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Die Shinsengumi-Hanahaki-Krise

oder: wenn die Mehrheit von etwas überzeugt ist, heißt das noch lange nicht, dass sie Recht hat
von

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Yamazaki Sagaru Freitag, 16:30 Uhr

Yamazaki Sagaru

Freitag, 16:30 Uhr

 

Yamazaki sieht sich noch ein letztes Mal sichernd in der kleinen Hintergasse um, bevor er hinter den großen Müllcontainer tritt. Schnell wischt er sich den Lipgloss von den Lippen, schlüpft aus dem Kimono, unter dem er einen schlichten Yukata und eine Hose trägt und zieht sich zuguterletzt die Perücke vom Kopf. Erleichtert fährt er sich mit gespreizten Fingern durch sein dunkles, verschwitztes Haar und verstaut dann alles in seiner schlichten Reisetasche.

Bevor er sein Versteck hinter dem Müllcontainer endgültig verlässt, überzeugt er sich noch einmal, ob die Gasse leer ist, um dann wieder zurück auf die etwas größere Seitenstraße zu gehen und von dort auf die gut frequentierte Hauptstraße. Er zögert, entschließt sich dann aber doch, den Bus zu nehmen, auch, wenn es nur fünf Stationen sind. Außerdem sieht er den Bus schon ankommen.

Er will so schnell wie möglich wieder beim Shingensumi Hauptquartier sein.

Im Bus sucht er sich einen Platz ganz hinten. Gedankenverloren starrt er aus dem Fenster.

Er hasst Undercover-Jobs. Sie sind anstrengend, und er fühlt sich nicht wohl dabei, nette Menschen zu täuschen. Wenn er eine Jouishishi-Zelle infiltriert ist es wesentlich einfacher, denn diese Leute sind per se eine Gefahr. Sie sind Gesetzesbrecher. Sie haben es nicht besser verdient.

Aber die Belegschaft des Sakura und das nette Ehepaar, die ihn im Zimmer über ihrem Restaurant kostenlos wohnen ließen? Denen gegenüber fühlte er sich wie ein Verräter.

Und die letzten zwei Wochen war er so einsam. Hijikata-san kam viel zu selten vorbei und wenn, dann auch nie lange; alle drei Tage kam er zum Essen ins Sakura, spielte den Gast, schäkerte mit seinen Kolleginnen (und mit ihm), und Yamazaki brachte ihm mit der Rechnung eine Speicherkarte mit seinen gewonnenen Erkenntnissen – eine Übergabe wie aus dem Lehrbuch. Aber sie mussten vorsichtig sein, damit seine Tarnung nicht aufflog. Darüber machte sich Hijikata mehr Sorgen als Yamazaki selbst. Zum Ende hin wurde er regelrecht paranoid.

Das war schlimm.

Seufzend denkt Yamazaki an die vorletzte Nacht zurück, wo diese Hochzeitsgesellschaft bis weit nach Mitternacht das Lokal besetzte und verwüstete, und er sich dann freiwillig bereiterklärte, hinter dieser Bande aufzuräumen. (Irgendwie wird er den Eindruck nicht los, je schlimmer es mit Hanahaki wird, desto ausgiebiger wird gefeiert.)

Er konnte es gar nicht erwarten, alle loszuwerden, weil Hijikata schon seit Mitternacht in der Hintergasse auf ihn wartete. Als er Hijikata schließlich über die Hintertür hinein schleusen konnte, war er ganz allein und Hijikata sehr durchgefroren, aber trotzdem war zuerst alles gut, bis er ihm pflichtgemäß Shimarus Nachrichten zeigte… bei allen Yūreis, so wütend hat er Hijikata schon lange nicht mehr erlebt. Das verdarb die ganze Stimmung.

Für die restlichen sechsunddreißig Stunden seiner Mission verbot er Yamazaki alles – kein Bummeln über den Markt mehr, keine Mädchen-Abende mit seinen Kolleginnen und Telefonkontakt nur noch mit ihm. Nichts davon störte Yamazaki, denn so toll ist der Markt nicht mehr, wenn man direkt daneben wohnt, und der Mädchen-Abend ist nur einmal die Woche sonntags und es war schon Donnerstag, und er ist nicht so blöd, mit jemand anderem als Hijikata Telefonkontakt zu halten, wenn er undercover ist. Shimaru war eine Ausnahme, weil er auch ein Spion ist und weiß, wie man sich konspirativ verhält.

Yamazaki hat aus seinen Fehlern in der Vergangenheit gelernt.

Das heißt aber nicht, dass es ihm gefällt, von Hijikata derart bevormundet zu werden und mag der auch hundertmal sein Vorgesetzter sein. Schließlich ist er hier der Spion.

Der daraus folgende Streit war nicht schön, und wäre er kein Profi, hätte er sich für die restlichen sechsunddreißig Stunden auf seinem Bett zusammengerollt und vor sich hingeschmollt. So aber schob er diese Gedanken und verletzten Gefühle ganz weit weg, kellnerte, spaßte mit den Mädchen und fieberte dem letzten Treffen mit Hijikata entgegen.

Und dieser liebenswürdige Bastard ließ ihn einfach sitzen.

Kein Anruf, keine Textnachricht, gar nichts, was das erklärte. Yamazaki hat die ganze Nacht wachgelegen und sich Sorgen gemacht. Es kam aber auch nichts über einen verletzten Fukuchō der Shinsengumi in den Nachrichten, also geht er davon aus, daß sein werter Fukuchō mal wieder bis zum Hals in Arbeit steckte und ihn einfach vergessen hatte.

Um acht Uhr hat Yamazaki seinen Messenger-Dienst geschlossen und sich bis jetzt standhaft geweigert, ihn wieder zu öffnen. Nein, Hijikata muss sich nicht entschuldigen, niemals, schließlich ist er doch der fucking dämonische Fukuchō der Shinsengumi!

Bastard.

Yamazaki entfleucht ein leiser Seufzer.

Es war und ist sowieso egal. Yamazaki hat die letzten Stunden als Kellnerin Honda Saki sehr genossen, seinen Lohn eingesackt und sich sehr tränenreich von seinen neuen Freunden verabschiedet, da war keine Zeit für irgend etwas anderes.

Fast bedauert er es, dass die Mimawarigumi seine Mission nicht verlängert hat, aber als der Bus in die vertraute Straße einbiegt und einen parkenden Funkwagen überholt, erfüllt ihn ein so großes, warmes Gefühl von Zuhause, dass ihm fast die Tränen in die Augen steigen.

Voller Elan springt er aus dem Bus, und je näher er den geliebten Mauern kommt, desto beschwingter wird sein Schritt. Die Tasche geschultert und mit einem fröhlichen Lächeln, tritt Yamazaki ans große Tor zu den beiden Männern, die dort stehen und rechnet schon damit, seinen Ausweis herauskramen zu müssen wie immer, weil sich grundsätzlich niemand an sein langweiliges Gesicht erinnert.

Aber zu seiner großen Überraschung schenkt ihm einer der zwei - Todo Bokosuke, unverkennbar an seinem Bandana und der Narbe – ein geradezu strahlendes Lächeln.

„Zaki! Willkommen zurück! Wie schön, dich zu sehen!“

Huh? Verwirrt blinzelt Yamazaki ihn an. Dann wandert sein Blick zu dem jungen Rekruten neben ihm.

„Willkommen Yamazaki“, begrüßt ihn dieser beinahe genauso überschwänglich. Yamazaki kann sich nicht erinnern, je mehr als ein paar höfliche Worte mit ihm gewechselt zu haben.

„Äh... ja... danke?“ bringt er schließlich verdutzt heraus.

„Zaki.“ Plötzlich findet er sich in einer starken Umarmung wieder. Todo Bokosuke drückt ihn noch einmal kräftig, bevor er ihn wieder loslässt. „Wir haben dich vermisst“, meint er dabei.

Yamazaki weiß nicht, wie er darauf reagieren soll, also bedankt er sich nur wieder und macht, dass er weiterkommt.

Ehrlich, er versteht die Welt nicht mehr.

Er hat kaum ein paar Schritte in den Hof hinein gemacht, da ertönt es von überall „Yamazaki! Yamazaki ist zurück!“ Der Ruf schallt über den ganzen Hof und wird immer weiter getragen, Männer, die er nur flüchtig kennt und die sich normalerweise nicht einmal seinen Namen merken können, eilen von gefühlt überall heran, um ihm zur Begrüßung auf die Schulter zu klopfen und ihm reihenweise zu versichern, wie froh sie sind, dass er wieder da ist und wie sehr sie ihn vermisst haben.

Was zur Hölle -?

Mit hochrotem Kopf kämpft sich Yamazaki durch eine Mauer von Körpern, die ihn mit ihrer Aufmerksamkeit schier erdrücken.

Was ist das hier für ein kranker Scherz?

Er kommt nur drei Meter weit, da findet er sich plötzlich in einer weiteren bärenstarken Umarmung wieder.

Zakiiii!“ brüllt ihm sein Kyokuchō ins Ohr, während er ihm fast die Luft abdrückt. „Du bist wieder da!“ Und dann ruft er das, was Yamazaki – neben dem Luftmangel – fast in Ohnmacht fallen lässt: „Wir lieben dich! Wir lieben dich alle!“

„Jaja, danke“, ächzt der Spion, dem das Ganze mit jeder Sekunde peinlicher wird.

Mit letzter Kraft windet er sich aus Kondōs knochenbrechender Umarmung und begegnet Okita Sōgos breit grinsendem Gesicht.

Oh ihr Götter – der will ihn doch nicht auch noch umarmen? Das überlebt er nicht. Bitte nicht.

Finger weg von ihm!“ donnert da eine ihm nur allzu wohlbekannte Stimme.

Wie aus dem Boden gewachsen steht plötzlich Fukuchō Hijikata vor ihnen und spießt sie mit seinen Blicken regelrecht auf.

Habt ihr nichts Besseres zu tun? Verschwindet oder begeht Seppuko!

Die eine Hälfte springt eingeschüchtert davon, die andere ist vor Schreck wie erstarrt, Okita kichert und Kondō stottert ein „A-aber Tōshi...?“

Hijikata ignoriert sie alle. Er packt Yamazaki am Handgelenk und zieht ihn mit sich fort, über den Hof, schnurstracks zum nächstbesten Eingang. Überrumpelt stolpert Yamazaki hinterdrein, bemüht mit ihm Schritt zu halten und gleichzeitig seine Tasche nicht zu verlieren.

„H-Hijikata“, stammelt er, unfähig, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.

„Es tut mir Leid“, entschuldigt sich Hijkata. „Ich konnte nicht kommen. Okita hat mir ein Schlafmittel untergejubelt.“ Er stockt so plötzlich, dass Yamazaki fast in ihn hineingelaufen wäre. „Warum hast du nicht auf meine Nachrichten reagiert? Ich habe dir mindestens hundert Entschuldigungen hinterlassen.“

„I-ich hab doch gearbeitet“, ist das einzige, was Yamazaki auf die Schnelle einfällt. Er kann ihm doch nicht sagen, dass er beleidigt war und sich wie ein bockiges Kind benommen hat.

„Vor einer Stunde?“ Hijikatas linke Augenbraue kriecht skeptisch in die Höhe.

Eingeschüchtert schüttelt Yamazaki den Kopf. Natürlich, er hätte sich denken können, daß Hijikata, der seine Arbeitszeiten kennt, ihn nicht währenddessen kontaktiert. Jetzt bereut er es, seinen Messenger nicht wieder eingeschaltet zu haben.

Hundert Entschuldigungen, huh? Das wird ein Spaß, die sich später durchzulesen. Yamazaki versucht, unter Hijikatas eindringlichem Blick ein ernstes Gesicht beizubehalten.

„Was ist hier los?“ schneidet er schnell ein anderes Thema an. „Warum benehmen die sich alle so komisch?“

Hijikata wirft einen glühenden Blick über den Hof, wo jetzt nur noch Kondō und Okita zusammen stehen und zu ihnen hinübersehen und schnauft einmal. Dann sieht er Saitō Shimarus roten Afro hinter einem Baum hervorlugen, schnaubt erneut, fasst Yamazakis Hand fester und zieht ihn eilig weiter zum Eingang.

„Diese Idioten befürchten, du könntest Hanahaki haben“, murmelt er dabei.

„Nichtsdestotrotz..“ meint er plötzlich und stockt wieder, getroffen von einem Geistesblitz.

Oje. Yamazaki kennt diesen Gesichtsausdruck nur zu gut...

Seine Tasche fällt zu Boden und ein Augenblinzeln später findet er sich plötzlich in einer seltsamen Position wieder: hinter sich im Rücken die Hauswand und vor sich Hijikata in all seiner einschüchternden Präsenz.

Wow. Das ist nicht das, was er erwartet hatte.

„Fukuchō?“

Hijikata starrt ihn nur durchdringend an und Yamazaki fragt sich gerade, was er jetzt schon wieder falsch gemacht hat, da packt Hijikata den Kragen seines Yukatas und lehnt sich zu ihm vor. Wie gebannt starrt Yamazaki in diese marineblauen, plötzlich ganz sanft schimmernden Augen und hält unwillkürlich den Atem an.

Er wird doch nicht...?

Ängstlich huscht Yamazakis Blick an Hijikata vorbei. Dort, in einiger Entfernung, stehen immer noch Kondō und Okita und starren zu ihnen hinüber. Will er das wirklich? Sie können sie sehen!

„Fuku...“

Yamazakis schwacher Protest erstickt, noch bevor er ihn richtig artikulieren kann, als Hijikata seinen Mund so fest auf Yamazakis presst, dass dieser instinktiv nach Luft schnappt.

Das war ein Fehler, denn sofort schiebt Hijikata seine Zunge nach und erforscht eifrig Yamazakis Mundhöhle.

Im ersten Schockmoment ist er wie erstarrt, doch dann, anfangs zögerlich, aber zunehmend begeisterter, steigt er in diesen Zungenkuss mit ein. Hijikata schmeckt nach Mayonnaise (keine Überraschung) und nur ein klitzekleines Bisschen nach Nikotin.

Oh, wie hat er das vermisst!

Unwillkürlich schlingt Yamazaki seine Arme um Hijikatas Nacken, er braucht diesen Halt, weil ihm die Knie weich werden.

Je länger dieser Kuss dauert, desto besser schmeckt sein Fukuchō. Yamazaki kann nie genug davon bekommen! Er ist wirklich sehr, sehr enttäuscht, als Hijikata diesen Kuss genauso abrupt wieder beendet, wie er ihn ihm aufzwang.

Irritierenderweise sagt er nichts, er starrt ihn nur an. Prüfend. Abschätzend. Es ist ein Blick, der Yamazaki furchtbar nervös macht. Er schluckt einmal schwer.

„Hijikata?“ flüstert er krächzend.

Es ist, als würde seine Stimme einen Bann brechen. Plötzlich wird Hijikatas Miene ganz weich und dann zieht er Yamazaki zu sich heran und umarmt ihn.

„Ich liebe dich, Sagaru." seine Stimme ist nur ein Wispern an Yamazakis rechtem Ohr.

Unwillkürlich ringt Yamazaki nach Luft. Aber das liegt nicht nur an den Gefühlen, die diese Worte in ihm auslösen, sondern hauptsächlich an Hijikatas knochenbrechender Umarmung.

„Ich weiß", entgegnet er schließlich über das wilde Pochen seines Herzens hinweg, das Gesicht fest gegen Hijikatas Hals gepresst, aber es scheint, als habe der ihn nicht gehört.

„Sagaru, bitte entschuldige, dass ich so ein Baka bin. Dass ich dir das die ganze Zeit über nie gesagt habe. Ich weiß, ich bin verdammt schlecht darin, auszudrücken, was ich fühle. Und ich weiß, ich hätte dir schon viel eher sagen sollen, wie sehr ich dich liebe. Denn das tue ich. Ich liebe dich so sehr."

Himmel, er plappert. Hijikata plappert nie!

Beruhigend hebt Yamazaki die Hand und streichelt in altgewohnter Manier seinen Nacken, spielt zärtlich mit ein paar Strähnen seines seidig weichen Haars.

„Ich weiß", wiederholt er. „Dass du mich liebst. Ich weiß es, Tōshirōu. Ich weiß es schon von Anfang an. Ich brauche keine Bestätigung, aber es ist trotzdem schön, es zum ersten Mal zu hören.“

Wortlos drückt Hijikata ihn an sich. Sein schlechtes Gewissen ist mehr als offensichtlich. Die Art, wie er ihn hält, wie verzweifelt er ihn an sich presst, schreit es geradezu heraus.

Yamazaki könnte Hunderte Gelegenheiten aufzählen, wo Hijikata ihn in den letzten sechs Monaten so gehalten hat und immer knapp davor war, ihm seine Liebe zu gestehen. Aber genau genommen war Yamazaki keinen Deut besser. Es ist wirklich an der Zeit, erwachsen zu werden.

Leise aufseufzend vergräbt er sein Gesicht noch dichter an Hijikatas Hals, atmet dessen vertrauten und so schmerzvoll vermissten Duft tief ein und haucht ihm dann erst einen kleinen Kuss auf den Kiefer und dann ins Ohr:

„Und nur fürs Protokoll: ich liebe dich auch, Tōshirō.“

 

 

- Ende -

 



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