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Bis in die Ewigkeit

Eine Geschichte mit drei Enden
von

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"Er hat die Welt vor sich und alles scheint so leicht"

Tom war kein Superstar. Tom war auch kein Held. Er war nicht einmal besonders mutig. Und so klopfte ihm das Herz bis zum Hals, als der Samstag endlich anbrach, als die Nacht endlich vorbei war. Beim Wocheneinkauf auf dem Markt, wo seine Familie regelmässig frisches Gemüse und Früchte von den umliegenden Bauern und Herstellern kaufte, war er quengelig und schlecht gelaunt. Er drängte stets vorwärts, und hätte seine Mutter heute am liebsten erwürgen können, als sie gut gelaunt durch die Gassen zwischen den Marktständern schlenderte, und ein Liedchen summte, Antje an der einen Hand, eine Einkauftüte in der anderen. Aber Tom hütete sich, irgendetwas zu sagen. Er war ja schliesslich vernünftig. Die Zeit würde auch nicht schneller vorbeigehen.

Nach ungefähr einer Stunde, aber gefühlten zehn Tagen traten sie endlich den Rückweg an. Tom fühlte sich wie gerädert, und musste dagegen ankämpfen, im Auto nicht weg zu dösen. Normalerweise konnte er relativ gut in den frühen Morgenstunden aufstehen, doch seine Nacht war ziemlich schlaflos gewesen. Er hatte sich nach einem ereignisreichen Zockerabend, der sich noch bis tief in die Nacht hingezogen hatte, im Bett gewälzt und war nicht zur Ruhe gekommen. Er wusste immer noch nicht, was er tun sollte, ob er überhaupt etwas tun sollte. Nur noch wenige Stunden, bis Robin zur Nachhilfe vorbeikommen würde. Tom fluchte innerlich, als sich sein Magen wieder bemerkbar machte, und sich das kribbelig-flaue Gefühl in ihm breitmachte.

Seine Mutter sagte irgendwas zu ihm, und Antje, die hinter ihm sass, griff mit den Händen um die Kopfstützte, und wuschelte ihm im Haar herum. Er murmelte nur ein „Hmm“, und stöpselte sich die Kopfhörer in die Ohren. Zum Glück hatte er seinen MP3-Player eingesteckt.

Die ersten Takte von Superstar erklangen in seinen Ohren, und er versank erneut in Gedanken.
 

Es gibt keine Superstars

Es gibt nur Träume die zerplatzen

Es gibt keine Superstars

Die sind vergessen und verloren
 

Tom war kein Superstar. Tom war auch kein Held. Und Tom war auch nicht einmal besonders mutig. Das Blatt mit dem Gedicht, welches er für Robin geschrieben hatte, lag ausgedruckt zu Hause auf seinem Schreibtisch. Noch war ihm nicht klar, ob er es ihm wirklich geben konnte. Immer und immer wieder dachte er über Lilies Worte nach, drehte und wendete die möglichen Optionen in seinem Kopf herum. Und doch – sie hatte irgendwie Recht. Es wäre an der Zeit, seinem besten Freund zu sagen, was wirklich los war.

Und was wenn seine Träume ebenfalls zerplatzten? Gerade als der Gedanke ihm durch den Kopf fuhr, kamen sie auch schon zuhause an. Tom half nur das Nötigste mit Aus- und Hinein räumen, und drückte sich dann mit einer fadenscheinigen Ausrede vom Gemüserüsten, stieg die Stufen zu seinem Dachzimmer hinauf, und liess sich aufs Bett fallen.

So schön der gestrige Tag gewesen war, so miesepetrig schien der Himmel heute drauf zu sein. Graue Wolkenschleier zogen über seinem Fenster hinweg, an einigen Stellen fast schon dunkelschwarz waren sie Zeugen von einem bevorstehenden Sommergewitter. Die Schwüle des Zimmers schien ihn zu erdrücken, und er verfluchte sich dafür, dass er den Tischventilator nicht etwas hatte laufen lassen. Er hätte jetzt aufstehen können, und ihn anschalten, aber irgendwie fehlte ihm jegliche Motivation.
 

Es gibt keine Superstars

Es gibt nur Träume die zerplatzen

Es gibt keine Superstars

Die sind vergessen und verloren
 

Was, wenn seine Träume ebenfalls zerplatzten? Tom schloss die Augen, um den grauen Nebelschleier nicht länger beobachten zu müssen. Er wusste ehrlich nicht, was er überhaupt denken sollte. Er hatte sich in seinen Träumen natürlich immer nur vorgestellt, wie Robin ihm um den Hals fallen würde, nachdem er ihm seine Liebe gestanden hatte. Wie er ihn endlich küssen konnte, wie er ihn im Arm halten konnte. Das waren seine Tag- und Nachtträume gewesen, seine schönen Momente im allzu öden Alltag, seine Aufsteller. Doch nun, da er das erste Mal wirklich darüber nachdachte, sich zu offenbaren, kam es ihm schon fast töricht vor. War es nicht viel realistischer, dass Robin ihn verachten würde? Oder zumindest abweisen.

Langsam döste Tom weg.
 

Er wurde geweckt von energischem Klopfen an seine Zimmertür. „Toooom, Besuch is daa“, rief seine Schwester vergnügt, und hängte sich an die Türklinke. Einen Moment lang war Tom verwirrt und fuhr sich durch die Haare. Ein kurzer Blick auf sein Handy sagte ihm, dass es erst kurz vor halb eins war. Er raffte sich hoch, und öffnete die Tür.

„hallo Tom“, grinste ihn Robin an. „Sorry, dass ich jetzt schon komme, aber das Training ist verkürzt worden. Irgend so eine beknackte Geburtstagsparty vom Trainer oder so. Komm ich zu früh?“ „Nee“, antwortete Tom. „Bin nur grad nochmal weggepennt.“ Er schaffte ein Grinsen. „Komm doch rein.“

Er trat von der Tür weg, um Robin einzulassen. „Aber pass auf, nicht zu fest zudrücken, da ist irgend ´ne Türangel kaputt.“ „Ich sehs schon“, antwortete Robin.

Etwas hastiger als es für ihn normal gewesen wäre, zog Tom seinen Schulrucksack aus der Ecke, in die er ihn am Tag zuvor geknallt hatte. „Bin gleich soweit. Ich warn dich aber vor, kann sein, dass es bei uns gleich Mittagessen gibt.“, sagte er zu Robin, der interessiert sein Bücherregal inspizierte. Sogleich war es ihm etwas peinlich, und er wusste nicht einmal genau warum. „Ach, das ist schon in Ordnung. Vielleicht kann ich ja mit essen? Deine Mutter kocht so gut..“ Robin rieb sich gespielt über den Bauch. Es hatte schon Tage oder Abende gegeben, hauptsächlich vor ein paar Jahren, als sie noch nicht so ausgelastet waren mit diversen Hobbies, als Robin öfters über Nacht geblieben war, oder hier zu Mittag gegessen hatte. Tom wusste gar nicht mehr, warum sich das alles überhaupt verloren hatte. Die Schule verlangte ihnen wohl mehr ab als noch vor sieben Jahren in der fünften Klasse.

„Also.. das Future Perfect?“, fragte Tom, und schlug sein Englischheft auf, richtete seinen Blick betont auf die Zeilen mit den Buchstaben. Dann zog er den Stuhl heran, den er sich in weiser Voraussicht am Abend zuvor noch hochgeschafft hatte.

„Jep, Future Perfect. Keine Ahnung was der olle Schwitzfleck eigentlich von uns will, aber das Zeug ist viel zu schwer.“ Robin grinste, und setzte sich auf den Bürostuhl. Tom grinste. „So schwer ists eigentlich nicht, aber dann wollen wir mal.“ Er nickte und setzte sich auf den Stuhl.
 

Drei Stunden später waren beide geschafft. Ihre Mägen waren angefüllt von einer doppelten Portion Gemüselasagne und je zwei Kugeln Schokoladeneiscreme mit Schlagsahne, ihre Köpfe brummten vor lauter Future perfect. „Uff“, murmelte Robin. „Ich kann nicht mehr. Aber ich glaub, ich habs auch schon so langsam kapiert.“ Er stand auf, und streckte sich, schlenderte in Toms Zimmer herum. Wie die meisten seiner – zugegeben wenigen Gäste – war auch er fasziniert von dem Dachfenster, auch wenn er es schon öfters gesehen hatte in der Vergangenheit. Ohne um Erlaubnis zu fragen, denn Robin wusste, er musste das nicht, liess er sich auf Toms gemachtes Bett fallen, und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.

„Echt gemütlich hast du´s hier, muss ich schon sagen.“ Tom fuhr sich fahrig durch die Haare. „Mmh.. ja.. sehr gemütlich.“ Dann stand er auf, und durchquerte den Raum, setzte sich neben Robin auf das Bett, zog die Beine an und schlang die Arme um sie. Er wagte einen kurzen Blick auf Robin, der die Augen mittlerweile geschlossen hatte. Erneut stellte sich das flaue Gefühl im Magen ein.

Wenn Robin ihm hier jetzt auf diesem Bett einschlief… Er wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Sein Blick blieb auf Robin liegen. Vielleicht wäre das hier jetzt der richtige Moment, um zu sprechen, doch Tom spürte, wie er sich gerade in dem bezaubernden Anblick verlor, der sich ihm bot. Er wagte sich nicht zu rühren, um das Bild nicht zu zerstören. Irgendwann würde er ihn wohl wecken müssen, aber gerade genoss er es noch, diese Ruhe. Es schien, als hätte er Robin für einen Moment einfach für sich alleine.
 

Robin schlug ein Auge auf. „Tom?“, seine Stimme klang schon etwas müde. „Mmh?“, Toms Herz schien ihm in die Hose zu sacken, und ärgerlich biss er sich auf die Unterlippe. „Sag mal.. Warst du schon mal verliebt? Also.. so richtig?“

Tom klappte den Mund auf, und starrte Robin an.



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