Zum Inhalt der Seite

Die Shinsengumi-Hanahaki-Krise

oder: wenn die Mehrheit von etwas überzeugt ist, heißt das noch lange nicht, dass sie Recht hat
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Saitō Shimaru – Teil IV Mittwoch, 06:05 Uhr

Saitō Shimaru – Teil IV

Mittwoch, 06:05 Uhr

 

Hijikatas Auftritt hat Shimaru derart eingeschüchtert, dass er den restlichen Tag und die Nacht sein Büro nicht mehr verlässt. Erst am nächsten Morgen schleicht er sich in aller Herrgottsfrühe in die Kantine, um sich als einer der ersten eine Misosuppe zu gönnen.

Er zieht es vor, wenn die Kantine so ruhig und beinahe leer ist wie jetzt, wenn er mit seinen Gedanken alleine sein kann ohne sich dabei in seinem Büro verkriechen zu müssen. Er wählt einen Tisch in der hintersten Ecke, direkt vor dem halbgeöffneten Fenster. Er liebt den beruhigenden Duft der blühenden Kirschbäume, die der Wind zu ihm hereinweht. Während er sich für den Tag stärkt, ist er derart mit seinem Smartphone beschäftigt, dass er regelrecht zusammenzuckt, als sich jemand an seinen Tisch setzt.

„Guten Morgen, Shimaru.“

Zu seiner großen Erleichterung ist es nur Todo Bokosuke. Er wirft dem Mann mit dem vorschriftswidrigen Bandana und der Narbe im Gesicht einen kurzen Blick zu und wagt ein schüchternes Lächeln zur Begrüßung.

„Was machst du da?“ erkundigt sich Bokosuke mit einem interessierten Blick auf das Smartphone. Man sieht Shimaru selten mit einem Mobiltelefon oder einem Tablet, er bevorzugt immer Papier, ihn jetzt hier ganz offen mit einem Smartphone hantieren zu sehen, erweckt also Bokosukes Neugier.

Shimaru zögert und schiebt es ihm dann über den Tisch zu.

Ein Instant-Messaging-Dienst ist geöffnet und Bokosuke beginnt zu lesen.

- Shimaru hier. -

- ??? -

- Du hast dich acht Jahre älter gemacht. -

Irritiert runzelt Bokosuke die Stirn und wirft Shimaru einen fragenden Blick zu. Der scheint diese Reaktion erwartet zu haben, denn er hält ihm seinen Block ins Gesicht:

„Tarnen und täuschen. Keine direkten Antworten auf direkte Fragen. Zaki.“

Bokosuke braucht ein paar Sekunden, bis er versteht, was sein Freund damit meint, doch dann grinst er breit.

„Das ließ dir keine Ruhe, was? Du hast ihn einfach kontaktiert.“

Als Shimaru daraufhin nickt, verbeißt sich Bokosuke ein Lachen. „Schlau. Riskant, aber schlau. Ich meine, selbst, wenn jemand Zakis Telefon in die Hände bekommt, könnte das am anderen Ende jeder sein. Und du hast ihm etwas gesagt, was nur du wissen kannst, damit er weiß, dass es wirklich du bist.“ Nachdenklich kratzt er sich am Kinn.

„Er hat sich wirklich um acht Jahre älter gemacht?“

Shimaru nickt und legt vielsagend den Finger an die Lippen. Bokosuke nickt. Natürlich wird er das nicht weitererzählen. Das ist ganz allein Yamazakis Angelegenheit. Auch, wenn viele hier diesen Verdacht schon länger haben. Der Kerl sieht nicht aus wie zweiunddreißig. Er ist keinesfalls älter als Kondō-san!

„Und woher weißt du das?“

„Gründlicher, jährlicher Backgroundcheck“, flüstert Shimaru mit einem stolzen Lächeln.

Bokosuke erspart sich den Hinweis, dass er ihren Vorgesetzten davon erzählen sollte. Das wäre übertrieben. Sie reden hier von Yamazaki, um Himmels Willen! Der Junge ist wie ein loyales Hündchen, und er hat bewiesen, dass er sich eher abstechen lässt als die Shinsengumi zu verraten. Und nachdem, was sie ihm alle vor einem halben Jahr angetan haben, können sie wirklich ruhig mal fünf gerade sein lassen.

Neugierig betrachtet er wieder den kleinen Bildschirm in seiner Hand. Yamazakis Antwort auf Shimarus Frage sind drei Grinse-Katzenemojis. Bokosuke kichert. Das ist so typisch!

- Was willst du?

- Geht es dir gut?

- Alles ok. Bin nur etwas down. Hab ein Mädchen getroffen, die es schlimm erwischt hatte. So jung. 14. Stellte sich heraus, dass ihr heimlicher Schwarm ihr Lehrer war. Der Mistkerl wollte die Worte nicht sagen. Sie hat es nicht geschafft. -

- Wer ist deiner? Dein heimlicher Schwarm?

- Keine Sorge. Ich habe es nicht.

- Wer ist es?

- Alles ok. Mach dir keine Sorgen.-

- Aber es gibt da jemanden? -

- Alles ok. -

- Komm nach Hause. -

Die letzte Nachricht wurde drei Stunden später abgeschickt und Bokosuke quittiert sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

- Ich habe eine neue SIM Karte. Wir sehen uns. Mate ne. -

Deutlicher hätte Yamazaki die Kommunikation nicht abbrechen können. Langsam schiebt Bokosuke das Smartphone wieder zu Shimaru zurück und mustert ihn zum ersten Mal an diesem Morgen genauer. Sein Freund sieht sehr übernächtigt aus. Diese letzte Nachricht kam kurz nach drei Uhr morgens und Shimaru sieht nicht aus, als habe er seitdem auch nur ein Auge zugekriegt.

„Yamazaki ist...“ beginnt Bokosuke, unterbricht sich jedoch selbst, als sich ihnen aggressive Schritte nähern. Niemand von ihnen ist wirklich überrascht, als sie Hijikata hereinkommen sehen. Die dunklen Haare zerzaust, mit blitzenden blauen Augen und nur in einen Yukata, dunkle Hosen und Halbstiefel gekleidet, sieht er sich kurz in der Kantine um, entdeckt sie und stürmt dann direkt auf sie zu.

„Hier bist du also“, schleudert er Shimaru entgegen.

Shimarus Gefühlswelt wechselt von der Überraschung, ihren Fukuchō anstatt wie üblich in der schwarz-goldenen Uniform in Zivilkleidung zu sehen, sofort in instinktive Panik, denn dieser stürmische Auftritt und der wilde Ausdruck auf Hijikatas Miene verheißen nichts Gutes.

Auch Bokosuke spannt sich unwillkürlich an und stählt sich für das Unausweichliche. An Hijikata hängt der unverkennbare Geruch des Marktplatzes, eine Mischung aus wilden Kräutern, Rauch und frischem Teig, so aufdringlich und stark, dass es sogar den Gestank nach kaltem Zigarettenrauch, der sonst immer an Hijikata klebt, überdeckt.

Sie wissen, wo Hijikata war, noch bevor er eine zerschnittene SIM-Karte mitten auf den Tisch knallt.

Laß ihn in Ruhe seinen Job machen, verdammt nochmal!“ herrscht er Shimaru dabei an. „Wenn du deinen Job behalten willst, halt dich da raus!“

Shimarus Augen weiten sich entsetzt und auch Bokosuke keucht leise auf. Diese Drohung ist schlimmer als Hijikatas übliches „begeht Seppuko“ und beweist ihnen nur, wie ernst er es wirklich meint.

Hijikata wirft ihnen beiden noch seinen berühmt-berüchtigten Todesblick zu und stapft dann wieder davon.

Shimaru und Bokosuke starren ihm eingeschüchtert hinterher.

„Oi“, schreckt sie eine wohlbekannte Stimme auf. Auf der anderen Seite des Fensters steht Okita Sōgo und stützt sich nun bequem mit verschränkten Armen auf dem Fenstersims ab, das Kinn auf den Unterarmen und mit einem Gesichtsausdruck, als könne er kein Wässerchen trüben. „Das solltet ihr euch jetzt wirklich zu Herzen nehmen.“

Kumichō!“ Die beiden fallen vor Schreck fast von ihren Stühlen.

Dieser schenkt ihnen nur ein fieses Grinsen, wird dann jedoch überraschend ernst.

So wütend habe ich unseren dämonischen Fukuchō lange nicht mehr gesehen. Geht ihm heute besser aus dem Weg.“

Und damit verschwindet er genauso lautlos, wie er aufgetaucht ist.

Bokosuke und Shimaru tauschen einen langen Blick. Shimaru kritzelt etwas auf seinen Block und schiebt es dann seinem Freund zu.

„Ja“, stimmt ihm dieser seufzend zu, „ich bin auch urlaubsreif.“

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück