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La Rosa de Asturias

Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft
von

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Home Love Family

Während das Ehepaar Villa zunächst mal getrennte Wege ging, bereitete Señora Sanchéz alles für die bevorstehende Ankunft ihres Sohnes vor. Dabei dachte sie über das Telefonat nach, welches sie zuvor mir David geführt hatte. Es wunderte sie, dass er sich so plötzlich nach Catalina erkundigt hatte. Schließlich hatte er sich jahrelang nicht darum geschert, was mit dem Mädchen geschehen war, nachdem sie so unverhofft mehrere Jahre verschwunden war. Nun gut, drei Jahre waren nicht so wahnsinnig lang, wenn man jung war, aber seitdem hatte David sich verändert, wie Señora Sanchéz hatte feststellen müssen. Vielleicht hing das auch damit zusammen, dass ihr Sohn angefangen hatte, mit Patricia auszugehen. Obwohl sie sich große Mühe gab, fiel es Davids Mutter nicht immer leicht, nett zu ihrer Schwiegertochter zu sein. Allerdings hätte jede andere Frau an der Seite ihres Sohnes ein ähnliches Schicksal erlitten. Señora Sanchéz war fest davon überzeugt, dass niemand, wirklich niemand, David verdiente. Man mochte das einen umgedrehten Ödipus-Komplex nennen, doch ändern konnte sie es nicht. Sie bevorzugte es ohnehin, das als 'mütterliche Sorge' zu bezeichnen. Trotzdem fragte sie sich, wie es kam, dass ihr Herr Sohn mit einem Mal solch reges Interesse an einer alten Spielkameradin fand.

'Das werde ich ihm früher oder später entlocken.', beschloss Señora Sanchéz, während sie Davids altes Bett bezog, die Gardinen gerade zupfte, ein paar Blumen in einer Vase auf dem Schreibtisch platzierte und in Gedanken durchging, ob sie alle Zutaten für Davids Lieblingskuchen da hatte. Wenn ihr Sohn denn schon mal aus dem fernen Barcelona heimkehrte, sollte er es auch gut haben. Verwöhnen? Dann aber richtig. Das war zumindest Señora Sanchéz' Devise.

'Hm, ich werde wohl bei den Cruz' fragen müssen, ob ich mir ein bisschen Zucker leihen kann.', ging es Davids Mutter durch den Kopf. Sie hatte beim letzten Einkauf glatte vergessen welchen mitzubringen. Etwas, das ihr nur sehr, sehr selten passierte. Mit dem Haushalt hatte sie Erfahrung, ganz im Gegensatz zu ihrer Schwiegertochter. Patricia war ein wenig bequem in der Hinsicht. Andererseits konnte Señora Sanchéz das nachvollziehen. Hätte sie sich Hausangestellte leisten können, wäre sie selbst ebenfalls viel weniger fleißig. Wozu sich Arbeit machen, wenn man jemanden hatte, der sie einem abnahm? Doch da Davids Mutter nie in den Genuss gekommen war, konnte sie mit Fug und Recht von sich behaupten, eine recht patente Hausfrau zu sein.
 

Gegen etwa sechs Uhr schellte es im Hause Cruz an der Tür. Catalina sah von ihren Aufsätzen auf, die sie korrigierte. Wann lernten diese Kinder endlich, dass bei he, she und it ein 's' an das jeweilige Verb gehangen wurde? Da ihre Tochter noch nicht von der Schule zurück war, an Donnerstagen hatte Isabel Volleyballtraining nach dem Unterricht, musste sie wohl oder übel selbst an die Tür gehen. Andererseits konnte sie so ein wenig Abstand zu den grauenhaften Aufsätzen gewinnen.

'Spanische Zungen sind nicht dazu gemacht, Englisch zu sprechen.', dachte Catalina bei sich.

Als sie die schwere Haustür aufzog, fand sie zu ihrer Überraschung Señora Sanchéz davor wieder. Obwohl sie in relativer Nachbarschaft zu Davids Eltern wohnte, war es doch selten, seine Mutter an ihrer Tür vorzufinden. Seit sie damals schwanger geworden war, hatte Catalina generell nur noch wenig mit Davids Familie zu schaffen gehabt. Nachdem er aus dem Dorf abgehauen war, mit dieser Patricia Dominguéz, der alten Schlampe, als seine Lebensgefährtin, hatte Catalina sich befohlen, David ein für alle mal aus ihren Gedanken zu verbannen. Meistens mit Erfolg. Nur, wenn eine WM anstand oder das Team, für das er gerade Bälle durch die Gegend kickte, gewonnen hatte, gestattete sie sich den ein oder anderen wehmütigen Moment.

„Guten Tag, Señorita Cruz, entschuldigen Sie doch bitte die Störung.“, begann Davids Mutter, „Könnten Sie eventuell ein wenig Zucker erübrigen? Ich hatte vergessen, welchen mitzubringen vom Einkaufen.“

Fast wäre Catalina die Kinnlade heruntergeklappt. Dass Señora Sanchéz vergaß, etwas einzukaufen kam doch nie vor! Immer war Davids Mutter eine tadellose Hausfrau gewesen, die von den Nachbarinnen nur Lob bekommen hatte beim monatlichen Kaffeeklatsch. Die Margarita war selten überschwänglich gewesen. Vor allem nicht, wenn es um Lob ging. Doch Davids Mutter hatte selbst der strengen, peniblen Dame so etwas wie Anerkennung abgerungen. Seit jeher waren das Catalinas beide Ideal. Zumindest seit dem die Margarita sich ihrer angenommen hatte.

„Ähm...“, stammelte Catalina, ehe sie sich auf ihre gute Kinderstube besann und Davids Mutter hereinbat.

„Ich kann Ihnen natürlich Zucker geben.“, meinte sie, während sie der Älteren voranging in die kleine, aber heimelige Küche. Dort stand sogar noch der uralte Gasherd der Margarita. Bislang funktionierte er noch einwandfrei, so dass Catalina nicht einsah, sich einen moderneren anzuschaffen. Rasch öffnete sie den Küchenschrank und angelte nach dem Glasbehälter, in welchem sie den Zucker aufbewahrte. Es war kein weißer aus der Raffinerie, sondern Rohrzucker. Der war gesünder. Diesen Umstand bemerkte natürlich auch Señora Sanchéz, die nicht umhin kam, sich zu fragen, ob Catalina nicht eventuell für David die bessere Wahl gewesen wäre. Dass ihr Sohn eine Zeit lang in die kleine Blondine verliebt gewesen war, wusste Señora Sanchéz. In David konnte sie lesen, wie in einem offenen Buch. Von all ihren Kindern war er ihr definitiv am Ähnlichsten.

„Hier, bitte sehr. Den können Sie gern leer machen, ich hab in der Vorratskammer noch Zucker.“, riss Catalina die Nachbarin aus ihren Gedankenspielereien.

„Danke, dass ist wirklich sehr nett von Ihnen!“, bedankte die Señora sich artig, fügte dann aber hinzu: „Wissen Sie, mein David kommt nach Hause und da wollte ich ihm seinen Lieblingskuchen backen.“
 

„Mandelkuchen, nicht wahr?“

Ein schwaches Lächeln erschien auf Catalinas Lächeln. Sie wusste noch immer viel zu gut über Davids Vorlieben Bescheid. Obwohl 20 Jahre vergangen waren, seit dem Beginn ihrer Freundschaft hatte sie nie etwas vergessen. Das konnte sie gar nicht, selbst wenn sie es gewollt hätte. Aber das stand auf einem anderen Blatt.

„Ja, genau.“, erwiderte Davids Mutter überrascht.

Sie fragte sich, woher Catalina so genau über ihren Sohn Bescheid wusste, ehe ihr einfiel, dass die beiden als Kinder sehr gut befreundet gewesen waren. Schade, dass nie mehr daraus geworden war. Dass musste Señora Sanchéz doch zugeben.

„Den mochte er wirklich schon immer.“, sagte Catalina versonnen, „Im Krankenhaus wollte er immer, dass ich welchen mitbringe. Sie wissen ja, wie gut die Margarita backen konnte.“

Davids Mutter nickte zustimmend. Ja, das Backen hatte die alte Dame wirklich beherrscht und auch im Kochen war Catalinas Ziehmutter sehr bewandert gewesen. Einiges davon musste sie Catalina wohl mitgegeben haben.

„Meine Isabel isst auch am Liebsten Mandelkuchen.“, hörte Catalina sich da sagen, obwohl sie sich im nächsten Moment liebend gern die Zunge abgebissen hätte. Es war ein Wunder, dass bislang niemand eins und eins zusammengezählt hatte. Andererseits sah Isabel ihrer Mutter recht ähnlich, wenn man mal von dem hellbraunen Haar absah.

„Sieh an.“, bemerkte Señora Sanchéz verwundert.

„Wann genau kommt denn Ihr Sohn?“, wechselte Catalina rasch und vielleicht etwas zu abrupt das Thema. Und obwohl Davids Mutter das auch bemerkte, gelang die Überleitung ziemlich gut, denn sie widerstand der Versuchung, das vorherige Thema zu vertiefen. So warf Davids Mutter einen Blick auf die Uhr.

„Oh, er wird zum Abendessen da sein.“, gab sie dann Auskunft, „Ich werde ihm sagen, dass er bei Ihnen vorbei kommen soll.“

Mit diesen Worten griff Señora Sanchéz sich das Zuckerglas und verließ die Küche, bevor ihre Nachbarin protestieren konnte. Es gehörte sich vielleicht nicht, in eine Beziehung zu pfuschen, doch jetzt, wo sie sich näher mit Catalina unterhalten hatte, kam Señora Sanchéz zu dem Schluss, dass sie Patricia irgendwie loswerden musste.

'Das werde ich dann am Freitag wohl dem Pater beichten müssen.', dachte sie bei sich, konnte sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen.

„Danke nochmals für den Zucker.“, verabschiedete Davids Mutter sich von der jungen, blonden Frau. Diese nickte nur, in Gedanken bei ihrer halbwüchsigen Tochter. Nachdem die Nachbarin abgezogen war, schloss Catalina die Tür, jedoch nicht besonders motiviert, zu ihren Aufsätzen zurückzukehren. Stattdessen ging sie ins Wohnzimmer, wo sie den CD-Player anwarf und lautstark Bon Jovi hörte. So wie damals, als sie noch geglaubt hatte, dass alles gut enden könnte. Als sie jung gewesen war. Und unsterblich verliebt.
 

Es war schon fast Viertel nach Acht als Isabel sich in der Umkleide in ihre Straßenklamotten warf. Ihr knurrte der Magen. Hoffentlich hatte ihre Mutter etwas Gutes zum Essen geplant. Da das meistens der Fall war, war Isabel zuversichtlich, was das anging. Mit einem Lächeln schnappte sie sich ihre Tasche, schulterte sie und verließ die Kabine. Sie war eine der letzten gewesen, wie üblich. Das lag vor allem daran, dass sie manchmal ein bisschen Extraförderung von ihrem Trainer bekam, der sie für das kommende Turnier in Topform wissen wollte. Isabel selbst fragte sich manchmal, warum sie sich diese Folter antat. Doch dann musste sie nur an Volleyball denken und schon wusste sie, wieso. Sie liebte diesen Sport einfach. Und sie ging ihm mit einer Hingabe nach, den andere eher als 'Besessenheit' bezeichnet hätten. Aber dumme Kommentare prallten zumeist an Isabel ab. Sie hatte ein dickes Fell. Allerdings musste sie das von ihrem ihr unbekannten Vater geerbt haben, denn ihre Mutter nahm sich Dinge immer sehr zu Herzen.

'Wehe, der Bus hat Verspätung!', dachte sie, als sie auf die Haltestelle zutrabte.

Kurz bevor sie selbige erreicht hatte, hielt ein ziemlich schickes und vor allem teures Auto am Bordstein. Der Fahrer ließ die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite runter.

„Entschuldigung.“, ließ sich eine angenehm raue, männliche Stimme vernehmen.

Verwundert beugte Isabel sich zu dem Fahrer hin. Auf den ersten Blick konnte sie erkennen, dass er dunkles Haar hatte, einen dunklen Teint und braune Augen, die ihr den Atem in der Brust stocken ließen.

„Ähm... kann ich Ihnen helfen?“, stammelte das junge Mädchen ein wenig perplex.

Am Liebsten hätte sie sich geohrfeigt für ihr wenig erwachsenes und eloquentes Auftreten. Jemanden mit diesen Augen musste man einfach beeindrucken, selbst wenn der Betreffende alt war. Okay, unter 30 war nicht alt, aber das Alter konnte man den wenigsten Menschen von der Stirn ablesen.

„Genau deswegen halte ich an.“, gab der Fremde zu. Auf Isabel wirkte er peinlich berührt, so als ob er nicht fassen könne, dass er sie tatsächlich um Hilfe bat. Das belustigte das Mädchen ziemlich, obwohl das gemein war.

„Also, dann schießen Sie mal los.“, grinste Isabel ihn frech an.

Der Mann runzelte die Stirn, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt.

„Könntest du mir erklären, wie ich von der Umleitung ins Dorf komme?“

„Ach, Sie sind wohl nicht von hier.“, erwiderte Isabel gelassen, fügte aber hinzu: „Wenn Sie mich mitnehmen ins Dorf, erklär ich Ihnen gern den Weg.“

„Dann steig ein.“

Obwohl Isabel von ihrer überfürsorglichen Mutter gewarnt worden war, nicht zu fremden Männern ins Auto zu steigen, tat das Mädchen, wie ihr geheißen. Irgendwie spürte sie eine seltsame Vertrautheit mit diesem Kerl. Zwar kannte sie ihn kein Stück und sie konnte auch nicht erklären, wieso, aber es war nun mal der Fall.
 

Erst als Isabel ihr Ziel erreicht hatte und sich von dem Mann verabschiedete, erkannte sie, wen sie da vor sich hatte. Sie musste schlucken. Konnte das sein? Andererseits war es kein Geheimnis, dass er von hier war. Besser gesagt, er hatte seine Kindheit und Jugend hier verbracht. Gewiss besuchte er seine Eltern. Allerdings sah Isabel doch zu, dass sie sich so rasch es eben ging verabschiedete. Wenn sie das ihrer Mutter erzählte! Ob sie ihr überhaupt glauben würde?

'Einen Versuch ist es wert.', beschloss das Mädchen, während sie eilig der Haustür zustrebte.

Auch nachdem der Teenager ausgestiegen war, konnte David aus irgendeinem, ihm unbekannten Grund seine Augen nicht von ihr wenden. Sie war schweigsam gewesen auf der Fahrt. Sicherlich war sie erst kurz zuvor aus der Schule gekommen, als er sie aufgegabelt hatte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er an der Haltestelle gestanden und auf den Bus nach Hause gewartet hatte. Das war nie besonders toll gewesen, vor allem aber bei schlechtem Wetter hatte es nichts Ätzenderes gegeben.

Als David bemerkte, auf welches Haus das brünette Mädchen zustrebte, stutzte er.

'Das ist doch das von der Margarita!', durchfuhr es ihn. Er musste hart schlucken. Konnte es sein? Aber nein... Das musste ein Irrtum sein. Solche Dinge passierten in kitschigen Filmen, keinesfalls in der Realität! Sobald sich jedoch die Tür des Hauses geöffnet hatte und eine schlanke, blonde Frau zum Vorschein gekommen war, hatte David Gewissheit. Sein Verdacht war bestätigt. Er hatte soeben, ohne es zu merken, seine eigene Tochter nach Hause kutschiert...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-02-07T19:01:21+00:00 07.02.2011 20:01
xD .. hach.. ich mag die mutter, die ist goldig... :)
"das werd ich dann wohl dem pfarrer beichten müssen"

weißt du, was jetzt noch am schluss fehlt: "ihre augen trafen sich und nach einem endlos langem augenblick zündete villa den motor und fuhr los" ;-)....
hach.. es gibt doch nichts schöneres, als eine schöne schnulze :)


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