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Wodka & Coffee

von

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Kill the Director!

→ Suzie Hatcher
 

Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, verliefen die folgenden Tage ebenfalls ziemlich sperrig. Und meine Klasse war eine der ersten, die nach dem ersten Kennenlern-Tag mit dem Unterricht begann, als würden wir uns bereits auf die Abiturklausuren vorbereiten. Natürlich war das in so fern gut, da es nötig war und wir diese einmal erfolgreich schreiben wollten - doch wie Jugendliche nunmal so sind, bleibt die Begeisterung gerne auch einmal auf der Strecke, wenn es um den Ernst des Lebens geht.

Aber nach Worten wie diesen, die nicht gerade vor Euphorie gestrotzt haben, kommen wir doch einmal zu einem erfreulicherem Thema. Zumindest sollte man meinen, es wäre erfreulicher. Doch vorab eine wichtige Frage: Wer von euch glaubt an die wahre Liebe?

Und wohlbemerkt...ich spreche nicht von der Liebe zu jemandem, den man angetrunken in einem Club kennenlernt, und dessen Schlafzimmer man viel zu schnell von innen sieht...nein, ich spreche von dem Gefühl, dass einen ganz unerwartet überfällt, wenn man einen Menschen sieht, der einem ohne Grund plötzlich jegliche Sinne raubt. Man kann nicht schlafen, nicht essen und einfach nichts weitere tun ohne mindestens einen Gedanken an diese Person zu verlieren. Das Gefühl kennt ihr? Wundervoll! Ich nicht. Doch es bestand nach der ersten Zeit mit den neuen Leuten eine Chance darauf, dieses Gefühl zu erleben.
 

Seufzend trottete ich nach gefühlten 6 Stunden Mathematik in die Pause, zu der kleinen Gruppe, der sich Jessy und ich schnell angeschlossen hatten. Aus wem sie bestand? Oh, aus ein paar Jungs meiner Klasse, mit denen ich eigentlich noch nicht viel gesprochen hatte und Kerlen, wie James Scott, der meinen damaligen Tanzpartner im Standarttanzen abgegeben hatte, und seinem kleinen Freund Lou, der sich gerne einmal wichtig machte. Wieso wir uns überhaupt bei ihnen aufhielten? Nun, Jessy und ich galten als unzertrennlich und ich hatte mich nahezu ständig von James abfangen lassen, da wir viel und gerne Zeit miteinander verbrachten. James gab einen typischen Vorzeigeschwiegersohn ab - nicht, dass ich etwas mit ihm am Laufen hatte oder so, nein - aber wenn man ihn sich so ansah, konnte man bloß dies von ihm denken. Meine Mutter zumindest würde ihm wohl zu Füßen liegen. Mal davon abgesehen, dass er nicht schlecht aussah mit seinen dunklen, etwas zerzausten und doch sehr gepflegten Haaren, der männlichen Statur und der durchaus sympathischen, ruhigen Ausstrahlung, war er obendrein noch mehr als nur gut in der Schule und generell ein sehr gewissenhafter und vernünftiger Mensch. [Und wenn ich diesmal von vernünftig rede, dann meine ich das auch zu 100% so wie ich es sage, da James weder zu Alkohol griff, noch rauchte. Außerdem konnte man sich stets auf ihn verlassen und er hatte sogut wie immer Zeit für seine Freunde.]

Auch Jamie war immer mit von der Partie, ihn wiederrum kannten wir seit der Mittelstufe, nun gab er einen Klassenkameraden von James ab. Die beiden hatten sich von Anfang an gut verstanden, was alles nahezu perfekt zusammen führte.

„Hey, was is los? So schlimm?“, empfing er mich sogleich wieder als erstes, als ich die Treppe hinabgestiegen war und in dem überfüllten Forum stehen blieb.

„Ich komme mir jedesmal vor, als würde ich im Russischunterricht sitzen.“, beschwerte ich mich wehmütig - Mathe arbeitete schon so lange ich denken konnte gegen mich.

„Ach komm schon, so schlimm ist es sicher nicht. Wenn du Fragen hast, ich helfe dir gerne.“, doch ich winkte dankbar ab. Vorerst stand keine Arbeit an, also hatte ich nicht vor meine Freizeit mit etwas zu füllen, vor dem ich insgeheim wirklich Angst hatte.

Als ich das Thema schließlich endgültig fallengelassen hatte, war mir aufgefallen, dass Jessy erst jetzt durchs Forum schritt und auf uns zu lief. An ihrem entschlossenen Gang und dem ungläubigen, verärgerten Gesichtsausdruck war nur zu gut zu erkennen, dass mal wieder etwas vorgefallen sein musste, was ihr sichtlich widersprach.

„Ich hasse diesen Ort von Tag zu Tag mehr!“, schimpfte sie gereizt und ließ ihre Tasche vor sich auf den Boden sacken. Verwundert blickten wir zu ihr auf. Dass Lou belustigt zu grinsen begann, fiel ihr nicht auf. Sie hatte mich mit ihrem Blick fixiert, was mir signalisierte, dass die anderen Anwesenden mit der folgenden Information entweder einfach nichts anfangen können würden oder diese sie einfach nicht zu interessieren hatte. Ich wagte trotzdem den Versuch, ihr die Worte hier zu entlocken.

Ohne meine Frage ausformuliert zu haben, schoss mir ihre Antwort bereits entgegen.

„Luke ist ein echter Idiot!“ - platzte es ihr heraus. Und das war erst der Anfang der Rede.

„Nur weil das mit uns nicht funktioniert hat, behandelt er mich wie den letzten Dreck! Was fällt ihm ein, mich auf dem Flur rücksichtslos rumzuschubsen? Ein einfaches: ‘Aus dem Weg’ hätte es auch getan, wäre zwar nicht höflich gewesen, aber immerhin besser als die Tour eben.“ - Hier herrschte für sie also zusätzlich auch das Ex-Freund Problem...Gut, dass mein damaliges Herzblatt - falls man ihn so nennen kann - eine andere Wahl für die Oberstufe getroffen hatte. Doch was sollte ich dazu sagen? Luke war nie fair zu Jessy gewesen, damals waren sie zusammen gekommen, weil er eine Freundin - und somit einen neuen Zeitvertreib - gesucht hatte. Ach ja, und weil unsere damalige 5. Frau im Brunde mit einem sehr guten Freund zusammen gewesen war. Man hatte sich also erhofft, immer zu 4. um die Häuser ziehen zu können und somit nicht nur den Partner oder die Partnerin dabei zu haben, sondern auch als Notfall-Stütze einen guten Freund.

[Ich für meinen Teil kann mich jedoch nicht an ein solches Treffen erinnern - Jessy war in der kurzen Beziehung ohnehin kaum mit ihm aus gewesen. Im Hier und Jetzt, dank der Revolution, werden oft sogar Beziehungen immer unpersönlicher - Welcher Mensch wollte bloß auch noch den letzten hauch Romantik an der Oberfläche durch die Erfindung des Internets zerstören? Ein Jammer.]

„Reg dich nicht weiter über ihn auf...“, wollte ich sie beruhigen - vergebens.

„Außerdem...was soll das mit der kleinen Blonden da?“, ich folgte ihrem Blick. Luke unterhielt sich angeregt mit einem Mädchen, dass ich noch nie gesehen hatte. Doch was meinte Jessy? Es war doch nichts weiter dabei...

„Er hat ne Freundin. Sindy, schon vergessen? Ich kann sie zwar nicht ausstehen, aber das hat sie nicht verdient.“, alleine aus dem Grund, dass Jessy ihren letzten Satz erkenntlich betont hatte, schaute ich wieder zu den beiden hinüber. Wer hätte gedacht, dass sie Recht hatte? Er hatte also wirklich 2 Freundinnen? Ohne, dass ich es merkte, klappte mir die Kinnlade ein Stück weiter runter.

„Wer hätte ihm das zugetraut...?“, brachte ich erschrocken über die Lippen. Ihr müsst wissen, Luke befindet sich auf der Beliebtheits-Skala nicht sonderlich weit oben. Er sah nicht besonders gut aus und interessant war er auch nicht. Seine Divise? Schwimm mit dem Strom, sich selbst kenntlich machen ist zu anstrengend.

„Kaum ist Sindy ein halbes Jahr im Ausland, zieht er soetwas ab. Wer weiß, was er damals hinter meinem Rück getrieben hat. Er kann froh sein, dass ich damals nicht auf solche Ideen gekommen bin.“ - Ihr Gemecker wurde jedoch unterbrochen. Die Pause war bereits zuende und man drängelte sich das kleine Treppenhaus hinauf, zurück in die eigene Klasse. Jessy seufzte und griff ihre Tasche wieder.

„Ich muss los. Ein Wunder, wenn ich den richtigen Raum finde.“, mir ein missmutiges Lächeln zugeworfen, verschwand sie in der Menge. Und auch die andere waren bereits verschwunden. Lediglich James stand noch bei mir.

„Wohin musst du jetzt?“, ergriff er das Wort, während ich mich angestrengt umsah und mit ihm in Richtung Treppenhaus begab.

„Ähm...zu den Bio-Räumen.“ - Wo die waren? Keine Ahnung. Auch wenn ich hier nun schon 3 Wochen regelmäßig durch die Gänge schlenderte, hatte ich es mit der Orientierung noch lange nicht. Manchmal kam ich mir vor wie ein kleiner Goldfisch in einem riesigen Aquarium. Obwohl dieses Aquarium klein gehalten war und man nicht alleine war, fühlte man sich aufgeschmissen und vergaß nach 3 Sekunden bereits wieder jegliche Ecken, an denen man schon gewesen war - genau so war es übrigens mit den fremden Gesichtern. Auf unserer alten Schule, die bei weitem kleiner gewesen war, kannte jeder jeden. Hier lief man jeden Tag hunderten von Menschen entgegen, die man noch nie gesehen hatte. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich das nicht ändern würde.

Dieses mal hatte ich allerdings Glück, James machte sich die Mühe und begleitete mich in den dritten Stock. Als ich die ersten Leute aus meiner Klasse erkannte, und er sich sicher war mich heil ans Ziel gebracht zu haben, machte auch er sich auf den Weg und verabschiedete sich von mir mit einer herzlichen Umarmung.

Meinen Pullover zurechtgezogen, holte ich tief Luft und machte mich, mit jedem weiteren Schritt auf meine neuen Leidensgenossen zu, bereit für die nächsten 90 Minuten purer Langeweile. Noch bevor ich mich zu Matt und Josh gesellen konnte, fing mich ein blondes Mädchen ab. Sie war mir seit dem ersten Tag als ziemlch gesellig aufgefallen und hatte mich schnell angesprochen, um sich etwas mit mir zu unterhalten.

„Hey.“, grüßte sie mich grinsend und passte ihren Schritt dem meinen an.

„Du und James...ihr kennt euch also?“, zur selben Zeit in der ich ihre Stimme vernahm, kramte ich in meinem Gedächtnis nach ihrem Namen. Als jedoch James‘ Name fiel, riss sie mich aus meinen Gedanken, und urplötzlich viel er mir wieder ein - Tia.

„Ja, schon eine ganze Weile. Durch Freunde, ihr euch auch, hm?“, sie nickte lächelnd.

„Ich war vorher mit ihm in einer Klasse. Ein echt netter Kerl, mittlerweile haben wir jedoch kaum noch Kontakt.“, erzählte sie mir munter, ohne dass ich nachfragen musste.

Mir fiel bloß flüchtig auf, dass unsere Biolehrerin uns bereits reingebeten hatte, also musste ich Tia unterbrechen. Bevor wir uns jedoch auf unsere Plätze setzten, hielt sie mich leicht am Arm fest und schenkte mir einen neugierigen Blick.

„Suzie? Ich muss das einfach loswerden, sonst frage ich mich das die komplette nächste Stunde...seid ihr wirklich ein Pärchen?“

Ihre Frage überraschte mich sichtlich. Den Kopf schief gelegt, rutschten meine schulterlangen, braunen Haare nach vorne.

„Nein, wir sind bloß Freunde. Wer erzählt sowas?“

„Ach, nein?“, griff ein Kerl meine Antwort auf und sah mich neckisch an.

An seinen Namen konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern...gesprochen hatte ich vorher auch noch nie mit ihm. Das einzige was ich wusste war, dass er in der Klasse als Überflieger galt. Die meisten Menschen hatten entweder ein abenteuerreiches Privatleben oder gute Noten. Er zählte eindeutig zu der 2. Kategorie.

Ohne noch etwas zu sagen, lief er an uns vorbei und setzte sich an das andere Ende des Raumes. Auch mir blieb nicht die Möglichkeit geboten, weiter darauf einzugehen, da wir längst hätten auf unseren Plätzen sitzen sollen, also ließ Tia mich los und begab sich an den Tisch hinter mir und Matt. Noch immer verwundert das Gesicht verzogen, setzte auch ich mich. Dieses Gerücht bereitete mir Sorgen. Immerhin war mir die Freundschaft zu James wirklich wichtig geworden. Und soetwas? Soetwas machte meist etwas kaputt.

[Doch wer hätte gedacht, dass das erst der Anfang des Unheils war und nicht diese frage etwas kaputt machen würde, sondern viel härtere Maßnahmen ergriffen wurden?]

„Mit wem bist zu zusammen?“, wollte schließlich auch Matt grinsend wissen, als wir die ersten Minuten in Schweigen verbracht hatten und einen Text aus dem Buch in Stillarbeit mit dem Tischnachbarn bearbeiten sollten.

„Du hast also gelauscht?“, stellte ich Kopf schüttelnd fest. Von Tag zu Tag verstand ich mich mit Matt besser. Es machte unheimlich Spaß ihn aufzuziehen und mit ihm herumzualbern. Unschuldig hob er die Schultern auf meine Gegenfrage an, ließ sich jedoch nicht so einfach abwimmeln.

„Mit niemandem. Die haben da irgendetwas in den falschen Hals bekommen.“

Und siehe da, er glaubte mir. Zumindest machte es den Anschein.

Den Rest der Stunde vertrieb ich mir mit lockeren Gesprächen, die Matt und ich führten, und jedesmal, wenn wir ermahnt wurden, leiser zu arbeiten, versank ich für kurze Zeit in Gedanken. Ich wusste, dass James sich eine Freundin wünschte...ein Mädchen, auf das er aufpassen konnte. Für die er da sein durfte und die ihn etwas aus dem Alltagsleben entführte. Als ich ihn vor ein paar Monaten Ana vorgestellt hatte, war sie hin und weg von ihm gewesen...somit hatte ich mich als gute Freundin der beiden dazu verleitet gefühlt, sie zu ihrem Glück zu zwingen. Gelegentlich hatte ich Treffen arrangiert ,damit die beiden sich kennenlernen konnten. Doch da sie sonst keinen Kontakt hatten, war ich immer mit von der Patie gewesen. Ana hatte stets darauf bestanden, dass ich sie nicht alleine ließ, weil sie der Meinung war, alleine aufgeschmissen zu sein.

Durch diese Treffen hatte ich somit ebenfalls automatisch immer mehr mit James zutun gehabt. Ob das ein Fehler gewesen war?

[Wir alle kennen doch mindestens einen Teenie-Film, in dem Verkupplungsversuche schlecht ausgehen, oder? Nun...mich verfolgte das Gefühl, ich hätte mir mal lieber einen solchen Film anschauen sollen, bevor ich das alles in Angriff genommen hatte - Im Nachhinein ist man immer schlauer...]

Immer wieder fiel mein Blick in den folgenden Minuten auf die Uhr, seit ich in der neuen Klasse saß, spielte die Zeit eindeutig gegen mich... unmöglich saßen wir hier nur 90 Minuten, mir kam es locker doppelt so lange vor. Und als sich in mir alte Muster breit machten und ich bereits ein paar Minuten zu früh einpackte, durfte ich mir sogleich anhören, wie unsittlich ein solches Verhalten hier war. Somit durfte ich alles wieder auf meiner Hälfte des Tisches ausbreiten, während andere einpacken durften. Was war das bitte für eine Strafe? Gut, dass Frauen stets zu große Taschen mit sich herumschleppten, das machte es mir einfacher, alles wieder einzusammeln. Immerhin musste ich Bücher und Hefte nicht praktisch und platzsparend anordnen.

Matt hatte mir lachend zugesehen und war längst fertig, als ich aufstand.

„So geht das hier nicht, mein liebes Fräulein.“, zog er mich amüsiert auf - und auch ich nahm es mit Humor, streckte ihm als Antwort seiner frechen Aussage die Zunge raus.

Auf dem Flur vor unserer Klasse, warf James mir einen Blick zu - sein Klassenraum war bloß ein paar Türen von meinem entfernt. Und da wir alle noch nicht sonderlich vertraut mit dem neuen Oberstufensystem waren, fiel für uns heute sogar die zweite Pause flach, da es im Klassenverband wohl einiges zu besprechen gab - ein Wunder, dass mich das nicht einmal störte...Ich wollte lediglich den Vormittag hinter mich bringen.

[Welch Ironie des Schicksals...damals hatte man sich auf die Pause gefreut, weil man sich gefühlt hatte, als würde man in einer glücklichen Familie leben, mit der man gerne Zeit verbrachte, zumindest hatte ich mich immer so gefühlt. Jetzt wartete man bloß noch die 15 Minuten zwischen den Doppelstunden ab und hoffte bald seine Freizeit genießen zu dürfen.]

„Und du sagst, da läuft nichts.“,meldete sich Matt erneut zu Wort.

„Ja, fall du mir auch noch in den Rücken...“,mir entfuhr ein Seufzen und bloß kurz darauf vernahm ich erneut die Stimme des Jungen neben mir, der sich bereits in Bio ungefragt zu Wort gemeldet hatte.

„James ist ein Idiot. Ein Kerl ohne eigene Meinung und ohne sonstige Vorzüge.“

Nun kam ich dazu, ihm einen verärgerten Blick zuzuwerfen, der seine Augen direkt traf.

„Vergiss ihn, glaub mir.“, er ließ sich nicht beirren und machte auch nicht den Anschein mich in Ruhe zu lassen, bis ich ebenfalls ein schlechtes Wort über ihn verlor.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Ich finde ihn wirklich sehr nett!“,meinen Kopf nun doch von ihm weggedreht, sah ich auf die andere Seite - in Matts ebenso verwunderte Augen. Matt hob die Augenbrauen an und zuckte mit den Schultern, womit er mir signalisierte, dass auch er nicht wusste, worauf der Kerl hinaus wollte. Und als hätte er meine Gedanken gelesen, wand er sich ihm zu.

„Wie war doch gleich dein Name?“ - „Ted.“

Erst in unserem Klassenraum, verschand er in die vorderste Tischreihe, während Matt und ich ziemlich weit in der Mitte zusammen saßen. Und wie das Schicksal es so wollte, saß zu meiner Rechten Tia, die mir bereits ein verschmitztes Grinsen zuwarf und ihre Tasche unter den Tisch schubste.

„Jetzt haben wir genug Zeit füreinander - erzähl mir alles.“, forderte sie auf.

Eigentlich nervte mich das Thema ungemein - für mich war alles gesagt. Wieso kauten alle anderen also weiter darauf rum, anstatt einfach hinzunehmen, was ich sagte?

Tia jedoch schien ihre Fragerei alles andere als böse zu meinen...also übte ich mich in Geduld und verkaufte ihr so gut es ging die Wahrheit. Am Ende der nächsten Doppelstunde hatte ich sie sogar so weit, dass sie mir glaubte.

Als der Unterricht beendet wurde, packte ich - dieses mal auf die Minute genau - meine Sachen zusammen und wollte mich auf den Weg nach Hause machen, doch wieder wurde ich abgefangen, als ich überlegte, ob ich auf Jessy warten sollte, um mit ihr gemeinsam zum Bahnhof zu laufen.

[Und ganz unter uns...in mir war in den letzten Minuten das dringende Bedürfnis aufgekommen, mit ihr zu reden. Schon damals hatte Jessy gesagt, ich solle mich in Acht nehmen, da sie vermutete, dass James eine heimliche Schwäche für mich hegte. Mir persönlich war das jedoch nie aufgefallen.]

„Suzie!“, rief mich ein mir bekanntes Geischt. Man winkte mich zu sich und ein paar weiteren Mädchen, die sich in meiner Klasse befanden. Die Fünf kannten sich alle aus vorherigen Jahren und bildeten eine kleine, freundliche Gruppe, die sich nicht um die Meinung anderer sorgte und einfach munter Zeit miteinander verbrachte, so wie es sein sollte - Tia gehörte ebenfalls zu ihnen.

„Musst du zum Bahnhof? Du kannst mit uns kommen.“, schlug die kleine Rothaarige vor, der man ihre gute Seele sofort ansah. Eigentlich wäre ich gerne mit ihnen gelaufen, für mich klang das wie eine herzliche Einladung, sie alle besser kennenzulernen und mich mit Leichtigkeit einzuleben, doch wusste ich auch, über was wir uns vermutlich unterhalten würden...und danach war mir mittlerweile beim besten Willen nicht mehr, also suchte ich mir einen möglichen Fluchtweg und wollte mir bereits eine Ausrede zusammenlegen. Tia kannte die Fakten, sollte sie sie doch bitte verbreiten...

„Suzie?“, wieder ertönte mein Name, und selbst wenn ich die Stimme nicht erkannt hätte, hätte ich allein an der Reaktion der Mädchen ablesen können, wer auf uns zulief.

„Das nächste mal vielleicht.“,gab ich ihnen also flüchtig als Antwort, sie winkten jedoch amüsiert ab und machten sich tuschelnd alleine auf den Weg. Mir blieb also nichts weiter übrig, als ihnen schon beinahe verärgert über ihre Reaktionen nachzusehen, dabei konnten sich nicht einmal etwas dafür...

[Und James in diesem sicher auch nicht - doch leider bekam er es ab.]

„Was?“,drehte ich mich schwungvoll zu ihm um und sah ihn mit verschrenkten Armen an.

„Ähm...“,hielt er inne. Ich hatte ihn sichtlich verunsichert - sein Optimismus und das fröhliche Lächeln schienen wie weggeblasen.

„Ich...wollte eigentlich bloß fragen, ob du und Jessy auch auf den Geburtstag von Casey kommt.“ - von einem Geburtstag hatte ich jedoch nichts gehört.

[Wer Casey war? Ein Kerl aus James Klasse. Ich hatten ihn in meinem Sportkurs bereits kennengelernt, er schien ständig überdreht und unausgelastet, war jedoch ganz nett.]

„Nein, immerhin kennen wir ihn kaum.“, ich zumindest hatte erst 2 oder 3 längere Gespräche mit ihm geführt. Ob Jessy überhaupt von seiner Existenz wusste, war für mich die nächste Frage, die sich mir stellte...

„Oh...okay. Ich dachte, er hätte gesagt, dass er euch gerne dabei hätte.“, nun schien er wirklich deprimiert. Seine Hände vergrub er in den Hosentaschen.

Und als Jessy endlich auftauchte, war ich heilfroh, dass sie es eilig hatte und mich somit aus der seltsam unangenehmen Situation rettete.

„Hey James, wir müssen los, sorry. Sonst verpasse ich meine Bahn.“, sie griff meine Hand und zog mich hektisch mit, ihre Tasche rutschte ihr immer wieder von der Schulter und als sie sich ein letztes mal zu James umdrehte, um ihm entschuldigend zuzuwinken, rannte sie erneut jemandem in den Weg. Vor Schreck hatte sie mich bei dem Zusammenstoß losgelassen und taumelte ein paar Schritte zurück. Ich hatte ebenfalls erschrocken das Gesicht verzogen und sah den Kerl an, der Jessy nun wohl erneut an den Rand eines Wutanfalls brachte, was für mich bedeutete, dass ich mir den Rest des Weges erneut anhören durfte, wie schlimm dieser Ort für sie war und wie gerne sie doch eine andere Schule besuchen würde.

Der rothaarige Junge stellte sich ziemlich unsicher an, streckte leicht die Arme nach Jessy aus und entschuldigte sich aufrichtig. Als sie den Kopf anhob und ihn ansah, wartete ich bereits auf ein bissiges Kommentar ihrerseits, doch darauf hatte ich lange warten dürfen. Stattdessen schüttelte sie verlegen den Kopf.

„N-Nichts passiert. Das war meine Schuld, ich hätte aufpassen sollen, wohin ich laufe.“

Meine Augenbrauen zogen sich bei dem Klang ihrer Stimme irritiert zusammen - das klang nach Ärger. Oder nach Hoffnung, die Jessy nun wohl doch zuversichtlicher zur Schule leiten würden...ihr glaubt ich übertreibe? Nein, ich kenne Jessy. Dieser kleine, schlaksige Rotschopf schien es ihr angetan zu haben...und das obwohl sie ihn gar nicht kannte - so war Jessy. Und jetzt, wo ich ihn genauer betrachtete fiel mir auf,dass er durchaus in ihr Beuteschema passte.

[Auf was für Typen Jessy so stand? Nun... um Kerle würden wir uns wohl niemals streiten. Während ich selbstbewusste, freche Kerle bevorzugte suchte sie sich Kerle aus, die einen unschuldigen, braven Eindruck machte und stets Ruhe und Etikette bewahrten - im Grunde die perfekten Schwiegersohn-Typen.]

„Hast du dir auch nichts getan?“, wollte er erneut wissen. Jessy schüttelte heftik den Kopf und winkte ab. Ihre Bahn schien sie völlig vergessen zu haben.

„Ähm...okay. Ich muss weiter, halt die Augen offen.“,lächelnt verabschiedete er sich und verschwand in dem Gebäude, das wir eben eilig verlassen hatten.

Jessy hatte ihm nachgesehen und als ihr Blick meinen traf, spürte ich ihre Verlegenheit.

„Lass...uns weiter gehen.“ - erneut wollte sie nach mir greifen, ich wich ihr jedoch aus und warf einen Blick auf den Display meines Handys, um die genaue Uhrzeit in Erfahrung zu bringen. Die Bahnen würden wir nur mir großen Glück noch bekommen.

[Und wie ihr wisst, sind wir nicht gerade gut mit dem Glück befreundet, was hieß, dass wir sie wohl verpassen würden und eine geschlagene halbe Stunde am Bahnhof warten durften.]

„Ich habe eine bessere Idee.“, nun nahm ich ihre Hand in meine und bestimmte die Richtung. Jessy sah mich verdutzt an, wehrte sich jedoch nicht.

„Lass uns einen Kaffee trinken gehen und wie in alten Zeiten in Ruhe den Mittag ausklingen lassen - Außerdem gibt es ein bisschen was zu bereden!“

Ihr zugezwinkert, ließ ich sie los, als sie neben mir lief und wir in grundloses, unbeschwertes Lachen einstimmten - in diesem Moment fühlte ich mich in die Vergangenheit versetzt. Damals waren wir regelmäßig zusammen nach der Schule unterwegs gewesen, hatten uns in unser Lieblingskaffee gepflanzt und Neuigkeiten bei einem frischen Eisbecher oder einem warmen Kaffee ausgetauscht - ein Stückchen Verganenheit steckt nunmal doch in jedem Moment der Gegenwart, wenn auch gut verborgen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Melantha
2011-06-06T17:21:29+00:00 06.06.2011 19:21
Hey,
ich meld mich mal wieder :)

Das Kapitel fand ich diesmal auch wieder gut und anschaulich geschrieben. Es sind so viele neue Charaktere hinzugekommen, dass es mir schwer fällt alle im Kopf zu behalten. Eine Charakterübersicht wäre eigentlich wirklich hilfreich ^^

Naja...die Ansicht zur "wahren Liebe" kann man geteilt sehen. Ich war ganz verdutzt, bei dem Satz, der irgendwie so ging, dass man jemanden betrunken in einer Bar trifft und dessen Schlafzimmer man zu schnell sieht...wtf?
Aber ich schätze mal, man kann auch auf die verrücktesten Arten zur wahren Liebe finden kann (auch wenn die Wahrscheinlichkeit dabei zumeist infinitesimal klein ist). Man muss einfach Glück haben, glaube ich. ^^

Naja...mal schauen, wie es weitergeht :]

LG~




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