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Als Rechteinhaber disqualifiziert

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Wer gedankenlos mit dem Stream schwimmt, darf sich nicht wundern unterzugehen

Bin Wormgirl

Erscheine nur bei Regen

Und glaube nicht, dass das was bringt

Bin Wormgirl

Es ist ein Segen

Dass die Melodie besser als dieser Text klingt

Wo~~rmgi~~rl“

 

Gespannt hielten Toshiro Hijikata und Sogo Okita in ungewohnter Eintracht vor Spannung die Luft an. Sie saßen vor dem Fernseher im Hauptquartier der Shinsengumi und starrten mit großen, erwartungsvollen Augen den laufenden Fernseher an. Keiner der beiden machte einen Mucks, keiner zuckte auch nur mit einem Muskel. Sie waren voller Konzentration in diesem raren Moment, in dem sie sich ausnahmsweise einmal nicht an die Kehlen gingen.

Es war der Tag, auf den sie praktisch ihr ganzes Leben gewartet hatten.

Der Tag, an dem die Finalfolgen ihrer Lieblingsserie Wonderful Wormgirl liefen.

Für Wonderful Wormgirl schafften sie es, ihr Kriegsbeil zu begraben, für Wonderful Wormgirl wurden sie zu Verbündeten, zu Brüdern fast, für Wonderful Wormgirl würden sie jederzeit von neuem einen Fernsehsender stürmen.

Dies war die Macht einer guten Serie.

Und heute war der Tag gekommen, an dem diese großartige Serie endlich ihren hoffentlich genauso großartigen Abschluss finden würde. Nicht, dass er das jemals jemandem erzählen würde, aber der Vizekommandant hatte in der Nacht zuvor vor Aufregung kaum schlafen können. Würde Wormgirl endlich mit ihrer großen Liebe Hamster Noir vereint? Würden die beiden ihre geheimen Identitäten erfahren und wie würden sie damit umgehen? Würden sie Hamster Noirs Vater daran hindern können, die Welt zu vernichten?

Hijikata war nur Augenblicke davon entfernt dies alles zu erfahren. Es würde nicht laufen wie bei Ein Supertrio, bei dem er bis heute nicht wusste, ob der ihm sehr sympathische Toshi (Kondo fragte immer mal wieder, ob sie verwandt wären; wegen des ähnlichen Namens und so …) je von der geheimen Identität seiner Freundin Hitomi erfahren hatte. Er durfte darüber nicht zu viel nachdenken. Wenn Toshi sich von Hitomi trennen würde … nein. Der Gedanke war zu grausam. Bei Wormgirl und Hamster Noir hatte er ein gutes Gefühl. Und nicht einmal Sogo, der darauf hoffte, dass Hamster Noirs Vater alles und jeden vernichtete, würde ihm diesen denkwürdigen Tag verderben.

Voller Vorfreude richtete Hijikata seine gesamte Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm. Das Intro war gelaufen und die ersten Szenen deuteten darauf hin, dass die Protagonisten gleich hinter das Geheimnis des Vaters kamen.

Man hätte die Luft im Fernsehzimmer vor Spannung mit einem Löffel zerteilen können.

Als plötzlich das Bild ausfiel.

„...was?“ Vor Schreck fiel Hijikata die Zigarette aus dem Mundwinkel. Er starrte noch auf das grau-weiße Flimmern des Fernsehers, als Okita bereits aufgesprungen war, gewaltsam das Gerät schüttelte und es dabei anschrie.

„Funktionier auf der Stelle wieder, wenn du nicht sterben willst!!“

„Sogo, warte“. Der Vizekommandant, bemüht einen kühlen Kopf zu bewahren, schaltete auf einen anderen Kanal, um herauszufinden, ob es nicht vielleicht ein Problem mit dem Fernsehsignal im Allgemeinen gab. Auf dem anderen Kanal war kurz das laufende Programm zu sehen, ehe auch dort nur noch grau-weißes Flimmern kam.

„VERDAMMTES MISTDING!!“ Hijikata zerteilte den Fernseher mit einem einzigen, zornigen Schwerthieb.

„Yamazaki!“, rief Okita derweil, während er sich zu dem mit im Zimmer sitzenden Kameraden umdrehte. „Was ist da los??“

Der Angesprochene stutzte. „Ach, jetzt überspringen wir plötzlich den Teil, wo Sie so tun, als wäre ich so unscheinbar, dass Sie mich nicht sehen können?“

„So tun?“, hakten die zwei irritiert nach.

„Dafür ist nun wirklich keine Zeit! Du siehst doch, dass die Lage ernst ist!“ Okita trat nach einer Hälfte des halbierten Geräts und kickte es so – rein zufällig – gegen das Schienbein seines Vorgesetzten. Hijikata jaulte kurz auf und hielt sich das getroffene Körperteil. So war das, wenn mit einem Mal das Einzige fehlte, was sie verband. Alles drohte, ins Chaos zu entgleiten.

„Ich weiß auch nicht, was da los ist“, antwortete Yamazaki. „Im Fernsehprogramm waren für heute eindeutig die Finalfolgen angekündigt. Es ist aber auch seltsam, dass anscheinend alle Kanäle nacheinander kein Bild mehr haben. Da muss ein größeres Problem dahinterstecken.“

„Sogo! Du kennst den Weg!“ Hijikata nickte dem Jüngeren lediglich zu, der sich sogleich sein Schwert schnappte. Es war offensichtlich, dass sie sich wieder zum Sender aufmachen wollten.

Kondo stoppte sie in dem Moment, in dem er durch die Tür den Raum betrat.

„Toshi, es hat keinen Sinn zum Sender zu gehen.“

„Halte mich nicht auf. Sie hatten mir versprochen, die Folgen zu zeigen. Anderen etwas wegzunehmen, was ihnen so viel bedeutet, ist nicht nur ungesetzlich, sondern auch unmoralisch. Wir als Shinsengumi sind die Einzigen, die zwischen der Ordnung und der Anarchie stehen. Wir müssen das Gesetz und die Moral beschützen.“

„Das stimmt ja alles“, entgegnete Kondo, „und natürlich sind das unsere obersten Leitlinien, an die wir uns uneingeschränkt halten, aber als ich eben mit einem Teleskop in Otaes Wohnzimmer reingeguckt habe, habe ich gesehen, dass auf ihrem Fernseher genau das Gleiche geschehen ist. Auf allen Programmen! Erst war noch ein Bild da und dann kam nur noch Geflimmer. Meine geliebte Otae hat mit ihren zarten Fäusten daraufhin ebenso das Gerät zertrümmert. Doch es passiert auf allen Fernsehern in der Umgebung. Nacheinander und nicht zeitgleich, so wie bei einer technischen Störung.“

„Alle sind betroffen?“ Hijikata runzelte die Stirn.

„Mich macht es eher betroffen, was Kondo-san unter Gesetz und Moral beschützen versteht“, wandte Okita ein.

In ihre Diskussion vertieft, bemerkten die drei nicht, wie Yamazaki plötzlich schauderte und – selbst darüber verwirrt – aus der geöffneten Schiebetüre nach draußen blickte. Ein aus dem Nichts aufgetauchtes Gefühl des Horrors hatte ihn überkommen. Ein laues Lüftchen wehte hinein und Yamazaki spürte, wie jedes Haar an seinem Körper sich aufstellte. Was war das nur? Wieso schauderte es ihn plötzlich so? Sein perplexer Blick wanderte hinauf zum blauen Himmel und er begann, am ganzen Körper zu zittern.

„Yamazaki? Ist alles in Ordnung?“ Kondo bemerkte das Unwohlsein des bleicher und bleicher werdenden Untergebenen und musterte ihn besorgt.

„Ich … ich weiß nicht …“, stammelte der Rangniedrigste im Raum hilflos. „Irgendetwas ist … seltsam.“

„Seltsam?“ Hijikata hob kritisch eine Augenbraue. „Inwiefern?“

„Es … es ist … ich kann es nicht beschreiben. Mich überkommt so ein merkwürdiges Gefühl ...“

„Gefühl?“, hakte der Vizekommandant nach. „Hoffentlich nicht Gefühle für irgendjemanden, oder? Das hatten wir schon und ich möchte nicht daran erinnert werden.“

„Es heißt, Yamazaki sagt manchmal im Schlaf Ihren Namen, Hijikata-san“, warf Okita diabolisch grinsend ein.

„ICH MÖCHTE NICHT DARAN ERINNERT WERDEN!!“

„Moment ...“ Kondo kratzte sich am Kinn. „Er stöhnt doch im Schlaf nicht nur ständig Toshis Namen-“

„WIESO IST ES JETZT SCHON EIN STÖHNEN?!“

„-sondern auch immer wieder 'Anpan', richtig? Vielleicht ist er auf Anpan-Entzug?“

„Oder er ist auf Anpan. Seine Augen sind jetzt schon fast so rund wie Anpan-Brötchen.“ Okita schien im Gegensatz zu den beiden anderen nicht sehr besorgt um ihn zu sein.

Sie verstummten, als Yamazaki sich mit wackligen Bewegungen erhob. Wie in Trance starrte er erst auf seine Hand und ließ dann seinen erschütterten Blick zu seinen Vorgesetzten wandern. Nun wurde es selbst Okita ein bisschen unheimlich. So verstört hatte er Yamazaki noch nie erlebt.

„Irgendetwas stimmt nicht.“ Die Stimme des Badminton-Enthusiasten bebte. „Normalerweise wäre das hier der Punkt, an dem ich auf die Einstellung der deutschen Fassung von Gintama hinweisen würde, aber … ich spüre überhaupt keinen Drang, dies zu sagen.“

Fassungslos starrten Kondo und Hijikata den jungen Mann an. Das war in der Tat seltsam – und sehr, sehr beunruhigend.

„Ach, das ist alles?“, wiegelte Okita ab. „Das liegt bestimmt daran, dass die Autorin dieser Geschichte dich durch jemanden ersetzen will, der über mehr Präsenz verfügt. Die Flöhe auf meiner Katze zum Beispiel.“

Ah ja, Okitas Katze. Aufmerksame Leser wissen natürlich gleich, wie er an eine Katze gekommen ist: durch dreiste Entführung. Nach dem letzten Sturm auf den Fernsehsender hatte der Offizier ungefragt die Katze aus der Home24-Werbung aus dem Gebäude des Fernsehsenders mitgenommen. Seitdem lebte sie im Hauptquartier der Shinsengumi. Die Senderchefin höchstpersönlich war schon hier gewesen, um das Tier als vermisst zu melden. Okita hatte ihr ins Gesicht gelogen, dass sie nach ihm suchen würden. Als es plötzlich miaut hatte, hatte er sich beeilt zu sagen, dass das nur der Kommandant gewesen war – und die Chefin hatte ihm geglaubt und den Rückweg angetreten.

Moment mal, beschwerte sich da Hijikata in Gedanken, die Katze kriegt so eine lange Erklärung und dass Yamazaki im Schlaf meinen Namen stöhnt, wird einfach ohne weiteren Kommentar so hingestellt??

Oh ja. Genauso war es.

„Nein.“ Yamazaki schüttelte entgeistert den Kopf. Schweiß lief ihm bereits über die Stirn. „Das ist es nicht. Ich … ich spüre … ich spüre eine Erschütterung der Macht.“

„Er ist ein Jedi?“, wollte Kondo überrascht wissen.

„Na ja“, der angespannten Lage zum Trotz nahm Hijikata einen tiefen Zug von seiner neuen Zigarette, „er hat diesen leuchtenden Badmintonschläger, um im Dunkeln spielen zu können. Bei der Jugend von heute reicht das wohl, um den Grad eines Jedi zu erreichen. Wir mussten damals dafür noch richtig trainieren und uns reichten auch drei Filme völlig aus.“

„Es wird etwas Schlimmes passieren“, prophezeite der neben sich stehende Yamazaki weiter. „Etwas … etwas Schlimmes kommt auf uns zu.“

„Noch ein Star Wars-Teil?“ Besorgt beobachtete der Vizekommandant das Kopfschütteln seines Untergebenen.

„Selbst wenn würde der nur auf Streaming-Plattformen laufen und somit irgendwann in Vergessenheit geraten.“ Yamazaki zog hörbar die Luft ein. „Wir werden alle …!“ Schlagartig fiel er in Ohnmacht und wurde gerade so von Hijikata aufgefangen.

„Na toll!“, maulte Okita. „Wir werden alle … was? Warum kippt er an der entscheidenden Stelle um? Hätte das Universum nicht durch Hijikata-san sprechen können? Beim dem wäre es egal, wenn er dabei kaputtgeht.“

„Wir werden alle ...“, murmelte Kondo nachdenklich, „... glücklich und zufrieden unsere Leben leben? Sicher wollte er das sagen, oder? Oder? Ja, ganz bestimmt … oder?“

Die Shinsengumi-Offiziere schluckten verängstigt und schenkten der gerade ins Zimmer kommenden Katze aus der Home24-Werbung keinerlei Beachtung. Auf leisen Sohlen näherte sie sich Okita.

Niemand der drei bemerkte den kleinen, schwarzen Schatten am blauen Himmel.

 

„Gi~n-cha~n.“

Am anderen Ende Edos stellte Gintoki Sakata sich – Kaguras Jammern zum Trotz – weiterhin schlafend. Wenn sie so jaulte, war irgendetwas. Irgendetwas um das er sich kümmern musste und darauf hatte er gerade, wo er so schön auf der Couch lag, absolut keine Lust.

„Gi~~n-cha~~~~n.“

Oh nein. Ihr Tonfall wurde richtig verheult. Heulte sie wahrhaftig? Um das zu überprüfen, müsste er die Augen öffnen, aber wenn er das tat, würde sie bemerken, dass er wach war und … er hatte doch keine Lust.

„GI~~~~~~N-CHA~~~~~~~N!“

„WHAAAAA!“

Kagura kippte den Silberhaarigen mitsamt des Sofas um, sodass er im hohen Bogen von seinem Schlafplatz geschmissen wurde.

„Auauauau, verdammt, Kagura, was soll das denn?“ Sich den unter seiner lockigen Mähne verborgenen Schädel reibend, blickte Gintoki nun endlich zu dem Mädchen hoch.

Tatsächlich.

Mit heulenden Augen und einer jammervollen Miene stand sie vor ihm und hielt ihm das kleine Radio hin, das er ihr gekauft hatte, um seine Ruhe zu haben. Welch Ironie. Vielleicht hatte er da allerdings auch von vorneherein einen Denkfehler gehabt. Er hatte ihr ein Radio geschenkt, um seine Ruhe zu haben. Herrje, ja, wenn er nun darüber nachdachte, war das wirklich nicht allzu clever gewesen. Besonders, weil Kagura schnell einen neuen Lieblingssender gefunden hatte, nachdem ihr alter wegen zu vieler alternativer Fakten und zu wenigen Faktenchecks eingestellt worden war. Die Chaoten, die diesen Sender betrieben hatten, hatten daraufhin einen Rick-Astley-Kult gegründet und sendeten nun auf ihrer neuen Frequenz rund um die Uhr seine beiden größten Hits.

Und Kagura liebte es.

Rund.

Um.

Die.

Uhr.

Es war kein Zufall, dass Shinpachi sich in letzter Zeit auffallend oft bei sich zu Hause aufhielt, denn wie oft am Tag konnte man ohne Unterbrechung „Never Gonna Give You Up“ und „Together Forever“ ertragen? Erstaunlich öfter als er selbst angenommen hatte, aber erstaunlich seltener als er es gehofft hatte. Wie er die guten, alten Zeiten des „Pina Colada Songs“ vermisste!

„Gi~n-cha~n“, fuhr Kagura in ihrem verheulten Tonfall fort, „das Radio ist kaputt. Es macht keinen Mucks mehr.“

Gintoki winkte umgehend ab. „Wahrscheinlich haben sie den Sender nur schon wieder eingestellt.“

„Nein, kein Sender geht mehr.“

„Dann hast du dich im Schlaf wahrscheinlich auf das Radio gelegt und es beschädigt.“

„Nein! Hab ich nicht! Es ist ganz plötzlich ausgegangen! Es kommt nur noch so ein blödes Rauschen!“ Stur hielt sie ihm das Gerät hin, damit er es sich endlich ansah und auf wundersame Weise reparieren sollte. Hatte sie ihn hier je irgendwas reparieren sehen? Wie kam sie nur darauf, dass er etwas an dem kaputten Radio ändern könnte?

„Na schön, lass mal sehen“, stöhnte er und nahm das Gerät entgegen. Lustlos drehte er an ein paar Knöpfen. „Tja, da lässt sich nichts mehr mach- … oh nein.“

Neue Tränen liefen aus Kaguras Augen, während ihre Lippen zitterten. Gintoki seufzte innerlich. So sehr hing sie an dem Ding? Wenn ihm nichts einfiel, würde sie den ganzen Tag weiter heulen. Mindestens.

Die Tür schob sich auf und Shinpachi kam vorsichtig hinein. Der Mistkerl hatte bestimmt gehorcht, ob Rick Astley zu hören war, bevor er sich entschieden hatte, reinzukommen. Sollte ihm aber recht sein, denn so war Kaguras Radio ganz plötzlich nicht mehr sein Problem.

„Shi~~npa~~~chi“, begrüßte das Mädchen ihn schluchzend und der Junge machte unverzüglich einen erschrockenen Schritt zurück. „Mein Radio ist kaputt!“

„Es ist kaputt? Du wirst dich im Schlaf drauf-AH!“

Das Radio kam ihm wutentbrannt entgegengeflogen. Shinpachi wich ihm gerade so aus und blickte verängstigt in das Gesicht einer fuchsteufelswilden Kagura.

„NEIN!! HAB ICH NICHT!! ABER EUCH ZERQUETSCHE ICH IM SCHLAF WIE NICHTS!!“ Sie fletschte mit den Zähnen und zeigte auf das Gerät, das selbst ihren gewaltigen Wurf ohne größeren Schaden überlebt hatte. „REPARIERT MEIN RADIO!“

„Ja, natürlich, sofort.“ Shinpachi hob das Radio hastig vom Boden auf, schaltete es ein und drehte an den Knöpfen. „Sehr seltsam. Es geht an, aber ich kriege keinen einzigen Sender rein. Vielleicht stimmt etwas mit dem Empfang nicht. Funktioniert der Fernseher noch?“

„Na, na, na, Shinpachi“, schalt Gintoki ihn, während er aufstand und zur Fernbedienung schlenderte. „Mal nicht den Teufel an den Wand. Was würde nur aus uns werden, wenn der Fernseher nicht mehr ginge? Da spielen sich in meinem Kopf gleich ganz apokalyptische Szenen ab.“ Er machte das TV-Gerät an und … erstarrte.

Außer einem weißen Rauschen war nichts zu hören und zu sehen. Panisch schaltete er jeden Kanal durch, doch nirgends bekam er einen Sender rein.

„Das war's. Der Untergang ist nah.“ Geschlagen ließ Gintoki die Fernbedienung fallen.

„WER MALT JETZT DEN TEUFEL AN DIE WAND?!!“, schnaubte Shinpachi und bereute es, hergekommen zu sein. „Dann gibt es eben irgendein Problem mit einem Funkmast. Das wird bestimmt im Handumdrehen behoben sein.“

„Im Handumdrehen??“, schrien die beiden anderen ihn verzweifelt an.

„Wie lange ist so ein Handumdrehen?“, fragte Kagura atemlos.

„Zu lange!“, antwortete Gintoki ihr resigniert. „Zu lange, Kagura. Ich hoffe, wir werden es noch erleben, noch einmal in den Genuss des Fernsehprogramms zu kommen.“

„Wie dramatisch kann man sein?!“ Shinpachi schüttelte über die zwei den Kopf. „Wenn ihr es keine drei Sekunden ohne Unterhaltung aushaltet, dann guckt doch irgendwas von dem, was du auf dem Rekorder aufgezeichnet hast. Wofür hast du denn in das Ding investiert anstatt uns unseren Lohn zu bezahlen?“

Die Miene der Silberlocke hellte sich auf. Genau! Da war doch noch was!

„Shinpachi, wir alle profitieren von diesem Rekorder. Besonders jetzt, in dieser Stunde der Not.“

„Gin-chan hat die ganze Festplatte für sich in Anspruch genommen“, beschwerte das rothaarige Mädchen sich. „Für meine Sendungen war gar kein Platz mehr.“

Triumphierend machte der Chef der Alles-Agentur das Aufnahmegerät an. „Du bist noch zu jung und verstehst noch nicht viel davon. So eine Festplatte ist begrenzt. Da haben nur die exquisitesten Sendungen Platz. Sendungen, die dich zu dem machen, der du bist. Die deinen Charakter formen. Deine Identität definieren.“

„Was in aller Welt ist 'Auswandern hinter Gittern'?“, fragte Shinpachi stirnrunzelnd in Gintokis hochtrabende Rede hinein, als er die Titel der Shows auf der Übersichtsliste des Rekorders las.

„Ein Kulturprogramm, bei dem Häftlinge Strafverkürzung erhalten können, wenn sie innerhalb von 90 Tagen im Ausland heiraten.“

„Und 'Alle meine Geisterjäger'?“

„Ein Kulturprogramm, bei dem eine polygame Familie unheimliche Phänomene untersucht.“

„WAS IST DARAN KULTURELL???“

„Du bist eben nicht so kultiviert wie ich, Shinpachi“, wehrte Gintoki gelassen ab. „Wenn du erst einmal meine Reife erreicht hast, weißt du intellektuelle Sendungen viel mehr zu schätzen.“

„Verwechselst du nicht vielleicht Reife mit Fäule?“, konterte der Brillenträger.

„Ist bei Gin-chan das Gleiche“, warf Kagura ein und entdeckte in der Liste etwas, das ihr gefiel. „Da! Das möchte ich gucken!“

Vorsorglich las Shinpachi sich den Titel durch. Einer musste ja hier der Erwachsene sein. „Was ist denn das?“

„Oh, das ist eine besondere Perle“, erwiderte Gintoki. „Und völlig harmlos ist es auch. Es ist das super seltene Detektiv Conan Special, bei dem die Schwarze Organisation einen trotteligen, deutschen Austauschkriminellen bekommt: Bier.“

„Austauschkriminellen?“ Shinpachis Augenbraue ging wieder kritisch nach oben. „Das scheint allerdings wirklich das Vernünftigste auf der Festplatte zu sein. Wieso ist der ganze restliche Platz mit Burger King Werbespots gefüllt?“

„Weisheit.“ Zum Unverständnis des Jungen tippte Gintoki sich in einer stolzen Geste mit einem Zeigefinger gegen eine Schläfe. „Oder vielmehr: Weise Voraussicht. Diese Werbespots habe ich alle aufgenommen, um mich bei Autorin-sama einzuschleimen. Sie ist der einzige Mensch, der Werbeblöcke mag und sie lebt für Burger King Werbung. Solange ich diese Schätze habe, wird mir in einer Fanfiction nie wieder etwas Schlimmes passieren.“

„Gi~~n-cha~~n!“

Oh nein, wieso war der jammervolle Tonfall wieder zurückgekehrt?

„Die Einträge verschwinden!“ Kagura zeigte auf den Fernsehbildschirm, der bis gerade eben die aufgenommenen Sendungen angezeigt hatte.

Gintoki stürzte zum Gerät und umfasste den Bildschirm, auf dem eine Sendung nach der anderen verschwand, mit beiden Händen. „Nein! Krise! Was ist mit dir?! Was ist mit dir, meine Versicherung für schlechte Zeiten?? Warum verlässt du mich, du, mein ganzer Stolz??“

All sein Klagen und Weinen half nicht. Die Übersichtsanzeige des Aufnahmegeräts zeigte nur noch weißes Rauschen.

„Lass gut sein, Gin-san. Deine Versicherung hat uns verlassen.“

„NEEEEEEEIN!!“

„Aber ...“ Gintokis Schrei ignorierend, fasste Shinpachi sich gedankenversunken ans Kinn. „Warum löschen sich die Aufnahmen von alleine? Das kann keine Störung sein.“

„Ich habe so lange und so hart an diesen Aufnahmen gearbeitet …“ Am Boden zerstört hockte Gintoki auf dem Selbigen und ließ den Kopf hängen.

„Mir ist immer noch langweilig“, jaulte Kagura über das Wehklagen des Silberschopfes hinweg. „Wieso haben wir kein Steaming?“

„Du meinst Streaming“, korrigierte Shinpachi sie.

„Ja ja, dieses Stealing auf das die anderen Kinder im Park so abfahren.“

Shinpachi schüttelte den Kopf. „StREAMing. Und da laufen doch eh nur Serien und Filme, an die die Studios nicht glauben, weswegen es keinen interessiert, wenn der Kram kurz nach Veröffentlichung schon wieder in Vergessenheit gerät.“

„Das sind also alles nur Stream Punks?“

„Kagura-chan, du solltest sowieso lieber ein Buch lesen. Wirklich. Lies mal ein Buch. Bitte. Bevor du auch noch so wirst.“ Mit einem flüchtigen Blick auf Gintoki schritt Shinpachi zum Bücherregal und zog das einzige dort stehende Buch hinaus. Er seufzte laut, als er den Titel las. „Gin-san, warum ist das einzige Buch hier 'Schneeballsysteme leicht gemacht'?“

Unbeirrt und sich überraschend schnell von seinem Nervenzusammenbruch erholend, wiederholte Gintoki die Geste von vorhin und tippte an seine Schläfe. „Weise Voraussicht. Falls ich mich in Zukunft mal beruflich umorientieren muss.“

„DARAN IST ABSOLUT GAR NICHTS WEISE!!!“, polterte Shinpachi und stutzte umgehend, als der Titel vor seinen Augen vom Einband verschwand. Mit einem mulmigen Gefühl schlug er das fragwürdige Werk auf und blätterte durch die Seiten. Gintoki und selbst Kagura hielten inne, als der bebrillte Junge immer panischer blätterte.

„Die Buchstaben! Alle Buchstaben im Buch verschwinden!“ Aufgebracht hielt er ihnen die nun leeren Seiten hin.

Niemand der drei bemerkte den kleinen, schwarzen Schatten am blauen Himmel.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Seit ich erfuhr, dass ein Streaming-Anbieter sich zwischen mich und eine deutsche Veröffentlichung von Bungo Stray Dogs zu stellen scheint, durchlaufe ich die verschiedenen Phasen der Trauer – und eine Gintama-Fanfiction zu schreiben, ist (wie wir alle wissen) eine davon.
Ich tue Rick Astley hier Unrecht, er hat natürlich viele weitere Hits, aber für das Stilmittel der Gintama'schen Exaggeration musste ich es so ausdrücken. Komplett anzeigen

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