Zum Inhalt der Seite

Kaizoku no Kokoro

Das Herz des Piraten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
"Blut, Arrak und Kräuter"

Glossar
Arrak - sehr hochprozentiger Alkohol, der damals teilweise als Wundreinigung eingesetzt wurde
Bienenharz - zur Wundbehandlung geeignet, heute nennt man es Propolis - Teebaumöl gab es damals noch nicht, etwas anderes habe ich nicht gefunden
Yu ni kori - alter Name der Onsen-Provinz von Iyo -> "Heißes Wasser" Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Chi, arakku ya habu

Chosokabe hörte, wie die Rüstungsteile auf dem Boden landeten und wie Kisho leise vor sich hin murmelte. Nach ein paar Minuten kam er aus der Kajüte und sah Fürst Chosokabe betreten an.

„Was ist?“, fragte Chosokabe.

„Ich glaube nicht, dass er das überlebt. Er hat viel Blut verloren.“, sagte Kisho.

„Aber er lebt doch noch!“

„Ja sicher tut er das. Die Frage ist, wie lange noch. Oder besser, wie lange überhaupt, wenn ich seine Wunden trotzdem behandle. Was zum Henker liegt Euch an ihm? Das ist ein einfacher Soldat! Wir wissen ja nicht einmal, ob er nicht einer von Moris Leuten ist!“

„Ich weiß selber nicht, warum mir das wichtig ist... Trotzdem wirst du ihn behandeln!“

Kisho schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich kann nicht viel für ihn tun. Ich kann nur versuchen, die Wunden zu reinigen und zu verbinden, aber der Blutverlust wird ihn wohl dahinraffen. Und wenn es das nicht ist, dann eine Wundinfektion! Ich weiß nicht, was ihr Euch davon versprecht...“

„Tu, was du kannst. Und sag mir, was ich tun soll, immerhin hab ich ihn an Bord gebracht. Was auch immer mich dazu bewogen hat...“, meinte Chosokabe.

Kisho seufzte tief, hob kopfschüttelnd die Hände und ließ sie wieder fallen. „Sorgt dafür dass ich warmes Wasser bekomme. Mehrere Schalen, wenn es geht. Und viele saubere Tücher, sie dürfen nicht mit schmutzigen Händen angefasst werden! Meine Kräuter hole ich mir selber!“, sagte er und verschwand.

Chosokabe suchte nach einem Jungen, der keine Waffen, Seile oder Ketten angefasst und saubere Hände hatte. Nach ein paar Sekunden hatten er einen der Neulinge gefunden und ihm befohlen, zu besorgen, wonach Kisho verlangt hatte.

Wieder in der Kajüte warteten sie auf die Tücher und das Wasser, welches nur in Etappen gebracht werden konnte. Chosokabe war dankbar für die warme Kajüte, die einer der Neulinge am Morgen schon aufheizen sollte. Kisho fing derweil an, sich die Wunden genauer anzusehen. Er würde wohl einiges zu tun haben und das für eine so geringe Überlebenschance. Was war nur mit dem Piratenfürsten los? Kisho begutachtete den abgebrochenen Schaft des Pfeils und die Wundumgebung. Kopfschüttelnd wandte er sich der großen Schnittwunde auf der Brust zu. Die Wunde war noch blutig, die Ränder fingen langsam an zu verkrusten. Dann besah er sich die zweite Pfeilverletzung. Der Pfeil war noch komplett mit Schaft und steckte in der linken Schulter. Wenn er richtig sah, dann unter dem Knochen und ganz knapp neben dem Schultergelenk. Im rechten Bein steckte ebenfalls noch ein Pfeil komplett mit Schaft, doch der dürfte die geringsten Probleme verursachen. Er strich sich nachdenklich über den grau gewordenen Bart.

„Aniki. Hilf mir mal. Ich will ihn auf die Seite drehen.“, sagte er.

Chosokabe griff nach dem Arm des Verletzten und Kisho drehte ihn vorsichtig auf die Seite.

„Wunderbar...“, seufzte Kisho sarkastisch.

„Was ist denn?“

„Er hat auf dem Rücken auch eine Wunde. Haltet ihn, dann kümmere ich mich darum als erstes.“, sagte Kisho und holte eine Schale warmes Wasser sowie ein paar Tücher.

Chosokabe hielt ihn fest, während Kisho das erste Tuch ins Wasser tauchte, auswrang und anfing die Wunde abzutupfen. Es dauerte nicht lange, bis das Wasser in der Schale vom Blut rot war. Wieder seufzte Kisho und übernahm den Patienten.

„Holt mir bitte den Arrak. Steht auf der Kommode.“, meinte Kisho und es war deutlich zu hören, dass er sich für das ganze Vorhaben nur wenig Chancen ausrechnete.

Chosokabe stand auf und ging zur Kommode wo eine Flasche mit einer glasklaren Flüssigkeit stand. Er öffnete sie und sofort stieg ihm ein extremer Geruch in die Nase.

„Du willst doch jetzt keinen Alkohol trinken?!“, fauchte er Kisho an, als er ihm die Flasche reichte.

„Natürlich nicht! Auch wenn mir angesichts der Situation durchaus danach wäre... Habt Ihr denn noch nie von Arrak gehört?“

„Nein.“ Chosokabe setzte sich wieder ihm gegenüber und hielt den Verletzten, während Kisho etwas vom Flascheninhalt auf ein Tuch träufelte.

„Arrak ist ein starker Alkohol. Das macht sich ideal um die Wunden zu reinigen. Er kann von Glück reden, dass er bewusstlos ist. Das brennt wahnsinnig.“, erklärte er und tupfte damit die Wunde ab.

Chosokabe rümpfte die Nase. Der Geruch war wirklich unangenehm stark. Dann kam Kisho mit einer zweiten Schale auf seine Seite, stellte sie ab und legte ein sauberes Tuch hinein. Dann zwang er Chosokabe etwas Platz zu machen und setzte sich dicht neben ihn. Mit dem nassen Tuch säuberte er nun auch die Wunde auf der Brust. Die zweite Schale Wasser färbte sich blutrot und als die Wunde endlich sauber war, blutete es trotzdem noch etwas. Kisho träufelte wieder diesen Arrak auf ein weiteres sauberes Tuch und tupfte auch diese Wunde ab. Chosokabe drehe sich weg. Es roch einfach zu stark und das wo er mit Alkohol, speziell mit Sake, eigentlich keine Probleme hatte.

„Haltet ihn auf der Seite. Ich muss den Verband vorbereiten.“, sagte Kisho und ging zu seinem Sammelsurium von Salben und Tinkturen, die er in einem Korb hergebracht hatte. Auf zwei große Tücher strich er eine Flüssigkeit und Chosokabe hörte ihn etwas von Bienenharz murmeln.

„Richtet ihn vorsichtig auf. Ich verbinde ihn jetzt.“, sagte Kisho.

Chosokabe bemühte sich, so vorsichtig wie möglich den Verletzten in eine sitzende Position zu bringen und ihn zu halten.

„Ein bisschen die Arme anheben, sonst komm ich nicht herum und bitte haltet kurz die Tücher.“, bat Kisho und legte auf die beiden Wunden je ein getränktes Tuch.

Chosokabe folgte den Anweisungen und Kisho band die Tücher auf den Verletzungen fest. Dann holte er ein Kissen, dass er auf den Futon legte und gemeinsam ließen sie den Soldaten vorsichtig wieder sinken.

„Nun zu den Pfeilen.“, brummte Kisho und besah sich den Pfeil in der Schulter.

Er tastete drumherum und bewegte den Schaft ein wenig. Dann stand er auf und holte ein paar Holzstäbchen, die vorn wie eine gebogene Schaufel waren.

„Was hast du damit vor?“, fragte Chosokabe irritiert.

„Damit spreize ich die Wunde und versuche die Pfeile herauszuholen. Ihr werdet die Sparren halten müssen.“, erklärte Kisho, dann setzte er die schaufelförmigen Seiten in die Wunde.

Dann bedeutete er dem Fürsten die zwei Stäbchen auf dessen Seite zu halten, während er zwei weitere auf seiner Seite hielt. Chosokabe war sichtlich verwirrt über dieses Vorgehen, hielt aber die dünnen Holzstücken in der Position, wie Kisho sie angelegt hatte. Kisho hingegen nahm den Pfeilschaft und bewegte ihn erneut ein bisschen. Mit einem prüfenden Blick in die Wunde und viel Feingefühl gelang es ihm nach ein paar Minuten den Pfeil aus der Wunde zu ziehen. Grimmig sahen die beiden den Pfeil und die kleine Spitze an.

„Nun wissen wir, dass Ihr einen Feind an Bord gebracht habt. Moris Pfeile sind etwas größer!“, sagte Kisho.

„Das tut jetzt nichts zur Sache!“, knurrte Chosokabe.

Kisho schüttelte den Kopf und tupfte auch diese Wunde mit einem mit Arrak getränkten Tuch ab. Dann nahm er dem Fürsten die Holzstäbchen ab, die er zusammen mit den anderen zweien in eine kleine Schale legte und den Alkohol darüber goss. Während die Stäbchen darin liegen blieben, beträufelte Kisho ein weiteres Tuch mit Bienenharz und band es um die Schulter fest. Nachdem das erledigt war, nahm er die Stäbchen wieder aus dem Alkohol, trocknete sie ab und kam zu Chosokabe hinüber, wo er auch hier die Wundumgebung abtastete, bevor er die Stäbchen erneut zum Einsatz brachte und Chosokabe wiederum zwei davon halten musste. Doch den abgebrochenen Pfeil konnte er nicht so leicht herausmanövrieren. Diesmal dauerte es länger, bis er es endlich geschafft hatte. Grimmig präsentierte er auch diesen Pfeil, dessen Spitze die gleiche war, wie beim ersten Pfeil.

„Ich sag es Euch, dieser Mann ist unser Feind! Er ist besser dran, wenn er das hier nicht überlebt!“

Chosokabe schwieg darauf. Ihm war selbst nicht klar, warum er diesen Mann überhaupt aus dem Schlachtfeld getragen hatte. Warum war er überhaupt zwischen den Toten entlanggegangen? Weil er plötzlich Gewissensbisse bekommen hatte? Und warum hatte er ihn dann mitgenommen? Weil er noch lebte? Er hätte ihn auch dort liegen und sterben lassen können.

Kisho hatte inzwischen die Wunde verbunden und wandte sich nun dem letzten Pfeil zu. Auf die gleiche Weise wie zuvor entfernte er auch diesen und verband die Stelle. Mürrisch betrachtete er das Fläschen mit dem Bienenharz und packte dann die unbenutzten Utensilien wieder ein und die Holzstäbchen in eine neue Schale mit Alkohol. Dann drehte er sich zum Fürsten um.

„Prüft bitte die Temperatur.“, bat er.

„Wie mache ich das?“, fragte Chosokabe, aus seinen Gedanken gerissen.

Kisho sah ihn prüfend an. Woher sollte der Fürst das auch wissen, wenn er sowas noch nie gemacht hatte.

„Legt Eure Hand oder das Handgelenk auf seine Stirn. Besser wäre jedoch, wenn Ihr die Temperatur mit Eurer eigenen Stirn messt. Wenn seine der Euren gleicht, ist alles in Ordnung, ist sie höher sinken seine Überlebenschancen noch weiter.“

Chosokabe sah den Verletzten an, dann beugte er sich langsam vor und legte seine Stirn gegen die des Fremden. Sie war wärmer als seine, wie er Kisho betreten mitteilte.

Kisho nickte nachdenklich. „Er wird es wohl nicht überleben... Ich glaube nicht daran.“

Der Fürst erhob sich wieder und sah ihn fest an.

„Unter diesen Umständen kann ich nicht glauben, dass er das überleben sollte!! Aber wenn Ihr unbedingt Eure Energie für einen halb Toten aufwenden wollt, dann wechselt täglich die Verbände, reinigt die Wunden, lagert ihn und achtet auf das Fieber!!“, bellte Kisho ärgerlich und wandte sich grummelnd seinem Arzneikorb zu.

„Kisho...“, setzte Chosokabe an.

„Was ist, mein Fürst?“, knurrte der Arzt.

„Was für Zeug soll ich auf die Verbände machen?“, fragte der Fürst.

Kisho seufzte verärgert. Dieser störrische Fürst meinte das tatsächlich ernst! „Bienenharz. Das Problem ist nur, dass es fast leer ist. Ich werde wohl mit einem Eurer Expeditionsschiffe aufbrechen müssen, um Neues zu besorgen. Die sind schneller in Yu ni kori als dieses riesige schwerfällige Schiff. Bis dahin lasse ich Euch den Arrak und den Kamillensud hier. Verwendet den Arrak nur solange er bewusstlos ist! Sollte er entgegen meiner Erwartung doch aufwachen, nehmt bloß nicht den Arrak! Ich habe einmal erlebt, was dabei passiert! Sobald er bei Bewusstsein sein sollte, spült die Wunden nur noch mit dem Kamillensud! Ich lasse Euch auch noch Eukalyptus hier. Verbrennt ihn hier damit der Duft im Raum ist.“

Chosokabe war aufgesprungen. „Wie bitte? Du willst auf ein Expeditionsschiff? Du kannst nicht einfach gehen, du bist der Schiffsarzt!“

„Ich brauche aber neues Bienenharz. Und was Ihr zu tun habt, habe ich Euch gesagt. Und ich habe auch gesagt, dass ich nicht an sein Überleben glaube. Spielt es da also noch eine Rolle ob ich hier bin oder nicht, wenn Ihr ihn sowieso spätestens übermorgen über Bord werft?“, sagte Kisho ernst und düster.

Chosokabe warf einen Blick auf den Fremden. Warum mache ich das...? Werde ich plötzlich sentimental? Er seufzte. Er wusste nicht, was er glauben sollte. Konnte der Fremde es schaffen oder würde er wirklich innerhalb der nächsten Tage, vielleicht sogar Stunden, an den Verletzungen sterben? Dann hätte er ihn umsonst aus dem Feld der Toten getragen, wenn seine Bemühungen keine Früchte tragen sollten. Er wollte es dennoch versuchen, wenngleich er sich noch immer nicht erklären konnte, warum er das überhaupt getan hatte.

„Fahre. Besorge dieses Harz. Ich werde mich schon um ihn kümmern.“, erwiderte Chosokabe mit der gleichen Ernsthaftigkeit, wie Kisho über den bevorstehenden Tod des jungen Soldaten gesprochen hatte.

Der Arzt nickte und versprach ihm, dass er einen der Landratten, einen Neuling, mit kaltem Wasser und Tüchern schicken würde, damit der Fürst das Fieber senken konnte. Stolpernd ging Kisho hinaus und Chosokabe verstaute rasch die beiden Flaschen so, dass sie nicht umfallen und zerbrechen konnten. Das Schiff hatte angefangen zu schwanken, also hatte der Seegang wohl zugenommen. Er hatte das schon geahnt, denn der Schnee fiel aus dicken schweren Wolken herab die eindeutig einen Sturm versprochen hatten. So würden sie Yu ni kori allerdings nicht in einigen Stunden erreichen. Auf diese Weise konnten sie die Segel nicht hissen und sie würden wohl auch vom Kurs abkommen. Sie würden diesmal wohl ein paar Tage brauchen, wenn sie die Segel nicht schleifen wollten. Kisho allerdings würde sich trotzdem noch auf eines seiner Expeditionsschiffe übersetzen lassen können. So stark war der Seegang dann doch noch nicht.

Chosokabe setzte sich neben den Verletzten und nahm ein paar Minuten darauf eine Schale kaltes Wasser mit einem Tuch darin von einem der Neulinge entgegen. Während dieser stolpernd die Kajüte verließ, saß der Fürst völlig unbeeindruckt neben dem Futon. Als die Tür geschlossen war, stand er auf und ging zu einem kleinen Schrank. Erst jetzt erlaubte er sich, das Zittern zuzulassen. Er hatte bis jetzt noch die nasse kalte Kleidung getragen. Er streifte sie endlich ab und zog einen dicken Wollkimono aus dem Schrank und eine Decke. In den Kimono gehüllt und die Decke über den Füßen ließ er sich wieder neben dem Futon sinken und betrachtete den Mann darauf. Er hatte nackenlanges Haar, das im Licht der Laterne bräunlich schimmerte. Sein Gesicht zeugte davon, dass er noch recht jung war, aber anscheinend aus gutem Hause stammen musste. Chosokabe konnte keine Narben oder rauhe Stellen erkennen. Die Rüstung, die inzwischen in Einzelteilen in einer Ecke der Kajüte lag, gab tatsächlich keinen Aufschluss darüber ob er nun Freund oder Feind war. Sicher, die Pfeile, die in seinem Körper gesteckt hatten, waren die von Chosokabes Bogenschützen, doch wer sagte ihm, dass sie nicht auch ihre eigenen Leute getroffen hatten. Auch von seinen Männern wurden welche von den Assistenten Kishos wegen Pfeilverletzungen behandelt und manche hatten die eigenen Pfeile abbekommen. Bei dem Durcheinander auf dem Schlachtfeld war das auch kein Wunder. Auch Chosokabe war einigen Pfeilen entgangen.

Sein Blick ging zurück zu dem Fremden. Dann legte er die Decke zu dem Futon über ihn, wrang das Tuch aus und legte es ihm auf die Stirn. Sie fühlte sich warm an, wärmer als seine eigene, aber nicht zu warm. Vielleicht hatte er gar kein Fieber, sondern Chosokabe war einfach nur unterkühlt. Was es auch war, Chosokabe wechselte noch ein paar Mal das Tuch, bevor er das Licht löschte, sich gegen die Wand lehnte und letztendlich einschlief.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tamanna
2014-12-30T20:47:28+00:00 30.12.2014 21:47
Juhu~
Endlich komme ich mal zum Weiterlesen ^^
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich jedes Mal beeindruckt bin, wie detailliert du solche Behandlungen beschreiben kannst. Das kommt mir immer so vor, als wäre ich dabei :)
Ich hätte dafür wirklich keinen Nerv...
Ich ziehe meinen (nicht vorhandenen) Hut vor dir! ;)
lg TamTam


Zurück