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Kaizoku no Kokoro

Das Herz des Piraten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
"Hoffnung und Kummer"
Seto-Naikai - Seto-Inlandsee, zwischen Shikoku und Honshu, in diesem Binnenmeer liegt neben vielen anderen Inseln auch Oshiba
Naruto - gefährliche Strudel, die aufgrund der Oberfläche des Meeresgrundes und der Strömung entstehen Komplett anzeigen

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Kibo to nayami

Als Chosokabe erwachte, hörte er ein geschäftiges Treiben vor seiner Kajütentür. Doch sein mürrischer Blick galt als erstes dem Patienten auf seinem Futon. Der schien zu zittern. Hastig war er bei ihm, prüfte die Temperatur, die im Gegensatz zu dem Zittern überraschend hoch zu sein schien. Trotzdem legte er seine Decke über die Futondecke und ein frisch ausgewrungenes kaltes Tuch auf die Stirn des Jüngeren. Dann stand er auf, riss die Kajütentür auf und wollte eigentlich sofort losbrüllen, doch der Anblick des Decks verschlug ihm den Atem.

Schnee! Ja, das hatte er ja gestern gesehen, aber dass der Schnee so stark fallen und auch noch liegen bleiben würde hatte er nicht erwartet. Schon gar nicht auf seinem Schiff! Die Temperaturen hier auf der Seto-Naikai und auf der Insel waren für gewöhnlich selbst im Winter sehr mild im Vergleich zum Norden. Schnee blieb jedenfalls nie liegen, wenn er überhaupt auf die Erde fiel. Chosokabe hatte das noch nie gesehen. Das Deck war schneeweiß und ein paar seine Männer schlitterten unbeholfen zur Takelage.

„Was zum-“, setzte er völlig perplex an.

„Es hat die ganze Nacht geschneit. Und es ist kälter als letztes Jahr. Sowas habe ich noch nie erlebt.“, sagte einer der Männer, die mit Katsuragi dafür zu sorgen hatten, dass sie ihren Kurs hielten.

Chosokabe betrachtete verwirrt das schneeweiße Deck. „Sind wir überhaupt noch auf Kurs?“, fragte er.

„Nein, aber wir können nicht weit ab sein, der Wind hat sich gestern recht schnell wieder gelegt. Wenn die Sonne durchkommt, können wir den Kurs neu berechnen.“, war die Antwort.

„Na wunderbar...“, knurrte Chosokabe und fügte noch hinzu: „Hol mir einen von Kishos Assistenten. Er soll warmes Wasser und Tücher mitbringen. Fünf Tücher zum Verbinden, die Binden und Tücher zum Wunden reinigen.“

„Sofort, Aniki.“

Zufrieden verkroch sich Chosokabe wieder in der Kajüte und beobachtete das stetige auf und ab der Brust des Verletzten. Immerhin sah er jetzt deutlich, dass er atmete – dass er lebte. Wenngleich das stetige Atmen dem Jüngeren schwer zu fallen schien. Er musste Fieber haben. Chosokabe tauchte das erstaunlich schnell warm gewordene Tuch wieder in das kalte Wasser und legte es erneut auf die Stirn. Kurze Zeit später kam der Assistent mit dem Wasser und den Tüchern. Mit seiner Hilfe gelang es Chosokabe die Wunden frisch zu verbinden. Mit ihm zusammen ließ er sich auch einen Trick für die Wunde auf dem Rücken einfallen. Damit er nicht die ganze Zeit auf der großen Schnittwunde lag, hatte Chosokabe einfach zwei nicht allzu dicke Rollen an die Wundränder gelegt und der junge Assistent von Kisho verband ihn dann.

Während der Assistent die blutigen Tücher und Binden in eine Schale warf, überlegte Chosokabe, wie er das Fieber senken konnte. Dann erinnerte sich daran, wie seine Mutter bei ihm einmal hohes Fieber gesenkt hatte. Damals hatte sie die ganze Zeit seine Beine in kalte Tücher geschlungen. Er wusste nicht mehr, wie lange es gedauert hatte, bis sein Fieber gesunken war aber lange konnte es nicht gewesen sein. Wobei er sich auch daran erinnerte, dass er damals nur krank war und keine Wunden hatte. Wie sollte das also hier funktionieren? Aber was sollte er anderes tun?

„Hol mir Schnee und Eis hierher.“, sagte er dann und hielt dem Assistenten eine der leeren Schalen hin.

Der sah verdutzt darauf hinab und dann zu Chosokabe. Der Fürst wiederholte seine Bitte und wortlos ging der Assistent das Gewünschte holen und kehrte mit der Schale voll Schnee zurück. Zum Glück hatte der Jüngere mehr Tücher mitgebracht, als sie tatsächlich gebraucht haben. Einige davon hatte Chosokabe beiseite gelegt und nahm ihm die Schale ab.

„War es das dann?“

Chosokabe entließ ihn murrend und überlegte, wie seine Mutter das gemacht hatte. Da die Tücher wohl nicht für beide Beine ausreichen würden, wie er es sich gedacht hatte, legte er den Schnee auf eine Hälfte der Tücher, klappte sie zu und legte je eines davon auf ein Bein. Und hoffte, dass es helfen würde...
 

Stunden später stellte Chosokabe zufrieden fest, dass der Jüngere wieder ruhiger atmete. Das Fieber war wieder gesunken. Er besah sich die Verbände, die sich nach dem Verbandswechsel erneut rosa gefärbt hatten. Es war aber nicht viel und es hatte aufgehört. Ein weiteres gutes Zeichen wie Chosokabe fand. Jetzt konnte es nur besser werden. Von wegen, er überlebt das nicht!

Er stand auf und ging aus der Kajüte. Draußen war der Schnee inzwischen fast geschmolzen und der Himmel war klar. Er ging auf die Brücke zu seinem General Katsuragi am Ruder. „Der Kurs?“, fragte er nur.

„Wir segeln wieder auf Kurs nach Iyo, Aniki.“

„Sehr gut. Was ist mit den Narutos? Haben wir die schon passiert?“

„Ein paar werden noch kommen, nehme ich an. Ich kenne diese Route noch nicht, also kann überall einer auftauchen.“

Chosokabe nickte. Diese Narutos waren wirklich eine Plage, aber man konnte nichts machen. Auf ihrer Route nach Oshiba wussten sie wo sie waren, denn sie kamen immer nur an bestimmten Stellen. Aber so abgetrieben wie sie waren, kannten sie diese Route noch nicht. Sie wussten zwar, wie sie zurück nach Iyo und dann nach Tosa kamen, aber eine unbekannte Route barg eben Gefahren. Besonders hier in der Seto-Naikai. Aber Katsuragi war der Beste und er vertraute ihm.

„Aniki...“

„Hmm?“

„Die ganze Mannschaft spricht schon davon... Wer ist dieser Fremde in deiner Kajüte und was sucht er hier?“, fragte Katsuragi.

Chosokabe wartete einen Moment bevor antwortete. „...Kisho meint, er wäre einer von Moris Leuten. Nur weil er drei unserer Pfeile abbekommen hat... Ich habe keine Ahnung, wohin er gehört... Gesehen habe ich ihn noch nie, aber das heißt ja noch nichts. Und jetzt frag du nicht auch noch, warum er hier ist! Ich weiß nicht, warum!“

Katsuragi runzelte vielsagend die Stirn. „Aber du hast ihn doch hergebracht.“

„Ja... Was weiß ich warum. Ich habe keine Ahnung, warum ich das gemacht habe. Aber vielleicht hat das ja alles einen Sinn. Sagen doch die Mönche immer.“

Katsuragi konnte ein Lachen nicht unterdrücken und Chosokabe stimmte mit ein. Dennoch fragte er sich noch immer, was ihn zu diesem Handeln bewogen hatte. Er legte eine Hand auf Katsuragis Schulter, nickte ihm zu und ging dann zum letzten verbliebenen Schnee, den er mit den Händen einsammelte. Unter Katsuragis fragenden Blicken verschwand er damit in der Kajüte und ließ den Schnee in einen Becher rutschen den er aus der Kommode nahm. Er wartete bis er geschmolzen war und tauchte dann ein sauberes kleines Tuch hinein. Damit betupfte er die gesprungenen Lippen seines Patienten. Er wusste, dass Kisho einmal gesagt hatte, eine Weile ohne Essen auszukommen sei machbar, aber nicht ohne Wasser zu trinken. Er hoffte, dass es auch was brachte.

Während er mit dem Tuch tupfte und nachdachte, berührten seine Finger plötzlich statt des Tuchs die Lippen. Chosokabe hielt inne. Er konnte an nichts denken und wie von selbst strichen seine Finger über die aufgesprungene raue Haut, die durch das Wasser langsam aufweichte. Es war ein eigenartiges Gefühl. Ein wenig kratzig aber irgendwie kribbelte es auch. Warum tat es das? Er hatte selbst auch schon raue Lippen und da hatte es nie gekribbelt, wenn er mit den Fingern darüber gestrichen hatte. Er zog die Hand weg und sah den Fremden an. Das Gesicht wirkte ruhig. Geradezu schön. Schön? Was dachte er denn da? Verwirrt stand er auf. Und wusste nicht, wohin er gehen sollte. Würde er jetzt an Deck gehen, würde man ihn fragen, was los war. Blieb er hier, war er gezwungen, das hübsche Gesicht des Jüngeren anzusehen. Er seufzte. Was hab ich mir da nur eingebrockt... Er atmete tief ein und sah zurück zu dem fremden Soldaten. Doch er wusste nicht, was er denken sollte. Bei seinem Anblick war sein Kopf wie leer gefegt. So war das auch plötzlich auf dem Totenfeld. Hatte sich da etwas anderes als sein Gehirn eingeschaltet? Seufzend setzte er sich wieder. Er konnte nicht denken, wenn er ihn ansah, aber er musste ihn ansehen. Schließlich wollte er Kisho beweisen, dass der Fremde nicht zum Tode verurteilt war, nur weil er verletzt war!
 

Während der Piratenfürst Chosokabe mit seinen Schiffen abgezogen war, hatte Fürst Mori Hiromoto befohlen mit seinem Hauptschiff zurück nach Oshiba-shima zu segeln um ihre Männer auf das Festland zu holen, wo sie begraben werden konnten. Als sie ankamen fiel Schnee und Fürst Mori trieb seine Männer zur Eile an, da der Schneefall immer dichter wurde. So schnell es ging, liefen sie durch die Reihen und trugen einen nach dem anderen die armen Seelen auf das Schiff. Fürst Mori und der dienstälteste Soldat und sein Vasall namens Sano gingen voran. Der Fürst hoffte, seinen Sohn zu finden. Statt tot lieber lebendig, doch das konnte er nicht beeinflussen.

Sano schritt voran, während der Fürst einige Männer nahe am Wasser betrachtete. Und dann sah er die Rüstung. Es war eine der älteren Domarus, wie sie viele Soldaten hatten. Eine von denen, die aus mehreren Einzelteilen selbst zusammengebaut und gebunden war. Er beschleunigte sein Tempo ein wenig. Als er ihn erreicht hatte, ging er in die Knie, die ihm bei der Kälte ungeheuer schmerzten. Er schob den Helm hoch und erschrak. Quer über das Gesicht des Soldaten zog sich eine blutende, aber nicht allzu tiefe Schnittwunde, auf der Wange war eine Verbrennung deutlich zu sehen. Dort musste einer der letzten brennenden Pfeile ihn getroffen haben. Seine Nase jedenfalls war gebrochen, doch das dürfte den armen Jungen wohl kaum noch interessieren. Seine Brust hob und senkte sich nicht mehr und Sano konnte auch keinen Puls mehr spüren, als er am Hals danach suchte. Er öffnete mühselig die Rüstung und fand fast sofort das grüne Seidentuch mit dem Dokument, das mit dem fürstlichen Siegel gebunden war. Dieses Dokument sollte den jungen Herrn Mori als diesen ausweisen. Dann sah Sano erneut in das Gesicht des Toten und begutachtete es einen Moment lang. Er zog die Stirn kraus, während er jeden Zentimeter des Gesichts musterte.

„Mein Fürst!“, rief er und Fürst Mori kam herbei.

Er stürzte neben seinen Vasallen und sank auf die Knie. Sano beobachtete dessen Minenspiel, doch er sah nichts als Trauer. Natürlich, er liebte seinen Sohn. Wenngleich der Ältere, Meister Okimoto, den Vorrang bei der Nachfolge haben würde. Der junge Herr hätte erst nach Meister Okimotos Tod Anspruch auf den Fürstentitel.

„Bringt ihn an Bord... und dann lasst uns heimkehren...“, sagte Fürst Mori mit leiser brüchiger Stimme.

„Aber unsere Männer...“, setzte Sano an.

„Was interessieren mich die anderen?! Ich habe meinen Sohn gefunden und das war alles was ich wollte. Die anderen können wir holen, wenn der Schnee wieder weg ist!“, brüllte der Fürst.

Sano sah die Tränen in den Augen des alten Mannes glitzern und nickte verständnisvoll. Er konnte ihn verstehen. Wer wollte denn schon seinen Sohn verlieren? Er wusste, wie der Fürst sich fühlte. Auch er hatte einen seiner Söhne in einem der zahlreichen Kriege gegen diese Piratenfürsten von Iyo und Tosa verloren.

Gemeinsam mit einem der anderen Soldaten hoben sie den Toten hoch und trugen ihn zum Schiff. Der alte Fürst, der jetzt noch deutlich älter wirkte, trottete mit hängenden Schultern und gebeugtem Haupt hinterher. Während Mori Motonari in den Bauch des Schiffes neben die anderen Toten und das grüne Seidentuch auf seine Brust gelegt wurde, schloss sich Fürst Mori in seiner Kajüte ein.

Sano blieb davor stehen und hörte ein leises Klirren. Er seufzte. Der Fürst goss sich gerade Sake in seinen Porzellanbecher. Seit dem Tod von Motonaris Mutter hatte er das oft getan. Viel zu oft, wie Sano fand. Und es würde noch viel schlimmer werden. Sano ahnte schon, dass der Fürst ihm eine Bürde auferlegen würde, die er lieber dem Fürsten selbst überließe. Aber wenn Fürst Mori vor lauter Trauer in Sake und Einsamkeit versank und Meister Okimoto seinem Ziel, Fürst zu werden, einen Schritt näher kam, würde das unweigerlich an ihm hängen bleiben. Einer musst es übernehmen.

Der Fürst hatte eigens für seine Söhne hübsche Mädchen auf die Burg bringen lassen, die von den älteren Konkubinen unterwiesen wurden und einmal die Söhne heiraten sollten. Für Motonari hatte er ein Mädchen aus den umliegenden Dörfern geholt. Auf der Burg erhielt sie einen neuen Namen: Myokyu. Sie wurde nicht nur ein schönes Mädchen, sondern zwischen ihr und Motonari geschah etwas, was sonst fast nie vorkam. Sie mochte den jungen Herrn und er war ihr auch nicht abgeneigt. Sano kam ein beißender Gedanke. Das zarte Band der beiden ist nun unweigerlich zerrissen...

Seufzend ging er. Denn er würde es ihr sagen müssen. Spätestens morgen würde Fürst Mori ihn darum bitten. Solange wollte er ihr Seelenheil noch nicht angreifen. Es würde sie ohnehin schwer genug treffen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tamanna
2014-12-30T20:58:29+00:00 30.12.2014 21:58
Ui~
Wieder ein schönes Kapitel.
Armer alter Mori. Niemand möchte seinen Sohn tot auf dem Schlachtfeld vorfinden - wobei er ja gar nicht tot ist.
Und was für einen schönen Namen seine Geliebte hatte: Myokyu. Hieß sie wirklich so, oder hast du dir den ausgedacht?
Und warum werden die Ehefrauen von den Konkubinen eingewiesen?

lg TamTam
Antwort von:  Rajani
30.12.2014 22:03
Motonaris Frau hieß tatsächlich Myokyu und ich dachte mir, dass es Sinn macht, die Hofdamen von den Konkubinen einweihen zu lassen. Jedenfalls hab ich das mal so in einem Roman gelesen, glaube ich. Der spielte zwar in China aber das war ja ähnlich glaub ich


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