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Memories

von

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When Angels fall

Das warme Wasser prasselte auf seiner Haut nieder und der Dampf breitete sich im ganzen Raum aus. Der Vorschlag von Tomoya, sich unter der Dusche zunächst einmal zu erfrischen, hatte sich als richtig erwiesen, denn zumindest fühlte sich der Blonde etwas aufgeweckter, dennoch brannten seine Augen von den Tränen, die sie kurz vorher im Treppenhaus vergossen hatten. Das Wasser abdrehend, stieg Toru aus der Dusche und warf sich ein Handtuch um, trocknete sich ab und schlüpfte in die Kleidung, die Tomoya ihm bereit gelegt hatte. Toru hatte immer ein paar wenige seiner Klamotten bei seinen Kollegen gelagert, falls er mal ungeplant bei diesen übernachten würde. In die frischen Klamotten gestiegen, rubbelte er mit einem zweiten kleineren Handtuch schließlich noch über seine Haare, bis auch diese zumindest nicht mehr vor Nässe trieften.

 

Wie der Gitarrist ins Wohnzimmer trat, wartete dort schon die von den Bandkollegen bestellte Mahlzeit auf ihn. Wenigstens eine kleine Pizza sollte Toru essen, sonst würde er wegen des Mangelns an Nahrung dem Krankenhaus einen weiteren Besuch abstatten, dessen Grund dafür dann aber nicht Taka war. „Danke.“, war es leise zu vernehmen. „Nicht dafür.“, lächelte Tomoya seinem Freund zu. „Ich hoffe, es geht dir wenigstens ein bisschen besser.“, fügte er noch hinzu. Ein zustimmendes Nicken des Blonden. „Ja.“, antwortete der Yamashita, wischte sich dennoch unterhalb der Augen die leicht angesetzte Feuchtigkeit ab. Er spürte, wie mit jeder Sekunde, die er an Takahiro dachte, weitere Tränen aufstiegen, so müsste er sich jetzt irgendwie ablenken, um dies zu vermeiden.

Ryota klopfte auf den freien Platz der Couch neben sich, gestikulierte somit, dass Toru sich setzen sollte. Der Blonde setzte sich langsam in Bewegung, nahm neben seinem besten Freund Platz und betrachtete für einen Moment lediglich die kleine Pizza in der bereits offenen Verpackung, bevor er doch einen Bissen zu sich nahm. Erleichtert konnten Ryota und Tomoya mit ansehen, wie der Leader ihrer Band seinem Körper nach Tagen wieder etwas Gutes tat.

 

        „In welchem Zustand befindet er sich eigentlich…“, erkundigte sich Tomoya nun vorsichtig kleinlaut. Toru blickte auf, erschauderte innerlich, sowie ihm alles wieder hochkam. Die Pizza zurücklegend, schwieg er einen Moment, wusste nicht, wie und ob er antworten konnte. Allerdings hatten die beiden ein Recht darauf, zu erfahren, wie es um ihren Frontmann stand, doch war Takahiro derjenige, dessen Herz nur für Toru bestimmt war – und umgekehrt. Zumindest war das bis vor kurzem so gewesen. Wie gerne würde Toru weiter in der Vergangenheit leben, wo alles noch so rosig um sie stand, die Beziehung, von der sie glaubten, sie würde für immer sein, und jetzt war sie dahin. Fort. Das alles war wie eine Seifenblase, es war viel zu schön gewesen. Wie in einer Seifenblase hatten sie gelebt, doch dieser Unfall, die Ursache dafür, dass es Taka jetzt so schlecht erging und verantwortlich für seine beraubte Vergangenheit war, war die Nadel gewesen, welche diese wunderschöne, regenbogenschimmernde Seifenblase zum Platzen gebracht und Toru auf den kalten Asphalt der Gegenwart fallen gelassen hatte, während Takahiro wohl seiner einsamen Vergangenheit erliegen würde.

                    

         Stimmte es wirklich? Gab es wirklich kein ‚für immer’? Es war Taka gewesen, der ihn selbst mittels eines Songs  sein Wort gegeben hatte, dass es so etwas wie ‚für immer’ gab und er immer an Torus Seite bleiben würde. Nur Taka war in der Lage all das, wozu Toru oder sonst jemand nicht in der Lage war, in Worte zu fassen, in Songs zu verfassen, die bisher noch jeden berührten und Hoffnung gegeben hatten. Jetzt aber war da diese Mauer, von der Toru nicht sagen konnte, wie stark sie ist, solange er nicht wusste, an wie viel Taka sich wirklich noch erinnern konnte. Irgendwo, auch wenn es nur ein kleiner Funke war, hoffte Toru doch innständig, dass der Lockenkopf sich wenigstens im Entferntesten an ihre Beziehung erinnern konnte, schließlich waren sie so lange glücklich miteinander gewesen und am Ende Verlobt – so etwas könnte doch niemand vergessen?

 

Es verharkte sich ein Gedanke mit dem anderen, sodass immer mehr Erinnerungen hochkamen. Sie waren so erdrückend, sorgten augenblicklich für Schmerzen unter der blonden Pracht. Die Bilder, welche diese unvergesslichen Momente von ihnen zeigten, hingen in beider Wohnungen, würden an eine Zeit erinnern, die vielleicht nie mehr wieder kommen würde.

           

„Toru?“ Eine vor Torus Gesicht winkende Hand rief benannten wieder zurück in die Realität. Ryota sah seinen besten Freund besorgt an, hatte seine Hand auf der Schulter des Älteren abgelegt. „Er wird vermutlich nicht mehr der sein, den wir zum Schluss erlebt haben…“, wisperte Toru, woraufhin sich wieder etwas der salzigen Flüssigkeit aus seinen Augenwinkeln löste und an seinen Wangen hinab rann.  Auch wenn sich seine beiden Freunde nur wage etwas unter dieser Aussage vorstellen konnten, so wollten sie nicht weiter fragen stellen. Ryota lies seine Hand  von der Schulter des Blonden in seinen Nacken gleiten, zog ihn an seine eigene Schulter herunter, um seinen Kopf an den des Gitarristen  zu lehnen.

 

Der kleine Sänger war alles für ihn gewesen und Toru  war alles für Taka gewesen. Die beiden hatten aneinander so viel erlebt, durchgemacht. Toru hatte ihn damals aufgenommen, als er niemanden hatte, hatte ihn wieder aufgepäppelt, ihn gebeten, in seine Band zu kommen. Takahiro hatte mit der Zeit so viel an Selbstbewusstsein gefunden, dass man ihn kaum wiedererkannte. Toru war stolz gewesen. Auf den Lockenkopf, der sich nach langer Zeit wieder etwas zugetraut hatte…

 

            Toru hatte sich noch am selben Abend von seinen Kollegen nach Hause bringen lassen, nachdem sie ihn mit aller Kraft versucht hatten, zu beruhigen. Er war seinen Freunden dankbar, dass sie ihm beistanden, immerhin teilten sie auf einer Ebene dasselbe Leid, doch würde er fürs Erste lieber für sich alleine sein wollen.

Der bislang wütende Sturm bestand inzwischen nur noch aus eiskaltem Regen, der unaufhörlich auf der Stadt niederprasselte. „Wenn du noch irgendwas brauchst, weißt du ja, wo du uns erreichen kannst.“ Toru nickte verständnisvoll, öffnete die Tür der Beifahrerseite und verabschiedete sich vom Drummer, ehe er in Richtung Wohnung tappte - zu seiner Wohnung, in welcher so viele Erinnerungen an den Sänger in Form von einigen eingerahmten Fotos auf ihn warteten.

 

Den dunklen Flur betretend, knipste Toru das Licht an, lies die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Es kam ihm vor, als wäre er eine Ewigkeit nicht hier gewesen. Gerade als er aus seinen Schuhen schlüpfen wollte, fiel ihm die auf dem Boden liegende Zeitung auf, die der Bote durch den für die Post vorgesehenen Schlitz in der Tür geschoben hatte. Auf der Titelseite war die Schlagzeile ganz groß zu lesen. Viel eher sorgte aber das darauf abgedruckte Bild für ein entferntes Dämmern in Torus Hinterkopf, als er die Zeitung aufhob.

 
 

…Der Fahrer kam mit leichten Verletzungen davon, während der Beifahrer zu gegebener Zeit noch im Krankenhaus liegt. Nach bisherigen Informationen soll sein Zustand dennoch stabil sein. Der Unfallverursacher starb noch am Unfallort an…
 

 
 

Die Zeilen, die Toru im Artikel aufgegriffen hatte, brachen sogleich wieder ab. Egal wo, überall wurde er an diesen Tag erinnert. Immer wieder.  Als würde  man ihm die Schuld zuweisen wollen. Aus der Trauer wurde allmählich Wut, sodass die Papiere in seinen Händen unter dem Druck Falten bildeten, bis den Blonden doch die Kraft verlies, er das Knäuel schlapp zu Boden fallen lies. Es brachte nichts. Am liebsten würde er wieder bei Taka sein, an seiner Seite wachen, auf ihn aufpassen und da sein, wenn er die Augen wieder öffnete. Doch es würde ihn wohl nur noch weiter runterziehen, ihn einfach dort liegen zu sehen. Regungslos.

Weiter ins Wohnzimmer schreitend, lies er sich dort auf die weiche Couch fallen. Toru bemerkte, wie sehr der Schlaf, den er seit Tagen nicht gehabt hatte, an ihm zerrte. Er musste nicht weiter darüber nachdenken, war er schon in einen festen Schlaf verfallen. Trotz der Tatsache, dass das Wetter draußen erneut begann zu einem Sturm zu werden und den Wind stetig an die Fensterscheiben peitschen lies, bemerkte der Leader davon nicht das Geringste. Zu sehr hatten ihn die letzten Stunden, Tage den Atem und jede Menge Kraft geraubt. Für ein paar Stunden konnte Toru all dem entfliehen. Vor seinem inneren Auge war alles so dunkel und still, nicht ein Traum hatte sich in seine Gedanken genistet, selbst dafür war der junge Bandleader viel zu erschöpft gewesen.

 

Vom gestrig wütenden Sturm war an diesem Morgen nicht mehr die geringste Spur zu vernehmen. Die Sonne schien grell durch die Lücken der Jalousien, traf in das makellose Gesicht des Blonden, was dazu führte, dass Toru schließlich aufwachte. Die Uhr an der Wand verriet ihm, dass es bereits kurz vor 9 Uhr war. Er hatte ziemlich lange geschlafen, wollte sich gerade nach seinem gelockten Freund umsehen, war immer noch etwas schlaftrunken, bevor ihn sein klarer Verstand erreicht hatte. Was jetzt noch von Takahiro geblieben war, waren die Bilder. Eher zögerlich berappelte sich Toru, schritt langsam herüber ins Schlafzimmer.

Ein Doppelbett, in dem sie aneinander schon so einige Nächte gestohlen haben, jetzt aber war es leer. Kein Taka war da, der ihn liebevoll wecken würde, indem er ihm zärtliche Küsse auf die weiche Haut hauchen würde. Und auch kein Taka, der ihn mit seiner wunderschönen Stimme in den Bann zog, wenn er an einem neuen Song arbeitete.

 

All diese Zeit müsste Toru jetzt verdrängen – zusammen mit Taka. Auch wenn sie nicht allzu viele Bilder gemeinsam hatten, die, Toru damals stolz hier und dort platziert hatte, um jeden Morgen erinnert zu werden, was für ein Glück er hatte – auch wenn es ihm noch so sehr widerstrebte, er würde sie abnehmen. Er würde sie ebenso untergehen lassen, wie den Verlobungsring, den Takahiro erst vor kurzem von ihm bekommen hatte. Toru prägte sich immer wieder ein und dieselbe Lüge in den Kopf; dass er das nur tun würde, um den kleinen Lockenkopf zu schützen, ihn nicht zu verwirren. Doch  viel eher zog er für sich einen Schlussstrich. Indem er auch die in Bild gehaltenen Augenblicke mit Taka abnahm, würde auch für ihn einiges verschwinden. Wie selbstsüchtig, obwohl er es doch mit einem Stechen im Herzen tat. In seinen Augen machte sich erneut dieses verräterische Brennen bemerkbar.

 

Eines nach dem anderen nahm er ab, verstaute es in der Schublade seines Nachttisches. Nur eines lies er auf der Ablage des kleinen Tisches stehen. Ein einziges, auf dem nur Taka zu sehen war, wie er breit grinsend in die Kamera schielte. Toru betrachtete das Foto noch einen Moment gedankenverloren auf dem weichen Bett sitzend, bevor ihn ein lautes Surren aus den Gedanken zog. Sein iPhone vibrierte lautstark in der hinteren Hosentasche – der Blonde hatte es vor lauter Müdigkeit gestern weder geschafft sich umzuziehen, noch sein Smartphone irgendwo abzulegen. Toru befreite das silberne Objekt aus der Tasche, stellte das eingerahmte Bild zurück an seinen Platz, als er den Namen ihres Managers auf dem Bildschirm erkannte.

 
 

„Das Krankenhaus hat sich gemeldet. Taka ist aufgewacht.“
 

 



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