Zum Inhalt der Seite

Celina - das Wolfsmädchen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Jäger

Am Abend kamen auch Akuma, Zak und Zordan unverletzt an. Er rief mich raus, um mit mir alleine zu reden. „Wegen heute Mittag… es tut mir Leid.“, murmelte ich. „Nein, darum geht es nicht. Aber lasse es in Zukunft bitte sein. Ich kann gut alleine klarkommen. Außerdem hatte ich ja noch Zak und Zordan dabei.“, sprach der schwarze Wolf ruhig. Ich nickte leicht. „Celina, sei nicht so deprimiert. Komm mal mit.“ Wir gingen langsam durch den Wald. „Aber ich muss sagen, du hast interessant gehandelt.“, meinte er, „auf einen Baum zu klettern war eine gute Option.“ Nach einer Weile erreichten wir die Klippe vom Mittag. Über der Klippe stand der Mond, groß und rund in seinem silber-weißem Licht. Fasziniert setzte ich mich hin und ließ die Beine baumeln. Akuma setzte sich neben mich. „Der Mond“, sagte ich, „ist sehr schön. Es ist schon lange her, dass ich ihn so gesehen habe.“ „Du solltest die Umgebung außerhalb des Waldes kennen lernen. Es ist wichtig für Situationen wie heute. Morgen früh zeige ich dir etwas außerhalb.“ „Ja, ich hätte auch keine Ahnung, wo ich da auskommen würde, wenn ich den Wald verlassen würde.“

„Wenn du ihn verlässt, beginnt der Übergang zur Menschenwelt. Die Menschenwelt ist kompliziert und konfus, aber das brauche ich dir ja nicht zu erzählen. Du stammst ja aus dieser.“

„Nein, für mich habe ich schon immer bei euch gelebt. Der Rudel ist meine Familie.“, widersprach ich. „Celina.“ Akuma sprach ernst. „Haben die Jäger deine Gestalt gesehen?“ „Nein.“ „Wirklich?“ „Nein… zumindest glaube ich nicht. Warum?“

„Du bist etwas Besonderes, ein Misch aus Mensch und Wolf. Körperbau und Verstand eines Menschen, Fell und Instinkt eines Wolfes. Menschen sind grausame Wesen, die alles diskriminieren, was anders ist. Lass dich nie von einem Menschen sehen. Du musst noch vorsichtiger sein, als wir.“ Eine unbekannte Woge der Trauer berührte mein Herz. Ich fühlte mich total merkwürdig, konnte aber nicht sagen warum. Akuma stupste mich leicht mit seiner Schnauze an und sprach leise: „Egal was in der Zukunft noch kommen mag, du gehörst zu uns und ich will dich nicht verlieren.“ Ich lächelte und streichelte seinen Kopf. „Danke, Akuma.“

Nach einem kurzen Schweigen fragte ich: „Kannst du mich für eine Weile alleine lassen?“ „Alleine?“ „Ja, bitte. Du kannst ja schon zum Bau gehen. Ich finde alleine zurück.“ „Hm, das gefällt mir nicht…“ „Die Jäger schlafen nachts. Es sind ja schließlich Menschen.“ „Ich habe trotzdem kein gutes Gefühl, aber wenn du möchtest…“

Akuma stand auf, drehte sich um und ging.

Die ganze Zeit über hatte ich nie über mein Sein nachgedacht. Wie ein Tier. Tiere machten sich auch nie Gedanken über ihr Sein. Ich war sowohl Wolf, als auch Mensch. -ein Mischling. Von den Wölfen wurde ich akzeptiert, von den Menschen aber verstoßen? Zumindest sagte dies Akuma. War ich tatsächlich etwas Besonderes? Ich schüttelte meinen Kopf. Ich kann doch jetzt nicht in solche Gedanken versinken. Und die Chance, mich länger mit Akuma zu unterhalten, habe ich auch gründlich vermasselt.

Aber er schien mich doch zu mögen, sonst hätte er nie gesagt, dass er mich nicht verlieren will.

Plötzlich hörte ich Gebell! Die Jäger konnten doch nicht unterwegs sein. Normalerweise schlafen sie doch nachts. Als ich Menschenstimmen hört -und das gar nicht mal so weit weg- wirbelte ich hektisch herum und sprang auf. Ein Stein löste sich unter meinem Fuß und ich stürzte. Ich hörte einen Knall und merkte, wie mir etwas den Arm aufschnitt. Danach fiel ich in die Tiefe. Kein Halt war trotz Versuch möglich. Ich verlor das Bewusstsein.

Vermutlich hatte ich nur ein paar Minuten das Bewusstsein verloren. Ich lag auf einem Steinboden und neben mir war eine große Quelle. Dann bemerkte ich, dass ich nass war.

Mein Sturz führte wohl in das Wasser, doch wer hat mich herausgeholt? „Du bist ja wach.“, ertönte eine männliche Stimme. Ich drehte mich zum und sah einen Jungen in meinem Alter auf mich zu kommen. Er hatte große, schwarze Schwingen. Er sah aus, wie ein schwarzer Engel. Seine Kleidung bestand aus einer schwarzen, zerrissenen Hose. „Wer bist du?“, fragte ich skeptisch. „Ich habe dich aus dem Wasser geholt. Leider konnte ich dich nicht mehr im Fall auffangen, Wolfsmädchen.“ Seine Stimme war sanft und ruhig. Meine Intuition sagte mir, dass dieser Junge vertrauenswürdig war. Er stutzte, kniete sich hin und nahm meinen rechten Arm. „Oh, du bist ja verletzt.“, bemerkte er. „Ja, das müssten die Jäger gewesen sein. Ein Schuss hat mich gestreift.“

„Wie ist dein Name, Wolfsmädchen? Darf ich deinen Namen wissen?“ „Warum nennst du mich Wolfsmädchen?“ „Du bist es doch -ein Mädchen, das zu den Wölfen ging, da es ihnen das Leben verdankt. Und selbst halb zum Wolf wird.“

Dann schwieg er kurz und blickte hinauf zum Mond. „Wir sind uns beide sehr ähnlich…“

„Wieso?“ „Bei mir waren es keine Wölfe, sondern Raben. Mein Name ist übrigens Seth.“ „Ein Rabenmensch also demnach…? Mein Name ist Celina.“ Oh, hübscher Name.“ Er lächelte. Seine kinnlangen, etwas strubbeligen, schwarzen Haare schimmerten im Mondlicht. Ich war von seinem Antlitz entzückt. Er stand auf und hielt mir seine Hand hin. „Komm, ich helfe dir auf.“ Er half mir hoch und dann stand ich vor ihm. Seth war ein gutes Stück größer als ich.

„Du hast aber recht viel von einem Wolf abbekommen, so äußerlich.“, meinte er. „Und du? Nur die Flügel?“ „Nicht ganz. Ich kann auch sehr gut sehen.“

Ich fühlte mich so unglaublich geborgen bei ihm. „Darf ich dich umarmen?“, fragte ich, während ich ihn umarmte. Er hatte aber nichts dagegen. „Du kommst mir so erleichtert vor, Celina.“ Ich löste die Umarmung. „Ja, es gibt jemanden, der mein Schicksal teilt, mit dem ich reden kann.“ „Das stimmt. Ich bin auch irgendwie erleichtert. Aber wir sind keine Einzelfälle. Es gibt mehrere Tiermenschen, aber sie sind eine Minderheit. Nicht zuletzt deswegen, dass sie von Menschen getötet und als Trophäe benutzt werden.“ „Haben sie unterschiedliche Eigenschaften vom gleichen Tier?“ „Ja, es liegt daran, wie sehr sie seelisch belastbar waren im menschlichen Leben. Das werden zu einem Tiermenschen ist wie ein zweites Leben. Du zum Beispiel musstest im menschlichen Leben seelisch stark belastet gewesen sein. Du hast Rute, Wolfsohren, pfotenähnliche Hände und Füße, ja, sogar deine Augen sind anders. Du hattest als Mensch schon einmal an Selbstmord gedacht -und das nicht nur einmal. Die Flucht vor der Realität nutztest du oft, nicht wahr? Dieses zweite Leben kam dir sehr gelegen…“ „Hör auf!“, rief ich zwischen, „Spreche nicht weiter!“ Seine Worte schmerzten mir. Warum? Die Schmerzen waren wie hunderte Dornen in meinem Körper.

„Celina“, sprach Seth ruhig, „Ich wollte dich nicht verletzen…“

Doch ich drehte mich um und lief davon. Dabei dachte ich, jemanden gefunden zu haben, der mir seine Schulter leiht!

Natürlich hatte ich mich nun verlaufen. Ich setzte mich hin und weinte. Dieser Schmerz war seelisch, doch er tat meinem Körper so unglaublich doll weh. „Au…“, schluchzte ich leise.

Einsam. Verlassen. Verirrt. Ich fühlte mich elendig.

„Celina.“ Ich blickte auf. Eine schwarze, vierbeinige Gestalt kam auf mich zu. Es war Akuma. „Akuma!“ Schluchzend fiel ich ihm um den Hals. „Oh, Akuma…“ es tat gut, ihn im Arm zu halten. „Was ist los mit dir, Celina? Du bist ja total aufgewühlt.“ Ich schwieg und schluchzte.

Nach einer Weile hatte ich mich beruhigt. Akuma ergriff das Wort: „Nach dem ich gesehen habe, wie die Jäger und ihre dummen vierbeinigen Sklaven auf dich zu liefen und du stürzte, habe ich mir große Sorgen gemacht. Aber du scheinst unverletzt zu sein. Das beruhigt mich etwas.“

„Mich hat ein Streifschuss getroffen. Am Arm.“ „Das heilt schnell. Wenn du wieder verloren gehst, kommuniziere mit uns, indem du heulst. Ich zeige es dir und du machst es nach.“ Er richtete seinen Kopf gen Himmel und aus seinem Maul ertönte ein schauriges, langgezogenes Wolfgeheul. Mir lief ein Schauer über den Rücken. „Jetzt du.“ Ich schaute in den Himmel, schaute den Mond an und fing an zu heulen. Ein langes Wolfsgeheul kam aus meinem Mund.

„Gut gemacht. Und jetzt lausche.“ Ferner hörte ein weiteres Geheul. „Eine Antwort?“ „Ja, von Shira. So können wir über eine weite Distanz in Kontakt bleiben. Shira müssten wir gleich auf dem Rückweg treffen.“, erklärte der Leitwolf, „Jetzt ab mit uns. Die Jäger haben unser Geheul mit Sicherheit mitbekommen.“

Auf dem Rückweg trafen wir auf Shira. „Ich habe zwei Jagdhunde getötet. Hab versucht, die Gefahr etwas zu verringern. Die Jäger haben das aber nicht mitbekommen.“

Im Bau kuschelte ich mich an Shira und Akuma. Wie ein Stein schlief ich ein.
 

Am Morgen waren Akuma und Shira schon am Jagen, als ich aufstand. Vor dem Bau sah ich der Sonne zu, wie sie am Himmel empor kletterte. Ich dachte über die Worte von Seth nach.

An mein Leben als Mensch konnte ich mich gar nicht erinnern, aber ich glaubte, dass es wahr war. Ich hätte wohl nicht so heftig reagiert, wenn es nicht stimmte. Komisch, dass ich mich gar nicht daran erinnern konnte. Aber wenn es doch ein zweites Leben war, wie Seth sagte, könnte es auch daran liegen.

„So gedankenversunken am frühen Morgen? Sieht dir gar nicht ähnlich, Celina.“ Ich drehte mich um. „Oh, guten Morgen, Anuki.“ „Der Sonnenaufgang ist hübsch, nicht wahr?“ „Anuki, hattet ihr schon einmal einen Tiermenschen im Rudel?“ Der Silberwolf stutzte. „Das kam aber plötzlich. Ja, wir hatten vor ein paar Jahren schon einmal einen Tiermenschen bei uns, ebenfalls ein Mädchen. Sie war aber jünger, kleiner und gebrechlicher. Im Winter ist sie gestorben. Die rauen und harten Bedingungen hatte sie nicht verkraftet. Hübsch war sie aber. Weißes Fell und eisblaue Augen. Ich habe mich sehr um sie gekümmert und sie auch sterben sehen.“ „Oh…“ „Unser Rudel hat schon viele Verluste erlitten, aber der Glaube an uns hält uns noch immer zusammen.“ „Wie alt bist du eigentlich, Anuki?“ „Für einen Wolf schon recht alt. Ich bin -“ Er stockte, als Shira mit Zak und Zordan ankam. „Versteckt euch!“, rief Shira, „Die Jäger kommen!“ „Nein! Wir müssen kämpfen.“, widersprach Akuma. Panik brach unter den Wölfen aus. Ein paar Momente später erreichten die Jäger und die Hunde unseren Bau.

„Sieh an. Ein Wolfsrudel an ihrem Bau. Was für ein toller Fund.“, sprach einer der drei Jäger, „Wir nehmen die besonders gefärbten Wölfe mit und erschießen den Rest.“ Der Rudel machte sich kampfbereit.

Ich war weiter hinten, aber war auch bereit zu kämpfen.

Er teilte sich auf, um die Jäger zu umzingeln. „Passt auf die Gewehre auf!“, warnte Akuma. „Schießt, Leute, schießt! Lasst den schwarzen und den silbernen Wolf leben. Der Rest stirbt!“ Die ersten Wölfe griffen an. Der Rest folgte. Akuma schnellte hervor und verbiss sich in eines der Gewehre. „Lass los, du räudiger Köter!“, fluchte der Jäger und schüttelte das Gewehr. Dabei kam er auf den Abschussknopf. Die Kugel schoss aus dem Rohr. Zak brach zusammen.

Erschrocken rannte ich zu dem toten Körper. „Nein! Zak!“, rief ich verzweifelt. Akuma kam geschockt zu ihm hin. „Es ist meine Schuld.“ Dann aber drehte er sich um und sprang auf den

selben Jäger wieder zu und biss ihm in die Kehle. Dann riss er an ihm und unter Blutspritzen starb der Jäger.

Von der Trauerwelle befreit, stand ich auf und sagte: „Alle diese Jäger müssen sterben! Als Rache für Zak!“ „Hals Maul, Weib!“ Ein weiterer Jäger schoss auf mich. Ich stand da starr vor Schreck. Dann warf sich ein Wolfskörper vor mich und die Gewehrkugel drang in seinen Körper. Er stürzte zu Boden. „Oh, nein! Zordan!“ Ich wollte zu ihm rennen, wurde aber von hinten festgehalten. „Du bleibst hier, Fäulein!“, brummte dieser, der mich festhielt. „Lass mich los!“ „Nö. Du darfst zusehen, wie deine Kameraden sterben.“ Ein Rudelmitglied nach dem anderen viel zu Boden. Nach einer Zeit kam Nachschub an Jägern. „Führt das Mädchen in den Transporter. Um die Wölfe kümmern wir uns schon.“, sagte ein Mann mit einer Maschinenpistole in der Hand. „Nein!“

Egal, wie sehr ich mich wehrte, wurde ich in einen gepanzerten Transporter geworfen. Die Tür wurde geschlossen und es war stockdunkel. Dann wurde der Motor gestartet und der Wagen fuhr los. Panisch hing ich mich an das Gitterfenster und schaute zum Kampfgeschehen. „Akuma! Shira! Anuki! Nein!“ Ich kollabierte und mir liefen die Tränen. Alles brach zusammen Das friedliche, zufriedene Leben bei den Wölfen war mit einem Schlag zerstört.

Ich hatte noch so viel vor.

Akuma wollte mir die Gegend außerhalb des Waldes zeigen, worauf ich mich sehr gefreut hatte. Ich wollte noch so viele Sonnenaufgänge mit den Wölfen zusammen sehen, mit Shira an ruhigen Mittagen in der Sonne liegen und abends den Mond betrachten.

Doch nun war alles zerstört.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück