Zum Inhalt der Seite

Memori3s

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Krieger

Es klopfte an seiner Tür und als wenn er aus einem Traum erwachte, sah Zeus von seinen Notizen auf und brauchte ein paar Augenblicke, um sich wieder zu orientieren.

Wie lange saß er eigentlich heute schon in seinem Büro? Um das letzte bisschen Unklarheit aus seinem Kopf zu verdrängen, massierte er sich mit den Zeigefingern die Schläfen und rief ein vernehmliches „Herein“, auf das sofort die Tür in seinem Rücken geöffnet wurde. Fast beiläufig schloss er die Schublade, in der er seine Tapes aufbewahrte und drehte sich zu seinen Besuchern um.

Alle drei Gesichter, in die er jetzt abwechselnd blickte, kannte er- die einen mehr, das andere weniger gut, sodass er zuerst erstaunt war, letzteres hier zu sehen. Linus wurde von zwei Mitgliedern Olymps flankiert, die ihm vermutlich keinen Schritt bis hierher von der Seite gewichen waren. Der Junge sah fürchterlich aus; zu den etlichen sichtbaren Verletzungen, die er schon am Vortag besessen hatte, hatten sich noch Schürfwunden im Gesicht, rote, vermutlich verweinte Augen und ein Ausdruck dazugesellt, den Zeus gehofft hatte, nie bei dem jungen Mann erblicken zu müssen: eine Mischung aus Trauer, Verzweiflung, Hass und beginnende Mordlust brachten sein helles Irispaar in dem ansonsten emotionslosen Gesicht gefährlich zum Leuchten.

Zeus nickte kurz dem glatzköpfigen Mann rechts von Linus zu.

„Danke, dass du ihn hierher gebracht hast.“, begann er und schenkte auch dem anderen Mann, der eine silberne Beretta in der Linken hielt, ein dankbares Nicken, das dieser allerdings keinesfalls erwiderte oder sonst auf irgendeine Weise andeutete, dass er Zeus` Geste zur Kenntnis genommen hat. Er störte sich nicht weiter daran- D war ihm, wenn man es genau nahm, nicht untergestellt, also brauchte Zeus auch keine Reaktion seitens Hades` Scharfschützen erwarten oder gar verlangen…

„Lasst mich mit ihm allein.“, schloss Zeus und die beiden Männer folgten schweigend seiner Anweisung. Linus blieb im Türrahmen stehen und sah Zeus unverändert weiterhin an. Der Ältere ahnte schlimmes und somit holte er tief und leise Luft, ehe er aufstand und hinter Linus die Tür schloss.

„Darf ich fragen, was passiert ist?“, fragte Zeus ruhig und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, doch der Jüngere antwortete ihm nicht. Stattdessen rührte sich Linus endlich und trat ein paar Schritte auf Zeus zu.

„Ich will, dass Sie mir mein Gedächtnis löschen…“, sagte er heiser.

„Hast du dir das gut überlegt?“, entgegnete der Mann nach ein paar Sekunden und Linus nickte augenblicklich.

„Ich will alles vergessen.“, antwortete er entschlossen, dass Zeus keinen Moment an seiner Entscheidung zweifeln konnte. Der Mann nickte ihm zu, deutete auf einen zweiten Stuhl und diesmal folgte Linus der Aufforderung ohne zu zögern.

Schweigend öffnete Zeus die kleine Schublade wieder und fischte nach seinem Diktiergerät. Mit gerunzelter Stirn verfolgte Linus jede seiner Bewegungen und sein Blick wurde noch ungläubiger, als er sah, wie Zeus eine neue Kassette in das altmodische Gerät steckte und zwischen den beiden auf den Tisch stellte.

„Was soll das werden?“, fragte Linus misstrauisch und ließ den Kasten nicht aus den Augen.

„Das mache ich mit jedem, der hier Mitglied werden möchte…“, entgegnete der Ältere ruhig und drückte einen der kleinen Knöpfe an dem Diktiergerät.
 

Das bekannte Rauschen ertönte und für Sekunden durchbrach es die drückende Stille in seinem Gefängnis, bis eine hellere Jungenstimme fragte: „Und was soll der Scheiß jetzt?“

Er klang misstrauisch und gereizt, als hielte man ihm etwas unter die Nase, was er zuvor noch nie gesehen hatte. Taro überlegte sich kurz, wie alt der Sprecher wohl gewesen sein musste, kam aber auf keine Antwort.

„Wie ist dein Name?“, ertönte auf einmal die dunklere Stimme des Unbekannten.

„Das wissen Sie doch…“, erwiderte die andere Stimme verwirrt. Niemand antwortete ihm und nach ein paar Augenblicken hörte er den Jüngeren genervt seufzen. „Linus Hoffman…“

„Linus, warum willst du ein Mitglied von Olymp werden?“, fragte der andere weiter und in seiner Stimme schwang Zufriedenheit mit, dass Taro sich sicher war, dass der Unbekannte in diesem Moment ein unverschämtes Lächeln auf den Lippen gehabt haben musste.

„Ich will, dass Sie mir mein Gedächtnis löschen.“ Der Junge klang sehr ungeduldig- vermutlich hatte er diese Bitte schon öfters geäußert. Ungläubig schüttelte Taro den Kopf. Es entzog sich immer noch seinem Verständnis, wie jemand so eine Entscheidung treffen konnte…

„Warum?“

Wieder wurde es still, bis dieser Linus nun bissig antwortete: „Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich darüber nicht reden will.“

„Tut mir leid, aber da wirst du wohl durch müssen…“ Der Jüngere schwieg und so fügte der Unbekannte aufmunternd hinzu: „Du wirst dich sowieso nicht mehr daran erinnern können- wo liegt also das Problem, mir kurz zu erläutern, was passiert ist?“

Eine längere Pause. Dann holte jemand tief Luft.

„Sie haben meine Mutter getötet…“ Die Stimme klang ungewöhnlich monoton und leblos, sodass es Taro zuerst schwer fiel, sie genau zuzuordnen. In den Sekunden der Stille, die auf die Worte folgten, wurde ihm klar, dass tatsächlich Linus gesprochen hatte. Sein Herz begann schneller zu schlagen.

„…wen meinst du mit ‚Sie’?“

„Dragans Männer- vielleicht auch Dragan selber, ich weiß es nicht.“ Bei dem Klang des Namens horchte Taro interessiert auf. In seiner Jugend war dieser ausländische Name öfters im Radio gefallen oder er hatte ein paar Spalten der lokalen Zeitungen geziert.

Dragan- ein mächtiger Geschäftsmann und Sponsor, bei dem sich jede größere Firma Geld geliehen und der, Gerüchten zufolge, eine wichtige Rolle in den Drogenzirkeln der Unterwelt gespielt hatte… vor vielen Jahren war er eine Berühmtheit in bestimmten Kreisen gewesen. Ob dieser Linus für ihn gearbeitet hat?

„Erzähl mir davon.“, durchbrach die dunklere Stimme seine Gedanken.

„Ich will nicht…“, murmelte Linus so dünn und leise, dass er Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen.

„Bitte.“, erwiderte der andere im behutsamen Tonfall. Zwei, drei tiefe Atemzüge waren zu hören, dann erklang wieder Linus Stimme, die schlagartig brüchig geworden ist.

„Sie haben sie in unserer Wohnung erschossen… in der Küche“, begann er zittrig und schluckte laut. Taro hörte, wie sich der Junge um Beherrschung bemühte- ob er zornig oder den Tränen nah war, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. „Man hat ihr in den Kopf geschossen und… und in den Bauch und-“ Er brach ab, sammelte sich wieder. Mitleid für den Jungen flammte in Taro auf.

„Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe oder wenn ich an nichts denke, seh ich meine Mum auf unserem Küchenboden liegen und… ihre Augen, sie- sie starren mich an. Sie hatte Angst… ihr ganzes Gesicht war von Angst zerfressen und entstellt.“ Wieder eine Pause, in der Taro jemanden geräuschvoll die Nase hochziehen hörte. Dann erklang für endlos lange Sekunden nur wieder das Rauschen. Als Linus weitersprach, hatte seine Stimme ein wenig mehr Festigkeit erhalten.

„Ich will diesen Tag heute nur noch vergessen… ich habe Angst davor, mich schlafen zu legen und diesen Moment noch einmal durchleben zu müssen.“

„… ist das das Einzige, was du vergessen willst?“

„Spielen Sie wieder auf meine Vergangenheit als Dealer und Stricher an?“, fragte Linus bissig, doch der Unbekannte schwieg dazu, also fuhr der Junge zischend weiter fort: „Haben Sie schon einmal einen geliebten Menschen tot aufgefunden und wussten, dass Sie selbst an seinem Tod schuld sind?“

Die Worte durchstießen Taros Körper und als seien sie an ihn gerichtet, schluckte er hart und schüttelte den Kopf. Linus` Stimme hatte etwas wütendes, anklagendes erhalten, das Taro schuldbewusst den Blick senken ließ. Der Unbekannte schwieg immer noch.

„Ich würde mit hunderten von Leuten schlafen, wenn ich dadurch diese Erinnerung verlieren könnte…“, flüsterte Linus abschließend und Taros Hände fingen bei dem Tonfall des Jungen zu zittern an.

„Ich kann dich gut verstehen.“, räumte der Ältere ein und Taros Blick wanderte ungewollt zu dem, was noch von Hitomis Kassette übrig war. „Gut, ich werde dir dein Gedächtnis nehmen und dich bei Olymp aufnehmen.“, durchbrach der Fremde seine Gedanken mit fester Stimme. „Du weißt, was das bedeutet?“

„Ja.“

„Dir ist bewusst, was Olymp tut und was du in Zukunft tun wirst?“

„…ja.“

Taro hatte dem Gespräch so innig und konzentriert gelauscht, dass der abschließende Klick- Laut des Diktiergerätes ihn erschrocken zusammenzucken ließ.
 

Zeus` Finger verweilte noch einen Moment lang auf der STOP- Taste und er sah Linus tief in die blauen Augen. Das verweinte Rot verblasste langsam und ließen die Wut und die Entschlossenheit noch stärker leuchten. Verächtlich sah der Jüngere auf das schwarze Diktiergerät hinab.

„War das jetzt wirklich notwendig gewesen?“

„Das war es, ja.“, erwiderte Zeus, nahm die Kassette raus und legte sie in die Schublade. Linus ließ sie keine Sekunde aus den Augen.

„Und was machen Sie jetzt damit?“

Zeus lächelte beschwichtigend. „Keine Angst, das wird kein Dritter zu Gesicht bekommen. Die Kassetten sind meine private Angelegenheit, die keinen etwas angeht.“ Er erhob sich und machte eine Handbewegung zur Tür. „Komm. Ich will dir noch jemanden vorstellen, bevor es losgeht.“

Zeus führte den Blonden durch die eintönigen Gänge von Olymp und warf immer mal wieder einen Blick über die Schulter. Linus ging einen halben Meter hinter ihm und mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen schaute er sich genau um. Niemand kam ihnen entgegen. Der Gang, den sie hinabgingen, gehörte zum Verwaltungstrakt, den nur bestimmte Mitglieder betreten durften, da hier die neuen Anwärter für Olymp entlang geführt wurden, die noch ihre alte Identität besaßen- es begegneten sich hier also zwei Welten, für die jedes Treffen ein Risiko darstellte, sodass für die meisten Männer dieser Bereich der unterirdischen Stadt verboten war.

Nach kurzer Zeit, in der sie schweigend hintereinander hergegangen waren, blieb Zeus vor einer Tür stehen und zog diese, ohne anzuklopfen, auf.

Ein Mann mit braunem Haar, der an einem weiteren Schreibtisch saß, hob den Kopf und nickte seinen Besuchern knapp zu. Er schien nicht besonders verwundert über Zeus` plötzliches Erscheinen zu sein- zu Linus` Verwirrung erkannte er sogar eine gewisse Neugier in dem Gesicht des Braunhaarigen, als habe er schon auf Zeus und ihn gewartet.

„Das ist Hades, mein Partner.“, stellte Zeus den Mann vor, der sich in diesem Moment erhob. „Wir leiten Olymp gemeinsam, er wird also genauso dein Vorgesetzter sein, wie ich.“

Hades nickte Linus stumm zu, was dieser zögernd erwiderte. Irgendetwas an seinem Blick ließ den Blonden innerlich zusammenzucken.

„Sind alle Formalitäten geklärt?“, fragte Hades dann an Zeus gewandt. Die Stimme des Mannes war überraschend hoch und wollte nicht so recht zu der breitschultrigen Statur ihres Besitzers passen, dennoch stand sie, was die Autorität anging, der von Zeus in keiner Weise etwas nach. Zeus beantwortete Hades` Frage mit einem kurzem Nicken.

„Gut, dann können wir ja zur Tat schreiten.“, beendete der Braunhaarige das Gespräch. Ein letztes Mal sah er Linus musternd an, der diesmal nur schwer dem Drang widerstehen konnte, wegzusehen, dann drehte der Mann sich zu seinem Schreibtisch um, langte nach einem Schlüssel und setzte sich an die Spitze der kleinen Gruppe, die sich kurz darauf wieder schweigend durch die endlos scheinenden Gänge bewegte.

Erneut hielten sie vor einer weiß gestrichenen Tür, die Hades mit dem kleinen Schlüssel aus seinem Büro öffnete und die zu einem kleinen Raum führte, der wie eine Schaltzentrale aussah. Eine weitere Tür dahinter führte in einen größeren Abschnitt, in dessen Mitte eine Art elektrischer Stuhl stand, den Zeus als ‚Memoria’ betitelte. Abwechselnd erklärten die beiden Männer mit wenigen Worten, wie diese Maschine funktionierte und was nun mit Linus passieren würde und ehe er weiter darüber nachdenken konnte, betraten zwei weitere Männer in weißen Arztkitteln den Raum, die ihm Bandagen anlegten und seine Vitalwerte mit kurzen Handgriffen überprüften. Man bat ihn, auf dem Stuhl -diesem Memoriading- Platz zu nehmen und einer der Ärzte legte mit routinierten Griffen einen Zugang an seinem rechten Unterarm. Je länger diese Prozedur dauerte, desto mehr stieg ihm ein unbehagliches Gefühl im Magen hoch. Zeus und Hades hatten ihm detailliert geschildert, was passieren würde, dennoch begannen seine Hände nervös zu zittern- oder vielleicht genau deswegen?

Nach zehn Minuten verließen die Ärzte den Raum wieder, gefolgt von Hades, sodass nur noch Zeus vor ihm stand und ihn schweigend ansah. Der Blick des Mannes war ungewöhnlich ernst geworden.

„Für einen Rückzieher ist es nun zu spät…“, sagte er leise, woraufhin Linus kurz nickte.

„Das weiß ich“, entgegnete er ruhig. „Ich bin mir seit dem Moment, als ich dieses Parkhaus betreten habe, über meine Entscheidung im Klaren gewesen…“

Ein Lächeln erschien wieder auf den nahezu faltenlosen Zügen des Älteren. „Ich werde da sein, wenn du aufwachst.“

„…werde ich wissen, dass mir mein Gedächtnis gelöscht wurde?“

„Nein.“

Linus schaute einen Moment lang nachdenklich zu Boden, dann sah er wieder zu Zeus auf, hob die Schultern und grinste breit, dass die Elektroden, die an seinen Schläfen auf die Haut geklebt worden waren, unangenehm zogen. „Ist wohl besser so, richtig?“, lachte er.

Zeus erwiderte das Grinsen und nickte. „Richtig.“ Dann drehte er sich zum Gehen.

„Darf ich Sie um etwas bitten?“

Zeus blieb stehen und schaute über die Schulter zurück zu Linus. Der Blonde saß dort auf Memoria, mit festgeschnallten Armen und Fußgelenken, verkabelt mit Elektroden und Geräten, die seine Vitalwerte ständig überprüften. Zeus hatte schon viele Leute so dort sitzen gesehen; die verschiedensten Männer mit unterschiedlichem Aussehen und Alter, aber sie hatten alle einen ähnlichen Ausdruck in den Augen gehabt: die meisten waren erleichtert gewesen, einige hatten ihm verängstigt hinterher gesehen und ein paar hatten ihre Verzweiflung, aus der sie zu ihm oder Hades gekommen waren, immer noch nicht ganz abgelegt, obwohl alle wussten, dass die Qualen ihres alten Lebens nun vorbei sein würden. Doch es war das erste Mal, dass Zeus in den Augen vom jemandem so einen entschlossenen Ausdruck sah- keine Erleichterung, keine Angst, selbst von der Trauer, die vor einer halben Stunde noch dort gewesen war, als Linus ihm von dem Tod seiner Mutter erzählt hatte, war kaum eine Spur mehr zu sehen. Zeus drehte sich ganz zu ihm um und sah ihn fragend an. Ohne auf eine Aufforderung zu warten, fuhr Linus weiter fort.

„Ich will Dragan töten.“

Zuerst glaubte Zeus, sich verhört zu haben und tatsächlich entglitten ihm kurzzeitig die Gesichtszüge, doch dann fing er sich wieder und sah den Jungen aufrichtig mitleidig an.

„Das wird deine Mutter auch nicht wieder lebendig machen, Linus.“

„Sagt mir derjenige, der für Geld andauernd Menschen umbringt.“, konterte der Blonde spitz und der Kommentar ließ Zeus schmunzeln. Der Junge schien nicht auf den Mund gefallen zu sein und das gefiel ihm. Es schien eine gute Entscheidung gewesen zu sein, genau ihn auszusuchen.

„Ich töte, um die Rache von anderen Menschen zu befriedigen, nicht meine eigene.“

„Bin ich denn kein anderer Mensch?“

Zeus schwieg und ließ die Frage unbeantwortet.

„Ich will dieses Schwein tot sehen, Zeus“, fuhr Linus ernst fort. „Egal, was es kostet.“

Ares ist ein Krieger- im Gegensatz zu Ihrem Blitze schleudernden Thronhengst. Er würde Zeus mächtig in den Arsch treten, schossen die Worte des Jüngeren auf einmal Zeus durch den Kopf und ließen ihn erneut lächeln. Linus schien tatsächlich ein Krieger mit einem unbeugsamen Willen zu sein.

„Ich kann es dir nicht versprechen, aber ich werde mich bemühen, deine Bitte zu erfüllen.“, sagte Zeus und ging die restlichen Stufen zu dem Vorraum hinauf. Der Mann konnte es nicht sehen, aber nun lag tatsächlich eine gewisse Erleichterung in Linus` Zügen; allerdings nur kurz, denn nach wenigen Augenblicken hörte er jemanden durch die Lautsprecheranlage sagen, dass Memoria nun gestartet werde und plötzlich fühlte Linus nur noch Schmerz.

Er wusste nicht, wie es sich anfühlte, von einem Blitz getroffen zu werden, doch er war sich sicher, dass dieses Gefühl, das er für den Bruchteil einer Sekunde verspürte, ehe die Welt um ihn herum Schwarz wurde, einem Blitzschlag ziemlich nah kommen müsste…
 

Das erste, was er bewusst wahrnahm, war ein penetrantes Piepsen, das in regelmäßigen Abständen in seinen Ohren klingelte. Dann begann er wieder seinen Körper zu spüren, jeden einzelnen Knochen, jeden schmerzenden Muskel und es fühlte sich an, als sei er vor einen fahrenden Laster gelaufen und überrollt worden. Stöhnend wollte er sich an den vor Schmerz pulsierenden Kopf fassen, als er auf einmal ein brennendes Ziehen an seinem Arm spürte, das ihn erschrocken die Augen aufschlagen ließ. Zuerst sah er nur grelles, weißes Licht, das ihn blendete, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten und er mehr erkannte.

Er lag in einem weiß gestrichenen Zimmer ohne Fenster- genauer in einem Krankenbett mit hochgeklappten Gittern, die verhinderten, dass er im Schlaf aus dem Bett fiel. Um ihn herum standen Geräte, von denen auch das Piepsen ausging, und nach einem Blick auf seinen rechten Arm, sah er auch den Grund für das Brennen; man hatte ihm eine Kanüle am Handrücken gesetzt, die ihn mit einem Tropf verband, in dem sich eine klare Flüssigkeit befand. Da er seine Rechte dadurch nur eingeschränkt nutzen konnte, hob er deshalb den linken Arm und tastete nach seinem Kopf, der zunehmend unerträglich hämmerte. Er spürte einen dicken Verband, der mehrmals um seinen ganzen Kopf gewickelt worden war.

…war er irgendwo aufgeschlagen? Hatte er etwas gegen den Kopf gekriegt?

Er versuchte sich zu erinnern, kam jedoch zu keiner Lösung, da in diesem Moment die Zimmertür geöffnet wurde und ein blasser Mann mit schwarzen Haaren und einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen eintrat. Zeus, schoss es ihm durch den geschundenen Kopf.

„Ein Glück, du bist endlich aufgewacht.“, begrüßte Zeus ihn, langte nach einem Stuhl und setzte sich an sein Bett. „Wie fühlst du dich?“

Er zuckte mit den Schultern und versuchte sich aufzurichten. Zeus kam ihm kurzerhand zu Hilfe und rückte ihm sein Kissen im Rücken zurecht.

„Mein Kopf tut höllisch weh.“, flüsterte er heiser und räusperte sich. Sein Mund war trocken und sein Hals kratzte, als habe er stundenlang geschrien. Zeus lächelte neben ihm und zuckte hilflos mit den Schultern.

„Kein Wunder, du hast auch ordentlich was abbekommen.“

Er blinzelte. „Was ist denn überhaupt passiert?“

„Weißt du das nicht mehr?“, fragte Zeus und hob verwundert die Augenbrauen. Er schüttelte vorsichtig den Kopf und der Mann seufzte. „Du bist über die alte Brüstung auf der dritten Etage des Parkhauses gefallen- die, die so verrostet ist, erinnerst du dich? Tja, du hast dich zu stark dagegen gelehnt, dann haben sich die Stangen gelöst und du bist ein Stockwerk tiefer gefallen. Hast verdammt viel Glück gehabt, Junge.“, schloss Zeus und sah ihm besorgt in die Augen, dass ihm warm im Gesicht wurde und er verlegen auf die Decke vor sich schaute. „Was wolltest du eigentlich dort oben?“, fügte Zeus stirnrunzelnd hinzu. Er schaute dem Mann nachdenklich ins Gesicht und versuchte sich zu erinnern.

Das Parkhaus? –natürlich, Zeus meinte den Sitz von Olymp… die Organisation, die er sich angeschlossen hatte. Aber Olymp lag doch unterirdisch, was hatte er also auf einem der Parkdecks gewollt? Er dachte ein paar Sekunden angestrengt nach, doch dann schüttelte er frustriert den Kopf.

„Ich weiß es nicht…“, entschuldigte er sich und zuckte mit den Schultern. Wieder seufzte Zeus, doch diesmal klang es mehr belustigt.

„Aber du weißt noch, wer du bist, oder?“

Die Frage ließ ihn erstarren. Wusste er, wer er war? Verzweifelt durchforstete er seine Erinnerungen nach einem Namen, doch auch diesmal war seine Suche erfolglos. Zeus` dunkles Lachen riss ihn aus seinen Gedanken.

„Herrje, der Schlag auf den Hinterkopf war ja schlimmer als gedacht.“, sagte der Gott amüsiert und peinlich berührt wich der Jüngere seinem Blick aus. Kaum ein paar Tage da und schon sowas- das würde er niemandem erzählen!

Eine Hand legte sich auf seine Schulter. „Lass den Kopf nicht hängen. Die Hauptsache ist, dass du wieder bei Bewusstsein bist.“, sagte Zeus versöhnlich und beugte sich ihm verstohlen grinsend entgegen. „Du heißt übrigens Ares.“



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Thuja
2013-01-16T22:44:58+00:00 16.01.2013 23:44
Jetzt ist es geschehen
Aus Linus wurde Ares
Und es war…ja…..puh…..was sag ich denn jetzt? Großartig wirkt mir irgendwie zu abgelutscht
Klasse ebenso. Super ist nicht besser.
Ich brauch mehr Synonyme um meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen, oder ich wechsele ins Englische.
Au ja
Es war fucking awesome ^^
Mal wieder toller Ausdruck
Und die Darstellung von Zeus und Hades ist auch wieder einwandfrei gelungen. Menschen, die eine solche Autorität ausstrahlen, dass man sie sogar als Leser spürt, habe ich bis jetzt selten (oder sogar nie) in der Literatur gefunden. Das ist einfach nur beeindruckend
*lach*
Und ein alter Bekannter ist hier aufgetaucht. Hallo D *ihm fröhlich zuwinke*



Zurück