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Battle for the Sun

von

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You can run but you can't hide – Because no one here gets out alive

You can run but you can't hide

Because no one here gets out alive“

 

Placebo, „Julien“

 

Das schwache Licht einer Halbmondsichel schien in dieser Nacht in ein dunkles Büro im dritten Stock eines Gerichtsgebäudes der Stadt Yokohama. Einzig eine winzige Tischleuchte erhellte die zwei Gestalten, die sich zu dieser sehr späten Stunde in diesem Büro aufhielten und nervös miteinander diskutierten.

„Und was wenn dieser irre Mörder auch hinter uns her ist?“, fragte ein vor Angst schwitzender Mann im Anzug, der vor dem Schreibtisch stand. „Wir können keinen Polizeischutz beantragen, denn dann würde es herauskommen, dass wir das Schmiergeld von den Kirchentypen angenommen haben, um die Klage abzuweisen.“ Er schluckte.

„Ganz ruhig, Herr Staatsanwalt.“ Der Mann, der hinter dem Schreibtisch saß, versuchte, gelassen zu wirken, doch unter dem Tisch zappelte er nervös mit seinen Füßen. „In meiner langen Karriere als Richter habe ich genügend Kontakte gesammelt, um selbst für solche Fälle vorbereitet zu sein.“ Ein selbstgefälliges Grienen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich habe gestern Herrn Mori von der Hafen-Mafia persönlich um Hilfe gebeten und heute hat er endlich eingewilligt, uns ein paar seiner Leute als Personenschützer zur Verfügung zu stellen. Sie rufen mich an, sobald sie am Gebäude eintreffen. Solange warten wir hier, wo niemand am Wachposten am Eingang vorbei kommt. Sie sehen, wir werden bald in Sicherheit sein.“

Der Staatsanwalt lockerte seine Krawatte und atmete etwas ruhiger. „Ich frage mich nur, wer diesen Killer angeheuert hat. Wir haben so gründlich gearbeitet, um die Klage plausibel abzuweisen. Nur wir und die Kirchenoberen wissen, was wirklich abgelaufen ist. Na ja, jetzt nur noch wir.“

„Sie vergessen die Plagen.“

Der stehende Mann lachte aufgekratzt. „Die mittellosen Bälger werden jawohl kaum zusammengelegt haben, um einen Auftragsmörder zu engagieren. Und wer sollte sich schon freiwillig für sie interessieren?“

„Wie wahr.“ Der Richter stieg in das Lachen mit ein. „So unsympathisch mir unsere geistlichen Geschäftspartner auch waren, sie hatten nicht Unrecht damit, dass dieses Waisengesindel undankbar ist. Es hat sie doch niemand gezwungen, im Waisenhaus zu bleiben. Suribachi ist schließlich auch ein schönes Plätzchen, nicht wahr?“

Die beiden Männer lachten gemeinsam, als plötzlich das Geräusch von klirrendem, zerspringenden Glas sie erschrocken innehalten ließ. Ihre Köpfe schnellten zum Fenster herum, durch das eine dunkel gekleidete Gestalt von der Feuertreppe hineingesprungen war. Durch die Dunkelheit der Nacht war ihr Gesicht nicht zu erkennen. Die Gestalt war nicht besonders hochgewachsen und wirkte nicht sonderlich kräftig. Für einen Erwachsenen war sie zu klein und für ein Kind zu groß. Alles, was man ausmachen konnte, war das Blitzen zweier metallener Klingen in den Händen der Gestalt.

„Wer … wer bist du?!“ Der Richter war vor Schreck aufgesprungen. „Was auch immer man dir gezahlt hat, wir zahlen dir das Doppel-“

Eine Fontäne aus Blut spritzte aus dem Hals des Mannes, bevor er auch nur begreifen konnte, was mit ihm geschah. Eine weitere Fontäne schoss aus seinem Brustkorb und eine dritte aus seinem Bauch, ehe er mit weit aufgerissenen Augen zu Boden fiel.

Zu Tode verängstigt stolperte der Staatsanwalt einen Schritt zurück. Sein wie Espenlaub zitternder Körper war vor Panik gelähmt. Die Gestalt war plötzlich von der Stelle am Fenster verschwunden gewesen und nur eine Millisekunde später war der Mann hinter dem Schreibtisch bereits getroffen gewesen. War das … einer dieser Befähigten?

Der Mann hielt den Atem an, als er den Angreifer vor sich auf dem Tisch stehen sah. Der Unbekannte betrachtete eines der kurzen Schwerter in seinen Händen und warf es weg. Dann stieß er sich vom Tisch ab und sprang, die andere Klinge in der Hand haltend, auf ihn zu. Der Überlebensinstinkt des Staatsanwaltes ließ ihn zur Seite ausweichen, um dem Angriff zu entgehen. Es war dem Mann unmöglich zu sehen, wie die Gestalt kurz mit einem Fuß auf dem Boden aufkam, ihren Körper geschwind drehte und erneut auf ihn zukam. Das Schwert schlitzte dem Mann den Brustkorb auf. Der Eindringling bremste sich selbst in seiner Bewegung ab, drehte sich erneut in einem irrwitzigen Tempo um und versetzte ihm zwei weitere Hiebe. Mit einer vor Angst erstarrten Miene fiel der Staatsanwalt leblos zu Boden.

Sein Blut sickerte wie Wasser nach einem Rohrbruch unaufhaltsam in den hellen Teppichboden und färbte ihn rot.

Ungerührt von diesem grausamen Bild blieb die Gestalt dort stehen und besah sich auch die übrige Klinge, bevor sie diese gleichermaßen fallen ließ. Allem Anschein nach unbesorgt darüber, die Tatwaffen am Tatort liegen zu lassen, entfernte die Gestalt sich und verließ das Büro durch das zertrümmerte Fenster.

Auf dem Schreibtisch klingelte ein Handy.

 

Die Sonne war noch nicht lange aufgegangen (was sich nur erahnen ließ, da sie sich hinter einer dichten Wolkendecke versteckte), als alle Mitglieder des Büros der bewaffneten Detektive bereits im Hauptraum der Detektei versammelt waren.

„Aber … wer sollte Kyoka entführen? Und warum?“ Tanizaki blickte irritiert in die Runde.

„Will vielleicht jemand Lösegeld für sie?“, dachte Naomi laut.

„Bei uns sind aber bisher keine Forderungen eingegangen“, entgegnete Haruno.

„Ich glaube nicht, dass das der Fall ist.“ Mit nachdenklich gerunzelter Stirn lehnte Kunikida sich auf seinem Stuhl nach vorne.

„Was denkst du?“, fragte Fukuzawa ihn, sofort erkennend, dass der Brillenträger zögerte, seine Gedanken auszusprechen.

„Kyoka hat als Assassine viele Menschen auf dem Gewissen“, antwortete Kunikida ernst, „wir können nicht ausschließen, dass jemand sich für einen der Getöteten rächen will.“

Atsushi, der auf Kyokas Platz saß, wurde bei diesen Worten weiß wie eine Wand. Übelkeit stieg in ihm hoch. Würde jemand an einem so jungen Mädchen Rache üben wollen? Auch wenn sie eine Assassine gewesen war, konnte jemand so herzlos sein, einem Kind etwas anzutun?

„Ja, Atsushi, die Menschen sind so grausam“, warf Dazai beiläufig und seine Gedanken erratend ein. „Wenn jemand über genug Hass und Grausamkeit – oder Gleichgültigkeit - verfügt, dann stört ihn das nicht weiter, wenn sein Opfer ein Kind ist.“

Der silberhaarige Junge begann zu würgen.

„Allerdings“, fügte Dazai schnell hinzu, als er dies sah, „habe ich meine Zweifel an Kunikidas Theorie.“ Er rutschte von seinem Platz auf einer Kante von Ranpos Schreibtisch, wo er sich mangels eines eigenen Stuhls niedergelassen hatte, und schubste mit einem Fuß einen Plastikeimer in Atsushis Richtung. „Spuck bitte nicht ins Büro. Der Gestank wäre unerträglich.“

„Sagt der Richtige.“ Yosano wedelte mit einer Hand vor ihrer Nase.

„Jedenfalls“, fuhr Dazai unbeirrt fort, „würde Kyoka sich nicht einfach ergeben, selbst wenn jemand sie mit dem Vorwurf des Mordes an einem geliebten Menschen konfrontierte und sie deswegen von einem schlechten Gewissen gequält würde. Das würde sie Atsushi nicht antun. Sie weiß, dass ihr Tod ihn treffen würde. Wenn jemand sie also angriff, würde sie folglich was tun?“

Atsushis Blick raste von dem Plastikeimer hinauf zu Dazai. „Sie würde … sie würde sich wehren!“

„Ranpo, gab es dort irgendwo Anzeichen von einem Kampf?“, hakte Fukuzawa unverzüglich nach und der Angesprochene, der an seinem Schreibtisch saß und ein lächerlich großes Anpan-Brötchen in sich hineinstopfte, schüttelte den Kopf.

„Abfolut keine Fpuren einef Kampfef“, schmatzte er mit vollem Mund und ließ den Chef damit ungesehen zusammenzucken. Diese Manieren.

Dazai machte eine ausladende Bewegung mit seinen Armen, als wollte er damit unterstreichen, dass Ranpos Aussage seine Argumentation bewies.

„Was mich beunruhigt“, wandte Yosano ein, „ist die Sache mit dem Hasen. Der Entführer kannte Kyoka demnach. Oder wusste zumindest das über sie.“

„Der Entführer muss aus den Bergen kommen.“ Kenjis Kommentar ließ alle verwundert zu ihm blicken.

„Wieso glaubst du das?“, fragte Kunikida nach.

„Weil Ranpo weiße Fellhaare gefunden hat“, erläuterte Kenji mit ungebrochenem Enthusiasmus. „Es sind eindeutig die Haare eines Wildhasen und nicht die eines Hauskaninchens. Und so ein reines Weiß sieht man nur bei Schneehasen. Da es in Yokohama aber nicht Winter ist und auch kein typisches Revier von Wildhasen muss der Hase von außerhalb hergebracht worden sein.“

„Schneehasen?“ Atsushi blinzelte ihn verdutzt an. Was machten sie denn jetzt mit dieser Information?

Ein plötzliches Klopfen an der Türe, gefolgt vom sofortigen Öffnen eben dieser unterbrach ihre Überlegungen abrupt. Das Ehepaar, welches das Café Uzumaki betrieb, betrat mit sorgenvollen Gesichtern die Detektei.

„Ist etwas vorgefallen?“ Fukuzawa drehte sich zu ihnen um.

Die Frau nickte aufgebracht. „Lucy ist noch nicht zur Arbeit erschienen. Und wir können sie nicht erreichen.“

„Wir sind sogar schon bei ihrer Wohnung vorbeigefahren“, ergänzte der Mann, „aber da war niemand.“

Als hätte ihn ein Schlag in den Magen getroffen, zog Atsushi scharf die Luft ein. Erst Kyoka, jetzt Lucy? War das ein Zufall?

Verunsichert blickte er zu den anderen Detektiven, die offensichtlich das Gleiche dachten wie er.

„Das ist so untypisch für sie.“ Die Stimme der Frau bebte, während sie nervös ihre Hände faltete. „Gestern Abend hat sie sich wie gewohnt auf den Heimweg gemacht und nun ist sie wie vom Erdboden verschluckt. Mein Gefühl sagt mir, da stimmt etwas nicht. Bitte, Herr Fukuzawa, wenn es möglich wäre, könnten dann einer oder zwei Ihrer Leute sich auf die Suche nach ihr machen? Wir vertrauen Ihnen doch mehr als der Polizei.“

„Sorgen Sie sich nicht“, antwortete der Chef, ohne zu überlegen und gleichermaßen ruhig wie beschwichtigend. „Wir werden der Sache nachgehen.“

Das Ehepaar bedankte sich und kehrte, mit der Bitte, sich sofort bei ihnen zu melden, wenn sie etwas in Erfahrung brächten, in das Café zurück. Atsushi sah ihnen mit einem warmen Gesichtsausdruck nach. Sie sorgten sich um Lucy, als wäre sie ihre Tochter. Wie schön dies war.

„Gibt es da einen Zusammenhang?“, äußerte Tanizaki besorgt, nachdem sie wieder unter sich waren. „Kyoka und Lucy haben beide mit der Detektei zu tun. Meint ihr …?“

„Sie haben vor allem beide mit Atsushi zu tun“, erwiderte Yosano.

„Was??“, japste dieser erschrocken. „Meint ihr etwa, das … das hat mit mir zu tun??“ Die Übelkeit kehrte zurück und der Junge fühlte mit einem Mal sein Herz gegen seine Brust hämmern. Wollte ihm mal wieder jemand ans Leder und versuchte daher, über Kyoka und Lucy an ihn heranzukommen? Der schreckliche Gedanke ließ Atsushi in kalten Schweiß ausbrechen.

Dazai schubste nonchalant den Plastikeimer genau vor ihn.

„Es hilft nicht, zu voreiligen Schlussfolgerungen zu springen“, widersprach Fukuzawa eindringlich. „Ranpo, sieh dich in Lucys Wohnung und deren Umgebung um. Vielleicht -“

Das Telefon klingelte.

Kunikida schickte ein „Verzeihung“ in die Richtung des Chefs und hob den Hörer ab. Er stutzte auf das Heftigste, als ein Redeschwall am anderen Ende der Leitung auf ihn einprasselte. Dann nickte er ernst. „Verstanden. Wir werden ihn sofort zu Ihnen bringen.“ Er legte wieder auf und stieß ein tiefes Stöhnen aus. „Das war die Polizei. Es hat zwei weitere Morde gegeben. Sie wollen Ranpo dabei haben.“

Die Miene des Meisterdetektivs hellte sich auf. „Na endlich! Die haben aber lange gebraucht, um einzusehen, dass sie ohne mich aufgeschmissen sind! … Oh.“ Mit wieder lustloser Mimik sah er zu Fukuzawa, der ihn streng anblickte. „Kunikida hat doch schon zugesagt. Und unsere einzige Spur zu Kyoka ist im Moment Lucy. Ich weiß, ihr seid ohne mich ebenso aufgeschmissen, aber Dazai ist halbwegs brauchbar und dürfte das hinkriegen.“

„Du bist zu gütig, Ranpo“, warf der zuletzt Erwähnte feixend ein.

„Dann darf ich doch, oder?“

Der Chef atmete hörbar aus. Ranpo war kein schlechter Mensch. Dass er mitten in der Nacht bereits nach Kyoka gesucht hatte, sprach dafür, dass ihm die Angelegenheit nicht egal war, auch wenn es so wirkte. Außerdem …

„Wir können es nicht verantworten, dass ein Serienkiller in der Stadt frei herumläuft. Daher löse die Mordserie bitte schnell, Ranpo. Und dann hilfst du weiter bei der Suche nach den vermissten Mädchen.“

Das Strahlen kehrte auf das Gesicht des Schwarzhaarigen zurück und er setzte sich schwungvoll seine Mütze auf. Er war gerade aufgestanden, als sie Schritte und Gemurmel im Flur vernahmen.

Verwunderte blickten die Detektive in Richtung der Tür, als Fukuzawa Haruno ein Zeichen gab, diese zu öffnen. Behutsam tat die Sekretärin, was ihr aufgetragen worden war und staunte nicht schlecht, als sie direkt hinter der Tür vier Kinder vorfand. Es waren zwei Jungen und zwei Mädchen, die Jüngsten vielleicht gerade einmal sechs oder sieben Jahre alt, die Ältesten maximal zwölf oder dreizehn. Ihre zerlumpte, dreckige Kleidung und ihr allgemein ungepflegtes und nicht gesund aussehendes Äußeres verriet schnell, dass es sich hier um Straßenkinder handeln musste. Atsushi schluckte schwer bei ihrem Anblick.

Die Kinder schreckten zusammen, als der Blick des Chefs auf ihnen landete. Die Kleineren huschten sogar mit einem lauten Winseln hinter die Größeren. Mit bedächtigen, langsamen Bewegungen stand Atsushi auf und machte einen Schritt auf sie zu.

„Können wir euch irgendwie helfen?“, fragte er freundlich und so heiter, wie es ihm momentan trotz seiner überwältigenden Sorgen möglich war.

„S-sind, sind Sie das Büro der bewaffneten Detektive?“, trug das größere der beiden Mädchen scheu vor.

„Das sind wir“, antwortete Fukuzawa und die Kinder schreckten von neuem zusammen.

Oje, ging es Atsushi durch den Kopf. Das mussten sie behutsamer angehen. Er lächelte die kleinen Besucher an.

„Mein Name ist Atsushi. Wie heißt ihr?“

Die Kinder blinzelten ihn an.

„Fusa“, sagte das ältere Mädchen. „Und das ist Mitsu.“ Sie deutete auf das kleinere Mädchen, das sich hinter ihr versteckte.

„S-s-s-utejiro“, brachte der größere Junge eingeschüchtert heraus, während der Jüngere sich trotz der Tränen in seinen Augen ganz tapfer als „Daishiro“ vorstellte.

„Wir möchten Sie engagieren“, platzte es plötzlich aus Fusa heraus.

„Wir können Sie auch bezahlen!“, legte Sutejiro nach, holte ein fleckiges Stofftaschentuch hervor, wickelte es auseinander und hielt dem Chef dessen Inhalt entgegen.

853 Yen.

Fukuzawa warf einen flüchtigen Blick darauf und sah wieder zu den Kindern.

„Wir wissen, dass es nicht viel ist“, sagte der Junge lautstark, „aber wir können arbeiten! Wenn Sie uns helfen, werden wir alle Kosten abarbeiten!“

Wie determiniert sie sind, wunderte sich Atsushi und ein ungutes Gefühl meldete sich in seinem Inneren. Es muss um etwas gehen, das ihnen sehr wichtig ist.

„Weswegen wollt ihr uns denn engagieren?“, fragte er sanft.

„Drei unserer Freunde sind verschwunden!“, erwiderte Fusa und versuchte, die entstehenden Tränen weg zu blinzeln.

Während Atsushi nach dieser Nachricht erschrocken zurücktaumelte, ging ein Raunen durch die Detektei.

Aufgeschreckt tauschten alle Detektive alarmierte Blicke aus.

„Verschwunden?“, hakte Yosano nach. „Wie meint ihr das?“

Die Kinder sahen sich verblüfft an, als würde es sie erstaunen, dass überhaupt nachgefragt wurde.

„Wir hatten uns in der Nacht auf unseren üblichen Schlafplatz gelegt und am nächsten Morgen waren drei von uns … einfach weg.“ Sutejiro biss sich auf die Unterlippe. „Wir haben sie überall in Suribachi gesucht, aber …“ Dicke Tränen rollten über seine Wangen. „... aber sie sind wie vom Erdboden verschluckt!“ Die anderen Kinder begannen ebenso zu weinen.

„Und das war letzte Nacht?“, fragte Tanizaki voller Mitleid in das Schniefen und Japsen hinein, worauf Fusa den Kopf schüttelte.

„Vorletzte Nacht. Wir sind zuerst zur Polizei gegangen, aber die haben sich nicht für uns interessiert.“

Atsushi nahm tief Luft, ehe er eine Frage an die Kinder richtete. „Ihr lebt in Suribachi?“

Sie nickten unisono.

„Habt ihr keine Eltern mehr?“

Sie schüttelten unisono ihre Köpfe.

„Wenn sich hier mal nicht eine Menge seltsamer Zufälle aneinander reihen.“ Dazai schnappte sich die unbenutzten Servietten, die Ranpos Riesenanpan-Brötchen beilagen und hielt sie den Kindern hin, die sie zögerlich entgegen nahmen.

„Ist euch irgendetwas aufgefallen, bevor eure Freunde verschwunden sind? Irgendwelche Leute, die ihr noch nie vorher gesehen habt? Oder Tiere vielleicht?“

Mitsu schnäuzte sich trompetend ihre Nase. Dann nickte sie. „Ich hab gesehen, dass Leute in ganz feinen Kleidern mit den anderen geredet haben. Aber die Leute sind wieder weggegangen.“

„Leute in ganz feinen Kleidern?“ Dazai schaute zu den größeren Kindern, die jedoch mit den Schultern zuckten.

„Da waren wir nicht dabei. Die haben wir nicht gesehen“, entgegnete Sutejiro betrübt.

„Ich glaube, es waren zwei Frauen“, ergänzte Mitsu mit gerunzelter Stirn, „aber ich hab nicht so genau hingesehen.“

„Was machen wir denn jetzt?“, wandte sich Atsushi hilflos an Fukuzawa, der wiederum nacheinander zu Dazai und Ranpo blickte.

„Seht ihr da einen Zusammenhang?“

„Natürlich“, antwortete Letzterer. „Ist ziemlich offensichtlich.“

„Vom Erdboden verschluckte Waisenkinder. Ich verstehe noch nicht, wie genau Kyoka und Lucy in dieses Muster passen, aber dies haben sie alle gemeinsam.“ Dazai schnitt Atsushi das Wort ab, ehe dieser überhaupt den Mund aufmachen konnte. „Bevor du fragst: Nein. Ich habe noch keine Idee, warum jemand Waisen entführen sollte.“

Eine unbehagliche Stille legte sich für einige Augenblicke über das Büro. Mit nassen, großen Augen sahen die Kinder zu den Detektiven.

„Ranpo“, sagte Fukuzawa schließlich, „du untersuchst die Morde. Haruno, nimm den Firmenwagen und fahr ihn bitte zum Tatort. Kunikida und Yosano, ihr werdet euch bei Lucy umsehen. Dazai, Atsushi, Kenji und Tanizaki: Ihr kehrt mit diesen Kindern zurück nach Suribachi und versucht, dort etwas in Erfahrung zu bringen.“

„Ja!“, schallte es einhellig durch den Raum.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anpan sind Brötchen mit süßer Bohnenmusfüllung. Kurioserweise war es das erste, was mir einfiel, als ich Ranpo etwas zu essen geben wollte.
Da die Kinder aus Suribachi Namen brauchten, gab ich ihnen die von einigen der Kinder des echten Yukichi Fukuzawa. 853 Yen sind übrigens noch nicht einmal acht Euro. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Votani
2022-08-07T23:11:59+00:00 08.08.2022 01:11
Ich musste echt lachen, als die Kinder in die Detektei kommen und sich mit Fukuzawas finsteren Blick konfrontiert sehen. XD Ich meine, klar kriegen die da erst einmal Angst! *lach*
Arme Lucy...! ;o; Du weisst, ich liebe sie. Hoffentlich geht es dir gut!
Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weitergeht und ob noch jemand verschwindet bzw. alle heil aufgespuert werden, selbst die vermissten Kinder. Du baust auf jeden Fall eine Menge Spannung auf und gibst deinem Leser eine Menge Fragen, die er beantwortet haben moechte. :)
Antwort von:  rokugatsu-go
13.08.2022 13:10
*lach* Ich glaube, Fukuzawa ist sich gar nicht wirklich bewusst, wie finster er dreinblickt. Andererseits sind die einzigen Kinder, die sonst um ihn herum sind (Kenji und Kyoka) ja auch vollkommen furchtlos; wie soll er das da dann auch merken? XD
Ich bin froh, Lucy mal endlich untergebracht zu haben. Ich mag sie ja auch. ^^
Ich bin sehr gespannt, was du zum nächsten Kapitel und der Wendung, die dieses mit sich bringt, sagst. So gesehen kann ich auf deinen Kommentar, ob noch jemand verschwindet bzw. alle heil aufgespürt werden, antworten: Ja und jein. ;)
In traditioneller BSD-Manier werden jetzt erst einmal noch viel, viel mehr Fragen aufgeworfen. ;)
Vielen, vielen Dank für deinen Kommentar! ^_^


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