Der Angriff
Dem Mädchen stockte der Atem.
Von dem früher prächtigen Anwesen waren jetzt nur noch die verkohlten Grundmauern zu sehen.
An manchen Stellen durchbrach das Lodern der Glut die Dunkelheit.
Zwischen den zu Asche verfallenen Überresten des Hauses suchten einige Männer nach noch verwendbaren Gegenständen.
Nervös schaute Nerya sich um.
Konnte es sein...
Das Mädchen erstickte einen Aufschrei.
Neben der Steinruine lagen fünf weiße Bündel.
Die Leichen der Familie Himmler.
Nerya Augen füllten sich mit Tränen.
Sie hatte die Familie seid klein auf gut gekannt.
Und nun waren ihre gemeinsamen Zeiten für immer vorbei.
Nerya kam nicht dazu über ihre ermordeten Freunde zu trauern.
Denn plötzlich schrie einer der Männer auf und deutete auf einen am Boden liegenden Dolch.
Das Zeichen der Dämonen glühte auf seiner Schneide.
Ein betroffenes, besorgtes Schweigen legte sich auf die Umstehenden.
Dann wurde ein Gemurmel hörbar, das schließlich in hektisches Gerede und hysterische Schreie überging. Erst als Andrej, das Dorfoberhaupt anfing zu sprechen, beruhigte sich die Menge langsam wieder.
„So etwas wie heute ist seit dem großen Krieg, in dem die Menschen die Dämonen und ihre Untergebenen bekämpften, nicht mehr passiert“. Er blickte so ernst wie lange schon nicht mehr. Nerya merkte wie angespannt er wirkte.
„Es scheint als seien die Dämonen endgültig zurückgekehrt, um uns Menschen das Leben erneut zur Hölle zu machen. Die heutige Tragödie war wahrscheinlich erst der Anfang, von ihren Racheplänen, aber wir werden nicht mehr tatenlos zusehen!
Wir werden uns auf sie vorbereiten!
Jeder soll ab heute eine Waffe bei sich tragen, oder in der Nähe haben, auch die Frauen und Kinder.
Niemand geht mehr alleine nach draußen und alle, die zu nah am Wald wohnen, werden auf die andere Seite des Dorfes umgesiedelt. Habt ihr mich verstanden?
Wenn ja, dann kümmert euch darum.
Beeilt euch!
Ich werde währenddessen die umliegenden Dörfer benachrichtigen.“
Nerya schaute verstört auf das verkohlte Haus.
Sie verstand es nicht.
Wie konnte man nur so grausam sein?
Egal ob Dämon, oder Mensch man konnte doch nicht einfach so jemanden umbringen!
Als ihr jemand eine Hand auf die Schulter legte, zuckte Nerya erschrocken zusammen.
Sie blickte auf und sah ihrem Vater ins Gesicht.
„Ich hätte mir gewünscht, dass dir dieser Anblick erspart worden wäre, Nerya.“
Nerya schluckte und versuchte sich die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen.
Tenuri lächelte matt. „Ist schon gut, wein dich ruhig aus.“
Er nahm seine Tochter fest in die Arme und strich ihr sanft über das Haar. „Ich weiß, dass es schwer für dich ist, meine Kleine, aber schau mal, das Leben geht weiter. Wir können nichts mehr für Mira und ihre Familie tun. Nur noch beten...“
Er seufzte leise. „Wir werden morgen zu der Beerdigung gehen und für sie beten, in Ordnung?“
Nerya nickte schluchzend..
Tenuri führte seine Tochter nachdenklich nach Hause.
Sie war mittlerweile sechzehn.
Er lächelte beklommen, als er an all die Jahre mit ihr zurückdachte.
Er wollte nicht, dass diese schöne Zeit jemals ein Ende fand.
Aber langsam sollte er ihr ihre wahre Herkunft offenbaren.
Er fürchtete sich davor.