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Rauhnacht

von

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Kapitel III

Regina ging voran und war froh, dass die alte Dame ihr Gesicht nicht sehen konnte. Holda, das klang beinahe wie–

»Ich weiß, ich weiß. Das klingt fast wie Holle.«

Regina stolperte heftig über ihre eigenen Füße, fing sich jedoch rechtzeitig und sah Holda mit großen Augen an, die sie besorgt musterte. »Nun, Kindchen, du bist wahrlich nicht die erste, die das vermutlich denkt.« Sie tätschelte Reginas Schulter.

Sie bat die alte Dame herein, bevor sie kräftig in die nächste Etage rief, und Myra mitteilte, dass sie einen Gast hatten. Holda stieß ein wohliges Seufzen aus und pilgerte mit Stupsi sogleich zum Kachelofen. Den Mantel behielt sie an, aber schlug die Kapuze zurück. Ihr Haar war hier im Licht silbrig weiß, ein Hauch violett glomm in den Enden, die im Nacken zu einem luftigen Dutt zusammengefasst waren. Der Muff baumelte vor ihrem Bauch, während sie ihre grazilen Finger in die Aura des Ofen hielt.

»Jannes hat wahrlich eine gute Entscheidung getroffen, als er das gute Stück hier restauriert hat«, meinte Holda, als Regina aus dem Schrank eine Schale und eine Tasse holte. Tafelwasser für Holda und Leitungswasser für Stupsi.

»Wie lange kennen sie Jannes und Sie sich eigentlich?«

»Schon ewig. Hab ihn aufwachsen sehen. Und als er sich in seinen jungen Jahren dann in diesen Herrenhof verliebt hat … Da freut es das zerknitterte Herz, wenn solche alten Dinge Wertschätzung finden«, sagte Holda und setzte sich auf die Bank vor dem Ofen, presste den Rücken wohlig gegen die erhitzten Kacheln. Hätte sie nicht den Mantel an, würde sie sich eine ordentliche Verbrennung einfangen.

Regina stellte die Schale vor dem Hund, der sofort gierig daraus trank, und reichte ihrem Gast das Glas.

»Dank dir, Kindchen. Weißt du, es ist schön zu sehen, dass Jannes Freunde hat, die hier nach dem Rechten sehen.«

»Um ehrlich zu sein, hab ich ihn noch ni–«

Re – na?

Regina verlor den Gesprächsfaden und drehte sich um. Hatte Myra sie gerufen? Sie trat zwei Schritt zurück, um in den dunklen Flur zu spähen, und lauschte.

»Ist was?«, erkundigte sich Holda. Sie nippte an ihrem Wasser und tätschelte Stupis Kopf, der bei ihren Beinen saß.

»Ich … Moment.« Regina betrat den Flur. »Hast du gerufen?«

Warten.

Nichts. »Myra?«

Stille.

Das war nicht richtig. War etwas passiert? »Myra, hörst du mich?«, versuchte sie es noch einmal. Als ihre Freundin wieder keine Antwort gab, sickerte Sorge durch Regina. Sie trat zurück zu Holda. »Ich bin gleich wieder zurück, ich seh nur kurz–«

»Regina!«, erscholl panisch hinter ihr.

Regina fuhr herum, als Myra in den Raum stürzte und bei Holdas Anblick wie von einer unsichtbaren Faust getroffen zurück gegen die Kommode taumelte. Bilderrahmen und Tand klapperten durcheinander, als Myra sich an der Kante des Möbelstücks festklammerte. Ihr Gesicht plötzlich so bleich wie Schnee, ihre grünen Augen angstvoll aufgerissen.

Regina stellte sich an, zu ihr zu gehen, doch als sie sich für den ersten Schritt nach vorn neigte, stieß sich Myra ab und stand mit aufeinandergepressten Lippen bei ihr.

Reginas Atem stockte, als sich bei Myras Anblick Furcht in ihrem Inneren zusammenballte. Etwas stimmte nicht. Mit Holda stimmte etwas nicht, dämmerte es ihr in der selben Sekunde.

Myras klamme Finger packten Reginas Hand, ihre grünen Augen sahen flehend zu ihr hoch.

»Hast du ihr deinen Namen genannt?«, hauchte Myra so entsetzt, dass Reginas Stimme versagte.

Holda lächelte. »Hat sie, Liebchen«, sagte sie und sah über das halbleere Wasserglas hinweg.

Myra hielt Reginas Blick noch immer mit ihrem gefangen und plötzlich zupfte etwas an Reginas Körpermitte, direkt in ihrer Brust. Sie runzelte irritiert die Stirn, als aus dem Zupfen ein magenumdrehender Ruck wurde, der sie blindlinks durch die Bodendielen zerren wollte. Nun war es Regina, die sich an Myras Händen festhielt. Nur mit Mühe schaffte sie einen Atemzug nach dem anderen, während ihre Knie darum kämpften, unter der Kraft nicht einzuknicken. Hilflos sah sie Myra an, deren schmale Lippen unter kaum erkennbaren Regungen heißer flüsternde Worte formten. Als raunte es jemand Regina von weit entfernt zu, begriff sie die Magie, die durch ihren Körper floss und sie nicht erstarren ließ, sondern im Hier … verankerte.

Regina schaffte ein ängstliches »Myra?« zwischen den Zähnen hervorzupressen.

Myra sah sie wild entschlossen an. »Alles wird gut.«

Ein Schnalzen zog ihrer beider Aufmerksamkeit zu Holda. »Du übertreibst ein wenig, Liebchen.«

Myra drehte sich zu der alten Frau, begegnete deren Blick, als starrte sie das personifizierte Unheil nieder. »Der Besuch ist eine Ehre, aber nun bitte ich Euch zu gehen.«

Holda trank ihr Glas leer, stellte es auf die Bank und stand mit einem Lächeln auf. »Ich muss sagen, deine Freundin versteht mehr von Gastfreundschaft.« Die vorher noch blassgrauen Augen von Holda glommen nun wie flüssiges Silber, als sie Regina mit einem freundlichen Blick bedachte. Myra schob sich vor ihr, lockerte ihren Griff nicht für eine Sekunde.

»Ein Trunk und Wärme wurden Euch zu teil, der Gastfreundschaft ist genüge getan. Ich bitte Euch erneut zu gehen«, erwiderte Myra unbeirrt, ihre Schultern bebten unter jedem Wort, als floss durch sie dieselbe Magie wie bei Regina.

Holda schob die Hand, die auch die Hundeleine hielt zurück in den Muff. Mit langsamen Schritten, die das Holz unter ihren Füßen zu einem qualvollen Knarzen brachten, trat sie auf sie zu und blieb vor ihnen stehen.

Funken stoben plötzlich über den Rand von Reginas Sichtfeld und sie schluckte den nächsten Atemzug, als sich die Luft um sie herum dick wie übersättigter Nebel an sie schmiegte.

Langsam setzte Holda ihre Kapuze wieder auf, ließ das schmale Gesicht einer alten Frau im pelzigen Schatten verschwinden, bis das Silber ihrer Augen zu leuchten schien. Die Präsenz von etwas Uraltem drückte gegen sie, drängte sich zwischen Myra und Regina, zupfte prüfend an ihren Händen, die schlohweiß miteinander verschränkt waren.

»Verwehrst du mir wirklich, was sich mir angeboten hat, Liebchen?«, grollte es rau aus Holdas Kehle, die jedoch im gleichen Moment an ihnen vorbeitrat und die Türe öffnete. Mit dem treuen Hund an der Seite blieb sie im Türrahmen stehen, die Nacht dahinter formte einen Rahmen aus absoluter Dunkelheit. Weder der Hof, noch Laternenlicht waren zu erkennen. Nur Schwärze.

»Es ist kein Angebot, wenn es unwissend geschieht«, presste Myra hervor, ließ Holda nicht aus den Augen. »Ich bitte Euch, zu Ehren der Drei. Geht

Das glühende Paar Augen starrte sie an und Regina glaubte im Schatten der Kapuze ein verdrießlich gekräuseltem Mund zu sehen, als Holda die andere Hand in den Muff stopfte.

»Mut hast du, Tochter der Töchter. Doch wie steht es um dein Geschick?«

Die Tür flog von einem zerstörerischen Wind gepackt zu und sog sämtliches Licht und Wärme im Zimmer mit sich. Der Anker in Regina zersprang. Etwas riss sie von den Füßen, riss sie nach vorn mit sich. Regina heulte qualvoll auf, Myras Schrei erschallte im selben Herzschlag. Reginas griff ins Leere – Myras Hand lag nicht mehr in ihrer.

Hilflos wirbelte sie durch die Luft, bevor all ihre Sinne in eisiger Dunkelheit ertranken .



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SamAzo
2023-01-05T22:48:25+00:00 05.01.2023 23:48
Was sage ich?
Glaub keinen spontan auftauchenden Personen!
Mei, mei, mei...
Hoffentlich weiß Myra wie sie das richten kann.


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