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Demon Slayer One-Shots

von

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Gräber im Schnee [Kyojuro x Shinobu]

Wie viel Zeit war vergangen?
 

 

Shinobu konnte es nicht genau benennen, doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit und gleichzeitig so, als hätte sie ihn gestern noch gesehen.

Die Grabstätten waren ein selten besuchter Ort ihrerseits. Zum Jahres- und Geburtstag ihrer Schwester kehrte sie stets hierher zurück, doch abseits dessen hatte sie sich davon abgesägt, trauernd am Grab nach Hilfe zu suchen. Wie lächerlich, dass sie nun fast erneut damit anfing.
 

 

Ihr entkam ein schweres Seufzen aufgrund dieses Gedankens, bislang war sie ganz froh darüber, zumindest noch niemandem hier begegnet zu sein. Es glich einem Wunder, lag aber vermutlich daran, dass sie alle viel zu tun hatten. Auch sie hatte mehr als genug zu tun und dennoch flüchtete sie sich hierher, was nur noch mehr Zeit kosten würde. Dabei war jede Minute schon zu viel, es wirkte so, als würde ein großes Finale auf sie alle zukommen.

Als würde sie endlich ein gewünschtes Finale entdecken können, auch wenn es noch ein wenig fern war.
 

 

Sie hatte immer schon geplant, den Dämon zu finden, der seine Schwester umgebracht hatte, damit sie diesen auf ihre eigene Weise töten könnte, und genau diesem Plan ging sie immer noch nach. Ein anderer Teil von ihm, wie ein frisch blutendes Herz, nagte aber daran, einen ganz anderen Dämon aufzusuchen.
 

 

Shinobu schüttelte ein wenig den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden, die sich rein emotional leiten ließen. Doch wann war ihre Rache nicht emotionale gewesen? Sie hatte sich jetzt nur ein wenig erweitert. Sie konnte jedoch nicht jeden dieser mächtigen Dämonen töten, also fixierte sie sich auf genau den Plan, den sie bislang verfolgt hatte. Auch wenn es zeitgleich ein bitteres Lächeln auf ihr Gesicht zauberte, vor allem dann, wenn sie vor dem Grab einer anderen Person stand.
 

 

„Auch dein Tod wird gerächt werden, Rengoku-san“, murmelte sie leise vor sich hin.
 

 

Sie streckte ihre Hand aus, fuhr mit den Fingerkuppen den eingravierten Namen ihres Kumpanen nach und spürte prompt, wie ihr Herz verkrampfte, ihre Augen erhitzten und ihr perfekt trainiertes Lächeln ins Schwanken geriet. Shinobu versuchte den Schnee vom Grab zu fegen, obwohl sich ihre Hand dadurch schnell eiskalt und fast wie abgestorben anfühlte.
 

 

Rache und Zorn war nie, was ich mit meinem Tod auslösen wollte. Lass dich nicht von diesen Emotionen zerfressen.“
 

 

Sie konnte Kyojuro's Stimme in ihrem Kopf sprechen hören, als würde er neben ihr stehen und sie unterstützen wollen. Shinobu kannte alle Hashira's ganz gut, weil sie durch ihre Schwester und die Arbeit im Schmetterlingsanwesen stetigen Kontakt hatte. Abseits dessen hatte sie miterlebt, wie Kyojuro den Platz seines Vaters eingenommen hatte.

Diese warme Energie, die einer Sonne gleichende Strahlen hatte, hatte sie von Anfang an ein wenig eingefangen. Ein Effekt, der vermutlich nicht nur sie getroffen hatte – Tengen war von Anfang an begeistert gewesen und sicherlich hatte er auch auf die anderen einen Einfluss gehabt.
 

 

Es war normal, sich auf die anderen zu verlassen und sich auch mit ihnen anzufreunden oder ähnliche Gefühle aufzubauen. Zumindest war es für Shinobu normal, auch wenn ihr klar war, dass nicht jeder es genauso handhabte. Was das anbelangte, fragte sie sich oftmals, was Kyojuro so anders machte.

Selbst ihre Miesepeter Obanai und Sanemi hatten den Flammenhashira nicht lange von sich halten können. Sie würden es vermutlich nicht ganz so offen zugeben, doch auch sie hatten Kyojuro ins Herz geschlossen.
 

 

Vermutlich aufgrund seiner ganz natürlichen Freundlichkeit und seiner ebenso natürlichen Leidenschaft für diese ganze Angelegenheit. Seine Fragen kamen von Herzen, genauso wie seine Aussagen. Alles an ihm war stets ehrlich gewesen oder hatte zumindest so gewirkt.
 

 

Shinobu wusste, dass sie nur wenig von dem, was sie sagte, ehrlich meinte. Außer ihr wusste es noch Tanjiro, welcher dies irgendwie … gerochen hatte. Sie vermied es, zu viel darüber nachzudenken. Da arbeitete sie jahrelang an einer guten Maske, die perfekt auf ihrem Gesicht saß, und diese wurde von einem Jungen niedergerissen, der den seltsamen Gedanken hatte, seine Schwester zu heilen.
 

 

Doch so seltsam war es wohl doch nicht.
 

 

Und Kyojuro hatte daran geglaubt, dass dies zu schaffen wäre. Allein dieser Gedanke brachte Shinobu prompt wieder dazu, schwer zu seufzen. Als ob so ein Heilmittel einfach herzustellen wäre, dabei drückte die Last sie beinahe in den Boden. Ihr ehrliches Vorhaben war die Ermordung eines Dämons und nicht die Heilung – auch wenn Nezuko Kamado noch nie jemanden verletzt hatte.
 

 

Es schien, als würde eine Wärme sie ergreifen. Als würden sich warme Hände auf ihre zierlichen Schultern legen und eine Hitze verströmen, welche sie dazu zwang, sich zu entspannen. Sie löste ihre Hand von Kyojuro's eingravierten Namen und tastete nach einer Schulter – doch natürlich fehlte hier jegliche Berührung, welche ihr Geist versuchte vorzuspielen.

Sie stellte sich Kyojuro vor, wie er hinter ihr stehen und versuchen würde, ihr Mut zu machen, sie zu bestärken und mit unsinnigem Lob zu überschütten. Ein kleiner Teil von ihm zerbrach an diesen Gedanken nur noch mehr, weil nichts davon jemals echt gewesen war.
 

 

Es hätte echt werden können.

Nur mit etwas mehr Zeit.

Mit einer passenden Gelegenheit.
 

 

Kyojuro hätte die Person sein können, welche sie von der Rache löste. Wer, wenn nicht Kyojuro? Doch die Chance war vertan.
 

 

„Kocho-san?“
 

 

Shinobu zuckte ein wenig zusammen, als sie plötzlich ihren Namen vernahm und drehte den Kopf, ohne vorher ihr einstudiertes Lächeln auf das Gesicht zu bringen. Ihre Augen weiteten sich, als sie das bekannte Haar vor sich sah. Goldblond mit roten Enden. Ihr Herz schlug kurzzeitig schneller, bevor sie erkannte, dass es sich nicht um Kyojuro handelte, der hier vor ihr stand.

 

„Senjuro“, erwiderte sie leise, versuchte jedes hoffnungsvolle Beben in ihrer Stimme zu zerstören, während sie sich aufrichtete.

Selbst dann war sie kaum größer als Senjuro, welcher einen Strauß aus Blumen in den Armen hielt. Prachtvoll und wunderschön – genauso wie Kyojuro selbst.

„Es ist schön, dich wiederzusehen. Wie ist es dir so weit ergangen?“
 

 

Wie viel von diesem Lächeln auf den Zügen dieses Jungen waren gespielt? Einer Maske gleich? Da Shinobu von sich selbst wusste, fiel es ihr stets schwer, die Ehrlichkeit anderer Personen einfach so hinzunehmen. Vor allem dann, wenn jemand vor ihm stand, der einen tragischen Verlust erlitten hatte.
 

 

„Oh, es … mir geht es gut“, mutig antwortete Senjuro weiterhin mit einem Lächeln. Dieses wurde jedoch ein wenig trüber, als er den Kopf zu den Blumen senkte, die er immer noch hielt. „Ich meine … es ist immer noch schwer … aber ich versuche weiterzumachen. Das hätte Aniue sich gewünscht.“
 

 

„Ja“, stimmte Shinobu mit ruhiger Stimme zu. „Das hätte er sich wohl. Das sind sehr hübsche Blumen.“
 

 

„Ich habe den Strauß extra zusammenstellen lassen“, verkündete Senjuro ein wenig stolz. „Es gibt sie in so vielen, schönen Farben – ich muss dann immer an Kyojuro denken … und die Sonnenblume war immer seine liebste Blume, also habe ich auch eine davon einbinden lassen.“
 

 

„Ich verstehe“, nickte sie langsam und drehte den Kopf zum Grab des ehemaligen Flammenhashira's.

Die Liebe, welche man diesem Mann schenkte, konnte man bereits anhand der zahlreichen Blumen erkennen, die dort niedergelegt wurden. Dabei sollte keiner so viel Zeit dafür haben. Doch jetzt, wo es auf ein Ende zuging, … vielleicht war es da nochmal umso wichtiger, seine Zuneigung zu hinterlassen.

„Die Blumen passen wirklich fantastisch zu deinem Bruder.“
 

 

„Sind die Gloxinien von dir?“ Shinobu blinzelte für einen Moment irritiert, ehe sie nickte. „Ich habe bemerkt, dass sie jemand immer wieder herbringt, aber bisher hat jeder, den ich gefragt habe, verneint.“
 

 

Wie viele Personen kamen bitteschön hierher – und wie oft kam Senjuro bitte hierher?
 

 

„Du solltest wirklich nicht zu viel Zeit hier verbringen“, meinte sie mit so viel Leichtigkeit und Trost in der Stimme, wie nur möglich war.
 

 

Senjuro neigte den Kopf ein wenig: „… Du auch nicht.“
 

 

Sie konnte erkennen, wie er verlegen errötete, vermutlich weil er eben selten so offen und direkt zu jemandem sprach, den er respektierte. So erinnerte er sie mehr und mehr an Kyojuro.
 

 

„Damit liegst du wohl richtig“, erwiderte Shinobu ohne jeglichen Zorn in der Stimme. Wie könnte sie auch auf jemanden wie Senjuro wütend sein? „Ich versuche wohl einfach … nachzuholen, was ich verpasst habe.“
 

 

„Das kann ich verstehen. Es fühlt sich so an, als würde unser … mein Vater dasselbe versuchen. Nur ohne die Blumen.“
 

 

Shinobu hatte Shinjuro Rengoku nie richtig kennengelernt. Sie hatte nur miterlebt, dass er mit einem nicht zu ignorierenden Geruch von Sake zu dem einen oder anderen Gespräch mit Oyakata-sama aufgetaucht war. Er war nie zu den Untersuchungen gekommen, die für jeden Hashira normal waren, um für ihre gesundheitliche Sicherheit zu sorgen.

Da Kyojuro recht früh den Posten als Flammenhashira übernommen hatte, war es nicht notwendig gewesen, sich über Shinjuro Sorgen zu machen. Plötzlich gab es da Kyojuro, um den man sich eher Sorgen machen musste, weil er immer alles gab und dennoch zu wenige Pausen machte.
 

 

„Kennst du die Blumensprache, Kocho-san?“
 

 

„Hm? Nicht von allen Blumen, nein. Beschäftigst du dich gerne damit?“
 

 

„Na ja … nicht wirklich, aber … ich wollte die perfekten Blumen auswählen und habe dabei ein paar Dinge nachgelesen. Auch um zu sehen, was die Blumen bedeuten, die hier sonst so abgelegt wurden.“
 

 

Shinobu musste ein wenig schmunzeln, sie war sich sicher, dass nicht jeder nachforschte, was Blumen für eine Bedeutung hatten.
 

 

„Und, treffen alle Bedeutungen irgendwie auf etwas zu, was zu Kyojuro passt?“
 

 

Senjuro zuckte etwas mit den Schultern: „Die meisten Blumen sind Trauerblumen und stehen dafür. Manche stehen für Reinkarnation und … nun, Ähnliches. Es gibt nichts, wirklich etwas Außergewöhnliches.“

Es war wohl der sicherste Weg, schätzte Shinobu. Vor allem für Personen, die nicht wirklich viel davon verstehen. Sie beobachtete, wie Senjuro ihren Strauß am Grab drapierte. Löwenmäulchen und eine große Sonnenblume; einfach perfekt aufeinander abgestimmt und in genauso guter Harmonie, wenn man an Kyojuro dachte.

„Aber“, der jüngste Rengoku zog ihre Aufmerksamkeit wieder komplett auf sich. „Ich denke, dass du dich gut mit der Blumensprache auskennst, immerhin ist es irgendwie deine Aufgabe, Pflanzen zu verstehen, nicht wahr? Wegen Heilmittel und Giften und allem …“
 

 

Shinobu neigte den Kopf, spürte, wie sie eine unerwartete Nervosität im Körper empfand: „Vielleicht weiß ich mehr als andere Personen, ja.“
 

 

„Die Gloxinie steht für Liebe, die nicht erfüllt werden kann.“
 

 

Obwohl Senjuro's Stimme immer noch ruhig war, fast schon leise, fühlte es sich an, als würde er diese Worte brüllen. Shinobu's Ohren klingelten und ihr Herz schlug unregelmäßig, als wäre sie in einem Kampf verwickelt.
 

 

„Das ist korrekt“, ihre Stimme zitterte leicht und sie verfluchte sich sogleich selbst dafür.
 

 

„Ich denke, dass mein Bruder-“
 

 

„Halt“, redete Shinobu bestimmend, aber nicht laut dazwischen. „Lass uns nicht darüber reden, was Rengoku-san gefühlt oder gedacht haben könnte. Er kann sich dazu nicht mehr äußern und ich … War einfach zu spät dran.“
 

 

Sie hob ihre Schultern, als wäre es nur eine beiläufige Last und nichts, was sie manchmal niedergedrückt hielt. Vielleicht bemerkte Senjuro ihr emotionales Dilemma – er schien ein feinfühliger, empathischer Mensch zu sein – oder er gehorchte einfach nur Shinobu's Worten. So oder so, er presste die Lippen aufeinander, nickte aber tapfer, während er sich aufrichtete.
 

 

„Kommst du noch kurz mit zum Schmetterlingsanwesen? Sumi, Kiyo und Naho freuen sich doch stets dich zu treffen.“
 

 

„Ja, gerne. Es freut mich auch immer euch alle zu besuchen. Vater wird mich vermutlich nicht vor morgen erwarten.“
 

 

Shinobu nickte wieder, mit einem Lächeln auf den Lippen, während sie geduldig wartete. Als Senjuro ebenfalls soweit war, wandte sie ihren Blick nochmal auf das Grab von Kyojuro zu. Dort, wo ihre sorgfältig ausgewählten Blumen an der Seite von Senjuro's Strauß standen. Immer noch von Schnee bedeckt, als würde dieser das Grab für sich vereinnahmen. Oder war es wie ein Zeichen von Kyojuro, dass er da war – in Form einer schneeweißen Schicht über das ganze Land?
 

 

Vielleicht, dachte sie ein wenig bitter. Werden wir uns bald wieder sehen, Kyojuro. Ich kann es einfach nicht loslassen.
 

 

Und war der weitere Tod eines geliebten Menschen nicht Grund genug, ihm folgen zu wollen? Wieso sollte sie dabei nicht alles tun, um zumindest einen der mächtigen Dämonen mit sich zu zerren?



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