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Why can't I just love?

von

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18. Juni & 21. Juni

18. Juni
 

Wir haben einen neuen Schüler. Normalerweise wäre mir das recht egal, weil er sowieso in einer Parallelklasse ist, aber der Junge ist etwas … anders. Am Morgen, als ich in der Klasse saß, war er das Gesprächsthema Nummer eins. Ich wunderte mich noch, warum alle so einen Tumult um ihn machten. Aber als ich ihn dann gesehen habe... Oho, die Aufregung war kein bisschen übertrieben! Naja, alles von Anfang an. Ich schnappte bei einem Gespräch von einigen Mädchen auf, dass er David hieß und in der Pause im Schulflur sein würde. Meine Neugier hielt sich eigentlich in Grenzen, aber hey, ich konnte ihn mir ja mal kurz ansehen. Das bedeutet gar nichts und das bestärkt auch nicht den Verdacht, dass meine Heterosexualität eine Lüge ist. Ich hätte mich auch nach dem neuen Schüler erkundigt, wenn es ein Mädchen gewesen wäre. Ganz bestimmt!

Zum Klingeln verließ ich den Klassenraum und sah... niemanden. Nur ein Mädchen, dass mir den Rücken zugewandt hatte. Irgendwie war ich etwas enttäuscht. Ich hatte mit einer mehr oder weniger traumatisierenden Begegnung gerechnet. Ein umwerfender Mann, der mir alle Zweifel nimmt und mir klar macht, wie stockschwul ich doch bin. Oder halt ein abstoßendes Geschöpf, dass alle positiven Gedanken in meinem Gehirn, die mit Männern zu tun haben, für immer vernichtet, sodass ich mich voll und ganz auf die Frauen konzentrieren kann. Ist das etwa zu viel erwartet?

Ich wollte gerade gehen, doch auf einmal drehte sich das Mädchen um und ich sah - es war kein Mädchen. Es war ein Junge in einem Rock. Ich unterdrückte einen Schrei und sah den Jungen verwirrt an. Er lächelte nur und winkte kurz. Wen grüßt er?, dachte ich und drehte mich um. Niemand stand hinter mir. Ich sah wieder zu dem Jungen, er lachte. Verwundert zeigte auf mich und warf ihm einen fragenden Blick zu. Er nickte. Also hatte er tatsächlich mich gegrüßt. Einfach so, als wäre ich ein normaler Mensch (was natürlich ein total abwegiger Gedanke ist). Es ist das erste Mal, dass man mich normal behandelt hat und nicht gleich Vorurteile hatte. Ich hoffe, er ändert seine Meinung nicht noch...
 

21. Juni
 

Mir tut alles weh. Ich bin heute zu dem Ausländer-Supermarkt gefahren und auf dem Weg ist ja das Gefälle, wo ich gegen den LKW geklatscht bin. Dieses Mal dachte ich mir, ha, heute nicht, Kreuzung, heute bin ich so schlau und bremse, ätsch! Blöd nur, dass ich die Vorder- mit der Hinterradbremse verwechselt habe. Und so bremse ich bei voller Geschwindigkeit, bleibe abrupt stehen und fliege mit voller Wucht über den Lenker. Meine ganzen Arme und Hände sind aufgerissen, das Kinn habe ich mir auch ordentlich auf dem Asphalt aufgeschlagen. Und meine Hose ist hin. Meine Knie auch. Aber das beste ist, dass keiner mir geholfen hat. Schon wieder. Ich liege auf der Straße, blute, und jeden Moment könnte mich ein Auto überfahren. Kommt da keiner auf den Gedanken, mal zu helfen? Ein »oh, da liegt ja jemand auf der Straße!« oder ein bisschen Mitleid hätten mir schon gereicht. Was für eine Ecke ist das nur?

Schließlich bin ich nach Hause gegangen. Gegangen, weil irgendjemand mein Fahrrad überfahren hat und es jetzt ein totaler Schrotthaufen ist. Ich habe es auf der Straße liegen lassen, da war nichts mehr zu retten. Jedenfalls stand ich dann in der Haustür und sah meine Mutter im Wohnzimmer sitzen, wie sie telefonierte. Ich konnte mir schon denken, mit wem.

»Mama?«, sagte ich zögerlich.

Sie reagierte nicht und telefonierte weiter. Ich wusste, dass sie mich zwar gehört, aber keine Lust auf mich hatte.

»Mama...«, rief ich noch einmal.

Ich hatte einen kleinen Funken Hoffnung, dass sie doch etwas Interesse zeigen würde, wenn sie sah, dass ich mich verletzt hatte. Sie musste sich nur umdrehen. Und das tat sie auch. Nämlich um mich anzufauchen, dass ich die Klappe halten solle und sie wichtige Dinge zu tun habe. »Wichtige Dinge« also. Wichtiger als ihr eigener Sohn, der sich verletzt hat und nur ein paar aufmunternde Worte hören möchte. Aber sie telefoniert natürlich lieber mit ihrem braungebrannten Jungbrunnen, weil der ihr inneres Alter um gefühlte zwanzig Jahre runterschraubt, als sich um ihr Kind zu kümmern. Mir ein bisschen Aufmerksamkeit zu schenken, wird ihre Falten auch nicht tiefer werden lassen. Genauso wie ihr Macker sie nicht verschwinden werden lässt. Versteh' einer die Frauen.

Ich habe jetzt notdürftig etwas Verband um meine Arme und Knie gewickelt und ein Pflaster auf mein Kinn geklebt. Da werde ich mir morgen wieder was anhören können, wenn ich in der Schule bin. Ich freu mich jetzt schon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ayalaana
2014-05-12T18:24:18+00:00 12.05.2014 20:24
Ich hatte beim lesen des zweiten Teils einen richtigen Kloß im Hals. So eine Ungerechtigkeit!
Auf Davids Rolle bin ich gespannt.


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