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Battle for the Sun

von

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Take me by the hand – As we cross through battlefields

Take me by the hand

As we cross through battlefields“

 

Placebo, „Beautiful James“

 

Dickens rannte panisch in der vorangegangenen Nacht durch Suribachi. Er wusste nicht, wo er war, wie er dahin gekommen war und, vor allem, was er dort getan hatte. Sein erster Impuls war es gewesen, nach Hause zu wollen, zu seiner Tante, seinen Geschwistern, zur lieben Eleanor, die sich immer so gut um ihn kümmerte. Doch -

Diese Leute waren nicht seine Tante und seine Geschwister. Sie hatten ihn aus dem Labor befreit und mitgenommen, als Fagin, der unheimliche Sikes und die anderen gerade nicht da gewesen waren. Eigentlich hatte er niemanden auf der Welt. Allein und kurz vor dem Hungertod hatte er auf der Straße gelegen, als Fagin ihn aufgesammelt hatte. Seine Freude, nicht einsam auf der Straße zu sterben, war damals nur von kurzer Dauer gewesen, denn in dem Labor hatte er die schlimmsten Dinge gesehen und am eigenen, zerbrechlichen Körper erlebt. Er hatte nie wirklich verstanden, was dort geschehen war. Fagin hatte stets nur davon geredet, einen perfekten Körper zu erschaffen, einen, der die Regeln der Fähigkeiten sprengte, der mehr einem Engel als einem Menschen glich und ihm den Ruhm und die Ehre bringen sollte, die ihm bisher verweigert worden waren. Viel deutlicher waren für den Jungen die Schmerzen in Erinnerung geblieben, die er dort erlitten hatte. Manchmal hatte es sich so angefühlt, als würde sein Körper in Flammen aufgehen und explodieren, andere Male war es, als würden ihm die Gliedmaße abgerissen. Aber dann eines Tages hatte sich alles besser angefühlt und Fagin und Sikes hatten davon gesprochen, den nächsten Schritt zu wagen.

Da begannen seine Gedächtnislücken. Für eine sehr lange Zeit – er wusste nicht für wie lange – hatte sich sein Bewusstsein so angefühlt, als wäre es unter Wasser gedrückt und alles, was er hatte sehen können, waren die verschwommen, undeutlichen Bilder von abscheulichen Gräueltaten gewesen. Morde. So viele blutrünstig ermordete Menschen. Und er hatte nichts tun können außer zuzusehen. Ab da war es sein Herz gewesen, das entsetzlich weh getan hatte.

Dann hatte er bei der Tante und seinen Geschwistern gelebt und es hatte sich so angefühlt, als wären sie tatsächlich seine Familie gewesen. Er hatte immer noch die Erinnerungen an eine glückliche Kindheit mit ihnen allen zusammen, doch diese Erinnerungen deckten sich nicht mit der Wirklichkeit, die an den Rand seines Bewusstseins gedrängt worden war. Und immer wieder hatte er erneute Gedächtnisaussetzer gehabt, aber wenn er danach zu sich gekommen war, hatte stets die Tante ihm im Arm gehalten und ihm gesagt, dass alles gut werden würde.

Nun wurde ihm schlagartig klar, dass sie seinetwegen immer auf der Flucht gewesen waren und an keinem Ort lange hatten bleiben können. Fagin und Sikes waren hinter ihm her. Warum nur hatten dann diese Leute, mit denen er doch gar nicht verwandt war, alles riskiert, um ihn zu beschützen? Und wo waren sie jetzt? Waren sie in Sicherheit?

Heiße Tränen flossen in dieser kalten Nacht seine Wangen hinab, während er ziellos weiterlief. Undeutliche Bilder flackerten vor seinem inneren Auge auf. Sie zeigten blutüberströmte Männer und allein der Gedanke daran ließ ihn verzweifeln. Wieso wurde gerade er ständig von solch grausamen Bildern gequält? Und wieso konnte er sich plötzlich an all das, was zuvor geschehen war, erinnern? Es war, als wäre aus dem Nichts heraus ein Schleier von seinem Verstand gelüftet worden. Die Erinnerungen waren so drastisch über ihn hereingebrochen, dass sie ihn ganz aus der Bahn geworfen hatten. Als dies passiert war, hatte da dieser Mann am Boden gelegen.

Wer war dieser Mann eben gewesen? Warum hatte er mit ihm geredet? Und warum in aller Welt hatte er da blutend auf der Erde gelegen? War nicht auch eine seiner Schwestern dort gewesen? War Polly wirklich dort gewesen oder hatte er sie sich nur eingebildet?

Vor Angst und Müdigkeit ins Stolpern geratend hielt Dickens an. Der Morgen war längst angebrochen und auch wenn die Sonne es nicht durch die dicke Wolkendecke hindurch schaffte, war es inzwischen hell genug, dass er etwas sehen konnte. Der Junge erschrak zutiefst, als er an sich hinabblickte.

Woher kam das ganze Blut??

Seine gesamte Kleidung war voller getrockneter Blutflecken, aber ihm selbst tat nichts weh …. Er schluckte. Was … was hatte all das zu bedeuten?

„Charles! Mein Lieber!“

Die Stimme, die zu ihm drang, ließ ihn vor Angst die Luft anhalten.

Wie Espenlaub zitternd hob Dickens seinen Kopf und sah Fagin vor sich stehen.

„Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Du kannst doch nicht einfach weglaufen!“

Der Junge machte einen Schritt zurück, weg von seinem Peiniger, nur um gegen jemand anderen zu stoßen.

„Hast du eine Ahnung, was wir deinetwegen für einen Aufwand betreiben mussten?“, knurrte Sikes ihn von oben herab an und hielt ihn sogleich schmerzhaft grob fest. „Jetzt mach schon, bevor der Knirps wieder abhaut.“

„Ja doch, ja doch.“ Fagin trat an ihn heran. Er legte eine seiner Hände auf den Kopf des Jungen und strich dreimal über seine Haare.

„Nein! Nein! Bitte nicht!“, schrie Dickens, als er fühlte, wie sein Bewusstsein erneut unter Wasser gedrückt wurde. Dann verstummte er und gab jeglichen Widerstand gegen Sikes Griff auf.

„Sehr schön.“ Fagin grinste hämisch. „Du bist jetzt wieder mein furchtloser Soldat. Deine Aufgabe ist es zu kämpfen und die zu töten, die uns im Weg stehen. Und jetzt möchte ich, dass du die Schweizerin und ihre nervigen Helferlein umbri-“

Als wäre plötzlich Leben in ihn zurückgekehrt, wand Dickens sich pfeilschnell aus Sikes Umklammerung und schlug den mehr als doppelt so großen Mann mit mehreren Faustschlägen in den Magen. Getroffen ließ der Hüne ihn los und torkelte zurück.

Fagin erschrak, als der Junge ihn mit eiskaltem Blick anschaute. Oder … sah er durch ihn hindurch?

Nur einen Augenaufschlag später war Dickens auf und davon.

„Was soll der Scheiß?!“, fuhr Sikes ihn an. „Wieso wirkt deine Fähigkeit nicht?“

„Sie wirkt! Nur … nicht so richtig.“ Missmutig guckte der Älteste der Engländer in die Richtung, in die sein Forschungsobjekt verschwunden war. „Hat das Zusammenleben mit der Schweizerin etwa seinen Willen gestärkt? Dann gehorcht er meinem Willen nicht so, wie ich das möchte. Wie ärgerlich. Nun, uns bleibt immer noch Plan B. Noah ist auf Position und gibt mir Bescheid, sobald sich etwas tut.“

 

„Wie sollen wir vorgehen?“ Unsicher blickte Tanizaki zu Atsushi und Yosano. Sie waren wieder in Suribachi angekommen. „Letzte Nacht meinte der Chef ja, wir sollten zusammenbleiben ...“

„Hast du Angst, Tanizaki?“ Yosanos Frage wirkte nicht sonderlich fürsorglich. „Keine Sorge, wenn du verletzt wirst, kümmere ich mich sofort um dich.“ Sie grinste wie eine Wahnsinnige und ließ den armen Rothaarigen in Schweiß ausbrechen.

„Whaa! Nein, ich … ich passe auf mich auf!“

„Suribachi ist einfach zu groß, so werden wir Dazai nie finden.“ Das Geplänkel der beiden anderen nicht mitbekommend, ließ Atsushi seinen Blick über die schier endlosen Häuserreihen schweifen. „Wenn wir doch nur wüssten, wo genau er hingegangen ist.“

„Versuch bloß nicht, so zu denken wie er“, ermahnte Yosano ihn. „Erstens ist das unmöglich, zweitens verletzt du dich dabei nur selbst. Und das wäre keine Wunde, die ich wieder hinbekommen würde.“

„Als Dazai uns gestern verlassen hat, sagte er, er wolle das große Ganze im Blick behalten.“ Tanizaki richtete seine Augen auf die höher gelegenen Ebenen des Slums. „Vielleicht meinte er das ganz wörtlich.“

„Dieser Anhaltspunkt ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Die Ärztin stemmte eine Hand in ihre Hüfte. „Das grenzt immer noch nicht wirklich etwas ein.“

Atsushis Blick folgte dem Tanizakis. „Aber vielleicht sehen wir von da oben irgendetwas, was wir von hier unten nicht sehen.“

Sein Satz ließ Yosano seufzen. „Meine Intervention kommt bereits zu spät. Du fängst an, wie er zu klingen.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Na schön. Es ist helllichter Tag, also ist es unwahrscheinlicher, dass uns jetzt jemand direkt angreift. Außerdem sind der Chef und die anderen mittlerweile vermutlich bei den Entführern angekommen und wir müssen uns keine Sorgen um die machen. Atsushi, siehst du die Treppe am Ende der Straße da? Du läufst da hoch. Tanizaki, du nimmst die auf dieser Seite und ich die auf der Gegenüberliegenden. In zehn Minuten melde ich mich bei euch und ich rate euch, ihr geht besser ran und seid wohlauf. Wenn nicht, dann … verspreche ich euch eine Sonderbehandlung.“

„Ieeeek!“ Tanizaki und Atsushi quietschten gleichzeitig, bevor sie hoch und heilig versprachen, vorsichtig vorzugehen.

 

Atsushi rannte die Straße entlang, bis er die Treppe erreicht hatte und begann, sie – zwei Stufen auf einmal nehmend – hinaufzulaufen. In Nullkommanichts hatte er das erste Plateau erreicht.

Nein. Von hier aus sieht man noch gar nichts. Ich muss weiter nach oben.

Ohne viel Zeit zu verlieren, sprintete er die Stufen weiter hinauf. Auch auf dem zweiten und dritten Plateau war die Aussicht noch nicht ausreichend. Bis wohin würde Dazai gehen, um einen Überblick bekommen zu wollen? Alles an dem Mann war außergewöhnlich und er hatte ja selbst einmal gesagt, er hätte gute Augen, aber … wie gut eigentlich? Man konnte mit Fug und Recht behaupten, dass er aus meterweiter Entfernung Dinge sah, die andere von nahem und mit einer Lupe nicht wahrnahmen.

Die Leute, die in Suribachi unterwegs waren, beäugten Atsushi wieder kritisch. Es war aber nicht nur, weil er sich in der Detektei umgezogen hatte, sondern vor allem, weil momentan alles an ihm „Schnüffler!“ schrie, so wie er mit wachen Augen die Gegend absuchte. Besonders viele Menschen begegneten ihm hier nach wie vor nicht. Viele Straßenzüge in Suribachi waren schlicht und einfach verlassen.

Ein Platzregen brach aus den Wolken hervor, als Atsushi ein fünftes Plateau erreichte. Trotz des strömenden Regens bekam man von hier oben so langsam einen besseren Überblick über die Straßen, die unter einem lagen, doch sonderlich viel erkennen konnte man nicht. Von so weit oben waren die Menschen fast nur noch als Punkte zu erkennen. Würde Dazai hier etwas sehen können?

Plötzlich überkam ihn ein beklemmendes Gefühl. Dieser Geruch, der in seine Nase drang, obwohl der Regen sich dazwischen schob … das war doch …? Unmöglich. Das konnte nicht sein. Wieso sollte er ausgerechnet hier und jetzt diesen Geruch wahrnehmen? Es war unmöglich. Punkt. Denn wenn er Recht hatte, wäre das eine Katastrophe. Eine Katastrophe, die er im Moment wirklich nicht brauchen konnte. Es durfte also nicht sein.

Seinem Gutzureden zum Trotz blickte Atsushi sich angsterfüllt um. Aus einer der dunklen Gassen kamen Geräusche. Schritte. Sie wurden lauter. Sie kamen auf ihn zu-

„Menschentiger?!“

Verdammt!

Musste das jetzt sein? Konnte er so viel Pech haben?? Konnte ein einzelner Mensch wirklich so viel Pech haben??

„Akutagawa.“

Es lag kein Gewitter in der Luft und doch schienen sich zwischen den beiden jungen Männern, die hier aufeinander trafen und sich wie vom Donner gerührt anstarrten, Blitze zu entladen; so angespannt war die Atmosphäre zwischen ihnen.

Das hieß, bis Atsushi eine Kleinigkeit auffiel.

Seinen eigenen Augen nicht trauend blickte er auf die kleinen Finger, die sich in den schwarzen Mantel seines Gegenübers verkrampften.

„Was … was ist denn das?“ Verdattert zeigte der Detektiv auf die Fingerchen am dunklen Stoff. „Akutagawa … du hast da was.“

Ein lautes, unzufriedenes Murren hallte durch das Viertel.

„Ich weiß.“ Sichtlich peinlich berührt und genervt drehte der Mafioso sich ein wenig zur Seite, sodass die kleine Besitzerin der winzigen Hand zum Vorschein kam.

Endgültig die Welt nicht mehr verstehend, betrachtete Atsushi das kleine Mädchen, das sich an Akutagawas Mantel festgekrallt hatte. Sie wirkte vollkommen verstört und starrte durch alles, was sich vor ihren Augen befand, einfach hindurch.

„Wer ist das Mädchen?“

„Keine Ahnung, sie ist mir sozusagen in die Arme gelaufen“, knurrte der Dunkelhaarige zurück. „Sie sagt kein Wort und fängt nur immer wieder plötzlich an zu flennen. Vielleicht eine Verwandte von dir?“

Die Provokation ignorierend, schrillten in Atsushis Innerem Alarmglocken. Dem Kind musste etwas Furchtbares zugestoßen sein, wenn sie sich so verhielt. Und sie ausgerechnet bei Akutagawa Schutz suchte.

Der Silberhaarige beugte sich zu dem Mädchen hinunter. „Hallo, mein Name ist Atsushi. Möchtest du mir deinen verraten?“

Sie reagierte nicht. Ihre Augen starrten weiterhin ins Leere.

„Nicht? O-okay, dann ...“ Behutsam hielt er ihr eine Hand hin. „Möchtest du nicht zu mir kommen?“

Erneut gab es keine Reaktion.

Von dem verächtlichen Schnauben eines Mafiosos abgesehen. „Kannst du überhaupt etwas, Menschentiger?“

„Ich sehe nicht, dass du ihr eine große Hilfe bist!“, gab Atsushi nun doch beleidigt zurück.

„Ich hatte überlegt, sie von ihrem Leid zu erlösen“, antwortete Akutagawa gefühlskalt und ließ Atsushi damit erschrocken zusammenzucken, „aber ich bin ja vertraglich gebunden.“

Der Detektiv atmete erleichtert aus und ordnete seine Gedanken. Das Mädchen trug saubere Kleidung und wirkte nicht unterernährt. „Sie scheint kein Straßenkind zu sein.“

„Gratuliere, Menschentiger, du bist ein Meister im Erkennen des Offensichtlichen.“

Ein anderer Gedanke durchzuckte Atsushi plötzlich. „Was hast du überhaupt hier verloren?“

„Das Gleiche könnte ich dich fragen.“

„Ich suche nach ...“ Der junge Detektiv stockte. Sollte er ihm dies mitteilen? Es konnte ihm zum Vorteil oder zum Nachteil gereichen. Eine Ahnung, deren genauen Inhalt er noch nicht greifen konnte, überkam ihn. Es konnte kein Zufall sein, dass er ausgerechnet hier und jetzt Akutagawa über den Weg lief. Nein, es musste irgendeinen Zusammenhang geben. Egal, wie die Antwort ausfallen würde, er würde etwas in Erfahrung bringen können; dessen war Atsushi sich nun ganz sicher. Ein Ausdruck von Entschlossenheit formte sich auf seinem Gesicht und ließ Akutagawa interessiert eine Augenbraue heben.

„Ich suche nach Dazai. Er ist seit gestern verschwunden.“

Die Augen des Mafioso weiteten sich mit einem Mal. „Dazai ist … verschwunden? Red keinen Unsinn, Menschentiger. Dazai kann nicht einfach verschwinden, er-“

„Doch“, entgegnete der Jüngere resolut. „Dazai ist mitten in einem Fall verschwunden. Genau wie Kyoka.“

Sprachlos starrte Akutagawa ihn an, während der Regen alle drei durchnässte. „Was für ein Fall?“ Die Tonlage des Schwarzhaarigen verriet die Mühe, die er damit hatte, ruhig zu bleiben.

„Mehrere Kinder sind aus Suribachi entführt worden. Anscheinend von Leuten, die selber einen bestimmten Jungen suchen.“

Da!

Für den Hauch eines Moments hatte Atsushi die wissende Mimik des Anderen erhaschen können. Akutagawa wusste etwas!

„Wie der Boss es gesagt hat“, erwiderte Akutagawa kryptisch. „Das armselige Büro der bewaffneten Detektive mischt sich in alle Angelegenheiten ein.“

„Akutagawa, wenn du etwas weißt, dann teile es mir bitte mit! Es geht schließlich um Dazai-“

Atsushis Handy klingelte und ließ ihn vor Schreck zusammenfahren, was Akutagawa mit einem abschätzigen Geräusch kommentierte.

„Was gibt es, Tanizaki?“

„Hat Yosano sich bei dir gemeldet?“ Die Stimme des Rothaarigen klang beunruhigt und gehetzt.

„Nein, bei mir noch nicht.“ Stimmt ja, Yosano wollte sich bei uns melden, um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung ist …

„Bei mir auch nicht. Und sie selbst geht nicht an ihr Handy.“

Atsushis Magen verknotete sich von jetzt auf gleich. „Tanizaki, kannst du nach ihr sehen? Ich komme sofort nach!“

„Ich bin schon auf dem Weg!“

Die Detektive legten auf.

„Noch mehr Probleme, Menschentiger?“

Der Silberhaarige sah von seinem Mobiltelefon auf. „Wir müssen unsere Unterhaltung auf ein anderes Mal verschieben.“ Am liebsten wollte er sofort lossprinten, aber da gab es noch ein Problem …. Er konnte unter keinen Umständen das Mädchen bei Akutagawa lassen.

„Ich weiß nicht, von welcher Unterhaltung du redest.“

„Dazai ist vielleicht in Gefahr!“

Ein finsteres Lachen entwich dem schwarzgekleideten Mann. „Das ist eure Sache. Wenn Dazai der Meinung ist, er müsse Detektiv spielen, dann will ich nicht der Spielverderber sein.“ Bänder von Rashomon erschienen aus dem Mantel und lösten die Finger des Mädchens gewaltsam von dem Stoff, bevor Rashomon das Kind im Ganzen packte und Atsushi entgegen schmiss. Sie fiel mehr in seine Arme, als dass er sie auffing.

Heillos perplex und panisch suchte Atsushi in seinem Kopf nach Worten, die Akutagawa am Gehen hindern konnten.

 

Wenige Minuten, bevor der Platzregen die Straßen von Suribachi in Matschpfützen verwandelte, stapfte Yosano mit nicht gerade guter Laune die Stufen der riesigen Treppe hinauf. Wenn sie Dazai finden würde, würde sie ihn so hart vertrimmen, dass der Idiot nie wieder auch nur einen Mucks machen würde. Sie hatte vollstes Vertrauen in den Chef, aber nun bekamen sie alle die Quittung dafür, dass Dazai solche Narrenfreiheit genoss. Irgendwann mussten seine ständigen Alleingänge ja mal nach hinten losgehen. Und sie durfte das jetzt ausbaden! Wie viel lieber wäre sie bei Ranpo und dem Chef geblieben! Ersterer wusste zwar im Moment mit ihrer Person nicht viel anzufangen, was Yosano heftige Stiche ins Herz versetzte, aber Letzterer litt unter dieser Situation noch viel schlimmer als sie und für ihn wollte sie da sein.

Die Ärztin wusste, warum sie zum Suchtrupp gehörte. Atsushi war hier, weil er nur einen Nervenzusammenbruch bekam, wenn Kyoka ihn weiterhin nicht erkannte, aber sie selbst war wegen einer unausgesprochenen Sache hier:

Der Chef ging davon aus, dass Dazai verwundet sein musste und deswegen nicht zurückgekommen war.

Yosano hätte am liebsten widersprochen, dass Dazai doch schon öfters einfach verschwunden war und sich bisher selbst aus so gut wie jeder misslichen Lage befreit hatte, aber irgendetwas nagte an ihr. Zum einen hatte der Chef ein wahrhaft untrügliches Gefühl für Gefahren, zum anderen waren ihr selbst Zweifel gekommen. Dazai war eigensinnig und unverantwortlich und chaotisch, doch er hatte noch nie einen Kollegen im Stich gelassen. Und warum sollte er ausgerechnet jetzt damit anfangen?

Der Regen entlud sich mit voller Wucht aus den Wolken.

„Großartig!“ Schimpfend blickte Yosano zum Himmel empor, ehe sie zum nächsten Plateau rannte und von dort zu einem Haus mit einem hervorstehenden Dach, wo sie sich unterstellte. „Lässt sich nichts dran machen.“ Sie seufzte, nahm ihr Handy heraus und wollte Tanizakis Nummer anwählen, als ein schwarzhaariger junger Mann mit einem übergroßen Mantel die Stufen hinaufeilte, die sie zuvor erklommen hatte.

„Entschuldigung, hübsche Frau!“, rief er ihr zu und blieb vor ihr stehen. „Puh! Sie sind ganz schön schnell dafür, dass Sie auf diesen hochhackigen Dingern rumlaufen.“

Yosano stutzte. Irgendetwas an dem Jungen war seltsam. War er ihr gefolgt? Sie hatte niemanden bemerkt.

„So?“, sagte sie lediglich und musterte ihn unauffällig.

Er grinste. „Ja! Aber … auch nicht schnell genug.“

Die Detektivin konnte gerade noch sehen, wie der Junge ein Blasrohr aus seiner Tasche holte. Im nächsten Moment steckte der Pfeil bereits in ihrer Halsvene.

„Wie …?“ Sie riss ihn sich wieder heraus. Wann hatte er das Geschoss abgefeuert? Bewegte er sich so schnell, dass sie seinen Bewegungen mit bloßen Augen nicht folgen konnte?

„Wer … bist … du …?“ Der Pfeil hatte ein Betäubungsmittel enthalten. Nervigerweise eins von der sehr starken Sorte. Alles vor ihren Augen verschwamm, ihre Beine wackelten und das Handy glitt aus ihrer Hand.

„Ist schon schade um so ein schöne Frau“, antwortete der Junge mit ungebrochen guter Laune. „Aber unsere Nachforschungen haben ergeben, dass Sie ein Problem für uns sein würden.“

Yosano konnte nichts mehr darauf erwidern. Bewusstlos fiel sie vornüber und wurde von dem Jungen aufgefangen.

„Na dann, lassen wir sie mal von der Bildfläche verschwinden!“

Er schleifte sie fort.

 

Das wilde Hämmern gegen die Eingangstüre ließ die Augen der drei Detektive und der vier Ausländer alarmiert zur Haustür schnellen.

Nur Taro fasste sich gequält an den Kopf. „Stellt das ab! Ich habe Kopfschmerzen!“

Kunikida und Fukuzawa wollten bereits nach vorn schreiten, als Burnett energisch an ihnen vorbeizog.

„Bitte!“, ertönte die atemlose Stimme einer jungen Frau von draußen. „Bitte! Es ist dringend!“

Burnett tauschte einen Blick mit Spyri aus, die sich schützend vor Eleanor gestellt hatte und ihr bekräftigend zunickte. Dann riss die Blondine die Türe auf.

Vom strömenden Regen vollkommen durchnässt und keuchend nach Luft schnappend, stand eine gepeinigt aussehende, rothaarige junge Frau vor der Tür.

„Du!“ Burnett hob ihr Gewehr, das sie nie aus der Hand gelegt hatte, wieder hoch. „Du gehörst zu Fagins Leuten!“

Als er dies hörte, schritt Fukuzawa umgehend an Burnetts Seite. Seine Aura machte deutlich, dass er keine Waffe benötigte, falls es zu einem Kampf kommen sollte.

„Wartet! Bitte, hört mich an!“, flehte Nancy eindringlich. „Bitte!“

„Wenn ich das richtig verstehe, dann gehört sie zu euren Verfolgern, ja?“, wandte sich Kunikida an Spyri, ohne den Eingangsbereich aus den Augen zu lassen.

„Soweit wir wissen, ist ihr Name Nancy“, antwortete die Angesprochene. „Wir haben bisher direkte Konfrontationen mit Fagins Leuten vermeiden können, daher wissen wir nicht, ob sie eine Fähigkeit besitzt.“

„Ich bin eine Befähigte, aber meine Fähigkeit kann euch nichts zuleide tun! Und ich komme unbewaffnet!“

„Können Sie das überprüfen?“ Fukuzawa schaute zu Burnett, die ihre Stirn in Falten legte.

„Ich kann sie nach Waffen durchsuchen, klar … ah!“ Der Frau wurde bewusst, was die Frage des Älteren beinhaltet hatte. „Du da, halt mal.“ Sie warf das gesicherte Gewehr Kunikida zu, der davon zwar überrumpelt wurde, es aber dennoch geschickt auffing. Burnett lächelte achselzuckend. „Immerhin stellen sich Ihre Leute nicht so an.“

Das Grummeln von Salten im Hintergrund ignorierend, machte Burnett einen Schritt auf Nancy zu, die stillschweigend ihre Einwilligung zur Durchsuchung gab. Die Blondine tastete alle Stellen ab, an denen eine Waffe versteckt sein konnte und zog bei jeder Berührung mit der vermeintlichen Feindin scharf die Luft ein.

Für einen langen Moment war nichts außer Burnetts angestrengtem Atmen und dem prasselnden Regen zu hören.

„Sie trägt keine Waffen bei sich.“ Burnett schluckte und räusperte sich.

„Was hast du gesehen?“, fragte Spyri vorsichtig.

„Klingt es zynisch zu sagen, dass es das übliche Leid war?“

Spyris Hand wanderte wieder zu ihrem Kreuz. „Sie soll reinkommen.“

Burnett und Fukuzawa machten einen Schritt zurück, sodass Nancy eintreten und die Haustüre geschlossen werden konnte.

Ratlos und unsicher stand die junge Frau, deren Alter Fukuzawa auf ein wenig jünger als das von Yosano schätzte, nun vor ihnen. Sie hatte offenkundig nicht verstanden, was genau gerade vor sich gegangen war.

„Also“, sagte Burnett wieder gefasster in die aufgekommene Stille hinein, „Fagin hat dich als Waisenkind von der Straße aufgelesen, aber deine Fähigkeit wurde seinen Ansprüchen nicht gerecht und so hat er das Interesse an dir verloren. Allerdings hatte dieses brutale Ekel Sikes Gefallen an dir gefunden und so bist du bei der Truppe geblieben.“

Nancy starrte sie erschrocken an. „Woher …?

„Was ich nicht sehen kann“, fuhr Burnett unbeirrt fort, „ist warum du bei ihnen geblieben bist.“

Die Rothaarige schüttelte ihren Schock ab und richtete sich ein Stück auf. „Weil es keinen anderen Platz auf der Welt für jemanden wie mich gibt. Und weil … weil Bill mich nicht immer schlecht behandelt.“

„Er verprügelt sie, aber sie liebt ihn dennoch“, übersetzte Taro, als er Kunikidas fragende Miene sah. „Vermutlich weil sie von niemandem sonst Liebe erfährt. Tragisch, aber so ist es nun mal.“

„So bitter dies auch alles ist“, warf Salten ein. „Wieso kommst du jetzt zu uns?“

„Charles ist heute in der Früh Fagin in die Arme gelaufen.“

Ein erschrockenes Japsen der Ausländer hallte durch das kleine Foyer.

„Er hat versucht, seine Gedanken zu kontrollieren, um ihn auf Sie anzusetzen, aber irgendwas ist schief gegangen und Charles ist weggelaufen.“

Spyris Hand ging ruckartig zu ihrem Mund. Ihre Augen weiteten sich bei der Erkenntnis, die gerade über sie eingebrochen war.

„Dieser Brief damals … der war von dir, nicht wahr?“

Nancy nickte ernst. „Ich … ich konnte es nicht mehr länger mitansehen.“ Es war schwer zu sagen, ob es Stolz oder Verlegenheit war, was die Tränen in ihren Augen daran hinderte zu fallen.

„Sie werden dich töten, wenn sie herausfinden, dass du uns geholfen hast“, stellte Burnett sachlich fest.

„Das ist mir bewusst.“

„Wenn bei dem Jungen nach wie vor der Trieb zum Töten aktiv ist“, überlegte Fukuzawa laut, „dann wird er dort auftauchen, wo Taro gesagt hat. Kunikida, du fährst dorthin und gibst Atsushi und den anderen Bescheid, dass sie zu dieser Immobilienfirma kommen sollen.“

„Moment mal“, wandte Burnett ein, „das ist immer noch unsere Sache. Ich komme mit.“

„Ich auch!“, meldete sich Eleanor energisch zu Wort. „Wenn ich es noch einmal versuche, wird es dieses Mal bestimmt klappen! Ganz bestimmt!“

„Solange Dazai unauffindbar bleibt, stehen uns nicht viele Optionen zur Verfügung“, gab Kunikida zu bedenken. „Wir haben keine Ahnung, was uns bei dem Jungen erwartet.“

„Er ist eine tödliche Waffe“, erwiderte Nancy. „Seine Kraft und seine Schnelligkeit gehen über jegliche Vorstellungskraft hinaus.“

Nachdenklich besah sich Spyri ihre Schützlinge und nickte schließlich. „Eleanor soll es noch einmal versuchen. Ich will nicht, dass Charlie getötet wird.“

„Das wollen wir ebenso nicht“, entgegnete Fukuzawa und Spyri atmete erleichtert aus.

Kenji hob eine Hand. „Chef, soll ich auch mit Kunikida mitgehen?“

„Nein“, antwortete Fukuzawa rasch, „du und ich bleiben hier. Wir wissen nicht, wie der Feind vorgehen wird, aber wir wissen, dass er es auf diese Leute und vielleicht auch auf diese Kinder abgesehen hat.“ Er drehte sich zu Spyri. „Wir sollten jeden in diesem Haus zu einem sicheren Ort evakuieren.“

Derweil hatte Kunikida Atsushis Nummer gewählt. „Atsushi, hör jetzt gut zu. Zum einen wird ein weiteres Mädchen vermisst-“ Der Brillenträger stutzte, als ihm augenscheinlich ins Wort gefallen wurde. „Wie sie aussieht?“ Fragend wandte er sich an Salten.

„Sie hat rotbraune Haare“, antwortete dieser laut in Richtung des Telefons, sodass Atsushi ihn hören konnte, „in einem Dutt. Und braune Augen. Sie trägt ein-“

Kunikida hob eine Hand, um ihm zu signalisieren, kurz ruhig zu sein. „Ein dunkelrotes Kleid?“

Salten nickte dynamisch. „Hat er sie etwa gefunden??“

Die Miene des Blondschopfs wurde schlagartig von tiefen Stirnfalten durchzogen. „Was soll das heißen, sie ist bei dir und … Akutagawa?!“

Fukuzawa und Kenji wandten sich mit weit aufgerissenen Augen zu dem vor Fassungslosigkeit schreienden Kollegen um.

„Langsam, Bengel, langsam, ich komme nicht mehr mit.“ Kunikidas Hand verkrampfte sich immer mehr um das Handy. „Yosano ist verschwunden?? Tanizaki konnte sie nicht dort finden, wo sie sein sollte?? Ein Betäubungspfeil??“

Fukuzawa bemerkte, wie Nancy zusammenzuckte.

„Dann tun sie es jetzt doch“, wisperte sie kleinlaut, „sie wollen die bewaffneten Detektive daran hindern, ihnen in die Quere zu kommen.“

„Du weißt, wohin man diese Frau gebracht hat, oder?“ Überraschend ernst und dringlich mischte sich Taro in das Gespräch ein.

Nancy nickte. „Fagin hat diesen Plan erarbeitet, um gegen die Detektive gewappnet zu sein. Sie wollen sie im Hafen ertränken.“

„Kunikida“, dröhnte die Stimme des Chefs, „wir fahren wie geplant fort. Atsushi soll das Mädchen bei den Kindern in Suribachi lassen und zu der Firma eilen. Tanizaki fährt so schnell er kann zum Hafen. Taro, welche Ecke des Hafens eignet sich am besten dafür, jemanden zu ertränken?“

„Der hintere Teil der alten Marina, der nicht mehr genutzt wird. Dort ist das Wasser tief und wenig los.“

„Hast du alles verstanden, Atsushi?“, hakte Kunikida mit drastisch zunehmender Ungeduld nach. „Alles klar, dann los!“

Mit offenen Mündern hatten Burnett, Salten und Spyri diese Szene bestaunt. Sie waren natürlich auch in Sorge, da ihretwegen nun ein Mitglied der Detektei in Gefahr schwebte, doch ihre Bewunderung für die Art, wie die Detektive diese Krise angingen, war überwältigend.

„Seid ihr nicht froh, dass sie hergekommen sind?“ Auf dem Weg zur Tür strahlte Eleanor. „Ich bin so froh, dass wir ihnen begegnet sind!“

Sie, Burnett und Kunikida stürmten hinaus.

 

„Hrrrrgh!!“

Ein größerer Stein flog in einem hohen Bogen durch die Luft, nachdem er mit einem zornigen Kick getreten worden war. Der Stein, an dem der rothaarige Mafioso seine unterirdisch schlechte Laune ausließ, krachte durch eine eh schon durchlöcherte Fensterscheibe eines leer stehenden Hauses.

Drei Tage!

Seit drei Tagen schon musste er durch dieses verdammte Viertel stapfen und irgendein Gör suchen! Der Stein reichte nicht einmal annähernd, um seinem Ärger Luft zu machen!

Und jetzt schüttete es auch noch wie aus Eimern!!

„Aaaaargh!!“

Chuuyas frustrierter Schrei schallte durch die Straße und blieb in der näheren Umgebung wahrscheinlich trotzdem ungehört. Es sah nicht so aus, als wäre hier noch irgendeine der Bruchbuden bewohnt.

Ein gezielter Tritt von ihm und ein Großteil Suribachis wäre dem Erdboden gleich gemacht. Chuuya konnte es vor seinem inneren Auge sehen und musste gegen den Drang ankämpfen, seine Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Ging ja nicht.

Der Boss wollte unbedingt dieses Kind in die Finger bekommen und da konnte er schlecht sagen, er hätte es in einem Anfall von Frustration aus Versehen um die Ecke gebracht. Vermutlich wäre es besser für das Balg, hier sein Ende zu finden, als zum Boss eskortiert zu werden, aber … Befehl war eben nun einmal Befehl.

Was Chuuya sich nicht eingestehen wollte, war der wahre Grund für seinen Zorn.

Suribachi war ein Elendsviertel, ja, das allein war schlimm genug, aber hier war ihm das Schlimmste passiert, was man sich vorstellen konnte; etwas, das er nicht einmal seinem größten Feind wünschen würde.

Wobei -

Es war recht schwierig, dies seinem größten Feind zu wünschen, denn dieser und die Plage, die ihn hier befallen hatte, waren ein und dasselbe.

Hier war er Dazai zum ersten Mal begegnet.

An jenem Tag war hier an diesem Ort, ohne dass Chuuya dies damals geahnt hatte, ohne dass er noch darauf hätte Einfluss nehmen können, sein Schicksal besiegelt worden. Von einem durchgeknallten, von Suizidfantasien schwafelndem Halbstarken mit einer pechschwarzen Seele. Bis heute hatte er es nicht geschafft, dafür Rache nehmen zu können; bis heute tanzte Dazai ihm auf der Nase herum und verspottete ihn.

„AAAAARRRGGGGHHHH!!!“

Chuuyas Faust donnerte in eine Wand und brachte sie und letztlich das ganze Häuschen zum Einstürzen.

Er konnte keinen Schritt durch diesen verfluchten Slum machen, ohne an das teuflische Grinsen dieses brünetten Wirrkopfs zu denken!

Irgendwann! Irgendwann würde der Moment kommen, in dem er sich für alles rächen könnte. Und dann würde Dazai winselnd um Verzeihung bitten, aber diese würde ihm nicht gegönnt! Oh nein! Er hatte keine Vergebung, kein Mitleid verdient!

Chuuya gelangte an das Ende der Häuserreihe und erreichte ein Plateau. Das Mehr an Regen, das hier auf ihn niederprasselte (zum Glück hatte er seinen Hut!), kühlte sein kochendes Gemüt ein wenig ab.

Dann stutzte er plötzlich.

Trotz des Regens drang ein ihm von Berufswegen äußerst bekannter Geruch in seine Nase.

Blut.

„Vielleicht wird es jetzt doch noch interessant.“ Er lächelte ein düsteres Lächeln.

Gespannt drehte er sich in die Richtung, aus der er den Geruch wahrnahm und betrat eine schmale, dunkle Gasse. Mit jedem Schritt, den er machte, wurde der Geruch stärker und stärker.

Wie vom Donner gerührt blieb er plötzlich stehen. Ungläubig und übertölpelt starrte er auf das, was er dort vorfand. Er konnte seinen Augen kaum trauen.

„Was …?“, war alles, was bei diesem Anblick über seine Lippen kam. Wie ein wildes Tier, das zum ersten Mal einem Menschen begegnete, näherte er sich mit höchster Wachsamkeit der regungslos am Boden liegenden Gestalt.

Es gab keinen Zweifel.

Und Chuuya verstand die Welt nicht mehr.



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