlenderte - soweit man humpelnd schlendern konnte. Langsam fiel ihm wieder ein, warum er immer so gewesen war. Er hatte sie herumgescheucht, weil er sie so von sich fernhielt, aber nicht nur. Es machte ihm Spaß, so schlimm sich das jetzt auch anhörte. Er genoss es, dass sie ihm aufs Wort gehorchten, wenn er nur den richtigen Ton anschlug. Er genoss die Macht, die er über sie hatte und die er nicht hätte, wenn sie Freunde wären.

Wer hatte denn nicht gern Macht? Es war doch normal, dass man nicht immer der sein wollte, der herumkommandiert wurde, sondern auch mal der, der kommandierte. Er selbst hatte doch jahrelang nur blind den Anweisungen der Gaspardin gehorcht. Jetzt war er dran. Jetzt sollten sie ihm gehorchen. Er wusste ja, dass es ungerecht war, was er erlitten hatte, seine Freunde gleichermaßen erleiden zu lassen, doch was sollte er denn tun? Er konnte nicht anders. Er hatte es so satt, dass man ihm sagte, was er zu tun und zu lassen hatte. Er wollte über sich selbst bestimmen können. Und dazu musste er zuerst sicherstellen, dass niemand mehr auf die Idee kam über ihn bestimmen zu können. Und das war nur möglich, indem er nach außen hin zeigte, dass er sich nicht beherrschen ließ, sondern dass er derjenige war, der herrschte. So würde niemand versuchen ihn herumzukommandieren. Im Grunde tat er das alles also eigentlich nur, um selbst über sein Leben entscheiden zu können.

Ein ganz normales Bedürfnis also, das jeder mal verspürte, wenn er sich ungerecht behandelt oder in seinen eigenen Entscheidungen eingeschränkt fühlte. Bei Kai war dieses Bedürfnis nur ein wenig ausgeprägter, als bei 'normalen' Menschen, weil er eigentlich sein ganzes Leben lang nicht hatte selbst entscheiden dürfen. Noch eine Sache für die er selbst eigentlich nichts konnte, die im Grunde aber doch sein Fehler war. Er hätte viel früher sagen sollen, dass er sein Leben so nicht leben wollte. Aber er hatte doch nichts gewusst. Er hatte nicht gewusst, dass es auch anders ging, genauso wie er nicht gewusst hatte, dass es noch eine andere Möglichkeit gab, als nur den Kampf, der immer in Zerstörung endete. Er hatte nicht gewusst, dass man auch miteinander kämpfen konnte, um einander zu schützen oder einfach um sich mit seinen Freunden zu messen und Spaß dabei zu haben, nicht um zu zerstören. Er hatte nicht gewusst, was Freunde waren, denn er hatte nie Freunde gehabt, weil er nie welche haben durfte, weil immer jemand anderes über sein Leben bestimmt hatte. Deshalb wollte er, seit er endlich aus der Abtei weggekommen war, sein Leben selbst bestimmen. Er hatte - zumindest mehr oder weniger - selbst entschieden den Bladebreakers beizutreten. Er hatte selbst entschieden, wie er spielte, wie er trainierte, wie er lebte. Und er entschied nun selbst, dass er Rei folgen würde. Er traf eine Entscheidung aus eigenem Willen.

Er hatte gedacht, er hätte das getan, seit er die Abtei verlassen hatte, doch jetzt wurde ihm klar, dass seine verkorkste Erziehung seine Entscheidungen immer viel mehr beeinflusst hatte, als er hatte wahrhaben wollen. Er war dem Team beigetreten, um den Gaspardin und seinem Großvater zu beweisen, dass er sie nicht brauchte, um zu gewinnen. Er hatte entschieden, wie sie spielten, wie sie trainierten und wie sie lebten auf Grundlage seiner Erziehung. Jetzt jedoch entschied er selbst. Was er wollte hatte diesmal nichts damit zu tun, was seine Lehrer gewollt hatten. Er wollte Rei schützen, wenn nötig vor sich selbst. Eine solche Selbstlosigkeit war ihm sicher nicht in der Abtei beigebracht worden, denn dort zählte nur das eine: Gewinnen. Egal mit welchen Mitteln. Jetzt wollte er nicht einmal mehr gewinnen. Nicht wenn Rei dabei verlor. Nicht wenn es Rei schadete. Nicht das Gewinnen war wichtig, sondern Rei war wichtig. Und Kai würde alles tun, damit es Rei gut ging, damit er gewann, selbst wenn das bedeuten sollte, dass Kai dabei verlor. Er hatte gelernt, dass Niederlage keine Option war und noch immer beherzigte er diese Lehre, nur, dass es hier nicht darum ging, dass er selbst verlor, sondern das Rei gewann.

Eine solche Selbstzufriedenheit, wie sie ihm diese Entscheidung brachte, hatte er noch nie gefühlt. Er war glücklich mit dieser Entscheidung. Es war in Ordnung, dass er seinen eigenen Willen zurücknahm, solang es Rei dabei nur wieder besser ging. Hauptsache er war nicht mehr so unendlich traurig, denn das würde auch Kai nicht länger ertragen können. Er wollte, dass Rei wieder mit den Anderen lachte, selbst wenn er ihn dabei völlig ignorieren sollte. Es war egal, wie Kai sich fühlte, solang es Rei nur wieder besser ging.

Und dafür würde er jetzt sorgen. Takao hatte die Tür geöffnet und hielt sie Kai tatsächlich auf, bis er mit den Krücken hindurchgehumpelt war. Einen Moment dachte er tatsächlich daran sich zu bedanken, entschied aber dann, dass es wohl doch besser sei, das bleiben zu lassen, damit Takao nicht vorzeitig in Ohnmacht fiel, bevor er ihn seine Runden hatte rennen lassen. Außerdem war er ja wirklich immer noch sauer auf ihn. Da konnte er sich jetzt nicht einfach bedanken, als sei nichts.

So ging er einfach kommentarlos an ihm vorbei in Richtung Hof. Er war so oder so im Moment viel zu sehr mit Rei beschäftigt. Er musste zu ihm; musste sehen, wie es ihm ging. Doch als er hinaus in die noch warme Herbstsonne trat und Rei dort mitten auf dem Hof im leichten Schatten einer großen Eiche an der Beyarena stehen sah, wäre er am liebsten schnell wieder hineingestürmt.
 


 

Heehee, kleiner Cliffi. Ich konnte nicht wiederstehen. Außerdem ist es ein Ortswechsel *sich selbst bestätigend zunick* ("Kann man sich selbst zunicken?")

So: Nachwort:

Erst mal: Danke, dass ihr es bis hierher durchgehalten habt, bzw. Glückwunsch, dass ihr es bis hierher ausgehalten habt ^,^° Ihr müsst das Nachwort auch nicht mehr lesen - ich laber ja eh nur Stuss - wär aber trotzdem ganz doll lieb von euch *puppyeyes*

Also, falls jemand mal auf die Titel der einzelnen Kapitel geachtet hat, der hat vielleicht bemerkt, dass alle mit "Wer weiß, was..." beginnen und dass sie immer direkt gestellt sind. Also so, als ob man jemanden anspricht. Und in dem jeweiligen Kapitel spricht diese Frage auch immer einer der Charaktere mehr oder weniger wortgleich aus oder denkt sie zumindest. Soweit ich mich erinnern kann, war das in den ersten 7 Kapiteln immer Rei. In diesem hier stellen sich aber sowohl Kai als auch Rei diese Frage über den Anderen. Warum ich das jetzt eigentlich hier erwähne, hab ich grad irgendwie vergessen, aber ich glaub, ich fand's einfach mal erwähnenswert, dass die Titel auch einen Sinn haben ~^o^~

Nun noch mal zu den 2 Versionen: Ich hab ja noch mal korrekturgelesen und irgendwie fand ich da die II bedeutend besser -.- aber ihr könnt mir gern eure Meinung im Kommi kundtun (uihuihuih, jetzt geht's wieder los mit den pseudopoetischen Ausdrücken Ó,Ò)

Apropos Ausdrücke: Wenn einer von euch ne Ahnung hat, wie - zum Teufel nochmal

>.< - die in der Abtei die Lehrer (oder was das da sind) nennen, teilt mir dass doch bitte mal mit ^.^' Gaspardin oder Gospodin oder whatever... ~.~ Und noch eins: Wie - zum Teufel nochmal - heißt Kenny nun in der japanischen Originalfassung? Kyôju, Kyôjyu, Kyôjû, Kyojû oder noch anders? *nicht mehr durchblick* Es ist nämlich doch recht nervig bei jedem neuen Kapitel die alten noch mal zu überarbeiten, weil ich dann denke endlich die richtige Schreibweise gefunden zu haben *schon drei Mal gemacht hab* =_=

So, schätze das war's erst mal ^_^

Wie immer beeil ich mich *selber lachen muss* und freu mich riesig über Kommentare und Schleichwerbung. Selbige wird übrigens, sofern bewiesen, mit einem virtuellen Spekulatzius belohnt, obwohl noch lang nicht Weihnachten ist ^__^ *nicht an dem Regal vorbeigehen konnte*
 

Ciaoi tenshi

Wer weiß, was du has(s)t

Mohoin,

sagt mir, dass ich gut bin! *nick* Ha! Ich bin gut!

^,^° Also, was ich sagen will: Ich war schnell, das könnt ihr nicht abstreiten *g* *stolz desu* Sind diesmal aber auch bloß 8718 Wörter. Ich war voll enttäuscht *drop*

Nya, so viel gibt's nicht zu sagen. Nur eines: Ich war so schnell jetzt, weil ich Urlaub hab, bevor ich jetzt bald studieren geh *froi* Japanologie, ich komme *strike*

^.^' Wie man vielleicht auch merkt, bin ich schon wieder etwas übermüdet... Ich sollte nicht bis halb sechs morgens eine Fanfic lesen ú.ù°

Ach, jetzt fällt mir doch noch was ein, da habt ihr aber Pech:

Mir ist aufgefallen, dass diese Fanfic, wie ein Drama aufgebaut ist. Nicht Drama von wegen ganz traurig und alles scheiße, sondern wie ein klassisches, aristotelisches Drama. Erst kommt die Exposition, in der die Charaktere eingeführt werden und erklärt wird, worum es geht (das Problem, in diesem Fall, die Verletzung und das wozu sie führt). Dann kommt die "Schürzung des Knotens", soll heißen, Verschlimmerung des Problems. Es folgt der Wendepunkt (Peripetie), in dem man sehen kann, ob es wohl in einer Katastrophe enden wird, oder vielleicht doch noch gut geht (ich würd mal sagen, das ist hier das 7. Kapi). Dann geht es etwas entspannter zu, wobei auch hier dann noch mal auf den Ausgang des ganzen spekuliert werden kann. Und dann folgt die Katastrophe, in der sich dann alles zum Guten oder zum Schlechten wendet (es heißt immer Katastrophe *schulterzuck*).

So in etwa ist bzw. wird die Fanfic verlaufen ^_^ Ich mag klassische Dramen, aber ich hätte nicht gedacht, dass ich - unbewusst, wohlgemerkt - mal eins schreibe XDD (meine Empfehlung an alle, die mal ein echtes, klassisches Drama lesen wollen, das auch wirklich was auf dem Nacken hat: Nathan, der Weise von Gotthold Ephraim Lessing und Iphigenie auf Tauris von Joahnn Wolfgang von Goethe. Also, ich fand die klasse ^.^

So, jetzt aber: viel Spaß beim lesen ^_____^
 


 

Kapitel 9 Wer weiß, was du has(s)t
 

Doch als er hinaus in die noch warme Herbstsonne trat und Rei dort mitten auf dem Hof im leichten Schatten einer großen Eiche an der Beyarena stehen sah, wäre er am liebsten schnell wieder hineingestürmt.
 

Er lachte. Rei lachte. Nichts war mehr von seinen Tränen zu sehen. Kein Funke Kummer oder Wut. Er war fröhlich, glücklich. Ohne Kai. Ohne seine Anwesenheit. Ohne dass er wusste, wie es Kai ging. Ohne dass Kai etwas getan hatte, war Rei wieder glücklich.

Er brauchte ihn nicht. Er wollte ihn nicht bei sich haben. Er war glücklicher ohne ihn.

Und trotzdem es Kai das Herz im Leib zerriss, dass er nicht dafür verantwortlich war, dass es Rei wieder besser ging, so gern er es auch gewesen wäre, egal was dafür hätte tun müssen, so war er doch so erstaunlich glücklich, dass es Rei wieder besser ging. Es war nicht wichtig, wer das verursacht hatte, nicht wie er es getan hatte. Hauptsache Rei ging es gut. Rei war wichtig. Nicht was Kai dabei fühlte; nicht was er wollte. Rei war wichtig. Er war glücklich. Er war fröhlich. Es war besser so. Es hätte nicht geklappt. Er hätte ihm wieder wehgetan. Es war gut, dass er ihm erst einmal nicht mehr nahe kam. Das würde ihn von dem Geschehenen distanzieren. Bald würde er es mit anderen Augen sehen. Er würde sehen, dass es nicht hätte gut gehen können. Er würde sehen, dass es so besser war...

Doch jetzt, jetzt sah er nur, dass Rei ihn nicht brauchte. Ihm selbst ging es besser, wenn er bei Rei war. Rei ging es besser, wenn Kai nicht bei ihm war. Ohne ihn konnte er fröhlich sein. Ohne ihn konnte er lachen. Kai hatte sich einzureden versucht, dass es so für ihn okay sei, aber das war es nicht. Das war es auf keinen Fall. Er brauchte Rei. Er hatte nicht bemerkt, wie sehr er ihn brauchte. Er hatte gefühlt, dass es ohne ihn einsam war; dass er gern bei ihm sein wollte. Er hatte sich nach ihm gesehnt, aber er hatte nicht gewusst, wie sehr er ihn wollte. Er wollte ihn bei sich; er wollte ihn um sich; er wollte ihn für sich. Er wollte nicht, dass ihn jemand anderes tröstete. Er wollte es zumindest nicht sehen.

Er hätte nicht herkommen sollen. Er hätte sich zwingen müssen seine verdammten Gefühle wieder in die Kiste zu sperren, in der sie so lang gesteckt hatten. Er hätte sie auslöschen sollen, wenn er sie nicht anders losgeworden wäre. Wieso nur hatte er sie zugelassen? Wieso nur hatte er sich auf sie eingelassen? Er hatte doch gewusst, wie gefährlich das war. Die Gaspardin hatten schon nicht unrecht gehabt, als sie jegliche Gefühle außer Wut verboten. Er hätte ihren Lehren weiter folgen sollen, anstatt sie zu verurteilen. Es war gut, dass er sich all die Jahre nicht auf seine Teamkameraden eingelassen hatte. So waren sie ihm nie so nah gekommen, wie Rei ihm nun war. Wie sollte er ihn nur wieder aus seinem Kopf bekommen, jetzt wo er einmal darin war? Wie sollte er sich denn jetzt verhalten, da die Sache noch um einiges komplizierter geworden war? Wie sollte er ihm jetzt gegenübertreten? Er könnte ihn nicht so behandeln, als wäre etwas zwischen ihnen geschehen. Weder als wäre das geschehen, was wirklich geschehen war, denn dann würde er wieder an seine Gefühle erinnert, die er nicht mehr haben wollte, noch als wäre etwas wie ein Streit zwischen ihnen vorgefallen, denn dann würde er ihn unfair behandeln und ebenso sehr wieder an seine Gefühle erinnert werden, denn er konnte einfach nicht leugnen und auch nicht unterdrücken, dass er nur das Beste für Rei wollte.

Er wollte nur weg. Weg von Rei, damit er ihn nicht länger ansehen müsste und daran erinnert würde, dass nun alles, was er sich schon ausgemalt hatte, wie eine Seifenblase zerplatzt war. Er hatte doch sein Freund werden wollen. Er hatte ihn doch kennen lernen wollen. Aber konnte er das denn nicht immer noch? Nur weil Rei ihn nicht so sehr mochte, wie Kai ihn mochte, musste er doch nicht gleich alles aufgeben. Er konnte doch immer noch sein Freund sein. Er konnte doch einfach auch so bei ihm sein. So, wie er es vor diesem Ereignis gewesen war, nur dass er mit ihm reden würde. Sie würden reden, sich kennen lernen. Sie würden Freunde werden...

Nein, unmöglich. Kai konnte nicht Reis Freund sein. Ein Freund würde nicht allein bei dem Gedanken, dass der Freund ohne ihn auskam, gleich ausrasten und alles hinschmeißen wollen. Ein Freund würde sich nicht so nach dem Freund sehnen, selbst wenn er ihn noch so sehr mochte. Dass Freunde sich gut verstanden und über fast alles miteinander reden konnten, wusste selbst Kai. Dass Freunde aber nicht so fühlten, wie er für Rei fühlte, wusste er auch.

Er stand dort Sonnenlicht, unbeweglich und stumm, weil er Rei einfach nur anstarren konnte. Er wusste noch nicht genau, was ihn so störte, dass es ihm beinah wieder die Tränen in die Augen trieb, aber er wusste, dass er es so, wie es jetzt war, nicht haben wollte. Ihm wurde klar, dass er, seit Rei aus seinem Zimmer gegangen war, so gehofft hatte, er würde zurückkommen. Er hatte so gehofft, dass er irgendwann wieder vor ihm stehen und ihn noch einmal umarmen würde, und wenn es die allerletzte Umarmung in seinem ganzen Leben sein sollte. Er hatte so gehofft, Rei würde es noch ein einziges Mal versuchen ihn umzustimmen. Ihn bitten, ihn anflehen, ihm drohen. Er hatte doch so gehofft. Und er hatte wirklich gedacht, Rei hätte es auch gewollt. Er hätte Kais Freund sein wollen; er hätte ihm nah sein wollen, wann immer Kai es erlaubt hätte. Er hatte wirklich geglaubt, er würde sich für ihn interessieren; er sei ihm wichtig.

Er war so dumm. So strohdumm, dass er nach allem, was er erlebt hatte, tatsächlich noch daran glaubte, dass er jemandem etwas bedeuten konnte. Er hatte es doch oft genug mitgekriegt, dass am Ende doch nur alle an sich dachten.

Wahrscheinlich hatte Rei ja gedacht, es könne ganz amüsant werden, wenn er Kai mal etwas aus sich heraus lockte. Dann allerdings hatte ihm wohl nicht gefallen, wie sehr Kai aus sich herausgegangen war und Rei hatte sich ganz schnell von ihm abgewandt, natürlich nicht ohne noch für ein schlechtes Gewissen zu sorgen, indem er nicht selbst ging, sondern sich fortschicken ließ. Dieser verdammte Heuchler. Und Kai hatte sich schon ausgemalt, wie es sein würde endlich einen Freund zu haben. Er hatte ihm Hoffnungen gemacht. Hoffnungen, dass er doch noch ein anderes Leben führen konnte, als das, das ihm doch eigentlich so zuwider war. Hoffnungen, dass auch er nur ein normaler Mensch war, der mit jemandem glücklich sein, sich nach jemandem sehnen, jemanden lieb haben konnte. Doch nun war alles zerstört. Er konnte niemals ein anderes Leben führen, in dem er Freunde hatte oder in dem er sich jemandem anvertraute. Er konnte nicht glücklich sein. Er konnte niemanden lieb haben, ohne dass entweder dieser oder er selbst daran zu Grunde ging. Er konnte keine normalen Gefühle haben. Immer endeten sie in nur dem Einzigen, zu dem er wirklich fähig schien: Hass.

Und nun hasste er Rei. Kaum hatte er sich ihm auch nur ein winziges Stück geöffnet, schon hatte er ihn ausgenutzt, betrogen und zurück in den Dreck geworfen, aus dem er ihn gehoben hatte. Aber was machte das schon. Es war eben sein Schicksal. Er würde nie glücklich sein. Er würde nie jemanden bei sich haben. Er würde weiterhin allein sein, doch immerhin würde er damit zurecht kommen, im Gegensatz zu der jetzigen Situation. Damit kam er nicht zurecht. Und das machte ihn wütend. Und diese Wut musste nun heraus. Er hatte zu lange all das unterdrückt, was er gefühlt hatte, wo er doch endlich wirklich etwas gefühlt hatte. Jetzt war er übervoll von Gefühlen. Doch nur eines würde er zeigen können. Wie immer. Er würde die Wut hinauslassen und damit würden auch die anderen Gefühle verschwinden. Sie lösten sich in all der Wut auf, verstärkten sie nur noch und sorgten dafür, dass er keine Sekunde länger einfach still auf dem Hof stehen und nur stumm zusehen konnte.

Er entkrampfte langsam die zur Faust geballte Hand und stützte sich wieder auf die Krücken. Erst jetzt nahm er seine Umgebung wieder richtig wahr. Die anderen Bladebreakers waren längst an ihm vorbeigelaufen und hatten sich zu Rei und seinem Gegner gesellt. Gut, sollten sie doch. Sie würden seiner Rache ja doch nicht entfliehen können. Keiner von ihnen. Besonders nicht Takao. Und erst recht nicht Rei. Er sollte büßen. Er sollte sich wünschen nie geboren worden zu sein.

Rei stand an der Beyarena und kämpfte gegen einen nicht ebenbürtigen, aber doch starken Gegner. Er sollte in den Kampf vertieft sein; er sollte seine Umwelt nicht mehr wahrnehmen; er sollte fühlen, wie er mit aller Kraft zu gewinnen versuchte. Doch nichts dergleichen war der Fall. Er war in seine Gedanken vertieft; er nahm seine Umwelt mehr als deutlich war, auch wenn er es nicht zeigte, sondern vorgab, wie immer zu kämpfen; er fühlte nichts. Er war völlig leer. Nein, nicht völlig. Eines fühlte er noch: Verzweiflung. Er wünschte, er wäre nie geboren worden. Was hatte er getan? Was hatte er Kai nur angetan? Er hatte das alles nie gewollt. Er hatte Rei nie so bei sich gewollt. Nie. Und er verdammtes, egoistisches Arschloch hatte alles zu seinem Vorteil interpretiert und die Situation ausgenutzt. Er hatte Kai ausgenutzt um seine eigenen unrechten Gefühle auszuleben.

Was hatte er nur getan? Und was sollte er jetzt tun? Er musste das irgendwie wiedergutmachen. Obwohl: Kai hatte nicht wirklich mitgenommen ausgesehen, als er eben mit ihm am Tisch gesessen hatte. Zumindest nicht mitgenommen von dem Ereignis gestern in seinem Zimmer. Er hatte ziemlich fertig ausgesehen, aber nicht seelisch, sondern körperlich. Der Tag gestern war verdammt anstrengend gewesen. Auch Rei war noch nicht wieder völlig auf der Höhe. Bei ihm spielte aber die seelische Verfassung dort auch noch mit hinein. Bei Kai hatte das nicht so ausgesehen. Er war etwas kraftlos, aber sonst fit, sah man von seinem verletzten Fuß einmal ab. Auf jeden Fall schien er sich keine allzu großen Gedanken mehr über die Sache gemacht zu haben. Kein Wunder: Er empfand nichts für Rei. Vermutlich hatte er das Ereignis schnellstmöglich und erfolgreich aus seiner Erinnerung verbannt. Er hatte nicht mehr an Rei gedacht und er würde nie wieder an Rei denken, schon gar nicht so, wie Rei sich das wünschte.

Und obwohl Rei schon den Gedanken an Kai kaum ertragen konnte, konnte er doch nichts dagegen unternehmen, dass sich sein Kopf ganz langsam in seine Richtung drehte. Er wollte sich noch einmal davon überzeugen, dass Kai wirklich nichts für ihn fühlte. Er musste es mit Sicherheit wissen, sonst würde er sich ewig die Frage stellen, ob er nicht vielleicht etwas falsch interpretiert und dann auch noch maßlos überreagiert hatte, sodass er seine unnötige Verzweiflung selbst verschuldet hatte. Er musste einfach Klarheit haben, selbst wenn er dann immer noch nicht wusste, was er tun sollte. Er musste wissen, ob noch Hoffnung bestand, auch wenn sein Verstand vollständig davon überzeugt war, dass Kai nichts fühlte.

Doch da hatte er sich wohl geirrt. Den Beybladekampf, in dem er eigentlich gerade steckte und in dem es nicht einmal gut für ihn aussah, hatte er längst vergessen. Die Rufe seiner Freunde, die ihn anfeuerten, hörte er schon eine ganze Zeit nicht mehr. Aber als er zu Kai blickte, war selbst sein Kopf wie leergefegt.

Aus den Augenwinkeln hatte er ihn schon vorhin gesehen, als er als Erster durch die Tür gehumpelt war. Auch zu diesem Zeitpunkt war er schon von Verzweiflung erfüllt gewesen. Nur deswegen hatte er die Herausforderung dieses Jungen angenommen. Er hatte gedacht sich durch einen Kampf ablenken zu können, doch bei diesem Versuch war er mehr als kläglich gescheitert. Er hatte sich von Anfang an nicht auf den Kampf konzentrieren können, sondern war mit seinen Gedanken immer wieder zu dieser einen furchtbaren Erkenntnis zurückgelangt. Kai empfand nichts für ihn. Es war so schrecklich, dass er nur noch hatte lachen können. Er hatte all die Enttäuschung, die Wut, die Traurigkeit und die Verzweiflung aus seinem Kopf geworfen, denn sonst wäre er wohl wahnsinnig geworden. Er war ein gefühlvoller Mensch. Er war auf seine Gefühle angewiesen, denn er vertraute ihnen und tat, was sie ihm sagten, sofern sich sein Verstand nicht vehement dagegen stellte. Hätte er allerdings all diese Gefühle, die ihm die Erkenntnis beschert hatte, zugelassen, hätten sie ihm wohl nach einer Zeit befohlen, sich vom Hotel zu stürzen. Und das wollte er nicht. Er wollte nicht so schwach sein und wegen einer blöden Enttäuschung in seinem Liebesleben gleich irgendwo herunter springen. So jämmerlich wollte er nicht sein. Außerdem konnte er das dem Team nicht antun, so kurz vor der Meisterschaft und seinen Freunden auch nicht. Sie würden sich Vorwürfe machen, besonders Kai. Das wollte Rei nicht. Wegen ihm sollte niemand leiden. Das war er gar nicht wert.

Deshalb hatte er all die Emotionen in einem Lachen herausgelassen. So kam niemand auf die Idee, dass es ihm schlecht ging, besonders nicht, da er lachte, während er kämpfte. Niemand würde denken, dass er aus Verzweiflung einfach nur noch lachen konnte, wie ein armer Irrer. Doch bewahrte ihn gerade dieses Lachen davor, wirklich irre zu werden. Es war komisch, alles irgendwie verkehrtherum. Er lachte, weil er traurig war und weil er wohl sonst wahnsinnig würde, obwohl sich das Lachen wahrscheinlich anhörte, als sei er wahnsinnig.

Und doch war ihm das Lachen im Halse stecken geblieben, als er Kai bemerkt hatte. Er hatte aus den Augenwinkeln gesehen, dass er gekommen war. Erst hatte er sich gefreut, weil er für einen kurzen Augenblick die grausame Erkenntnis ganz einfach vergessen hatte, doch schon nach einem Sekundenbruchteil hatte sie sich erneut in seine Gedanken geschlichen und ihm das Lachen erstickt. Kais entsetzter, vielleicht auch bloß überraschter Blick hatte sein Übriges dazu getan. Vielleicht war er überrascht gewesen, Rei hier zu sehen und noch dazu lachend. Immerhin war er den Tränen mehr als nahe aus dem Speisesaal gerannt. Kai hatte es gesehen, da war Rei sich sicher. Er hatte zuerst sogar noch die Hoffnung gehabt, dass Kai ihm nachgelaufen war, weil er sich sorgte, doch durch diese absurde Hoffnung hatte ihm sein Verstand sofort wieder einen Strich gemacht. Er hatte gesehen, dass die restlichen Bladebreakers hinter ihm her kamen. Das bedeutete wohl, dass Kai dafür gesorgt hatte, dass sie jetzt trainierten.

Wieder war seine Hoffnung zerstört worden, was seine Verzweiflung so sehr gesteigert hatte, dass er nicht einmal mehr lachen konnte. Er hatte keinen weiteren Blick auf Kai mehr zugelassen, weil er wusste, dass er dann wieder heulen würde. Er hatte versucht sich auf den Kampf einzulassen, war jedoch wieder jämmerlich gescheitert. Es gelang ihm nicht sich abzulenken. Es war einfach zu schrecklich. Und irgendwann hatte er sich nicht einmal mehr davon abhalten können zu ihm hinzusehen. Und kaum hatte er auch nur einen wirklichen Blick auf sein Gesicht geworfen, hätte er sich, selbst wenn er den Willen dazu aufgebracht hätte, nicht mehr abwenden können.

Er stand noch immer unbeweglich kaum zwei Schritte von der Tür entfernt und schaute zu Rei. Und doch war rein gar nichts von der Überraschung in seinem Blick geblieben. Er sah nicht einmal mehr so aus, als sei er irgendwie verletzt. Er stand dort, zwar noch mit den Krücken an den Armen, aber kaum mehr auf sie gestützt und ballte beide Fäuste. Rei konnte sich nicht erklären, warum, denn aus Schmerz war es sicher nicht, nahm man seinen Blick hinzu. Es hätte Rei nicht gewundert, hätte er in seinen eh schon bedrohlich glühenden, roten Augen kleine Flammen lodern sehen. Er war wütend; mehr als wütend. Rei fand kein passendes Wort, aber er bekam Angst. Worauf konnte er nur so eine Wut haben? Hatte Takao wieder irgendwas angestellt? Aber normalerweise hielt Kai ihm dann eine kurze Standpauke und die Sache war gegessen. So furchtbar wütend hatte er ihn noch nie gesehen. Er war öfter mal sauer, aber bei weitem nicht so und auch nicht so ernsthaft. Jetzt sah er aus, als würde er dem Nächstbesten, der ihm in den Weg kam, mit bloßer Hand den Kopf abschlagen. Selbst wenn er nach einer Niederlage auf sich selbst sauer war, hätte man nie annehmen müssen, er würde den Ersten, den er traf gleich umbringen, dabei war er nach einem verlorenen Kampf für mindestens eine Woche nicht ansprechbar. Allerdings hatte sich diese Aggression auch immer gegen sich selbst gerichtet, sodass er sich als Strafe selbst zum Training gezwungen hatte, bis er umfiel. Augenscheinlich war das bei der jetzigen Wut nicht der Fall. Die richtete sich gegen jemand anderen. Nur gegen wen?

Beinahe hätte Rei wegen seiner eigenen Gedanken nicht bemerkt, dass sich Kai längst in Bewegung gesetzt hatte und auf sie zukam. Er hatte seine Hände entkrampft und wieder an die Krücken gelegt, doch sein Blick war noch derselbe. Wer weiß, wen er so sehr hasste? Er mochte nicht in der Haut desjenigen stecken, auf den Kai gerade zuging... Oh.

Wen hatte er die ganze Zeit angeguckt? Und wen guckte er noch immer an, während er auf ihn zulief? Ja. Genau. Rei.

Verdammt. Er hatte sich ja selbst gerade vorgeworfen, dass er Kai Schreckliches angetan hatte, aber er hätte trotzdem nicht damit gerechnet, dass Kai deshalb so eine Wut auf ihn entwickelte. So hatte er eben noch nicht ausgesehen. Hatte er noch etwas getan? Oder etwas nicht getan? Oder war Kai vielleicht gar nicht wütend?

Ein erneuter Blick genügte. Doch! Er war immer noch fürchterlich wütend und würde sich auch wohl so schnell nicht beruhigen. Langsam bekam Rei echt Angst. Er hatte sich die Frage heut schon so oft gestellt, aber sie stellte sich einfach immer wieder von selbst aufs Neue: Was sollte er jetzt tun? Gab es überhaupt eine Antwort auf eine solche Frage, wenn man sie sich selbst stellte? Man stellte sie, weil man es ja nicht wusste. Wenn man sie sich aber selbst stellte, wie sollte man da jemals eine Antwort darauf bekommen, wenn man es doch nicht wusste?

Rei war so in die Problematik dieser Unlogik vertieft, dass er schon wieder halb verpasste, was geschah. Kai war angekommen. Er stand halb hinter Takao, der noch immer bei dem Kampf mitfieberte, den Byakko° eigentlich mehr oder minder ziemlich allein bestritt, und starrte weiterhin Rei an, der gar nicht anders konnte, als den Blick zu erwidern. Er konnte sich beim besten Willen nicht abwenden. So erschreckend und angsteinflößend Kais Augen im Moment waren, so unbeschreiblich schön und faszinierend waren sie doch zugleich. Und das nicht einmal nur wegen dem lodernden Blutrot, das einen so in seinen Bann zog, sondern auch weil diese übermäßige Wut zeigte, dass Kai immer mehr Gefühle entwickelte und diese auch zuließ. Dass Rei ihn noch nie so zornig gesehen hatte, lag schlichtweg daran, dass Kai auch seine Wut immer mehr oder weniger versteckt hatte. Anscheinend war das Ereignis von gestern in Bezug auf Kais Gefühle also doch nicht so schlecht gewesen. Für Rei änderte die Tatsache, dass Kai seine Emotionen nun doch etwas mehr aus sich herausließ zwar nichts, da auch Kai nichts aus sich herauslassen konnte, was er nun einmal einfach nicht fühlte, aber doch war er beinah schon wieder froh, dass es geschehen war. Es war wichtig für Kai. Das wusste er, auch wenn es Kai wahrscheinlich nicht unbedingt klar war.

Allerdings sollte sich Rei ein zufriedenes Lächeln darüber in Anbetracht seiner momentanen Verfassung wohl doch besser verkneifen. Er wollte ja nicht, dass Kai ihn tatsächlich gleich einen Kopf kürzer machte. Also schaute er am Besten fragend, denn er hatte ja wirklich keine Ahnung, warum Kai denn nun so dermaßen wütend war. Und das war er, wie er und auch alle anderen sogleich zu spüren bekamen.

"Was fällt dir ein, du Trottel?! Bist du noch ganz dicht? Beende diesen Kampf! Und zwar schleunigst! Und wag es nicht irgendeine Spezialattacke einzusetzen! So kurz vor der Meisterschaft all unsere Trainingserfolge der Öffentlichkeit zu präsentiere: Willst du uns ruinieren noch bevor überhaupt ein offizieller Kampf stattgefunden hat?"

Während Rei sich so schnell es ihm möglich war von Kais Augen löste und tat, wie ihm geheißen, wobei er übrigens erst einmal dafür sorgen musste, dass es Drigger nicht zuerst aus der Arena kickte, riss Takao mal wieder unüberlegter Weise seine Klappe auf. Rei hatte Kai während seinem Ausbruch genau beobachtet, weswegen er zwar ziemlich Angst vor ihm bekommen hatte, nun aber nicht so recht glaubte, dass das, was er genannt hatte, der wirkliche Grund für seinen Zorn war. Er hatte ihn zu Beginn ziemlich laut angeschrieen, war dann bedrohlich leiser geworden, wobei sich die Farbe seiner Augen noch zu intensivieren schien, und hatte dann am Ende seine Stimme wieder gehoben, allerdings nicht so, wie am Anfang. Rei hatte gesehen, dass sich während seiner Predigt etwas in ihm geändert hatte, sodass er am Ende schon nicht mehr ganz so sauer war. Wirklich noch sauer genug, aber nicht mehr so außer sich. Irgendwie schien es ihm, als hätte Kai, noch während er ihn anschnauzte bemerkt, dass es unrecht war.

Vielleicht hatte er sich das aber auch mal wieder bloß eingebildet, weil er sich so sehr wünschte, dass Kai nicht so sauer auf ihn war. Allerdings konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ihn so dermaßen auf die Palme gebracht hatte, dass er mit jemand anderem kämpfte und so riskierte seine neuen Taktiken schon vorzeitig zu verraten. Da war irgendwas faul, auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, was. Doch selbst wenn Kai gar nicht so sauer war, wie er tat, so war er doch immer noch sauer genug, sodass Takao gut beraten wäre ihm jetzt nicht blöd zu kommen, doch was konnte man schon von Takao erwarten, außer dass er genau das tun würde, was ihn wieder ganz tief in Schwierigkeiten stürzte.

"Boah, Kai, sonst geht's noch? Mach doch hier nicht so einen Aufstand. Uns kann eh niemand schlagen", meinte er überheblich vor sich hingrinsend und blickte siegessicher in die Runde, während Rei gerade den Blade seines Gegners ganz unspektakulär über den Rand der Beyarena schubste. "Siehst du?", setzte er noch hinzu, was nach Kais Meinung dem Fass dann wohl den Boden ausschlug. Rei ahnte, was nun geschehen würde, doch warnen würde er Takao nicht. Dazu hatte er gestern zu schlecht über Kai geredet und ihm davor ja auch noch diese verdammte Verletzung beigebracht. Er musste nun seiner gerechten Strafe begegnen und Rei würde ihn davor nicht beschützen und auch nicht versuchen sie zu lindern. Dazu war ihm Kai einfach zu wichtig.

Also schaute er einfach seelenruhig zu, wie sich Kai ganz langsam zu Takao, der ihm unvorsichtiger Weise den Rücken zugewandt hatte, herüberbeugte, bis sein Mund ganz nah an seinem Ohr war. Bei diesem Anblick konnte Rei allerdings nicht umhin eifersüchtig zu werden. Kannte man die Situation und auch die beiden nicht, so könnte man meinen Kai würde gleich anfangen an Takaos Ohr zu knabbern, sofern man gerade nichts Besseres zu tun hatte, als sich das vorzustellen und dabei rot anzulaufen, weil man bemerkte, dass man selbst nun liebend gern an Takaos Stelle wäre. Da Rei aber eigentlich genau wusste, dass das, was er sich da wieder vorstellte, wohl wirklich sehr viel mehr als unwahrscheinlich war und er im Übrigen ja auch wusste, was jetzt wirklich kam, wollte er doch nicht mit Takao tauschen. Allerdings war er trotz der Erkenntnis, dass seine Vorstellung niemals eintreten würde, doch so eifersüchtig auf Takao, dass er Kai so nah sein durfte, dass er nicht im Geringsten daran dachte ihn doch besser noch zu warnen, während Max schon dazu ansetzen wollte, nach Takaos Ärmel zu greifen, um ihn von Kai wegzuziehen. Rei fing indes kurzzeitig seinen Blick auf und gab ihm unmissverständlich zu verstehen, dass er das besser sein ließ. Erstens hatte Takao es einfach wirklich verdient, dass Kai sich an ihm rächen durfte, und zweitens würde Kai, würde man ihm dieses Recht in seiner momentanen Gemütslage versagen, garantiert total ausrasten und sich nicht nur Takao, sondern sie alle vornehmen.

Wieder musste Rei ungewollt schmunzeln und wurde gleich darauf auch schon wieder rot. Dass Kai sich ihn vornahm, war in einem gewissen Sinne eine durchaus angenehme Vorstellung. Aber die schlug er sich besser ganz schnell wieder aus dem Kopf, bevor ihm wieder so schmerzlich bewusst würde, dass etwas dergleichen nie wieder zwischen ihnen geschehen würde. Vor lauter Verzweiflung wurde er anscheinend schon sarkastisch und fiel dabei wieder zurück in die Denkweise, die er besessen hatte, bevor all das gestern geschehen war. Das sollte er so beibehalten. Der Sarkasmus schützte ihn vor seinen eigenen Gefühlen, sodass er zumindest nicht andauernd Gefahr lief vor allen Leuten in Tränen auszubrechen. Und seine alte Denkweise, in der er sich immer mal wieder Dinge ausgemalt hatte, von denen er geglaubt hatte, dass sie so oder so nie geschehen würden, hatte ihn davor bewahrt der Sehnsucht nach Kai nachzugeben. Nur so hatte er es all die Zeit ausgehalten in seiner Nähe zu sein und doch die Finger von ihm zu lassen - mal davon abgesehen, dass er immer eine Riesenangst gehabt hatte, dass Kai ihn lynchte, wenn er ihn anfasste.

Eine solche Angst wäre wohl nun für Takao angebracht gewesen, der jedoch immer noch fröhlich in der Gegend herum lächelte und gar nicht zu bemerken schien, dass er sich gerade in einer Lage befand, in der er sich das, weiß Gott, nicht leisten konnte. Allerdings sollte er ja schon bald den Schock seines Lebens erleiden, weshalb Rei nun auch gespannt zu ihm hinsah, während Kai sich anscheinend nun weit genug vorgebeugt hatte und langsam den Mund öffnete.

"Takao", flüsterte er ihm kaum hörbar und doch so bedrohlich ins Ohr, dass Takao seinen Kopf blitzschnell zu ihm herumriss, wobei Kai sich kein Stück bewegte. "Renn."

Wirklich beeindruckend, musste Rei zugeben. Ein Wort von Kai und aus Takaos Gesicht wich jegliche Farbe, obwohl es nicht mehr als ein Raunen gewesen war. Ein sehr, sehr gefahrvolles Raunen, wohlgemerkt, bei dem Kai fast wie ein Raubtier die Zähne gezeigt und seine Augen bedrohlich gefunkelt hatten, aber dennoch nur ein Raunen. Kai war einfach faszinierend.

Während sich Takao schnellstens daran machte sich in Bewegung zu setzen, lehnte sich Kai zufrieden wieder zurück und stützte sich auf die Krücken. Er warf einen Blick in Richtung Max, der daraufhin ohne Umschweife hinter Takao hersprintete und humpelte langsam zu der Bank neben dem Beystadium. Er sah erschöpft aus und Rei wäre nur zu gern zu ihm hingegangen, um ihm irgendwie zu helfen, aber er wusste, dass er das nicht schaffen würde. Es war eine Sache, sich aus der Entfernung seine sarkastischen Gedanken zu machen und dadurch die Erinnerung zu kontrollieren, doch es war etwas ganz anderes wieder wirklich in seiner Nähe zu sein. Das würde er nicht durchhalten. Außerdem sah Kai nicht so aus, als wollte er, dass Rei ihm so schnell wieder nah kam, so wie er ihn vor kaum zwei Minuten noch mit seinen lodernden Augen angesehen hatte, als ob er ihn mit seinem Blick töten wollte. Besser er hielt sich von ihm fern und versuchte erst einmal sich selbst zu helfen, auch wenn das absolut nicht seine Art war. Doch was brachte es jemandem helfen zu wollen, der sich lieber selbst auf den Mond geschossen hätte, als zuzulassen, dass er ihm noch einmal auf drei Meter nahe kam.

Da irrte sich Rei allerdings. Kai würde sich keineswegs selbst lieber auf den Mond schießen, als ihn in seine Nähe zu lassen. Er würde Rei auf den Mond schießen. Und zwar in Einzelteilen. Wäre Rei nun tatsächlich zu ihm gekommen, um ihm zu helfen, hätte das wohl böse geendet. Er war so wütend. Er fand schon selbst keine Worte mehr dafür. Doch Worte um die Wut herauszulassen fand er ohne Probleme. Während er sich auf die Bank neben der Beyarena setzte, stand Rei immer noch unschlüssig in der Gegend rum und beobachtete ihn, wie er wohl meinte, unauffällig. Was fiel diesem Stück Dreck ein? Der war wohl lebensmüde. Was dachte der sich dabei immer noch dazustehen, als sei er festgewachsen? Musste Kai seine Wut auf ihn wirklich noch deutlicher machen? Anscheinend. Und er tat es mit Freude. So konnte er sie herauslassen und sich daran erfreuen, wie die Angst in Reis Augen stieg, die er schon sah, als er nur den Blick auf ihn richtete.

"Willst du nicht mitlaufen?"

Das war gut gewesen. Schön bedrohlich und seine Augen hatte er wohl auch zum Funkeln bringen können. Innerlich lachte Kai böse auf. Rei hatte sich blitzschnell umgedreht und war losgesprintet. Ein bisschen Leid tun konnte er einem ja schon, wo er anscheinend nicht einmal so recht wusste, warum Kai plötzlich so eine Laune hatte. Doch er hatte es sich ja selbst zuzuschreiben. Wie konnte es dieser Scheißkerl nur wagen, ihm so wehzutun? Denn das hatte er. Kai wurde bewusst, dass er nur so wütend war, weil ihm die ganze Sache wirklich etwas bedeutet hatte; weil ihm Rei etwas bedeutet hatte. Doch nun war alles vorbei. Selbst das, was noch nicht einmal recht begonnen hatte. Alle Hoffnung war zerstört. Eigentlich fragte er sich, warum er überhaupt gehofft hatte. Er hatte doch wissen müssen, dass es nicht möglich war. Er konnte keine Freunde haben. Es funktionierte einfach nicht. Er wusste sogar, dass das nicht einmal seine Schuld war, und doch fraß ihn die Verzweiflung auf. Er wollte nicht mehr allein sein. Er wollte einfach nicht mehr, jetzt wo er, trotzdem es anscheinend nur gespielt gewesen war, erfahren hatte, wie es zusammen war.

Doch wie sollte er es anstellen? Rei schien ihm der Einzige, der es eventuell mit ihm aushalten konnte, doch den würde er bestimmt nie wieder fragen, ob er sein Freund sein wollte, obwohl er das in diesem Sinne ja noch gar nicht getan hatte. Jedenfalls würde er nicht auf Knien zurück zu Rei kriechen und ihn bitten, bei ihm zu sein. Ganz bestimmt nicht. Nicht nachdem, was Rei getan hatte. Da sperrte sich Kais Stolz dann doch. Er hatte ihn gestern und heute sowieso schon viel zu sehr vernachlässigt. Rei hatte sein Vertrauen missbraucht, obwohl er genau gewusst haben musste, dass er seit langem der Einzige war, dem Kai auch nur ansatzweise vertraute. Doch Rei hatte ihn einfach eiskalt abserviert, als er keinen Bock mehr hatte.

Schon wieder ballten sich seine Hände zu Fäusten und die Anspannung ließ seine Arme beben, während er sonst ruhig auf der Bank saß. Takao und Max liefen gerade zum fünften Mal hinter ihm vorbei, während Rei schon zum sechsten Mal ihm gegenüber an der Beyarena vorbeikam. Wenigstens über die beiden anderen Trottel behielt er die Kontrolle. Ohne Mucken hatten sie sich seinem Befehl gebeugt, wobei er einen Widerspruch weder erwartet noch geduldet hätte. Er musste ziemlich böse geklungen haben, als er Takao zugeflüstert hatte, er solle rennen. Aber das war in Ordnung. Er sollte dafür büßen, dass er ihn verletzt hatte. Genau wie Rei dafür büßen würde. Kai wusste nur noch nicht so genau, wie.

Als er ihm vorhin befohlen hatte, den Kampf sofort zu beenden und sogar noch einen halbwegs plausiblen Grund genannt hatte, war Rei seinem Befehl sofort nachgekommen, nicht jedoch, ohne dass Kai ein klein wenig Angst in seinen Augen hatte aufblitzen sehen. Und so gemein das klang: Es hatte ihm Genugtuung bereitet, obwohl es noch lange nicht alles war, was er gedachte Rei anzutun. Allerdings hatte Rei auch etwas verwirrt geschaut. Und das wiederum hatte Kai etwas verwirrt. Fast hätte er die Wut, die er doch auf ihn hatte, aus den Augen verloren, noch während er ihn angeschrieen hatte. Konnte er sich denn etwa nicht denken, warum Kai so verflucht sauer war? So gefühllos konnte Rei gar nicht sein. Kai konnte sich eigentlich schon gar nicht vorstellen, dass Rei das, was er getan hatte, mit irgendwelchen Hintergedanken getan hatte. So war Rei eigentlich gar nicht. Er war ehrlich, loyal und Kai wäre niemals auf die Idee gekommen, er würde ihm so dermaßen wehtun. Rei sagte zwar fast immer aufrichtig, was er dachte, doch achtete er dabei immer auch noch darauf, niemanden vor den Kopf zu stoßen. Nie hätte Kai gedacht, Rei könne so egoistisch sein. Und doch konnte er es ihm nicht einmal verübeln.

Kai hatte sie alle schon des Öfteren verletzt, betrogen und ausgenutzt. Vielleicht hatte es Rei einfach irgendwann gereicht. Er war ein gerechter Mensch. Vielleicht hatte er diese Gerechtigkeit einfach wiederherstellen wollen. In Bezug auf den Schmerz war es ihm zweifelsfrei gelungen. Es tat Kai so weh. Wenn er sich vorstellte, dass er seinen Teamkollegen, seinen Freunden, etwas dergleichen angetan hatte, dann sah er sogar ein, dass er den Schmerz, den er jetzt im Gegenzug erlitt, verdient hatte.

Und mit dieser Erkenntnis nahm er sich sogar selbst das Recht wütend zu sein. Er hatte verdient, was immer sie ihm antaten. Er sah es ein. Und er würde es annehmen, denn trotz allem hatten ihn die letzten Tage doch verändert. Er wollte nicht mehr so sein, wie er gewesen war. Er wollte kein egoistisches Arschloch mehr sein. Nicht mehr arrogant und desinteressiert. Er wollte mit den Menschen um sich herum leben. Er wollte nicht mehr allein sein, auch wenn er wusste, dass es nicht einfach werden würde, sich so sehr zu ändern, und auch wenn er wusste, dass ihm von denen, die er mittlerweile als seine Freunde bezeichnete, wohl kaum jemand zur Seite stehen würde, am Wenigsten Rei. Dabei wollte er gerade ihn jetzt bei sich haben.

Seine Wut war verflogen und er fühlte sich nur noch elend. Er war an allem Schuld. Er hatte Takao und Max wehgetan. Immer und immer wieder. Und er hatte Rei wehgetan, gestern mehr als jemals zuvor. Und nun hatte er es verdient, dass sie ihm wehtaten. Doch statt seine Strafe zu akzeptieren, scheuchte er sie weiterhin herum, weil er es einfach nicht ertragen konnte, dass ihm jemand überlegen war. Und Rei war das. Er war es immer gewesen, allein deswegen, weil er ein guter Mensch war. Er hatte nicht das Recht Rei bestrafen zu wollen, denn es war gerecht, was er ihm angetan hatte. Er wünschte nur, es wäre echt gewesen. Rei hatte doch immer die Ansicht vertreten, Gleiches nicht mit Gleichem zu vergelten, weil man selbst dann auch zu einem schlechten Menschen würde. Es war einfach nicht gerecht sich zu rächen, so sehr man auch verletzt worden war. Kai glaubte langsam dieses Sprichwort zu verstehen, es einzusehen. Wenn sein Erfinder so gefühlt hatte, wie er jetzt fühlte, dann verstand er. So wütend er auch war; so sehr er sich auch verletzt und ausgenutzt fühlte, er wollte nicht, dass Rei zu schaden kam. Niemand sollte Rei wehtun. Er war ihm einfach, trotz all dem Geschehenen, immer noch so sehr wichtig. Wichtiger, als alles andere. Wichtiger, als sein eigenes Glück. Wenn Rei glücklich war, wenn Kai unglücklich war, dann wollte er unglücklich sein. Es war in Ordnung, solange es Rei nur gut ging.

Er wünschte nur es hätte eine andere Möglichkeit gegeben ihm das beizubringen. Ihm wurde klar, dass Rei anscheinend wirklich nur sein Bestes gewollt hatte. Er hatte ihm beibringen wollen wieder zu fühlen. Er hatte es wohl zuerst auf dem Weg versucht, der Gleiches nicht mit Gleichem vergalt, doch anscheinend hatte auch er dann einsehen müssen, dass Kai nicht fähig war es so zu lernen. Er brauchte die harte Tour. Also hatte Rei ihm wehgetan, damit er es lernte. Nun, es hatte funktioniert. Kai war Rei dankbar, doch genauso war er enttäuscht von sich selbst. Warum musste er immer erst Schmerz fühlen, damit er etwas begriff? Wieso hatte er es nicht schon lernen können, als Rei und er zusammen in seinem Bett gelegen hatten? Warum hatte er nicht durch seinen Kuss lernen können? Wieso konnte er es nur nicht?

Aber er musste nach vorn schauen. Jetzt, endlich, hatte er es ja begriffen. Er sollte sich bei Rei bedanken, und ihn vom Training erlösen. Die anderen auch. Sie hatten es nicht verdient, dass er sie herumscheuchte. Sie hatten seinen Dank verdient, auch wenn er es allen wohl erst einmal nicht würde sagen können. Rei sollte er es sagen. Ihm wollte er es unbedingt sagen. Er sollte doch wissen, dass er nicht mehr sauer auf ihn war und dass sich Rei keine Sorgen oder Vorwürfe zu machen brauchte.

Also stand er auf. So in seine Gedanken vertieft, vergaß er die Krücken und wollte so in Richtung der Arena laufen, doch wurde er schneller und schmerzlicher, als es ihm lieb war, in diese Welt zurückgeholt. Er war unbewusst auf dem unverletzten Bein aufgestanden, doch schon beim ersten Schritt hätte er sich fast auf die Nase gelegt. Schnell zog er den schmerzenden Fuß vom Boden hoch und taumelte zurück auf die Bank. Ihm war ziemlich schwindlig geworden, doch der Schmerz hatte seine Gedanken gereinigt. Nun war er wieder in der Lage mehr oder weniger klar zu sehen, was eigentlich geschah. Rei musste ihn wohl beobachtet haben, während er seine Runden drehte, denn keine zwei Sekunden, nachdem Kai wieder saß, stand Rei auch schon vor ihm. Er sagte nichts, nichts in Worten, doch sein Blick sagte alles. Immer noch nicht ganz zurück in der realen Welt schaute Kai zu ihm auf und begegnete einem Blick, der ihm den Atem raubte. Wieder schien die Sonne sich gedacht zu haben, heute nur für diese Augen scheinen zu wollen. Sie leuchteten, strahlten eine solche Wärme aus, dass Kai selbst ganz warm wurde.

Er hatte zwar die ganze Zeit in der Sonne gesessen, doch war ihm eher kalt gewesen, schließlich war es auch schon bald Herbst und er trug nur ein Muskelshirt. Rei schien auch warm zu sein, denn seine Wangen waren ganz gerötet und seine Stirn glänzte ein wenig, doch das war nicht weiter verwunderlich. Kai hatte keine Ahnung, wie lang seine Teamkollegen schon im Kreis gerannt waren. Er hatte die Zeit vergessen, genau wie er seine Krücken vergessen hatte, weil er noch so sehr in Gedanken gewesen war. Und durch die Gedanken hatte er auch seine Wut vergessen.

Noch immer blickte er geistesabwesend zu Rei hinauf. Er konnte einfach den Blick nicht von ihm wenden. Doch er wollte sich nicht nur mit einem Blick bedanken. Er wollte es sagen. Er wollte "Danke" sagen, so wie er es sich vorgenommen hatte.

Ein weiteres Mal stand er auf und vergaß schon wieder seine Krücken. In seinem Kopf war einfach kein Platz dafür. Er war erfüllt von den vielen Gedanken an Rei, an seinen Blick, an seine Bedeutung. Er war ihm so wichtig. Er hätte jetzt einfach die zwei Schritte nach vorn stolpern und ihm in die Arme fallen können. Doch er wusste ja, dass das nicht ging. Nicht vor den anderen, aber auch nicht, wenn sie allein waren. Rei war ihm zwar wichtiger, als alles, doch er war Rei nicht wichtig. Deshalb durfte er ihn nicht bedrängen, denn dann würde er ihm schaden und das wollte er auf keinen Fall. Er musste ihn vor sich selbst schützen. Doch dazu musste er erst einmal mit seinen Gedanken zur Ruhe kommen und sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Nie hätte er gedacht, dass das so schwer sein konnte.

Er kniff die Augen fest zusammen und senkte den Kopf, damit er nur nicht wieder von dem leuchtenden Gold gefangen würde und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, bevor er nach den Krücken griff. Er stützte sich auf sie, bemerkte, wie ihm wieder schwindelig wurde und schloss erneut die Augen, während er sich aufrichtete. Eine ganze Zeit blieb er so stehen und versuchte sich zu überlegen, was er jetzt machen sollte. Doch wieder wurde er davon abgehalten. Von demselben, der ihn schon die ganze Zeit von allem abhielt. Er brauchte seine Augen gar nicht zu öffnen. Er spürte, dass Rei ihm näher kam. Er konnte seinen Atem hören, ihn an seinem Gesicht vorbeistreifen fühlen. Er wollte zurückweichen, doch hinter ihm stand die Bank. Er wusste nicht einmal, warum er so plötzlich von ihm weg wollte, wo es doch die ganze Zeit sein Wunsch gewesen war, wieder bei ihm zu sein. Wieso widersprachen sich seine Gedanken und seine Taten in letzter Zeit nur so häufig?

Er musste jetzt einfach an das denken, was er tun wollte. Was wollte er tun? Richtig: Sich bedanken. Wie sollte er das machen? Erst einmal die Augen öffnen wäre vielleicht nicht schlecht. Also hob er eines seiner Lider und schaffte es sogar sich davon abzuhalten, es gleich wieder zu senken, obwohl er das am liebsten getan hätte, denn was er sah, würde ihm nicht unbedingt bei seinem Vorhaben helfen. Rei war viel zu nah. So konnte er nicht denken. Klar konnte er noch denken, doch eben nur denken. So konnte er nichts tun.

Er registrierte, wie Rei sich wieder ein Stück zurückbewegte, ihm jedoch weiterhin fest in die Augen blickte. Kai jedoch konnte den Blick nicht länger erwidern. Er wollte nicht. Er wollte jetzt endlich etwas tun. So einfach hatte man ihn doch früher nicht von etwas abbringen können. Selbst wenn sich in den letzten Tagen viele seiner Charaktereigenschaften verändert hatten - zum Guten, wohlgemerkt - so würde er doch nicht zulassen, dass sich seine Willenskraft verflüchtigte, denn diese war eins der wenigen Dinge, die er auch an seinem alten Charakter für gut befand. Er würde erreichen, was er wollte, besonders, da er jetzt wusste, dass sich manche Dinge, die man wollte, selbst ausschlossen und man sich demnach für das wichtigere entscheiden musste. Er hatte sich entschieden. Zwischen Rei und Reis Wohlergehen. Für Kai war die Wahl eindeutig: Reis Wohlergehen gewann mit einem Riesenvorsprung, auch wenn ein Teil seiner Seele so sehr dagegen protestierte, dass er fast alles wieder über den Haufen geworfen hätte. Doch nun stand das Ergebnis fest und unantastbar. Zumindest solang er Rei nicht so nah war oder ihm direkt in die Augen sehen musste, denn dann verflüchtigte sich sein Bewusstsein und konnte ihn nicht mehr davon abhalten seiner Sehnsucht zu folgen.

Den Blick noch immer auf den Boden gerichtet hielt er sich an den Krücken fest, denn er hatte das Gefühl, dass ihn gleich die Kraft verließ. Doch er wollte es jetzt tun. Jetzt oder nie. Er holte einmal tief Luft, öffnete den Mund und... sagte nichts. Ihm war so kalt. So verflucht kalt, dass er die Zähne fest zusammenbeißen musste, damit Rei sie nicht klappern hörte. Aber er musste sich jetzt zusammenreißen. Nachdem er erledigt hatte, was er doch endlich erledigen wollte, konnte er ja wieder in sein Zimmer gehen. Jetzt musste er es jedoch erst aussprechen.

Noch einmal sog er die Luft tief ein. Ganz automatisch, weil er es immer getan hatte, wenn er mit jemandem sprach, hob er den Kopf und blickte zu Rei. Leider jedoch vergaß er darüber zu atmen. In Reis Blick lag Angst und doch gab genau dieser Blick ihm die Kraft, die er brauchte, denn es war keine Angst vor ihm, sondern um ihn. Es machte ihn so glücklich und ihm wurde wieder in allen Einzelheiten bewusst, warum es ausgerechnet Rei war, bei dem er sich unbedingt bedanken musste. Ohne es zu wollen, oder richtig zu bemerken, legte sich ein leises Lächeln auf seine Lippen und er konnte endlich das Wort sagen, dass ihm schon seit Rei nach seiner Hand gegriffen hatte, als er ins Wasser gefallen war, durch den Kopf schwirrte.

"Danke."

Rei traute seinen Ohren nicht, und seinen Augen erst recht nicht. Nicht nur, dass sich Kai gerade bei ihm bedankt hatte - wofür auch immer - er lächelte ihn dabei auch noch an. Ein solches Lächeln hatte er noch nie gesehen. Nicht nur nicht bei Kai, auch nicht bei jemand anderem. Er hatte allerdings davon gehört. Ein Lächeln, das den Gegenüber völlig entwaffnete, ihn ohne Schutz zurückließ und dennoch für nichts, als ein absolutes Glücksgefühl sorgte.

Er konnte gar nicht in Worte fassen, wie glücklich er in diesem Moment war. Er hatte doch gedacht, Kai hasste ihn. Wie er ihn angesehen und wie er ihm befohlen hatte, gefälligst mit dem Lauftraining anzufangen, hatte keine andere Schlussfolgerung zugelassen. Er hatte seine Wut förmlich spüren können. Und er war ganz allein auf ihn wütend gewesen. Vielleicht noch ein kleines Bisschen auf Takao, aber sonst ausschließlich auf ihn, auch wenn Rei nicht gewusst hatte, warum. Er selbst hätte allen Grund gehabt sauer zu sein und zwar auf Kai. Immerhin hatte er ihn abserviert. Doch das war nicht seine Art. Wenn er traurig war, dann war er traurig, verzweifelt, aber nicht wütend. Bei Kai konnte er sich durchaus vorstellen, dass sich Traurigkeit in Wut verwandelte. Aber worüber hätte Kai traurig sein sollen?

Während er lief, hatte er sich so seine Gedanken gemacht, seinen Blick jedoch kaum von Kai lösen können. Zum Glück hatte er ihn nicht bemerkt, obwohl Rei glaubte, dass schon nach einer kurzen Zeit, die Kai allein auf der Bank gesessen hatte, seine Wut um einiges nachgelassen hatte. Er hatte außerdem ziemlich abwesend gewirkt, als wäre er so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er es nicht einmal mitbekommen hätte, wenn Takao einfach mit dem Laufen aufgehört hätte, obwohl Kai das sonst selbst merken würde, wenn er schlief. Und dann hatte er auch noch versucht aufzustehen. Das allein wäre ja wahrscheinlich auch noch gut gegangen, doch dann hatte er tatsächlich versucht ohne Krücken zu laufen. Rei war ziemlich davon überzeugt, dass er schlichtweg vergessen hatte, dass er verletzt war, und dennoch hatte es ihn so sehr überrascht, dass Kai kaum vier Meter von ihm entfernt wirklich mit einem ganz verklärten Blick den verletzten Fuß aufsetzte und auf ihn zuzulaufen versuchte, dass er sich beinah ganz böse auf die Nase gelegt hätte. Er hatte es allerdings im letzten Moment noch geschafft sich abzufangen und war daraufhin schnellstens zu Kai gesprintet.

Für einen kurzen Moment, wahrscheinlich den, in dem der Schmerz am größten gewesen war, hatte sein Blick wieder klar gewirkt, doch schon als er wieder auf der Bank saß und zu ihm aufgeblickte, waren seine Augen wieder matt gewesen. Und doch hatte Rei das Gefühl gehabt, als würde er ihn nur allzu deutlich erkennen. Er hatte nichts sagen können. Er hatte ihn nur ansehen können. Seine Augen hatten im Licht der Morgensonne geleuchtet. Dieses Mal jedoch keineswegs bedrohlich. Er fand keine Worte dafür, doch er wusste, dass sie wegen ihm leuchteten, weil Kai ihn erkannt hatte, was ihn wiederum davon abgehalten hatte irgendetwas zu unternehmen, als Kai schon wieder aufgestanden war.

Er taumelte erneut ein wenig, blieb aber diesmal mit gesenktem Kopf auf einem Bein stehen, bevor er nach den Krücken griff und seinen Kopf wieder hob, ohne jedoch die Augen zu öffnen. Rei befürchtete, dass Kai ihn jetzt nicht mehr ansehen wollte, was ihm fast die Luft abschnürte, weil er schon dachte, er hätte sich all das, was vorher geschehen war, nur eingebildet. Die Augen, den Blick und die Bedeutung, die er ihnen so gern beimessen würde. Er wollte so sehr daran glauben, dass er sich vielleicht doch geirrt hatte. Er wollte so gern glauben, dass er Kais Verhalten einfach falsch interpretiert hatte und er in Wirklichkeit doch etwas für ihn empfand. Er hatte gedacht, all seine Hoffnung sei zerstört worden, doch kaum hatte Kai auch nur das kleinste Anzeichen von Gefühl gezeigt, war alles wieder da. Rei hoffte nur, er würde sie nicht erneut zerschmettern, denn er wusste nicht, ob er das ein zweites Mal überstehen würde.

Kai hatte sehr lange mit geschlossenen Augen dagestanden, sodass Rei nach einer Weile doch ein wenig Angst bekommen hatte, ob es ihm auch wirklich gut ging. Er hatte ihn angesprochen, doch keinerlei Regung erkennen können. Kai schien mit seinen Gedanken wieder sehr weit weg zu sein. Er kannte das selbst. Wenn man wirklich über etwas nachdachte, nahm man seine Umgebung einfach nicht mehr wahr. Doch bei Kai konnte er sich das eigentlich gar nicht vorstellen. Er hatte ihn zwar andauernd nachdenken sehen - das berühmte Anlehnen an die Wand mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen - aber hatte er doch immer gedacht, Kai bekäme alles mit, was um ihn herum passierte. Jetzt war ihm das nicht wirklich so vorgekommen. Schon drei Mal hatte er seinen Namen gesagt und doch hatte sich nicht die geringste Reaktion gezeigt. Allmählich machte er sich wirklich Sorgen. Deshalb hatte er sich auch zu ihm herübergebeugt, war dann jedoch nicht mehr dazu gekommen ihm noch einmal seinen Namen ins Ohr zu flüstern. Mit immer noch geschlossenen Augen war Kai ein Stück vor ihm zurückgewichen, was ihn dazu gebracht hatte sich schnellstmöglich wieder zurückzuziehen. Er wollte nicht, dass er ihm nah war. Er hatte es doch gewusst.

Kai hatte seinen Blick wieder zu Boden gerichtet. Anscheinend hatte er Reis Blick nicht ertragen können. Und Rei konnte es ihm nicht einmal verübeln. Er war ihm zu nah gekommen. Wieder. Und nun hatte er sich von ihm abgewandt. Wieder. Und schon wieder hatte Rei beinah der aufkeimenden Verzweiflung nachgegeben, doch hatte er dann Kai einatmen hören, so als würde er gleich etwas sagen wollen. Er hatte nichts gesagt, doch das kannte Rei ja schon. Wenn Kai etwas sagen wollte, dann würde er es tun, selbst wenn er zehn Versuche bräuchte. Allerdings hatte er sich noch immer Sorgen gemacht, als Kai seinen Kopf wieder gehoben hatte. Er hatte diese Angst wohl auch nicht aus seinem Blick verbannen können, als Kai seine Augen endlich wieder geöffnet hatte, denn er hatte in seinen Augen gesehen, wie sich die Entschlossenheit erst recht formte, als er Reis Blick begegnet war. Und wieder hatte sich ein Lächeln auf sein Gesicht geschlichen.

Und dann? Ja, und dann hatte er einfach "Danke" gesagt, ihn noch ein wenig angelächelt und sich dann auf den Weg zurück ins Hotel gemacht. Einfach so. Ohne ein weiteres Wort. Wofür, zum Teufel, bedankte er sich? Aber wer weiß, was der wieder hatte? Vielleicht Halluzinationen, sodass er glaubte, dass Rei irgendetwas getan hatte, wofür er sich bedanken müsste? Redete er ihm Fieberwahn? ...

Scheiße. Hatte er etwa Fieber? Das würde seine roten Wangen erklären und auch das er plötzlich einmal so gezittert hatte. Und auch das Taumeln, als er aufgestanden war. Und nach dem gestrigen Tag war das nicht einmal abwegig.

Scheiße. Er hatte hohes Fieber. Und er ging einfach allein zurück ins Hotel. Was, wenn er umfiel und irgendwo gegen schlug und bewusstlos liegen blieb und niemand ihn fand?

Oh, scheiße. Er musste ihm hinterher! Sofort!

Aber konnte er das auch tun? Durfte er das tun? Kai wollte ihn doch nicht bei sich haben! Aber er konnte ihn doch auch nicht einfach sich selbst überlassen! Aber er wollte Kai doch nicht mehr zu nahe kommen, auch weil er das selbst kaum durchhielt! Aber er hatte doch solche Angst um ihn! Was sollte er nur tun?!

"Der ist heut ja fast genau so komisch, wie du, Rei. Verschwindet einfach mitten im Training und das ohne Drohung, wir sollen ja weitermachen."

Takao hatte ohne eine solche Drohung natürlich längst mit dem Laufen aufgehört und sich zu Rei gestellt, der immer noch in seine Gedanken vertieft an der Bank stand und zur Tür blickte, durch die Kai verschwunden war. Er hätte sich alle Haare einzeln herausreißen können. Was sollte er nur tun? Er konnte Kai nicht hinterher gehen. Der würde ihn zerfleischen. Aber wenn er die ganze Zeit eine solche Angst um ihn hatte, konnte er sich keinesfalls auf das Training konzentrieren.

"Stimmt, schon komisch", meinte nun auch Max, "meinst du, er ist krank? Sah ja nicht gerade fit aus. Und er hat gefrühstückt! Weißt du, wann ich Kai das letzte Mal frühstücken sehen hab? Das war... Moment... Nein, das warst auch du, Takao. Noch nie hab ich ihn frühstücken sehen!"

"Ach was, der macht das bestimmt immer heimlich. Und krank ist er bestimmt auch nicht. Eher geht die Welt unter. Und außerdem sieht er nie gut aus. Weiß gar nicht, was die Mädels an dem finden. Dämlicher Eisklotz."

Dafür fing er sich eine. Rei war ja eigentlich wirklich gegen Gewalt, aber das war zu viel. Und anders schien Takao es auch nicht zu begreifen. Genau wie Kai brauchte er die harte Tour, um etwas zu lernen. Kai hatte er erst küssen müssen, bevor er etwas gefühlt hatte. Und Takao musste er erst seine Faust ins Gesicht setzen, bevor er begriff, wie ungerecht und arrogant er da redete. Er kannte Kai überhaupt nicht und ließ trotzdem solche Sprüche hier ab. Rei hätte ihn am liebsten auf den Mond geschossen. In Einzelteilen. Doch jetzt musste er sich erst einmal beruhigen.

Er ließ seine verdutzten - um nicht zu sagen geschockten - Teamkameraden einfach stehen und ging ins Hotel, um erst einmal wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
 

°Byakko = der eigentliche Name des Bitbeasts Drigger. Eigentlich heißt nämlich im japanischen Original der Beyblade an sich "Drigger", während sich das Bitbeast darin Byakko nennt. Es ist eines der 5 shijinjû. Das sind Wesen aus der chinesischen Mythologie. Sie repräsentieren sowohl Farben, als auch eine Jahreszeit, die 5 Elemente und die 4 Himmelsrichtungen + die Mitte (sie sind die Wächter der Stadt Kyotô) und werden in vielen Animes und Mangas immer wieder gern eingesetzt ^.^

Da ich gerade Spaß hab, verrat ich euch jetzt noch mehr:

Seiryû (Dragoon) steht für grün/blau (macht in Japan irgendwie keinen Unterschied *schulterzuck*), den Frühling, das Holz (als Element) und ist der Wächter des Ostens

Suzaku (Dranzer) steht für rot, den Sommer, das Feuer (als Element) und ist der Wächter des Südens

Byakko (Drigger) steht für weiß, den Herbst, das Metall (als Element) und ist der Wächter des Westens

Genbu (Drazil) steht für schwarz, den Winter, das Wasser (als Element) und ist der Wächter des Nordens

Dann gibt es auch noch Kôryû, der in Japan aber für gewöhnlich ignoriert wird (keine Ahnung, warum û.û) Jedenfalls steht er für gelb, das Ende des Sommers, die Erde (als Element) und ist der Wächter der Mitte (scheint mir ganz so, als gäb's da eine Verbindung zu Daichis Bitbeast *den Namen vergessen hab*)

Nun, Geschichts-/Relistunde beendet

Äh, ja... *sich selbst das Nachwort versaut hat* =_=' Nachwort ist jetzt wohl nicht mehr ~.~ *selber hau*

Eins noch: Danke fürs Lesen, Kommentare sind immer erwünscht und Schleichwerbung woanders ebenso ^__^

Nya, ciaoi

tenshi

Wer weiß...

*Trommelwirbel*

ICH HAB'S GESCHAFFT!!

Ich bin tatsächlich fertig mit dieser Fanfic... Irgendwie bin ich jetzt traurig ;_;

Tut mir übrigens ehrlich Leid, dass es wieder so ewig gedauert hat ~.~° Aber wirklich: Japanisch studieren ist nicht so einfach (nya, auch nicht so schwer, wenn's einem Spaß macht), aber es nimmt einem wirklich alle Freizeit >.< *Vokabeln tret*

Dann kam auch noch dazu, dass mir irgendwann bewusst wurde, dass ich grad das letzte Kapitel schreibe und das bedeutete, dass die Geschichte damit zu Ende ist, ich aber eigentlich gar nicht wollte, dass sie 'schon' zu Ende ist <.<

Und natürlich hat sich das blöde Teil, wenn ich dann mal zum schreiben gekommen bin, so ziemlich von allein geschrieben, sodass ich aber immer darauf achten musste, dass ich den Faden nicht verliere und überhaupt irgendwann bei meinem geplanten Ende ankam. Dafür finde ich das Kapitel übrigens ziemlich kurz... Ich weiß auch nich... Es gibt ganze Fanfics, die (mit Vorwort) nicht an 7.705 Wörter rankommen (ohne Vorwort), aber ich hab trotzdem zwischendurch noch immer gedacht, ich müsse mehr schreiben, weil's ja sonst viel zu schnell zu Ende ist ;_;

Nya, sonst war eigentlich alles wie immer, bis auf dass diesmal wirklich viel Zeit zwischen den einzelnen Teilen lag ~.~ Wenn euch also irgendwelche Ungereimtheiten auffallen, liegt das daran, dass ich mich selbst beim weiter schreiben immer erst wieder einlesen musste und dann auch mal was vergessen hab ^,^' Beispiele gibt's am Schluss, sonst verrat ich ja jetzt hier alles.

Und jetzt halt ich euch auch nicht weiter auf!

Fein lesen ^__^

[EDIT]Der Mist hier mit den Umlauten tut mir Leid, aber irgendwie kann ich hier nix aendern ~.~ *mexx tret* Ich hab das alles jetzt bestimmt schon 5 Mal durchgearbeitet und dann laedt der und laedt und sagt mir irgendwann nur "ein Fehler ist aufgetreten" *durchdreh* Als ob ich nix besseres zu tun haette @_@

... ich versuch's später nochmal

[EDIT2] hab den verfluchten Umlautfehler jetzt hoffentlich ausgeraeumt (wenn der wieder kommt, dreh ich durch @_@). Das mach ich aber auch nicht nochmal... Als haette ich sonst nix zu tun ù_ú Aber da merkt man erst mal, wie viele Woerter es im deutschen mit Umlaut gibt und dass man andauernd die gleichen benutzt ^.^' (*Konjunktiv tret*)
 


 

Kapitel 10 Wer weiß...
 


 

Rei vermutete, dass Kai nun auf dem Weg in sein Zimmer sein würde. Er musste gemerkt haben, dass er hohes Fieber hatte, doch er hatte nicht gehen wollen, bevor er sich nicht bei Rei bedankt hatte. Unter immenser geistiger wie auch körperlicher Anstrengung hatte er sich bei ihm bedankt und Rei hatte nicht den blassesten Schimmer, wofür überhaupt. Er verstand sowieso nicht, wie Kais Stimmung in so kurzer Zeit von gigantischer Wut zu ruhiger Dankbarkeit umschlagen konnte, noch dazu da in dieser Zeit rein gar nichts geschehen war. Kai hatte nur auf der Bank gesessen und war seinen Gedanken nachgehangen. Rei hatte jedenfalls nichts Außergewöhnliches getan, das seine Stimmung hätte beeinflussen können.

Wieso nur war er ihm dankbar? Oder war er ihm nur dankbar, dass Rei einfach seine Klappe gehalten hatte und die Anderen auch scheinbar nichts ahnten? Aber deshalb würde er doch nicht so dankbar sein. Rei erinnerte sich nur zu genau an sein Lächeln, an die Art, wie er das Wort ausgesprochen hatte. Es hatte ihm so viel bedeutet, es zu sagen; es ihm zu sagen. Was hatte er nur gemeint?

Doch eigentlich war es vollkommen egal, wofür er Rei denn nun so dankbar war. Rei musste schnellstens zu ihm. Er war krank. Er brauchte Hilfe. Und trotz allem war Rei sich ziemlich sicher, dass er der Einzige war, bei dem die Chance bestand, dass Kai seine Hilfe auch annahm. Allerdings musste er ihn dazu erst einmal finden. Wenn er in sein Zimmer wollte, würde er höchstwahrscheinlich den Aufzug benutzen, denn nicht einmal Kai war so lebensmüde in seinem Zustand auch noch mit Krücken die Treppe zu hoch zu krakeln. Aber eigentlich konnte er doch noch gar nicht so weit gekommen sein. Er war zweifellos auf Krücken ziemlich langsam und Rei war doch auch ziemlich schnell nach ihm herein gegangen. Oder hatte er etwa beim Überlegen, ob er denn nun hinter Kai herlaufen sollte, oder doch besser nicht, wieder einmal die Zeit vergessen und war doch viel später losgegangen, als er gedacht hatte? Oder hatte er etwa doch zu lange neben dem am Boden liegenden Takao gestanden und herablassend auf ihn hinuntergeblickt? Hoffentlich hatte er sich nichts Ernsthaftes getan. Obwohl: Verdient hätte er es ja doch.
 

Wo war Kai nur? Er konnte ihn nirgends sehen. Im Gang war er nicht mehr, im Speisesaal allerdings auch nicht und in der Empfangshalle, die Rei nun durchquerte, konnte er ihn auch nicht entdecken. Aber er musste diesen Weg genommen haben. Es gab keine anderen Aufzüge. Wo war er denn nur? Rei bekam schon wieder Panik. Wenn er ihn nicht fand, oder zu spät fand oder erst fand, wenn er ihn schon nicht mehr einholen könnte, was machte er denn dann nur? Er musste ihn finden! Er musste ihn finden!

Da! Da stand er. Direkt vor dem mittleren Aufzug. Wie hatte er ihn denn da übersehen können? Noch dazu, da die Empfangshalle fast völlig leer war. Nur ein paar Kinder rannten gerade mit einem höllischen Geschrei in seine Richtung, während zwei Männer auf Kai zugingen. Irgendwie kamen sie Rei bekannt vor, doch er konnte sie einfach nicht zuordnen. Aber um ernsthaft darüber nachzudenken fehlte ihm im Moment auch die Geduld. Er wollte endlich zu Kai.

Er tat einen Schritt nach vorn und wäre beinah über eines der Kinder gefallen, die sich wohl schon eine ganze Zeit um ihn herum gescharrt hatten. Er hatte sie gar nicht bemerkt, was auf Grund der durch sie verursachten Lautstärke eigentlich gar nicht möglich war. Es kam Rei vor, als kreischten sie, wie am Spieß, so als würde er sie entführen wollen, doch nachdem er sie etwas genauer betrachtet hatte, wurde ihm klar, dass sie nicht kreischten, sondern ihn anschrieen.

Ihm war noch nicht ganz klar, ob sie nun aus Wut schrieen oder aus Freude, denn bei den mindestens zehn Stimmen konnte er nicht genau ausmachen, was sie denn da alle riefen, aber im Grunde war es ihm auch eigentlich egal. Er wollte jetzt zu Kai und diese Bälger gingen ihm besser aus dem Weg, wollten sie nicht wie Takao am Boden enden. Nein, so weit würde er nicht gehen, aber sie sollten ihn trotzdem besser durchlassen, weil er sich sonst mit etwas Gewalt seinen Weg würde freiräumen müssen.

Wieder setzte er einen Fuß nach vorn, jetzt allerdings darauf achtend, dass er keines der Kinder umrannte. Tatsächlich wichen sie alle ein Stück zurück und es schien, als würden sie ihn durchlassen, doch da hatte sich Rei wohl zu früh gefreut. Schon dabei den zweiten Schritt zu machen, den Blick immer noch fest auf Kai gerichtet, registrierte er, wie sich mindestens zehn Paar Hände in seine Hose krallten. Was zum Teufel wollten diese Bälger von ihm? Er würde sich auf keinen Fall von ihnen aufhalten lassen. Er musste zu Kai. Diese lächerlichen Kinder hatten keine Chance. Er hätte Boris höchstpersönlich getrotzt, obwohl er doch froh war sich nur mit diesen kleinen Monstern herumschlagen zu müssen.

Genervt drehte er sich - soweit möglich - zu ihnen herum und versuchte die immer lauter werdenden Schreie auseinander zu halten, woran er jedoch kläglich scheiterte, zumal er auch nicht wirklich Lust hatte, sich ernsthaft mit diesen Bälgern, die ihn nur davon abhielten zu Kai zu kommen, zu beschäftigen. Rei krallte sich einen erreichbaren Jungen am Kragen und schrie ihm ebenso laut ins Gesicht.

"Was wollt ihr von mir?!"

Beinahe wäre der Kleine ohnmächtig geworden, doch wandelte sich sein Blick schon bald von Angst zu Trotz, wohl auch weil Rei seine grimmige Fassade nicht lange aufrechterhalten konnte. Er konnte den Kindern einfach nicht böse sein, so sehr sie ihn auch nervten.

"Autogramm", schrie der Junge ihm ins Gesicht.
 

Das hätte sich Rei ja eigentlich auch denken können. Was sollten die Bälger sonst schon wollen? Aber er hatte nun wirklich nicht die geringste Lust sich hier hinzusetzen und Autogrammkarten zu unterschreiben. Hektisch warf er einen erneuten Blick zu Kai, der noch immer schwer auf seine Krücken gestützt vor dem Aufzug wartete, während diese Männer ihm immer näher kamen. Woher kannte Rei sie nur? Es wollte ihm einfach nicht einfallen, doch er wusste dennoch, dass sie ihm nicht in guter Erinnerung geblieben waren. Wer war das nur? Und wie kam er nun möglichst schnell zu Kai? Diese Kinder wurde er so schnell nicht wieder los, wenn sie nicht ihre Autogramme bekamen. Sie würden ihn belagern, solang er nicht irgendwelche Unterschriften auftrieb.

Doch - wer hätte das gedacht? - Takao war doch noch mal für etwas gut. Gerade ging er, sich beide Hände auf das Gesicht haltend, mit Max durch die Eingangstür. Hatte er ihn etwa doch zu fest geschlagen? Tja, selbst wenn. Rei hatte jetzt keine Zeit und wenn er ehrlich war, auch kein wirkliches Mitleid. Außerdem war Takao ja dafür bekannt, dass er jammerte ohne Ende. Würde schon nicht so schlimm sein. Und Fans munterten ihn auch immer auf. So konnte Rei gleichzeitig etwas bei ihm wiedergutmachen und sich selbst helfen.

"Schaut mal, Kinder! Da hinten kommt der Weltmeister Takao!"

Kaum war das letzte Wort ausgesprochen, rasten die Kleinen auch schon auf Takao und Max zu und krallten sich in ihre Klamotten. Rei vergewisserte sich noch kurz, ob sie auch wirklich bei ihm blieben und sprintete dann seinerseits in Richtung der Aufzüge, von denen er gerade ein leises 'Pling' gehört hatte, das das Öffnen der Türen ankündigte. Als er die Männer nun zum dritten Mal betrachtete, fiel ihm endlich das entscheidende Detail ins Auge, das seine Erinnerung gebraucht hatte. Der Fotoapparat. Es waren die Journalisten von gestern! Und sie liefen auf Kai zu! Sie würden ihn ablichten. Und das in seinem Zustand. Er konnte sich wahrscheinlich nicht einmal mehr wehren. Rei musste zu ihm! Schnellstmöglich!
 

Kai musste in sein Zimmer. Schnellstmöglich. Er fühlte sich schwach. Nicht so, als würde er jeden Moment umkippen, aber auch nicht so, als könne er noch sehr viel länger hier stehen. Er wartete schon ewig auf diesen verdammten Aufzug und langsam wollten seine Arme sein Gewicht nicht mehr tragen. Er musste wirklich ab ins Bett.

Bei dem Gedanken konnte er sich ein kleines Grinsen einfach nicht verkneifen. Wenn er ab jetzt immer, wenn er an das Wort 'Bett' dachte, grinsen müsste, hatte er ein Problem. Das war ein recht geläufiges Wort und er musste ja auch oft dafür sorgen, dass sich seine Teamkollegen mal dazu bequemten, schlafen zu gehen. Es dürfte ziemlich schwierig werden, sie dazu zu bewegen, wenn er dieses Wort nicht benutzen durfte. Tja, aber eigentlich war es auch egal. Entweder sie müssten halt mal selber rechtzeitig schlafen gehen, oder sie würden eben die Konsequenzen tragen müssen, denn um sie zu wecken, brauchte er das Wort nicht.

Außerdem würden sich diese Gedanken mit der Zeit bestimmt legen. Die Erinnerung an gestern würde mehr und mehr verblassen und das Verhältnis zwischen ihm und Rei würde sich wieder normalisieren. Dann wäre alles wieder, wie es früher gewesen war, nur dass Kai sich bemühen würde etwas offener zu sein. Das hatte er sich vorgenommen, denn trotzdem ihm das Ereignis gestern ihm Endeffekt mehr Schmerz als Freude bereitet hatte, hatte es ihn doch etwas gelehrt: Er wollte nicht mehr allein sein. Nie wieder so allein.

Er würde einfach mit kleinen Schritten anfangen. Ganz langsam würde er lernen ein ganz normaler Jugendlicher zu sein. Er würde es schaffen. Und vielleicht, nur ganz vielleicht, würde Rei ihm dabei helfen. Er brauchte ihn nicht so sehr, wie Kai ihn brauchte, aber dennoch war sich Kai nahezu sicher, dass Rei ihn als Freund ansah. Und für Rei war Freundschaft wichtig. Das hatte er mehrmals überdeutlich klargemacht. Und wenn Kai endlich fähig war, diese auch zu erwidern, dann würde sich ihre Freundschaft vielleicht vertiefen und Kai könnte Rei etwas von dem zurückzahlen, was er in seinen Augen für ihn getan hatte. Rei war derjenige, der alles ausgelöst hatte, und das einfach nur durch seine Anwesenheit - und den Kuss natürlich, aber zuallererst durch seine bloße Anwesenheit.

Kai wünschte, Rei könnte jetzt auch bei ihm sein, denn er fühlte sich noch schwacher, als gestern und schon da hatte er sich gern bei Rei angelehnt. Anscheinend bekam er etwas Fieber. Ihm wurde immer wieder heiß und kalt und etwas schwindelig war ihm auch. Aber Rei war nicht da und würde wohl auch nicht kommen. Er hatte es zwar geschafft sich bei ihm zu bedanken, aber das änderte nun mal auch nichts an Reis Absichten ihm gegenüber. Er hatte ihm helfen wollen seine Gefühle wieder zu finden. Das war schon mehr, als Kai jemals erwartet hatte, doch versetzte es ihm trotzdem einen Stich.

Ihm war klar geworden, dass dieses Ereignis genau das gewesen war, was er sich schon so lange wünschte, ohne es jemals wirklich bemerkt zu haben. Er hatte Rei schon viel länger still und leise beobachtet, ohne dass es ihm je bewusst aufgefallen war. Er war ihm schon seit einiger Zeit wie zufällig immer näher gekommen. Er hatte sich das alles so sehr gewünscht und nun war es geschehen. Er sollte glücklich sein und aus dem, was er daraus gelernt hatte, das Beste machen. Er sollte dem Ereignis nicht hinterher trauern. Das brachte ihn nicht weiter und ohne Fortschritt würde er etwas dergleichen auch nie wieder erleben. Er musste sich jetzt darauf konzentrieren, was er erreichen wollte. Und er würde es schaffen.
 

Jetzt allerdings sollte er es erst einmal bis in sein Zimmer schaffen, denn endlich hatte er das erlösende 'Pling' gehört, dass das Öffnen der Aufzugtüren ankündigte. Er hob den Kopf und wartete sehnsüchtig, bis er sich selbst im Spiegel erkennen konnte, was bedeutete, dass die Türen sich ganz geöffnet hatten und er besser eintreten sollte, bevor sie sich wieder schlossen und er Aufzug ohne ihn losfuhr. Doch bei seinem eigenen Anblick verschlug es ihm einfach die Bewegungsfähigkeit. Herrgott, sah er schrecklich aus. Dagegen war er ja heut morgen nach dem Aufstehen richtig hübsch gewesen. Er hing dort mehr auf seinen Krücken, als dass er mit ihrer Hilfe stand, während seine Arme von der Belastung leicht zitterten. Außerdem glänzte seine Haut von dem Schweiß, der sich durch das Fieber gebildet hatte. Seine Haare hingen ihm schlaff in die Stirn und auch seine Augen blickten ihn nur müde aus dem blassen Gesicht an. Er war wohl doch kranker, als er gedacht hatte. Den, der ihn so sah, würde er wohl töten müssen. Selbst Rei.

... Und erst recht die Journalisten, die gerade auf ihn zuliefen. Verdammt, die hatte er gar nicht bemerkt, obwohl sie schon ziemlich lang in seinem Blickfeld sein mussten.

Verstohlen blickte er noch einmal schnell zu ihnen. Sie hatten ihn anscheinend noch nicht erkannt. Er musste sich jetzt möglichst schnell und unauffällig in den Aufzug schleichen und dafür sorgen, dass dieser sich sofort in Bewegung setzte, bevor diese Aasgeier noch auf die Idee kamen auch nach oben fahren zu wollen.

Fast geräuschlos humpelte er in die Aufzugkabine, lehnte sich erschöpft an die Seitenwand und schlug mehrmals auf den Knopf für die siebte Etage, obwohl er genau wusste, dass einmal auch gereicht hätte. Er hatte sich schon so oft darüber aufgeregt, wenn Takao oder Max das taten und ihnen das auch lauthals mitgeteilt, doch jetzt verstand er sie zumindest ein bisschen. Wenn man wirklich schnell irgendwohin oder irgendwo weg wollte, dann tat man auch schon mal Dinge, die eigentlich nutzlos waren, nur um sich später selbst sagen zu können, man habe alles versucht.
 

Kai hatte alles versucht, und dennoch war er zu langsam. Die Türen wollten sich einfach nicht schließen, schon gar nicht mehr, als sich einer der Journalisten zwischen sie stellte und den anderen zu sich winkte. Noch immer wurde Kai nicht beachtet oder erkannt, doch sollten die beiden den Aufzug tatsächlich betreten, würde das wohl kaum ausbleiben. Und zu allem Überfluss hatte der, der in der Tür stand, auch noch einen Fotoapparat um den Hals hängen, was dann wohl bedeutete, dass spätestens morgen die ganze Welt und insbesondere die anderen Teams noch vor der Weltmeisterschaft wussten, dass der Captain der Bladebreakers ganz und gar nicht in Form war.

Viel schlimmer allerdings war, dass dann auch die ganze Welt wusste, dass er ebenso verletzlich war, wie ein Normalsterblicher. Das Bild, das Kai immer von sich gezeigt hatte, war schon gestern zerbrochen, aber immerhin nur vor seinen Teamkollegen. Auch das war schon schlimm genug und bestimmt nicht freiwillig geschehen. Er wusste nicht, was er tun sollte, wenn nun keiner mehr Angst oder wenigstens Respekt vor ihm hatte.

Da könnte er sich gleich begraben lassen. Und außerdem sah er im Moment wirklich mehr als scheiße aus. So würde er sogar seine Fans verlieren. Dann würde er tatsächlich alle Welt gegen sich haben. Er sollte sich wirklich begraben lassen, doch dazu bräuchte er jemanden, der das Grab wieder zuschaufelte, nachdem er sich hereingelegt hatte und er wüsste niemanden, der ihm diesen Gefallen tun würde. Takao vielleicht. Aber Rei würde ihn sicher davon abhalten.

Ein vorzeitiges Begräbnis konnte er sich also erst einmal abschminken, wobei sich gerade herausstellte, dass das nun wohl doch nicht nötig sein würde. Kai war so in Gedanken gewesen, dass er gar nicht recht bemerkt hatte, was außerhalb des Aufzugs gerade vor sich ging. Er hörte, wie sich schnelle Schritte dem Lift näherten und die Person mit einem deutlichen Schnaufen kurz vor den Journalisten abstoppte. Der Mann, der in der Aufzugtür stand, wurde scheinbar brutal weggezogen und stolperte zurück in die Halle. Kai konnte es nicht sehen, doch er hörte, wie ihnen eine Stimme im Befehlston zurief, sie sollten 'dort hinten' hingehen. Er wusste nicht, was 'dort hinten' sein sollte, und er wollte es auch gar nicht wissen, solang es die Journalisten nur von ihm ablenkte und dieser verfluchte Aufzug sich nun endlich mit ihm allein in Bewegung setzte.
 

Doch da hatte er sich wohl schon wieder zu früh gefreut, denn genau in diesem Augenblick hastete eine weitere Person in seinen Lift, hielt dadurch die Türen erneut davon ab sich endlich zu schließen und somit Kai davon sich endlich ein wenig zu entspannen, noch mehr, als er registrierte, wer da überhaupt zu ihm in die Kabine gestiegen war.

Eigentlich hätte er längst bemerken sollen, wer die Person war, die die Journalisten von ihm weggelockt und sich nun zu ihm gesellt hatte. Er wusste doch, wie es sich anhörte, wenn Rei rannte; wenn er schnaufte; und vor allem wusste er doch eigentlich ganz genau, wie sich seine Stimme anhörte. Doch er hatte ihn nicht erkannt. Und nicht nur auf sein Gehör konnte er sich anscheinend im Moment nicht wirklich verlassen. Auch seine Augen hatten ihm nur eine vage Bestätigung der durch seinen Geruchssinn ausgelösten Vermutung geben können, weil er noch immer nur leicht verschwommen sehen konnte. Doch trotzdem war er sich nun sicher, dass es Rei war, der sich ihm gegenüber gegen die andere Wand lehnte und versuchte seinen Atem zu regulieren. Er hatte ihn gerochen. Mit dem Sprung in die Kabine hatte sich die Luft in dieser neu verteilt und Kai einen Windhauch von Reis Geruch in die Nase gebracht.

Er hatte keine Sekunde zu überlegen brauchen. Es war eindeutig Rei. Diesen Geruch würde er unter Tausenden erkennen. Und er würde ihn nie wieder vergessen. Unwillkürlich hatte er sogar für einen kurzen Moment die Augen geschlossen und das unverhoffte Geschenk ganz einfach genossen. Er hatte nicht erwartet das jemals wieder erleben zu dürfen. Er hatte zwar versuchen wollen sich seinen Freunden zu nähern, doch wollte er Rei ohne dessen Einverständnis nie wieder so nahe kommen, dass er dessen unvergleichlichen Geruch in die Nase bekam, was ihn jetzt einerseits mehr als glücklich stimmte, ihm andererseits jedoch einen Kloß im Hals bescherte, weil er wusste, dass er es erst einmal nicht so schnell wieder erleben würde.
 

Doch da sich sein Blick gerade wieder etwas klärte und er so bemerkte, dass Rei langsam auf ihn zulief, während sich die Aufzugtüren nun doch endlich schlossen, blieb ihm keine Zeit mehr all dem weiter nachzutrauern.

Es war nicht gut, wenn Rei ihm nah kam. Kai wusste nicht, wie er sich in seinem Zustand ihm gegenüber verhalten würde, besonders da sie in diesem Aufzug ziemlich allein waren. Er würde sich so gern an ihn lehnen; in seinen Armen liegen und er wusste nicht, wie lang er noch die Willenskraft aufbrachte, dieser Sehnsucht zu widerstehen. Und wenn Rei ihm noch näher kam, als er es, bedingt durch die Größe des Aufzugs, so oder so schon war, würde sich auch die letzte Barriere, mit der sein Stolz ihn davon abhielt, lösen.
 

Er musste sich jetzt wieder vor Augen führen, dass Rei das nicht wollte; dass er ihm dadurch nur schaden würde. Und da dieser Wille, Rei nicht wehtun zu wollen, im Moment das Einzige war, das ihn noch zu irgendetwas bewegte, würde er ihn auch weiterhin dazu bringen, nichts zu tun. Er musste es sich nur immer wieder sagen: Rei wollte das nicht; Rei will das nicht.

"Du hast Fieber, Kai, nicht wahr? Soll ich dich stützen?"

Soviel dazu.

Scheinbar hatte Rei nichts dagegen ihm nahe zu sein. Na toll. Und wie sollte er sich jetzt noch davon abhalten, besonders da Rei schon versuchte um seine Hüfte zu greifen?
 

Er durfte das nicht zulassen. Rei durfte ihm nicht zu nahe kommen. Nicht jetzt, da er sich nicht mehr gegen seine Gefühle wehren konnte, weil er all seine Kraft dazu aufwenden musste überhaupt auf den Beinen zu bleiben. Und wenn er jetzt zuließ, dass Rei ihn hielt, würde er so schnell nicht wieder von ihm loskommen. Er würde wieder dem Gefühl ausgesetzt sein, dass es doch, trotz allem, richtig war. Er würde Rei weiter, länger, näher bei sich haben wollen, was schlussendlich dazu führen würde, dass er ihm wehtat - mal ganz davon abgesehen, dass Rei das so gar nicht wollte. Er wollte ihm zwar helfen, aber das hatte nichts damit zu tun, dass er Kai nahe sein wollte. Er wollte, dass es Kai gut ging, und wenn das bedeutete, Kai nah zu sein, dann würde Rei es tun, aber nicht, weil er es selbst wollte.

Und daran würde auch Kai irgendwann zerbrechen. Es konnte noch so schön sein, dass er nun endlich seine Gefühle erkannt hatte. Wenn sie nicht erwidert wurden, war alles sinnlos. Da versteckte er sie lieber weiterhin und wartete, bis jemand auch einmal so für ihn empfand.

Deshalb stieß er ihn weg, so weh es ihm auch selbst tat. Rei stolperte zurück in die Mitte des Aufzugs und blickte ihn nur an. Kai konnte nicht recht einordnen, was er in Reis Augen sah, als er nach einer Weile, in der er nur auf den Boden gestarrt hatte, wieder in der Lage war zu ihm aufzusehen. Die Hand, die er, nachdem er Rei damit von sich gestoßen hatte, zur Faust geballt hatte, löste ihre Anspannung wieder, während Kai von dem Blick gefangen genommen wurde.
 

Rei war enttäuscht. So maßlos enttäuscht. Am Boden zerstört. Er hatte ihm doch bloß helfen wollen. Er hatte ihn doch nicht angefasst, weil er es gewollt hatte, sondern nur um ihm zu helfen stehen zu bleiben. Er hatte dieses eine Mal doch wirklich keine Hintergedanken gehabt. Er hatte alles getan, um die Journalisten davon zu überzeugen doch ein paar Fotos von Takao zu machen, wie er Autogramme gab. Er hatte den einen sogar eigenhändig vom Aufzug weggezerrt. Er war doch danach nur in den Aufzug gestiegen, damit Kai nicht auf der Fahrt ohnmächtig zusammenbrach und draufging! Er hatte doch wirklich nur helfen wollen!

Was fiel Kai denn ein ihn einfach von sich zu stoßen? Er konnte doch kaum noch auf eigenen Beinen stehen. Und der Stoß war auch nicht gerade stark gewesen. Wieso ließ Kai nicht zu, dass er ihm half? Vertraute er ihm denn nicht?

'Nicht mehr' war wohl treffender. Er hatte ja gestern gerade angefangen ihm zu vertrauen und Rei hatte es gleich ausgenutzt und ihn geküsst. Kein Wunder, dass da das Vertrauen futsch war. Kai musste ja Angst haben, dass Rei jetzt gleich wieder über ihn herfiel. Er hatte sich ihm nur ein kleines Stück geöffnet und Rei hatte das gleich für seine Zwecke missbraucht. Und er hatte es nicht einmal realisiert. Er hatte zwar daran gedacht, dass er Kai erschreckt hatte und dass er ihm deshalb nicht mehr so schnell nahe kommen würde, aber er hatte nicht bedacht, dass das gerade entstandene Vertrauen zwischen ihnen darunter erheblich litt, wenn nicht gar zerbrach.
 

Er sollte Kai wahrscheinlich klar machen, dass so etwas nie wieder geschehen würde. Sonst würde wohl ihre ganze Zusammenarbeit, die in einem Team nun mal nötig war, durch fehlendes Vertrauen unterbunden. So würde das Team nicht länger funktionieren und alles wäre Reis Schuld. Er musste zumindest versuchen die Sache irgendwie zu kitten. Er musste mit Kai darüber sprechen, auch wenn er wahrscheinlich der Einzige sein würde, der sprach. Er musste ihm versichern, dass er ihn nie wieder anrühren würde. Er musste dafür sorgen, dass sich Kai durch diese ganze Misere nicht noch weiter zurückzog, als er es schon vorher getan hatte. Er hatte Kai durch seine Aktion doch nicht schaden wollen. Niemals.

"Rei, es tut mir Leid."

"Hn?"

Rei verstand gerade nicht ganz, was geschah. Wieso entschuldigte Kai sich, wo er das doch jetzt vorgehabt hatte? Er hatte doch ihm wehgetan und nicht umgekehrt. Natürlich war er verletzt gewesen, dass er ihn zurückwies, aber Rei hatte ihm doch viel mehr geschadet, indem er sein Vertrauen so schändlich missbraucht hatte. Wieso war es nun Kai, der sich hier entschuldigte? Und wieso schaute er ihn dabei auch noch so komisch an? So schuldbewusst. Als wisse er ganz genau, wie weh er Rei getan hatte. Wenn er so schaute, war Rei sich nicht mehr sicher, ob er ihm ehrlich garantieren konnte, dass etwas wie gestern nie wieder passierte.

Er durfte Kai diesbezüglich auf keinen Fall belügen. Denn wenn er tatsächlich noch einmal nicht mehr an sich halten konnte, hätte er Kai auf Ewig verloren. Jetzt bestand zumindest noch die Chance, dass sie so etwas wie Freunde wurden, so wie Rei die Situation einschätzte. Kai war zwar vorhin dermaßen sauer auf ihn gewesen, wobei er immer noch nicht wusste, wieso überhaupt, aber dann war er ja ganz ruhig geworden, hatte sich bei ihm bedankt, ihn angelächelt und war gegangen.

Das war nicht mehr der Kai gewesen, der sich alle Menschen mit jeglichem Mittel vom Leib hielt. Rei musste wohl doch eine kleine Veränderung in ihm ausgelöst haben. Ob das nun gut oder schlecht war, würde sich im Laufe ihrer hoffentlich noch länger anhaltenden gemeinsamen Zeit herausstellen, aber Rei glaubte ja an das Gute. In jedem Menschen und besonders in Kai. Außerdem war er wohl die Person, die eine gute Entwicklung am allermeisten verdient hatte. Da würden die Götter schon ein bisschen nachhelfen. Und Rei selbstverständlich auch. Kai sollte nie wieder so werden, wie er so lange Jahre hatte sein müssen.

Und es schien ja auch schon länger so, dass Kai nicht mehr so gefühllos war, wie er sich immer gab, auch wenn Rei das erst gestern begriffen hatte. Er hatte seine Teamkollegen doch genauer beobachtet, als er es je zugegeben hätte. Er hatte sie beachtet, auch wenn sie das bei seiner verqueren Art, das zu zeigen nicht bemerkt hatten. Aber Rei hatte es jetzt durchschaut und er würde Kai auch demnächst zu verstehen geben, dass er verstand, was er sagen wollte, auch wenn er es niemals aussprach. Er wusste es. Und er glaubte in Kais Blick zu erkennen, dass auch er wusste, dass Rei ihm beistehen würde. Kai wusste, dass er ihm helfen wollte.

Und er wusste auch, dass Rei ihm jetzt gerade nur hatte helfen wollen. Deshalb entschuldigte er sich, weil er ihn weggestoßen hatte. Endlich hatte Rei es begriffen. Kai war nicht mehr, wie er noch vor wenigen Tagen gewesen war. Er hatte es tatsächlich geschafft ihm zu zeigen, dass er seine Gefühle zulassen und zeigen durfte. Eigentlich hatte er somit erreicht, was er sich immer für Kai gewünscht hatte. Eigentlich sollte er glücklich sein, dass es Kai in diesem Sinne so gut ging, auch wenn seine physische Gesundheit im Moment noch nicht so recht mitspielte.
 

Aber Rei war nicht glücklich. Natürlich freute es ihn für Kai, dass er sich jetzt anscheinend selbst besser kannte und verstehen konnte, doch war für Rei noch immer ein entscheidendes Detail nicht so, wie er es sich immer gewünscht hatte. Und eben dieses waren Kais Gefühle. Er hatte welche. Das war ja auch toll. Aber er hatte aus Reis Sicht einfach nicht die richtigen. Natürlich hatte er 'richtige' Gefühle; entweder man hatte richtige oder man hatte gar keine, aber für Rei waren es trotzdem die falschen.

Kai war ihm anscheinend dankbar. Deshalb hatte er sich wohl auch bedankt. Jetzt war das alles völlig nachvollziehbar. Er war Rei dankbar, dass er ihm gestern den ganzen Tag geholfen und zudem noch dafür gesorgt hatte, dass Kai seine Gefühle endlich zeigen konnte. Doch das war eben nicht das, was Rei sich wünschte, sich schon so lang gewünscht hatte.

Er wollte, dass Kai nicht bloß Dankbarkeit für ihn empfand und er war auch nicht mit Freundschaft zufrieden. Kai sollte so für ihn empfinden, wie er für ihn empfand. Er sollte sich nach ihm sehnen, sobald er den Raum verließ; er sollte eifersüchtig werden, sobald ein anderer Rei auch nur ansah; er sollte ihn berühren, ihn bei sich haben wollen, so nah es eben möglich war. Er sollte ihn lieben.
 

Rei wusste nicht, wie er es solange mit dem Wissen ausgehalten hatte, dass Kai ihn niemals so mögen würde, wie er ihn mochte. Aber er wusste, dass er es nicht mehr viel länger ertragen würde. Zumindest nicht, ohne dass er eines Tages tatsächlich über Kai herfiel und ihn so vollends verlieren würde.

Er wollte Kai für sich haben. Erst in diesem winzigen Augenblick, in dem er ihm im Aufzug gegenüberstand und nur ansah, wurde ihm erstmals wirklich bewusst, wie sehr er ihn wollte. Und er wollte auch nicht mehr so einfach aufgeben, wie er es bisher in Bezug auf Kai so oft getan hatte.

Er hatte ihm nicht wehtun wollen. Er hatte alles tun wollen, um ihn nicht zu verletzen, aber hatte dabei doch zu oft sich selbst vergessen. Er wollte nicht länger nur an andere denken, obwohl sich wohl kaum vermeiden ließe, dass sich seine Gedanken Tag und Nacht mit Kai beschäftigten. Er wollte endlich einmal bekommen, was er haben wollte; er wollte sich zumindest ehrlich sagen können, er habe wirklich alles versucht. Er wollte alles versuchen, auch wenn er dadurch Gefahr lief, alles was er wollte endgültig zu verlieren. Er musste es endlich ehrlich versuchen.

Es gab schließlich immer noch Hoffnung. Kai hatte sich von ihm küssen lassen. Und dann hatte er sogar ihn geküsst. Das musste doch etwas bedeuten. Rei wusste inzwischen, wie wichtig solcherlei Gefühlsäußerungen für Kai waren. Er tat so etwas nicht aus einer Laune heraus. Er musste es gewollt haben, was bedeutete, dass es ihm etwas bedeutet haben musste. Folglich bestand noch Hoffnung, dass Kai etwas für ihn empfand und Rei würde nun endlich einmal alles tun, um sich endlich Klarheit darüber zu verschaffen. Und wenn Kai nichts für ihn empfand, dann sollte es eben nicht sein. Er konnte keine Minute länger einfach untätig herumstehen und warten, dass Kai etwas tat, denn das würde er nie tun.

Bis jetzt.
 

Es hatte Kai tatsächlich das Herz gebrochen Rei so enttäuscht zu sehen. Wegen ihm. Es zerriss ihm das Herz im Leib. Rei war zurückgestolpert, als er ihn von sich gestoßen hatte und hatte ihn zuerst nur verständnislos und dann so enttäuscht angesehen. Als sei für ihn eine Welt zusammengebrochen.

Und zu allem Übel konnte sich Kai auch noch denken, was für eine Welt das gewesen war. Eine gute Welt. Die einzige gute Welt, die noch existierte, zumindest im Kopf des herzensguten Jungen, der ihm gegenüberstand. Kai hatte die Freundlichkeit, Güte und Hilfsbereitschaft in Person gebrochen. Er hatte den letzten guten Menschen dieser Erde ermordet. Und das mal wieder nur aus Eigennutz, weil er es sich selbst nicht zutraute, seine Nähe angemessen ertragen zu können.

Er musste sich entschuldigen. Sofort. Selbst, wenn er doch genau wusste, dass das nichts ändern würde. Er musste zumindest zeigen, dass es ihm Leid tat, auch wenn er es nicht wieder gut, geschweige denn rückgängig machen konnte. Er wollte, dass Rei wusste, dass er ihn nicht absichtlich verletzt hatte. Dieses Mal nicht. Er hatte es so nicht gewollt. Aber er hätte ihn noch mehr verletzt, hätte er ihn nun nicht fort gestoßen, sondern gewartet, bis er sich an seine und Rei sich ebenso an Kais Nähe gewöhnt hätte. Besser er tat ihm jetzt weh, als dass er ihn in der Zukunft absichtlich verletzte. Und doch musste er sich jetzt auf jeden Fall entschuldigen:

"Rei, es tut mir Leid."

Rei gab nun ein überraschtes 'hn' von sich, während sich sein Blick wieder klärte und er Kai verdutzt ansah. Er konnte sich anscheinend nicht erklären, wofür Kai sich gerade entschuldigte, obwohl das doch eigentlich klar sein musste. Er schaute eher, als wolle er Kai noch immer helfen, traute sich aber nicht ihm noch einmal näher zu kommen. Er hatte Angst vor ihm. Kein Wunder eigentlich und doch versetzte es Kai einen schmerzhaften Stich. Wie hatte er den Menschen, den er liebte nur so sehr verletzen können, dass er Angst vor ihm hatte...?
 

'Liebte'? 'den er liebte'? Ein Mensch, den er liebte? Rei war ein Mensch, den er liebte? ...
 

Natürlich! Das war das Wort, das ihm die ganze Zeit über gefehlt hatte, um seine Gefühle ausdrücken zu können. Er liebte ihn. Er mochte ihn so sehr. Er sehnte sich nach ihm, sobald er den Raum verließ; er war eifersüchtig, sobald ein anderer Rei auch nur ansah; er wollte ihn berühren, bei sich haben, so nah es eben möglich war. Er liebte ihn tatsächlich und hatte es doch die ganze Zeit nicht bemerkt, und als er endlich erkannt hatte, dass es in ihm etwas gab, das Gefühle für Rei entwickelt hatte, da hatte er sie doch nicht als das erkannt, was sie waren. Es war schlichtweg Liebe, dieses Gefühl, das er schon so lang empfand.

Endlich war es ihm klar. So ergab alles einen Sinn. All die Sehnsüchte, die er ihn Bezug auf Rei hatte, konnte er nun endlich einordnen. Er mochte ihn nicht einfach nur ein wenig lieber, als die anderen Bladebreakers. Er verstand sich nicht einfach bloß aus Zufall etwas besser mit ihm, als mit anderen Menschen. Er liebte ihn.

Es war nicht zu fassen, wie blind er gewesen war. All die Zeit. Einfach nicht zu begreifen.
 

Doch jetzt hatte er begriffen. Endlich wusste er tatsächlich ganz genau, was er wollte und auch warum er es wollte. Er wollte Rei. Nur gab es da ein 'kleines' Problem: Rei war anscheinend nicht dieser Meinung. Er sah ihn wieder mit diesem entschlossenen Blick an, der zeigte, dass er sich nun etwas vorgenommen hatte und es auch mit Sicherheit durchziehen würde, wie sehr sich Kai auch dagegen sträuben sollte.

Und leider konnte sich Kai nur zu genau denken, was Rei sich vorgenommen hatte, denn das war bestimmt nicht das, was Kai sich wünschte, das er sich vorgenommen hatte. Es war höchstwahrscheinlich nicht der Vorsatz Kai endlich seine Gefühle zu gestehen, da derlei Gefühle zumindest von Seiten Reis nun mal einfach nicht vorhanden waren. Demnach war es wahrscheinlich der Vorsatz Kai nun seine Hilfe so lang anzubieten, bis er sie annahm.

Und das würde er. Er würde sie annehmen, selbst wenn er sich damit selbst wehtat. Er wollte, dass Rei glücklich war. Und er war tatsächlich bereit sich selbst dafür zurückzunehmen. Er würde sich zusammenreißen und Rei nicht zeigen, dass er nun endlich begriffen hatte, was er all die Zeit gefühlt hatte. Er wusste, dass Rei glücklich sein würde, wenn sie Freunde wurden und Kai nahm sich von jetzt an vor, dass Reis Glück sein allerhöchstes Gut sein sollte. Er würde dafür sorgen, dass er glücklich war, selbst wenn das bedeuten sollte, dass er sich von ihm trennen musste, was er natürlich nicht hoffte. Jetzt würde er Rei erst einmal gestatten ihm in sein Zimmer zu helfen und alles Weitere würde sich schon ergeben.
 

Er sah, wie Rei einen Fuß vorsetzte um langsam wieder auf ihn zuzugehen und noch während er die ersten Worte sprach, die Kai gar nicht so sehr registrierte, ließ er seine Krücken einfach los und sich nach vorne fallen, während die Aufzugtüren sich leise in der siebten Etage öffneten. Rei hatte irgendetwas wie "Kai, ich muss dir jetzt endlich was sagen" gesagt, doch hatte schnell abgebrochen, als er Kai auffing und daraufhin mit ihm im Arm auf die Knie fiel.

Kai hatte seine linke Hand auf Reis Schulter abgelegt und hielt sich mit der rechten nun an seinem T-Shirt fest. Er hatte nicht erwartet, dass Rei unter seinem Gewicht in die Knie ging, wo er sich doch eigentlich nur an ihn hatte lehnen wollen, doch er hatte nicht den geringsten Versuch unternommen sich selbst noch abzufangen - mal abgesehen davon, dass er dazu nicht mehr dir Kraft besaß. Er hatte Rei tatsächlich einfach vertraut. Darauf vertraut, dass Rei nicht zulassen würde, dass er verletzt wurde.

Und es hatte geklappt. Er hatte sich nicht wehgetan. Sein Fuß hatte nichts weiter abbekommen und Rei hielt ihn auch nicht so fest, dass ihm seine Fingernägel ins Fleisch schnitten. Er umarmte ihn nur ganz leicht und doch so kräftig, dass Kai sich geborgen fühlte, trotzdem Rei hektisch auf ihn einredete, ob ihm was passiert sei und warum er denn plötzlich einfach umgekippt sei.

Kai hörte die Worte zwar, doch nahm er im Grunde nur den besorgten, schon fast hysterischen Ton in Reis Stimme wahr, der ihm einmal mehr verdeutlichte, das Rei ihn doch zumindest lieb hatte. Das war schon mehr, als er je hätte erwarten dürfen, obwohl es ihm genau genommen natürlich viel zu wenig war, jetzt wo er wusste, dass er ihn liebte.

Und wegen eben dieser Erkenntnis und auf Grund der restlichen Kraft, die ihn jetzt endgültig verließ, konnte er einfach nicht widerstehen seinen Kopf an Reis Schulter zu legen. Er konnte es später immer noch auf sein Fieber schieben, da er Rei ja nicht mit seinen endlich erkannten Gefühlen verschrecken wollte. Doch jetzt konnte er einfach nicht anders. Reis Nähe allein war schon zu verlockend, doch als er dann auch noch begonnen hatte Kai beruhigend über den Rücken zu streichen, war es um Kais Willen geschehen gewesen.
 

Es mochte ja sein, dass Rei das nur tat, um ihm zu helfen und dass da keinerlei Gefühle für Kai selbst existierten, doch die Berührung blieb eben die Berührung. Eine Berührung nach der sich Kai, ohne es jemals wirklich zu wissen, so sehr gesehnt hatte. Wann hatte ihm zuletzt jemand, den er liebte, sanft über den Rücken gestrichen? Kai brauchte wirklich nicht lang zu überlegen, denn die einzigen Menschen, die das je getan haben könnten, waren seine Eltern gewesen, an die er sich kaum erinnern konnte. Das bedeutete, dass er sich auch an eine solche Berührung nicht erinnern konnte. Wie sollte er also da widerstehen, wo er doch so schon völlig kraftlos und außerdem durch die neue Erkenntnis überfallen worden war?

Allerdings durfte er jetzt nicht zulassen, dass er an Reis Schulter im Fieberwahn noch etwas Unüberlegtes tat, besonders da durch die sich wieder schließenden Aufzugtüren nicht einmal mehr die Gefahr bestand, dass ihn jemand dabei störte. Er durfte jetzt auf keinen Fall aus Freude darüber, dass Rei ihn in seinen Armen hielt, auf die Idee kommen seinen Kopf wieder anzuheben und ihn zu küssen.

Denn dann durfte er sicher sein, dass er entweder eine Ohrfeige kassierte oder unsanft auf dem Boden landete, weil Rei ihn vor Schreck losließ - oder sogar beides, mal ganz davon abgesehen, dass er dann auch sicher sein durfte, dass Rei ihm nie wieder so nahe kam. Und das, wo diese Nähe doch im Moment das Einzige war, was Kai wirklich wollte. Das durfte er in keinem Fall riskieren.
 

Er sollte also besser wieder an die gegenwärtige Situation denken, die auch ohne seine verqueren Gedanken schon kompliziert genug war. Immerhin hielt Rei gerade seinen Teamcaptain im Arm und dachte er sei ohnmächtig vor seinen Augen zusammengebrochen. Kai sollte ihm besser klar machen, dass es ihm gut ging, zumindest so gut, dass sich Rei keine ernsthaften Sorgen zu machen brauchte, auch wenn Kai noch immer kraftlos vor ihm auf dem Boden kniete und ohne sich an ihn zu lehnen wohl einfach zu Seite gekippt wäre.

Also wendete er seine noch verbliebene Konzentration wohl am besten dazu auf, sich auf Reis Worte zu konzentrieren, die nun allerdings schon nicht mehr so hysterisch klangen, leider jedoch auch nicht in der Lage waren Kai zu beruhigen, sondern ihn viel mehr wieder in seine Gedanken zurücktrieben, jetzt wo er sie sich aufmerksam anhörte, auch wenn Rei dabei noch beruhigend seinen Nacken kraulte.
 

Rei musste es jetzt sagen. Er wusste, dass Kai nicht ohnmächtig war und dass es ihm relativ gut ging. Er hatte sich zwar unbeschreibliche Sorgen gemacht, als Kai plötzlich einfach seine Krücken losgelassen und die Hände nach ihm ausgestreckt hatte, während er sich nach vorne fallen ließ, doch als Kai dann ruhig in seinen Armen lag und den Kopf an seine Schulter legte, wusste Rei, dass es ihm gut ging, obwohl er sich bei einem solchen Verhalten Kais eigentlich noch größere Sorgen hätte machen müssen:

Kai würde doch niemals ohne tatsächlich sterbenskrank zu sein, seinen Kopf an jemandes Schulter legen! Und er würde sich auch niemals einfach in jemandes Arme fallen lassen. Eigentlich würde Kai alles versuchen trotz größter Schmerzen und drohender Ohnmacht allein klar zu kommen.

Doch anscheinend hatte Reis gestrige Aktion - nicht nur der Kuss, sondern der ganze Tag - ihn wohl doch mehr verändert, als Rei bisher gedacht hatte. Und anscheinend war es nicht nur Kai so ergangen. Auch Rei hatte der Tag gestern verändert. Nicht nur in Bezug auf seine Entschlossenheit nun endlich zu tun, was er tun wollte, sondern auch hinsichtlich Kais. Kai vertraute Rei nun und Rei vertraute Kai. Er hatte einfach gewusst, dass es ihm gut ging, ohne sich wirklich davon überzeugen zu müssen. Natürlich sah er, dass Kai körperlich völlig am Ende war, doch er war sich sicher, dass er sich nicht einfach hatte fallen lassen, weil er keine Kraft mehr besaß, sondern weil er es gewollt hatte.
 

Doch genau deshalb musste Rei ihm nun unbedingt sagen, dass seine Nähe für ihn unter Umständen gefährlich werden konnte, denn schon jetzt war er wieder dabei Kai sanft über den Rücken zu fahren und konnte seine Hand, als sie dort angekommen war, auch nicht davon abhalten ihm den Nacken zu kraulen. Es ging einfach nicht, so sehr sich Rei auch sagte, dass Kai das nicht wollte.

Er wollte es. Und er wollte auch nicht mehr leugnen, dass er es so sehr wollte. Er wollte endlich ehrlich sein, wo er sich doch immer damit gerühmt hatte Ehrlichkeit als wichtigste Charaktereigenschaft zu schätzen. Und gerade er hatte nun Kai all die Zeit belogen.

So durfte das nicht länger weiter gehen. Er wollte, dass Kai endlich wusste, woran er bei Rei war, selbst wenn das dafür sorgte, dass er erst einmal nicht mehr bei Rei würde sein wollen.
 

Er musste es wissen. Er hatte ein Recht darauf. Und Rei hatte ein Recht darauf diese Last endlich von seinen Schultern zu werfen, denn wenn dies nicht bald geschah, würde er entweder durchdrehen oder zusammenbrechen. So war es doch besser, wenn Kai es von einem kontrollierten und bedachten Rei erfuhr. Er würde es ihm schonend beibringen, aber er würde es klar und deutlich machen, sodass es nie wieder zu einem solchen Ereignis, wie gestern in Kais Bett kommen konnte, sofern Kai Rei nicht klar und deutlich dazu aufforderte, was dann wohl bedeutete, dass es nie wieder geschehen würde.

Aber immerhin musste Rei dann nicht ständig darauf achten, dass es auch tatsächlich nicht wieder geschah. Das würde auf Dauer zu viel für ihn werden, selbst wenn er für Kai jegliche Last liebend gern auf sich nahm, doch wenn ihm dafür nicht ein einziges Mal etwas zurückgezahlt wurde, dass für ihn in etwa den gleichen Wert besaß, wie zum Beispiel eine Nacht zu zweit oder, nicht ganz so utopisch, ein Kuss, so wären auch Reis Kräfte irgendwann erschöpft, was dazu führen würde, dass er sich nicht mehr zurückhalten könnte und Kai verlor. Da verlor er ihn lieber gleich und mit gutem Gewissen alles versucht zu haben.
 

"Kai? Ich schätze, du hast gerade nicht mehr mitbekommen, was ich sagte, richtig? Also: Ich muss dir jetzt endlich was sagen. Ich schieb das schon viel zu lange vor mir her. Hör mir bitte zu, ja?", fragte er, während er möglichst unauffällig versuchte weiterhin über Kais Nacken zu fahren, auch um sich selbst etwas zu beruhigen.

Erst dachte er, Kai habe ihn wieder nicht gehört oder sei vielleicht doch noch ohnmächtig geworden, ohne dass er es bemerkt hätte, doch nach einer Weile spürte er doch ein leichtes Nicken seines Kopfes, der immer noch an seiner Schulter lehnte. Es war fast zaghaft, doch Rei glaubte, dass das nicht allein an der Kraftlosigkeit seines Gegenübers lag, sondern zu einem mindestens ebensogroßen Teil auch daran, dass Kai sich wohl nicht denken konnte, was Rei ihm denn so wichtiges zu sagen hatte, dass er ihn in so ernstem Ton ansprach. Wie sollte er sich das auch denken?

Aber jetzt sollte sowieso keiner denken, sondern handeln.

"Also, hör zu. Kai, ich kann dir nicht garantieren, dass etwas, wie gestern nicht noch einmal geschieht.

Weißt du, schon jetzt, wenn du mir wieder so nah bist, muss ich mich sehr beherrschen, dass ich nicht wieder etwas Unüberlegtes tue, das dich wieder so aus der Bahn wirft. Ich möchte dich natürlich nicht erschrecken, aber ich muss dir das jetzt endlich sagen, denn sonst passiert so was noch mal und du willst dann nichts mehr mit mir zu tun haben.

Ich finde es toll, dass du mir anscheinend nun etwas mehr vertraust und dir von mir helfen lässt, aber ich kann dir eben nicht garantieren, dass ich das nicht irgendwann ausnutze und dich noch einmal küsse, wenn du mir plötzlich wieder so nah bist. Denn, Kai, glaub mir, gestern ist das geschehen, was ich mir schon so lange gewünscht habe und ich bereue es auch nicht, auch wenn du das vielleicht nicht verstehen kannst. Für mich war das das schönste Erlebnis meines Lebens und ich würde es so gern noch einmal erleben, aber ich sehe, dass dir das wohl nicht so geht.

Deswegen will ich, dass du weißt, dass ich dir jederzeit helfen werde, wenn du meine Hilfe brauchst. Ich lass dich nicht allein. Aber du sollst eben auch wissen, dass es passieren kann, dass ich es damit etwas übertreibe, weil ich mich... in dich..."
 

Das hatte Kai nun beim besten Willen nicht erwartet.

Er hatte alles erwartet, aber so etwas nicht.

Wie hatte er sich nur so in Rei täuschen können?

Er hatte sich die ganze Zeit umsonst solche Sorgen gemacht, war wütend und enttäuscht gewesen. Alles umsonst. Rei empfand genau so eine Sehnsucht, wie er. Rei ging es genau so elend, wie ihm. Und Rei ginge es genau so gut, wie ihm, wenn er nur endlich wüsste, dass auch er sich ganz umsonst so gesorgt hatte. So völlig unnötig.
 

Deshalb richtete sich Kai langsam auf, was Rei aber anscheinend aus dem Konzept zu bringen schien, da er am Ende nur noch stotterte, was aber auch an den Worten liegen konnte, die er hatte aussprechen wollen. Doch damit es erst gar nicht mehr zu irgendwelchen solchen Stottereien oder Missverständnissen kommen konnte, ließ Kai ihn ganz einfach nicht weiter sprechen.

Er wusste, dass das, was er hier gerade tat, zumindest auch ein bisschen auf sein hohes Fieber zurückzuführen war, doch genauso war es sein eigener Wille und das Glücksgefühl, das ihn durchströmte, die ihn dazu brachten nach Reis Kinn zu greifen und ihn zu zwingen ihn anzusehen, da er mit den letzten Worten seinen Blick nicht mehr auf Kai hatte halten können. Er sah ihm so tief in die Augen, dass Rei, selbst wenn er all den verbliebenen Willen aufgebracht hätte, sich nicht hätte abwenden können und ließ seine Hand langsam, an seiner Wange entlang streichend, in seinen Nacken wandern.

Einen Moment verharrten beide noch mit den Händen im Nacken des jeweils anderen, bis Kai Rei endlich vorsichtig zu sich zog und sich ihre Lippen berührten, gerade in dem Moment, als sich die Aufzugtüren wieder im Erdgeschoss öffneten und den Wartenden, darunter Takao, Max und der Hoteldirektor, den Blick auf die beiden am Boden knienden, sich küssenden Jungen freigaben.
 


 

owarimashita T_T

Ich mag nicht fertig sein T_T

So, jetzt ein paar Anekdoten *es sich nicht verkneifen kann*

Die blöden Kinder, die von Rei ein Autogramm wollen, sowie die Fotographen haben sich voll unverschämt in die Story gemogelt! Langsam glaub ich echt die Story hier will mich verarschen: Plötzlich stand da einfach der Satz, in dem die alle auftauchen und dann konnte ich ja schlecht wieder alles streichen <.< Außerdem wäre Rei dann viel zu schnell am Aufzug gewesen ^.^'

Das mit den Aufzugtüren (schließen, öffnen, schließen, öffnen) musste ich alles später einfügen, weil ich beim eigentlichen Schreiben, ja schon dran gedacht, es aber nicht aufgeschrieben hab... Also, ich mein, ich wusste, dass sie am Ende wieder unten im Erdgeschoss auskommen mussten, was bedeutete, dass sie einmal hoch und dann, ohne auszusteigen, wieder runterfahren mussten, aber während Kai und Rei sich da im Aufzug endlich über alles klar werden, hab ich das einfach nicht mit einbringen können ^,^'

Und ich hab (auch erst nachträglich) versucht mal mehr Absätze zu machen ^,^ hoffe ich hab's nicht übertrieben <.<

Übrigens hab ich versucht Rei so darzustellen, dass er seinen Charakter etwas verändert, sodass er nicht mehr nur an andere denkt und Kai so, dass auch er sich verändert, sodass er sich auch mal zurücknimmt. Ich hab das, glaub ich, beides irgendwo mal deutlich geschrieben, aber ich hoffe, das merkt man auch so ^~^
 

So, im Grunde bin ich jetzt wirklich fertig T_T Aber ich schätze ihr werdet noch mal was von mir hören/lesen! Und bis dahin dürft ihr ruhig mal in meine anderen Kreationen reinschauen ^_^ Die sind nicht so schlimm, wie sie sich vielleicht auf den ersten Blick anhören <.<°

Außerdem hab ich schon ne tolle Idee für ein neues Werk (klingt nen bisschen hochtrabend ~.~), weil es nämlich einige meiner männlichen Freunde einfach nicht über's Herz bringen sich shounen-ai anzutun -.-° Männer... Jedenfalls will ich aber, dass sie das hier mal lesen und werde jetzt versuchen die ganze Geschichte in eine non-shounen-ai-version umzuschreiben und quasi noch mal zu veröffentlichen. Am besten in kürzeren Abständen, damit auch mal mehr Leute darauf aufmerksam werden und ich geschickter-/unverschämterweise noch etwas Werbung für die Originalstory einbauen kann $_$ (<-- ach Mist, ich mach ja hiermit gar kein Geld >-<)

Jedenfalls werd ich danach (äußerst höchstwahrscheinlich) wieder shounen-ai machen ^__^

Bis denne

ciaoi

tenshi



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (66)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
/ 7

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Venu
2007-09-30T15:54:01+00:00 30.09.2007 17:54
also...WOW erstmal ^^ Ich hab die FF jetz in einem Stück gelesen und ich bin hin und weg.

Dein schreibstil ist echt klasse, und man konnte die FF flüssig lesen.Kaum zu glauben das in der FF grade mal 2 Tage vergangen sind xD
Aber ich finde es wahnsinn wie du die Gedanken der Charaktere so detailiert dargestellt hast =)
Man konnte sich echt ziemlich genau in sie hinein versetzten und ich wurde teilweise von ihren Gefühlen so mitgerissen, das ich an traurigen stellen in tränen ausbrach und mich an lustigen stellen vor lachen nicht mehr halten konnte xD
ich glaube du hast echt wahnsinnig viel herzblut in diese Fanfiction gesteckt und das merkt man richtig!!!
ich hab ja schon viele gute FF's gelesen, aber diese hier war wirklich sehr intensiv.
Also ein großes Lob von mir und ich hoffe weitere so gute Geschichten von dir zu lesen =)

gruß Venu ^^
Von:  Venu
2007-09-30T15:51:07+00:00 30.09.2007 17:51
also...WOW erstmal ^^ Ich hab die FF jetz in einem Stück gelesen und ich bin hin und weg.

Dein schreibstil ist echt klasse, und man konnte die FF flüssig lesen.Kaum zu glauben das in der FF grade mal 2 Tage vergangen sind xD
Aber ich finde es wahnsinn wie du die Gedanken der Charaktere so detailiert dargestellt hast =)
Man konnte sich echt ziemlich genau in sie hinein versetzten und ich wurde teilweise von ihren Gefühlen so mitgerissen, das ich an traurigen stellen in tränen ausbrach und mich an lustigen stellen vor lachen nicht mehr halten konnte xD
ich glaube du hast echt wahnsinnig viel herzblut in diese Fanfiction gesteckt und das merkt man richtig!!!
ich hab ja schon viele gute FF's gelesen, aber diese hier war wirklich sehr intensiv.
Also ein großes Lob von mir und ich hoffe weitere so gute Geschichten von dir zu lesen =)

gruß Venu ^^
Von:  knoedelchen
2007-07-11T20:24:17+00:00 11.07.2007 22:24
halleluja... das war ein ... langes kapitel...XDD
und irgendwie zum heulen schön....
*sfz zum nöchsten kapitel trappel*
Von:  knoedelchen
2007-07-11T13:42:54+00:00 11.07.2007 15:42
ich bin mal wieder zu faul um jedes kapitel einzeln zu kommentieren, bitte verzeihe...m=.=m
Aber deine ff ist echt gut... und dein schreibstil- erste sahne würde meiner einer sagen ^^
naja ich werd mal so die tage weiter lesen... bis dann ^___^~
lg knoedelchen
Von:  Zompie
2007-04-22T12:38:23+00:00 22.04.2007 14:38
*schnief* schönes ende endlich haben die 2 das geschafft nach einem ewigen hin und her , was wohl der hoteldirektor denkt der war ja schon so angeekelt als er die 2 zum ersten mal gesehn hat xD diese story ist einfach nur geil ^^ wie du das alles beschrieben hast hammer ^^ ich mag deinen schreibstil wirklich
immer dieses hin und her und das so lange ohne das es langweilig wurde echt super *gratulier* mach weiter so
Von:  Zompie
2007-04-21T22:59:43+00:00 22.04.2007 00:59
*augen reib* juhu durch ^^ wie immer klasse geschrieben *baff bin* ich find dein schreibstil immer toller obwohl ich es eig. nicht mag wenn sich andere leute nicht schnell mit 2 3 sätzen ausdrücken können xD aber super gemacht
man man typisch die anderen stören im den umpassenden momenten bin mal gespannt wies weiter geht
Von:  Zompie
2007-04-21T20:31:50+00:00 21.04.2007 22:31
"Außerdem denke ich, wie gesagt, in Bildern... Wieso kann ich nicht zeichnen T_T"
*mich dir anschließ* wie oft hab ich das schon gesagt? ^^
"Schreiben ist so was Umständliches! Der, der sich irgendwann mal gedacht hat, man müsse Gedanken anderer Menschen lesen können, hatte völlig Recht!"
*wieder zustimm* seh ich genauso ^^

ich liebe deine story die sind so schööööööööööön lang und so toll beschrieben *nie wieder aufhören will zu lesen*
weiter so ^^
Von:  Zompie
2007-04-21T20:07:30+00:00 21.04.2007 22:07
noch ein tolles kapitel ich mag deine story echt
auch das es 2 kapitel waren fand ich cool. Teil eins war genauso cool wie 2. Gut das du das niemanden vorenthalten hast
^^ zu deinem schreibstil: ich mag ihn und find ihn klasse man kann sich alles haargenau vorstellen weiter so^^
Von:  Zompie
2007-04-21T19:36:46+00:00 21.04.2007 21:36
coole story gefällt mir
ich find das gut das du so detailliert schreibst ich stell mir nämlich auch immer alles in bildern vor ^^ so kann man sich das
viel besser vorstellen als wenn nur dialoge in der story enthalten sind
und das mit der "blutenden seele" ich finds nicht übertrieben
so kann man sich gut vorstellen was du meinst
so das wars will jetz mal schnell den rest lesen ^^
Von: abgemeldet
2006-06-30T14:02:27+00:00 30.06.2006 16:02
hi ^^
ich hab deine ff vor einiger zeit gelesen und wollte dir schon ziemlich lange mal meine bewunderung dafür ausdrücken, aber ich bin leider nicht dazu gekommen.
also: ich finde die ff toll!!!!!
ich könnt sie echt immer und immer wieder lesen und ich fänd sie jedesmal nur noch besser.
°dir auf die schulter klopf°
°seufz°
ich wünschte es gäbe mehr solche ffs !!
ich freue mich schon mehr von dir zu lesen, dein stil und deine wortwahl haben mir super gefallen!
°wink°
ka_chan


Zurück