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Die Legende vom Mädchen vom Mond der Illusionen ( LMMI )

von

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Und es geht mal wieder weiter. So langsam nähern wir uns dem Höhepunkt- so langsam...
 


 

Kapitel 5 - Regenheim
 

Die ledernen Schwingen Akoths ließen uns über Bäume und Wiesen, Hügel und Täler gleiten als wären wir schwerelos. Es war anders als auf Escaflowne zu fliegen. Dort spürte man immer, dass es eine Maschine war, voller Kraft und doch elegant. Akoths Kraft dagegen wurde nur selten ersichtlich, doch er flog mit einer Anmut, die selbst Escaflowne fehlte.

Erneut zuckte Akoths Schatten nur Zentimeter unter ihm über eine Hügelkuppe, und Blinx klammerte sich wieder einmal fester an mich.

"Ich dachte, du bist schwindelfrei Blinx!" rief ich ihm zu, denn der Wind pfiff doch recht ordentlich, und zerzauste nicht nur meine Haare, sondern auch das Fell des Katzenjungen.

"Bin ich auch! Aber nur, wenn ich etwas unter den Füßen oder in der Hand habe, das Berührung mit dem Boden hat!"

"Keine Sorge", grollte Akoth und lachte. "Bodenberührungen sind kein Problem. Schwieriger ist es, den Boden nicht zu berühren!"

Ich musste auch lachen. Das war wohl die Drachenversion von "Runter kommt man immer. Fragt sich bloß, wie."

Akoth prustete so heftig, dass seine Nüstern den Wind übertönten. "Das ist gut. Muss ich mit merken. Siehst du, selbst in meinem Alter kann man doch immer wieder etwas lernen."

"Wie weit noch Blinx?" fragte ich.

"Eine Stunde bei dem Tempo - wenn alles gut geht." Ich war froh, dass er nichts mehr im Magen hatte, denn die Art, in der er mir antwortete, hätte mich ansonsten dazu veranlasst, Akoth umgehend zur Landung zu bitten.

"Keine Sorge! Wird schon schief gehen," rief ich ihm vergnügt zu, und sparte dann meinen Atem. Bei der Aussicht vergaß ich nämlich öfters das Luft holen.
 

"Das ist also Regenheim." Ich schaute hinunter auf die Stadt, die sich über mehrere der kleinen Hügel, aus denen die Gegend hier bestand, erstreckte.

"Ja." antwortete Blinx einsilbig. Er war immer bedrückter geworden, je näher wir der kleinen Stadt kamen.

Akoth hatte uns ein paar Kilometer entfernt abgesetzt und war nach vielen guten Wünschen und Ratschlägen abgeflogen.

"Komm Hitomi. Ich denke, ich weiß einen Ort, wo wir unterkommen können. Aber wir sollten vor Einbruch der Dunkelheit da sein, und die Sonne steht schon ziemlich dicht über dem Horizont."

"Lassen sie sonst keinen mehr hinein?"

"Doch schon. Gerade dann, aber..." Er seufzte laut und nicht gerade sehr glücklich. "Du wirst es schon merken."

"Es ist doch nicht gefährlich, oder?"

"Nein. Auf jeden Fall weniger gefährlich als alle anderen Orte dieser Art." schränkte er ein, was mich allerdings nur verwirrte statt mich zu beruhigen.
 

Wir standen an einer kleinen, unscheinbaren Tür in einer schmalen und dunklen Seitengasse. Ich schaute mich unbehaglich um. Es wirkte wie eine Szene aus einem Krimi. Blinx würde anklopfen, eine kleine Klappe in der Tür würde sich öffnen, und eine barsche Stimme würde fragen, was wir wollten. Blinx würde irgendeine Losung nennen, und dann würden wir durch einen winzigen Spalt zwischen Tür und Rahmen hindurchhuschen, und der Mann hinter der Tür würde sich schnell in der Gasse umsehen, ob uns nicht jemand beobachtete.

Aber nichts dergleichen geschah. Blinx nahm stattdessen einen Stein aus der Wand, hinter der eine Schnur sichtbar wurde, und zog daran. "Das war mal der Eingang für die, die nicht gesehen werden wollen. Früher hat hier immer wer gestanden, aber heute ist das nicht mehr der Fall. Außerdem ist es sowieso noch zu früh."

Ich fragte mich, für was es zu früh sein sollte. Die meisten Menschen würden um diese Zeit schon Abendbrot essen. War das vielleicht eine Art Kneipe? Vielleicht auch eine Spielhölle, das würde auch diesen Hintereingang erklären. Und auch, warum Blinx mir nichts darüber erzählen wollte, wenn er hier wirklich einmal gelebt hatte.

Nach einer Minute wurde die Tür geöffnet, und ein junger Mann schaute uns fragend an.

"Wir möchten mit Mutter Mia sprechen."

"Und warum sollte sie ausgerechnet jetzt mit euch sprechen?"

"Sag ihr, dass Blinx hier ist."

"Das bist du wohl, Katzenjunge? Und wer ist das Mädchen da? Eine Neue?"

"Das geht dich nichts an. Und wenn du nicht sofort deinen Hintern in Bewegung setzt, wird Mutter Mia ihren Teppichklopfer holen, und ihn dir ordentlich versohlen."

Der Mann schaute Blinx überrascht an, dann schlug er die Tür zu, und ich konnte hören, wie er anscheinend sehr eilig davon rannte.

"Ein Neuling", erklärte Blinx mir. "Sonst würde er mich kennen. Aber die Bemerkung mit dem Teppichklopfer beweist, dass ich zumindest schon mit Mutter Mia zu tun hatte. Keiner außerhalb traut sich darüber zu reden."

"Sie ist wohl sehr streng?" fragte ich mit einem leicht mulmigen Gefühl im Bauch. War sie vielleicht der Grund, warum Blinx nicht hierher wollte? Hatte er Angst vor ihr? Und warum nannte er sie überhaupt Mutter? Allerdings schien es eine Art Name zu sein, oder ein Titel, wie bei Nonnen. Der Mann, der die Tür aufgemacht hatte, hatte sich jedenfalls nicht darüber gewundert.

"Nein, nicht wirklich." antwortete Blinx nach einer Sekunde des Zögerns. "Aber sehr energisch und entschlossen. Das läuft manchmal auf das gleiche hinaus."

In diesem Moment wurde die Tür erneut geöffnet. "Ihr könnt hereinkommen. Mutter Mia kommt gleich."

Blinx war schon halb drin, noch bevor der Mann ausgesprochen hatte.

Ich nahm mir die Zeit, ihn mir mal genauer anzusehen, als ich an ihm vorbeiging. Er war ziemlich groß, fast so groß wie Allen, hatte aber kurze, braune Haare. Er schien mir etwas nervös zu sein. Seiner Kleidung nach arbeitete er hier als Wirt oder etwas in der Art. Das würde meine Vermutungen bestätigen. Genauso wie der Raum, in dem wir uns jetzt befanden. Es war eine Art Lager, vollgestopft mit Säcken, Kisten und Fässern. Nach links ging ein etwa zehn Meter langer Gang ab, an dessen Ende ein Tor zu erkennen war, durch das durchaus ein Pferdefuhrwerk gepasst hätte, wie ich es vor ein paar Minuten in der Stadt schon gesehen hatte. Nach rechts zog sich ein weiterer Gang, der aber an einer Mauer endete. Geradeaus, über eine kleine Treppe ging es in das eigentliche Gebäude hinauf, von wo aus gedämpft Stimmen drangen. Leider konnte ich kein Wort verstehen.

"Wie heißt du?" fragte ich den Mann, der zusammenzuckte.

"Michael." presste er heraus. Er schien irgendwie Angst zu haben. Vor Mutter Mia?

Auf einmal schwollen die Stimmen an, und gleich darauf wieder ab. Anscheinend war jemand durch eine Tür gekommen. Ich hörte schwere Schritte, und dann kam eine mollige Frau die Treppe herunter. Ihre Haare wurden schon weiß, aber das lag wohl nicht an ihrem Alter - ich schätzte sie auf Anfang Vierzig - denn sie strahlte eine Schönheit aus, wie sie nur wenige Frauen in ihrem Alter besaßen. Es war die Schönheit eines Menschen, der niemals aufgibt, und sich voller Zuversicht der Zukunft stellte.

Ich wünschte, ich könnte auch so zuversichtlich sein.

"Blinx! Du kleiner Racker! Was hat dich denn zu uns zurück verschlagen? Ich dachte, du wolltest nie mehr her kommen!" Sie drückte den armen Blinx so fest an sich, dass sein Kopf beinahe zwischen ihren riesigen Brüsten verschwand. Auch sie sah etwas wie eine Wirtin aus, aber eindeutig vornehmer. Wenn Michael der Lehrling war, dann war sie die Chefin. Vielleicht hatte das "Mutter" damit zu tun.

Mutter Mia hatte Blinx wieder aus ihrer Umarmung entlassen, und sich auf einen herumstehenden Hocker gesetzt. Blinx schaute etwas unbehaglich drein, anscheinend war die Umarmung nicht nach seinem Geschmack gewesen. Sonderbarerweise sagte er aber nichts dazu. Er schien mächtig Respekt vor dieser Frau zu haben. Nicht mal Norenkei war vor seinen Kommentaren sicher gewesen.

"Das ist eine lange Geschichte, Mutter. Ich möchte dich bitten, mir und meiner Begleiterin ein Zimmer zu geben, und niemandem zu sagen, dass wir hier sind."

"Hast du was ausgefressen? Oder sie? Ich wusste ja, dass das kommen würde..."

"Nein, nein! Es ist nichts in der Art!" versicherte der Katzenjunge schnell.

"Gut, ich glaube dir." Sie wandte sich an mich, und musterte mich sehr eindringlich von oben bis unten. "Hmm, gar nicht so schlecht. Du willst nicht zufällig hier arbeiten, oder? Ein paar der Mädchen sind gerade krank, und wir sind unterbesetzt..." Sie unterbrach sich, als sie meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah. Ihre Augenbrauen rutschten so dicht zusammen, dass ich nicht mehr unterscheiden konnte, wo die linke aufhörte und die rechte anfing.

"Du hast ihr doch gesagt, was das hier ist, oder?" fragte sie in Unheil verkündendem Ton. Auch wenn sie ihn nicht ansah, war sehr deutlich, wen sie meinte, und Blinx zuckte heftig zusammen.

"Äh, nein, eigentlich nicht..." Ich hörte, wie Michael überrascht nach Luft schnappte. Dann ging er vorsichtshalber ein paar Schritte von Mutter Mia weg, soweit das in diesem vollgestopften Raum nur möglich war.

"Du hast es ihr nicht gesagt?" fragte sie noch einmal als ob sie es nicht glauben könnte, und drehte sich zu Blinx um.

"Nein!" seufzte dieser und wendete die Augen schicksalsergeben nach oben.

Mutter Mia schaute mich wieder an. "Nun, dann mache ich das. Dieses Haus hier...", sie machte eine alles umfassende Armbewegung, "...ist das beste und bekannteste... Bordell in dieser Gegend."

Ich starrte sie an. "Bordell?"

Mutter Mia nickte. "Ja, allerdings mehr nebenberuflich, nicht mehr so wie früher. Das ist eine lange Geschichte. Das wichtigste ist, das die Mädchen - oder auch Jungs - freiwillig hier sind. Michael?"

"Ja!" Seine Haltung erinnerte an die eines Soldaten.

"Hol Goldherz her, sie wird sich um die zwei kümmern. Sie kriegen alles, was sie wollen." Mia drahte sich wieder zu mir. "Ich muss leider wieder weg. Wir müssen den heutigen Abend vorbereiten, ohne mich kriegt hier doch keiner was auf die Reihe." Sie hastete davon, gefolgt von Michael.

"Ein Bordell! Wann hattest du vor, mir dieses unwichtige Detail zu verraten?"

Blinx schrumpfte unter meinem Blick zusammen, und kroch ängstlich hinter ein Fass. "Entschuldige, Hitomi. Aber ich habe es mich einfach nicht getraut. Ich weiß, es ist dumm aber... Weißt du, ich habe hier drei Jahre gelebt, die meiste Zeit als so etwas wie eine Zirkusattraktion. Ich wollte mich einfach nicht daran erinnern."

Ich sah, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen und meine Wut verflog. Wie konnte ich unter diesen Umständen wütend auf ihn sein? Allerdings... ein Bordell war nicht gerade die Art von Unterkunft, die mir vorgeschwebt war.

"Blinx!" rief auf einmal eine helle Mädchenstimme, und eine Welle blonder Haare flog die Treppe herunter und direkt auf den überraschten Katzenjungen, den es von den Füßen warf.

"Blinx! O Gott! Das ist eine Überraschung! Blinx! Ich kann es nicht glauben! Du bist es wirklich! Mein Lieblings-Katzenmensch!"

Ich ging um das Fass herum und sah ein wildes Knäuel aus Fell und menschlichen Gliedern.

"Goldherz! Hör auf, ich liege auf einem Stein oder so etwas, das tut weh!"

"Entschuldigung!" kicherte das Mädchen, stand rasch auf und zog Blinx mit hoch.

"Nein, du irrst dich. Kein Stein. Ein Holzscheit, auf dem normalerweise ein Fass und kein Katzenmensch liegt."

Erst jetzt schien mich das Mädchen zu bemerken. Es blickte von meinen Schuhen aus an mir rauf, bis sich unsere Augen trafen. "Du hast ja merkwürdige Sachen an!" bemerkte sie zu meiner Schuluniform.

Ich wünschte, die Leute würden sich nicht jedes Mal darüber wundern. "Wo ich herkomme ist das normal."

"Na von mir aus." Sie stellte sich in Pose. "Ich bin Goldherz. Die jüngste Arbeiterin des ,Vergnügen und Lustigkeit' mit gerade mal zwölfdreiviertel Jahren."

Ich erschrak. "Du bist...?"

"Nein!" Prustend schlug sie Blinx auf die Schulter. "Deine Freundin ist lustig." Sie blinzelte mir zu. "Ich bin Musikerin und Sängerin, wie die meisten hier. Und in ein paar Jahren schmeiße ich Mutter Mia raus und übernehme ihren Posten. Aber verrate es niemandem!" sagte sie verschwörerisch und grinste wieder. "Aber das kann ich euch auch erklären, wenn ich euch eure Zimmer zeige. Kommt!" Sie nahm Blinx an der einen, mich an der anderen Hand und zog uns die Treppe hinauf. "Ich glaube, ich weiß schon, wo ich euch unterbringe."
 

"So, da dieser blöde Kerl dir anscheinend nichts erklärt hat, mach ich das eben."

Der ,blöde Kerl' lächelte säuerlich, und setzte sich auf mein Bett. Das Zimmer war nicht sehr groß, aber geschmackvoll eingerichtet. Ein Bett, ein Tisch mit zwei Stühlen, ein großer und zwei kleine Schränkchen. Alle aus sehr gutem und wohl schon ziemlich altem Holz, aber wunderschön, wenn auch schlicht gearbeitet. Das Fenster war zu meinem Erstaunen aus einem Glas, wie ich es so perfekt bisher nur ein einiges Mal auf Gaia gesehen hatte, im Palast von Pallas. Alle anderen Fenster waren, wenn sie aus Glas waren, was auch nicht immer der Fall war, immer mit Fehlern behaftet gewesen.

"Blinx kam vor etwa sieben Jahren als Sklave hierher, zusammen mit mir. Ich war Nachschub für das Bordell, und Blinx sollte eine Art Ausstellungsstück sein. Aber Mutter Mia hat uns vor diesem Schicksal so gut wie möglich bewahrt, was ihr mehr als einmal um ein Haar den Kopf gekostet hätte. Nun ja, es war ziemlich kompliziert damals. Jedenfalls kam dann eines Tages ein Mann namens Keel hierher - ein merkwürdiger Typ."

"Keel?" entfuhr es mir erstaunt.

"Ja, Hitomi." sagte Blinx. "Der Keel, den du kennst. Zumindest meinte Thana, dass du ihn kennst. Sie hat mir allerdings nicht erzählt, woher. Ihre Geschichte über die Art, wie du die Tihani kennen gelernt hast, war nicht sehr detailliert."

"Du warst bei den Tihani?" fragte Goldherz überrascht.

"Ja. Aber ich habe versprochen, nichts zu sagen", kam ich ihrer nächsten Frage zuvor. "Typisch!" Sie pustete sich eine Strähne ihres goldblonden Haares aus der Stirn. "Mutter Mia sagt auch nie was. Dabei bin ich sicher, dass sie auch eine ist, genau wie Keel und Blinx."

Dieser zuckte wieder zusammen.

Sie grinste. "Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, als Keel auftauchte. Nun ja. Wie gesagt, Keel tauchte auf, unterhielt sich ein paar Stunden seeeehr eng mit Mutter Mia - sie kannten sich von früher - und er versprach ihr, zu helfen. Jedenfalls hat uns Mutter Mia zwei Wochen später in den Keller geschickt, und dann kamen auch schon etwa zwanzig Leute. Männer, Frauen, alle in ein unheimliches Schwarz gekleidet. Sie haben innerhalb einer Nacht den Mistkerl von Stadthalter ausgeschaltet. Sogar ohne ihn zu töten. Das haben dann allerdings die Leute von allein gemacht."

Sie blinzelte, als ob sie aus ihrer Erinnerung erst in die Wirklichkeit finden musste und schüttelte sich. "Er war nicht gerade beliebt, und sah dann auch so aus."

Blinx lachte. "Ja, und als Mutter Mia gemerkt hat, das wir uns rausgeschlichen haben, um uns das anzusehen, hat sie uns mit ihrem Teppichklopfer so windelweich geprügelt, dass wir einen ganzen Monat nicht sitzen konnten."

"Und in diesem Monat haben sie und Keel den Laden hier gründlich umgekrempelt. Früher war es mal ein Bordell der übelsten Klasse, alle wurden wie Dreck behandelt, und wer flüchten wollte wurde getötet. Jetzt sind alle freiwillig hier. Die meisten Mädchen von damals sind geblieben, oder auch wieder zurückgekehrt."

"Ja, das sind viele traurige Geschichten", nahm Blinx den Faden wieder auf. "Einige der Mädchen sind so lange hier gewesen, oder schon so jung hierher verschleppt wurden, dass sie sich nicht mehr erinnern konnten, wo sie überhaupt herkamen. Und von den anderen, tja... Bei einigen war die Familie gestorben, umgezogen, hatte sie für tot gehalten oder noch schlimmer, verstieß sie wieder, weil sie als unrein betrachtet wurden. Dass sie nicht freiwillig hier waren, hat niemanden interessiert."

"Diese Mädchen", erzählte nun Goldherz wieder, "kamen zurück, denn wie gesagt hatten Mutter Mia und Keel alles geändert. Die meisten sind auf die eine oder andere Art Künstlerinnen geworden. Manche haben aber auch so weiter gemacht wie vorher - diesmal aber freiwillig. Willst du etwas sagen, Hitomi?"

Ich erschrak.

"Du kannst ruhig sagen, dass es dir nicht gefällt, wenn sich Frauen prostituieren. Da bist du nicht die erste. Aber das läuft hier etwas anders, als du dir das vorstellst. Wahrscheinlich sogar sehr anders." Sie kicherte. "Du wirst schon sehen. Heute Abend ist übrigens der Tanzabend - getrennt nach ,viel an' und ,viel nicht an'. Wie gesagt, schau es dir an. Aber jetzt lass ich euch erst mal allein. Du musst sicher noch die Neuigkeiten verdauen, und Blinx sich wieder daran gewöhnen, hier zu sein. Außerdem habe ich noch eine Menge zu erledigen. Ich muss mein Flötensolo üben. Bis heute Abend!" Sie rauschte aus dem Zimmer, und ließ mich verstört mit einem verwundert dreinblickenden Blinx zurück.
 

Zögerlich stieg ich die Treppe hinab. Der Raum war voller Tisch und Stühle. Eine Seite nahm eine Theke ein, und die gegenüberliegende Seite war zu einer Bühne ausgebaut. Mehrere Personen waren mit verschiedensten Dingen beschäftigt, darunter auch dem Aufbau von Instrumenten.

"Hitomi!" rief Blinx mir von der Bar aus zu. Ich ging zu ihm und setzte mich. "Das Essen kommt gleich. Der alte Koren kocht immer noch, du wirst also zufrieden sein. Bis die ersten Gäste kommen, hast du aber noch genug Zeit."

In diesem Moment kam Goldherz durch eine Tür hinter der Treppe, die hinauf zu den Zimmern führte, und ging schnurstracks Richtung Bühne. In der Hand hielt sie eine Flöte, die selbst aus dieser Entfernung als Meisterwerk der Schnitzkunst zu erkennen war.

"Ich hoffe, sie ist immer noch so gut wie früher", murmelte Blinx erwartungsvoll.

Goldherz setzte sich auf Hocker auf der Bühne, schloss die Augen, holte tief Luft, und setzte die Flöte an die Lippen.

Ich merkte, wie es stiller im Raum wurde. Niemand hörte mit der Arbeit auf, und doch waren alle auf einmal viel leiser als noch Sekunden zuvor. Dann begann sie zu spielen. Erst ein paar, zarte Töne, die die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zogen. Darauf folgten flirrende, verwirrende Tonfolgen, die das Bild eines Kolibris vor meinen Augen entstehen ließen, dessen Flügel so schnell schlugen, dass sie nur als verwaschenes Bild zu sehen waren. Der Kolibri flog von einer Blüte zur anderen, um vom Nektar zu naschen, drehte dann ein, zwei Runden über einem kleinen Teich und kehrte dann nach Hause zurück, wo er erschöpft, aber glücklich in seinem Nest einschlief.

"Wundervoll!" Ich wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Gesicht. Dann sah ich, dass auch Blinx die Tränen gekommen waren. Nein, das war untertrieben, er flennte wie ein Wasserfall.

Er merkte, wie ich ihn erstaunt ansah, und lächelte. "Sie hat das nur für mich erfunden. Als ich in dem Käfig war, zur Belustigung der Zuschauer, hat sie aus irgendeinem Bambusrohr eine Flöte gemacht, und mir zum Trost vorgespielt. Ich habe es seit Jahren nicht mehr gehört. Ich glaube, es ist ihre Art, Willkommen zu sagen."

Mittlerweile war Goldherz von der Bühne getreten, und kam nun auf uns zu. Sie stellte sich vor Blinx, wischte ihm wortlos die Tränen aus dem nassen Fell, und meinte dann leise: "Kleine Heulsuse! Wie habe ich dich vermisst."

Er lächelte zaghaft, sie lächelte zurück, und dann umarmten sie sich heftig.

"Sie war drei Monate lang ungenießbar, nachdem er weg gegangen war", raunte auf einmal eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich erschrocken um, und hinter der Theke stand ein übergewichtiger, älterer Mann, der gerade dabei war, einen riesigen Teller vor mich hin zu stellen. "Blinx meinte, du hast sicherlich großen Hunger, da habe ich eine extra große Portion für euch beide gemacht. Ich bin Koren, Chefkoch hier." Er nickte mir zu, stellte ohne weiteren Kommentar den anderen Teller an Blinx Platz und verschwand wieder in seiner Küche. Er schien mir nicht ein Freund vieler Worte zu sein. Vielleicht wollte er die beiden aber auch nicht stören. Jedenfalls machten alle einen weiten Bogen um Blinx und Goldherz, so dass ich mich langsam etwas unwohl fühlte, weil ich so dicht neben ihnen saß.

Zu meiner Erleichterung schob Goldherz den Katzenjungen aber gerade von sich weg, und deutete auf den Teller. "Lass das Essen nicht kalt werden. Ich werde inzwischen mal die anderen holen, wir müssen noch mal eine Stelle üben."

Sie lächelte ihm, und auch mir, zu, und lief dann mit wehenden Haaren davon.

Ich ließ mir das Essen schmecken, das wirklich ausgezeichnet war, und ließ mir das Geschehen von eben noch mal durch den Kopf gehen. Hinter Blinx steckte eine mehr als nur ungewöhnliche Geschichte. Auf ihre eigene Art noch ungewöhnlicher als meine. Aber vielleicht war ja auch jede Geschichte eines Lebens auf ihre Art ungewöhnlicher und bedeutsamer als alle anderen.
 

Ich hatte mich in eine Ecke gesetzt, und lauschte der Musik. Sie spielten schon eine halbe Stunde und Blinx hatte sich irgendwann aus dem Staub gemacht. Alte Bekannte suchen und Geschichten austauschen. Was man halt so macht, wenn man sich jahrelang nicht gesehen hat.

Unbemerkt war jemand an meine Seite getreten, und so erschrak ich heftig, als ich plötzlich eine tiefe, melodische Stimme neben mir hörte. "Hitomi?"

"Ja?" Ich sah ihn fragend an. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn schon gesehen zu haben.

"Mein Name ist Micha. Nicht Michael wie unser Neuling da..." Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Theke, an der unser Türöffner stand. "...sondern einfach nur Micha. Mutter Mia hat mich gebeten, mich um dich zu kümmern."

"Äh, ich weiß nicht, ich meine ich brauche eigentlich..."

Sein herzliches Lächeln ließ mich verstummen. "Mach dir darum nur keine Sorgen. Ich werde schließlich dafür bezahlt."

"Bezahlt?"

"Ja, Mutter Mia bezahlt mich, damit ich dafür sorge, dass sich die jungen Mädchen hier nicht einsam fühlen. Mit manchen gehe ich dann sogar ins Bett."

Ich wurde knallrot, und rutschte unwillkürlich ein Stückchen von ihm weg. Er aber lachte nur.

"Ich sehe schon, du bist von der schüchternen Sorte." Er grinste. "Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, ich geh dir nicht an die Wäsche. Aber ich stehe heute Abend ganz zu deiner Verfügung. Wenn du tanzen willst, ich bin ziemlich gut - sonst würde Mutter Mia mich auch ganz schnell rausschmeißen. Wenn du etwas trinken willst, dann hole ich es für dich. Wenn du eine Frage hast oder irgendeinen Wunsch, dann werde ich mein möglichstes tun, dir eine Antwort zu liefern oder den Wunsch zu erfüllen." Er breitete die Arme aus. "Ich werde alles tun, was du willst. Dafür bin ich da." Er blinzelte mir zu. "Und wenn dir nicht bald etwas einfällt, werde ich das übernehmen, oder Mutter Mia macht mir die Hölle heiß."

Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Er wirkte so ernst und zugleich so unbekümmert. Außerdem er hatte die Karten auf den Tisch gelegt, ich wusste also, woran ich war. Irgendwie hatte ich sogar das Gefühl, es würde Spaß machen, so umsorgt zu werden. Und ich hatte mich tatsächlich etwas einsam gefühlt.

"Also gut, tanzen würde mir gefallen."

Micha verbeugte sich vor mir. "Dann darf ich um diesen Tanz bitten, Mylady?" Der Schalk glitzerte in seinen Augen, und ich stimmte lachend, wenn auch etwas schüchtern zu.
 

"Eines finde ich merkwürdig." meinte ich, nun doch neugierig geworden, als wir zu einer langsamen, erhabenen Melodie tanzten. Micha war ein verflucht guter Tänzer.

"Und das wäre?"

"Das hier ist ein Bordell, aber es sieht nicht so aus."

"Warst du schon mal in einem?"

"Ich? Nein!" rief ich schockiert, und wurde dann rot. "Ich meine, ich..."

"Schon gut, spar dir die Antwort. Der Grund ist ganz einfach - das hier ist keins."

"Wie? Aber..."

"Das hier ist nicht mehr als eine normale Schenke, wo sich die Leute zum trinken, tanzen und Spaß haben treffen. Das, was du dir unter Bordell vorstellst, ist ein paar Zimmer weiter. Siehst du die Tür dort?" Er deutete auf die Tür, durch die Goldherz vorhin gekommen war. "Dahinter liegt das, was wir den ,Flirt-Raum' nennen. Der Ort für die jungen Leute, frisch verliebte und solche, die sich verlieben wollen."

"Oh!" Ich lächelte "Wo ich herkomme nennt man das wohl Disco."

"Ein komisches Wort. Wie dem auch sei. Noch einen Raum weiter ist dann das, was du dir unter einem Bordell vorstellst. Spärlich bekleidete Männer und Frauen - Mutter Mia achtet da sehr auf der Gleichberechtigung, nicht zuletzt wegen ihr selbst - und erotische Tänze. Ich bin da übrigens auch manchmal", raunte er mir ins Ohr. "Und die jungen Frauen freuen sich jedes Mal, wenn ich die Hüllen fallen lasse."

Ich merkte, wie ich schon wieder rot wurde.

"Tut mir leid, wenn ich dich verlegen mache."

"Nein schon gut. Eigentlich... Ach vergiss es." < Eigentlich müsste mir das gar nichts ausmachen, wenn ich mir überlege, wo ich herkomme. Nackte Körper an allen Stellen. Aber ich werde trotzdem rot. Wenn Yukari so etwas gesagt hätte, wäre das bestimmt nicht passiert. Ob es daran liegt, dass ich so etwas zum ersten Mal auf Gaia höre?>

Die Musik hörte auf, und wir setzten uns wieder hin.

"Du tanzt gut, Hitomi."

"Lügner!" erwiderte ich beschämt. "Du bist der gute Tänzer, nicht ich. Ich wäre ein paar mal fast über meine eigenen Füße gefallen."

"Jetzt übertreibst du aber. Das liegt nur daran, dass du den Tanz nicht kennst. Aber leider werden wir in der nächsten Stunde nicht zum üben kommen, so lange ist Pause."

"Eigentlich schade. Es hat gerade so viel Spaß gemacht."

"Dann können wir nach nebenan gehen. Vorausgesetzt, dir machen ein paar verliebte Pärchen, die eng umschlungen tanzen nichts aus."

Ich überlegte. "Nein, eigentlich nicht."

"Dann komm." Er bot mir wieder die Hand, und ich ließ mich von ihm davon führen.
 

Er hatte Recht. Das hier war wirklich wie eine Disco. Ich bekam sogar Heimweh, aber das vertrieb Micha schnell. Er ließ mir einfach keine Zeit zum Denken. Wir tanzten, und er zeigte mir dabei so einiges, dass ich nichts kannte. Anderer Planet, andere Tänze.

Aber auch so war er ein fantastischer Gesellschafter. Er erzählte Anekdoten und Witze, streute das ein oder andere Kompliment ein - die meisten so offensichtlich übertrieben, dass ich mir manchmal das Lachen nicht verkneifen konnte - und war ganz einfach aufmerksam. Er schien mir wirklich die Wünsche von den Augen ablesen zu können. Auch jetzt erkannte er vor mir, dass ich langsam von Tanzen erschöpft war und steuerte mich unauffällig in Richtung Bar. Als ich dann tatsächlich merkte, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte, saß ich schon fast auf einem Stuhl.

"Bin ich vielleicht erledigt!" seufzte ich.

"Aber du bist wunderschön, wenn du müde bist", schmeichelte Micha schmunzelnd und stellte ein Glas vor mich hin.

Ich schaute stirnrunzelnd auf die rote Flüssigkeit darin.

"Trinkst du keinen Wein?" fragte Micha überrascht.

"Doch, nur..." Ich erinnerte mich an eine bestimmte Episode in Pallas, auf die ich nicht gerade stolz war.

"Keine Sorge, das ist nur verdünnter. Auch da ist Mutter Mia ziemlich resolut. Wer sich wirklich betrinken will, ist hier falsch."

"Dann ist ja gut", erwiderte ich, und nahm vorsichtig einen Schluck. Ja, der Wein war verdünnt. Aber trotzdem gut. Jetzt konnte ich mir auch vorstellen, was in den Fässern war, die ich gesehen hatte. Mutter Mia schien ja überall auf Qualität zu achten, auch bei ihren...

Errötend drehte ich den Kopf von Micha weg. Da sah ich, wie Goldherz auf die Bühne trat, die an der selben Wand war, wie im ersten Raum, sozusagen Rücken an Rücken.

"Nanu?" hörte ich Michas verwunderte Stimme hinter mir. "Sie muss in ziemlich nachdenklicher Stimmung sein, sonst würde sie nicht hier spielen."

Tatsächlich begann Goldherz mit einer schweren, getragenen Melodie. Ihre melancholischen Töne ließen die Gespräche und das Gelächter verstummen. Die Töne flossen aus ihrer Flöte heraus und hüllten uns ein, wickelten uns in einen schweren, aber warmen Umhang. Ich versank in der Melodie, die irgend etwas in meinem Herzen rührte, und dieses etwas nicht mehr losließ...
 

"Nein, ich bin heute den ganzen Abend ausgebucht, tut mir leid. Ja, sie."

Ich drehte mich um. Sprach Micha über mich? Die Melodie hatte aufgehört, aber ich war noch eine Weile in Gedanken versunken geblieben, und hatte so nicht mitbekommen, wie ein Mädchen an Micha heran getreten war.

Das Mädchen blinzelte mir zu, und sagte schmunzelnd: "Na dann noch viel Spaß mit ihm. Es passiert selten, dass er sich den ganzen Abend um eine Person kümmert. Ich hoffe, du amüsierst dich gut." Sie drahte sich um, und ging zu ihren Freundinnen.

"Das war...", Micha grinste, "Michaela. Ein sehr beliebter Name, oder? Erst Michael, dann Micha, und jetzt Michaela. Nicht sehr einfallsreich die Leute."

"Was wollte sie?"

"Fragen, ob ich Zeit für sie habe. Sie ist sozusagen meine Stammkundin. Bis vor einem halben Jahr hat sie gehofft, dass es mehr wird - na ja, typische Schwärmerei halt. Du kennst das sicher auch."

Ich fragte mich kurz, ob ich beleidigt sein sollte, aber ich konnte nicht, selbst wenn ich gewollt hatte. Er hatte es mit einer solchen Selbstverständlichkeit gesagt, als ob das etwas ganz natürliches war... Aber das war es wohl auch. Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Ich hatte wohl zuviel Wein getrunken- auch wenn es nur verdünnter war..

"Willst du an die frische Luft?" fragte Micha, und bewies einmal mehr, dass er in der Tat im Stande war, meine Wünsche zu erraten.

"Ja, ich glaube, das wäre ganz gut."

"Hier lang." Er führte mich durch einen kurzen Gang, der in den Innenhof der Gebäudeanlage führte. Ich konnte den schweren Duft von Rosen und vielen anderen Blumen riechen. Vereinzelte Lampen erhellten die Anlage ein wenig, die fast wie ein Irrgarten wirkte, so hoch wuchsen hier Sträucher und andere Pflanzen.

"Weißt du, ihre Schwärmerei endete, als sie ihren jetzigen Freund traf, aber der ist auf Reisen, das ist Teil seiner Lehre. Das hat sie sehr traurig gemacht, und ich soll sie nun trösten. Das ist übrigens der Hauptgrund, warum Mutter Mia nicht gegangen ist, obwohl sie es hätte machen können. Sie hat den Mädchen nicht nur eine neue Art zu leben gezeigt, sondern auch eine neue Einstellung. Neben denen, die einfach nur etwas fürs Bett suchen - wofür niemand mehr verpflichtet ist, jeder Freier kann abgelehnt werden - gibt es auch eine Menge Leute, die einfach nur ihre Sorgen vergessen wollen. Tja, und statt ihren Körper, verkaufen die meisten Mädchen jetzt ihre Anwesenheit. Sie hören zu, spielen allein für eine einzige Person auf ihrem Instrument oder erzählen sogar Geschichten. Du würdest dich wundern. Aber das verrückteste ist, es hilft den Menschen tatsächlich."

Er schwieg eine Weile, und auch ich sagte kein Wort, während wir so dahin schlenderten. Das kam mir einfach zu... unglaubwürdig vor.

"Nein, ich muss mich korrigieren. Das verrückteste ist eigentlich, dass oft für diese Dienste gar kein Geld verlangt wird, die Leute aber trotzdem zahlen. Wir verdienen mit dem Barbetrieb und den Münzen für die Musikerinnen genug, um uns über Wasser zu halten. Wir sind ziemlich genügsame Leute. Dann sind da noch die handwerklichen Dinge, die wir herstellen und verkaufen. Nicht viel, aber alles ausgezeichnete Qualität." Micha lachte und deutete auf eine Bank.

Ich nickte und setzte mich.

"Du würdest dich wundern, Hitomi, was aus den ehemaligen Sklaven hier geworden ist."

"Du bist keiner?"

"Nein, ich bin erst vor einem Jahr in diese Stadt gekommen. Und schon damals habe ich gestaunt. Fast jeder von ihnen hat ein künstlerisches Talent entdeckt. Ich glaube, in jedem Menschen steckt ein Künstler. Wir haben Maler, Bildhauer, Töpfer und noch vieles mehr. Wir backen auch unser eigenes Brot, und manche Leute kommen nur deswegen manchmal vorbei. Wenn man darüber nachdenkt, ist es wirklich lustig. Das, was wirklich noch ein Bordell ist, ist der kleinste Teil von allem.

Und bemerkenswert finde ich auch, dass die Sklaven noch so viel Mitgefühl für andere übrig haben. Sie sind nicht abgestumpft, wie man es vielleicht erwarten könnte, im Gegenteil. Das war am Anfang nicht so, wenn ich an die Geschichten denke, die sich die ehemaligen Sklaven so erzählen. Aber dann hat Keel - du weißt, wer das ist?"

Ich nickte.

"Dann hat er ein kleines Mädchen mitgebracht. Er hat alle zusammen gerufen, und dann hat das Mädchen auf einer Blockflöte zu spielen begonnen. Ab da unterscheiden sich die Geschichten, aber alle sind sich einig, dass dieses Ereignis sie verändert hat. Einige haben erzählt, sie hätten noch Wochen danach bei dem leisesten Flötenton zu weinen angefangen. Wenn ich mich nicht irre, ist Blinx damals mit dem Mädchen und Keel gegangen. Weißt du, wenn ich es nicht von jedem hören würde, würde ich die ganze Geschichte gar nicht glauben. Mache behaupten sogar, das Mädchen wäre eine Göttin gewesen, aber das ist natürlich Unsinn. Es gibt keine Götter."

Ich schmunzelte. Ich wusste, wer das kleine Mädchen war, das Keel da mitgebracht hatte. Und wie Blinx zu den Tihani gekommen war. Das passte irgendwie zu Flöte. Sich möglichst nicht direkt einmischen, und wenn doch, die größte Wirkung mit der geringstmöglichen Aktion zu erreichen.

Micha sah mein amüsiertes Lächeln. "Du glaubst mir nicht." stellte er fest. "Aber ich mache dir keinen Vorwurf, wie gesagt, ich kann es ja auch kaum glauben."

"Oh doch, ich glaube dir!" widersprach ich ihm. "Mehr, als du denkst."

Er schaute mich zweifelnd an, kam aber dann anscheinend zu dem Schluss, das ich nicht log. "Nun gut. Aber nachdem ich nun so viel erzählt habe, möchte ich auch mal etwas über dich erfahren. Ich weiß ja nicht mehr von dir als deinen Namen."

Schlagartig war meine gute Stimmung verflogen, als ich wieder daran erinnert wurde, weshalb ich hier war.

Micha zuckte regelrecht zusammen. "Vergiss es, Hitomi. Wenn du es nicht erzählen willst, dann musst du es auch nicht. Niemand hier muss von seiner Vergangenheit mehr erzählen als er möchte, und das gilt ganz gewiss auch für dich."

"Es ist nicht so, wie du denkst. Aber ich bin hier, weil ich jemandem helfen will, und statt das zu tun, sitze ich hier mit dir..."

"Dieser jemand... du musst ihn sehr lieben." Ich sah Micha überrascht an, aus dessen Augen auf einmal ein fast überwältigendes Mitgefühl auf mich einstürzte." "Ich habe es in deinen Augen gesehen. So viel Liebe, und zugleich so viel Schmerz... Ich bin mir sicher, wenn du ihm im Moment helfen könntest, würdest du nicht hier sitzen, oder?"

Ich holte tief Luft. "Ja, das stimmt. Der Mann, zu dem ich muss, kommt erst morgen wieder in die Stadt."

"Doch nicht etwa Harlan Vandegaard?" fragte Micha erschrocken.

"Doch! Aber wie kommst du auf den Gedanken..."

"Hör mir zu Hitomi", seine Stimme war plötzlich hart wie Stahl, "dieser Mann wird dir nicht helfen. Nichts auf der Welt könnte ihn dazu bringen, etwas umsonst zu tun. Und wenn er der einzige ist, der dir, warum auch immer, helfen kann, dann wird er einen so hohen Preis von dir verlangen, dass du ihn sicherlich nie zahlen könntest, nur um dich leiden zu sehen."

"Das kann nicht sein!" rief ich erschrocken. "Er kann doch nicht so grausam sein! Was nützt es ihm, Geld zu verlangen, wenn es niemand bezahlen kann

"Er hat genug Geld. Ihm gehörte früher das Bordell, und wenn er nicht durch Intrigen, Erpressung und Bestechung von allen einflussreichen Leuten in der Gegend geschützt würde, hätte Keel ihm damals sicher den Kopf abgeschlagen. Aber so reichte es leider gerade dazu aus, ihn zu zwingen, Mutter Mia alles hier zu überschreiben, und sich aus der Stadt zurück zu ziehen. Er wohnt jetzt ein paar hundert Meter außerhalb der Stadtgrenzen, auf der anderen Seite."

"Aber ich dachte, der Stadthalter..."

"Nein, der hat nur den Sklavenhandel gemacht, auch wenn Vandegaard sein Hauptabnehmer war."

"Ich brauche aber etwas, das er besitzt", sagte ich verzweifelt, und spürte, wie ich einmal mehr unsicher wurde.

"Hey, Hitomi, keine Sorge." Micha zog mich an sich ran, und umarmte mich. Erschrocken hielt ich die Luft an. "Es gibt immer einen Weg. Du wirst es schaffen, da bin ich mir sicher."

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Er schien auch keine Antwort zu erwarten. Er drückte mich einfach nur an sich, so fest, dass ich seinen Herzschlag hören konnte. Ein seltsames Gefühl stieg in mir hoch. So hatte ich mich nur gefühlt, wenn Van mich in die Arme nahm, so beschützend und willensstark. Eine Stärke, die ich nicht besaß. Ich spürte, wie meine Augen feucht wurden, und ich anfing zu schluchzen.

"Lass es raus, Hitomi. Wehr dich nicht dagegen. Lass es nur raus. Ich habe doch schon den ganzen Abend gespürt, dass dich etwas bedrückt. Etwas, das du tief in dir verschluckt hast, das du dir selbst nicht eingestehen wolltest. Lass die Barrieren fallen, und lass deinen Gefühlen freien Lauf. Hier sieht es niemand, und ich werde es niemandem sagen. Weine Hitomi, schlage mich, ganz egal, nur lass es raus aus dir, oder es wird dich auffressen. Hier und jetzt darfst du schwach sein. Lass es einfach nur raus."

Das tat ich. Ich klammerte mich an ihn und meine Tränen flossen über mein Gesicht in sein Hemd. Minutenlang weinte ich all die Anspannung, all die Ängste und Sorgen aus mir heraus.

***
 

"Das ist sein Haus?" fragte ich Micha, als wir vor dem Tor zu dem Großen Anwesen standen, zu dem er uns gebracht hatte. In einer Parkähnlichen Anlage stand ein Haus, das ich eher ein Schloss genannt hätte.

"Ja, es ist schon seit drei Generationen im Besitz dieser Familie. Und schon immer war die Familie nicht sehr beliebt." Er drehte sich zu uns, und schaute mir in die Augen. "Ich werde hier warten. Es wäre nicht sehr gut, wenn Harlan mich sieht. Aber auch so glaube ich nicht, dass er dir gibt, was du willst."
 

"Du willst was? Das soll wohl ein Witz sein!" Harlan Vandegaard sah nicht wie ein Mensch mit Humor aus. Seine Augen sprühten im Gegenteil eine Verachtung für alle außer sich selbst aus, die seinesgleichen suchte. Jetzt verstand ich, warum Micha gemeint hatte, Vandegaard würde mir niemals den Seelenrubin geben. Er schien eher ein Mensch zu sein, der ihn zerstören würde, bevor ich ihn bekam.

"Wir wollen ihn ja nicht für immer!" rief ich verzweifelt dem Mann zu, der vor mir auf einer Art Thron saß.

Er empfing seine Besucher tatsächlich in einem prunkvollen, überladen wirkenden Raum, in dem er erhöht gegenüber der Tür saß.

"Nur für ein paar Tage."

"Ich sagte nein!" schrie er. "Schaff sie hier raus! So eine Unverschämtheit! Sei froh, dass ich heute meinen guten Tag habe, und dich so einfach gehen lasse!"

Seine Wachen zogen uns im Eiltempo aus dem Raum, und nur zwei Minuten später stand ich wieder vor seinem Haus, niedergeschlagen und verzweifelt.
 

***
 

"Das war nicht anders zu erwarten", meinte Mutter Mia traurig.

Ich war mit Blinx, Micha und Mutter Mia in mein Zimmer gegangen, wo wir nun trübsinnig dasaßen.

"Vandegaard ist und bleibt ein Scheusal. Aber wenn ich ehrlich sein soll, hätte ich so etwas Wertvolles auch nicht jedem Fremden mitgegeben, der mich darum bittet."

"Aber ich habe doch sogar angeboten, dass eine von seinen Wachen mitkommt und den Rubin behält, bis wir ihn brauchen, und ihn dann sofort wieder mitnimmt."

"Ja, und auf seine Frage, wozu und wie lange du ihn brauchst, konntest du keine genaue Antwort geben, Hitomi." warf Blinx dazwischen.

"Ist doch egal wozu, und ob eine Minute oder eine Stunde."

"Nein, ist es nicht. In einer Stunde kann man einer Fälschung durchaus den letzten Schliff geben, wenn sie vorher schon so ziemlich wie das Original aussah."

"Du meinst, er hat geglaubt, wir würden den Rubin gegen eine Fälschung austauschen?"

"Ich weiß nicht, was er gedacht hat, und ich will es mir auch gar nicht erst vorstellen. Fakt ist: Wir haben den Rubin nicht von ihm bekommen, brauchen ihn aber immer noch unbedingt, und das so schnell wie möglich."

"Mutter Mia! Mutter Mia!" hörten wir jäh eine Frauenstimme, und gleich darauf wurde die Tür zu aufgestoßen. "Mutter Mia!" keuchte die Frau, die ich als eine der Musikerinnen von gestern wiedererkannte. "Ihr werdet nicht glauben, wer gerade gekommen ist!"

"Ich glaube eine ganze Menge, Mädchen. Am besten, du sagst mir wer, und ich sage dir dann, ob ich dir glaube."

"Äh... ja. Es ist..." Die Frau holte tief Luft, machte eine Pause, um die Spannung zu erhöhen, und schaute uns noch einmal schnell an, ob wir auch alle auf sie achteten.

"Nun red schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit."

Die Frau verzog das Gesicht, weil so ihr Auftritt ruiniert war, und sagte dann fast mürrisch: "Es ist Keel. Keel ist gerade gekommen."

Eine Sekunde lang herrschte Schweigen. Dann fragten wir alle wie aus einem Mund: "Keel?"

Die Frau nickte heftig. "Ja, er kam auf seinem Pferd, brachte es in den Stall, und setzte sich dann unten an einen Tisch. Und dann bin ich hier hoch gerannt. Ihr hab zwar gesagt, ihr wollt nicht gestört werden, aber..."

"Schon gut Kind. Wenn es wirklich Keel ist, war das richtig. Aber das glaube ich wirklich erst, wenn ich es gesehen habe." Mutter Mia war während dieser Worte aufgestanden und drängte sich nun an der Frau vorbei, wir anderen alle hinterher.

Konnte das wirklich sein? Sollte Keel ausgerechnet jetzt hier auftauchen? Das wäre ein mehr als nur unwahrscheinlicher Zufall, das wäre fast ein Wunder.

Keel hatte Vandegaard schon einmal eine Niederlage eingebracht, vielleicht konnte er mir jetzt helfen, den Rubin der reinen Seele von ihm zu bekommen.

Wir rannten alle zusammen die Treppe herunter, und tatsächlich! Dort saß Keel an einem Tisch, umlagert von einem halben Dutzend Mädchen, sowie dem Koch Koren, der ihm gerade höchstpersönlich einen Humpen Bier brachte. Es war eindeutig Keel, diesen verschlossenen Gesichtsausdruck, der durch die Narbe auf seine Stirn noch betont wurde, gab es wahrscheinlich nur einmal auf der Welt.

"Keel, du Miststück von einem Schlendrian!" rief Mutter Mia, und ich blieb so verblüfft stehen, dass Blinx gegen mich rannte. So hatte ich noch niemanden mit Keel reden hören, und ich konnte mir auch keinen vorstellen, der sich trauen würde, so mit ihm zu reden. Nicht einmal Van, und der sagte viel, wenn er wütend war.

"Wie kannst du es wagen drei Jahre einfach zu verschwinden, den armen Blinx in was weiß ich für Schwierigkeiten zu bringen, und dann einfach so ohne Vorwarnung hier aufzutauchen?"

"Ihm geht's doch gut, oder?" fragte Keel ruhig und schaute in unsere Richtung. "Und er hat sogar noch jemanden mitgebracht. Hallo, Hitomi! Schön dich zu sehen. Was für eine Überraschung! Ich wusste gar nicht, das du in der Gegend bist." Mit Gegend meinte er wohl Gaia, aber überrascht wirkte er nicht, im Gegenteil. Er schien die Ruhe selbst.

"Ihr kennt euch?" fragte Mutter Mia überrascht.

"Flüchtig! Wir haben gemeinsame Bekannte", antwortete Keel und stand auf. Er trat auf Mutter Mia zu, die den Kopf in den Nacken legen musste, um zu ihm aufzusehen. Dann, urplötzlich, griff er nach ihr, zog sie an sich ran und küsste sie. Ich konnte selbst von hier sehen, wie ihre Augen herauszufallen schienen, aber sie wehrte sich nicht. Im Gegenteil, sie legte die Arme um Keel und ließ ihn erst nach einer ganzen Weile wieder los. Dann standen die beiden da, sahen sich an, und niemand im ganzen Raum sagte ein Wort oder schien auch nur zu atmen. Alles wartete darauf, welche Überraschung jetzt kommen würde. Immerhin war Mutter Mia sprachlos, du das war wohl das erste Mal in ihrem Leben.

Doch jetzt fand sie ihre Sprache wieder, wenn auch erst beim dritten Versuch und einem heftigen Räuspern. Dafür donnerte ihre Stimme dann aber um so lauter. "Was steht ihr hier so herum?" fuhr sie die neugierigen Gaffer an. "Habt ihr nichts zu tun? Nun macht aber mal hin!"

In Sekundenschnelle hatten alle eine Arbeit möglichst weit weg gefunden, die sie wohl den ganzen Tag beschäftigen würde.

"So, und nun zu dir Keel. Ich glaube, wir haben da so einiges zu bereden. Komm doch mal mit." Sie packte das Muskelpaket von einem Mann an seinem linken Ohr und zog ihn hinter sich her. "Wir reden später weiter", rief sie uns noch zu, dann war sie auch schon an uns vorbei, auf dem Weg zu ihrem Zimmer.
 

"So ist das also", brummte Keel, nachdem Mutter Mia ihn freigelassen hatte, und er sich anschließend erst mal bei einem ordentlichen Mittagessen erholt hatte. Nun saßen er, Mutter Mia, ich und Blinx in meinem Zimmer.

"Der Rubin der reinen Seele. Ja, ich kann mich dunkel daran erinnern. Und ausgerechnet Vandegaard hat ihn? Ich hätte ihn damals doch umbringen sollen."

"Hör auf, so etwas zu sagen!" widersprach ich. "Niemand hat den Tod verdient, egal aus welchem Grund. Es gibt immer eine andere Möglichkeit."

"Ich bin anderer Meinung als du, was den Tod betrifft. Was die andere Möglichkeit angeht - ja, die gibt es. Aber ob sie auch akzeptierbar ist, ist eine ganz andere Frage. Leider kann ich gegen Vandegaard nichts ausrichten. Er sitzt zu fest in seinem Sattel. Außerdem haben Leute wie er immer einen Vergeltungsfond. Wenn ihm etwas passiert, wird automatisch ein Kopfgeld auf seine Feinde ausgesetzt. Im Fall von Mutter Mia und mir dürfte das groß genug sein, um so manche dunkle Gestalt anzulocken."

"So etwas gibt es wirklich?" Ich hatte schon von so etwas gehört, dachte aber, das gäbe es nur im Film. Ich musste wohl noch so einiges über das Leben lernen.

"Du würdest dich wundern, was es so alles gibt, Hitomi." Keel klopfte nachdenklich auf den Tisch. "Ich glaube, es gibt nur eine Möglichkeit, dir den Rubin zu besorgen."

"Ach ja, und welche?" spottete Mutter Mia. "Hast du schon vergessen, dass sie ihn heute schon darum gebeten haben? Verkaufen wird er ihn ja nicht."

"Davon redet auch keiner. Ich rede von der Möglichkeit, ihn zu stehlen."

"Ihn zu stehlen???" fragten alle durcheinander.

"Ja! Anders bekommen wir ihn nie. Das ist sicher."

"Aber wie sollen wir das anstellen?" fragte Blinx.

"He! Moment mal! Wir können doch nichts stehlen!" rief ich empört, worauf mich Mutter Mia mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, Blinx seufzte und Keel zur Decke blickte.

"Blinx, Mia, würdet ihr uns bitte allein lassen?"

Blinx stand sofort auf und warf Keel dabei einen "bring sie bloß wieder zur Vernunft"-Blick zu. Mutter Mia zögerte eine Sekunde länger, folgte ihm aber dann.

Nachdem sie den Raum verlassen und die Tür geschlossen hatte, sprach Keel mich an.

"Du hast es nicht erzählt, aber du brauchst den Rubin für Van, oder?"

"Ja, aber woher weißt du das?"

Keel seufzte. "Ich habe so meine Quellen. Sie wissen nicht, für wen der Rubin ist, und wer du bist?"

"Bis auf Blinx, nein."

"Gut! Das würde die Sache nur komplizierter machen. Hör zu Hitomi." Er fixierte mich mit seinen grauen Augen, und ich wand mich ungemütlich unter seinem Blick. "Deine moralischen Skrupel in allen Ehren, und ich muss sagen, ich bewundere dich dafür, aber sie sind hier eindeutig an der falschen Adresse. Vandegaard wird niemals den Rubin herausrücken. Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich lasse dich jetzt allein, damit du darüber nachdenken kannst. Ich rate dir, überlege es dir gut. Ohne deine Zustimmung werde ich nichts tun. Aber wenn das stimmt, was ich über Van gehört habe, wäre es dann besser, er wäre tot."

Mit diesen schrecklichen Worten verließ er den Raum, und ließ mich bekümmert zurück.

Ich legte mich auf das Bett, und holte meinen blauen Anhänger heraus. Ich ließ ihn vor meinen Augen pendeln, und stellte mir Vans Gesicht vor. Sollte er leiden, nur weil ich Skrupel hatte, einem Ekel etwas zu stehlen? Aber Diebstahl bleibt Diebstahl. Ich wollte nichts stehlen, davon abgesehen, dass es auch gefährlich sein würde. Was sollte ich bloß machen?

"Du kannst das Schicksal nicht nach deinem Willen zwingen. Manchmal musst du Dinge tun, Entscheidungen treffen, die dir nicht gefallen werden."

"Großmutter?" fragte ich flüsternd. "Was willst du mir damit sagen? Dass ich es tun soll?" Schweigen antwortete mir, und ich seufzte. Warum musste ich die Entscheidung treffen?
 

Alle sahen mir entgegen, als ich die Treppe herunter kam. Ich schaute ihnen zuerst nicht ins Gesicht. Ich konnte es nicht. Es war, als ob ich mich selbst verraten hatte. Niemand sprach mich an, alle schienen auf meine Entscheidung zu warten. Ich blickte auf, als ich am Tisch stand. Ja, alle warteten darauf, dass ich etwas sagte.

"Wir tun es." Mehr brachte ich nicht heraus.

"Du hast die richtige Entscheidung getroffen", versuchte Blinx mich zu beruhigen.

"Aber ich will dabei sein!"

"Hitomi! Das geht nicht!"

"Wieso nicht? Ich habe die Entscheidungen getroffen, also muss ich auch die Konsequenzen tragen."

"Nein!" sagte Blinx energisch. "Ich hab versprochen, auf dich aufzupassen, und da werde ich dich nicht etwas so gefährliches tun lassen."

Keel schüttelte den Kopf. "Gib es auf, Blinx."

"Was?"

"Sie wird sich nicht umstimmen lassen. Also dann setzt dich Hitomi. Wir werden erst mal planen müssen." Er griff nach einem Blatt Papier, auf das bereits die Umrisse des Gebäudes aufgemalt waren. Anscheinend hatte er sich bereits Gedanken gemacht. Die Möglichkeit, dass er von vornherein meine Entscheidung gewusst hatte, stimmte mich nicht gerade fröhlicher. "Das ist der Grundriss. Es erscheint mir relativ einfach, von diesem Punkt aus...", er zeigte auf eine Stelle auf der, der Stadt abgewandten, Seite, "...dort einzudringen. Allerdings ist das nur der Anschein. Ich habe keine Ahnung von der Anzahl und vom Wachrhythmus der Wachen. Und was noch viel wichtiger ist: Ich weiß nicht, wo der Seelenrubin ist."

"Das weiß wahrscheinlich niemand außerhalb des Hauses." vermutete Muter Mia. "Und selbst von den Angestellten nur die Wachen und nicht das normale Personal."

"Die müssten aber trotzdem wissen, wo der Rubin ist, zumindest ungefähr - nämlich dort, wo keiner von ihnen hin darf."

"Das betrifft ein Drittel das Hauses", sagte auf einmal eine helle Stimme hinter mir. "Goldherz!" Mutter Mia blickte streng. "Wir wollten doch nicht gestört werden."

"Ich weiß. Aber ich will Hitomi helfen. Und wenn es diesem Vandegaard schadet, um so besser."

Ich war erschrocken, dass so ein junges Mädchen jemanden schon so hassen konnte, vor allem Goldherz, die ihren Namen nicht umsonst hatte. Dann fiel mir wieder ein, dass sie ja als Sklave hierher gekommen war. Und Vandegaard sie gekauft hatte.

"Goldherz." Mutter Mia runzelte die Stirn. "Vielleicht fragst du mal Hal. Der müsste eigentlich über alles Bescheid wissen."

Goldherz erschrak und wurde rot. "Hal? A...aber den habe ich seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Du weißt doch, sein Vater..."

"Hör auf. Ich weiß doch, dass du ihn heimlich triffst. Denkst du, mir ist nicht aufgefallen, wie du dich schon seit zwei Monaten immer mal wieder wegstiehlst?"

Goldherz schnappte nach Luft, unfähig, sich so schnell etwas auszudenken. "Ja, es stimmt. Aber das kann ich nicht tun! Wenn Harlan herausfindet, dass Hal ihn verrät, dann bringt er ihn um, ob er sein Sohn ist, oder nicht!"

"Sein Sohn?" rief ich überrascht.

Mutter Mia seufzte. "Ja, Hal ist Harlans Sohn. Leider. Und als Harlan herausgefunden hat, dass sein Sohn Freundschaft mit Goldherz geschlossen hat, hat der arme Kerl nicht nur Prügel gekriegt, sondern auch das strickte Verbot, sie jemals wiederzusehen."

"Und deswegen werde ich auch nicht von ihm verlangen, etwas gegen seinen Vater zu machen. Der bringt ihn um!"

"Nein, wird er nicht!" mischte sich Keel ein. "Weil er es nicht herausfinden wird. Du hast ihn also schon seit Monaten heimlich getroffen. Gut! Daran wird sich auch nichts ändern. Nur, dass er dir diesmal genau beschreiben wird, wo der Rubin des heiligen Blutes ist. Und das Muster der Wachen. Mehr nicht. Er brauch ja nicht erfahren, warum."

"Wie könnt ihr nur so herzlos sein! Ihm nichts sagen! Ich soll ihn also ausnutzen, ja? Vergesst es. Niemals!"

"Aufhören!" schrie ich. "Wie könnt ihr so etwas nur verlangen? Er soll jemandem verraten, wie sein Vater bestohlen werden kann!"

"Pah, der mag seinen Vater sicher genauso wenig wie wir!" meinte Mutter Mia, aber ich sprach weiter.

"Und dann wollt ihr auch noch Goldherz dazu überreden, ihn dazu zu bringen! Wenn ihr das tut, seid ihr auch nicht viel besser als dieser Vandegaard, wenn ihr andere nur ausnutzt!"

Das hatte gesessen. Mutter Mia und Blinx schauten betreten weg und Keel kratzte mit einem Stift auf dem Papier herum.

"Hitomi?" fragte Goldherz auf einmal zaghaft.

"Ja?"

"Das ist dir sehr wichtig, oder?"

"Was?" fragte ich irritiert.

"Dieser Rubin."

Ich atmete tief durch. "Ja, das ist er. Mehr als alles andere. Aber wir werden einen anderen Weg finden. Und wir werden ihn auch nicht stehlen. Es war ein Fehler, mich dafür zu entscheiden. Es ist einfach nicht richtig."

"Du irrst dich Hitomi."

"Wie?"

"Es gibt keinen anderen Weg", antwortete Goldherz betrübt. "Den Rubin zu stehlen, ist der einzige Weg, auf den du ihn bekommen kannst. Und ich werde Hal fragen, ob er dir hilft."

"Goldherz!"

"Nein, sag nichts. Wenn jemand wie du ihn bekommt, ist es richtig so. Ich werde ihn fragen, aber ob er dir hilft, kann ich nicht sagen. Es ist gut möglich, dass er zu viel Angst vor seinem Vater hat. Sonst würde er es sicher tun. Aber so..."
 

Es war schon später Nachmittag, als Goldherz zurückkam. Sie wirkte nicht sehr glücklich, als sie mir das Blatt Papier wiedergab, auf dem Keel den Grundriss gezeichnet hatte. "Hier Hitomi. Er hat alles aufgeschrieben, was er wusste. Er wird heute im ersten Stock ein Balkonfenster offen lassen, so dass ihr rein könnt. Die Position des Rubins ist eingezeichnet, aber es gibt keine Fallen, von denen er weiß. Er hat aber gesagt, dass es mehrere geben muss."

"Danke Goldherz."

"Danke nicht mir. Ich habe nichts getan. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt..." Mit schweren Schritten schleppte sie sich die Treppe hinauf.

"Ich werde mal nach ihr sehen", meinte Mutter Mia schließlich. "Kümmert ihr euch um den Plan. Davon verstehe ich sowieso nichts." Sie tat, was sie gesagt hatte, und ging Goldherz nach.

"Entweder es ist ihr doch schwerer gefallen, als sie gedacht hatte", sagte Blinx leise, "oder es ist etwas passiert, dass sie nicht erwartet hat. Ob sie sich gestritten haben? Nein, bleib hier Hitomi!"

Ich war schon aufgestanden, und sah ihn nun an. "Aber wieso? Es ist meine Schuld..."

"Du kannst jetzt nichts machen. Glaub mir, ich kenne sie, schon vergessen? So wie sie jetzt ist, lässt sie höchstens Mutter Mia an sich ran. Nicht mal ich könnte jetzt zu ihr durchdringen, und ich war ihr bester Freund, als ich noch hier gelebt habe. Setzt dich lieber wieder hin, und hilf uns mit dem Plan."

Nach einem Moment des Zögerns setzte ich mich. Blinx hatte sicher Recht. Vielleicht konnte ich in ein paar Stunden mit ihr reden. Ich fühlte mich sehr schlecht, dass ich sie zu so etwas gebracht hatte.
 

"Knapp vier Minuten. Er hatte Recht. Wir müssen uns beeilen. Seid ihr bereit Hitomi, Blinx?" fragte uns Keel flüsternd.

Ich nickte. Wir warteten noch, bis die Wachen um die Gebäudeecke gegangen waren, dann rannten wir so leise wie möglich los. Das war schwer, denn im schwachen Mondlicht war nicht viel zu erkennen und wir konnten kaum erkennen, auf was wir traten.

Blinx war lange vor uns da und begann schon den Balkon zu erklettern. Er hatte einen Wurfhaken nach oben geworfen, der sich gleich beim ersten Versuch mit einem dumpfen Schlag im Geländer verfangen hatte.

Wieselflink kletterte er an dem Seil empor, versicherte sich, dass es oben fest genug verankert war, und winkte dann.

Keel hob mich hoch als ob ich nichts wiegen würde, dann musste ich mich nur noch einen halben Meter nach oben ziehen, und ich konnte nach dem Balkon greifen. Blinx half mir ebenfalls nach oben, während Keel behände am Seil hinauf kletterte, und schon oben war, als ich noch über das Geländer kletterte.

"Beeilung!" flüsterte er und schwang sich auf den Balkon. Blinx holte schnell das Seil hoch, als auch schon die Wachen wieder kamen. Wir legten uns auf den Balkonboden, so dass sie uns von unten nicht mehr sehen konnte. Als sie wieder verschwunden waren, versuchte Blinx vorsichtig die Glastür zu öffnen. Sie war tatsächlich nicht verschlossen.

"Los, kommt rein! Aber vergesst nicht, die andere Türseite quietscht."

Auch Keel und ich betraten das Haus, und Blinx lehnte die Balkontür wieder an. Sie war so gebaut, dass sie zufiel, sobald sie nicht mindestens halb geöffnet war, und ein herabfallender Riegel sie verschloss. Doch ein kleines, aber ziemlich stabil wirkendes Stückchen Zweig hatte sich "rein zufällig" so zwischen Tür und Rahmen gelegt, dass die Tür nicht ins Schloss fiel, sondern dass es nur so aus sah, als wäre sie geschlossen. Ich hatte den Verdacht, dass Hal das nicht zum ersten Mal gemacht hatte.

Wir schlichen durch das Gebäude. Einmal kamen wir direkt über einer Wache entlang. Mir wurde mulmig. Wenn die uns entdeckte...

Aber warum hatte Vandegaard eigentlich so viele Wachen? Gut, er war reich, aber hier tummelten sich ja fast mehr Soldaten als in Fanelia. Ich seufzte traurig, als ich an Fanelia und Van dachte, was mir eine pelzige Hand auf meinem Mund und einen wütenden Blick einbrachte.

Dann blieben wir stehen, Keel hockte sich hin und hielt einen Spiegel um die Ecke, hinter der Fackelschein uns die Anwesenheit von jemandem verraten hätte, wenn Hal das nicht schon aufgeschrieben hätte.

Keel hielt den Spiegel dicht über dem Boden, weil dort die Wachen nicht zuerst hinsahen. Der Spiegel war geschwärzt.

"Selbst wenn sie ihn sehen, halten sie den Spiegel mit etwas Glück für eine Ratte, wenn ich ihn schnell genug wegnehmen kann, und sie nur die Bewegung sehen", hatte Keel noch gesagt, um mich zu beruhigen, hatte aber eher das Gegenteil erreicht. Vor allem, weil es mich an meinen nun folgenden Auftritt erinnerte.

Vorsichtig zog er den Spiegel wieder zurück. Vor der Tür sind zwei bedeutete er, und dass wir nach Plan vorgehen sollten. Das hieß, für mich kam hier der unangenehmste Teil. Ich hatte mich erst geweigert, aber dann hatte Keel grinsend gesagt: "Wenn du mitkommen willst, musst du auch etwas tun. Wir können nicht noch jemanden mitnehmen, und die alten Tricks sind immer noch die besten.

Der alte Trick war der "Lenke die Wachen durch ein Mädchen ab"-Trick. Immerhin hatte es mir erspart, mir das Gesicht und alle freien Hautstellen mit Lampenruß einreiben zu müssen. Aber lieber das, als diese Verkleidung. Ich trug das Nachthemd eines Dienstmädchens, das allerdings einen sehr engen und körperbetonenden Schnitt hatte, und einen leicht durchschimmernden Stoff. Eine Leihgabe des sehr reichhaltigen Kleiderfundus von Mutter Mias Bordell.

"Manche Männer stehen auf so etwas", hatte sie mit einem bedeutsamen Blick zu Keel gemeint, der doch tatsächlich rot geworden war und etwas von jungen Dingern und alten Weibern gemurmelt hatte, woraufhin Mutter Mia nur verächtlich geschnaubt hatte.

Ich nickte den beiden zu, die sich in Position stellten, setzte einen verängstigten Gesichtsausdruck auf und rannte dann um die Ecke. Scheinbar überrascht blieb ich stehen.

"Gott sei Dank!" sagte ich laut, aber nicht so laut, dass man es auch woanders hören konnte.

Die Wachen sahen sich an, und einer von ihnen fragte dann misstrauisch. "Wer bist du? Ich habe dich noch nie gesehen." Sie kamen beide ein paar Schritte näher, die Speere in den Händen.

"Mein Name ist Anya. Ich bin die Vertretung von Natalya, sie ist meine Kusine." Das hatten wir auch von Hal. Er hatte gemeint, dass noch niemand Anya kannte, da sie aus dem Nachbarort kam, und auch erst gegen Abend eintreffen würde. Wir konnten nur hoffen, dass die Wachen nicht durch einen dummen Zufall Anya schon begegnet waren, auch wenn Hal versprochen hatte, das nach Möglichkeit zu verhindern. Anscheinend war ihm das gelungen.

"Es ist gut, ich habe davon gehört." meinte die ältere der Wachen, und die zwei entspannten sich, hielten die Speere nur noch lässig in einer Hand. "Aber was machst du hier?"

"Ich habe mich wohl verlaufen, als ich von der Toilette kam", gab ich die vorbereitete Antwort, und wurde tatsächlich rot. Das aber weniger aus Verlegenheit, sondern weil mich die jüngere Wache unverhohlen von oben bis unten mit den Blicken abtastete. Nun, da ich kein "Feind" mehr war, wollte er aus einer "Freundin" wohl sehr schnell eine "enge Freundin" machen.

Ich fluchte in meinem Inneren. Darum hatte Keel also gemeint, ich würde kein Problem damit haben, eine Wache um die Ecke zu locken. Er hatte damit gerechnet.

Ich lächelte weiter schüchtern. "Und dann...", ich schluckte, "dann habe ich etwas gesehen."

"Was denn gesehen?" fragte der jüngere, nur mühsam ein Grinsen unterdrückend.

"Eine... eine Maus oder vielleicht sogar eine Ratte."

Die zwei lachten, und der ältere ging wieder zu seinem Posten an der Tür zurück. "Kümmere du dich darum, aber vergiss nicht, in einer Stunde ist Ablösung."

"Keine Sorge, so lange werde ich mit dem Mäuschen nicht brauchen!" Sein Grinsen, und die Art wie er das Wort "Mäuschen" aussprach waren mehr als nur eindeutig zweideutig, aber ich musste so tun, als ob ich nichts bemerkte. Ich hätte dem Kerl am liebsten eine verpasst, als er mich an sich zog und an der Hüfte packte, aber statt dessen musste ich so tun, als würde ich mich beschützt fühlen.

"Also, wo ist die Maus?"

"Dort, ein Stück den Gang runter habe ich sie gesehen."

"Na, dann schauen wir mal nach. Und keine Angst, ich werde auf dich aufpassen."

Als wir um die Ecke bogen, tat ich, als ob ich ausrutschen würde. Instinktiv ließ die Wache seinen Speer fallen, und griff nach mir. In diesem Moment, als der Speer auf den Boden fiel, gab es einen dumpfen Schlag und der Griff um mich lockerte sich.

"Ist was?" fragte der ältere Kollege.

Ich schaute um die Ecke und tat verlegen. "Ich bin ausgerutscht, ihr Freund wollte mich auffangen, und hat sich dabei wohl den Fuß verstaucht."

Die Wache schlug sich stöhnend an den Kopf. "Nicht schon wieder. Der Junge ist aber auch ein Tollpatsch! Wartet, ich sehe mir das mal an." Kopfschüttelnd, und etwas von "Frauen bringen Unglück" murmelnd kam er heran, bog um die Ecke, und wurde genau wie sein Kollege von Keel ins Land der Träume geschickt.

"Wenn du wüsstest, was für Probleme." grinste er. "Los kommt, nehmt den anderen. Wir postieren sie so, dass es aussieht, als ob sie schlafen. Solange kein anderer Soldat kommt, wird keiner, der zufällig hier lang kommt wagen sie zu wecken."

Selbst mit Blinx Hilfe war es nicht leicht, den Kerl leise bis zur Tür zu tragen. Ziehen konnten wir ihn nicht, die Rüstung hätte laut über den Boden geschleift. Auch wenn man einen fallenden Speer nicht groß beachtet, außer um über den Tölpel zu kichern, ein andauerndes metallisches Schleifen war etwas anderes.

"Ja, so ist gut. Jetzt wollen wir uns mal dem Schloss zuwenden." Keel holte ein kleines Etui heraus, und wählte sorgfältig unter den Dietrichen aus.

"Wie oft brichst du eigentlich irgendwo ein?" fragte ich säuerlich.

"Ungefähr einmal in der Woche, aber nur um in Übung zu bleiben. Richtig ernsthaft etwa alle sechs Wochen. Und jetzt sei leise, ich muss das hören können." Er schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf das Schloss. Zwei Minuten vergingen in aller Stille, in denen wir kaum zu atmen wagten.

Dann schreckte uns eine Eule auf! "Das ist Dari! Jemand kommt! Schneller, Keel."

"Ich habs schon." Es machte klick, und das Schloss sprang auf. "Schnell rein!" flüsterte er, und verschwand in dem schmalen Spalt, den er geöffnet hatte.

Ich zwängte mich nach ihm durch, und fragte mich, wie Keel hier durch gekommen war. Dann zwängte sich Blinx durch, Keel zog die Tür heran... und hielt sie einen Millimeter weit geöffnet, als Dari ihren Ruf erneut durch die Nacht schickte.

Ich starrte auf die Tür, und sah dann Keel flehentlich an. Im schwachen Schein des Lichtes von außen konnte ich sehen wie er den Kopf schüttelte und den Finger auf den Mund legte.

Ich schwieg entsetzt und hielt den Atem an. Blinx hinter mir schien es nicht viel besser zu gehen, ich spürte, wie er nach meiner Hand tastete. Ich griff nach seiner und drückte sie.

Dann konnte ich die Person sehen, die den Gang entlang kam. Um ein Haar hätte ich laut gestöhnt, als ich sah, was sie anhatte. Es sah dem, was ich anhatte, zum Verwechseln ähnlich.

Ich wäre in dem Moment jede Wette eingegangen, dass das die wirkliche Anya war. Sie schien sich verlaufen zu haben.

Ihre Blicke huschten über die Wachen, sie kicherte und rannte dann auf Zehenspitzen davon. Bestimmt würde sie spätestens morgen jedem erzählt haben, was sie gesehen hatte. Hoffentlich erzählte sie es nicht jetzt schon jemandem, der vielleicht misstrauisch werden würde.

Nachdem sie verschwunden war, holte ich vorsichtig wieder Luft. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich sie die ganze Zeit angehalten hatte, und musste nun ordentlich keuchen.

"Warum hast du die Tür nicht zugemacht?" fragte ich Keel zischelnd.

"Deswegen!" brummte er und tat es. Ein lautes Klacken hallte durch den Raum. Ich schluckte. Das hätte sie bestimmt gehört, und dann wäre auch sie misstrauisch geworden, wenn die Wachen vor einer Tür schlafen, die sich gerade geschlossen hat.

Blinx holte eine der Fackeln heraus, die er unter seinem Umhang hatte, und zündete sie mit einem Streichholz an. Er brauchte dazu mehrere Versuche, denn sie gingen wesentlich schwerer an als die Streichhölzer, die ich kannte.

Der flackernde Schein erhellte die "Schatzkammer" des Harlan Vandegaard. Allerdings war der einzige Inhalt ein paar verzierte Schwerter an der Wand, und eine gläserne Vitrine auf einer Säule in der Mitte des Zimmers. Die Säule stand auf einem achteckigen Podest um das bunte Fliesen verteilt waren. In der Vitrine lag der Rubin und funkelte in gedämpftem Rot.

"Seid vorsichtig! Hier sind garantiert Fallen!" warnte Keel und ging vorsichtig Schritt für Schritt in Richtung Podest. Die Fliesen darum herum erinnerten mich an etwas.

"Keel, diese Fliesen..."

"Ich weiß." Kurz von den Fliesen blieb er stehen. "Nummer eins. Hier ist eine Schnur quer durch den Raum. Weder belasten, noch durchschneiden." Er stieg darüber, bedeutete uns aber, weiterhin bei der Tür zu bleiben. Lediglich Blinx sollte zwei Schritte näher kommen, und die Fackel so hoch wie möglich halten.

Vor den Fliesen ließ er sich auf die Knie herunter, und holte etwas aus seinen Kleidern hervor, das wie ein Hammer aussah. Behutsam klopfte er damit den Boden vor sich ab. Bei einigen zögerte er, schlug noch ein paar Mal drauf. Etwa bei einem Viertel dieser Fliesen streute er etwas Sand darauf. "Tretet auf keinen Fall auf eine Fliese mit Sand!" Langsam arbeitete er sich bis zu dem Podest vor.

"Jetzt wird es gefährlich. Blinx, Hitomi, kommt her! Achtet aber auf die Schnur."

Vielleicht noch vorsichtiger als er kamen wir, während er sich weiter im Raum umsah.

"Hier stimmt etwas nicht." meinte er, als wir gerade über die Schnur kletterten. "Bleibt vor den Fliesen stehen!" fügte er im Kommandoton hinzu, und kam wieder zu uns. "Das Podest ist ebenfalls mit einer Falle verbunden."

"Woher weißt du das?" fragte ich. Ich konnte nichts erkennen.

"Schau dir mal die Mosaike an den Wänden genau an. Achte vor allem auf die schwarzen Steine."

Ich tat, was Keel gesagt hatte. Erst fiel mir nichts auf, aber dann sagte Blinx zögernd: "Da sind Schatten. Schatten auf einer glatten Wand."

Da sah ich, was mit den schwarzen Steinen war. "Das sind nicht alles Mosaiksteine. Einige davon sind Löcher."

"Erraten. Wahrscheinlich mit vergifteten Pfeilen, die herausschießen, wenn das Podest beschwert wird."

"Und wie kann man die Falle abstellen?" fragte ich ratlos.

"Nichts leichter als das. Es ist im Grunde ziemlich leicht. Es gibt fast nichts in diesem Raum, das als eine Art Hebel dienen könnte. Nichts außer einem."

"Die Schwerter!" raunte Blinx ehrfürchtig. "Dann müssen wir nur alle Schwerter drehen, und dann ist die Falle aus."

"Höchstwahrscheinlich. Aber dann wäre wir auch erledigt."

Nun waren Blinx und ich völlig verwirrt. "Aber wieso? Ich meine, wenn wir die Falle ausstellen..."

"Wird Harlan das ganz gewiss durch einen Mechanismus hören, Hitomi. Es ist zu offensichtlich. Wer immer auch die Falle mit dem Podest bemerkt, dürfte sehr leicht auf den Gedanken mit den Schwertern kommen. Was wäre einfacher, als das auszunutzen, und sie für eine weitere Falle zu benutzen?"

"Dann gibt es hier noch einen anderen Hebel? Einen wirklichen, und nicht so einen wie die Schwerter? Ein Stein in der Wand?"

Keel überlegte. "Möglich, aber ich glaube eher nicht. Schalter in Wandsteinen sind schwer wieder in ihre richtige Position zu bringen, ohne Spuren zu hinterlassen, und Harlan will seinen Schatz sicher auch mal in den Händen spüren, wenn er ihn so schützt. Ich denke eher, dass die Schwerter die Falle ausstellen, aber irgendwo in Harlans Räumen etwas auslösen, dass ihn aufweckt. Wenn er selbst zum Rubin geht, ist das ja egal, aber wenn er es nicht ist..."

"Dann dürfen wir die Podestfalle also nicht ausstellen." schloss Blinx.

"Richtig! Zeit für die Geheimwaffe." Keel grinste, und holte einige Metallstangen aus seinem Mantel. Als ich die letzte sah, musste ich leise lachen.

"Ein Obstgreifer! Auf die Idee wäre ich nie gekommen."

"Ein was?" Keel schaute mich verwirrt an.

"Ein Obstgreifer. Das da." Ich zeigte auf das Gerät, das er zusammensteckte. "Damit holt man doch Äpfel und so etwas von den Bäumen, wenn man keine Leiter nehmen will. Mit einer Schere vorne dran wird der Apfel abgeknipst, und fällt in einen kleinen Sack darunter."

Blinx schaute mich stutzig an, dann Keel, der auch nur mit den Schultern zuckte. "Ich habe nie daran gedacht, den Greifarm zum Obstpflücken zu benutzen." Er schaute nachdenklich auf sein Instrument. "Aber das könnte gehen." Dann grinste er verschlagen. "Weißt du Hitomi, damit könnte man viel Geld machen." Sofort wurde er wieder ernst. "Aber darüber können wir auch später noch reden. Jetzt ist erst mal der Rubin dran."

Er setzte sich hin, befestigte ein Säckchen Sand am Greifer, ließ noch etwas Sand heraus und legte sich ihn über einen Arm. Dann langte er damit über das Podest hinweg zum Rubin, der in seiner Glashülle lag und im flackernden Fackelschein wie geronnenes Blut aussah.

"Ich hoffe, das ist nach all den Fallen nicht die komplizierte Ausführung, die sowohl auf Bewegungen von oben als auch von unten reagiert", murmelte er noch und ließ dann das Sandsäckchen neben das Glas fallen. "Anscheinend nicht." Murmelte er erleichtert, als sich nichts bewegte. Dann hob er das Glaskästchen hoch, und setzte es neben der Säule ab. Mit einem konzentrierten Griff schnappte Keel sich auch noch den Rubin, den er ohne das geringste Zittern, wie ich neidisch sah, zu sich holte.

"Nimm ihn!" forderte er Blinx auf, der vorsichtig den Rubin aus der Greifkralle nahm, und ihn nach einem raschen Blick in seine Tasche steckte. Ich hätte ihn mir zu gerne genauer angesehen, immerhin war der Rubin der Grund, warum ich hier war, aber ich wollte genau wie Blinx und Keel nur so schnell wie möglich weg von hier.

Rasend schnell hatte Keel seinen Greifer wieder auseinandergebaut und ihn in seinen Kleidern verschwinden lassen. Ich fragte mich, wie er damit so leise schleichen konnte. Die Teile schienen ihn gar nicht zu behindern.

Wir waren gerade über die Schnur geklettert, und wollten die Tür öffnen, als ein kratzendes Geräusch uns herumfahren ließ. Langsam hob sich das Kissen, auf dem der Rubin gelegen hatte, und wir standen erstarrt da.

Ein lauter Gong ertönte von irgendwoher im Haus und weckte uns aus unserer Erstarrung.

"War wohl doch noch zu leicht. Verdammt! Lauft! Lauft so schnell ihr könnt!" schrie Keel.

Das brauchte er nicht zweimal sagen. Wir waren bereits halb aus dem Raum heraus. So schnell es ging, ich noch durch meine Verkleidung behindert, rannten wir den Weg zurück, den wir gekommen waren. Kurz entschlossen zerriss ich das Kleid um die Beine herum. Die Wache an der Treppe versuchte uns aufzuhalten und bekam von Keel nur einen Schlag auf den Kopf. Das setzte den Mann zwar nur für kurze Zeit außer Gefecht, für uns aber lange genug.

In fliegender Eile kletterten Keel und ich am Seil hinab, verfolgt von den Schritten der heran laufenden Verfolger. Blinx blieb oben, löste das Seil, und sprang eine Sekunde, bevor sich der Balkon mit einer Handvoll Soldaten füllte, herunter. Ich konnte die Flüche unserer Verfolger noch minutenlang hören, während wir durch den Wald rannten. In ihren schweren Rüstungen konnten sie es nicht riskieren, wie der Katzenjunge, herunter zu springen. Das würde ihnen mit Sicherheit alle Knochen im Leib brechen.

Wir rannten in die Dunkelheit, stolperten über Wurzeln, die wir nicht sehen konnten, und so mancher Ast zerkratzte unsere Haut und zerfetzte unsere Kleidung. Schließlich blieben wir keuchend liegen.

"Das reicht erst mal." meinte Keel atemlos. "Ich muss sagen, du kannst ganz schön rennen Hitomi. Von Blinx weiß ich das ja, er ist schließlich ein Katzenmensch, aber du..."

"Training." antwortete ich knapp und versuchte zu Luft zu kommen. "Ich bin schließlich die beste Läuferin meiner Schule. Und das eben war Rekordverdächtig."

Keel lachte. "Wie dem auch sei. Dali wird uns warnen, falls uns wer zu nahe kommt. Im Moment können wir uns erst mal ausruhen."
 

Wir nahmen den Hintereingang. Im Hauptraum angekommen ließen wir uns erst mal rund um einen Tisch auf die Stühle fallen. Wir waren losgegangen, nachdem die letzten Gäste verschwunden waren, und so lief uns auch niemand außer Mutter Mia mehr über den Weg.

"Und, habt ihr ihn?" fragte sie, nachdem sie uns etwas zu trinken hingestellt hatte.

"Ja!" antwortete Keel. "Hol ihn mal raus, Blinx."

Der Katzenjunge schaute sich misstrauisch um und griff dann in seine Sachen. Vorsichtig holte er den Rubin der reinen Seele hervor und hielt ihn in seiner Hand über der Tischmitte, damit wir ihn alle sehen konnten. "Ist er nicht wunderschön?" flüsterte er andächtig.

"Das ist er", stimmte Mutter Mia mit einem Nicken zu. "Wunderschön. Gibt's du in mir mal? Ich will ihn mir aus der..."

"Nein!"

"Aber Blinx..."

"Niemand rührt ihn an, hörst du? Niemand außer mir!"

"Was ist denn los?"

Blinx sprang von seinem Stuhl. "Ich hätte es wissen müssen!" zischte er und presste den Rubin an sich. "Ihr seid Diebe, und nun wollt ihr auch mir den Rubin stehlen! Geht weg von mir!"

"Blinx!" Mutter Mias Stimme war gefährlich ruhig, doch dann stand Keel auf, und packte sie am Arm.

"Lass ihn. Ich denke, er weiß nicht was er sagt."

"Natürlich weiß ich das!" keifte Blinx und schaute sich hektisch um, als ob er einen Fluchtweg suchen würde.

Ich saß nur da und verstand wieder einmal gar nichts.

Plötzlich, so schnell, dass ich es kaum sehen konnte sprang Keel nach vorne, bekam den ausweichenden Blinx zu fassen, und schlug ihm den Rubin aus der Hand, der an einem Stuhlbein abprallte und direkt vor Mutter Mias Füße rollte. Diese wollte sich unwillkürlich danach bücken und ihn aufheben.

"Nicht!" schrie Keel und hielt den sich heftig wehrenden Blinx fest. "Nicht anfassen! Mit dem Rubin stimmt etwas nicht!"

Mutter Mia blieb mitten in der Bewegung wie zu Stein erstarrt stehen, richtete sich dann wieder auf und ging einen Schritt zurück. "Aber wir können ihn doch auch nicht so einfach liegen lassen. Und was ist mit Blinx?"

"Was soll mit mir sein?" fragte eine überraschte Katzenjungenstimme. "Keel, warum hältst du mich fest? Was ist passiert? Ich kann mich noch erinnern, dass der Alarm los gegangen ist, und jetzt bin ich hier? Was ist mit mir los?" Blinx schaute sich verwirrt um und wurde dann von Keel auf den Boden gestellt.

"Entschuldige Kleiner, aber du warst nicht du selbst. Du kannst dich nicht mehr erinnern, wie wir hier her gekommen sind?"

"Nein! Was ist denn nun los? Ich habe Angst verdammt noch mal!" Er war wirklich einer Panik nahe, das konnte ich deutlich sehen.

"Die brauchst du nicht mehr haben. Es ist vorbei. Der Rubin hatte dich beeinflusst."

"Der Rubin?"

Blinx schielte skeptisch auf den Edelstein, dessen rotes Funkeln auf einmal wie ein böses Blinzeln erschien. Dann schien er irgendetwas zu merken und wurde leichenblass. "Ich kann ihn hören!" flüsterte er und schluckte.

"Wen?"

"Den Rubin! Er ruft nach mir!" Blinx stolperte einige Schritte zurück. "Schafft ihn weg, bitte!"

Keel blickte zögernd vom Rubin auf Blinx und wieder zurück. "Du hast ihn doch nicht auf deiner Haut gehabt, oder Blinx? Abgesehen von dem Moment, als du ihn vom Greifer genommen hast."

"Den Rubin? Nein. Er war in meiner Tasche."

"Das heißt, Stoff hilft auch nicht."

Es entspann sich eine heftige Diskussion zwischen Keel, Blinx und Mutter Mia, wie am besten mit dem Unglücksstein umzugehen wäre. Aber ich hörte nicht hin. Dafür hörte ich den Rubin. Er lockte mit seinem Schimmern, seinem Glanz und seiner unendliche Tiefe. Ich konnte das Verlangen spüren, ihn anzufassen, ihn zu verstecken und für mich zu behalten. Aber das wollte ich ja gar nicht. Ich brauchte ihn, um Van zu heilen, und zu nichts sonst.

Wie in Trance stand ich auf, bückte mich und hob ihn hoch. Dann erst bemerkte ich, dass der Streit aufgehört hatte, und die drei mich nun ansahen. Ängstlich ansahen.

"Alles in Ordnung." versuchte ich sie zu beruhigen und lächelte. Aber beides misslang.

"Hitomi, leg ihn wieder hin!" befahl mir Keel, aber ich schüttelte den Kopf.

"Nein Keel, das werde ich nicht. Wenn ihn einer tragen kann, ohne von ihm beeinflusst zu werden, dann ich. Ihr alle seht nur seinen Glanz, seinen Wert. Ich aber sehe in ihm nur das, was ich brauche um Van zu helfen. Und wenn das erledigt ist, kann ich ihn auch wieder loslassen."

"Das sagst du jetzt", meinte Keel ablehnend, aber Blinx stimmte mir zu.

"Es ist am besten so. Glaub mir. Wenn jemand nicht davon beeinflusst wird, dann Hitomi. Oder wollt ihr es probieren?"

"Ja!" antworteten Keel und Mutter Mia wie aus einem Mund, sahen sich dann an und verzogen den Mund.

"Wir sind offensichtlich ungeeignet." sprach Keel ihrer beider Gedanken aus.

"Ja, sieht so aus", stimmte Mutter Mia zu. "Aber sagt mal, wenn der Rubin eine solche Wirkung hat, was ist dann mit Harlan?"

"Das ist eine gute Frage."

"Er ist auf dem Weg hierher."

Wir fuhren herum. Wir hatten nicht gemerkt, wie jemand die Tür geöffnet hatte.

"Hal!" rief Mutter Mia erstaunt.

"Ich weiß nicht wie, aber er weiß, dass der Rubin hier ist."

"Wie kann das sein?" fragte Blinx verblüfft.

"Der Rubin ruft ihn." antwortete ich, selbst erstaunt über meine Worte. "Ich kann es spüren. Er ruft nach Harlan. Und es wird nicht mehr lange dauern, dann ist er hier."

"Kommt er allein?" fragte Keel Hal.

"Nein. Er hat fast sämtliche Soldaten mitgenommen." antwortete der Junge ängstlich. "Verdammt! Mia, weck alle auf, und zwar schnell!"
 

Nervös erwarteten wir die Ankunft Vandegaards und seiner Truppen. Endlich hörten wir die Stiefeltritte der Soldaten und das leise Klirren ihrer Waffen. Hal hatten wir vorsichtshalber die Treppe hinauf gebracht, in einen Raum in dem er sicher sein würde, zusammen mit denen, die sich nicht den Soldaten entgegenstellen würden. Zu meinem Erstaunen waren auch einige Kinder des verschiedensten Alters darunter. "Was hast du erwartet?" hatte mich Mutter Mia amüsiert angesprochen, als ich mit heruntergeklapptem Kinn ihre Prozession verfolgt hatte. "Dass sich die Frauen hier das Glück von Kindern verweigern? Aber ich kann dich beruhigen, es sind keine ,Betriebsunfälle'. So etwas gibt es hier nicht. Bis auf eine Frau sind alle mit Kindern verheiratet."

Ich schüttelte den Kopf. "Hier erlebt man doch immer wieder Überraschungen."

"Ohne wäre das Leben doch langweilig, Kind. Und was ist mir dir? Willst du mit ihnen gehen?"

"Nein, ich bleibe hier. Das ist schließlich meine Schuld. Nur wegen mir..."

"Ach, Unsinn. Vandegaard wollte uns ohnehin eins auswischen. Ihm hat nur noch ein guter Grund gefehlt. Den hat er jetzt. Aber dafür sind wir vorbereitet."

Ich wurde aus der Erinnerung gerissen, als deutlich die Schritte von Soldaten zu hören waren, die sich vor der Tür postierten. Wahrscheinlich hatten sie den Plan, dass einer von ihnen klopfen würde, bis jemand kam und nachschaut was los ist. Dieser jemand würde nur einen Soldaten sehen, und aufmachen. In diesem Moment würden die anderen hineinstürmen, den erschreckten Türöffner zum Schweigen bringen, bevor er etwas sagen konnte, und sich dann im ganzen Haus verteilen, bis jemandem etwas auffallen würde. Und dann wäre es zu spät.

In der Tat hämmerte jetzt einer in wohldosierter Lautstärke gegen die Tür. Keiner der Schläfer im hinteren Teil des Hauses würde davon wach werden, aber jeder, der wach war und in den vorderen Räumen oder im Lager war, würde es bemerken.

Blinx hatte sich hinter die Tür gestellt, die er nun aufriss. Das daraus resultierende Bild war so komisch, dass sich einige das Lachen trotz der ernsten Situation nicht verkneifen konnten. Der Soldat war völlig überrascht und stand mit erhobenem Arm da, als ob er an die Tür schlagen wollte, und schaute die versammelte Menge überrascht an. Seine Gesichtszüge entglitten weiter, als er die Waffen bemerkte, die in den Händen der entschlossen dreinblickenden Männer und Frauen waren. Ein "kleiner Bordellbesuch" wie sie sicher gescherzt hatten, war das nicht.

Auch ich war über die Waffen erstaunt gewesen, noch erstaunter als über die Kinder. Die meisten Schwerter und Speere waren sichtlich alt, aber gut gepflegt gewesen.

"Von Soldaten, die kein Geld mehr hatten, oder nach dem ein oder anderen Krieg als Überbleibsel einer zersprengten Einheit ihre Ausrüstung als Bezahlung gegeben haben. Oder desertiert sind und froh waren, das auffällige Zeug gegen andere Kleidung bei uns eintauschen zu können", hatte Michael grinsend gemeint, als er schwer beladen mit den unterschiedlichsten Waffen und Rüstungsteilen aus irgend einer versteckten Ecke des Hauses kam.

Ich hatte den stillen Verdacht, dass einige der Soldaten auch gleich hier geblieben waren. Die lässige Art, wie einige Männer - und auch viele der Frauen - mit den Waffen umgingen, bewies, dass sie sie nicht zum ersten Mal in der Hand hielten. Anscheinend waren sie darauf vorbereitet, nicht nur mit betrunkenen Gästen umzugehen.

"Wir haben geschlossen!" rief Mutter Mia dem verdutzten Soldaten entgegen. "Und außerdem habe ich nicht den Eindruck, dass du deine Waffe abgeben willst, wenn du dieses Haus betrittst, also dreh um und geh wieder nach Hause." Ihr Ton machte klar, dass sie keinen Ärger haben wollte, aber sehr wohl in der Lage war, jedem eine große Menge davon zu verschaffen, der ihre Anweisung in Frage stellte.

"Aus dem Weg!" schrie eine wütende Stimme, deren dazu gehöriger Körper eine Sekunde später den immer noch vor Staunen erstarrten Soldaten rüde zur Seite stieß.

"Harlan Vandegaard! Was verschafft mir die Ehre eures Besuches? Wollt ihr euch etwas amüsieren?" fragte Mutter Mia freundlich, aber mit einem nicht zu überhörenden Unterton von Spott.

"Vergiss es!" rief eine Frauenstimme empört. "Den nimmt doch keine von uns! Nicht mal meine Mutter würde ihn näher als zehn Meter an sich ran kommen lassen, und sie ist nicht gerade dafür bekannt gewesen, besonders wählerisch zu sein." Grölendes Lachen antwortete ihr, und auch von draußen konnte man unterdrücktes Prusten hören.

"Ist das nicht gefährlich?" fragte ich den neben mir stehenden Keel. Wir hatten beschlossen, dass er im Hintergrund bleiben würde, solange es nicht zum Kampf kam. Wenn Vandegaard ihn sah, würde er sich durch nichts mehr bremsen lassen. "Ich meine, ihn so zu provozieren?"

"Nein, denn er wird vor seinen Männern lächerlich gemacht. Wir haben ihnen schon einen gehörigen Dämpfer verpasst, als wir uns kampfbereit zeigten. Söldner verdienen ihr Geld lieber beim Wachestehen als bei einem Kampf. Sie kämpfen nicht für Ideale oder um ihre Familien zu beschützen, sondern für Geld. Aber wenn man tot ist, nützt einem der größte Reichtum nichts mehr. Darum habe ich es am liebsten mit solchen Söldnern wie denen hier zu tun. Sie sind im Normalfall Leute, die sehr schnell eine gefährliche Situation erkennen, und lieber den Arbeitgeber wechseln als für eine mehr als fragwürdige Sache zu kämpfen. Vor allem, wenn sie danach wahrscheinlich tot sind. Je einfacher wir es ihnen machen, ohne Gewissensbisse abzuhauen, desto besser."

"Wo ist mein Rubin?" kreischte Harlan, Mutter Mia ignorierend.

"Hier gibt es keinen Rubin!" antwortete eines der Mädchen trotzig. "Und wenn, würden wir ihn dir nicht geben, alter Sklaventreiber! Hau bloß ab, oder du bekommst eine Abreibung, die sich gewaschen hat. Was du hier machst, ist eindeutig Hausfriedensbruch, und wenn hier Blut fließt, sind wir es bestimmt nicht, die für schuldig befunden werden!"

Wieder kam draußen Gemurmel auf. Söldner wurden vor dem Stadtgericht bestimmt nicht milder behandelt, weil ihr Herr ihnen einen Rechtsbruch befohlen hatte.

Ich ging zur Seite, um aus dem Fenster zu sehen.

"Ich kann ihn spüren!" rief Vandegaard mit funkelnden Augen, und ohne auf seine Leute zu achten.

Der Soldat, der vorgeschickt worden war, machte sich langsam rückwärts gehend aus dem Staub. Ich hätte erwartet, dass sein Abgang irgendwie kommentiert werden würde, aber dem war nicht so. Die Leute hier schienen trotz allem äußeren Anschein sehr froh zu sein, ihn gehen zu sehen, und wollten durch eine hämische Bemerkung lieber nichts riskieren.

"Ich kann ihn genau spüren, er ruft nach mir. Er ist da!" Sein zitternder Finger zeigte auf mich, und ich erschrak. Konnte er ihn wirklich so genau spüren!?

"Du! Du hast mir meinen Rubin gestohlen, mein ein und alles! Das wirst du büßen!"

"Hey, Harlan, du fantasierst!" spottete Mutter Mia, noch immer ganz die Ruhe selbst. "Hey, ihr da draußen! Ihr solltet euren Meister lieber mitnehmen. Ich lasse meine Leute nicht so einfach als Dieb bezeichnen. Es ist doch wohl klar, dass er fantasiert."

Einer der Soldaten kam tatsächlich herein und sprach Vandegaard an, während mir der Angstschweiß aus allen Poren drang. "Herr, sie hat Recht. Wir können morgen mit der Stadtwache herkommen und die Leute vernehmen lassen, und in der Zwischenzeit niemanden unbeobachtet her weg lassen. Aber wenn wir jetzt nicht gehen, bekommen wir gewaltigen Ärger."

"Memmen! Wofür bezahle ich euch? Der Rubin ist mein wichtigster Besitz! Es gibt nichts, was mir wichtiger ist. Moment mal!" Er stutzte, dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. "Jetzt erkenne ich dich erst wieder! Du warst doch gestern bei mir und hast mich um den Rubin angebettelt! Ha! Du hast ihn nicht bekommen und ihn deswegen gestohlen! So ist das also! Gib ihn her!"

"Nein! Sie wird ihn dir nicht geben!" Auf einmal sprang Hal durch die Menge und stand vor seinem Vater. "Seitdem du ihn hast, bist du nicht mehr der Mann, von dem mir Mutter erzählt hat. Ich wünschte, du hättest ihn ihr nie geschenkt. Er konnte ihre Krankheit nicht heilen, sondern nur herauszögern, aber dich hat er vergiftet! Wenn ich damals älter als sechs gewesen wäre, hätte ich ihn dir abgenommen, aber damals habe ich noch nichts verstanden. Heute verstehe ich es. Du sagst immer, mit Mutter ist der wichtigste Teil von dir gestorben, und der Rubin wäre das einzige, das dich noch an sie erinnere. Aber was ist mit mir? Ich bin euer Kind. Ich bin..."

"Still!" Vandegaard verpasste seinem Sohn einen so heftigen Schlag, dass dieser mit blutender Lippe in den Raum flog. "Stellst auch du dich mir in den Weg, Sohn? Aber ich hätte es wissen müssen, dieses Mädchen hat dich verdorben, hat dich umgarnt und..."

"Das reicht! Hören sie auf, mit Hal so zu reden!" Mit tränennassen Augen, und doch wild entschlossen drängte sich nun auch noch Goldherz durch die Menge. Ihr Blick hätte jeden der ein Gewissen besaß wimmernd in die Knie gehen lassen, doch auf Vandegaard machte er keinen Eindruck. Ganz im Gegensatz zu uns allen, die erstarrt dastanden.

"Ich habe gar nicht mit ihm gemacht! Ich liebe ihn, und er liebt mich, und wenn Sie das stört, gehen Sie meinetwegen zum Teufel!"

"Das werde ich sicherlich, aber erst nach dir!" Blitzschnell hatte Vandegaard sich Goldherz geschnappt und hielt ihr ein Messer an die Kehle, das er unter seinen Sachen hervorholte. "Und jetzt macht, was ich sage!"

Ich sah, wie Keel still vor sich hin fluchte. Normalerweise hätte er Goldherz aufgehalten, aber ihr plötzliches Auftauchen hatte ihn nach Vandegaards Verhalten seinem Sohn gegenüber zu sehr überrascht. Tränen stiegen mir in die Augen. Sollte jetzt alles umsonst gewesen sein? Was würde mit den Menschen hier passieren? Würde ich Van nicht helfen können? Aber ich musste doch! Er konnte doch nicht...

"Hitomi!"

Ich riss erstaunt die Augen auf. "Großmutter?"

"Vertrau dir Hitomi, du hast die Kraft..." Ihre Stimme wurde leiser und verschwand.

"Welche Kraft? Was meinst du? Großmutter!" schrie ich der verschwindenden Stimme nach. "Sehe ich aus wie deine Großmutter, Kind? Nicht ich bin derjenige der fantasiert, sondern du!"

Ich schaute mich erschrocken um. Nicht nur Vandegaard sah mich nun an, auch alle anderen warfen mir verwunderte Blicke zu. Und auf einmal verstand ich. So wie nur ich meine Großmutter gehört hatte, so hörte auch Vandegaard die Verlockungen des Steines.

"Nein, ich fantasiere nicht." Ich wunderte mich selbst über meine feste Stimme, als ich nach vorne trat.

Überrascht wurde mir Platz gemacht.

"Aber ich wundere mich über dich. Du bezeichnest den Rubin als deinen wertvollsten Besitz, dabei hast du etwas, das viel wertvoller ist. Du hast einen Sohn der dich liebt, trotz allem, was du getan hast. Wie kann man nur so kaltherzig sein? Aber ich weiß warum. Deshalb!"

Der Rubin der reinen Seele schimmerte in meiner Hand, und ich wusste, warum er diesen Namen trug. Jemand, der eine reine Seele besaß, konnte ihn benutzen um zu heilen, aber jeder andere fiel seinen Verlockungen zum Opfer. Ich wusste nicht, ob Harlan Vandegaard ein guter Mensch gewesen war, bevor der Rubin in seinen Besitz kam. Hals Worte schienen darauf hin zu weisen. Aber das war egal. Ein Mensch in Trauer hatte sicher nicht die Kraft, der Versuchung des Rubins zu widerstehen.

"Nein Hitomi! Gib ihm nicht den Rubin!"

"Keine Sorge, Goldherz. Ich weiß, was ich tue." Ich hielt Harlan den Edelstein aus zwei Metern Entfernung hin. "Hier. Nimm ihn dir."

Ich sah, wie er zögerte. Dann siegte seine Gier. Er stieß Goldherz zur Seite und grabschte nach dem Rubin. Darauf hatte ich gewartet.
 

Vandegaards Augen weiteten sich, als seine Hände den Rubin berührten. Erst war es Genugtuung, dann Überraschung, und dann Schmerz.

Ich hatte nach seinen Händen gegriffen und hielt sie nun auf dem Rubin. Vandegaard sackte in die Knie. Gleißendes, rotes Licht ging von dem Stein aus, mein Anhänger leuchtete in intensiven Blau, und eine unglaubliche Wärme hüllte mich und Vandegaard ein. Jetzt wusste ich, wie Garm die Welt sah. Ich sah sie jetzt genau wie er. Bunte Muster aus sich ständig verändernden, pulsierenden Energiebahnen stellten Menschen und andere Lebewesen dar. Ich sah eine Fliege an der Wand, der die ganze Aufregung egal war. Eine Mücke bohrte gerade ihren Stachel in den Hals eines der Soldaten vor der Tür. Im Gegensatz dazu eher farblos und unscheinbar erschienen Steine und Holz des Hauses, Mörtel und Metall.

Ich sah den Rubin als dunkelrotes, sich selbst verschlingendes mehrfaches Band von Energie. Ein dünner, blassgelber Faden ging zu mir, ein ähnlicher, aber stärkerer zu Vandegaard. Dieser verband sich mit einem dunklen Fleck in dem Gewirbel, das Harlan Vandegaard darstellte. Diese Verbindung galt es zu durchschneiden. Bloß wie?

Ich erinnerte mich daran, was ich vom Schwertmeister Norenkei, Haruka und Garm gelernt hatte. Mit aller Kraft die ich hatte, packte ich den Strang, lenkte ihn um, und verband ihn mit meinem. Ich wusste, ohne Verbindung würde er sich ein neues Opfer suchen.

Brennendes Verlangen erfasste mich, das Verlangen, den Rubin der reinen Seele zu behalten, ihn zu beschützen vor allen anderen, und ihn niemanden auch nur zu zeigen. Mit aller Gewalt drängte ich dieses Bild beiseite, ersetzte es durch das Vans, den ich heilen würde. Das heftige Verlangen schwand, machte einem dumpfen, untergründig pulsierenden Begehren Platz.

Harlan schrie auf. Er schrie, sackte auf den Boden, schlug mit dem Kinn auf.

Ich wusste, ich hatte keine Zeit zu verlieren. Ich fühlte mich schwach wie nie zuvor, aber ich musste ihm helfen, oder er würde sterben. Auch ich fiel auf die Knie, legte meine Hände auf Harlans Rücken und drängte das Schwarze aus ihm hinaus. Kleine, dunkelblaue Funken tanzten dabei über meine Hände. Dann verband ich seine Energieströme wieder zu dem, was war, bevor diese Schwärze in seinen Körper drang. Die Funken auf meiner Hand verschwanden, dafür leuchteten meine Fingerspitzen in einem prismatischen, wunderschönen Licht, das sich über meine ganzen Hände ausbreitete.

Endlich war es geschafft. Alles war wieder, wie es sein sollte. Nur mein Körper schmerzte überall. Sämtliche Nerven schienen in Flammen zu stehen. In völliger, atemloser Stille hob ich wiederwillig und mit zitternden Händen den Rubin auf, und steckte ihn in die Tasche. Der Rubin, der an allem Schuld war. Aber das war ungerecht. Der Rubin hatte keinen eigenen Willen. Nur undeutlich bemerkte ich, wie ich nach hinten umfiel und Keel mich auffing. In seinem sonst so ruhigen Gesicht stand ein unergründliches Erstaunen, Ehrfurcht und sogar- Angst. Er hatte Angst vor mir.

"Vater!" Hal warf sich auf den scheinbar leblosen Körper und schüttelte ihn verzweifelt.

"Hal!" sagte ich, aber es kam nur ein schwaches Krächzen heraus. Ich versuchte es noch einmal, und es war wieder nicht viel lauter, aber er hörte mich. Fragend schaute er mich an, und auch in seinem Gesicht stand die Angst. Angst vor mir, aber hauptsächlich um seinen Vater.

"Keine Sorge Hal, es geht ihm gut." Die Welt verschwamm vor meinen Augen. "Ich habe ihn geheilt... Auch von dem Rubin... Ich habe es tatsächlich getan." Mein Kopf sank gegen Keels Brust, und die Augenlieder fielen mir zu. "Ich weiß nicht wie, aber ich habe es... getan. Ich habe... ihn.. geheilt." Dann umfing mich wohltuende Dunkelheit, die alle Schmerzen für eine Weile von mir nahm.
 

Ende Kapitel 5



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  hengst
2004-04-15T22:33:54+00:00 16.04.2004 00:33
Morgen LennStar.
Ich muss sagen deine Geschicht ist gut. Nein das war ein Witz. Sie ist sehr gut. Das war auch wieder gelogen.
Sie ist hammersuperdupergenialobombastisch.
Was soll man dazu sagen. Sie ist spannend geschrieb, also mach druck ich will wissen wie es weiter geht.
Ich find die Chars sind noch relativ in ihrer ürsprünglichen Form aber genau weis ich das nich, weißt du wann ich letzte mal die Serie gesehen habe.
Siehts de ich auch nichtmehr.


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