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Tagebuch einer Trainerin

Pokémon Weiße Edition (Nacherzählung)
von

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Auf dem Weg

Der nächste Morgen kommt beinahe zu schnell, so spät sind wir schließlich ins Bett gekommen. Bell dagegen ist ausgeschlafen und erholt, als wir zusammen beim Frühstück sitzen, und lässt sich haarklein erzählen, was wir erlebt haben.

Das Pokémoncenter hat einen großen Speisesaal mit genug Platz für die zahlreichen Besucher: hauptsächlich Kinder, die ihre Reise angetreten sind, aber auch erwachsene aus aller Welt und einige Menschen in Bürokleidung. Die Morgensonne scheint hell durch die großen Fenster und spiegelt sich auf den roten Plastiktischen. Die grauen Tabletts dagegen sind matt, und das Essen reichlich. Ich habe mir Rührei, Speck und eine große Tasse Kakao vom Buffet geholt und bin richtig überrascht, wie schnell ich beim Reden noch essen kann; Mama hatte recht, Reisen macht wohl hungrig.

„Wild“, meint Bell schließlich, „So ein komischer Kauz. Ich frage mich, wo er hingegangen ist?“

„Gute Frage“, entgegnet Cheren, „Aber mich interessiert mehr, wo er herkommt. Er schien etwa in unserem Alter zu sein, hat aber den Eindruck gemacht, er hätte nie wirklich mit anderen Menschen zu tun gehabt... schlecht sozialisiert, keine Manieren, obwohl er sonst freundlich geklungen hat, und irgendwie fremd. Kann sein, dass er aus einer Einrichtung für geistig Behinderte ausgebüchst ist, aber dafür kam er mir eigentlich zu funktional vor. Eine vernünftige Klinik hätte ihm problemlos beibringen können, sich in der Welt besser zurechtzufinden...“

„Du machst dir zu viele Gedanken, Cheren. Du kennst den Jungen ja nicht mal richtig“, findet Bell.

„Darum geht es nicht“, blockt Cheren ab, „Ich habe nur das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Es passt alles nicht zusammen, weißt du? Sein auffälliges Verhalten, seine Art, seine Überzeugung. Das alles im Kontext mit diesem seltsamen Aufwiegler... und dann passt es plötzlich ZU gut. Ich habe einfach Angst, dass da noch etwas auf uns zukommt, was gefährlich werden könnte.“

Ich löffle schweigend meine zweite Portion Rührei, die Ansprache von gestern liegt mir schwer im Magen. All diese Yorkleff, die ich gestern gefangen habe... ich entschuldige mich leise, überlasse Bell und Cheren ihrer Diskussion und gehe allein in den Innenhof des Pokémoncenters, um die vier Hundepokémon aus ihren Bällen zu holen. Umi beobachtet mich aufmerksam, als ich die Yorkleffs an meinen Händen schnuppern lasse. Es sind liebe Pokémon, zutraulich, und anders als N kann ich nicht verstehen, was sie mir sagen wollen. Ob sie ihr Zuhause vermissen? Oder freuen sie sich darauf, mit mir auf Reisen zu gehen? Drei der Welpen scheinen lieber miteinander zu spielen als mit mir, aber der vierte ist ausgesprochen zutraulich, scheint sogar irgendwo einen Trank gefunden zu haben, den es mir schwanzwedelnd in die Hand drückt. Laut meinem Pokédex handelt es sich bei diesem Verhalten um eine spezielle Fähigkeit dieses Pokémons, die sich ‘Mitnahme’ nennt. Sicher nützlich auf einer langen Reise... und wenn ich Yorkleff so in seine großen, ovalen Augen sehe, glaube ich fest daran, dass es diese Reise mit mir machen will.

„Du brauchst auch einen Namen“, finde ich, „Ich glaube, ich nenne dich Detleff. Was meinst du?“

Detleff kläfft freudig und wedelt mit dem Schwanz. Ich denke, das kann ich als Zustimmung werten. Die anderen Yorkleffs bringe ich zurück an die Grenze zur Route Eins, wo ich sie wieder in die Wildnis entlasse. Einen Moment sehen sie mich fast enttäuscht an, dann beginnt das Erste zu spielen, und die beiden anderen stimmen schnell mit ein. Sicher haben sie mich bald vergessen... Ich sehe Detleff an, der seinen Artgenossen hinterherblickt, mich dann aber sofort hechelnd anstrahlt und schwanzwedelnd an mir hochspringt. Ich lächle beruhigt und rufe ihn in seinen Ball zurück. Vielleicht kann ich die Stimmen der Pokémon nicht hören, aber sie hören meine und wissen sich mitzuteilen, wenn es darauf ankommt.
 

Ich finde Cheren im Pokémoncenter wieder, in der festen Erwartung, dass dieses Mal ich es bin, der den Aufbruch vertrödelt, aber Bell ist auch noch nicht fertig. Sie schreibt gerade einen Brief an ihren Vater, dass es ihr gut geht und er sich keine Sorgen machen soll, und will ihn unbedingt hier noch abschicken, damit er einen aus jeder Stadt bekommt, in der wir Halt machen. Keine Ahnung, was daran so lange dauert, aber Cheren hat schon wieder ein Buch aufgeschlagen und ich setze mich neben ihn, um ein wenig Tauziehen mit Detleff zu spielen. Das Hundepokémon ist noch jung und komplett unerfahren, kein Vergleich zu Umi, für die der weitere Weg schon recht leicht sein dürfte. Ich will ein wenig mit ihm trainieren, bevor wir aufbrechen, damit ihm die Pokémon auf Route Zwei nicht über den Kopf wachsen. Endlich ist Bell auch so weit, gibt ihren Brief auf und schließt sich uns an, damit wir endlich nach Orion City aufbrechen können, wo die erste Arena wartet. Kaum fünf Schritte hinter der Stadtgrenze klingelt plötzlich mein Visocaster – Mama ist dran, sie wollte meine Stimme hören. Ich entschuldige mich natürlich sofort dafür, gestern Abend nicht mehr angerufen zu haben, aber sie winkt nur lachend ab und meint, ich sollte mich mal umdrehen. Ich tue es, und mir bleibt prompt der Mund offenstehen.

„Hallo Schatz“, grüßt Mama, die direkt hinter mit aus dem Schatten des Stadttores tritt.

Sie winkt.

Ich winke mechanisch zurück.

Bell bricht in schallendes Gelächter aus, und auch Cheren kann sich ein leises Kichern nicht verkneifen.

„Was machst du denn hier?!“, entfährt es mir, und ich stimme selbst mit in das Gelächter ein.

Mama zieht eine Tasche hervor und überreicht sie mir strahlend. „Die habe ich gestern im Angebot gesehen und bin gleich nach Gavina gefahren, um sie dir zu kaufen“, erklärt sie, „Ich bin froh, dass ich dich noch erwischt habe.“

Ich öffne neugierig die Tasche und strahle, als ich den Inhalt sehe. „Turbotreter!“ Die neusten und besten Schuhe, die es auf dem Markt für junge Trainer zu kaufen gibt. Glücklich falle ich meiner Mutter um den Hals, bedanke mich ausgiebig und ziehe die neuen Schuhe gleich an. Sie sind superbequem, und der leicht ansteigende Weg nach Orion City sieht plötzlich viel weniger lang und beschwerlich aus.

„Behalt die alten Schuhe lieber noch eine Weile“, rät Mama, „Und trag die neuen nicht zu lang, bis sie richtig eingelaufen sind, sonst bekommst du Blasen. Nun lasst euch aber nicht von mir aufhalten, genießt euer Abenteuer!“

Ich umarme Mama noch ein letztes Mal, bedanke mich nochmals und winke ihr nach, als sie wieder in der Stadt verschwindet, dann binde ich meine alten Schuhe an den Rucksack und wende mich wieder nach vorne. Bell und Cheren nicken mir zu, und gemeinsam machen wir uns auf den gewundenen Weg nach Norden. Es ist ein sanfter, aber stetiger Anstieg, und immer wieder ist der helle Kiesweg von meterhohen Terrassen blockiert, die man zwar herunterspringen, aber kaum erklimmen kann. Immer wieder müssen wir einen TRampelpfad durchs hohe Gras nehmen, um zwischen den dichten Tannen voranzukommen. Heute sind auch einige Trainer unterwegs, die uns zum Kampf herausfordern. Ihre Pokémon sind keine Gegner für Umi, aber Detleff hinkt noch ziemlich hinterher und kann die Erfahrung gut brauchen, die er durch die Kämpfe gewinnt. Auch wilde Pokémon gibt es hier reichlich, neben weiteren Yorkleff und Nagelotz treffe ich auch einige Felilou. Da mein Gewissen durch Detleffs Eifer ein wenig beruhigt ist beschließe ich, mir eines davon zu fangen, dessen schönes Fell mir besonders ins Auge fällt. Es ist ein hastiger kleiner Kerl, der Detleff ganz schön ins Schwitzen bringt, aber er ist schnell gefangen. Als wir unter einem Baum Pause machen, um auf einer Picknickdecke unsere Brotzeit einzunehmen, rufe ich das frisch gefangene Pokémon aus seinem Ball, um ihm einen Trank zu geben und ihn mir genauer anzusehen.
 

Das violette Katzenpokémon hat intelligente Augen, ein süßes Schnäuzchen und eine Menge Energie, scheint aber sehr an mir und meiner Tasche interessiert und wird schnell zutraulich. „Ich will dich Louis nennen“, beschließe ich, „Willkommen im Team.“

„Gibst du jetzt all deinen Pokémon Namen?“, erkundigt sich Bell neugierig.

„Ja, du nicht?“, frage ich zurück. Dass Cheren nur sein Serpifeu extra benannt hat ist mir klar, aber von Bell hatte ich schon ein paar Kosenamen erwartet.

„Naja, ich hab ja erst zwei“, meint Bell, „Rex und das kleine Yorkleff... sie heißt Gina.“ Einen Moment sieht Bell ihre Pokémon still an, dann strahlt sie plötzlich. „Hey, weißt du was? Lass uns kämpfen, Bianka, ich will sehen, ob ich dich immer noch schlagen kann.“

„Sicher nicht mehr“, meint Cheren, „Jetzt, wo Umi ihren Typvorteil nutzen kann.“

„Das werden wir sehen!“, protestiert Bell und springt auf. Rex ist sofort dabei, stampft mit den Hüfchen und grunzt kampfeslustig. Nun kann ich kaum noch protestieren, also springe auch ich auf die Beine und gebe Umi die Erlaubnis, sich zu beweisen. Sie tut es; nach all dem Training ist sie beinahe unschlagbar, und Rex’ Verwundbarkeit gegenüber ihrer Aquaknarre tut ihr übriges, den Kampf schnell zu beenden. Um den Rest des Kampfes etwas fairer zu gestalten rufe ich sie zurück und schicke Detleff in den Kampf gegen Gina. Yorkleff gegen Yorkleff – es ist ein unübersichtlicher Kampf voll rollendem Fell, aber Detleff ist es, der sich als Sieger aus dem Knäul rauft. Er bellt laut und triumphierend, und ich lobe ihn ausgiebig. Bell seufzt enttäuscht, küsst ihre Pokémon aber dennoch voller Dankbarkeit und lässt eine Runde Tränke für alle springen.

„Guter Kampf, Bianka, vielen Dank.“

„Danke dir, Bell, es hat Spaß gemacht.“
 

Wir essen unsere Brotzeit zu Ende, räumen zusammen und machen uns auf den restlichen Weg nach Orion City. Ich habe meine alten Schuhe wieder angezogen, um mir keine Blasen zu laufen, aber nach der guten Mahlzeit und dem belebenden Trainingskampf ist der Anstieg doch weniger anstrengend, als er ausgesehen hat. Orion City ist schnell erreicht und wir haben noch viel Zeit, uns umzusehen, bevor wir uns im Pokémoncenter einrichten.



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