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Rauhnacht

von

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Kapitel IV

Ein Beben riss Regina ins Bewusstsein. Sie schnappte nach Luft, spürte nach und nach ihre Glieder, die unter tausend Nadelstichen kribbelten und …

Kein Beben, rollte die Erkenntnis träge durch ihren Verstand, als sie spürte, wie sie am ganzen Leib zitterte.

»Regina?«, krächzte Myra irgendwo in der Nähe, was sie aufschluchzen ließ. Sie war nicht allein. Myra war hier.

»Hie’. I- -n hier«, sagte sie mit klappernden Zähnen, die die Hälfte der Worte fraßen. Sie lag auf dem Rücken und mit einem Ächzen drehte sie sich auf die Seite, nur um ihre Stirn sofort gegen das Holz zu pressen, als sie sich kaum mit einem Arm aufstützen konnte. Sie wollte ihre Augen öffnen, doch ihre tonnenschweren Lider beließen sie vehement in der Dunkelheit. Fahrig tastet sie über ihr Gesicht, spürte es kaum, wie ihre Fingerspitzen auf ihre taube Haut trafen und auf … Eis.

Ihre Lider waren nicht schwer … sie waren vereist.

»Myra … Myra?! Ich … meine Augen«, japste sie, als ihr mehr und mehr die Luft für Worte fehlte.

Hände tasteten sich plötzlich zu Reginas Schultern, die Wärme so intensiv wie Brandeisen.

»Ich bin da«, sagte Myra und drehte sie wieder auf den Rücken. Brennende Fingerspitzen legten sich an ihr Kinn.

Regina zischte. »Heiß!« Sie suchte und fand Myras Handgelenke, zog an ihnen.

»Warte, warte. Lass mich helfen.«

Es kostete Regina jeden Fetzen Überwindung für die nächsten Momente stillzuhalten, während Myra behutsam das Eis von ihren Wimpern löste.

»Was ist passiert?«, fragte sie, als das Zittern in ihrem Leib mehr und mehr abebbte.

»Ich weiß es nicht … Gut, das müsste alles sein. Kannst du die Augen öffnen?«

Tatsächlich spürte sie, wie sich ihre Lider anhoben, an der Schwärze änderte es jedoch nichts.

»Ist es noch dunkel?«, fragte Regina schwach, woraufhin Myra einen Fluch ausstieß.

»Moment!« Sie löste ihre Handgelenke aus Reginas Griff und einen Augenblick später ergoss sich kühles Licht vom Boden zur Decke. Die Taschenlampe von Myras Handy.

Ihr besorgtes Gesicht tauchte wieder über Regina auf. »Bist du irgendwo verletzt?«

Regina schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, mir ist nur verdammt kalt.«

»Das ist gut.«

Myra griff nach ihren Händen, und zog sie in eine sitzende Position, bevor sie zum Sofa eilte. Mit einer dicken Decke tauchte sie wieder an ihrer Seite auf und warf sie über Reginas Schultern. »Hier, wir müssen dich wieder warm bekommen.«

Regina zog die Decke fest an sich und rieb darunter ihre Arme übereinander. »Was ist mit dem Ofen?«

»Sie hat Licht und Feuer mitgenommen. Kann sein, dass der noch eine Weile ausbleibt«, sagte Myra und griff nach dem Handy, auf dem sie etwas tippte. Im schroffen Licht sah sie noch immer so blass wie vorhin aus. Sorge stand in Myras Zügen.

Die Geschehnisse der letzten Minuten – oder waren es Stunden? – drängten sich Regina wieder auf, ihr Verstand haderte mit dem Erlebten. Dennoch kam sie um eine Frage nicht herum. »Myra, wer war das gewesen?«

Ihr Freundin starrte einen langen Moment wie durch das Display hindurch. »Ich glaube, du kennst die Antwort.«

Sie hatte recht, Regina kannte die Antwort, seit sie den Namen der alten Frau gehört hatte. »Im Märchen ist sie aber viel netter.«

»Das sind sie immer.«

»Und was wollte sie?«, schaffte Regina mit dünner Stimme zu fragen. »Was für ein Angebot meinte sie …«

Myra senkte das Handy, schüttelte den Kopf. »Ich dachte nicht, dass sie sich so zeitig zeigen könnte. Holdas Auftauchen war kein gutes Zeichen. Sie ist Vorbotin für die Geister, die in den Rauhnächten wandeln können. Aber dass sie dich beinahe mitgenommen hätte … das passt nicht.«

»Sie hätte mich–« Regina nah einen zittrigen Atemzug.

»Du bist hier.« Myra legte über der Decke ihre Hände an ihre Arme, drückte sie, als wollte sie nun auf diese Art an Ort und Stelle halten. »Sie kann dich nicht mehr mitziehen.« Regina nickte, blickte an Myra vorbei und verstand im ersten Moment nicht, was sie sah.

Myra strich sich eine lose Strähne hinters Ohr. »Vielleicht lag es am Herrenhaus, die Energien sind hier kräftiger oder es war eine überzogene Warnung …«

Regina blinzelte. Nein, das bildete sie sich nicht ein. »Myra?«, unterbrach sie leise, was ihr dennoch sofort alle Aufmerksamkeit einbrachte. »Dort, am Fenster.« Regina nickte in die Richtung des Ofens. Als Myra sich umdrehte, gab sie die Sicht darauf gänzlich frei und Regina stockte der Atem.

Wo vorher noch eine liebliche Gardine hing, prangte nun ein wie Kristall funkelnder Rosenstrauch, der das gesamte Fenster bedeckte. Drei wie frisch gefallener Schnee glimmende Blüten standen in voller Pracht, die Dornen an den Stängeln so klar wie Gletschereis.

Hilflos wanderte Reginas Blick zu den beiden anderen Fenstern im Raum, die von den gleichen Eisrosen vereinnahmt waren.

»Das sind nicht zufällig unsere Eisblumen, auf die wir gewartet haben, oder?«

Myra sackte neben ihr auf den Boden zusammen. »Nein, leider nicht.« Unglauben spiegelte sich in ihren Augen, als sie zu Regina sah.

»Das hier? Das sind Omen.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  _Delacroix_
2023-03-05T13:19:14+00:00 05.03.2023 14:19
Hiho^^,
 
ich habe mich wirklich gefreut in dieser Geschichte Regina von Myra wieder zu treffen. Ich fand schon deine letzte Geschichte mit den Beiden sehr gelungen. Was ich auch gleich daran gemerkt habe, dass die Zwei mir sofort wieder im Gedächtnis waren, als ich angefangen habe, zu lesen. Was mit Blick darauf, dass das schon ein Jahr her ist, eigentlich ein gutes Ergebnis ist. 
Lange Rede, kurzer Sinn, ich hoffe jetzt sehr auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr.^^
Antwort von: Puria
05.03.2023 15:01
Hey!

Es freut mich nicht nur, dass die beiden ein willkommenes Wiedersehen waren, sondern auch, dass sie dir (und Keksmagie) im Gedächtnis geblieben sind! <3
Falls mir die Muse hold ist, wird es dieses Jahr eine Fortsetzung geben. :3
Lieben Dank fürs Kommentieren!

Greetings
Puria
Von:  SamAzo
2023-01-05T23:03:27+00:00 06.01.2023 00:03
Oh no...
Omen sind nie gut - hab da mal nen Film gesehen.

Die bleiben jetzt einfach in der Hütte bis Sommer ist! Das klappt bestimmt. Sie müssen nur die Plätzchen gut einteilen.
óÒ


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