Zum Inhalt der Seite

Zwischen den Fronten II - Auf der falschen Seite?

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein neues Versteck

Kapitel 1: Ein neues Versteck
 

Die Sonne stand blass am klaren, hellgrauen Winterhimmel. Über Nacht hatte es gefroren. Der Boden knirschte unter Ginnys Füßen, als sie durch das breite Tal lief. Sie hatte sich in den dicksten Umhang gehüllt, den sie bei ihrer Flucht mitgenommen hatte, und trotzdem fror sie. Tom hatte darauf bestanden, keinen Wärmezauber zu verwenden, zur Sicherheit. Denn einen Wärmezauber konnte man orten. Einen Desillusionierungszauber, wie er über ihnen beiden lag, jedoch nicht.
 

Ginny blickte neben sich. Eigentlich hätte sie nichts sehen können. Doch durch ihre neue Verbindung zu Tom sah sie ganz deutlich seine Gedanken durch die Luft wirbeln. Sie brauchte sich nicht einmal anstrengen. Es hatte auch Vorteile, ein Horkrux zu sein.
 

'Tom?', dachte sie.

'Ja? Was ist?'

'Warum müssen wir unser neues Versteck schon wieder unter der Erde haben? So wirklich gefällt mir das nicht. Warum geht es nicht über der Erde?'

Tom seufzte leise.

'Eine Festung über der Erde ist normalerweise recht auffällig, Ginny. Das ist das letzte, was ich gebrauchen kann.'
 

Ginny zog eine Grimasse. Dann fiel ihr ein, dass er sie ja nicht sehen konnte, und schnaubte.

'Weißt du eigentlich, wie ungesund es unter der Erde sein kann? Wie soll man denn da bitte lüften?'

Ein leises Lachen drang zu ihr herüber.

'Du hast so lange in meinem alten Versteck gelebt und dich nicht mal ansatzweise darum gekümmert, ob und wie dort gelüftet wird. Trotzdem bist du nicht erstickt. Es wird sehr wohl gelüftet. Mit Magie.'
 

Ginny grummelte.

'Aber es wird auf die Dauer ganz schön bedrückend unter der Erde. Ich würde so gern mal wieder spazieren gehen! Oder fliegen! Und ich bin sicher nicht die einzige, der das fehlt. Denk doch mal an die Kinder!'

Toms Gedanken kamen mit einem verwirrten Unterton bei ihr an.

'Welche Kinder?'

'Meine!', gab sie heftig, aber immer noch lautlos zurück.
 

Sofort spürte sie, wie Tom sich zu ihr umdrehte. Sie sah es nicht, sie spürte es.

'Du hast keine Kinder, Gin.'

'Ich werde aber mal welche haben!'

Jetzt gluckste er belustigt.

'Von wem denn bitte?'

Ginny schwieg. Das hieß, sie schwieg schon die ganze Zeit, doch sie schickte keine neuen Gedanken mehr zu ihm. Sie biss sich auf die Lippe und lief schneller.

Am Fuß des Berges blieb sie stehen und wartete auf Tom, der seine Geschwindigkeit nicht geändert hatte und zurückgeblieben war.
 

Er blieb neben ihr stehen und hob seinen getarnten Zauberstab. Ein leiser Sermon von Beschwörungsformeln wehte zu Ginny herüber, doch sie verstand kein Wort. Plötzlich ertönte aus dem Inneren des Berges ein dumpfes Rumpeln, Tom blieb einen Moment stocksteif stehen, dann schwang er seinen Zauberstab wieder und begann, etwas anderes zu murmeln. Diesmal erkannte Ginny die Beschwörungsformel. Es war ein Zauber, der einen Ort unortbar machte.
 

Nach einer Weile ließ Tom endlich den Stab sinken und verstummte.

'Ich habe eine kleine Höhle in den Berg gesprengt und ihn unortbar gemacht. Jetzt müssen wir rein. Kannst du den Kopfblasenzauber?'

Ginny nickte, zog ihren Zauberstab und murmelte den Zauberspruch. ihr Kopf steckte nun in einer großen Luftblase.

'Gut gemacht. Gib mir deine Hand.'
 

Ginny tastete zuerst mit ihren Gedanken nach Toms Gestalt, dann erst streckte sie die Hand aus und ergriff die seine. Einen Moment später drehte Tom sich von ihr weg, in bodenlose Schwärze, und zog sie mit sich.

Sie erschrak nicht einmal mehr. Zu oft hatten sie das in der letzten Woche getan.

Sie erschienen in einem kleinen Hohlraum im Felsen wieder. Die Luft war staubig, die Wände bröckelten. Ginny war Tom dankbar für den Ratschlag, einen Kopfblasenzauber zu benutzen. Sie selbst hätte das sicher vergessen.
 

Sie ließ Toms Hand nur äußerst widerwillig wieder los, als er nach seinem Zauberstab griff. Er hob den Desillusionierungszauber auf und erschuf vor ihnen beiden einen großen Schild, dann richtete er den Zauberstab auf die Wände und murmelte wiederum ein paar Zauber. Ginny wartete geduldig.
 

Schließlich zeigte er mit dem Zauberstab in eine Ecke der kleinen Höhle und schwang ihn einmal. Eine gewaltige Explosion erschütterte die Höhle, Ginny wurde trotz des Schildes an die Rückwand geschleudert und der Staub vervielfachte sich.

Tom wedelte ungeduldig mit dem Zauberstab und die Luft wurde klar. Jetzt konnte Ginny erkennen, was die Explosion bewirkt hatte: Ein in die Länge gezogenes Loch klaffte in der gegenüberliegenden Wand.

Sie rappelte sich langsam wieder auf.

'Wird das wieder ein Gang?', fragte sie lautlos.

'Ja', gab Tom zurück. 'Jetzt bist du dran. Sprenge einfach schräg nach unten weiter.'
 

Ginny blickte ihn unsicher an und drehte den Zauberstab zwischen ihren Fingern.

'Kann ich das denn?'

Er zog nur eine Augenbraue hoch. Seine roten Augen funkelten.

'Wenn du nicht willst, mach ich es selber.'

Sie schüttelte den Kopf. Natürlich wollte sie!
 

Entschlossen hob sie den Zauberstab und räusperte sich, da zögerte sie noch einmal.

'Was für einen Zauberspruch brauche ich?'

Tom lächelte nur.

'Mach die Augen zu.'

Ginny schloss gehorsam die Augen. Sie hörte ein leises Rascheln, dann stand er hinter ihr. So dicht, dass sie die Wärme, die sein Körper abstrahlte, spüren konnte.

Dann sprach er laut, das erste Mal an diesem Tag. Ginny zucke beinahe zusammen beim Klang seiner scharfen Stimme. Sie sollten eindeutig mehr Gespräche laut führen, dachte sie.
 

"Vergiss alles, was du über Zaubersprüche gelernt hast. Du brauchst sie nicht."

Eine Hand strich sanft über ihre Schulter und ihren Arm entlang. Ginnys Haut kribbelte unter dem Umhang, überall dort, wo er sie berührt hatte. Lange Finger umschlossen ihre Hand, die immer noch den Zauberstab ausgestreckt hielt.

Sie musste sich zwingen, aufrecht stehen zu bleiben und die Augen geschlossen zu halten. Wie gerne hätte sie sich gegen ihn gelehnt und ihn einfach nur angesehen...

Doch jetzt war nicht der passende Zeitpunkt.
 

Er sprach wieder. Seine Stimme hätte Glas schneiden können, doch gleichzeitig klag sie unendlich sanft. Ginny fragte sich nicht zum ersten Mal, wie er das anstellte.

"Spüre deine Magie. Werde dir ihrer bewusst. Spüre, wie sie durch jede Zelle deines Körpers strömt."
 

Ginny lauschte in sich hinein. Ihr Herz pochte ruhig und gleichmäßig, es pumpte ihr Blut in jede Zelle ihres Körpers. Sie horchte noch weiter. Das Blut floss in regelmäßigen Schüben warm durch ihre Adern. Doch floss da nicht noch etwas? Ein helles Kribbeln, bei jedem Herzschlag? Sie lauschte weiter. Ja, es floss zusammen mit dem Blut durch ihren Körper und versorgte ihn mit Wärme und Kraft. Kraft? Magie?
 

"Sehr gut", tönte Toms Stimme hinter ihr. "Jetzt versuche, deine Magie zu lenken. Lenk sie in deine Zauberstabhand und dann in deinen Zauberstab. Wenn du soweit bist, dann lass sie einfach los. Schiebe sie von dir weg und konzentriere dich dabei darauf, was die Magie bewirken soll. Dann wird sie sich automatisch in den entsprechenden Strahl verwandeln."
 

Ginny holte tief Luft, dann atmete sie ruhig und gleichmäßig. Sie spürte, wie die Magie durch ihren Körper floss, überall hin gleich viel. Ein wenig unsicher konzentrierte sie sich auf die Vorstellung, der Magiestrom in ihrem Inneren würde nur in ihre rechte Hand fließen. Schon wenige Atemzüge später tat er zu ihrer eigenen Überraschung genau das. Ihre Hand wurde heiß. Lange, kühle Finger strichen darüber.

"Und jetzt leite die Magie in deinen Zauberstab."

Ginny gehorchte. Nur mit ihrer Vorstellungskraft schob sie die Magie durch ihre Haut in das dünne Stück Holz. Ein wenig sträubte sie sich, doch letztendlich bekam Ginny ihren Willen.
 

"Gut gemacht. Jetzt denke einfach daran, den Tunnel weiterzusprengen und lass die Magie gehen."

Ginny holte tief Luft und stellte sich den Gang vor, wie er fertig aussehen sollte. Dann gab sie ihrer Magie einen letzten Schubs. Im nächsten Moment explodierte die Wand mit einem ohrenbetäubenden Tosen. Ginny riss die Augen auf, als sie nach hinten geschleudert wurde.
 

Ein wenig wacklig rappelte sie sich wieder auf und sah sich um. Tom stand neben ihr und ließ mit einem Winken den aufgewirbelten Staub verschwinden. Ginny schnappte nach Luft. Der Tunnel ging jetzt schon ein beträchtliches Stück tiefer in den Berg hinein. Sie musste mindestens genauso viel heraus gesprengt haben wie Tom zuvor!
 

Er drehte sich lächelnd zu ihr um. "Du lernst wirklich schnell", meinte er und kam auf sie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen und strich ihr vorsichtig mit dem Handrücken über die Wange.

"Gut gemacht, Ginny."

Ginny seufzte leise, als die langen Finger sie berührten und ein warmes Kribbeln hervorriefen. Tom lachte leise, als er das hörte, und gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze.

"Wir haben noch einiges vor, Gin. Komm, helf mir. Die Grundrisse müssen heute noch fertig werden."
 

Ginny zog eine Schnute.

"Warum?", wollte sie wissen.

"Weil ich dann die Schutzbanne über den Berg legen kann und wir nicht draußen schlafen müssen. Sag bloß, dir hat die Woche unter freiem Himmel gefallen?"

Ginny seufzte.

"Nicht wirklich. Okay, dann machen wir eben weiter. Du bist dran!"

Sie zwinkerte ihm zu. Er lächelte und zückte seinen Zauberstab.

Enttäuschung

Kapitel 2: Enttäuschung
 

Ginny und Tom arbeiteten den ganzen Tag lang. Sie sprengten den Tunnel, dann zwei große Hallen, eine als Aufenthaltsraum und zum Essen, die andere für Versammlungen, sowie einen langen, um die beiden Hallen herum führenden Rundgang. Entlang dieses Ganges würden dann die Todesser ihre Unterkünfte selbst sprengen.

Ginny sprengte immer als erstes ein großes Loch in die Wand, dann formte Tom hinter ihr die Wände, begradigte, schliff und polierte. Auch das Schlangenmuster zauberte er wieder in den Boden in der ersten Halle.
 

Nachdem sie mit dem groben Grundrissen fertig waren, legte Tom über den ganzen Berg starke Schutzbanne, dann machten sich die beiden daran, ihre Wohnung samt dem vorgelagerten Scheinbüro zu sprengen, ganz so wie in der alten Festung. Das Arbeitszimmer wurde ein wenig größer, damit Platz für einen zweiten Schreibtisch für Ginny war. Die Möbel und Fenster beschwor Tom einfach aus dem Nichts herauf. Das kostete ihn nicht mehr als ein müdes Winken mit seinem Zauberstab. Er war schließlich ein Genie.
 

Anschließend möblierten sie noch die vordere Halle, dann rief Tom nach seinen Hauselfen. Es waren bestimmt dreißig Stück, die plötzlich vor ihm aus dem Nichts erschienen und dabei alle laut knallten. Mara war auch dabei. Sie lächelte, als sie Ginny erblickte, die anderen jedoch senkten alle ehrfurchtsvoll den Kopf vor Tom. Er befahl ihnen, sich eine Küche zu sprengen und sich dort einzurichten, damit sie für die Todesser kochen konnten, sobald diese eintrafen. Die Elfen verbeugten sich synchron vor ihrem Meister und verschwanden gleichzeitig mit einem lauten Knall.
 

Ginny ließ sich auf einen Stuhl fallen.

"Puh, ich bin fertig", meinte sie. "Es ist verdammt anstrengend, sich dauernd konzentrieren zu müssen."

Tom setzte sich auf einen Stuhl neben ihr.

"Du hast dich ziemlich gut geschlagen, dafür, dass du das erste Mal reine Magie angewendet hast. Ich glaube, ich habe länger gebraucht, bis ich den Dreh heraus hatte."

Er lächelte. Für einen Moment wirkte er unsicher, doch dann wirkte sein Lächeln wieder leicht überheblich, wie immer.

"Aber ich hatte ja auch keinen Lehrer. Du hattest es ein ganzes Stück einfacher. Bild dir bloß nichts darauf ein."

Ginny zog eine Grimasse, doch sie musste lachen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny tauchte an Voldemorts Seite auf einer Waldlichtung auf. Es war eine der Lichtungen, auf der sie in der vergangenen Woche übernachtet hatten.

Voldemort hob den Zauberstab und jagte einen Schutzzauber nach dem anderen in die Luft. Sie legten sich um die Lichtung. Es war auch ein Wärmezauber dabei, die Luft wurde sofort wärmer und die Atemwölkchen, die die beiden gerade noch bei jedem Atemzug in die Luft befördert hatten, verschwanden.
 

Plötzlich ploppte es hinter Ginny, und sie wirbelte herum. Severus Snape war soeben appariert und trat zu ihnen.

Er beugte kurz den Kopf vor Voldemort, murmelte: "Herr", und schenkte Ginny ein Lächeln. Sie lächelte zurück.
 

Voldemort hatte Severus zur Begrüßung nur kurz zugenickt, jetzt streckte er fordernd den Arm nach ihm aus.

"Deinen Arm, Severus."

Severus streckte ihm ohne zu zögern seinen linken Arm entgegen und schob dabei den Ärmel hoch, sodass das Dunkle Mal zum Vorschein kam. Voldemorts Finger griffen nach Severus' Handgelenk und hielten es fest umklammert, mit dem Zeigefinger der anderen Hand berührte er das Dunkle Mal.
 

Ginny konnte sehen, wie Severus vor Schmerz die Lippen zusammenpresste, doch er blieb stumm und sein Arm zitterte nicht einmal, während das Mal noch dunkler zu werden schien. Als Voldemort ihn wieder losgelassen hatte, schwankte er kurz, bevor er sich wieder zu seiner üblichen, düsteren Erscheinung aufrichtete.

Die beiden Männer blickten erwartungsvoll zum Himmel auf. Eine Weile herrschte Totenstille.
 

Dann ertönten die ersten Plopps.

Ein Todesser nach dem anderen apparierte, alle in schwarzen Kapuzenumhängen und mit weißen, ausdruckslosen Masken.

Ginny war die Gegenwart der Todesser gewöhnt, trotzdem fühlte sie sich einen Moment lang unbehaglich. Sie trug keine Kapuze und auch keine Maske. Sie stach richtig aus der Menge heraus. Halt, nein. Severus war auch nicht maskiert, und jetzt apparierten noch zwei unmaskierte Todesser: Bellatrix Lestrange und Lucius Malfoy. Severus, Bellatrix und Lucius. Der Innerste Kreis. Voldemorts Elite. Jetzt fühlte sich Ginny ohne Maske noch unbehaglicher.
 

Bellatrix fiel vor Voldemort auf die Knie, Lucius folgte. Ein Ruck ging durch die Lichtung, als die Todesser es ihnen allesamt nachtaten. Sie sanken vor ihrem Meister auf die Knie, Severus eingeschlossen. Ginny blieb einen Moment lang unschlüssig stehen, da packte Severus sie am Handgelenk und zog sie mit sich zu Boden. Auch, als sie neben ihm kniete, hielt er sie noch fest.
 

Voldemorts Gesicht unterdessen war wieder zu einer Maske erstarrt. Die Haut war wieder weiß und fahl und schien so dünn wie Pergament, die Augen lagen tief in ihren Höhlen und funkelten blutrot, und um seinen Mund spielte ein feines, aber gefährliches Lächeln.
 

Er breitete die Arme aus und rief: "Meine treuen Todesser! Wieder einmal seid ihr meinem Ruf gefolgt, um mir euren Dienst zu erweisen. Erhebt euch!"

Er ließ die Arme sinken und das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, während die Todesser sich langsam wieder aufrappelten. Ginny riss sich von Severus los und sprang mit einem Satz wieder auf ihre Füße. Dann blieb sie etwas unschlüssig zwischen dem Tränkemeister und Voldemort stehen.
 

Dieser blickte ernst und mit blitzenden Augen in die Runde.

"Es geht natürlich um den Überfall des Phönixordens auf unsere Festung. Ich kenne die Lücke, durch die die Informationen über unseren Aufenthalt gesickert sind, und sie ist bereits gestopft. Ich verdächtige keinen von euch hier."

Mehrere Todesser entspannten sich bei diesen Worten sichtlich.
 

"Wir können die Festung nicht mehr als Unterschlupf benutzen. In den Tagen, die seit unserer Flucht vergangen sind, habe ich einen geeigneten Berg für unsere neue Festung gefunden und bereits die Hallen und Gänge gesprengt. Auch die Hauselfen sind bereits umgezogen, es gibt also Essen. Ihr könnt euch, wie letztes Mal, eure Zimmer selbst sprengen und einrichten. Der Wasserzauber liegt auch bereits in den Felsen, ihr könnt sofort einziehen. Der Berg liegt genau - hier!"
 

Bei dem Wort 'hier' breitete er die Arme wieder weit aus. Ein Windstoß fuhr mit einem Mal durch seinen weiten Umhang und brachte ihn zum Flattern. Plötzlich schob sich ein anderes Bild vor Ginnys Gesichtsfeld.

Ein Bild von dem Tal, in dem sie am vorigen Tag noch mit Voldemort auf den Berg zugelaufen war, der sich jetzt vor ihre Augen schob. Auf einmal änderte sich das Bild. Jetzt zeigte es die obere Höhle, die ohne Apparierschutz den Eingang zur neuen Festung bildete. Das Bild drehte sich, sodass jeder Winkel der Höhle sichtbar wurde, dann verschwand es und Ginny blickte wieder auf die winterliche Waldlichtung voller schwarzgewandeter Gestalten. Die Todesser wirkten etwas bedröppelt, wahrscheinlich hatten sie dieselbe Vision gehabt.
 

Voldemort gab ihnen einen Moment lang Zeit, sich wieder zu orientieren, dann erhob er erneut die Stimme über die Lichtung.

"Bevor ihr nun geht, hört mich an! Morgen früh erwarte ich alle, die in der alten Festung eine Unterkunft hatten, nach dem Frühstück in der neuen Festung im Versammlungssaal. Von dort aus appariert ihr dann in die alte Festung und räumt eure Quartiere. Nehmt alles mit, was ihr behalten wollt, den Rest vernichtet ihr. Wenn das erledigt ist, verschwindet so schnell wie möglich wieder, der Orden des Phönix kann jeden Moment auftauchen. Severus und Weasley übernehmen meine Räume, und Lucius und Bella sprengen die Hallen, wenn alle weg sind. Noch Fragen?"
 

Einige Herzschläge herrschte auf der Lichtung vollkommene Stille, dann meldete sich Bellatrix zu Wort. Ihre Stimme bebte vor untedrücktem Zorn.

"Warum kümmert sich die Weasley-Göre um Eure Privaträume und nicht ich?"
 

Voldemort seufzte fast unhörbar auf und legte Ginny eine Hand auf die Schulter. Ginny zuckte unwillkürlich zusammen, blieb jedoch stumm stehen, während Voldemort antwortete.

"Erstens, sie hat da gewohnt und du nicht, Bella. Und zweitens kann sie im Gegensatz zu dir bei Gefahr einen klaren Kopf bewahren."
 

Bella schnaubte ungehalten.

"Trotzdem, sie wird total bevorzugt! Sie hat noch nicht mal das Dunkle Mal!"

Voldemort zog die Augenbrauen hoch und grub seine Finger so fest in Ginnys Schulter, dass es wehtat, doch sie schrie nicht. Sie biss sich auf die Lippe und betrachtete Bellatrix unbehaglich.
 

"Was hab ich denn getan, um so wenig Vertrauen entgegen gebracht zu bekommen?", heulte diese jetzt schon fast. Frust und Eifersucht spiegelten sich auf ihrem Gesicht wieder. "Ich war doch immer Eure treuste Dienerin!"

Voldemort verzog nicht eine Miene.

"Die treuste? Du meinst wohl eher die nervigste!"
 

Ginny warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Wie konnte er jetzt noch Öl ins Feuer gießen und Bellatrix weiter reizen? Er müsste doch eigentlich wissen, dass sie nichts weiter als eifersüchtig war!
 

Bellatrix fiel jetzt vor Voldemort auf die Knie und jammerte verzweifelt: "Mein Lord! ich will doch nicht mehr, als Euch zu dienen! Mein sehnlichster Wunsch -"

Doch Voldemort ließ sie nicht ausreden.

"Ich kenne deinen sehnlichsten Wunsch, und das ist er mit Sicherheit nicht. Schluss damit", zischte er eiskalt.
 

Ginny schauderte. Wie konnte er nur so gemein sein? Sie konnte Bellatrix durchaus verstehen, auch wenn sie nicht verstand, warum diese so oft wütend wurde. Doch die Gefühle, die dahinter steckten, konnte sie so gut nachvollziehen... Konnte Voldemort es etwa nicht?
 

Bellatrix entgegnete mit Verzweiflung in der Stimme: "Aber mein Lord, ich will doch nur... Es tut mir auch wirklich Leid, wenn ich irgendetwas getan haben sollte, um Euch zu verärgern, ich will wirklich nur Euer Bestes und euch helfen..."

Voldemort unterbrach den gestammelten Redeschwall mit einem Schrei: "SCHWEIG!"

Unwillkürlich zogen alle auf der Lichtung, Ginny eingeschlossen, die Köpfe ein. Sie wünschte sich, Voldemort würde endlich ihre Schulter loslassen. Doch er tat ihr den Gefallen nicht.
 

Stattdessen zischte er eiskalt: "Ich hab die Nase voll von deinem Gerede. Crucio!"

Ginnys Entsetzensschrei blieb ihr im Hals stecken, als sie sah, wie Bella aufschrie und sich brüllend vor Schmerz am Boden wälzte.

Sie konnte sich nicht rühren.

Sie konnte es nicht fassen.
 

Voldemort war immer noch zu so etwas fähig? Sie hatte gedacht, er hätte sich gebessert! Sie hatte es wirklich geglaubt! Doch was sie hier sah... es war schrecklich. Sie spürte bittere Enttäuschung in sich aufsteigen. Konnte sie sich so sehr in Voldemort getäuscht haben?

Ohne dass sie es bemerkte, begannen stille Tränen ihre Wangen herunter zu laufen, während Bellatrix immer noch schrie und heulte.

Ginny schloss die Augen. Sie konnte es nicht mitansehen.
 

Sie wusste nicht, wie lange es dauerte, doch irgendwann hörten die schrillen Schreie auf und verwandelten sich in in abgehackte Schluchzer und heiseres Wimmern. Ganz langsam öffnete Ginny die Augen wieder.

Bellatrix lag zusammengerollt wie ein Embryo auf dem kalten Boden und weinte offensichtlich, Voldemort hatte den Zauberstab gesenkt. Noch immer gruben sich seine Finger in ihre Schulter, offensichtlich hatte er überhaupt nicht bemerkt, was mit ihr los war.

Eine neue, bittere Welle der Enttäuschung stieg in ihr auf. Es tat weh. Verdammt weh.
 

"Ihr könnt gehen", meinte Voldemort nun.

Es ploppte rund um die Lichtung, und die Todesser verschwanden. Alle bis auf Bellatrix und Severus. Der musterte Ginny nun besorgt und suchte ihren Blick. Sie beachtete ihn jedoch nicht.

Voldemorts Griff um ihre Schulter hatte sich gelockert, und sie riss sich mit einem Ruck los. Es war ihr egal, ob ihm das in den Kram passte, sie musste weg von ihm.
 

Ohne sich einmal nach ihm umzusehen, stolperte sie, immer noch weinend, zu Bellatrix und fiel neben ihr auf die Knie. Bellatrix hob langsam den Kopf. Als sie Ginny erkannte, verdüsterte sich ihre Miene.

"Verzieh dich."

Ginny schüttelte den Kopf. "Nein. Wir sitzen im gleichen Boot."

Bellatrix blickte verwirrt. "Hä?"

"Der Kerl nimmt auf meine Gefühle genauso wenig Rücksicht wie auf Ihre. Er hätte Sie nicht foltern dürfen."
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Voldemort beobachtete Ginny unruhig. Er hatte nicht gemerkt, wann sie das Weinen angefangen hatte, und er hätte sich am liebsten dafür geohrfeigt. Auch wusste er nicht wirklich, warum sie weinte. Sie mochte Bella doch nicht! Da sollte sie sich doch eigentlich freuen, wenn er sie folterte, oder?
 

Er wollte gerade zu ihr laufen, da gebot Severus ihm mit einer knappen Handbewegung, stehen zu bleiben und trat zu ihm.

"An Eurer Stelle würde ich sie jetzt in Ruhe lassen. Sie ist ziemlich enttäuscht von Euch."

Voldemort begriff nicht. "Enttäuscht? Wieso das denn?"
 

"Aus dem, was ich mitbekommen habe, bevor ihr Geist sich verschlossen hat, hat sie gedacht, Ihr hättet Euch geändert..."

Voldemort warf Ginny einen nachdenklichen Blick zu. "Aber... das habe ich doch."

Severus zuckte mit den Schultern. "Ihr ist es vielleicht nicht genug."
 

Voldemort blinzelte verwirrt. Was erwartete Ginny von ihm?

Er suchte im Geist nach ihr, doch wo er sie in der vorigen Woche immer mit Leichtigkeit gefunden hatte und ihre Gedanken geteilt hatte, krachte er gegen eine undurchdringliche Wand.
 

Im nächsten Moment disapparierte sie zusammen mit Bellatrix. Voldemort verstand die Welt nicht mehr.

Seitenwechsel

Kapitel 3: Seitenwechsel
 

Ginny und Bellatrix tauchten in der kleinen Eingangshöhle wieder auf. Bellatrix taumelte erschöpft und stützte sich an die Wand.

"Was sollte das, Weasley?", keuchte sie angestrengt.

Ginny atmete tief durch, um nicht wieder das Weinen anzufangen. "Er hat Sie gefoltert, obwohl Sie ihm nichts getan haben. Das konnte ich nicht mit ansehen. Ich will nicht, dass er grundlos Leute quält. Ich konnte Sie da nicht liegen lassen."
 

Bellatrix schnaubte. "Wie edelmütig. Und was gedenkst du jetzt zu tun?"

"Ich - ich werde mich von ihm fern halten. Es... ", sie wurde leiser, "Es tut weh, ihn so grausam zu sehen."

Bellatrix musterte Ginny nachdenklich. "Kann ich mir nicht vorstellen."

"Kein Wunder, gab Ginny zurück. "Sie haben ja auch Spaß daran, Leute zu foltern. Ich nicht." Bellatrix zuckte die Achseln.
 

"Ja, kann schon sein. Aber... hast du ihn gern?"

Ginny nickte vorsichtig. Sie hatte Angst, Bellatrix würde auf sie losgehen, sobald sie nur den Hauch von Konkurrenz witterte.

"Ja, habe ich. Aber im Moment... würde ich ihn am liebsten so lange schütteln, bis er darüber nachdenkt, was er tut. Aber das wird er eh nie... Es ist also sinnlos."

Bellatrix' Gesicht nahm einen verbitterten Ausdruck an. "Du weißt gar nicht, wie Recht du hast..."
 

Einen Moment lang standen die beiden stumm in der dunklen Höhle, dann fragte Ginny leise: "Darf ich mir in Ihrer Wohnung ein Zimmer sprengen? Ich will nicht mit ihm in einer Wohnung sein."

Bellatrix blickte sie verdutzt an. "Was? Wieso das denn?"

"Bei Ihnen wird er als letztes nach mir suchen. Ich will ihn nicht sehen."

Bellatrix musterte sie einen Moment lang misstrauisch. "Wieso sollte ich dir helfen?"

"Weil wir im gleichen Boot sitzen. Er nimmt keinen Funken Rücksicht auf unsere Gefühle."
 

Bellatrix legte den Kopf schief. "Da hast du sogar Recht... Okay, komm mit zu mir. Auch, wenn ich es bereuen werde."

Ginny lächelte traurig. "Danke."
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

In den nächsten Tagen kam Ginny kaum aus dem Bett, so niedergeschlagen war sie. Bellatrix ließ sie hier zwar wohnen, doch wirklich Gesellschaft leistete sie Ginny nicht. Die meiste Zeit war sie nicht da.

Ginny hatte bereits alle Bücher ausgelesen, und auf Lernen hatte sie keine Lust. So lag sie die meiste Zeit nur da und dachte nach.
 

Voldemort hatte sich vor der denkwürdigen Versammlung benommen wie ein anderer Mensch. Wie ein netterer Mensch. Einer, der sich nicht am Leid anderer ergötzte und selbst Gefühle hatte.

Doch seit er Bellatrix gefoltert hatte, war Ginny sich nicht mehr sicher, ob er ihr das alles nicht bloß vorgespielt hatte. Auch, seit sie sein Horkrux war, hatte er ihr seinen Geist nie ganz geöffnet. Sie hatte immer nur seine oberflächlichen Gedanken lesen können. Es wäre also gut möglich, dass er sie niemals wirklich gemocht hatte.
 

Wann immer Ginny soweit gedacht hatte, kamen ihr die Tränen. Dann presste sie ihr Gesicht in das weiche Kissen und weinte sich die Seele aus dem Leib.

Voldemorts Anwesenheit in ihrem Geist verblasste allmählich. Er hatte sich seit diesem Abend nicht mehr gemeldet. Ginny war das nicht bewusst, doch sie vermisste es auch nicht.
 

Nach ein paar Tagen - Ginny hatte nicht mitgezählt, wie viele es waren - lag sie wieder einmal auf ihrem Bett und dachte an die Schule. Sie war ausnahmsweise einmal nicht traurig. Jetzt würde dort bald die Zeit losgehen, in der die ersten Lehrer sie schon zum Lernen für die Abschlussprüfungen drängen würden und dementsprechend den Unterricht gestalteten. Sie war fast froh, dass sie diesmal nicht dabei war.
 

Plötzlich drang Voldemorts Stimme in ihr Bewusstsein.

'Ginny! Endlich komme ich mal zu dir durch!'

Ginnys blick verdüsterte sich. Sie starrte die Decke an, als wäre diese der Grund für ihre schlechte Laune.

'Verschwinde,' gab sie zurück.

'Ginny, bitte, tu mir einen Gefallen.'

'Wieso sollte ich?'

'Nur noch ein einziges Mal, bitte.'

'Was ist denn so schlimm, dass du es nicht selber tun kannst?'

Gegen ihren Willen spürte sie Neugier aufkeimen. Was wollte er von ihr?
 

'Der Zauberstab, den ich zur Zeit benutze, gehorcht mir nicht richtig. Damit komme ich nicht gegen eine Meute Ordensleute an, die vielleicht im alten Hauptquartier sind. Dir werden sie nichts tun. Und einer von uns muss dahin. Severus hat es beim letzten Mal nicht schnell genug geschafft, unsere Sachen zu vernichten. Und jetzt hat er keine Zeit. Also musst du gehen.'

'Warum schickst du nicht jemand anders? Die Wand ist doch kaputt, jeder kommt rein.'

'Nein, ist sie nicht. Sie regeneriert sich dauernd wieder, so, als wäre sie jedes Mal, wenn man sie kaputt macht, nur normal geöffnet worden.'

'Oh.'
 

Ginny biss sich auf die Lippe. Sollte sie oder sollte sie nicht? Auf der einen Seite war sie immer noch unglaublich wütend auf ihn, auf der anderen Seite konnte sie ihn nicht einfach so hängen lassen. Sie wusste, wie sehr er es hasste, nicht mit seinem eigenen Zauberstab kämpfen zu können.

Sie seufzte schließlich und rappelte sich auf.

'Okay, ich mache es. Das ist aber dann das letzte Mal, dass ich dir einen Gefallen tue.'
 

'Damit kann ich leben.'

Die Antwort kam knapp und kühl, nicht einmal ein Hauch Enttäuschung schwang darin mit.

Ginny bemerkte dies und wurde daraufhin wieder traurig. Bedeutete sie ihm wirklich nichts mehr? Sie bemerkte gar nicht, dass Voldemort sich schon wieder aus ihrem Kopf verflüchtigt hatte. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie es wirklich tun sollte, dann machte sie sich auf den Weg.

Eine Ginny Weasley hielt ihr Wort.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny apparierte direkt in der vorderen Halle. Der Apparierschutz war nicht wieder aufgebaut worden, seit die Todesser geflohen waren. Sie sah sich wachsam um, doch sie war alleine.

Die Tür, die in das weitläufige Gängesystem führte, war gesprengt worden. Nur noch ein gewaltiger Haufen Steine zeugte von dem Durchgang. Die lange Tafel und sämtliche Stühle waren verschwunden. Die Fackeln brannten nur noch teilweise, es war dämmrig.
 

Ginny murmelte: "Lumos" und lief dann rasch hinüber zu Voldemorts Büro. Auch hier stand nichts mehr an seinem Platz. Ginny schluckte. Doch sie riss sich zusammen und legte die Hand auf die verzauberte Rückwand.
 

Als diese sich verflüchtigt hatte, ging sie zuerst in ihr eigenes Zimmer.

Ihr Schrank war durchwühlt worden, doch soweit sie sehen konnte, fehlte nichts. Sie fischte sich rasch einen schwarzen Winterumhang heraus zog ihn an, ging nach draußen auf den Flur, zückte ihren Zauberstab und konzentrierte sich. Vor ihren Augen stürzte auf einen Wink der Stabs die Decke in ihrem Zimmer ein und begrub es unter sich.
 

Ginny zog ein traurige Grimasse und ging dann zu Voldemorts Schlafzimmer. Das sprengte sie, ohne etwas heraus zu holen. Wenn Voldemort etwas noch brauchte, dann sollte er es ihr gefälligst sagen.
 

Sie ging hinüber zu dem großen Arbeitszimmer, betrat es und drehte sich einmal im Kreis. Hier gab es so viele alte und wertvolle Bücher... Sie konnte sie nicht alle mitnehmen. Sie hatte ihre alles fassende Tasche nicht dabei und außerdem wollte sie nicht allzu lang hier bleiben. Ratlos sah sie sich um.
 

'Auf dem Schreibtisch liegt auch so eine Tasche, wie du sie hast. Schrumpf die Bücher einfach, dann geht es schnell.'

'Soll ich alles mitnehmen?'

'Wenn möglich, ja.'

Ginny schnaubte.

'Ich bin nicht dein Dienstmädchen!'
 

Selbst auf die Distanz spürte sie, wie Voldemort schmunzelte. Schnell schob sie das Bild weg von sich. Dieses Schmunzeln war eher etwas, das zu Tom passte, nicht zu Voldemort. Und in ihren Augen war er seit der Todesserversammlung wieder Voldemort.
 

Sie wollte Tom, der womöglich gar nicht existiert hatte, schnell aus ihrem Gedächtnis streichen. Es tat weh, ihn vergessen zu wollen. Doch sie konnte nicht einfach ignorieren, was er getan hatte. Das hatte sie schon lange genug.

Sie war sich mittlerweile bewusst, dass sie alle seine früheren Taten ausgeblendet hatte, als sie sich in ihn verliebt hatte. Das würde ihr nicht noch einmal passieren.
 

Mit einem weiten Schwung ihres Zauberstabs schrumpften sämtliche Bücher und anderen Dinge, die noch in den Regalen und auf den Tischen lagen. Mit einem weiteren Schwung flog alles in die Tasche, die sie in der Hand hielt.
 

Etwas wehmütig blickte sie sich noch einmal in dem kahlen Raum um. Wie viel Stunden hatte sie wohl hier verbracht?
 

Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verscheuchen. Sie würde diese ruhigen Stunden des Lernens, mit der ein oder anderen ergänzenden Erklärung Voldemorts zu ihrem Stoff, nicht vermissen.

Sie brauchte keinen sadistischen Muggelhasser!

Als sie das Arbeitszimmer sprengte, hatte sie die Augen geschlossen. Sie wollte es nicht sehen.
 

Anschließend rannte sie mehr, als dass sie lief, wieder in die Halle und sprengte das vordere Büro. Kaum war das Kollern des letzten Steins verstummt, ploppte es mehrmals hinter ihr.

Sie erschrak fürchterlich und wirbelte herum.
 

Noch bevor sie jedoch die Neuankömmlinge erkennen konnte, spürte sie Voldemorts Geist. Er drängte ihren eigenen zurück in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins. Sie wollte schreien, doch ihr Stimme gehorchte ihr nicht mehr. Voldemort hatte die Kontrolle über ihren Körper übernommen.
 

Ohne, dass sie etwas tun konnte, vollführte ihr Arm mit ihrem Zauberstab einige schnelle Zauber, ließ die Tasche ins Nichts verschwinden und verwandelte ihre schwarze Todesserrobe in eine abgetragene und schmutzige Gryffindor-Uniform.

Mit einem Mal jedoch zog er sich wieder zurück, bis Ginny ihn nur noch schwach spüren konnte.
 

Sie taumelte und sah sich um.

Um sie herum standen Hermine Granger, Remus Lupin, Mad-Eye Moody und ihr Vater, Arthur Weasley.

Kapitel 4: Zurück auf Anfang - fast

Kapitel 4: Zurück auf Anfang - fast
 

Hermine schrie auf und umarmte Ginny.

"Ginny! Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Ich bin so froh, dass es dir gut geht!"

Ginny erwiderte die Umarmung verwirrt. Moody und Neville hatten doch gesehen, wie sie Voldemort zur Flucht verholfen hatte. Wie konnte Hermine sich da freuen, sie zu sehen?
 

'Als ich die Beschränkungen von deinem Zauberstab genommen habe, habe ich gleichzeitig eine Illusion über dich gelegt, damit du so aussiehst, als wärst du unter Imperius.'

Ginny keuchte auf.

'Was bitte? Warum?'
 

Hermine blickte sie irritiert an.

"Was ist?"

Auf Ginnys Lippen erschien ein schmales, aber echtes Lächeln.

"Ich freue mich auch", murmelte sie und vergrub den Kopf an Hermines Schulter.

"Bitte, nehmt mich mit. Ich will wieder nach Hause."
 

Diesen Entschluss hatte sie in Sekundenschnelle gefällt. Sobald sie realisiert hatte, was Voldemort ihr mit dieser Illusion für eine Möglichkeit eröffnet hatte, wünschte sie sich nichts anderes mehr.

Niemand vom Orden wusste, dass sie Harry verraten und Voldemort geholfen hatte! Sie konnte zu ihrer Familie zurück!
 

Ihr Herz pochte mit einem Mal viel schneller. Hermine drückte sie noch einmal fest, dann ließ sie sie los. Sofort wurde sie auch von ihrem Vater umarmt.

"Dad", seufzte Ginny glücklich.

Noch während der Umarmung disapparierten sie.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Die nächsten Tage verbrachte Ginny zu Hause im Fuchsbau. Ihre Mutter weinte vor Freude. Sie hatte sich wahnsinnige Vorwürfe gemacht, weil sie nicht darauf bestanden hatte, dass Ginny über Weihnachten nach Hause kam, und war nun überglücklich, ihre Tochter wieder zu haben.
 

Natürlich wollten alle nach der ersten Begrüßung wissen, was Ginny erlebt hatte. Ginny selbst wäre ratlos gewesen, doch wieder kam Hilfe von Voldemort. Verwirrt nahm sie diese an.

Er vermittelte ihr mit ein paar Gedanken eine ganze erstunkene und erlogene Geschichte, die allerdings glaubwürdig war.

Ginny erzählte sie so bedrückt, dass niemand daran zweifelte, dass es tatsächlich so gewesen war.
 

Sie war eine Woche vor Harrys Tod von Voldemort entführt worden. Dieser hatte sie unter Imperius dazu gezwungen, ihn zu küssen, um Harry zu ködern. Harry und Hermine waren in die Falle gegangen, und nach einer Woche Gefangenschaft in irgendeinem Wald musste sie erneut Köder spielen. Anschließend war sie weiter von Voldemort festgehalten worden, bis sie zum dritten mal als seine Marionette in der alten Festung Beweise vernichten sollte. Sie hatte es jedoch geschafft, den Imperius abzuschütteln, und Voldemort war sogar noch zu weit entfernt gewesen, um ihr ihren Zauberstab abzunehmen. Bis auf Harrys Tod war also nichts passiert.
 

Ginny wurde einige Tage lang von Molly zu Hause behalten, doch als Hermine von Professor Snape die Einladung bekam, doch trotz ihrer Muggeleltern wieder nach Hogwarts zurückzukommen, den Stoff aufzuholen und ihren Abschluss zu machen, konnte auch Ginny niemand daran hindern, in die Schule zurückzugehen.

Dieses Jahr musste sie auf alle Fälle noch zu Ende bringen. Sie brauchte dringend eine Apparierlizenz. Sie konnte nicht, wie bisher, immer illegal apparieren. Eines Tages würde sie auffliegen.

So kehrte sie Ende Januar zusammen mit Hermine nach Hogwarts zurück.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny saß mit Hermine, Neville und Luna zusammen im Gemeindschaftsraum der Gryffindors und erzählte ihren beiden Freunden die gleiche Geschichte, die sie auch schon im Fuchsbau zum Besten gegeben hatte.

Die beiden blickten reichlich skeptisch drein, doch Ginny gab ihnen über Gedanken zu verstehen: 'Fragt erst, wenn Hermine weg ist. Fragt sie nach Ron, dann verschwindet sie.'
 

Neville nickte ihr unmerklich zu und meinte an Hermine gewandt: "Sag mal, warum ist Ron eigentlich nicht mit euch zusammen zurückgekommen? Er war doch mit Harry und dir unterwegs."

Die Wirkung kam sofort. Tränen sammelten sich in Hermines Augen.

Sie holte tief Luft und begann zitternd zu sprechen.

"Harry und ich haben uns vor Weihnachten mit Ron zerstritten. Er ist abgehauen. Er muss nach Hause in den Fuchsbau gegangen sein, ist aber von dort aus wieder weg gegangen, sagt Molly. Seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen. Harry hatte nicht einmal mehr Gelegenheit, sich wieder mit ihm - zu versöhnen - "

Sie brach in Tränen aus, sprang auf und lief zu den Mädchenschlafsälen hinauf.
 

Ginny musste schlucken. Es war nicht fair von ihr, Hermine wegen Ron und Harry zum Weinen zu bringen. Sie selbst hätte ja wegen den beiden heulen können. Es war auch für sie ein gewaltiger Schock gewesen, zu hören, dass Ron verschollen war.
 

Kaum war Hermine weg, verdüsterte sich Nevilles Miene.

"Du lügst. Du bist nicht erst seit ein paar Wochen bei ihm gewesen, sondern seit ein paar Monaten. Was ist in der ganzen Zeit passiert?"

Er verzog nicht eine Miene, obwohl er sicher auch gerade eben erst von Harrys Tod erfahren haben konnte. Voldemort hatte es nicht groß herumposaunt, er hatte auf den geeigneten Augenblick warten wollen.
 

Ginny senkte den Blick. Verdammt, was sollte sie jetzt sagen? Anscheinend hatten die beiden Voldemorts Imperius schon seit einer Weile abgeschüttelt. Sie blickten Ginny an und warteten auf eine Antwort. Die kam dann auch, allerdings nicht von Ginny.
 

Plötzlich wurde der Blick der beiden glasig und die Haltung starr. Luna meinte mit noch träumerischer Stimme als sonst: "Ich bin ja so froh, dass dir nicht passiert ist. Reden wir nicht mehr darüber, du bist ja wieder da." Neville nickte bekräftigend.

Ginny blickte die beiden irritiert an.
 

'Sie stehen unter Imperius', tönte mit einem Mal Voldemorts Stimme in ihrem Kopf.

'Das seh ich selber', gab sie bissig zurück. 'Warst du das?'

'Nein.'

'Wer dann? Severus?'

'Frag ihn doch.'

'Sag es mir doch einfach.'

'Find es selber raus.'

Ginny schnaubte und brach die Verbindung ab.
 

Ja, sie würde Severus fragen, und zwar jetzt. Es war zwar schon kurz vor der Ausgangsperre, doch das schreckte sie nicht. Die Carrows mussten sie zumindest auf der letzten Todesserversammlung gesehen haben. Sie würden ihr nichts tun.
 

Entschlossen stand sie auf.

"Luna, du musst so langsam in deinen Turm zurück. Soll ich dich begleiten?"

Luna nickte verträumt, wünschte Neville eine Gute Nacht und folgte Ginny durch das Portraitloch und durch die dunklen Gänge von Hogwarts, die zu dieser Zeit wie ausgestorben waren. Am Ravenclawturm verabschiedeten sie sich voneinander, dann machte sich Ginny an den Abstieg in die Kerker hinab.
 

Es wurde kälter, und ohne darüber nachzudenken, wirkte Ginny einen Wärmezauber um sich herum. An das Zauberverbot auf den Gängen dachte sie nicht mehr. Schließlich stand sie vor Severus' Büro und klopfte an. Eine Weile tat sich gar nichts, und sie hatte schon Angst, Severus wäre bereits zu Bett gegangen, da wurde die Tür mit einem Ruck aufgerissen.
 

Severus stand mit seiner üblichen kalten und furchteinflößenden Maske vor ihr. Als er sie jedoch erkannte, lächelte er einen Moment lang überrascht und ließ sie ein.

"Als Lehrer müsste ich dir jetzt einen ordentlichen Haufen Punkte abziehen. Noch außerhalb des Gemeindschaftsraums nach der Sperrstunde, und du hast auf den Gängen gezaubert."

Ginny zog eine Grimasse und löste den Wärmezauber. "Mir war kalt und ich hatte meinen Umhang vergessen", gab sie zurück. "Aber du wirst mir die Punkte nicht abziehen. ich bin nicht als Schülerin hier. Kann ich hier irgendwo komplett frei reden?"

Er protestierte nicht. "Ja, komm mit."
 

Er durchquerte sein Büro in wenigen Schritten und öffnete eine Tür zu seinen Privaträumen, anscheinend zu seinem Wohnzimmer, und winkte Ginny herein. Sie trat ein - und blieb schlagartig stehen.

Auf einem Sofa vor dem Kamin saßen Draco Malfoy und Blaise Zabini und blickten sie verdutzt an.
 

Nach einem Moment quälender Stille schloss Severus die Tür zu seinem Büro hinter sich und Draco fragte unfreundlich: "Was willst du hier?"

Ginny verdrehte innerlich die Augen. Wann begriff der Kerl endlich, dass sie auf der selben Seite standen?

"Ich will mit Severus reden. Was ist mit dir?"

Draco rümpfte die Nase. "Denkst du, das würde ich einer Blutsverräterin wie dir erzählen?"
 

Ginny riss empört den Mund auf. Er hatte es wirklich immer noch nicht begriffen? Wie blöd konnte man sein?

Severus meinte leise: "Draco, lass sie."

Doch gleichzeitig fauchte Ginny: "Nur damit das klar ist: Ich hab deine sogenannten 'Blutsverräter' verraten! Denkst du, der Dunkle Lord hätte mich ansonsten am Leben gelassen?"
 

Draco blickte jetzt reichlich verdattert drein. "Du hast WAS?", entgegnete er ungläubig.

Blaise, der bis jetzt fassungslos von einem zum anderen geblickt hatte, meinte jetzt: "Das würde ich auch gerne wissen. Was redest du da?"

Ginny seufzte und ließ sich neben ihn auf das Sofa fallen.

"Kann ich dir trauen?", wollte sie wissen. Blaise nickte rasch.

"Ich werde bald das Dunkle Mal bekommen. Ich stehe treu hinter dem dunklen Lord."
 

Ginny schluckte, blickte in das knisternde Feuer und meinte leise: "Ich habe Harry Potter verraten. Ich habe seinen Tod mit geplant und ihn in die Arme von Voldemort gelockt."

Blaise klappte der Mund auf. "Potter ist tot?"

Sie nickte.
 

Draco beugte sich vor, um Ginny anzusehen, und meinte, plötzlich mit Respekt in seiner Stimme: "Du hast Potter verraten? Hätte ich dir gar nicht zugetraut, Weasley."

Sie lachte traurig auf. "Ich mir auch nicht."
 

Severus setzte sich nun in einen Sessel und musterte Ginny forschend.

"Ginny, wieso bist du hier?"

Ginny schluckte und sah ihn fest an. "Hast du Neville und Luna unter Imperius?"

Severus legte den Kopf schief. "Ja, wieso? Macht Longbottom wieder Probleme?"

Ginny nickte. "Warum löschst du ihnen nicht einfach das Gedächtnis? Das wäre doch viel weniger Aufwand."
 

Sie biss sich auf die Lippe. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Wie konnte sie nur so kaltschnäuzig sein? Innerlich schüttelte es sie.

Severus schien ebenfalls verwirrt zu sein. "Was hat der Dunkle Lord mit dir angestellt?"

Ginny spürte, wie sie rot wurde. Sie konnte nichts dagegen tun. Mit aller Macht verdrängte sie ein Bild aus ihrem Kopf, in dem sie Lord Voldemort küsste.

"Gar nichts hat er!", fauchte sie.
 

Dracos Blick flackerte interessiert zwischen den beiden hin und her. "Was ist denn so peinlich, Weasley?", fragte er mit einem anzüglichen Grinsen.

Einen Moment später stürzten riesige Flederwichte auf ihn und Blaise herab und zwangen sie, aufzustehen und den Raum zu verlassen. Fluchend stolperten sie hinaus.

Ginny stampfte zur Tür und knallte sie hinter ihnen zu.
 

Sie drehte sich zitternd vor Zorn zu Severus um und ließ den Zauberstab wieder in ihrem Ärmel verschwinden.

"Tut mir Leid", meinte sie leise, doch sie sah gar nicht so aus. Die Genugtuung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Severus lächelte schmal. "Lass gut sein, die zwei besuchen mich sowieso jeden Tag."
 

Ginny nickte knapp und ließ sich wieder auf das Sofa fallen. Eine Weile herrschte Stille.

Dann murmelte Severus: "Du konntest es nicht sehen, dass er sich so benommen hat wie früher, nicht wahr?"

Ginny nickte traurig. Doch plötzlich brauste sie auf: "Was hat Bellatrix bitteschön getan, das eine Folter gerechtfertigt wäre? Liebe ist doch kein Verbrechen!"
 

Severus seufzte schwer. "Liebe. Das ist sein wunder Punkt. Für ihn war die Liebe lange Zeit ein Verbrechen, ich denke, das hat ihn bis heute geprägt."

Ginny legte den Kopf schief. "Hä? Wieso das denn? Weil er ein Waisenkind ist?"

"Das sicher auch. Aber vor allem wegen Potter. Nur wegen Lily Potters Liebe zu ihrem Sohn hat er seine Macht verloren und ist dreizehn Jahre lang gezwungen gewesen, ohne körper zu existieren. Ich denke, er hat die Liebe gehasst."

Ginny nickte langsam. "Glaubst du, er hasst die Liebe immer noch, obwohl Harry... weg ist?"
 

Severus nickte langsam. Dann blickte er ihr direkt in die Augen. "Wenn es dir ernst ist, mach nicht den selben Fehler wie Bella. Gib ihm Zeit und lauf ihm nicht hinterher."

Jetzt schnaubte Ginny. "Darauf kann er lange warten, so wie er sich wieder benimmt. Ich habe es nicht nötig, ihm hinterher zu rennen."

Severus entgegnete nichts.
 

Eine Weile schwiegen sie, dann bemerkte Ginny etwas. In ihrem Kopf. Etwas, was dort nicht sein durfte. Aber es war nicht Voldemort. Sie konzentrierte sich.

Es war wie ein Fühler, der sich in ihre Gedanken geschoben hatte, zunächst so sanft, dass sie es nicht bemerkt hatte.

"Du liest meine Gedanken", sagte sie ruhig.

Severus entgegenete ungerührt: "Halte mich davon ab."
 

Ginny hob den Blick. Die schwarzen Augen scheinen sie aufzusaugen, und nur mit Mühe schaffte sie es, die Bilder aus ihren Erinnerungen von sich fernzuhalten, die sie zu überrollen drohten. Doch der Fühler wich nicht, wie sehr sie auch versuchte, ihn mental von sich zu schieben. Im Gegenteil, je verbissener sie gegen ihn kämpfte, desto tiefer wühlte er sich in ihren Geist.

Nach ein paar Minuten des stummen Kampfes ließ sie die Schultern sinken.

"Ich schaffe es nicht.Kannst du es mir beibringen?"
 

Plötzlich, noch bevor Severus übehaupt mit der Wimper zucken konnte, wurde Voldemorts Anwesenheit in ihrem Kopf deutlicher, als sie seit Tagen gewesen war.

Voldemorts Geist schien in ihr anzuschwellen, immer größer zu werden und sie zu verdrängen. Sie wurde in die hinterste Ecke ihres Geistes gesperrt, bevor sie wusste, wie ihr geschah. Sie wollte um Hilfe rufen, doch ihre Lippen gehorchten ihr nicht mehr.

Mit Schrecken stellte sie fest, dass Voldemort die Kontrolle über ihren Körper übernommen hatte.
 

Severus stellte verblüfft fest, dass Ginnys Augen rot zu leuchten begannen. Fast so rot wie - SEINE Augen. Doch wie konnte das sein?

Doch dann sprach Ginny. "Besser nicht. Nein, ich brauche das nicht."

Ganz abgesehen davon, dass sie gerade genau das Gegenteil gesagt hatte, klang ihre Stimme so kühl und verächtlich, so emotionslos, dass Severus nicht lange überlegen musste, um zu bemerken, was mit Ginny los war.
 

Er unternahm nichts. Irgendwo hatte Ginny Voldemort trotz allem ein wenig verändert, und das hatte keiner geschafft. Sie bedeutete ihm etwas, da war er sich sicher. Er würde ihr nichts antun. Und tatsächlich - nach einem langen Moment des Schweigens ebbte das Glühen in Ginnys Augen ab und sie wurden wieder braun.
 

Ginny keuchte entsetzte auf und schlug sich die Hand vor den Mund. Es war eine erschreckende Erfahrung, sich selbst sprechen zu hören, ohne es irgendwie kontrollieren zu können. Sie blickte Severus mit großen Augen an.

"Das grade eben war nicht ich", flüsterte sie.

Zu ihrer Verblüffung nickte Severus.
 

"Ich weiß", entgegnete er leise. "Du bist wie Potter."

Ginnys Magen zog sich schmerzhaft zusammen. "Wie das?"

Konnte es wirklich sein, dass Harry ebenfalls ein Horkrux gewesen war? Aber - wieso hatte Voldemort ihn dann töten wollen? Ginny schüttelte den Kopf. Es konnte nicht sein.
 

Doch Severus meinte: "Du hast wie er einen Teil der Seele des dunklen Lords in dir." Ginny legte verwirrt den Kopf schief. Sie fragte sich gar nicht erst, woher Severus das wusste. Er hatte wohl ein paar Mal zu oft in den Gedanken fremder Leute geschnüffelt.

"Aber... wenn Harry einen Teil von Voldemorts Seele in sich hatte, wieso wollte Voldemort ihn dann umbringen?"
 

Severus zuckte mit den Schultern. "Ich kann nur raten. Wahrscheinlich wusste der Dunkle Lord nichts davon. Er könnte Potter den Seelenteil zusammen mit seiner Narbe verpasst haben. Das würde dann auch damit zusammenpassen, dass Potter von klein auf Parsel sprechen konnte... Wie hast du deinen Seelensplitter bekommen?"
 

Ginny schluckte, als sie sich wieder an diese Szene erinnerte. "Es... es war, als er Harry umgebracht hat. Er hat irgendeine Beschwörung gesprochen, direkt nachdem er... den Todesfluch... abgefeuert hat..."

Sie blickte zu Boden und blinzelte die aufsteigenden Tränen weg. Nicht mehr um Harry weinen. Nicht weinen. Das brachte ihn auch nicht zurück.
 

Severus nickte mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. "Vielleicht... muss man ja töten, um seine Seele zu spalten... Als er Harry die Narbe verpasst hat, hatte er auch vorher getötet..."
 

Ginny spürte mit Entsetzen, wie Voldemort erneut versuchte, die Kontrolle über ihren Körper zu übernehmen. Sie wehrte sich verbissen, doch sie schaffte es nicht.

Voldemort sprach wieder durch sie: "Severus, rede nicht von Dingen, von denen du nichts verstehst. Es ist besser, wenn du deine große Nase da raus hältst."
 

Severus lächelte milde, als er Ginny sprechen hörte und ihren Augen wieder rot glühen sah. Wenn Voldemort wollte, dass er seine Finger von dieser Angelegenheit lassen sollte, dann war sie ihm entweder sehr wichtig, oder er war auf der richtigen Spur. Oder beides.
 

Als Ginny wieder normal aussah - naja, was hieß schon normal, sie war völlig verschreckt, doch sie sah wieder aus wie sie selbst - meinte er leise: "Danke für die Antwort, mein Lord."

Er deutete eine sitzende Verbeugung an, dann blickte er Ginny forschend an.

"Wie findest du es, dich von ihm wie ein Sprachrohr benutzen zu lassen?"
 

Ginny spürte, wie Voldemort sich wieder in ihrem Geist breit zu machen begann. Und diesmal drängte sie ihn mit all ihrer Willenskraft zurück. Er verstärkte seine Anstrengungen und drängte wieder zurück in ihren Geist. Doch so leicht gab Ginny diesmal nicht auf. Ohne es zu bemerken, ballte sie die Fäuste und biss sich auf die Lippe. All ihre Aufmerksamkeit galt Voldemort. Sie musste ihn aus ihrem Geist bekommen.

Er schaffte es schon, ihren Mund zu öffnen, doch Ginny entriss ihm die Kontrolle wieder und klappte ihren Mund schnell wieder zu, bevor er etwas sagen konnte.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sie Voldemort endlich abgeschüttelt und schnappte nach Luft.

"Verdammt, dieser Kerl soll sich gefälligst aus meinem Kopf raus halten!", fauchte sie.
 

Severus zog überrascht die Augenbrauen hoch, dann huschte eines seiner seltenen, warmen Lächeln über seine Lippen.

"Gut gemacht. Voldemort ist ein guter Legilimentiker, er lässt sich normalerweise nicht vertreiben."

Amüsiert beobachtete er, wie sich tatsächlicher ein leicht verlegener Zug auf Ginnys Miene legte.
 

Schließlich runzelte sie die Stirn und meinte: "Ich habe aber keine Ahnung, was genau ich angestellt habe..."

Severus musste unwillkürlich wieder lächeln. Seine kalte Maske bröckelte vor Ginny, und er bemerkte es nicht einmal.

"Hattest du in diesem Moment Wut auf den Dunklen Lord?"
 

Ginny blinzelte verwirrt. "Hä, was? Nein, ich glaube nicht. Wieso?"

Severus nickte mit einem zufriedenen Ausdruck. "Das ist der Trick. Du darfst dich nicht von deinen Gefühlen lenken lassen. Verschließe sie zusammen mit allen deinen Gedanken, die du verstecken willst, und lass nichts nach draußen. Alle Gedanken sind an Gefühle geknüpft. Die beste Verteidigung deiner Gedanken nutzt nichts, wenn du dem Eindringling mit deinen Gefühlen ein Hintertürchen offen lässt."
 

Ginny nickte langsam. Das erklärte, warum Harry Voldemort nie hatte aufhalten können.

"Und wenn ich alle meine Gedanken und Gefühle abschotte, kann Voldemort auch keinen Besitz von mir ergreifen?"

Severus nickte.

Ginny lächelte. "Das heißt, wenn ich Okklumentik lerne, hab ich meine Ruhe vor ihm? Dann will ich es so schnell wie möglich lernen! Am besten jetzt gleich!"
 

Doch Severus winkte ab. "Jetzt werde ich garantiert nicht mehr damit anfangen. Du gehörst ins Bett."

Ginny riss den Mund auf und wollte schon protestieren, doch heraus kam nur ein lautes Gähnen.
 

Severus lächelte schwach. "Sag ich doch. Ab mit dir! Und keine Zauberei mehr auf den Gängen, haben wir uns verstanden?"

Er warf ihr einen strengen Blick zu. Sie nickte artig und zwinkerte ihm zu.

Dann stand sie auf und ging zur Tür. "Gute Nacht, Professor", meinte sie zum Abschied übertrieben höflich.

Severus nickte ihr zu. "Gute Nacht, Ginny."
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Als Ginny wenig später schläfrig in ihrem warmen Bett lag, flüsterte plötzlich Voldemorts Stimme in ihrem Geist: 'Willst du mich wirklich aus deinem Geist verbannen? Ist das der Dank dafür, dass ich meine Seele mit dir teile?'

Seine Stimme klang kalt, doch nicht so scharf, wie er mit anderen sprechen würde.
 

Ginny ignorierte dies und dachte: 'Warum wolltest du, dass der Orden mich findet? Warum hattest du vorher die Illusion auf mich gelegt?'

'Ich lasse mir immer ein Hintertürchen offen. In deinem Fall ist das Hintertürchen ein weiteres Paar Augen in Hogwarts und im Orden des Phönix.'
 

Ginny schnaubte leise. 'Du hättest es mir ruhig auch vorher sagen können.'

Ein kaltes Lachen schwebte durch ihren Geist. 'Wozu? Deine Seele ist meine Seele.'

Ginny seufzte. 'Nein, ist sie nicht. Und ich bin froh darüber.'
 

Sie wurde wieder traurig.

'Genau solche Dinge sind es, die mich an dir stören', dachte sie noch.

Doch es kam keine Antwort mehr.

Wieder Schule

Kapitel 5: Wieder Schule
 

Am nächsten Morgen stand Ginny zeitig auf, frühstückte mit Hermine, Neville und Luna in der großen Halle und machte sich dann auf den Weg in den Unterricht.

Schon vor dem Mittagessen hatte sie festgestellt, dass sie ihren Klassenkameraden mittlerweile um einiges voraus war. Im Verwandlungs- und Zauberkunstunterricht gelangen ihr die neuen Zaubersprüche mühelos, und in alte Runen lieferte sie aus dem Stegreif eine flüssige Übersetzung ab.

Dass Voldemort diese Verbesserung bewirkt hatte, wollte sie sich allerdings nicht eingestehen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Sie hatte schon einiges an Punkten eingeheimst, als sie zum Essen ging.

Am Gryffindortisch traf sie Hermine.

Diese lächelte sie an und fragte: "Na, wie war dein Unterricht bis jetzt?"
 

Ginny lächelte gezwungen, als sie sich zu ihr setzte. Sie musste vorsichtig sein mit dem, was sie sagte. Hermine glaubte, sie hätte die Zeit vor den Weihnachtsferien an der Schule verbracht und nicht bei Voldemort. Für sie wäre es bestimmt merkwürdig, zu hören, wie sehr Ginny den Unterricht genoss und wie sehr sich ihre Leistungen mit einem Mal verändert hatten.
 

"Ich habe nicht das Gefühl, viel verpasst zu haben. Im Gegenteil, ich habe heute schon Punkte geholt."

Hermine seufzte und begann zu essen.

"Ich nicht", meinte sie missmutig. "Das halbe Jahr aufzuholen, wird ein hartes Stück Arbeit werden. Zum Glück bin ich bis jetzt überall noch mitgekommen."

Den Rest des Essens schwiegen sie und machten sich danach wieder auf den Weg in ihre Klassen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny hatte als nächstes Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Bei Amicus Carrow. Ihr wurde ein wenig mulmig, als sie das Klassenzimmer betrat.
 

Sie hatte Carrow noch nie leiden können. Einmal war er ein Anhänger Voldemorts. Außerdem war er ungerecht, bevorzugte Reinblüter und hatte tierischen Spaß an erniedrigenden Strafarbeiten.

Den Todesser konnte Ginny ihm nicht mehr vorhalten, doch während der ersten Minuten bemerkte sie, dass sein Charakter sich nicht zum Besseren verändert hatte während ihrer Abwesenheit.
 

Da Neville nicht in ihrem Jahrgang war und sie selbst mittlerweile Voldemorts Augapfel, ließ Carrow seinen gesamten Frust an Luna aus, die es anscheinend die letzten Monate trotz Imperius geschafft hatte, zu protestieren.

Auch die anwesenden Halbblüter wurden durch den Kakao gezogen.
 

Ginny war froh, dass sie nicht bevorzugt wurde. Das wäre verdächtig gewesen. Doch anscheinend trug Carrow ihr ihre Proteste im Herbst immer noch nach, und ihr Aufenthalt bei Voldemort hatte nur bewirkt, dass er sie nicht mehr piesackte.

So überstand sie die Doppelstunde unbeschadet.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Sie beschloss, vor dem Abendessen noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen und machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Dort traf sie Hermine, die schon wieder ihren üblichen Bücherstapel auf einem der Arbeitstische um sie herum aufgebaut hatte und eifrig etwas auf eine Rolle Pergament kritzelte.
 

Sie setzte sich dazu, zog einen Runentext aus ihrer Tasche und machte sich an die Übersetzung. Eine Weile arbeiteten beide schweigend, dann machten sie sich ebenso schweigend auf den Weg zum Abendessen.
 

Sie hatten sich kaum am Gryffindortisch niedergelassen, da betrat Severus die Große Halle und machte sich auf den Weg zum Lehrertisch. Hinter Ginny blieb er stehen.

"Miss Weasley?", schnarrte er kalt.

Ginny schreckte hoch. So kannte sie ihn gar nicht mehr.

Erschrocken drehte sie sie sich um und meinte so ruhig wie möglich: "Ja, Professor?"

"Ich will Sie heute Abend um acht Uhr in meinem Büro in den Kerkern sprechen. Wehe, Sie verspäten sich!"

"In Ordnung, Sir. Ich werde kommen."
 

Severus nickte, für einen Moment verloren seine Augen die Kälte, doch sofort schob sich seine eisige Maske wieder auf sein Gesicht und er setzte seinen Weg zum Lehrertisch fort.

Hermines Blick folgte ihm, sie runzelte die Stirn. "Weißt du, was er von dir will?"

Ginny schüttelte den Kopf. "Hoffentlich nichts schlimmes. Und nichts, was lange dauert. Ich habe noch einen ganzen Berg Hausaufgaben."
 

Das war gelogen - den größten Teil hatte Ginny schon vor dem Essen erledigt -, doch das musste Hermine ja nicht unbedingt wissen. Letztes Jahr war sie kaum mehr als eine durchschnittliche Schülerin gewesen, es würde auffallen, wenn sie mit einem Mal so schnell mit der Arbeit fertig war.
 

Sie wusste, dass sie Hermine nicht bis zum Rest des Schuljahres etwas vormachen konnte, doch sie konnte es wenigstens so aussehen lassen, als würde sie sich allmählich steigern. Das würde nicht auffallen, und Hermine würde sich sogar noch darüber freuen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Pünktlich um acht Uhr klopfte sie an die Tür von Severus' Büro. Er öffnete mit seiner üblichen mürrischen Miene. Wortlos winkte er sie in sein Wohnzimmer und bot ihr einen Sessel an.
 

Als er die Tür geschlossen und sich gesetzt hatte, immer noch mit dem selben mürrischen Blick, fragte Ginny leise: "Was ist dir denn über die Leber gelaufen?"

Severus schnaubte. "Dumbledore."

Ginny legte verwirrt den Kopf schief. "Hä? Wie meinst du das?"

"Ich muss ab und zu im Schulleiterbüro arbeiten, auch wenn es mir nicht passt. Das Portrait von Dumbledore darf keinen Verdacht schöpfen."

"Wieso denn nicht? Es ist doch nur ein Portrait. Dumbledore ist doch... tot."
 

Doch Severus schüttelte resigniert den Kopf. "Er kann sogar als Portrait noch Schaden anrichten. Erstens hängt er mit Phineas Nigellus in einem Zimmer, der ein Zweitbild im Grimmauldplatz hängen hat, und zweitens hat er ebenfalls Zweitbilder, und zwar einen ganzen Haufen. Nicht alle kenne ich. Ich weiß nicht, mit wem er in Kontakt tritt und wem er was erzählt. Ich muss vorsichtig sein."
 

Ginny nickte langsam. "Und, ist er so schlimm?"

Severus stöhnte. "Du hast keine Ahnung. Selbst jetzt, wo der Stundenplan seiner geliebten Schüler von Todessern zusammengestellt wurde und sie zum Töten erzogen werden, glaubt er noch, ich hätte ihn nur umgebracht, um ihm einen schmerzlosen Tod zu schenken. Wie kann jemand nur so... blind sein?"
 

Ginny biss sich auf die Lippe. Sie wurde sich zum ersten Mal bewusst, dass Severus für Dumbledore einst Voldemort ausspioniert hatte. Und sie wusste absolut nicht, ob er noch treu hinter Voldemort stand.

"Du, Severus... wegen der Sache mit der Spionage..."

Er blickte auf und durchbohrte sie regelrecht mit seinen Blicken. Doch er tat nichts. Ginny schluckte und tastete nach ihrem Zauberstab. Dann holte sie tief Luft und stellte die Frage, die zwischen ihnen im Raum zu schweben schien.
 

"Woher weiß ich, dass du wieder die Seite gewechselt hast und nicht immer noch für den Orden des Phönix spionierst?"
 

Severus schnaubte, und es schlich sich sogar die Spur eines Lächelns auf seine Lippen.

"Würdest du sonst hier sitzen?"

"Ja. Ich habe dich gebeten, mir Okklumentik beizubringen, um Voldemort aus meinem Kopf zu bekommen. Als Spion für die anderen würdest du das liebend gerne tun."

Severus seufzte. "Du hast mich gesehen. Du hast mich gehört. Ich weiß nicht, ob ich all das, was du in den letzten Monaten von mir gesehen hast, auch so hätte tun können, wenn ich nicht dahinter stehen würde."
 

"Das hättest du, bestimmt. Ich habe dich kein einziges Mal foltern oder töten sehen."

Severus senkte wieder den Kopf.

"Ich habe es aber getan. Und manchmal hat es mir sogar gefallen." Er seufzte. "Zumindest fand ich es in allen Fällen als gerechtfertigt. Sonst hätte ich es nicht getan."
 

Ginny nickte langsam. "Das heißt wohl, ich werde dir vertrauen müssen, dass du zumindest soweit hinter Voldemort stehst, um dafür Leute zu quälen und umzubringen. Und du kommst mir nicht so vor wie jemand, der... Jemand wie Bellatrix."

"Ich bin nicht so wie sie", murmelte er.
 

Dann richtete er sich jedoch auf und griff nach seinem Zauberstab. "Wolltest du nicht eigentlich Okklumentik lernen?"

Ginny nickte rasch. "Natürlich!"
 

Severus stand auf und stellte sich vor Ginnys Sessel. Seine langen Finger spielten fast unschuldig mit seinem Zauberstab. Er sah Ginny ernst an.

"Ich werde gleich in deinen Geist eindringen. Du versuchst, mich davon abzuhalten. Wenn du dazu in der Lage bist, kannst du dich verteidigen."

Ginny nickte und zückte ebenfalls ihren Zauberstab.
 

"Noch etwas: Während der ersten Übungen werde ich vielleicht mehr von dir sehen, als du mir freiwillig zeigen würdest. Fast alles, was du sehen wirst an Erinnerungen, sehe ich auch."
 

Ginny schluckte, doch sie nickte wieder. "In Ordnung. Ich bin bereit."

Severus nickte und blickte ihr direkt in die Augen, den Zauberstab auf ihre Brust gerichtet.

"Drei... zwei... eins... Legilimens!"
 

Ginny hatte keine Zeit, ihren Kopf zu leeren. Sie war noch damit beschäftigt gewesen, sich zu überlegen, was Severus alles sehen könnte. Alles um sie herum verschwamm, wurde dunkel...
 

Und dann sah Ginny eine Erinnerung. Die Siegesfeier nach dem Quidditchspiel. Sie hatten den Pokal gewonnen. Und Harry, der zum Portraitloch herein kletterte. Harry, der sie umarmte. Harry, der sie küsste.

Ginny wollte nach Luft schnappen, als das alte Glücksgefühl, das sie fast vergessen hatte, wieder über sie hereinbrach. Doch sie konnte sich nicht bewegen. Nach einem quälend langen Moment, in dem sich die alte Liebe mit dem frischen Schmerz über seinen Tod vermischte, wurde es wieder schwarz.
 

Dann blickte sie in einen dunklen Gang, sah sich selbst Flüche abfeuern, sich unter Flüchen ducken und hin und her springen. Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was das für eine Erinnerung war.

Doch als sie Bills markerschütternden Schrei hörte, war alles wieder da, als wäre es gestern gewesen. Sie sah sich selbst Greyback mit Flüchen spicken und zu Bill stürzen, der sich blutend am Boden wand. Die Angst, dass es vielleicht schon zu spät für ihn sein könnte, überflutete ihr Denken.

Sie war unfähig, auch nur einen Finger zu rühren. Das aktuelle Wissen, dass er es überstanden hatte, wollte nicht recht zu ihrer Erinnerung durchdringen.

Dann wurde es wieder schwarz.
 

Als sie die nächste Erinnerung sah, wurde ihr etwas mulmig zu Mute. Voldemort und sie apparierten in der kleinen Eingangshöhle. Im nächsten Moment übergab sie sich. Der Ekel füllte auch ihr jetziges Selbst komplett aus. Ein Hauch von Erleichterung mischte sich hinein, als sie die langen Finger an ihrem Hals fühlte, die ihre Haare nach hinten hielten.
 

Mit einem Mal konnte Ginny wieder klar denken. Diese Erinnerung war nicht so heftig wie die beiden vorherigen. Sie verdrängte den Ekel, verdrängte schweren Herzens auch die Erleichterung, bis sie sich in der Szene nicht mehr wieder erkannte. Ihr war es, als wäre es jemand fremdes, der sich bei Voldemort bedankte.
 

Und dann spürte sie ihren eigenen Körper wieder, der immer noch in Severus' Sessel saß. Sie öffnete den Mund und schaffte es tatsächlich, etwas zu sagen.

"Raus aus meinem Kopf!"

Einen Moment war alles schwarz, dann sah sie Severus wieder vor sich stehen.
 

Sie holte tief und zittrig Luft. "Du hattest Recht. Das hätte ich dir wahrscheinlich alles nicht freiwillig gezeigt."

Severus nickte leicht und ließ sich wieder in seinen Sessel sinken.
 

"Was war das letzte für eine Erinnerung? Warum war dir so schlecht?"

Ginny seufzte schwer. "Hast du Nagini schon einmal eine Leiche von innen ausweiden sehen und musstest danach apparieren?"

Severus zog eine Grimasse.

"Keine weiteren Fragen. Du hast dich übrigens gut geschlagen. Potter hat damals geschrien bei seinem ersten Versuch."
 

Ginny blickte zu Boden. Der Schmerz war immer noch da. Die Erinnerung an ihren ersten Kuss hatte sie doch mehr mitgenommen, als sie gedacht hatte.

Traurig meinte sie: "Vergleiche mich bitte nicht mit Harry. Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer verkraften kann. Machen wir weiter?"
 

Sie versuchte, ihre Trauer beiseite zu schieben, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. Trotzdem setzte sie sich so aufrecht wie möglich hin und zückte wieder ihren Zauberstab. Severus erhob sich und zielte wieder auf sie.

"Bist du sicher, dass du es noch einmal versuchen willst?"

"Ja."

Severus holte tief Luft.

"Gut. Drei... zwei... eins... Legilimens!"
 

Ginny wartete darauf, dass sie wieder in eine ihrer eigenen Erinnerungen katapultiert wurde, doch es geschah - nichts.

Als sie nach einer halben Minute immer noch in undurchdringliche Schwärze blickte und ihren Körper noch fühlen konnte, zielte sie blind mit dem Zauberstab vor sich und sagte leise: "Expelliarmus!"
 

Sofort sah sie Severus' Wohnzimmer wieder. Er stand nicht mehr vor ihr, sondern bückte sich einen Meter weiter nach seinem Zauberstab. Sie atmete tief aus und ein, doch sie war nicht einmal annähernd so erschöpft wie beim letzten Mal. Nur die Trauer und der Schmerz, die sie schon vorher gespürt hatte, waren noch vorhanden und machten mit Gewalt auf sich aufmerksam.

Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück.
 

"Das war richtig gut", ertönte irgendwo vor ihr Severus' Stimme.

Sie öffnete die Augen nicht einmal, als sie entgegnete: "Wieso das? Ich habe überhaupt nichts gemacht außer dem Expelliarmus."

Sie hörte, wie er sich wieder setzte.

"Du warst traurig", meinte er leise.
 

Ginny öffnete die Augen und blickte ihn verwirrt an. "Ja, warum?"

Severus blickte ins Leere, als er zu erklären begann.

"Wenn du traurig bist, würdest du das, was dich traurig macht, am liebsten ungeschehen machen und nicht mehr sehen. Dadurch sperrst du es automatisch weg. Und weil alles irgendwie zusammenhängt, alle Erinnerungen und Gefühle, sperrst du alles weg."
 

Ginny betrachtete ihn eine Weile schweigend. Er war einer der besten Okklumentoren, die sie kannte, sogar noch begabter als Voldemort, der meist seine oberflächlichen Gedanken nicht verbarg. War Severus wirklich so gut in Okklumentik, oder...

"Bist du dann die ganze Zeit traurig?", fragte sie leise.
 

Urplötzlich veränderte sich Severus' Miene. Ginny glaubte für einen Moment, einen Sprung in die Vergangenheit gemacht zu haben. Sie hatte wieder den verschlossenen, verbitterten Severus Snape vor sich.

"Raus", zischte er mit zusammengebissenen Zähnen.

Ginny blinzelte verwirrt: "Aber warum - "

Severus sprang auf. Seine schwarzen Augen blitzten sie wütend an, als er schon fast schrie: "RAUS!! Raus, oder ich vergesse mich!"
 

Ginny sprang entsetzt auf und nahm die Beine in die Hand. Hinter ihr donnerte die Tür mit einem markerschütternden Krachen ins Schloss.

'Scheiße', dachte sie, als sie sich auf den Weg in den Gemeindschaftsraum machte. 'Da habe ich wohl einen Nerv getroffen.'
 

Sie beschloss, Severus nicht mehr darauf anzusprechen. Sie konnte ihre Neugierde im Zaum halten. Noch einmal wollte sie deswegen keinen Cruciatus aufgehalst bekommen.

Fast alltäglicher Alltag

Kapitel 6: Fast alltäglicher Alltag
 

Zwei Wochen lang hörte Ginny nichts von Voldemort oder Severus.

Sie fühlte sich fast wieder wie eine normale Schülerin.
 

Nur der Unterricht bei den Carrow-Zwillingen erinnerte sie regelmäßig daran, dass sie das nicht mehr war.

Amicus behandelte sie nicht länger wie die Rebellin, die sie einmal gewesen war, sondern wie eine Reinblüterin.

Alecto blickte sie manchmal ganz seltsam an, als wartete sie auf ein Wort des Protestes von ihr, und wenn dieser ausblieb, lächelte sie siegesgewiss.
 

Ginny hatte ihren Widerstand noch nicht komplett aufgegeben. Im Muggelkunde widersprach sie Alecto immer noch, doch nicht mehr so heftig wie früher.

Sie hatte hier und da einen Blick in der Geist ihrer Lehrerin geworfen und war zu dem Schluss gekommen, dass diese einfach zu blöd war, um zu begreifen, was für Unrecht sie verbreitete. Außerdem hatte sie deren enorme Angst vor Voldemort gesehen. Alles in allem war sie Crabbe und Goyle bei weitem ähnlicher als Severus.
 

Amicus war da anders. Er besaß etwas mehr Grips als seine Schwester, doch auch er unterrichtete nicht aus Überzeugung, sondern nur auf Befehl von Voldemort. Er hasste Kinder, und das ließ er sie auch spüren.
 

Die Tatsache, dass Ginny bei den beiden weniger protestierte, war einfach, dass sie so unauffällig wie möglich sein wollte. Sie wollte weder als Rebellin abgestempelt werden, noch bevorzugt werden. Sie wollte einfach nur in die Schule gehen.
 

Ganz verstummt war ihr Protest zwar nicht, doch sie wusste, dass sie mit Auflehnen gegen die Carrows nicht weiter kam. Die beiden handelten nur nach Befehl und würden es nicht wagen, diesen zu missachten, egal, was sie anstellte.
 

Stattdessen richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Hausaufgaben und den Schulstoff. Doch der konnte sie nicht mehr fesseln. War sie vorher ein gutes Stück voraus gewesen, so war sie jetzt komplett unterfordert.

Aus Langeweile las sie in sämtlichen Lehrbüchern die weiter hinten liegenden Kapitel. Das meiste davon begriff sie recht schnell, und falls sie doch einmal Probleme hatte, was nur selten vorkam, fragte sie Hermine.
 

Diese erklärte ihr nicht nur ihren Stoff, sondern auch Hintergründe und Zusammenhänge, die noch gar nicht in ihren Büchern auftauchten.

Hermine freute sich, dass Ginny so schnell lernte, und übte in der freien Zeit mit ihr neue Zaubersprüche, wenn sie nicht mit Nachholen beschäftigt war.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Nach zwei Wochen ging Ginny wieder einmal zu Bett, ohne sich groß um das Leeren ihres Geistes zu kümmern, wie Severus es ihr geraten hatte. Das hatte sie eine Woche lang versucht, dann allerdings ein paar Tage lang vergessen. Doch Voldemort war nicht aufgetaucht, also hatte sie sich nicht länger die Mühe gemacht, ihren Geist zu leeren.
 

Doch an diesem Abend tauchte er wieder auf.

Zuerst war es nur ein schwaches Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Doch da Ginny mit vier anderen Mädchen in einem Schlafsaal wohnte, achtete sie nicht weiter darauf.

Aber plötzlich zischte eine kalte Stimme, die sie nur zu gut kannte, in ihrem Kopf: 'Ginny. Ich muss mit dir reden.'
 

Ginny zuckte so heftig zusammen, dass sie sich fast neben, statt auf das Bett gesetzt hätte. Sie holte tief Luft, um sich wieder zu beruhigen, und dachte: 'Ich will aber nicht mit dir reden.'

Einen Moment schwiegen beide, während Ginny unter ihre warme Decke kroch, dann fragte Voldemort: 'Was ist los?'

Ginny schnaubte leise.

'Immer noch das selbe wie vorher. Hau ab.'

'Du bist immer noch sauer. Aber warum?'
 

Ginny gab keine Antwort. Stattdessen erinnerte sie sich an ihr Gespräch mit Severus und rief sich eine Erinnerung ins Gedächtnis, die sie traurig machte.

Voldemort, wie er Bellatrix folterte, nur weil sie es gewagt hatte, sich in ihn zu verlieben. Die Trauer füllte ihr ganzes Denken aus und schien Voldemort immer weiter von sich weg

zu

schieben. Sie tauchte ganz ein in dieses Gefühl.

Irgendwann spürte sie Voldemort nicht mehr und der Schlaf überwältigte sie.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am nächsten Tag bekam sie nach Verwandlung von Professor McGonagall einen Zettel zugesteckt. Ginny nahm ihn verwundert entgegen.

"Von Professor Snape", meinte ihre Lehrerin leise. "Seien Sie vorsichtig, Miss Weasley, ja?"

Ginny nickte und bedankte sich.

"Keine Sorge", meinte sie. "Snape wird mir nichts antun."

"Woher wissen Sie das so genau...?"

Doch Ginny war schon zur Tür hinausmarschiert.
 

Professor McGonagall blieb verwirrt zurück. Hatte sie etwas verpasst?

Wieder nagte das unbestimmte Gefühl an ihr, etwas vergessen zu haben. Sie wusste, dass da irgendetwas nicht stimmte. Doch sie kam einfach nicht darauf, was es war. Aber sie würde es herausfinden, das schwor sie sich.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny traf pünktlich unten in den Kerkern ein. Severus wartete bereits auf sie.

"Die Nachricht ist angekommen, wie ich sehe."

Ginny nickte. "McGonagall macht sich Sorgen um mich. Vielleicht solltest du deine Nachrichten in Zukunft lieber den Carrows geben. Die werden wenigstens ihre Nase nicht in Dinge stecken, die sie nichts angehen, wie es McGonagall sicherlich tun wird."
 

Severus seufzte leise und winkte sie zu seinem Sofa.

"Das werde ich. Nur heute hattest du die beiden nicht und ich wollte schon heute mit dir sprechen, ohne halb Gryffindor in Aufruhr versetzen zu müssen."

Ginny lächelte. "McGonagall wird das sicher gerne für dich übernehmen, schätze ich. Warum wolltest du mich sehen?"
 

Severus richtete seinen Blick genau auf ihre Augen. Sie hielt ihm problemlos stand.

"Zufällig war ich heute Nacht wieder auf Streife in den Gängen im Ostflügel im sechsten und siebten Stock. In der Nähe von eurem Turm. Wie immer hatte ich meinen Geist geöffnet. Wenn jemand sich heimlich herum schleicht, springt mir seine Aufregung und Angst auf hundert Meter entgegen. Und rate mal, was ich stattdessen gespürt habe?"
 

Ginny seufzte. "Da muss ich nicht raten. Er war wieder bei mir. Ich hatte vergessen, meinen Geist zu leeren. Aber - ", Sie blickte auf. "ich habe ihn abgewehrt."

Severus zog die Augenbrauen hoch.

"Respekt. Wie, wenn ich fragen darf?"

"Ich habe an etwas gedacht, was mich traurig macht. Aber dauernd will ich das nicht machen müssen. Da werd ich ja depressiv."
 

Severus nickte. "Musst du auch nicht. Du wirst mit der Zeit ein Gespür dafür entwickeln, wann der Dunkle Lord sich von dir oder deiner Umgebung angesprochen fühlen könnte. Manche Dinge reizen ihn einfach eher, zu dir zu kommen, als andere. Dann wirst du blitzartig deinen Geist leeren oder an etwas trauriges denken müssen, je nach dem, was dir lieber ist, um ihn daran zu hindern, zu dir zu kommen. Wenn er doch durchkommen sollte, musst du ihn so abwehren, wie du mich letztes Mal abgewehrt hast."
 

Ginny nickte langsam. "Okay..."

"Wenn du willst, können wir das regelmäßig üben. Nur dann wirst du es wirklich komplett lernen."

"Natürlich! Ich will nicht zusehen müssen, wie er die Kontrolle über meinen Körper übernimmt, und ich will seine Gedanken nicht hören, wenn es mir nicht in den Kram passt. Ich will das steuern können. Würdest du mir wirklich helfen?"
 

Severus blickte ihr direkt in die Augen. "Natürlich. Wenn du willst, können wir jetzt gleich damit anfangen."

Ginny nickte rasch und zog ihren Zauberstab aus dem Umhang.

"Gerne!"

Doch Severus winkte ab.

"Nicht so. Ich dachte eher daran, dass ich den dunklen Lord während einem Gespräch mit dir immer wieder provoziere, so lange, bis er zu dir kommt und du ihn abwehrst. Am Besten gibst du mir dafür deinen Zauberstab, dann kannst du keinen großen Schaden anrichten, falls Voldemort es wirklich schaffen sollte, die Kontrolle über deinen Körper zu übernehmen."

"Das wird wohl das Beste sein."
 

Ginny übergab Severus ihren Zauberstab. Dann stutzte sie.

"Wie bitte? Du willst Voldemort provozieren? Willst du ihn beleidigen? Hast du denn keine Angst? Angst, dass er dich als Verräter abstempeln könnte?"

Ein schwaches Lächeln erschien auf Severus' blassen Zügen.

"Nein, habe ich nicht. Ich tue das schließlich auf deinen Wunsch hin, und dein Wunsch ist Befehl."
 

Ginny legte verwirrt den Kopf schief.

"Hä? Wieso das denn?"

Severus zog die Augenbrauen hoch.

"Sag nicht, du weißt nichts davon."

"Von was denn?"

"Der Dunkle Lord hat veranlasst, dass dein Wunsch Befehl für jeden von uns Todessern ist. Auch für die Mitglieder des innersten Kreises, wie mich."
 

Ginny klappte der Mund auf.

"Er hat WAS?" Sie schüttelte fassungslos den Kopf. "Du hattest ihm nicht zufällig einen Trank untergejubelt, bevor er das gesagt hat?"

"Nein", gab Severus entschieden zurück. "Ich fürchte, du hast einen schlechten Einfluss auf ihn."

Seine Augen blitzten belustigt auf, doch er blickte ansonsten weiter ernst drein.

"Also, wollen wir anfangen?"
 

Ginny nickte rasch. "Was willst du machen? Dich hinstellen und brüllen: 'Voldemort ist scheiße'?"

"Nein, ich dachte eher an ein normales Gespräch. Bei zu offensichtlichen Beleidigungen könnte er Verdacht schöpfen."

"Stimmt auch wieder. Er ist ja schließlich ein Genie."

Sie rollte mit den Augen und zwinkerte Severus zu.

Der lächelte schmal. "Das ist schon mal ein guter Anfang. Vielleicht sollten wir über die Seiten von ihm reden, die nicht so perfekt sind."
 

"Gute Idee. Er ist sehr empfindlich und explodiert jedes Mal, wenn man ihn auf seine Schwächen anspricht."

"Gut beobachtet", meinte Severus. "Seine Familie zum Beispiel. Ich weiß, dass er seinen Vater umgebracht hat, weil der ein Muggel war. Ich bezweifle, dass er jemals geglaubt hat, seine Mutter hätte ihn ernsthaft geliebt."
 

Ginny seufzte. "Warum sollte sich eine Reinblüterin sonst mit einem Muggel abgeben? Das einzige, was mir einfällt, ist Geld, und das kann es nicht gewesen sein, sonst hätte sie kein Kind von ihm bekommen. Das hätte sie auch damals schon verhindern können. Also muss es echte Liebe gewesen sein."
 

Severus schnaubte.

"Unser werter Dunkler Lord ist nur zu engstirnig, um das zu sehen. Es mag sein, dass Muggel schwächer sind als Zauberer, doch die Liebe seiner Mutter und seine Existenz ist eine Tatsache, die nicht einmal er leugnen kann. Dennoch tut er es. Einfach, weil es nicht in sein Weltbild passt. Das lässt ihn aber ganz und gar nicht wie das Genie dastehen, das er sein will."
 

Ginny runzelte die Stirn. "Hast du ihn jemals darüber reden hören? Wahrscheinlich eher nicht. Vielleicht leugnet er es gar nicht. Vielleicht hat er einfach noch nicht darüber nachgedacht."

Severus lächelte schwach.

"Du nimmst ihn in Schutz. Das war nicht meine Absicht. Kann es sein, dass du ihn doch noch ganz gerne hast?"
 

Ginny biss sich auf die Lippe und blickte zu Boden. Tatsächlich, jetzt, wo sie darüber nachdachte... Sie war wütend auf ihn gewesen, und sie war es immer noch. Das war zwar nicht ganz das, was Severus gemeint hatte, doch sie empfand eindeutig noch etwas für ihn. Und wenn es Wut und Enttäuschung waren.

Ein gebrochenes Versprechen

Kapitel 7: Ein gebrochenes Versprechen
 

Die Zeit verging wie im Flug. Ehe Ginny sich versah, war der Februar zu Ende.

Hermine wurde langsam nervös wegen ihrem bevorstehenden UTZ, doch sie half Ginny trotzdem beim eigenständigen Lernen. Ginny dankte es ihr, in dem sie ihr weiter Heile Welt vorspielte. Es fiel ihr schwer, Hermine jeden Tag, mit jedem Wort, jedem Lächeln zu belügen, doch sie sah keine Alternative, um ihre Freundschaft zu erhalten. Hermine würde sie hassen, wenn sie die Wahrheit erfahren würde.
 

Die Sache belastete Ginny mehr, als sie zunächst gedacht hatte. Sie war froh, Severus zu haben. Neben ihrem Okklumentikunterricht saßen sie oft stundenlang in den Kerkern und redeten. Er war der einzige, mit dem sie ihre Probleme teilen konnte. Der einzige in Hogwarts, der sie kannte und verstand. Er war ihre einzige wahre Stütze in einem Meer aus Lügen.

Neville und Luna konnten ihr nicht helfen. Sie standen unter Imperius - Severus war noch nicht dazu gekommen, ihr Gedächtnis zu manipulieren - und kannten zwar einen kleinen Teil der Wahrheit, doch unter Imperius waren sie nicht besonders gesprächig. Severus zog es wohl vor, persönlich mit ihr zu reden. Außerdem verstanden sie es nicht.
 

Alles in allem war Ginny zwar nicht glücklich, aber ihr Leben war so weit ganz erträglich.

Bis auf die wenigen Momente vor dem Einschlafen, in denen sie ab und an immer noch Voldemorts Anwesenheit in ihrem Kopf spürte. In diesen Augenblicken fiel es ihr schwer, nicht einfach ihre Barrieren einzureißen und ihn zu sich zu lassen - und wenn es nur war, um mit ihm zu streiten. Doch sie widerstand der Versuchung.
 

Sie war wütend auf ihn wegen seiner Weltanschauung, die so ungerecht und selbstgefällig war. Sie hatte keine Lust mehr auf das Gerede über reines und schmutziges Blut, keine Lust mehr auf seine Überheblichkeit, in der er sich die Freiheit heraus nahm, Menschen nach Belieben foltern oder töten zu dürfen, hatte keine Lust mehr, dabei zuzusehen, wie er so viele schlimme Dinge tat.

Sie hielt stand.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Doch dann kam der Brief.

Ginny saß gerade mit Hermine am Frühstückstisch und schlürfte ihren brühwarmen Kaffee, da landete ein pechschwarzer Rabe vor Hermine. Er hatte einen Brief im Schnabel, warf ihn Hermine auf den Teller voller Rührei und flog wieder davon. Der Briefumschlag war ebenfalls in pechschwarz gehalten.
 

Hermine öffnete ihn verwirrt. "Ich hab keine Ahnung, von wem der sein könnte", murmelte sie. Eine Karte lag darin, in - was für eine Überraschung! - Schwarzschattierungen gehalten und unbeschriftet.

Hermine klappte sie auf, blickte hinein - und erstarrte.
 

Nach ein paar Sekunden ließ sie die Karte mit einem spitzen Schrei fallen und blickte panisch umher. Ginny musste schlucken. Das war nicht gut.

"Hermine, darf ich... darf ich sie lesen?"

Hermine blickte sie, immer noch geschockt, an.

"Du musst sogar."
 

Ginny schnappte sich die Karte und warf einen Blick hinein. Sie schnappte nach Luft. Das durfte noch nicht wahr sein! Auf der einen Seite der Innenfläche war ein bewegliches Dunkles Mal in Giftgrün abgebildet. Die Schlange zischte sie bösartig an. Auf der anderen Seite standen, ebenfalls in giftgrün, einige Sätze in einer Handschrift, die Ginny nicht erkannte.
 

Sei gegrüßt, Schlammblüterin!

Eigentlich ist es zwar unter meiner Würde, Ungeziefer wie dich überhaupt zu begrüßen, doch heute habe ich meinen guten Tag. Und weißt du auch, warum?

Dein netter kleiner Blutsverräterfreund, der mit den Karottenhaaren, bekommt von uns die Ehre, ein Exempel statuieren zu dürfen.

Heute Nachmittag wird er im Kreis aller Todesser feierlich exekutiert. Du bist hiermit eingeladen, ebenfalls zu erscheinen und ihm Gesellschaft zu leisten in seinen letzten Minuten. Mach dir nicht die Mühe, dich nach passenden Klamotten umzusehen - Ein Schlammblut bleibt immer Schlammblut, auch in einer Todesserrobe.
 

Ginny klappte der Mund auf. Ihr Denken schaltete sich aus, und vor ihren Augen schien alles zu verschwimmen. Das konnte nicht sein. Sie konnten Ron - sie war sich sicher, dass er es war - nicht einfach exekutieren. Voldemort höchstpersönlich hatte ihr doch versprochen, ihrer Familie nichts anzutun!
 

Panisch blickte Ginny umher und biss sich auf die Lippe. Sie hatte Angst um Ron. Und sie hatte Angst um Hermine.

Der Absender hatte nicht geschrieben, wo die Exekution stattfand, doch wenn er Hermine so offensichtlich dazu einlud, in ihr Unheil zu rennen, konnte es nicht weit von ihrem alten Hauptquartier entfernt sein.

Moment mal, ihr Hauptquartier?

Ja, doch. Es war für Ginny monatelang der einzige Ort gewesen, an dem sie leben durfte. Kein Wunder, dass sie es auch ein wenig als ihr damaliges Zuhause ansah. Das hatte absolut nichts mit Voldemort zu tun.
 

Mit einem leichten Seitenblick auf Hermine stellte sie fest, dass diese das Gesicht in den Händen vergraben hatte und anscheinend weinte. Ginny schürte es die Kehle zu. Wie konnte Voldemort es nur wagen?
 

Sie konnte sie nicht trösten. Sie konnte es nicht. Schon gar nicht, wenn wie jetzt schon Parvati und Lavender auf sie einredeten. Die zwei brauchte sie jetzt nicht auch noch.

Ihr Blick wanderte zum Lehrertisch. Als sie Severus' Blick kreuzte, zog er fragend die Augenbrauen hoch. Sie öffnete ihren Geist und tastete nach seinem. Ihre Gedanken hallten wie ein Schrei in seinem Kopf wider.

'Ich muss mit dir reden. Sofort. Es geht um Leben und Tod.'
 

Severus' Augen weiteten sich für einen Moment überrascht, dann setzte er wieder seine kalte Maske auf und nickte kaum merklich.

Nur fünf Minuten später trat er an ihren Tisch.

"Miss Weasley, ich habe Ihnen etwas sehr wichtiges mitzuteilen. Kommen Sie sofort mit mir."
 

Ginny nickte stumm, drückte zum Abschied Hermines Hand und folgte ihn in seine Räume in den Kerkern. Die Karte hatte sie dabei. Kaum hatte sich die Tür hinter den beiden geschlossen, hielt Ginny sie ihm unter die Nase.

"Was zum Teufel soll das?"

Severus nahm die Karte mit spitzen Fingern entgegen. Während er las, wanderten seine Augenbrauen in die Höhe.

"Nun, anscheinend ist dein Bruder wieder aufgetaucht. Aber was meinst du mit 'was zum Teufel soll das'? Der Dunkle Lord hat schon früher Leute exekutiert. Es tut mir Leid, dass es deinen Bruder erwischt hat, aber ich wüsste nicht, was-"
 

Ginny explodierte.

"Er hat mir versprochen, dass er meine Familie nicht anrührt, wenn ich dafür Harry verrate!", brüllte sie ihm entgegen. Und brach in Tränen aus.

Severus bugsierte sie schweigend auf das Sofa und ließ sich neben ihr nieder. Ein Taschentuch schwebte herbei und tupfte die Tränen von Ginnys Gesicht.

Doch sie beruhigte sich nicht. Sie konnte es nicht.

Sollte Harry nun ganz umsonst gestorben sein?
 

Ihr einziger guter Grund außer Feigheit, ihn zu opfern, fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Sie konnte ihren Verrat nicht mehr mit Voldemorts Versprechen rechtfertigen, wenn er es so leichtfertig brach.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit versiegten ihre Tränen. Severus lächelte sie unsicher an.

"Geht es wieder?"

Er hob halb den Arm, als ob er ihn um ihre Schultern legen wollte, doch er tat es nicht. Nach einem langen Moment der Stille sammelten sich wieder Tränen in Ginnys Augen. Sie konnte nicht anders.
 

Diese schüchterne Geste der Zuneigung, erinnerte sie so sehr an Tom... Er hatte wie Severus nie Liebe erfahren und die beiden waren sich in der Hinsicht verdammt ähnlich. Während sie wieder losschluchzte, legte Severus ihr endgültig den Arm um die Schulter. Unsicher begann er, sie hin- und her zu wiegen.
 

"Weine nicht", murmelte er zögerlich. "Uns wird sicher etwas einfallen."

Ginny erstarrte und blickte ihn mit großen Augen an.

"Uns?", wollte sie zittrig wissen.

Severus nickte leicht. "Ja, uns."
 

Ginnys Blick wurde nach dieser Ankündigung hart, ihre Augen begannen zu glühen. Und zwar nicht Voldemort-rot, sondern in ihrem eigenen haselnussbraun. Sie befreite sich sachte aus Severus' Griff, schlang die Hände um ihre Knie und blickte eine Weile ins Leere.

Dann schlich sich ein hartes, kaltes Lächeln auf ihre Gesicht.
 

"Du sagtest, mein Wunsch ist jedem Todesser, dir eingeschlossen, Befehl?"

Severus nickte langsam. "Ja, warum? Was hast du vor?"

Ginnys blitzender Blick traf seinen. "Du wirst mich zur Exekution von Ron mitnehmen. Ich werde nicht zulassen, dass sie ihn umbringen."

Severus zog eine Augenbraue hoch. "Was, wenn sie dich dabei umbringen?"

Ginnys Blick flackerte nicht eine Sekunde. "Dann sterbe ich in dem Wissen, dass ich zumindest versucht habe, ihn zu retten. Ich kann ihn nicht sterben lassen. Er ist mein Bruder. Ich liebe ihn."
 

Severus nickte stumm. Was konnte man dagegen auch sagen?
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Nach dem Mittagessen verließ Ginny den Krankenflügel, in den sie Hermine gebracht hatte, als diese mitten in der großen Halle einen Nervenzusammenbruch bekommen hatte, und eilte zum Schulleiterbüro. Severus hatte erzählt, dass man von dort aus apparieren konnte.

Sie nannte dem steinernen Wasserspeier das Passwort, Atropa Belladonna, und lief so schnell sie konnte die Wendeltreppe nach oben.
 

Vor der Tür zum Büro zögerte sie. Ihr fielen die Portraits wieder ein, insbesondere Dumbledores. Was würden sie denken, wenn sie mitbekämen, wie eng die Beziehung zwischen Ginny und Severus geworden war, und was sie zu tun gedachten?

Rasch zückte sie ihren Zauberstab, zielte durch das Schlüsselloch und flüsterte: "Muffliato!"

Dann klopfte sie an und trat ein.
 

Severus stand hinter seinem Schreibtisch und rieb sich die Ohren. Sie hatte ihn wohl mit erwischt.

Noch bevor sie den Zauber rückgängig machen konnte, schnippte er mit seinem Zauberstab, nicht ohne ihr einen Todesblick zu schenken.

"Die Portraits sind immer noch taub. Woher hast du diesen Zauber?"

Ginny musste schlucken. Severus hatte schlechte Laune. Das war nicht gut.
 

"Von Harry. Wieso, was ist mit ihm?"

Einen Moment später dämmerte es ihr. Der Halbblutprinz. Sie schlug die Hand vor den Kopf.

"Oh, natürlich. Dein Zauber. Hatte ich fast vergessen."

Severus schnaubte. "Potter war eine alte Tratschtante. Komm, wir sind spät dran."
 

Er trat in ein Pentagramm, das in der Mitte des Büros in einem golden schimmernden Kreis aufgemalt war. Ginny trat neben ihn und griff nach seiner Hand. Einen Moment später wurde es schwarz um sie, und ihr wurde die Luft aus der Lunge gepresst.
 

Sie schnappte nach Luft, sobald sie wieder welche bekam. Sie waren mitten in einem Wald gelandet.

Nicht weit entfernt hörte man einen Schrei, darauf hämisches Gelächter. Rons Schrei.
 

Ginny wurde blass, ließ Severus los und rannte dem Geräusch nach, ohne nachzudenken. Severus rannte kopfschüttelnd hinter ihr her.

Ginny hörte nichts mehr außer Ron, der einen zweiten markerschütternden Schrei von sich gab. Und diesmal verstummte er nicht wieder. Sie merkte gar nicht, dass ihr wieder Tränen über die Wangen liefen. Sie rannte und rannte. Schließlich stolperte sie auf eine Lichtung und zwang sich, stehen zu bleiben und sich zu orientieren.
 

Die Todesser standen in einem dichten, geschlossenen Kreis um zwei Personen: Lord Voldemort und Ron. Ron wälzte sich brüllend am Boden, während Voldemort mit lodernden Augen, einem höhnischem Grinsen und gezücktem Zauberstab über ihm stand.
 

Alles Blut wich aus Ginnys Gesicht vor Schreck, und eine eiserne Faust schien ihr Herz zu umklammern. Sie hatte Voldemort bisher noch nie foltern und töten sehen, wurde ihr mit einem Mal klar. Sie hatte es immer verdrängen können - bis jetzt.
 

In dem Moment, in dem Voldemort den Cruciatus aufhob, um Ron eine Gelegenheit zu geben, um Gnade zu betteln, stürmte Ginny los. Das Blut strömte mit Macht zurück in Ginnys Kopf, als sie durch den Kreis der Todesser brach und sich zwischen Ron und Voldemort warf. Schwankend kam sie zum Stehen und funkelte Voldemort stinksauer an.

Die eine Hand hatte sie in ihrer Umhangtasche, den Zauberstab fest umklammert. Man wusste ja nie.
 

Voldemort zuckte tatsächlich für einen Moment lang überrascht zurück, dann beugte er sich kalt lächelnd zu Ginny vor. Sie schauderte einen Moment, als er ihr nach Wochen wieder so nah war, doch sie rührte sich nicht vom Fleck und blickte ihn weiter fest an, in ihren Augen unbändige Wut lodernd.
 

"Nun, Weasley", zischte Voldemort mit einer Stimme, die Glas schneiden konnte, so kalt und scharf.

Sie traf Ginny wie Messer in ihrer Brust, doch sie ließ sich nichts anmerken.

"Du wagst es also, hoffentlich reumütig zu mir zurück zu kriechen?"

Ginny ballte die Hände zu Fäusten. Die Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen, so wütend war sie. War Voldemort wirklich so ignorant, nicht zu verstehen, wieso sie gegangen war? Bevor sie wusste, was sie tat, brüllte sie ihn an.
 

"Spinnst du jetzt total?! Wie kannst du es wagen, einen Weasley zu foltern? Du hattest mir dein Wort gegeben!!"

Eisige Stille herrschte mit einem Mal auf der Lichtung. Gefährliche Stille. Ginny und Voldemort starrten sich unentwegt in die Augen, beide Augenpaare lodernd vor Wut.
 

Ron war der erste, der sich rührte. Stöhnend setzte er sich auf und keuchte: "Ginny - was tust... du hier?"

"Halt die Klappe und rühr dich nicht vom Fleck, Ronald", gab Ginny zurück, ohne ihn anzusehen. Ihre Stimme war eiskalt.
 

Voldemort trat noch einen Schritt näher an Ginny heran. Sie musste zu ihm aufblicken, rührte sich jedoch immer noch nicht. Die Zeit schien still zu stehen. Niemand rührte einen Finger oder wagte auch nur, zu husten. Es war gespenstisch.
 

Severus verlagerte unruhig sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Er wusste, das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Voldemort würde explodieren, und das bald. Er zückte vorsichtshalber den Zauberstab. Es konnte durchaus sein, dass der Wald Feuer fing und er eingreifen musste.

Ein Lächeln schlich sich auf Voldemorts Züge. Das war nicht gut.

Severus machte sich bereit, Ginny zur Hilfe zu kommen, doch er wartete noch.
 

Als Voldemort begann zu lächeln und sich tiefer zu ihr hinunter beugte, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten, schwankte Ginny zwischen dem Verlangen, ihm in die Arme zu fallen und dem Drang, möglichst viel Abstand zu dieser Kreatur zu gewinnen. Alles weiche, verwundbare, nette, war aus seinen Zügen ausradiert, als hätte es nie existiert.

"Du wagst es, mich anzuschreien?", zischte Voldemort eiskalt und mit einer gefährlichen Ruhe.

Doch die Augen kündeten von der Gefahr, die sich anbahnte. Der Fluch war schon fast gesprochen.
 

Voldemort wechselte auf Parsel. Für die anderen unverständlich, zischte er Ginny an: "Ich zzzzzähle bisss drei. Einssss..."

Ginny machte einen vorsichtigen Schritt rückwärts.

"Zzzzwei..."

Noch ein Schritt. Sie packte Ron am Kragen, der hinter ihr immer noch auf dem kalten Waldboden hockte.

"DREI!!!!"
 

Ginny drehte sich auf der Stelle und verschwand, Ron mit sich ziehend. Fast im selben Moment jagte ein grüner Lichtblitz auf die Stelle zu, an der sie gerade eben noch gestanden hatte.

Das Leben geht weiter

Kapitel 8: Das Leben geht weiter
 

Severus zuckte unwillkürlich zurück, als der Todesfluch die Spitze von Voldemorts Zauberstab verließ.

Er hätte nicht gedacht, dass der dunkle Lord soweit gehen würde, um Ginnys Ungehorsam zu bestrafen.
 

Einen Moment lang wollte er schon erleichtert aufatmen, als Ginny mit ihrem Bruder disapparierte, doch dann sah er entsetzt, wie der Todesfluch weiterflog, mitten in den Kreis der maskierten Todesser hinein und einem Todesser mitten in die Brust. Hinter der Maske ertönte noch ein erstickter Schrei, dann kippte der Todesser um.

Severus fluchte, stürzte zu ihm und riss ihm die Maske vom Gesicht. Es war Alecto Carrow.
 

Severus schluckte und neigte einen Moment lang den Kopf, dann schloss er mit einer raschen Handbewegung Alectos Augen und erhob sich. Er hatte sie noch nie gemocht. Er konnte nicht um sie trauern.

Der Schrei ihres Bruders jedoch war fast so laut wie der Voldemorts. Zusammen hallten sie über die Lichtung.

Severus hoffte nur, dass Voldemort daran gedacht hatte, einen Lärmschutzzauber zu wirken, ansonsten würden sehr bald Muggel auftauchen.
 

Er blickte sich um. Voldemort raste vor Wut. Ein paar Todesser krümmten sich vor Schmerzen am Boden, und noch immer schrie er einen Crucio nach dem anderen. Rasch trat Severus ein paar Schritte zurück.
 

Im nächsten Moment legte sich ein fast unmerklicher magischer Schleier über die Lichtung. Den meisten würde es gar nicht auffallen, nur wer wie Severus darauf geschult war, mit dem Geist Magie zu erkennen, würde wissen, was es war. Eine Appariersperre.

Severus seufzte. Es stand wohl wieder Gehirnwäsche an.
 

Es war nicht das erste Mal, dass Voldemort eine Niederlage oder eine Blamage aus dem Gedächtnis seiner Todesser löschte. Den innersten Kreis verschonte er zwar meistens, aber Severus sah mit Schaudern, wie Bellatrix als erstes das Gedächtnis verändert wurde.
 

Die meisten Todesser hatten sich wieder in den Kreis eingefunden, und die wenigen, die anscheinend zu fliehen versucht hatten, lagen geschockt auf der gefrorenen Erde.

Severus hoffte, dass Voldemort ihn selbst wieder auslassen würde. Er hasste das Gefühl, eine Gedächtnislücke zu haben.

Er musste schlucken, als Lucius Malfoy an die Reihe kam und ebenfalls nicht verschont wurde.
 

Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Voldemort sparte sich ihn immer bis zum Schluss auf. Sollte das eine Ehre sein oder wollte er ihn damit nur quälen? Severus war sich nicht ganz sicher.

Als sein Meister bei ihm angelangt war und schon den Zauberstab erhoben hatte, schüttelte er den Kopf und meinte leise: "Bei allem Respekt, mein Lord, wenn Ihr mir das Gedächtnis löscht, wie soll ich dann Ronald Weasley davon abhalten, seine Schwester zu verraten und einen neuen Lehrer für Muggelkunde finden?"
 

Voldemort schnaubte frustriert und ließ den Zauberstab sinken. Im nächsten Moment fiel die Appariersperre.

"Verschwinde und tu das, bevor ich es mir anders überlege", zischte er.

Severus ließ sich das nicht zweimal sagen und disapparierte.
 

Als er im Büro des Schulleiters wieder auftauchte, atmete er erst einmal tief durch. Ein Wutanfall Voldemorts war immer eine nervenaufreibende Sache.

Er sah sich um. Die Portraits versuchten immer noch, verzweifelt ihre Gehörgänge frei zu bekommen. Der Muffliato wirkte noch.

Doch Ginny und ihr Bruder waren nicht hier.
 

Er seufzte schwer. Dann waren sie wohl am Rand des Geländes gelandet. Er trat zum Fenster und sah hinaus auf die kalten, verschneiten Schlossgründe. Tatsächlich, in der Ferne, am Haupttor, konnte er eine Bewegung ausmachen.
 

Severus fluchte leise, riss das Fenster auf und stürzte sich ohne viel Federlesen in die Tiefe. Schon nach wenigen Metern bremste sein Fall, und er schwang sich leicht wie ein Vogel in die Lüfte.

Ginny würde etwas zu hören bekommen, wenn er sie in die Finger bekam...
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny ließ Rons Umhang los und lehnte sich zitternd gegen das große Tor.

Er hatte einen Todesfluch auf sie abgeschossen. Er hatte sie wirklich töten wollen.

Unwillkürlich schlichen sich Tränen in ihre Augen.

Voldemort hatte noch nie versucht, sie zu töten. Sein Tagebuch hatte es getan, doch er selbst nie. Er hatte sie im Gegenteil mehrmals vor dem Tod gerettet.
 

Was war nur in ihn gefahren?

Seit wann war er wieder so herzlos?

Und vor allem: Wieso hatte er sein Versprechen gebrochen?

Bedeutete sie ihm denn gar nichts mehr?
 

Sie schluchzte auf. Ron, der sich neben ihr am Gitter wieder aufrichtete und sie etwas benommen anblinzelte, nahm sie gar nicht wahr. Ihre ganze Welt war hinter einem Schleier aus Tränen versunken. Alles drehte sich.

Voldemort wollte sie tot sehen. Tom wollte, dass sie starb. Wie hatte sie sich nur so täuschen können?
 

Sie bemerkte in ihrem Kummer auch das Rascheln von Severus' Umhang nicht, der hinter ihr auf der anderen Seite des Tors landete.

Erst als das Tor quietschend aufschwang und Severus beschwingt hindurchtrat, sah sie auf.
 

Teilnahmslos sah sie zu, wie er sich vor ihr und dem immer noch bedröppelten Ron aufbaute, sein grimmigstes Gesicht aufsetzte und ohne Vorwarnung losschimpfte.

"Ginny, bist du wahnsinnig?! Er hätte dich um ein Haar getötet!"
 

Sie zuckte nur mit den Schultern. "Na und? Warum regst du dich so auf? Er hat mich nicht erwischt."

Severus brauste auf. "Er hat DICH nicht erwischt, aber sein Fluch hat Alecto Carrow getötet!"
 

Jetzt endlich wagte Ginny aus ihrer Trance. "Was? Alecto Carrow ist tot?"

Severus nickte.

Ginny blickte einen Moment zu Boden, dann blickte sie Severus fast entschuldigend an.

"Na gut, ich wollte nicht, dass jemand stirbt, aber ich kann nicht sagen, dass ich besonders traurig darüber wäre. War Voldemort sauer?"
 

Severus rollte mit den Augen. "Du hast keine Ahnung. Er hat eine Appariersperre verhängt, alle Todesser zusammengetrieben und diese Blamage systematisch aus ihren Gedächtnissen gelöscht. Ich war der einzige, den er verschont hat."

Ginny musste schlucken. So etwas hatte sie bei allen Wutanfällen Voldemorts, die sie überstanden hatte, noch nicht erlebt.
 

Nach einem langen Moment der Stille meinte plötzlich Ron: "Ginny... was zur Hölle ist hier los?"

Ginny zuckte zusammen. Ron hatte sie beinahe vergessen. Unauffällig zog sie ihren Zauberstab. Es gefiel ihr nicht, doch es musste sein.
 

Sie konzentrierte sich auf den Schockzauber, wiederholte in Gedanken das Wort 'Stupor' so lange, bis es wie ein Mantra durch ihren Kopf pulsierte, dann wirbelte sie zu Ron herum und ließ den ungesagten Schocker los.

Ron kippte um, noch bevor er realisieren konnte, was geschehen war.
 

Ginny fing ihn auf, legte ihn vorsichtig auf den Boden, dann steckte sie ihren Zauberstab weg und fragte: "Hilfst du mir, sein Gedächtnis zu verändern?"

Severus schnaubte. Auf einen Zauberstabwink seinerseits erhob sich Rons lebloser Körper in die Luft und schwebte durch das Schlosstor. Severus folgte ihm und winkte Ginny hinter sich her. Hinter den dreien schwang das Tor von Zauberhand wieder zu.
 

"Mir bleibt ja nichts anderes übrig", brummte er. "Komm mit in meine Räume."
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ron lebte sich problemlos wieder in den Schulalltag ein.

Er hatte keine Erinnerung mehr an Ginnys Auftritt, er wusste nur, dass sie ihn irgendwie aus den Klauen der Todesser gerettet hatte und war ihr sehr dankbar dafür. Ginny wusste nicht recht, ob sie sich darüber freuen sollte. In gewissem Sinne hatte sie ihn ja gerettet, doch sie fühlte sich schuldig, wenn sie seinen Dank annahm, da sie ihm ja das Gedächtnis manipuliert hatte.
 

Sie tat ihr Bestes, um Ron aus dem Weg zu gehen, doch das war gar nicht so einfach, da sie oft zusammen mit Hermine in der Bibliothek lernte. Mit der Zeit war jedoch gewöhnte sie sich wieder daran. Es war fast wieder wie früher, wenn man über Harrys Abwesenheit einmal hinweg sah.
 

Manchmal war Ginny immer noch traurig deswegen, doch sie hatte seit Wochen nicht mehr um ihn geweint. Trauer und Tränen würden ihn nicht mehr zurückbringen. Es hatte keinen Sinn, zu trauern.

Sie dachte weniger und weniger an ihn.
 

Stattdessen trauerte sie um Tom. Voldemort und Tom waren so unterschiedlich, dass sie nicht glauben konnte, wie die beiden ein und dieselbe Person sein konnten. Es musste einmal eine Zeit gegeben haben, in der beide vereint gewesen waren, bevor sie Voldemort mit Gewalt auseinander gerissen hatte. Sie wünschte, sie hätte zu dieser Zeit gelebt.
 

Wenn der Teil in ihm, der Voldemort war, Tom nur akzeptiert hätte, dann wäre sie vielleicht geblieben. Dann wäre er vielleicht nicht so grausam zu Bellatrix und Ron gewesen. Dann hätte er vielleicht sein Versprechen gehalten. So viele vielleichts...

Ginny zwang sich, auch nicht mehr an Voldemort zu denken und jeden Abend ihren Geist zu leeren.
 

Sie lenkte sich von ihrer Trauer mit Schulstoff ab. Das Ergebnis war eine zwar nicht glückliche Ginny, aber eine, die ihren Klassenkameraden im Unterricht weit voraus war.
 

Nach ein paar Wochen, Anfang März, wurde schließlich wieder Muggelkunde unterrichtet. Ginny hatte an dem Morgen, an dem der neue Lehrer in der Großen Halle vorgestellt wurde, verschlafen und fand so erst zu Beginn der ersten Unterrichtsstunde bei ihm heraus, wer er denn eigentlich war.
 

Ein wenig unsicher betrat sie das Klassenzimmer und warf einen Blick zum Pult. Ihr Herz hopste in die Höhe und ihre Augen weiteten sich.

"Ginny! Schön, dich endlich wieder zu sehen!"
 

Arthur Weasley kam mit weit ausgebreiteten Armen und einem warmen Lächeln auf sie zu. Bevor sie wieder denken konnte, hatte er sie in die Arme geschlossen.

Ginny seufzte auf, als sie ein lange vergessenes Glücksgefühl durchströmte. Sie erwiderte die Umarmung ihres Vaters.

Hide and Seek

Kapitel 9 : Hide and Seek
 

Ginnys Freude währte nicht lange. An diesem Abend hatte Arthur sie in sein Quartier zum Essen und zum Reden eingeladen.

Zumindest war Ginny nicht alleine. Severus hatte sich in ihren Geist geschlichen und hörte zu. Zur Sicherheit, wie er sagte. Er hatte wohl Angst, dass sie sich verplapperte. Ginny war ihm dankbar. Er gab ihr zumindest ein wenig ihrer alten Sicherheit, die sie in der Aussicht, ihren Vater belügen zu müssen und sich nicht verraten zu dürfen, verloren hatte.
 

Zuerst unterhielten sich die beiden über Arthurs Unterricht und Ginnys schulische Leistungen, doch es dauerte nicht lange, da kamen sie auf Ginnys Aufenthalt bei Lord Voldemort zu sprechen.

Zu diesem Zeitpunkt wollte sich Voldemort höchstpersönlich Zutritt zu Ginnys Geist verschaffen, doch Ginny wehrte ihn mit Severus' Hilfe rasch ab. Irgendwoher wusste sie, dass er ihr diesmal keinen Schaden zufügen wollte, doch sie wollte ihn immer noch nicht um sich haben. Sie konnte ihm nicht verzeihen.
 

Mit Hilfe von Severus erzählte sie ihrem Vater die selbe Lügengeschichte, die sie auch bei ihrer Rückkehr zum Besten gegeben hatte, mit ein wenig mehr Details, die teils wahr, teils falsch waren.

Dass Bellatrix sie umzubringen versucht hatte, musste sie nicht verschweigen. Auch, dass sie einen Cruciatus abbekommen hatte oder dass Voldemort mit Hilfe der Informationen aus ihrem Kopf Harry geschnappt hatte. Dass sie ihm diese freiwillig gegeben hatte, musste sie ja nicht erwähnen.
 

Dennoch tat es ihr fast schon körperlich weh, ihren Vater so lange anlügen zu müssen. Sie war froh, als er sie nach zwei Stunden in ihren Gemeindschaftsraum zurück brachte.
 

Zum Abschied umarmten sie sich. Jetzt fühlte Ginny sich erst recht elend. Sie war ein Lügnerin und Verräterin - sie hatte es nicht verdient, umarmt zu werden.

Rasch verschwand sie durch das Portraitloch und ging zu Bett. Ihre Miene verriet nichts von ihren Gefühlen, sie war eine kalte Maske. Erst, als sie die Bettvorhänge zugezogen hatte und sich in ihr Bett kuschelte, traten Tränen in ihre Augen.
 

Lange vermochte sie es nicht, ihren Geist zu leeren, sondern weinte einfach nur. Um Harry, um Tom und um alle, die sie verloren hatte, obwohl sie noch bei ihr waren.

Als ihre Tränen schließlich spät in der Nacht verebbten, bemerkte sie plötzlich eine fremde Anwesenheit in ihrem Geist. Sie brauchte nicht lange zu überlegen, wer das war.
 

'Severus? Bist du immer noch da oder schon wieder?', dachte sie und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel aus dem Gesicht.

'Immer noch', kam es leise zurück. Einen Moment herrschte bedrückte Stille zwischen den beiden, dann fragte Severus: 'Kann ich dir irgendwie helfen?'

Ginny schluchzte erneut auf.

'Nicht mehr, als du ohnehin schon tust. Es sei denn, du weißt, wie wir den Krieg beenden können.'
 

Severus seufzte.

'Nein, leider nicht. Versuch, zu schlafen, Ginny. Morgen wird ein langer Tag. Wenn du Lust hast, kannst du zu mir zum Abendessen kommen.'

Ginny lächelte schwach und schloss die Augen.

'Das werde ich. Gute Nacht, Severus.'

'Gute Nacht, Ginny. Schlaf gut.'
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am nächsten Tag hielt Ginny sich nur mit Kaffee wach, so wie früher.

Nach Verwandlung wurde sie von McGonagall nach vorne gewinkt. Mit gemischten Gefühlen trat Ginny vor das Pult ihrer Lehrerin.

Professor McGonagall lächelte sie dünn an. In ihrem Gesicht konnte Ginny die gleiche verborgene Verzweiflung lesen, die auch sie quälte. Sie wusste, dass es bei ihrer Lehrerin garantiert andere Ursachen waren, doch sie hatte trotzdem das Gefühl, eine Leidensgenossin gefunden zu haben. Sie lächelte zurück.
 

Professor McGonagall holte tief Luft.

"Miss Weasley, gehe ich recht in der Annahme, dass sie an ihrem siebzehnten Geburtstag im Sommer in den Orden eintreten wollen?"

Ginny musste schlucken und zwang sich zu einem Nicken. Wenn sie es nicht tat, dann würden ihre Eltern und Freunde Fragen stellen. Fragen, auf die Ginny nicht antworten konnte, ohne sich zu verraten. Doch Schweigen würde genauso viel sagen wie ehrliche Antworten. Sie musste mitspielen, um nicht aufzufliegen.
 

Professor McGonagall sah ausgesprochen erleichtert aus.

"Sehr gut. Dann habe ich eine Mitteilung für Sie. In Anbetracht der Tatsache, dass Sie ihren Bruder ganz alleine aus den Fängen der Todesser befreit haben, hat der Orden beschlossen, Sie schon jetzt in seine Reihen aufzunehmen. Wenn Sie wollen, können wir Sie schon nächstes Wochenende aufnehmen!"

Sie lächelte Ginny fast unsicher an.
 

Ginny musste erneut schlucken.

Mit einem Mal war Voldemort wieder in ihrem Geist. Er versuchte nicht, die Kontrolle zu übernehmen, er hörte nur zu.

'Er will wissen, für wen ich mich entscheide', dachte Ginny. Ihr Innerstes verkrampfte sich. Sie konnte nicht guten Gewissens für den Orden arbeiten. Sie konnte nicht einfach so an Voldemorts Untergang arbeiten, nicht, nach allem, was war.
 

Doch sie zeigte Voldemort ihre Gedanken nicht, als sie das dachte. Er sollte ruhig Angst haben, sie an den Orden zu verlieren. Geschah ihm recht. Sie war immer noch wütend auf ihn.

Laut sagte sie nur: "Dieses Wochenende schon? Ich weiß nicht... Geben Sie mir noch ein paar Wochen, bitte."

Professor McGonagall nickte rasch.

"Natürlich. Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen. Sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn Sie sich dafür bereit fühlen."
 

Ginny nickte und verließ rasch das Klassenzimmer.

Voldemort verschwand so schnell aus ihrem Kopf, wie er gekommen war.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

An diesem Abend saß sie mit Severus in dessen Privaträumen und sie ließen sich das Abendessen dorthin bringen. Ginny erzählte ihm von ihrer vorgezogenen Aufnahme in den Orden. Severus seufzte bloß.

"Der Orden ist verzweifelt. Ich habe Minervas Geist gesehen. Sie müssen neue Mitglieder ohne spezielle Ausbildung von der Schule weg rekrutieren, seit das Ministerium gefallen ist. Auroren haben sie nur noch wenige, und auch von den anderen Mitgliedern fallen immer wieder welche. - Niemand, den du kennst", setzte er rasch hinzu, als er Ginnys Gesichtsausdruck sah.
 

"Auf alle Fälle nehmen sie jeden auf, den sie kriegen können und haben ihre Anforderungen enorm herunter gedreht."

Er seufzte schwer.

"Wirst du annehmen?"
 

Ginny schluckte und blickte zu Boden. Ihr Blick wurde unscharf und richtete sich in weite Ferne.

"Ich wünschte, ich müsste mich nicht entscheiden", flüsterte sie, mit einem Mal traurig.

"Ich... ich fühle mich auf beiden Seiten irgendwie zu Hause. Ich bin schließlich auf beiden Seiten zu Hause... Aber ich bin nirgendwo ganz, verstehst du? Ein Teil von mir wäre jetzt am liebsten in der dunklen Festung und bei Voldemort. Ein anderer Teil von mir würde ihm aber am liebsten den Hals umdrehen und wieder komplett auf die Seite des Ordens zurückkehren. Und ein Teil von mir kann es nicht länger ertragen, alle anlügen zu müssen, aber will auch nicht allein auf Voldemorts Seite stehen."
 

Sie blickte zu Severus auf. Tränen schimmerten in ihren dunklen Augen.

"Was soll ich bloß machen?", flüsterte sie.

Severus streckte zaghaft die Hand nach ihr aus und legte ihr einen Arm um die Schultern. Wieder erinnerte sie diese vorsichtige Geste an Tom, und sie begann richtig zu weinen. Severus saß einen Moment lang steif da und meinte dann mit beklommener Stimme: "Hab ich etwas falsch gemacht? Ich - ich bin nicht besonders gut im Trösten..."
 

Ginny schluchzte nur noch lauter und ließ sich von ihm in den Arm nehmen.

"Nein", murmelte sie leise, als ihre Tränen langsam versiegten.

"Du machst das schon richtig. Es ist nur... deine Schüchternheit... sie erinnert mich so sehr an Tom..."
 

Severus riss erstaunt die Augen auf.

"Was - der dunkle Lord und schüchtern?"

Er blickte sie an, als habe sie einen schlechten Scherz gemacht.
 

Ginny musste schlucken.

"Oh Gott, wenn er erfährt, dass ich dir das erzählt habe, dann killt er mich", murmelte sie und vergrub ihr Gesicht in seinem Umhang.

Severus musste lachen.

"Ja, ich glaube, dann wärst du endgültig fällig. Sei froh, dass ich ein so guter Okklumentor bin."

Ginny lachte ebenfalls zittrig auf.

"Ja, da bin ich wirklich froh."
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Die folgende Woche über traf sie sich jeden Abend mit Severus. Sie machte sogar ab und zu bei ihm ihre Hausaufgaben, was ihn jedes Mal aufs Neue amüsierte.

Sie schimpfte auf die Unfähigkeit mancher ihrer Klassenkameraden, die absolut nicht mehr mit dem Stoff mitkamen, mit dem Ginny innerlich schon längst abgeschlossen hatte.

Sie schimpfte auf die Lehrer, die ihrer Klasse so unverschämt viele Hausaufgaben gaben. Ginny fand die Themen und Fragestellungen einfach und es wurmte sie, dass sie über ein für sie total einfaches Thema ellenlange Aufsätze schreiben musste.
 

Severus zog sie immer wieder wegen ihren Schimpftriaden auf, die seiner Meinung nach stark nach denen ihrer Mutter kamen, doch wenn sie ihn brauchte, war er immer für sie da.

Mehr als einmal brach sie während dieser Woche noch in Tränen aus, jedes Mal, wenn sie an Voldemort oder den Orden des Phönix erinnert wurde. Und jedes Mal nahm Severus sie ein wenig unbeholfen in den Arm und redete ihr gut zu, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
 

Er war ein wirklich guter Freund und Ginny bemerkte jetzt erst richtig, wie sehr sie ihn brauchte. Er war der einzige, dem sie vollkommen vertrauen durfte. Der einzige, der beide Seiten von ihrem Leben kannte. Der einzige, der nachvollziehen konnte, wie sie sich fühlte, weil er alles selbst schon durchlebt hatte.

Er allein gab Ginny die Energie, weiterzumachen. Ohne seine Hilfe wäre sie schon längst zusammengebrochen.
 

Nach sieben Tagen schließlich geschah etwas unerwartetes. Als Ginny gerade mit Hermine und Neville beim Frühstück saß und die Posteulen durch die Halle schwirrten, landete mit einem Mal eine große, pechschwarze Krähe vor Ginny auf dem Tisch, die ein kleines Päckchen am Bein hängen hatte. Ginny zuckte erschrocken zurück. Die Krähe war um einiges größer als die meisten Eulen.
 

"Willst du zu mir?", flüsterte sie dem Tier schließlich zu, als das keine Anstalten machte, zu einem anderen Schüler zu hüpfen. Als Antwort streckte die Krähe das Bein mit dem Päckchen aus. Ginny band es vorsichtig los.

Kaum war sie fertig, breitete die Krähe ihre Flügel aus, warf dabei Neville Orangensaft um und schwang sich wieder in die Lüfte.
 

Während Hermine mit einem Zauber die Sauerei beseitigte, packte Ginny verwundert das Päckchen aus. Von wem das wohl war? Als aus dem Packpapier ein Armreif fiel und ein Zettel mit einem schmalen, roten Schrift, schnappte Ginny nach Luft. Diese Schrift würde sie überall wieder erkennen.

Auf dem Zettel stand nur ein einziger Satz, doch der traf Ginny mitten ins Herz.
 

"Willst du mir das wirklich antun, nach allem, was war?"
 

Sie wusste sofort, was gemeint war. Voldemort wusste anscheinend wirklich nicht, ob und warum sie in den Orden eintreten würde. Denn eintreten würde sie, das hatte sie beschlossen. Schon um ihre Tarnung zu behalten. Sie wollte ihre Familie nicht enttäuschen müssen.
 

Behutsam drehte Ginny den Armreif in den Fingern. Er hatte die Form einer Schlange, deren Kopf sich um ihren Schwanz wickelte und somit einen Ring bildete. Die Schlange war dunkelgrün, doch ihre Augen glitzerten rot. Voldemort-rot.

Ginny biss sich auf die Lippen. Sie bekam tatsächlich ein schlechtes Gewissen! War das denn zu fassen? Sie fühlte sich schlecht, weil sie auch Lord Voldemort nicht enttäuschen wollte!
 

"Das ist nicht gut", brummte sie fast unhörbar und legte sich den Armreif um. Er passte sich sofort ihrem Handgelenk an. Eine angenehme, lange vermisste Wärme strömte von ihm aus und breitete sich bis in ihre Finger und Zehenspitzen aus. Sie seufzte leise und musste lächeln. Voldemort war ein Genie - das musste man ihm lassen.
 

Sie begann zu überlegen, wie sie sich für den Armreif revanchieren konnte. Geschenkt wollte sie sie ihn nicht.

Eine waghalsige Idee nahm in ihrem Kopf Gestalt an. Eine Idee, die eng mit ihrem Eintritt in den Orden verbunden war. Sie würde dafür alles auf eine Karte setzen müssen. Und sie hoffte inständig, dass sie nicht auffliegen würde.

Der Orden des Phönix

Kapitel 10: Der Orden des Phönix
 

Noch an diesem Tag ging Ginny nach dem Verwandlungsunterricht zu Professor McGonagall, um ihr ihre Entscheidung bezüglich des Ordens mitzuteilen. Als sie verkündete, dass sie eintreten wolle, so bald wie möglich, trat ein breites Lächeln auf Professor McGonagalls Züge, doch gleichzeitig konnte Ginny in ihren Augen eine leichte Wehmut, ein schwaches Bedauern erkennen.

Ginny erinnerte sich daran, wie Severus ihr erzählt hatte, in welcher Bedrängnis der Orden war. Ihre Professorin nahm wohl an, dass sie den Kampf gegen die Todesser früher oder später mit dem Leben bezahlen würde.
 

Sie ignorierte den sorgenvollen Blick und erwiderte das Lächeln - auch wenn sie sich dabei ganz elend fühlte. Sie atmete tief durch. Sie wusste, gleich würde sie sich noch elender fühlen, doch sie musste es einfach tun.
 

"Professor? Es... es gibt da noch eine Sache..." Gespielt beklommen sah sie zu Professor McGonagall auf und hoffte, dass diese ihr ihre Rolle als traumatisiertes Opfer Voldemorts abnehmen würde.
 

"Was ist denn los, Miss Weasley?" Besorgt blickte ihre Lehrerin sie an.

Ginny blickte zu Boden und schluckte.

"Also... Der - der Zauberstab von - von... du-weißt-schon-wem... den hat der Orden doch noch?"

"Aber natürlich. Alastor bewahrt ihn sicher auf. Wieso?"
 

Ginny biss sich auf die Lippe und schenkte Professor McGonagall einen verzweifelten Blick.

"Naja, wissen Sie... ich würde ihn gerne noch einmal sehen, damit ich... so richtig nochmal realisiere, dass - dass er ihn nicht mehr hat. Ich - ich träume immer noch davon..." Sie brach ab.
 

Professor McGonagall ging in die Hocke, um mit Ginny auf einer Höhe zu sein, und griff nach ihrer Hand.

"Ach je, natürlich. Wenn das hilft, Ihre Albträume zu beenden, dann werde ich Alastor natürlich bitten, ihn Ihnen vor Ihrer Aufnahme zu zeigen. In Ordnung?"
 

Ginny nickte dankbar und lächelte sie unsicher an. Innerlich jubilierte sie. Das funktionierte ja besser, als sie gedacht hatte!
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am folgenden Wochenende apparierte Ginny an der Seite ihres Vaters zusammen mit Professor McGonagall, Ron und Hermine zum Grimmauldplatz. Sie achtete, seit sie das Schloss verlassen hatte, darauf, nicht allzu aufgeregt zu sein, um Voldemort nicht zu sich zu locken. Der brauchte nicht zu wissen, wo das Hauptquartier des Phönixordens lag.
 

Professor McGonagall lotste sie alle sofort in den Salon, um Mrs Black nicht aufzuwecken. Ginny schlich an Zehenspitzen an dem verhassten Portrait vorbei - diese Frau war schlimmer als Sir Cadigan, und das musste man erstmal schaffen!
 

Im Salon angekommen wurde sie sofort in eine knochenbrechende Umarmung gezogen.

"Mum!", rief sie, teil froh, teils verärgert. "Ich freu mich auch, dich zu sehen, aber ich würde meine Rippen ganz gerne behalten!"

Molly stutzte und ließ ihre Tochter los.

"Tut mit Leid, Liebes."

Sie lächelte entschuldigend.

Ginny lächelte zurück. Sie fühlte sich nicht wirklich wohl dabei, doch das schlechte Gewissen war bei weitem nicht mehr so groß wie in den Weihnachtsferien.
 

Kaum hatte Molly von ihr abgelassen, wurde sie schon von den anderen anwesenden Ordensmitgliedern begrüßt - Mad-Eye Moody, Kingsley Shacklebolt, Remus, Sirius, der heute einen schlechte Tag zu haben schien, und ihren Zwillingsbrüdern, die ihr ohne Vorwarnung die Haare blau zauberten. Moody knurrte nur genervt auf, scheuchte die zwei aus dem Zimmer und tippte einmal mit dem Zauberstab auf Ginnys Kopf, woraufhin ihre Haare wieder normal wurden.
 

Dann zog er sie in eine dunkle Ecke. Er holte unter vielen misstrauischen Blicken durch den Salon einen schwarzen Zauberstab aus seinem Umhang und hielt ihn Ginny vor die Nase.

"Nimm und überzeug dich selbst", brummte er. "Damit kann Voldemort dir nicht mehr schaden."
 

Ginny nahm den Zauberstab vorsichtig in die Hand. Innerlich hüpfte sie vor Freude, nach außen hin machte sie einen vorsichtigen, verschüchterten Eindruck, als sie den Zauberstab langsam in die Hand nahm.

Im nächsten Moment krachte es draußen in der Eingangshalle - dann begann Mrs Black zu schreien.
 

Ginny musste sich nun echt am Riemen reißen, um nicht breit zu grinsen. Das lief ja besser, als sie erwartet hatte! Moody fluchte, ließ sie stehen und stürzte nach draußen, um das Portrait zum Schweigen zu bringen.
 

Ginny drehte sich zur Wand und zog einen von Freds und Georges Juxzauberstäben aus dem Umhang. Rasch legte sie eine Illusion darüber, so dass er äußerlich dem Voldemorts aufs Haar glich, dann ließ sie den echten Zauberstab in ihrem Umhang verschwinden.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ein paar Minuten später kam Moody Todesblicke um sich schießend und fluchend zurück in den Salon gestapft, die breit grinsenden Zwillinge im Schlepptau. Er nahm Ginny ohne ein weiteres Wort den schwarzen Zauberstab ab und stopfte ihn in seine Umhangtasche.

Im selben Moment rief Professor McGonagall über die Gespräche hinweg: "Wollen wir beginnen?"
 

Die Ordensmitglieder verstummten und stellten sich in einem Kreis auf. Professor McGonagall reihte sich ebenfalls ein, ließ den Blick durch die Runde wandern und setzte dann zu Sprechen an.

"Wir haben uns hier versammelt, um ein neues Mitglied in unseren Reihen willkommen zu heißen. Ginevra Weasley, tritt in unsere Mitte."
 

Ginny schluckte nervös und gehorchte. Sie spürte die Blicke der anderen auf ihr liegen, Moodys magisches Auge schien sie regelrecht zu röntgen. Ihr wurde heiß. Sie wusste, dass es lächerlich war, doch sie fürchtete jeden Moment, einer würde sie durchschauen und schreien: "Verräterin! Sie will sich nur bei uns einschleichen, um uns an Du-weißt-schon-wen zu verraten!"
 

Als nach mehreren Sekunden Stille noch nichts derartiges geschehen war, entspannte sie sich langsam.

Professor McGonagall blickte sie nun ernst an.

"Du bist dir bewusst, was es heißt, Mitglied im Orden des Phönix zu sein?"

Ginny nickte.

"Du weißt, dass wir gegen Voldemort kämpfen und dabei auch sterben können. Bist auch du bereit, dein Leben zu riskieren?"

Ginny musste ein Lächeln unterdrücken, als sie ihrer Professorin direkt in die Augen sah und fest erwiderte: "Ja, das bin ich."

Wenn sie alle wüssten...
 

Professor McGonagall nickte knapp und wandte sich dann zu Ginnys Eltern um.

"Ginevra ist noch nicht volljährig, also trefft ihr die endgültige Entscheidung. Sie hat den Willen und das Potential, uns beizutreten. Stimmt ihr beide dem zu?"
 

Arthur nickte ernst, und Molly meinte traurig: "Das tun wir."

Dann schlich sich ein hilfloses Lächeln auf ihr Gesicht. "Wir könnten sie sowieso nicht aufhalten, also warum sollte sie noch warten?"

Professor McGonagall lächelte Molly an. "Keine Angst, Ginny wird nichts geschehen." Molly schniefte nur.
 

Jetzt wandte die Professorin sich wieder Ginny zu.

"Du wirst ein Ritual durchlaufen, Ginevra. Bislang haben Albus und Fawkes dieses Ritual geleitet. Ich werde Albus' Teil übernehmen, und für Fawkes werden wir eine Illusion einsetzen. Sie kann alles, was Fawkes auch kann, aber..."

Sie seufzte und brach ab. Dann straffte sie sich.
 

"Egal, das macht hier keinen Unterschied. Die Illusion wird tun, was zu tun ist. Ginevra, es kann sein, dass du Angst bekommst. Doch merk dir eins: Egal, was geschieht, hier wird dir nichts zustoßen. In Ordnung?"

Ginny nickte unbehaglich. Was kam da nur auf sie zu?
 

Professor McGonagall fuhr fort: "Du wirst dem Feuer des Phönix deine Seele preisgeben müssen, oder zumindest einen Teil davon. Doch du wirst nicht alleine sein. Wähle dir eine Vertrauensperson unter uns aus. Diese Person wird dich durch das Ritual begleiten und dir beistehen, was du auch sehen wirst."
 

Ginnys Augen weiteten sich unmerklich.

Vertrauensperson? Seele preisgeben?
 

Mit einem Mal schlug ihr Herz schneller. Wenn sie das tat, würde alles auffliegen. Sie konnte es nicht. Sie würden ihr niemals verzeihen... wahrscheinlich säße sie noch vor dem Ende des Rituals in Askaban!
 

Sie schluckte und zwang sich zur Ruhe, während sie so tat, als überlege sie angestrengt, wen sie wählen sollte. Was sollte sie machen? Wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, würden sie Fragen stellen. Fragen, auf die Ginny keine Antwort hatte. Wahrscheinlich würden sie ebenfalls dahinter kommen... Hatte sie überhaupt einen Ausweg?

Sie biss sich auf die Lippe, um ihre Panik zu unterdrücken.
 

"Los, mach schon", wehte Freds Stimme - oder war es George? - zu ihr herüber. "Das kann doch nicht so schwer sein!"

Ginny spürte, wie ihr die Tränen kamen, doch sie blinzelte sie entschlossen weg. Sie durfte jetzt nicht weinen!
 

Plötzlich spürte sie, wie etwas sanft, fast unfühlbar, in ihren Geist eindrang. Sie wollte den Eindringling schon mit voller Wucht nach draußen katapultieren, da erklang mit einem Mal Severus' Stimme in ihrem Kopf.

"Ginny, ich werde dein Partner sein. Ich habe die Gestalt von Black angenommen. Hab keine Angst, wir werden dein Geheimnis bewahren."
 

Ginny drehte sich langsam im Kreis, bis sie in Sirius' ernstes Gesicht blickte. Ihre Hände, die sie unwillkürlich zu Fäusten geballt hatte, lockerten sich. Jetzt, da sie es wusste, konnte sie durchaus ein paar von Severus' typischen Gesichtszügen auf Sirius' Gesicht erkennen. Die zusammengezogenen Augenbrauen und die Nasenflügel, die sich weiteten, wann immer er versuchte, sich zu beruhigen... Ja, eindeutig Severus.

Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Mehr als ein Stein - es fühlte sich wie ein ganzes Gebirge an.
 

Sie holte tief Luft und sagte: "Ich möchte, dass Sirius Black meine Vertrauensperson ist. Sirius, möchtest du...?"

Der Kopf von Sirius ruckte nickend nach vorne. Eindeutig eine Severus-typische Geste.

"Natürlich. Es ist mir eine Ehre."
 

Severus' Versuch, Sirius' breites Grinsen nachzumachen, scheiterte kläglich, doch es schien keiner zu bemerken, denn Molly Weasley war in Tränen ausgebrochen.

"Ginny... Wie - wie kannst du uns - deinen eigenen Eltern, nur so... so wenig vertrauen?"

Sie warf sich Arthur in die Arme, die sie etwas unbeholfen tätschelte.
 

Ginny hatte mit einem Mal einen Kloß im Hals. Es tat weh. Es tat so furchtbar weh... Wieder spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Gerade, als sie beinahe die Beherrschung verlor, bellte Severus in ihre Gedanken: "Reiß dich zusammen, Ginny! Wir brauchen dich!"
 

Ginny zuckte unmerklich zusammen. Energisch blinzelte sie die Tränen weg und stellte sich kerzengerade hin. Ihr Gesichtsausdruck war ernst und undurchschaubar, als sie weich sagte: "Mum, ich liebe euch genauso, wie ihr mich liebt. Doch ich bin fast erwachsen und treffe meine eigenen Entscheidungen. Du musst lernen, loszulassen, Mum."

Molly weinte nur noch mehr.
 

"Es liegt nicht am fehlenden Vertrauen euch gegenüber, Mum. Ich will nur nicht, dass du siehst, wie..." Sie brach, scheinbar betroffen, ab und schüttelte den Kopf. "Du musst diese Bürde nicht auch noch tragen, Mum. Du trägst schon genug."

Sie lächelte schmal.
 

Molly beruhigte sich nur langsam. Im Salon herrschte Totenstille, bis auf ihre Schluchzer. Als auch diese verstummt waren, räusperte sich Professor McGonagall.

"Gut, du hast deine Wahl getroffen, Ginevra. Hoffen wir, dass es die richtige Entscheidung war."
 

Sie drehte sich zu Severus.

"Sirius, stell dich neben Ginevra. Nehmt euch an den Händen. Du kennst das Ritual?"

Severus nickte knapp und schritt in die Mitte des Kreises, wo er Ginny seine Hände hinhielt. Sie ergriff sie ohne Zögern.
 

McGonagall nickte ebenso knapp und fuhr fort: "Ginvera, du wirst hier deinen Ängsten gegenüber treten und sie besiegen müssen, um dem Phönix deinen Mut und deine Entschlossenheit zu zeigen. Er wird entscheiden, ob du stark genug bist, dich dem Kampf mit Voldemort zu stellen. Wenn du es nicht alleine schaffst, mit deinen Ängsten fertig zu werden, wird Sirius dir helfen. Der Phönix schätzt Zusammenhalt im Zeichen der Gefahr genauso wie den Mut eines einzelnen. Es ist sinnlos, Magie oder Gewalt einzusetzen, da alles nur Illusionen sind. Seid ihr bereit?"

Die beiden blickten sich in die Augen und nickten gleichzeitig.
 

Aus den Augenwinkeln nahm Ginny wahr, wie sich die anderen Ordensmitglieder im Kreis alle an den Händen fassten. Dann begann Professor McGonagall eine Beschwörung. Es war ein wunderschönes Lied, in einer für Ginny unverständlichen Sprache gesungen. Die anderen schienen nach einer Weile von innen heraus zu leuchten... und dann fiel eine wundervolle Stimme in McGonagalls Gesang ein.
 

Ginny hätte schwören können, dass der Phönix, der über ihren Köpfen aus dem Nichts erschienen war, echt war. Der rotgoldene Vogel schrie laut auf und flog einmal den ganzen Kreis ab.

Er zog eine Spur Flammen hinter sich her, die schließlich hoch oben in der Luft einen Ring bildeten. Als der Ring komplett war, flog der Phönix wieder im Kreis und erschuf so einen zweiten flammenden Ring direkt innerhalb des ersten. Er flog immer weiter, in einer Spirale, bis er über den Köpfen von Ginny und Severus angekommen war und es so aussah, als schwebe ein brennendes Rad über ihnen.
 

Die anderen Ordensmitglieder fielen geschlossen in McGonagalls Gesang ein und sangen die Beschwörung nun alle - auch Severus. Ginny schwieg und starrte abwartend nach oben.

Plötzlich schrie sie auf.

Es sah so aus, als würde das Feuer auf sie herab fallen! Sie kniff die Augen zu.
 

Severus' Gesang erstarb. Mit einem Mal herrschte Totenstille.

"Du kannst die Augen wieder aufmachen", meinte Sirius' Stimme.

Ginny öffnete die Augen langsam, sich an Sirius' Hände klammernd.
 

Sie standen unter einer Kuppel, die komplett aus Feuer bestand. Und sie waren alleine. Ginny atmete einmal tief durch.

"Hier können uns die anderen nicht hören", meinte Severus. "Das ist deine ganz private Hölle."

Er grinste diabolisch. Auf Sirius' Gesicht ergab das eine so komische Grimasse, dass Ginny lachen musste.

"Danke, Severus. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde."
 

Sie lächelte ihn warm an, doch ihr Lächeln erstarb mit einem Schlag, als hinter ihm eine Person aus dem Nichts aufgetaucht war. Molly, tränenüberströmt, mit Arthur in ihren Armen. Er war in sein eigenes Blut getaucht, totenblass und die Brille saß schief auf der Nase. Seine Augen waren geschlossen, der Mund stand leicht offen.
 

Ginny erstarrte und drückte Severus' Hände fest. Molly blickte Ginny vorwurfsvoll an.

Einen Moment herrschte noch Stille, dann schrie sie: "Ginny, wie konntest du nur?! Warum hast du das getan?!"

Ginny holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Sie war bei Mollys Schrei furchtbar zusammengezuckt.

"Warum habe ich was getan?", fragte sie leise zurück.
 

Molly schnaubte. "Na, was wohl? Uns verraten!! Ihn verraten!!"

Sie schwenkte Arthur in ihren Armen.

"Nur wegen dir musste er sterben!!"
 

Ginny schloss die Augen und holte erneut zittrig Luft. Als sie sie wieder öffnete, schimmerten Tränen in ihnen, doch ihre Stimme war wieder fest. Sie hatte etwas gefunden, was ihr Halt gab.

"Mum, erinnerst du dich, dass du mir einmal gesagt hast, dass ich meinem Herzen folgen soll? Genau das habe ich getan. Ich wollte nicht, dass jemand sterben muss. Aber jetzt ist es passiert und er wird nicht wieder lebendig, wenn du mir Vorwürfe machst. Ich habe nur das getan, was du dir für mich gewünscht hast. Red' es jetzt bitte nicht schlecht."
 

In Mollys Augen blitzten frische Tränen auf, sie blickte auf ihren toten Mann hinunter - und war verschwunden.
 

Ginny atmete tief durch. Severus lächelte aufmunternd.

"Du bist tapfer."
 

Einen Moment herrschte erneut Stille unter der lodernden Kuppel, dann erschienen erneut Personen um sie herum. Diesmal waren es sämtliche Weasleykinder, Hermine, Neville und Luna. Alle begannen gleichzeitig auf Ginny einzureden.
 

"Verräter!", schrien Fred und George im Chor.
 

Bill und Charlie betrachteten sie betrübt.

"Wieso hast du das getan?"

"Und warum schleichst du dich jetzt bei uns ein? Denkst du, wir wissen nicht Bescheid?"
 

"Wir wollen dich nicht mehr haben", krähte ein zorniger Ron. "Ich wäre lieber gestorben, als von einem Todesserflittchen wie dir gerettet zu werden!"
 

Hermine liefen die Tränen über das Gesicht.

"Du hast Harry getötet!", fauchte sie. "Wegen dir wird Voldemort die Weltherrschaft an sich reißen! Unsere letzte Hoffnung ist tot, bloß weil er dich verlassen hat, um dich zu schützen!!"
 

Luna nickte andächtig.

"Ich denke, du hättest damals deinen Tod wählen sollen. Dann wärst du wenigstens ehrenhaft gestorben."
 

Neville funkelte sie nicht minder zornig an als Ron.

"Und du wolltest mit mir das Schwert von Gryffindor klauen! Du hättest es sicher bei der ersten Gelegenheit zu Voldemort gebracht! Wahrscheinlich hast du Snape sogar alarmiert, damit er dich zu Voldemort schickt, zu deinesgleichen! Verschwinde und komm nie wieder!"
 

Ginny war kreidebleich geworden, in ihren Augen schimmerten Tränen und ihre Hände zerquetschten die von Severus fast. Sie blickte starr auf ihre Freunde, die sich einer nach dem anderen von ihr abwandten, und rührte sich nicht.

Severus beobachtete sie einige Atemzüge lang, dann fragte er sanft: "Brauchst du Hilfe?" Sie nickte mechanisch.
 

Er setzte seinen schlimmsten Todesblick auf, den jeder von ihnen auch durch die Hülle von Sirius Black erkennen würde, und meinte streng: "Lasst sie in Ruhe! Sie ist ihren Weg gegangen wie ihr den euren, und sie hat dabei alles getan, damit euch nichts passiert."
 

Die Illusionen wandten sich misstrauisch blickend, aber stumm, zu Severus um.

"Seht es doch mal so: Wäre sie gestorben, würde der Dunkle Lord jeden von euch ohne zu zögern beseitigen. So aber tut er euch nichts und gibt euch damit die Gelegenheit, auf seinen Untergang hinzuarbeiten."
 

Einen langen Moment herrschte Stille, dann fauchte Hermine: "Aber sie hat Harry in den Tod geschickt!"

Ginny atmete tief durch. Als Severus wieder den Mund aufmachte, meinte sie leise: "Danke, lass mich wieder."

Dann blickte sie Hermine fest in die Augen.

"Erstens hat er mir allen Grund dazu gegeben, und zweitens konnte ich durch seinen Verrat erreichen, dass ihr alle in Sicherheit seid. Manchmal müssen eben im Krieg Opfer gebracht werden."
 

Während die Illusionen alle verblassten, schlich sich ein schrecklicher Gedanke in Ginnys Herz, den sie die letzten Tage über erfolgreich verdrängt hatte: Voldemort hatte Ron umbringen wollen. Er hatte ihn gefoltert. Er hatte sein Versprechen gebrochen. Waren ihre Freunde denn überhaupt noch in Sicherheit?
 

Doch sie hatte nicht lange Zeit zum Grübeln. Mit einem Schlag wurde sie zurück in die Realität gerissen, als zwei Personen erschienen. Lord Voldemort und Bellatrix Lestrange. Hand in Hand.
 

Ginny kniff die Augen zusammen und murmelte: "Oh nein, alles, nur nicht das."

Severus drückte ihre Hände fester und fragte leise: "Soll ich...?"

Ginny schüttelte, immer noch mit geschlossenen Augen, den Kopf, sammelte sich, holte tief Luft und blickte ihn entschlossen an.

"Nein. Das muss ich selbst tun."
 

Dann blickte sie zu Voldemort hinüber, der sogleich zu sprechen begann.

"Ginny, weißt du was? Ich liebe Bella."

Er schenkte ihr einen glühenden Blick. Ginny fühlte sich, als hätte er ihr ein Messer in die Rippen gerammt, so sehr schmerzte es. Sie biss sich auf die Lippe, um den Schmerz zu betäuben. Sie konnte jetzt keinen Eifersuchtsanfall gebrauchen.
 

"Was dich angeht...", fuhr Voldemort fort, "...du bist es nicht einmal wert, dass ich dich persönlich umbringe. Bella soll sich dich später vornehmen, wenn sie Lust dazu hat. Mir ist es egal - meinetwegen stirb oder stirb nicht, Hauptsache, ich habe meine Bella."

Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, was Ginny die Tränen in die Augen trieb. Wie konnte er nur?
 

Doch sie zwang sich, nicht loszuweinen, und löste ihre linke Hand aus Severus' Griff. Sie schüttelte den Ärmel zurück und hielt Voldemort ihren Armreif unter die Nase.

"Ich bin dir nicht egal, Tom. Das hier hast du mir vor einer Woche geschickt. Dabei lag ein Zettel, auf dem stand: 'Wie kannst du mir das antun?' Wenn ich dir egal wäre, dann würde ich das jetzt nicht tragen."
 

Einen Moment lang schwieg Voldemort, dann zischte er: "Aber ich liebe nur Bella, mehr als alles andere auf der Welt! Schau! Schau und verzweifle!"

Er zog Bellatrix lachend an sich und küsste sie auf den Mund. Ginny sog scharf die Luft zwischen die Zähne. Eine scheußliche Kälte breitete sich in ihr aus und erstickte alles...
 

Doch schon bald loderte etwas in ihrem Herzen auf, was sämtliche Kälte verdrängte. Wut. Sie wollte sich rächen für seinen Verrat. Wollte ihm wehtun, wie er ihr weh tat.
 

Alles andere ausblendend schenkte sie Severus einen wilden Blick.

"Ich brauche dich. Spiel einfach mit."

Als keine weitere Erklärung folgte, spürte sie, wie sich Severus' mentaler Fühler in ihren Geist schob. Sie zeigte ihm alles, was gerade in ihr vorging.
 

Er hatte kaum Zeit, überrascht aufzukeuchen, da hatte sie sich schon auf die Zehenspitzen gestellt und ihre Lippen auf seine gepresst.
 

Keinen Atemzug später ertönte ein hoher, kalter Schrei.

"NEEEEEIN!!"
 

Ginny löste sich mit einem triumphierenden Lächeln von Severus und blickte sich nach Voldemort um. Kalte Befriedigung erfüllte sie.

Bellatrix war verschwunden.
 

Voldemort blickte sie mit lodernden Augen an.

"Ich warne dich, Blutsverrätergöre! Du weißt nicht, worauf du dich einlässt!"

Damit verblasste und verschwand auch er.
 

Wieder herrschte für einen Moment Totenstille unter der Kuppel. Ginny atmete tief durch und ergriff erneut Severus' zweite Hand. Doch plötzlich änderte sich etwas. Die Kuppel schrumpfte.
 

Ginny keuchte erschrocken auf, als das Feuer von allen Seiten, auch von oben, immer näher kam. Severus schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. "Hab keine Angst, dieses Feuer wird dir nicht wehtun."

Ginny erinnerte sich, dass McGonagall gesagt hatte, sie würde Angst bekommen, aber nichts würde ihr etwas antun. Sie entspannte sich.

"Hauptsache, du bleibst bei mir", meinte sie leise.
 

Zu ihrem Entsetzen schüttelte Severus bedächtig den Kopf.

"Nein, ich gehe gleich. Die Feuerprobe musst du alleine bestehen."

Ginny packte Severus Hände fester und blickte ihn unsicher an.

"Was passiert, wenn ich sie nicht bestehe?"

Er lächelte nur.

"Das wird nicht geschehen. Selbst ich habe sie damals bestanden, und ich war um einiges mehr Todesser als du."
 

Ginny schluckte, beschloss dann jedoch, ihm zu vertrauen, und schloss die Augen. Sie wollte das Feuer nicht sehen. Irgendwann lösten sich Severus' Hände von ihren. Nur einen Moment später spürte sie eine kribbelnde, belebende Wärme, die ihren ganzen Körper einhüllte. Sie wagte nicht, die Augen zu öffnen.
 

Der Gesang des Phönix drang plötzlich wieder an ihre Ohren. Er war so unbeschreiblich schön und drang in jede Faser ihres Körpers, dass sie sich einfach fallen ließ.

Und dann erklang eine Stimme in ihrem Kopf. Ginny war sich sicher, dass es eine Vogelstimme war, und dennoch verstand sie die Worte.
 

'Nun, Ginevra... du hast viel gesehen und durchgemacht. Deine Gründe, dem Orden beizutreten, sind... ungewöhnlich. Mit deiner bedingungslosen Loyalität kann ich nicht rechnen, doch dein gutes Herz wird dich daran hindern, uns komplett zu verraten.

Und du allein besitzt die Macht, Lord Voldemort ohne einen Kampf zu besiegen. Es bringt durchaus einige Vorteile, dich bei uns zu haben. Kann ich, zumindest teilweise, mit einer ehrlichen Zusammenarbeit rechnen?'
 

Ginny musste schlucken. Nach einem Moment der Stille dachte sie: 'Ja, teilweise. Ich will weder die eine noch die andere Seite untergehen sehen und werde alles tun, um diesen Konflikt friedlich zu lösen.'
 

Diesen Gedanken hatte sie noch nie ausgesprochen, noch nicht einmal zu denken gewagt, doch noch während sie es dem Phönix anvertraute, wusste sie, dass es das Richtige war.
 

'Nun denn, Ginvera. Halte dich an dein Wort. Willkommen im Orden des Phönix!'
 

Der Gesang verstummte mit einem Mal und das Kribbeln verschwand. Ginny öffnete vorsichtig die Augen und fand sich im Kreis der Ordensmitglieder wieder.

Severus in Sirius' Gestalt lächelte sie breit an.

"Herzlichen Glückwunsch, Ginny. Du hast die Feuerprobe bestanden. Jetzt bist du eine von uns."

Zwischen den Stühlen

Kapitel 11: Zwischen den Stühlen
 

Ginny blickte ein wenig unbehaglich auf Sirius hinunter, der blass und leblos auf seinem Bett lag. Severus neben ihr nahm gerade wieder seine normale Gestalt an, doch sie achtete nicht auf ihn. Langsam schüttelte sie den Kopf und meinte, ohne sich umzudrehen:

"Ich kann es nicht fassen, dass du das getan hast."

Severus schnaubte.

"Hätte ich dich auffliegen lassen sollen?"
 

Rasch schüttelte Ginny den Kopf und wandte sich nun endlich zu ihm um.

"So habe ich das nicht gemeint. Ich dachte nur, ausgerechnet Sirius..."

Severus lächelte dünn.

"Wann bekomme ich sonst die Gelegenheit, ihm einen Schocker aufzuhalsen?"

Ginny grinste.

"Okay, wenn du es so siehst..."
 

Sie blickte wieder auf Sirius hinunter.

"Du musst ihm das Gedächtnis verändern, bevor er aufwacht."

Eine gewisse, kaum wahrzunehmende Härte war in ihre Stimme und ihren Blick getreten, während sie das gesagt hatte.
 

Severus musterte sie einen Moment betrübt, dann nickte er.

"Ja. Wenn du willst, kannst du zusehen. Früher oder später wirst du es wahrscheinlich sowieso lernen müssen."
 

Er wandte rasch den Blick ab, damit Ginny dessen Bitterkeit nicht sah. Wieder einmal musste er zusehen, wie ein Kind seine Unschuld verlor. Und das nicht im üblichen Sinne.

Gewiss hatte die Zeit bei Voldemort sie geprägt, doch dort war sie abgeschnitten von der Welt gewesen. Erst jetzt lernte sie, was es hieß, zwischen den Fronten zu stehen. Erst jetzt erkannte sie, welche grausamen Kompromisse sie eingehen musste, um so wenig geliebte Menschen wie möglich zu verlieren.

Jemandem das Gedächtnis zu verändern klang so harmlos, aber das war es nicht. Wenn man niemandem vertrauen konnte, hatte man im Normalfall doch immer noch sich selbst. Wenn man nun aber nicht einmal seinen Erinnerungen trauen konnte - was blieb dann übrig?
 

Er schluckte, zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf Sirius' Schläfe.

"Legilimens", flüsterte er.

Es gab keinen eigenen Zauberspruch für anspruchsvolle Gedächtniszauber. Sicher, es gab den Obliviate, doch der würde hier nicht ausreichen. Sirius musste Erinnerungen an Ginnys Aufnahmeritual haben, das er nie erlebt hatte.

Er durchforschte Sirius' Erinnerungssalat, löschte die Momente, in denen er Severus gesehen hatte, sponn neue Fäden... Es war ein seltsames und kompliziertes Unterfangen. Hätte Severus es jemandem beschreiben sollen, er hätte es nicht gekonnt.
 

Während der ganzen Prozedur spürte er Ginnys stille Anwesenheit in Sirius' Geist, doch er ignorierte sie hartnäckig. Am Ende würde sich Sirius sonst noch daran erinnern, dass sie in seinen Geist eingedrungen war! Nur einmal fragte er sie um Hilfe. Er musste Sirius schließlich auch Erinnerungen an die Dämonen, denen er mit Ginny gegenübergetreten war, einpflanzen.

Ginny beschloss schließlich, dass sie Angst davor gehabt hatte, geliebte Menschen zu verlieren und dass niemand ihr etwas zutraute - wenn sie sich recht erinnerte, hatte sie das Schwert Gryffindors, mit dem alles begonnen hatte, tatsächlich aus dem Grund geklaut, dass alle endlich einsahen, dass sie durchaus zu etwas zu gebrauchen war und man nicht immer auf sie Rücksicht nehmen musste.
 

Als Severus jedoch vorschlug, sie hätte Angst davor gehabt, von Voldemort oder einem Todesser gefoltert zu werden, hatte sie abgeblockt. Ja, sie hatte zwar ein wenig Angst vor Bellatrix' Cruciatus, doch dieses Beispiel würde nur eine Verkörperung von der Angst vor der dunklen Seite sein. Und vor der dunklen Seite hatte sie keine große Angst.

An und für sich hatte auch keine Angst vor Voldemort.

Dass ein Zweifel in ihrem Herzen nagte, ob Voldemort ihre Freunde verschonen würde, wo er doch Ron um ein Haar getötet hatte, verschwieg sie Severus. Er musste sich konzentrieren. Später war noch genug Zeit, es ihm zu sagen.
 

Ginny kam die Zeit endlos vor, während sie den falschen Erinnerungen dabei zusah, wie sie Gestalt annahmen. Doch endlich zwang Severus sie mit sanfter Gewalt aus Sirius' Geist und blickte sie erschöpft an.

"Das war es. Die Erinnerungen brachen jetzt noch ein paar Minuten, um sich zu setzen, dann können wir ihn aufwecken."
 

Er schloss die Augen und atmete tief durch. Dann blickte er Ginny wieder mit dem üblichen Funkeln in den Augen an.

"Dieser Armreif, den du der Illusion vorhin gezeigt hast, darf ich den mal sehen?"

Ginny nickte und streckte den Arm aus. Plötzlich begann sie leise zu kichern. Auf Severus' Stirn erschien die für ihn so typische Falte, wenn ihm etwas nicht passte.

"Was ist denn auf einmal so lustig?"

Ginny blickte ihm lächelnd in die Augen.
 

"Wenn ich vor einem Jahr erfahren hätte, wie nett du sein kannst, wäre ich vermutlich tot umgekippt vor Schreck. Du fragst mich doch tatsächlich um Erlaubnis!"

Er schnaubte nur und packte ihren Arm.

"Ich wäre sicher auch umgekippt. Zeig her!"

Sie seufzte theatralisch und krempelte den Ärmel hoch.

"Da ist es wieder, das Ekel Snape..."

"EKEL?!", zischte Severus erbost und verstärkte seinen Griff um ihr Handgelenk so stark, dass sie aufschrie.

"Wer nennt mich so?"
 

Ginny biss die Zähne zusammen und schoss eine Welle aus reiner Magie ab. Severus ließ ihren Arm los, als hätte er sich verbrannt.

Sie schenkte ihm einen Todesblick, wie er es nicht besser hätte machen können.

"Tu mir nie wieder weh, hast du verstanden? Ich bin nicht mehr das hilflose kleine Gryffindormädchen, dem du nach Lust und Laune Punkte abziehen kannst!"

Er presste die Lippen zusammen und schwieg. Die Falten um seinen Mund und seine Augen vertieften sich ein wenig. Es musste ihn wirklich getroffen haben.
 

Ginny seufzte und streckte ihm ihren Arm entgegen.

"Die meisten Schüler nennen dich so. Sogar ein paar Slytherins."

Er brummte missmutig und fuhr mit dem Finger vorsichtig über den Armreif.

"Der Zauber, der darauf liegt... hat er dir jemals weh getan?"
 

Ginny blickte ihn verblüfft an.

"Nein, nie. Im Gegenteil, er tröstet mich, wann immer ich es brauche."

Sie lächelte leicht. Severus blickte sie forschend an.

"Du weißt, dass es der dunkle Lord ist, der dich da tröstet, ja?"

Sie nickte zögerlich, doch das schmale Lächeln blieb.
 

Severus konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, die Augen zu verdrehen. Gryffindors! Selbst Ginny, die er immer für intelligent gehalten hatte, ließ sich von einem verhexten Armreif einlullen. Wie sollte sie da als Doppelspionin überleben?

Streng genommen war das nicht sein Problem. Dennoch, er machte sich Sorgen um sie. Wie lange würde sie wohl durchhalten, ohne zusammenzubrechen?
 

Er stand auf und streckte sich, um die düsteren Gedanken loszuwerden. Ginny würde es schaffen. Sie war stark. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

"Ich muss weg. Komm so bald wie möglich in die Schule zurück und pass auf dich auf, ja?"

Ginny legte ihre Hand auf seine.

"Das werde ich. Geh."
 

Er nickte ihr noch einmal zu und verschwand mit einem Wehen seines Umhangs.

Ginny zückte unterdessen ihren Zauberstab und murmelte leise: "Enervate."

Es wurde Zeit, mit Sirius nach unten zurückzukehren. Ihre Eltern würden sich schon Sorgen machen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Wenige Tage später erlebte Lord Voldemort eine Überraschung. Er war gerade im Speisesaal, da fiel eine reichlich zerzauste Bellatrix durch die Decke.

Sie lief auf ihn zu und versuchte gleichzeitig, eine störrische Eule davon abzuhalten, ihr die Augen auszupicken. Er musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht loszulachen.
 

Bellatrix fiel vor ihm auf die Knie und hielt ihm ein kleines, längliches Päckchen hin.

"Das ist für Euch, Herr. Die Eule ist gegen die Schutzschilde gekracht. Es steht kein Absender drauf, es könnte gefährlich sein."

Voldemort schnaubte.

"Das weiß ich selber, Bella. Noch ein Wort und du wirst es bereuen!"

Sie zuckte zusammen und schwieg.

"Du darfst gehen."

Bellatrix sprang auf und verließ den Saal.
 

Voldemort ging gedankenversunken in seine Wohnung, wo ihn niemand stören würde. Er hatte die Schrift erkannt, mit der sein Name auf die Verpackung gekritzelt war. Das Päckchen war von Ginny. Was sie ihm wohl schicken würde?
 

Sein Herz pochte schneller, als er das Papier abwickelte, auch wenn er es sich niemals eingestanden hätte. Er hatte schon so lange nichts mehr von ihr gehört, und auch ihr Geist war ihm seit Wochen verschlossen. Manchmal ließ sie ihn zwar einen Blick hineinwerfen, doch von ihren Gefühlen spürte er nichts mehr seit dem Tag, an dem er Bellatrix gefoltert hatte.
 

Bisher hatte er sich deswegen noch nicht viele Gedanken gemacht - gut, der Tag, an dem sie Ron gerettet hatte, war demütigend gewesen, aber... sie würde schon wieder kommen. Hoffentlich...
 

Er warf das Papier achtlos in die Ecke - und keuchte auf.

Sein Zauberstab!

Der Zauberstab, den Moody ihm abgenommen hatte und von dem er angenommen hatte, ihn nie wieder zu sehen!
 

Fast zärtlich glitten seine Finger an dem Stück Holz entlang, legten sich wie zum Test um ihn, befühlten jeden Zentimeter... wie sehr er ihn doch vermisst hatte!

Ein seliges Lächeln schlich sich auf sein Gesicht.

So bemerkte er nicht, wie sich ein schmaler, unauffälliger Fühler in seinen Geist schob. Dementsprechend zuckte er auch zusammen, als plötzlich Ginny Stimme in seinem Kopf widerhallte. Sie sagte nur ein einziges Wort.

'Deletrius.'
 

Voldemort wollte schon fragen, was sie damit meinte, da war sie auch schon wieder weg. Als er ihre Verbindung entlang tastete, krachte er wieder einmal gegen die mittlerweile schon übliche, undurchdringliche Wand um Ginnys Geist. Frustriert ließ er sich in seinen Sessel zurückfallen und spielte weiter mit seinem Zauberstab. Ginnys plötzliches Auftauchen hatte ihn hoffen lassen, ihr ebenso plötzliches Verschwinden hatte ihn verletzt. Er wusste es zwar nicht, doch es war so. Was es wusste, war, dass er sich seltsam leer fühlte. Und er konnte es nicht wirklich zuordnen...
 

Fast unwillkürlich schwang er seinen Zauberstab und murmelte: "Deletrius."

Er zuckte überrascht zusammen, als vor seiner Nase eine Illusion von Ginnys Kopf erschien. Und ärgerte sich im nächsten Moment über sich selbst. Nichts durfte ihn so überraschen, selbst Ginny nicht! Er war schließlich der dunkle Lord!
 

Die Illusion von Ginny blickte ernst drein, als sie den Mund aufmachte und zu sprechen begann.

"Wie du siehst, Voldemort" - sie sprach das Wort 'Voldemort' reichlich abfällig aus und brachte ihn damit zum Schnauben - "habe ich dir deinen Zauberstab wieder gegeben. Das ist eine Gegenleistung für den Armreif - geschenkt will ich ihn nicht. Ich bin jetzt Mitglied im Orden des Phönix, falls es dich interessiert. Allerdings nicht, um dich zu töten."
 

Ein sarkastisches Lächeln umspielte ihre Lippen.

"Das heißt nicht, dass ich dich nicht töten will - manchmal könnte ich dir wirklich den Hals umdrehen. Nein, ich versuche es nicht, weil ich genau weiß, dass ich es nicht schaffe. Nicht mal mit dem ganzen Orden als Verstärkung."
 

Sie wurde wieder ernst.

"In einem speziellen Fall werde ich allerdings dennoch an deinem Untergang arbeiten - wenn du dein Versprechen noch einmal brichst. Ron war schon schlimm genug. Sollte auch nur einem meiner Freunde ein Haar gekrümmt werden, werde ich dich verraten. Und du kannst mich nicht davon abhalten. Also tu gefälligst, was du versprochen hast."
 

Sie holte tief Luft.

"Und wenn du schon dabei bist, denke nochmal über die Mittel nach, mit denen du deine Ziele erreichst, und überlege, ob das wirklich notwendig ist. Andere Leute leben ein ganzes Leben, ohne einen Unverzeihlichen auszusprechen - was findest du so toll daran? Und was haben die Muggel, die du folterst und umbringst, dir getan? Haben sie den Tod wirklich verdient?"
 

Damit verblasste die Illusion und ließ einen etwas überrumpelten Voldemort zurück.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

"Steh auf, Lucius."
 

Lucius gehorchte. Voldemort konnte Angst in seinen einstmals so edlen Zügen entdecken. Seit dem Zwischenfall in der Mysteriumsabteilung schien es Lucius nicht gut zu gehen - obwohl er seit über einem Jahr nicht mehr in Askaban war. Er lächelte schmal. Kein Wunder - er selbst schürte Lucius' Angst regelmäßig mit kleinen, versteckten Drohungen. Doch das war nun vorbei. Voldemort zog seinen zweiten Zauberstab aus dem Umhang und hielt ihn Lucius unter die Nase.
 

"Ich benötige deinen Zauberstab nicht länger. Du bekommst ihn zurück. Stell dieses Mal weniger Mist damit an."
 

Lucius blickte Voldemort so an, als könne er nicht glauben, was er da hörte. Vorsichtig ergriff er seinen Zauberstab, den Voldemort ihm für so lange abgenommen hatte, und sobald dessen lange, bleiche Finder ihn nicht länger berührten, packte er ihn so fest, als wolle er ihn nie wieder loslassen.
 

"Noch etwas, Lucius. Du wirst die Operation, die für heute Nacht geplant ist, absagen. Und du wirst dafür sorgen, dass es deswegen keinen Krawall gibt, hast du mich verstanden?"
 

Lucius nickte rasch.

"Ja, Herr."
 

"Gut, das ist alles, du kannst gehen."
 

Lucius neigte respektvoll vor seinem Meister den Kopf, dann machte er, dass er davon kam.
 

Wunderbar. Er sollte Krawalle verhindern? Missmutig zog er eine Grimasse. Er konnte Bellatrix' Gesicht schon sehen, wenn er verkündete, dass die Operation geplatzt war. Sie würde toben. Aber damit würde er schon fertig werden. Immerhin hatte er ja seinen Zauberstab zurück.

Ein sadistisches Grinsen schlich sich auf seine Züge. Jetzt konnte er ihr all die Demütigungen zurückzahlen, die er seit Jahren ertragen hatte...

Es beginnt von neuem

Kapitel 12: Es beginnt von neuem
 

Ginny rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Es war ein harter Holzstuhl mit einer steilen Lehne, den Professor McGonagall mit einem Schnippen ihres Zauberstabs heraufbeschworen hatte. Sie dachte beinahe schon sehnsüchtig an die knuddligen Sessel zurück, die Voldemort immer heraufbeschworen hatte. Moment mal, sehnsüchtig?
 

Rasch wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Professor McGonagall zu, die gerade in ihrem Büro ein kurzes Ordenstreffen abhielt.

Just in diesem Moment meinte die Professorin: "Und nun zu dir, Ginny. Solange du noch zur Schule gehst, kannst du nur eins tun: Freunde dich mit den Slytherins an und horche sie aus."
 

Ginny schnappte nach Luft. Sie sollte was?

"Aber", entgegnete sie entsetzt, "das würde ja heißen, ich soll sie nach Strich und Faden anlügen! Ich weiß nicht, ob ich das kann."

In ihrem Geist gluckste Severus.

'Und wie du das kannst. Du tust es sogar jetzt in diesem Augenblick.'

Als Antwort katapultierte Ginny ihn aus ihren Gedanken.
 

Professor McGonagall seufzte.

"Ich weiß, dass wir dir viel zumuten, doch uns bleibt keine andere Möglichkeit. Du bist im Moment die einzige Schülerin, die wir in unseren Reihen haben."

Ginny runzelte die Stirn.

"Was ist mit Hermine und Ron? Warum sind sie nicht im Orden?"

"Sie sind beide reichlich angeschlagen und trauern immer noch um Harry. Außerdem war Ron in der Gewalt von Voldemort. Wir haben beschlossen, ihnen eine kleine Pause zu gönnen."
 

Ginny schnaubte und sprang auf.

"Ach ja, und ich habe keine Pause verdient? Ich war ganz zufällig auch in der Gewalt von Voldemort, schon vergessen? Und ich habe auch zusehen müssen, wie Harry gestorben ist! Voldemort hat ihn mit den Informationen aus meinem Kopf gefangen, falls Sie es vergessen haben! Und ich habe zugesehen, wie Ron gefoltert worden ist! Ich habe ihn aus dieser Hölle raus geholt! Habe ich keine Pause verdient?!"
 

Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und funkelte Professor McGonagall wütend an.

'Respekt, du spielst das wirklich gut', murmelte Severus, der sich wieder in Ginnys Gedanken geschlichen hatte. Ginnys Augen wurden feucht.

'Das ist nicht gespielt, Severus...'

Darauf erwiderte Severus nichts.
 

Einen Augenblick herrschte gespenstische Stille in dem kleinen Büro. Dann straffte Professor McGonagall die Schultern und blickte streng auf Ginny herab. Ginny konnte im Gesicht ihrer Mentorin förmlich den Wechsel zwischen mitfühlender Lehrerin und gnadenloser Leiterin des Widerstandes sehen.

"Du bist dem Orden aus freiem Willen beigetreten. Du wusstest, was dich erwartet. Wir sind der letzte Widerstand. Voldemort regiert über ganz England. Es wird eng für uns. Unsere Mitglieder werden permanent weniger, er zieht einen nach dem anderen aus dem Verkehr. Die restlichen arbeiten um so härter, um ihn endlich zu stoppen. Wie weit bist du zu gehen bereit, um die Welt von ihm zu befreien?"
 

Ginny schluckte und senkte den Blick. Das war so ungerecht! Selbst jetzt, als Harry tot war, bekamen Ron und Hermine noch Sonderrechte!

Dabei konnten die auch nicht mehr als sie. Ron wagte sicher nicht einmal von der Magie zu träumen, die sie beherrschte. Und Hermine... es gab so vieles, was Ginny wusste und Hermine nicht... so vieles, was man nicht aus Büchern lernen konnte...

Der Orden hatte nicht das Recht, die beiden anders zu behandeln als den Rest!
 

Entschlossen blickte sie ihrer Professorin wieder in die Augen.

"Ihr nehmt sie doch nur noch nicht auf, weil sich eh kein Slytherin mit ihnen anfreunden würde. Aber ihr wisst alle, dass ich den Ruf habe, mir einen Freund nach dem anderen zu angeln und das nicht nur aus Gryffindor. Das ist es, nicht wahr? Soll ich für den Rest meiner Schulzeit das Slytherinflittchen sein?"

Ihr Blick schien McGonagall regelrecht zu durchbohren. Die Luft zwischen ihnen knisterte.

Plötzlich zupfte Arthur an Ginnys Robenärmel.

"Ginny, so war das nicht gemeint! Es ist ja nicht so, als würden wir dir die Schulzeit versauen wollen... aber du musst auch an Voldemort denken, und an das ganze Leid, das er verbreitet."
 

Ein trauriges Lächeln schlich sich auf Ginnys Züge. Oh ja, sie musste an Voldemort denken. Er war ein Slytherin. Er war sogar der Erbe Slytherins. Irgendwo war sie wirklich so etwas wie ein Slytherinflittchen... Der Gedanke tat weh. Verdammt weh. Vor allem, weil sie wusste, dass sie nicht nur bis zum Ende ihrer Schulzeit ein Slytherinflittchen war. Voldemort als Erbe Slytherins blieb für immer Slytherin. Und sie hatte ihn geküsst...
 

Mehr noch, sie hatte sich in ihn verliebt und noch immer wurde ihr warm, wenn jemand von ihm sprach. Sie hatte es anscheinend immer noch nicht geschafft, ihn aus ihrem Herzen zu verbannen.

Plötzlich wurde ihr die Bedeutung des Spruchs 'Liebe und Hass liegen dicht beieinander' so richtig bewusst. Es kam nur auf Kleinigkeiten an, ob sie ihn hasste oder sich zurücksehnte. Und im Moment schien die Sehnsucht zu überwiegen... Verdammt!
 

Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und funkelte Professor McGonagall an.

"Gut, ich werde es tun, aber glauben Sie ja nicht, ich würde es gerne tun!"
 

Damit rannte sie aus dem Büro. Sie wollte nicht, dass jemand vom Orden sie weinen sah, schon gar nicht ihr Vater. Sie musste zu Severus. Er war der einzige, bei dem sie so sein konnte, wie sie wirklich war.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Als sie in Severus' Wohnzimmer stürmte, mit Tränen in den Augen, traf sie nicht nur Severus an, sondern auch - Draco Malfoy. Sie schenkte ihm einen Todesblick und ließ sich auf das Sofa fallen.

"Na toll, auch das noch. Du hast mir gerade noch gefehlt. Severus, hast du einen Beruhigungstrank für mich?"

Severus nickte stumm und verließ das Zimmer.
 

Ginny wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Draco blickte sie ziemlich verdattert an.

"Ähm... Weasley, was ist passiert? Und warum kommst du in dieser Verfassung ausgerechnet zu Severus?"

Sie schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen.

"Nicht jetzt. Wenn ich jetzt anfange, mit dir zu diskutieren, flippe ich aus. Ich brauche erst den Trank."
 

Erstaunlicherweise hielt Draco daraufhin tatsächlich seinen Mund und wartete mit ihr auf Severus. Dieser kehrte kurz darauf aus seinem Büro zurück und hielt Ginny eine kleine Phiole mit einer himmelblau schillernden Flüssigkeit hin. Sie packte sie und kippte den Inhalt mit einem Zug hinunter.
 

Sie schüttelte sich, dann blickte sie zu Severus auf und meinte leise: "Danke."

Er winkte ab und ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder.

"Keine Ursache."

Sie lächelte schwach und lehnte sich an ihn.

"Trotzdem, danke."
 

Erst jetzt fixierte sie Draco mit ihrem Blick.

"Und nun zu dir. Was passiert ist? Ron und Hermine haben im Orden des Phönix immer noch Sonderrechte, auch nach Harrys Tod, und werden geschont, und mich spannen sie voll ein. Und warum ich jetzt ausgerechnet zu Severus gekommen bin? Streng mal dein Hirn an. Selbst du dürftest trotz jahrhundertelanger Inzucht eins besitzen."

Severus rückte ein Stück von ihr ab.

"Ginny, das war gemein. Er kann nichts dafür, dass er in eine der alten Familien geboren wurde."
 

Ginny hörte ihm nicht zu. Es war ihr egal, dass sie gemein war. Sie brauchte jetzt jemanden, den sie anschnauzen konnte.

Seltsamerweise lächelte Draco nur, anstatt auf sie loszugehen.

"Jetzt weiß ich, was Dad mit seinem Brief gemeint hat."

Ginny blinzelte verwirrt.

"Hä? Was hat dein Dad damit zu tun?"
 

"Heute morgen kam ein Brief für mich aus dem Versteck an. Dad ist vom dunklen Lord rehabilitiert worden. Und er ist der Ansicht, dass du Schuld daran bist. Die erste Anweisung des dunklen Lords an ihn war nämlich, den für gestern geplanten Großangriff auf eine Muggelstadt abzublasen. Und Dad meinte, dass nur du den Lord zu so einer Entscheidung bewegen könntest, weil du die einzige bist, die den Mut hat, sich mit ihm anzulegen."
 

Ginny schnaubte nur, auch wenn sie am liebsten im Kreis gesprungen wäre. Voldemort hatte tatsächlich Muggel verschont?

"Und jetzt stellst du dich mit ihm auf eine Stufe und denkst, es bräuchte genauso viel Mut, sich mit dir anzulegen, wie sich mit ihm anzulegen? Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob du wirklich ein Hirn besitzt oder ob dein Kopf einzig und allein mit deinem Ego, sprich mit heißer Luft, gefüllt ist."
 

Draco grinste.

"Genau so hat er dich beschrieben. Zickig und stur, aber stark."

Ginny verdrehte die Augen.

"Sollte ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?"

"Natürlich", gab er zurück. "Wenn die anderen Slytherins wüssten, dass ich eine Gryffindor stark genannt habe, würden sie mich glatt zerfetzen."
 

Ginny musste lachen, nicht nur wegen Draco, sondern auch wegen all der Muggel, die den heutigen Morgen noch erlebt hatten, obwohl sie in den Plänen Voldemorts eigentlich schon seit gestern tot sein müssten. Orden des Phönix hin, McGonagall und Spionage her, heute war ein toller Tag!

"Wenn du mich lieb darum bittest, werde ich niemandem davon erzählen."

Sie zwinkerte ihm zu.
 

Draco schien ein wenig aus dem Konzept gebracht.

"Du bist gruselig. Wechselst deine Laune schneller als Pansy, und das muss man erstmal schaffen!"

Ginny zog die Augenbrauen hoch.

"Deine Freundin?"

Draco schwieg.
 

Ginny bohrte nicht weiter nach, sondern berichtete Severus über ihren Auftrag vom Orden.

"Sieht so aus, als müsste ich jetzt deinen Job machen", meinte sie am Ende zu Severus.

Severus musterte sie stirnrunzelnd.

"Wieso das? Hast du vom dunklen Lord auch einen Auftrag zum Spionieren bekommen?"
 

"Nicht direkt. Du weißt doch noch, dass ich ohne Probleme hierher zurückkehren konnte, obwohl ich ja vor den Augen des Ordens mit Voldemort geflohen bin?"

Severus nickte stumm.

"Während der Flucht hatte Voldemort eine Illusion auf mich gelegt, dass ich so aussehe, als stünde ich unter Imperius. Unter einem guten Imperius, sodass es Moody auch erst aufgefallen sein muss, als es schon zu spät war. Als ich ihn später gefragt habe, warum er das getan hat, da war ich schon wieder hier, hat er gemeint, er lässt sich immer ein Hintertürchen offen. Und mein Hintertürchen wäre eben ein Paar Augen in Hogwarts und im Orden des Phönix."
 

Severus schnaubte.

"Das sieht ihm ähnlich."

Er blickte Ginny besorgt an.

"Doppelspion zu sein ist ein gefährliches Spiel - ein Spiel, bei dem du sehr leicht den Punkt verpasst, an dem aus Spiel Ernst wird."

Ginny lächelte ihn beruhigend an.

"Keine Sorge, ich schaffe das schon. Ich habe ja dich."
 

Er zog bloß eine Augenbraue hoch.

"Im Hauptquartier vom Phönixorden kann ich dir nicht mehr helfen, falls du auffliegen solltest. Deine Aufnahme war schon riskant genug."

"Meine Familie würde mich nicht umbringen oder foltern, und seit Dumbledore tot ist, haben sie keinen wirklich guten Legilimentor mehr."

Severus wirkte nicht überzeugt.

"Was ist mit Moody?"
 

Ginny wurde unsicher. Stimmt, was war mit Moody, der allem und jedem misstraute?

Ihr Lächeln verrutschte, als sie leise erwiderte: "Ich konnte ihn bisher täuschen, wieso sollte ich es in Zukunft nicht können?"

Sie versuchte sich lieber nicht vorzustellen, was passieren würde, wenn Moody mit dem angeblichen Zauberstab von Voldemort zu zaubern versuchte...
 

Severus schnaubte.

"Das ist Moody. Irgendwann wird er dahinter kommen. Was ist, wenn er es herausfindet und dich im Hauptquartier stellt?"

Ginny musste schlucken und senkte den Blick.

"Dort bist du ganz allein. Und Minerva wird Moody garantiert mit allen Mitteln helfen. Du hast verloren, wenn es soweit kommt, selbst wenn deine Eltern dir nichts tun."
 

Ginny nickte langsam. Es tat weh, wie Severus ohne eine Gefühlsregung von ihrer Gefangennahme und vielleicht auch ihrem Tod sprach, doch es war gut so. Sie hatte bisher die Gefahren ausgeblendet und nicht gewagt, sich vorzustellen, was geschah, wenn sie aufflog. Diese offene Sprache nahm ihr einen Teil der Angst. Sie wusste jetzt, was geschehen konnte, und konnte sich dementsprechend darauf vorbereiten.
 

Sie blickte zu Severus auf. Der schnaubte wieder einmal.

"Ich kenne diesen Blick. Du willst irgendwas. Was ist es diesmal?"

"Hast du Moody schon mal kämpfen sehen?"

"Ja, warum?"

"Bring mir bei, wie er kämpft. Wenn ich das weiß, habe ich eine Chance, falls es zum Kampf kommt."
 

Er zog eine Augenbraue hoch.

"Du würdest ein Nein sowieso nicht akzeptieren und jammern, bis ich doch einwillige, also werde ich es tun. Allerdings werden wir uns dann auch duellieren müssen. Das geht hier schlecht. Sobald du einen Ort gefunden hast, an dem wir genug Platz zum Duellieren haben und nicht gestört werden können, zeige ich dir seine Tricks, okay?"
 

Draco blickte interessiert vom einen zum anderen. "Duelliertraining? Das hört sich interessant an. Darf ich mitmachen?"

Ginny und Severus blickten sich einen Moment lang an, dann nickten beide.

Doch Ginny meinte noch: "Aber nur, wenn du dich benimmst!"

Die Kammer des Schreckens

Kapitel 13: Die Kammer des Schreckens
 

Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug. Die Tage verliefen alle nach dem selben Muster. Ginny langweilte sich im Unterricht erledigte ihre Hausaufgaben oft schon in der nächsten Unterrichtsstunde unter der Bank, anstatt sie abends zu machen.

Nach dem Abendessen traf sie sich mit Draco und die beiden drehten eine Runde durchs Schloss und überlegten, wo sie trainieren könnten.
 

Ginny war zwar der Raum der Wünsche eingefallen, doch als sie ihn fünf Tage hintereinander nicht betreten konnten und Hermine Ginny schließlich erzählte, dass sie sich dorthin immer mit Ron verzog, um zu trainieren, verwarf sie diese Möglichkeit. Ihr war nicht entgangen, dass Hermines Augen bei ihren Worten geglänzt hatten und ihre Wangen leicht gerötet waren. Außerdem hatte Hermine sicher nicht zufällig vergessen, sie zu fragen, ob sie mitmachen wollte.

Sie hatte Hermine anschließend mit einem breiten Grinsen gratuliert, was dieser noch mehr Röte ins Gesicht getrieben hatte.
 

Draco hatte zwar gemeint, er könnte die beiden nach dem Unterricht aufhalten, bis Ginny den Raum blockiert hatte, doch das hatte Ginny empört abgelehnt. Sie gönnte Ron und Hermine ein bisschen Glück, selbst wenn sie immer noch sauer auf die Sonderrechte war, die sie bekamen. Aber sie wusste genau, dass die beiden nicht darum gebeten hatten, geschont zu werden, also richtete sich ihre Wut auf den Orden und nicht auf sie.
 

Draco hatte Ginnys Entscheidung nur mit einem verächtlichen Schnauben kommentiert und war seitdem recht wortkarg. Ginny ahnte, dass sich das auch nicht ändern würde, bis sie einen Raum zum Trainieren gefunden hatten.

Nach ihrer alltäglichen Runde statteten sie Severus stets noch einen Besuch in den Kerkern ab, wo Ginny mit ihm Okklumentik übte, bevor sie sich trennten und in ihre Gemeinschaftsräume zurückkehrten.
 

Nach einer Woche hatte sie einmal Professor McGonagalls Blick aufgefangen, als sie nach dem Abendessen am Eingang zur Großen Halle auf Draco gewartet hatte. Diese hatte ihr ein anerkennendes Nicken zukommen lassen. Ginny lächelte gezwungen und zwinkerte kurz, um ihre Professorin weiter in dem Glauben zu lassen, sie würde Draco ausspionieren.
 

Schon bald hatten die ersten Gerüchte die Runde gemacht, weil Ginny und Draco so oft abends durch Schloss spazierten. Die beiden ignorierten das Gerede, auch wenn sie sich sicher waren, dass sie beide irgendwann deswegen zur Rede gestellt werden würden - Draco von Pansy und Ginny von Ron. Die beiden hatten ein enormes Talent für Todesblicke entwickelt.
 

Doch bis dahin würde sich nichts ändern. Draco schien Pansy zwar zu mögen, doch nach allem, was Ginny mitbekommen hatte, war er nicht im geringsten in sie verliebt. Aber was hieß das schon - Draco war genauso gut wie Severus darin, seine Gefühle zu verbergen. Doch zumindest schienen Pansys Blicke und Kommentare ihn nicht zu stören.
 

Ginny ließ sich von Ron ebenfalls nicht aus der Ruhe bringen. Er war zwar ihr Bruder, doch er kannte sie nicht und hatte deshalb auch kein Recht, sich in ihr Leben einzumischen.

Sollte er es doch tun - dann würde er es mit ihr zu tun bekommen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny und Draco waren wieder einmal auf ihrer abendlichen Runde durchs Schloss, als ihnen plötzlich jemand hinterher rief: "Ginny! Malfoy!"
 

Als sie sich umwandten, kam Ron auf sie zugelaufen. Dracos Augen verengten sich augenblicklich.

"Was willst du, Wiesel?"

Ginny stieß ihm dafür mit dem Ellbogen in die Rippen.

"Nenn ihn nicht so!"

"Warum nicht? Er ist doch eins."
 

Ginny schnaubte und blickte wieder zu Ron.

"Was ist los, Ron?"

Ron schnaubte ebenfalls und deutete auch Draco.

"Er ist los. Was hast du mit ihm zu schaffen?"

"Wir sind befreundet, Ron. Nicht, dass dich das was angehen würde."

"Es geht mich sehr wohl was an! Du bist meine Schwester!"
 

Mit einem Schaudern bemerkte Ginny, dass Rons Ohren rot wurden, wie immer wenn er wütend war und kurz davor, Mist zu bauen. Sie blickte ihm direkt in die Augen.

"Ron, bitte, reg dich nicht auf. Meine Freunde sind meine Freunde, und du kannst daran nichts ändern. Versuch es also nicht. Schau lieber, dass du mit ihnen klar kommst, davon haben wir alle mehr."
 

Wieder schnaubte Ron.

"Mit Malfoy klarkommen? Spinnst du? Siehst du nicht, dass er nicht gut für dich ist? Genauso wenig wie Snape! Ich hab gesehen, wie oft du bei ihm in den Kerkern warst! Der Kerl hat Dumbledore ermordet, schon vergessen? Halt dich von ihnen fern!"
 

Ginny ballte die Fäuste. Ron hatte mitbekommen, wie oft sie bei Severus war? Sie musste vorsichtiger sein... Jetzt war sie froh, dass Ron noch kein Ordensmitglied war.

"Nein, Ron. Wie schon gesagt, meine Freunde sind meine Sache."

Ron explodierte.

"Aber das sind TODESSER!!", brüllte er Ginny an.
 

Er sprang vor, packte Dracos Ärmel und zog ihn nach oben. Im selben Moment verpasste Draco Ron eine schallende Ohrfeige. Ron taumelte zurück, doch auf seinen Lippen lag ein triumphierendes Lächeln.

Dracos linker Unterarm lag frei, darauf prangte deutlich das Dunkle Mal.
 

Draco schob sich lässig den Ärmel wieder herunter und bedachte Ron mit einem herablassenden, angeekelten Blick.

"Fass mich nie wieder an, Wiesel."
 

Ron deutete mit dem Finger auf ihn.

"Siehst du, Ginny? Hast du es gesehen?"

Ginny zwang sich, ruhig zu bleiben.

"Ja, Ron, ich habe es gesehen. Denkst du, das ändert etwas? Denkst du, das habe ich nicht schon vorher gewusst?"
 

"DU WUSSTEST, DASS ER EIN ARSCHKRIECHER VON DU-WEISST-SCHON-WEM WAR UND HAST DICH MIT IHM ANGEFREUNDET?!"

Ron lief scharlachrot an.
 

Draco neben Ginny war ruhig geworden. Gefährlich ruhig. Langsam zog er seinen Zauberstab.

"Sag das nochmal, Wiesel. Sag es mir ins Gesicht und du bist tot."
 

Ron zog ebenfalls seinen Zauberstab. Ginny wollte sich entsetzt zwischen die beiden stellen, doch Draco schubste sie weg.

In diesem Moment rief Ron: "Kannst du haben, Frettchen! ARSCHKRIECHER!! Du rutschst vor Du-weißt-schon-wem im Staub rum und bettelst darum, von ihm -"

Dracos Zauber traf ihn mit voller Wucht ins Gesicht und schleuderte ihn ein paar Meter nach hinten. Er landete mit einem Schrei auf dem harten Steinboden. Stöhnend versuchte er sich aufzurichten, doch das schien nicht leicht zu sein. Draco indes hatte immer noch seinen Zauberstab erhoben und machte einen Schritt auf ihn zu.
 

Ginny sprang vor Draco und rief entsetzt: "NEIN! Hör auf!"

"Geh mir aus dem Weg", zischte Draco mit vor Wut lodernden Augen.

"Nein", gab Ginny nicht weniger wütend zurück.

Als er sich an ihr vorbei drängen wollte, packte sie ihn und schleuderte ihn mit reiner Magie gegen die Wand, so dass er sich nicht rühren konnte.

"Lass ihn in Ruhe und komm mit. Das ist ein Befehl!"
 

Sie rief ihre Magie erst zurück, als Draco nickte. Er sackte kurz an der Mauer zusammen, dann folgte er Ginny. Sie rannte ziellos den Gang hinunter und riss die erstbeste Tür auf, an der sie vorbei kam.

"Los, rein da!", zischte sie. "Bevor wir Ärger bekommen."
 

Draco blieb wie angewurzelt stehen.

"Das ist ein Mädchenklo."

Ginny warf einen Blick hinein. Erst jetzt schien sie zu realisieren, wo sie war.

"Ach, da ist nie jemand drin, das ist das Klo der maulenden Myrthe. Komm schon."
 

Draco betrat den Raum nur äußert widerwillig. Ginny schloss die Tür hinter ihnen und funkelte Draco an.

"Kannst du mir verraten, was das sollte?"

"Er hat mich beleidigt!", schoss Draco zurück.

Ginny schnaubte.

"Was hast du erwartet? Dass er dich in die Arme schließt und in seinen Freundeskreis aufnimmt?"

Draco schwieg und steckte seinen Zauberstab langsam zurück in seinen Umhang.
 

"So weit ich weiß, hast du von Voldemort wie alle Todesser den Befehl bekommen, meine Freunde nicht anzurühren", faucht Ginny. "Halte dich gefälligst daran!"

Draco zog die Augenbrauen hoch.

"Und der dunkle Lord höchstpersönlich hat das Wiesel umbringen wollen. Wieso sollte ich ihn da nicht verhexen dürfen?"

Ginny schnappte nach Luft. "Warst du dabei?"
 

Draco zuckte mit den Schultern.

"Weiß nicht. Wenn, dann hab ich es vergessen."

Ginny seufzte augenrollend.

"Ach stimmt, da war ja was. Voldemort und seine Gehirnwäsche."

Draco brummelte unbehaglich, sagte jedoch nichts.
 

Mit einem Mal lastete die Stille schwer auf Ginny. Ein Wassertropfen, der aus einem kaputten Wasserhahn tropfte, brachte sie zum Zusammenzucken. Draco zuckte ebenfalls zusammen und blickte sich misstrauisch, ja fast ein wenig scheu um.
 

Ginny schenkte ihm einen fragenden Blick.

"Was ist los?"

Er schüttelte sich und erwiderte leise: "Ich habe damals, bei der Geschichte mit dem Basilisken, von Potter aufgeschnappt, wo der Eingang zur Kammer des Schreckens ist. Können wir bitte schnell hier verschwinden?"
 

Ginny klappte der Mund auf.

"Du WEISST es? Aber - "

Sie brach ab. Ihre Augen leuchteten urplötzlich auf.

"Draco! Ich habs! Die Kammer! Der Ort, an dem wir trainieren können!"
 

Draco riss die Augen auf und machte einen Satz rückwärts, in Richtung Tür.

"WAS? Bist du wahnsinnig?"

Ginny schüttelte den Kopf.

"Der Basilisk ist tot. Und-", sie holte tief Luft, "Ich kann Parsel. Ich kann jeder Zeit da runter."

Draco blieb im Rückwärtsgehen stehen. Er starrte sie ungläubig an.

"Parsel? Du? Das glaub ich dir nicht."
 

Auf Ginnys Gesicht erschien ein diabolisches Grinsen. Es machte einen Heidenspaß, Draco Angst einzujagen.

"Soll ich es dir beweisen?"

Draco schnaubte.

"Versuchs ruhig, es wird nichts passieren", erwiderte er mit unmerklich zitternder Stimme.
 

Ginny nickte ihm entschlossen zu, drehte sich zu den Waschbecken um und schloss die Augen. Wie von selbst blitzten die einzelnen Erinnerungsfetzen aus ihrem ersten Schuljahr wieder auf, als sie die Kammer zum ersten Mal geöffnet hatte. Sie holte tief Luft und ignorierte Dracos keuchenden Atem hinter sich.

"Öffne diccccchhhhh", zischte sie.
 

Noch bevor sie die Augen wieder öffnete, wusste sie, dass es funktionierte hatte - Draco ließ einen erstickten Schrei los. Sie riss die Augen auf.

Vor ihr verschwand eins der Waschbecken samt dem Wandspiegel im Boden und gab den Weg zu einem großen Rohr frei, dass sich im Dunkeln unter ihr verlor.
 

Sie holte erneut tief Luft.

"Ich gehe runter und sehe mir an, wie es jetzt da unten aussieht. Kommst du mit?"

Erst jetzt wandte sie sich zu Draco um. Der stand kreidebleich an die Wand neben der Tür gedrückt und rührte sich nicht.
 

"Spinnst du?", flüsterte er. "Da bekommen mich keine zehn Pferde runter! Hast du denn gar keine Angst?"

Erstaunt schüttelte Ginny den Kopf.

"Nein. Der Basilisk ist tot und das Tagebuch zerstört. Wovor sollte ich Angst haben?"
 

Bei der Erwähnung des Tagebuchs wurde Draco noch ein wenig blasser. Oh ja, er wusste, woher das Tagebuch gekommen war. Sein Vater hatte es ihm wutschnaubend erzählt, als er Draco am Ende seines zweiten Schuljahres von der Schule abgeholt und bei dieser Gelegenheit seinen Hauselfen verloren hatte.

Er ärgerte sich selbst über seine dünne Stimme, als er leise antwortete: "Und wie willst du da wieder raus kommen?"
 

Ginny biss sich auf die Lippe und versuchte, sich zu erinnern. Doch es kam nichts. Nur bodenlose Schwärze. Angestrengt runzelte sie die Stirn.

"Ich weiß, dass es noch einen zweiten Eingang gab. Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wo der war."
 

Draco schnaubte. Ginnys plötzliche Ratlosigkeit schien ihm ein wenig seines alten Selbstbewusstseins zurückgegeben zu haben.

Er zückte seinen Zauberstab und murmelte: "Accio Besen."

Er fixierte Ginny. Er hatte immer noch Angst, das konnte Ginny trotz seines Versuches, seine kalte Maske wieder aufzulegen, erkennen.

"Sei froh, dass du mich hast."

Ginny lächelte hilflos.

"Das sollte ich wahrscheinlich."
 

Einen langen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann erklang von draußen ein leises Rauschen. Draco riss die Tür auf, und zwei Besen flogen herein. Sie kamen in Hüfthöhe zwischen ihnen stehen. Ginny legte lächelnd den Kopf schief.

"Wie war das, keine zehn Pferde bringen dich da runter?"

Draco mied ihren Blick.
 

"Du bist schlimmer als zehn Pferde", brummte er und schnappte sich einen Besen. "Ich kann dich da nicht alleine runter lassen. Am Ende jagst du noch die halbe Schule in die Luft."

Ginny schnaubte.

"Hältst du mich wirklich für so bescheuert?"

"Ich kann dich nicht einschätzen, das ist schlimmer", gab er nur zurück und beäugte das Rohr aus sicherer Entfernung.

Ginny trat an den Rand des gewaltigen Loches.

"Sollte ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?"

Draco schnaubte.

"Nein. Absolut nicht."
 

Ginny packte den zweiten Besen.

"Ich werde zuerst springen."

Draco schnappte nach Luft.

"Springen? Wozu hast du den Besen? Wer weiß wie tief das runter geht!"

Ginny schüttelte langsam den Kopf und blickte wieder in die Dunkelheit.

"Wir landen weich, keine Angst. Ich war schon oft da unten."
 

Draco machte ein Geräusch, als wolle er widersprechen, doch er schwieg.

Ginny holte tief Luft - und sprang.

Einen furchtbaren Moment lang befand sie sich im freien Fall - dann neigte sich das Rohr und wurde somit zu einer steilen Rutsche in die Tiefen unter der Schule. Über sich hörte Ginny einen Schrei - Draco war anscheinend auch gesprungen, statt auf seinem Besen hinunter zu fliegen. Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit purzelte sie aus dem Rohr und landete im Dreck. Rasch rappelte sie sich auf, damit Draco nicht in sie hinein rutschte, und sah sich um.

Sie stand in einem dunklen, runden Raum, der nur von ein paar Lichtstrahlen aus undefinierbaren Löchern irgendwo über ihr erhellt wurde. In den Wänden waren mehrere runde Löcher, wie das, aus dem sie gekommen war.
 

Ein seltsames Gefühl bemächtigte sich ihrer. Auf der einen Seite fand sie es hier ein wenig unheimlich - in der klammen Kälte und Stille, die nur ab und zu durch einen fallenden Wassertropfen unterbrochen wurde. Doch sie konnte keine Angst empfinden. Alles hier war ihr seltsam vertraut. Sie musste viel öfter hier gewesen sein, als sie sich erinnern konnte.

In ihrem Kopf spukten schwarze Löcher umher, als sie versuchte, sich zu erinnern, was sie so oft hier unten gemacht hatte.
 

In diesem Moment purzelte Draco hinter ihr aus dem Loch. Er rappelte sich auf und blickte entsetzt an sich herunter. Sein einstmals so schwarz schillernder, teurer Umhang war nun von einer dicken Staubschicht bedeckt und grau gefleckt. Draco stieß einen Fluch aus, den Ginny noch nie gehört hatte, und begann zu schimpfen.
 

"Ich werde dir nie wieder trauen, wenn du so etwas sagst wie 'wir landen weich'. Eigentlich hätte ich es mir ja denken können, dass hier unten nichts als Dreck ist. Jetzt schau mich nur mal an! Mein Umhang ist ruiniert!"
 

Er zog eine so komische Grimasse, dass Ginny lachen musste. Mit einem Mal war sie in Hochstimmung.

"Ist das alles, worüber du dir Sorgen machst? Deine Klamotten?"

Draco blickte sie und schnaubte.
 

"Nein, falls du es genau wissen willst: Ich stehe beim Dunklen Lord kurz vor dem Rauswurf, weil mein Vater Mist gebaut hat, besagter Vater hasst mich, meine Mutter ist am Verzweifeln deswegen, hier habe ich auch fast keine Freunde, die, die ich habe, freunden sich mit Halbblütern und anderem Gesindel an, meine Noten gehen in den Keller UND meine Klamotten sind im Eimer!!"
 

Ginnys Grinsen verflog so schnell, wie es gekommen war.

"Halbblüter sind kein Gesindel", fauchte sie.

Draco schnaubte nur und klopfte den Staub von seinem Umhang. Doch damit machte er alles nur noch schlimmer. Der Staub wirbelte um ihn herum durch die Luft und brachte ihn zum Husten. Ginny musste sich ein genervtes Augenrollen verkneifen.

"Um deinen Umhang kannst du dich später immer noch kümmern. Komm mit."
 

Mit diesen Worten packte sie ihren Besen und stapfte auf die nächstbeste Öffnung in der Wand zu. Sie wusste, dass es der richtige Weg war. Draco stolperte fluchend hinter ihr her. Eine Weile lief Ginny schweigend durch die dunkle Röhre. Das Licht wurde immer schwächer, kalte Dunkelheit hüllte sie ein.

Es dauerte nicht lange, da zischte Draco hinter ihr leise: "Lumos", und sein erleuchteter Zauberstab folgte ihr.
 

Sie brauchte jedoch kein Licht. Sie kannte diese Wände so gut wie ihr Zimmer im Fuchsbau, wie ihren Schlafsaal im Gryffindorturm, wie ihr Zimmer in der dunklen Festung. Es war seltsam, da sie keine Erinnerungen mehr an die vielen Male hatte, die sie hier entlanggelaufen war, doch sie hatte irgendwie das Gefühl, nach Hause zu kommen. Was hatte Toms Tagebuch damals nur angestellt? Ob sich der Vergessenszauber, der sich auf sie gelegt hatte, irgendwie brechen ließ?

Es war schon seltsam, nur ihren Instinkten zu folgen. Sie wusste nicht, was sie als nächstes tun würde, doch sie wusste, sie würde das Richtige tun. Es war fast, als würde sie ihr bewusstes Denken abschalten. Es fühlte sich beunruhigend angenehm an. Was hatte Tom damals bloß mit ihr angestellt?
 

Plötzlich keuchte Draco hinter ihr laut auf. Sie blickte auf. Sie standen vor einer kreisrunden Tür, auf der mehrere meterlange, armdicke, schwarze Schlangen ein strahlenförmiges Muster bildeten. Ihre Schwänze liefen im Scharnier der Tür zusammen, die Köpfe ragten alle ein wenig über die Tür hinaus und verbanden die Tür so wirkungsvoll mit der kalten Steinwand.
 

Ginny schluckte und schloss die Augen. "Öffne diccchhh", zischte sie, ohne darüber nachzudenken.

Sie hörte, wie Draco hinter ihr laut die Luft zwischen die Zähne sog, als ein Schlangenkopf nach dem anderen ein Stück zurückruckte und somit die Tür freigab. Als der letzte Schlangenkopf sich bewegt hatte, schwang die schwere Eisentür langsam nach außen auf.
 

Ginny kletterte ohne zögern durch die runde Öffnung und auf der anderen Seite eine kurze Leiter hinunter. Draco jedoch blieb in der Öffnung stehen und ließ den Blick schweifen.

Sicher, so ähnlich hatte er sich die Kammer schon vorgestellt gehabt, doch sie jetzt vor sich zu sehen, war einfach - überwältigend. Er ließ seinen Blick über jede einzelne Schlangenskulptur wandern und betrachtete zum Schloss fast ehrfürchtig die Statue von Salazar Slytherin.
 

Als er Ginny schließlich folgte, dachte er befriedigt, dass Salazar Slytherin wirklich der Größte unter den Hogwartsgründern gewesen war. Mit einem Mal überkam ihn Stolz, Slytherins Wappen auf seinem Umhang tragen zu dürfen. Rasch folgte er Ginny, die mittlerweile die Kammer durchquert hatte und vor der Statue von Slytherin stand.
 

Ginny blickte unbewegt in das starre Gesicht ihres gemeißelten Gegenübers. Einzelne Erinnerungsfetzen blitzten in ihrem Kopf auf. Gezischte Worte... Ein sich öffnender Mund... Eine gewaltige Schlange... das Tagebuch... Der Schemen von Tom Riddle, der sie verächtlich musterte, während sie vor seinen Augen zusammenbrach... Harry...

Sie spürte gar nicht, wie sie in die Knie ging.
 

Zusammengesunken saß sie auf dem Boden der Kammer und versuchte, wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Doch der Schmerz hielt sie gefangen. Der Schmerz darüber, dass Tom sie hatte töten wollen und Harry ihr das Leben gerettet hatte.

Tom... Harry... Wahrscheinlich die beiden, die ihr im Leben das Meiste bedeuteten - abgesehen von ihrer Familie.

Eine einsame Träne stahl sich zwischen ihren geschlossenen Augenlidern hindurch. Und Harry war tot und Tom hatte ihn umgebracht...

Sie schluchzte auf. Es tat immer noch weh.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Voldemort war gerade mitten im Gespräch mit Severus, als eine Flut an fremden Erinnerungen auf ihn einstürmte. Er wusste sofort, dass mit Ginny etwas nicht in Ordnung war. Das musste er sich ansehen. Er schwankte leicht, holte tief Luft und schloss die Augen.

Severus hatte zu warten, bis er damit fertig war - basta.
 

Er tauchte in Ginnys Erinnerungen ein. Sie waren bruchstückhaft und teilweise sehr verzerrt, doch es reichte ihm. Er erhaschte auch einen Blick auf Ginny, wie sie in der Kammer saß und mit den Tränen kämpfte. Vorsichtig tastete er sich ihre geistige Verbindung entlang. Er musste zu ihr. Er musste sie trösten. Es tat ihm im Herzen weh, sie so verzweifelt und einsam zu sehen.
 

Doch als er ihren Geist gerade berühren wollte, brach die Erinnerungsflut mit einem Mal ab und ein eiserner Vorhang legte sich auf Ginnys Geist. Er wurde regelrecht zurück in seinen eigenen katapultiert. Frustriert schnaubte er.
 

Wenn sie sich von ihm nicht trösten lassen wollte - ihr Problem. Außerdem - sie war Schuld daran, dass Potter bereits tot war. Er war sich sicher, dass er, wenn Ginny nicht gewesen wäre, immer noch auf der Suche nach Potter gewesen wäre. Und sie war es auch gewesen, die ihn verlassen hatte - sie hatte sich gefälligst nicht zu beschweren. Er hatte für sie da sein wollen, doch sie hatte seine ausgestreckte Hand weggeschlagen. Es war nicht sein Problem.
 

Eine nagende Leere in seinem Herz strafte seine Gedanken zwar lügen, aber wieso sollte er auf sein Herz hören, wenn Ginny es ebenfalls nicht tat? Was hatte er davon? Er machte sich verletzlich, während sie sich keine Blöße gab. Es brachte ihm im Moment nur Nachteile.
 

Fest entschlossen, sich nicht weiter von Ginny aus der Ruhe bringen zu lassen, öffnete er die Augen wieder und forderte Severus mit einem Nicken auf, fortzufahren.

Frieden?

Kapitel 14: Frieden?
 

Ginny ließ sich erschöpft ins Bett fallen. Heute war ein langer Tag gewesen.

Kaum hatte sie sich von ihren Erinnerungen losreißen können, hatte sie es mit einem Draco Malfoy zu tun bekommen, der sich aus Ekel vor dem toten Basilisken übergeben hatte und damit seinen Umhang noch mehr eingesaut hatte.

Es hatte nervenaufreibende Minuten gedauert, bis ihnen beiden endlich wieder eingefallen war, dass sie den Umhang ja magisch reinigen konnten. Sie waren beide so aus dem Konzept gebracht worden, dass sie es einfach vergessen hatten - Draco durch den Kadaver, Ginny durch ihre Erinnerungen.
 

Als Draco wieder sauber war, hatte ihn nichts davon abhalten können, Ginny zurück zu dem Loch zu schleppen, durch das sie heruntergekommen waren, und per Besen wieder hinauf zu fliegen. Ginny war ihm gefolgt, wohl wissend, dass sie einen erneuten Wutanfalls seinerseits provozierte, wenn sie es nicht tat. Doch es war ihr schwer gefallen.

Etwas an der Kammer zog sie fast magisch an. Sie beschloss, so oft wie möglich dort hinunter zu gehen.
 

Es war seltsam - einerseits hatten die Erinnerungen weh getan. Verdammt weh.

Auf der anderes Seite hatte sie sich dort fast wie zu Hause gefühlt... Sie mochte die schummrige Dunkelheit, die sie dort wie ein dicker Mantel einhüllte, mochte das leise Plätschern des Wassers, das von der Decke tropfte und von den Wänden widerhallte, mochte sogar die beißende Kälte, die unter ihre Haut kroch und ihr ein fast unwirkliches Gefühl der Lebendigkeit vermittelte.
 

Ginny seufzte leise, deckte sich zu und schloss die Augen. Es dauerte keine fünf Sekunden, da spürte sie eine fremde und doch unendliche vertraute Person in ihrem Geist.

Beinahe hätte sie ihn nicht bemerkt.

Sie schauderte einen Moment. Hingen ihre beiden Seelen schon so eng zusammen, dass sie seine nicht mehr als Fremdkörper wahrnahm?
 

Sie holte tief Luft und versuchte, ihren Geist zu leeren. Auf der einen Seite würde sie furchtbar gerne wieder mit ihm sprechen, ihn nur einen Moment lang hören, doch auf der anderen konnte sie ihm immer noch nicht verzeihen.

Sie sah wieder Ron und Bellatrix vor sich, die wie am Spieß brüllten, er mit einem kalten Lächeln und ausgestrecktem Zauberstab daneben stehend.
 

Verbissen drängte sie seine Präsens immer weiter aus ihrem Kopf, doch es war heute Nacht so schwer wie noch nie. Es gab so viel, was sie ihn gerne fragen würde...
 

Außerdem war es ein wunderbares Gefühl, seine Seele mit jemandem soweit zu teilen, dass man jeweils die Gedanken und Gefühle des anderen wahrnehmen konnte. Es war ein inniges Gefühl des Nicht-Alleine-Seins, so mächtig, dass Ginny es noch nirgendwo sonst gespürt hatte. Nicht einmal bei Harry.

Und dennoch... die Bilder von Ron und Bellatrix in ihrem Kopf schrien immer noch und sie versuchte, Voldemort weiter zurück zu zwingen.
 

Doch es ging nicht mehr weiter. Er saß irgendwo in ihren oberflächlichen Gedanken fest und sie bekam ihn nicht weg - weswegen, wusste sie nicht.

Vielleicht hatte er Legilimentik benutzt, um sich in ihrem Kopf zu verankern, vielleicht hatte sie auch nur unterbewusst Sehnsucht nach ihm, dass sie es gar nicht weiter über sich brachte, ihn hinaus zu werfen.
 

Sie bemerkte gar nicht, wie sich eine einsame Träne aus ihrem Auge löste und ihr langsam über die Wange lief.

Ihr Widerstand erlahmte.
 

Einen Herzschlag lang herrschte dröhnende Stille, dann flüsterte Voldemort leise in ihrem Kopf: 'Hallo, Ginny.'

Ginny glaubte, ein leichtes Zittern aus seinen Gedanken gespürt zu haben, so als wäre er unsicher. Aber ein Lord Voldemort war niemals unsicher... was war hier los?
 

Sie schluckte und dachte: 'Hallo Tom.'

Ihr wurde heiß. Hatte sie allen Ernstes nachgegeben? Sie hatte sich doch geschworen, ihm nicht zu verzeihen...

Egal, dachte sie. Jetzt ist es sowieso zu spät.
 

Sie riss mit einem Schlag, der ihr fast unheimlich leicht fiel, sämtliche Barrieren um ihren Geist weg.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Voldemort schnappte nach Luft, als Ginnys Barrieren plötzlich fielen und eine Flut an Erinnerungen und Gefühlen auf ihn einströmte. Gleichzeitig jedoch schienen ihre Seelen näher zueinander zu rücken. Er tauchte zum Teil in ihrem Geist ein, doch er spürte über Ginnys Gefühlen heraus sofort, dass sie es anders wahrnahm.
 

Er atmete tief durch. Sie hatte den verschlossenen Teil seines Geistes gefunden, in den sie nicht eintauchen konnte. Er hoffte inständig, dass er trotzdem mit ihr würde sprechen können.

Es wäre grausam von ihr, ihn jetzt wieder hinaus zu katapultieren. Es war ein so inniges und warmes Gefühl, wenn ihre Seelen verschmolzen, so wie sie es jetzt gerade taten... Sie durfte es ihm nicht schon wieder wegnehmen...
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny seufzte wohlig auf, als ihr Geist sich öffnete. Endlich konnte sie ihre geballten Emotionen irgendwo abladen, endlich konnte sie sie freilassen, endlich fühlte sie sich nicht mehr, als würde sie einen Teil von sich wegsperren.

Sie tastete nach Voldemort.
 

Doch seine Seele sah ganz anders aus. Ihre war gerade beinahe explodiert, als die aufgestauten Gefühle ausgebrochen waren. Doch seine war immer noch fest verschlossen. Oberflächliche Freude und Erleichterung sprangen ihr entgegen, doch sonst... nichts.
 

Enttäuschung machte sich in ihr breit. Eine zweite Träne gesellte sich zu der ersten.

Er vertraute ihr nicht.
 

Sie öffnete ihm ihre Seele, nachdem sie sie wochenlang verschlossen hatte, und was tat er? Jetzt endlich, wo sie nicht mehr leugnen konnte, dass sie ihn vermisst hatte und bereit war, wieder mit ihm zu sprechen - war er etwa sauer auf sie, weil sie in den Orden eingetreten war?
 

Sie schluckte. Ihr Innerstes verkrampfte sich. Sollte er etwa alles, was zwischen ihnen gewesen war, vergessen haben?

Weitere Tränen quollen aus ihren Augen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.
 

Verdammt nochmal, was dachte sie denn da? Warum zur Hölle weinte sie? Sie hatte Angst, dass ein Monster, ein grausamer Mörder - Lord Voldemort - sie nicht mehr mochte?

Sie musste definitiv wahnsinnig geworden sein.

Doch ihre Gefühle änderten sich durch diesen Gedankengang kein bisschen.
 

Plötzlich hörte sie einen sehr leisen Gedankenfetzen.

'Du bist genauso wahnsinnig wie ich, Ginny.'

Ginny musste schlucken.

'Warum verschließt du deinen Geist?', gab sie zurück. 'Vertraust du mir nicht?'
 

Einen endlosen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, dann meinte Voldemort: 'Du willst nicht sehen, was ich erlebt habe. Du willst nicht wissen, was ich fühle, wenn ich... morde. Glaub mir, du würdest es bereuen.'
 

Ginny wischte sich unwirsch die Tränen aus dem Gesicht.

'Woher willst du das wissen?'

'Ich kenne dich, Ginny. Du erträgst es ja jetzt schon kaum, mich nicht mehr hassen zu können für das,was ich getan habe. Glaub mir, du willst nicht noch mehr von mir sehen, was du hasst. Du kennst meine beste Seite - reicht dir das nicht? Willst du wirklich die Bürde meiner Erinnerungen tragen müssen?'
 

Ginny wälzte sich im Bett herum.

'Ich - ich weiß es nicht. Auf der einen Seite hast du Recht. Ich - mir fällt es nicht leicht damit zu leben, dass ich dich nicht für all das hassen kann, was du getan hast. Aber auf der anderen Seite... würde ich dich gerne wirklich kennen. Ich kenne nur das von dir, was du mir zu sehen erlaubt hast. Wie kann ich dich - ' Sie brach ab und setzte neu an. 'Wie kann ich dich jemals mögen, wenn ich dich nicht kenne?'
 

Wieder herrschte Stille. Ginnys Herz hämmerte schmerzhaft gegen ihre Rippen, während sie auf Voldemorts Antwort wartete.

'Ginny... ich... ich will dir diese Dinge nicht zeigen, weil ich... '

Ginny schluckte aufgeregt. Sie wagte es nicht, ihn zu unterbrechen.
 

'Ach, verdammt!', zischte er.

Im nächsten Moment schlug Ginny eine Welle aus fremden und doch vertrauten Gefühlen buchstäblich um die Ohren. Trauer, Enttäuschung, Hass... und Einsamkeit. Einsamkeit vermischt mit einer tiefen Furcht. Furcht davor, etwas zu verlieren. Dann schwebte ein einzelner Gedanke um Ginny herum und mit einem Mal wusste sie, dass Voldemort fürchtete, SIE zu verlieren.
 

Ohne es zu bemerken, schlich sich mit einem Mal ein Lächeln in ihr Gesicht. Er mochte sie doch noch... oder? Zuneigung war keine mitgeschwommen...
 

'Die hebe ich mir für den Moment auf, wenn du zu mir zurückkommst', flüsterte er. 'Ich werfe nicht gerne mit allen meinen Gefühlen um mich. Ich habe das hier auch nur getan, weil...' Er brach ab.
 

Ginny runzelte die Stirn.

'Weil?'

Einen Moment herrschte Stille.

'Egal, das tut nichts zur Sache.'

Ginny schnaubte.

'Tut es wohl.'

'Nein. Das braucht dich nicht zu interessieren.'

'Du vertraust mir nicht.'
 

Das Lächeln war mit einem Mal wieder aus Ginnys Gesicht gewischt worden. Wieder herrschte Stille.

'Ich werde dir meinen Geist nicht zeigen. Du würdest es bereuen, glaub mir.'

Sie schnaubte.

'Ich will gar nicht wissen, was du fühlst, wenn du andere Leute tötest. Aber... was ich gerne wissen würde... Wieso bist du so geworden?'
 

Es schien mit einem Mal ein paar Grad kälter zu werden um sie herum. Sie konnte die plötzlich Ablehnung Voldemorts fast wie eine Mauer zwischen ihren beiden Seelen spüren. Die ineinander verschmolzenen Teile lösten sich.

'Das kann ich dir nicht sagen.'

Ginny schluckte. Mit einem Mal hatte sie einen Kloß im Hals.

'Warum nicht?'
 

'Ich kann dir nicht vertrauen, solange du in Hogwarts und im Orden des Phönix bist, verstehst du? Du hättest jederzeit Gelegenheit, mich zu verraten. Du weißt, wo unser Hauptquartier ist. Und wenn du vorhast, mich zu verraten, dann will ich dir nicht noch zusätzlich Informationen geben, die du gegen mich verwenden kannst. Allerdings warne ich dich: Solltest du mich verraten, bist du tot.'
 

Ginny erstarrte. Ihr Inneres verkrampfte sich.

'Du... du würdest mich töten?'
 

Mit einem Mal war ihr eiskalt. Sie hatte gedacht, Voldemort würde sie doch noch mögen, wenn er Angst hatte, sie zu verlieren. Aber wie konnte er Angst haben, sie zu verlieren, wenn er bereit war, sie zu töten? Wie konnte er sie mögen, wenn er bereit war, sie zu töten?

Wieder sammelten sich Tränen in ihren Augen.

'Dir liegt nichts an mir, hab ich recht?'
 

Sie bemerkte gar nicht, wie sie zu zittern begann, während sie auf seine Antwort wartete.

Die Sekunden zogen sich endlos in die Länge.

'Nein, das ist es nicht, Ginny. Mir ... liegt sehr wohl etwas an dir. Es ist nur so - wenn du mich verrätst, dann habe ich dich schon verloren. Und dann würde ich dich einmal für den Verrat an mir als dem Dunklen Lord umbringen und einmal für den Verrat an mir persönlich. Es würde mir schwer fallen, aber ich würde es tun. Verstehst du das? Wie kann ich dich noch... mögen, wenn du mich verrätst?'
 

Ginny schluckte.

'Ich hatte nicht vor, dich zu verraten, solange du meine Freunde nicht anrührst. Ron war hart an der Grenze des erträglichen. Wenn du ihn getötet hättest, dann... dann hätte ich dich wahrscheinlich verraten.'

'Sehr ermutigend. Das hatte ich vor, Gin, und das weißt du.'
 

Ginny lachte zittrig auf. Die Situation war irgendwie so irreal...

'Er ist nicht tot, und nur das zählt für mich.'
 

Sie verstummte. Auch Voldemort schwieg, doch ihre Seelen trennten sich nicht weiter voneinander, sondern glitten wieder ein wenig näher zusammen.

Nach einer langen Stille fragte Ginny: 'Beantwortest du mir eine Frage? Nichts persönliches über dich.'
 

Voldemort schwieg einen Moment lang, dann erwiderte er: 'Was bekomme ich dafür?'

Ginny schnaubte.

'Bastard.'

'Frag schon. Auf die Gegenleistung komme ich bei Gelegenheit zurück.'

'Bastard', gab sie erneut zurück, dann holte sie tief Luft und fragte: 'Wo ist der zweite Eingang zur Kammer des Schreckens? Den hat dein tolles Tagebuch mir irgendwie aus dem Gedächtnis gelöscht...'
 

Sie spürte sogar über die große Distanz, wie ein schmales Lächeln über Voldemorts Züge huschte.

'Ah, die Kammer. Seit ich deine Erinnerungen gesehen habe, als du vorhin dort unten warst, habe ich mich gefragt, wann du mich danach fragst. Dich zieht es dort hinunter, nicht wahr?'

'Ja.'

'Das liegt an meinem Horkrux. Ich habe die Kammer geliebt. Es wird etwas davon auf dich abgefärbt haben.'

'Sagst du es mir?'
 

'Der Hintereingang liegt in den Kerkern, nicht weit vom Slytherin-Gemeinschaftsraum entfernt. Du weißt nicht, wo der ist, oder?'

'Doch, ich habe Draco mal bis dahin begleitet.'

'Gut. Du gehst den Gang weiter hinunter, biegst links ab und kommst in einen Gang mit vielen Nischen, in denen Steinskulpturen stehen. Die zweite Skulptur von rechts steht über einer Treppe, die hinunter in die Kammer führt. Sie lässt sich genau wie das Waschbecken mit Parsel öffnen.'
 

Ginny fühlte sich, als wäre ein Schalter in ihrem Kopf umgelegt worden. Mit einem Mal waren die Erinnerungen wieder da. Aber nicht nur die Erinnerungen an die Geheimtreppe, nein, auch all die anderen Erinnerungen aus ihrem ersten Schuljahr.

Mit Grausen sah sie sich selbst, wie sie den riesigen Basilisk befehligte, dann, wie sie einen wild um sich schlagenden Hahn ohne Rücksicht auf Verluste erdrosselte...
 

Sie keuchte auf und drängte die Bilder von sich, bis sie wieder in ihrem stillen Schlafsaal lag. Voldemorts Gedanken drangen wieder zu ihr durch.

'Ich dachte mir, wenn ich schon dabei bin, hebe ich den Gedächtniszauber gleich ganz auf.'

Ginny schnaubte.

'Danke auch. Ich glaube, ich wollte nie wissen, wie es sich anfühlt, einen Hahn mit den eigenen Händen umzubringen.'
 

Sie spürte sein unbeteiligtes Schulterzucken und schnaubte erneut.

'Kein Grund, dich zu distanzieren. Du bist schließlich Schuld daran, dass ich so was je getan habe!'

'Nein, es war nicht meine Schuld, sondern Lucius'. Das ist ein himmelweiter Unterschied.'

'Erbsenzähler. Du hast das Tagebuch doch damals verhext.'

'Selber Erbsenzähler. Du hättest es ja nicht mit deiner Seele füttern müssen.'
 

Ginny konnte nicht anders - sie musste lachen.

'Ich glaube, ich habe dich vermisst, Tom.'

Darauf folgte Stille.
 

Als nach einer langen Minute immer noch keine Antwort kam, fragte Ginny: 'Tom?'

Als Antwort kam ihr mit einem Mal eine Welle der Zuneigung entgegen. Sie lächelte.
 

Und musste gähnen.

'Tom, ich möchte jetzt schlafen. Bitte sei so nett und weck mich nicht auf, ja?'

Die Antwort kam mit einem für Ginny fast hörbarem belustigten Schnauben zurück.

'Habe ich das jemals getan? DU bist diejenige, die MICH immer aufgeweckt hat. Gute Nacht!'

'Gute Nacht, Tom.'

Der Stolz eines Malfoys

Kapitel 15: Der Stolz eines Malfoys
 

Am nächsten Tag traf sich Ginny mit Draco und Severus. Die drei machten sich auf den Weg zum Hintereingang der Kammer.
 

Als sie in den besagten Korridor einbogen, meinte Draco: "Ich kann nicht lange mit runter kommen, ich muss noch für die Ferien packen. Mein Vater holt mich morgen früh ab."

Ginny blickte ihn verwirrt an.

"Aber... morgen ist doch noch Unterricht!"
 

Draco zuckte nur mit den Schultern und schenkte ihr einen herablassenden Blick.

"Malfoy."

Ginny rollte mit den Augen.

"Hör schon auf, es an die große Glocke zu hängen. Ein Malfoy ist auch nichts besseres."

Er zog bloß eine Augenbraue hoch.

"Nichts besseres als was? Als du?"

,

Ginny sah sich um und senkte die Stimme.

"Ich bin ein schlechter Vergleich, wenn du angeben willst. Ich bin mit Voldemort befreundet - du kriechst vor ihm im Staub."

Draco schnaubte.

"Befreundet? Er wollte dich umbringen!"

Ginny zuckte bloß mit den Schultern.

"Er neigt nun mal dazu, Leute umzubringen. Aber glaub mir, unser Verhältnis ist um einiges gleichberechtigter als eures."
 

Sie blieb vor einer Statue stehen.

"Öffne Dicccchhh", zischte sie und grinste schadenfroh, als Draco zusammen zuckte.

Severus zog eine Augenbraue hoch.

"Parsel, was? Ich frage mich, ob man die Statue modifizieren kann, dass man sie auch auf andere Weise öffnen kann..."

Ginny blickte ihn verwirrt an.

"Wozu?"

"Damit zum Beispiel auch Draco und ich ohne dich trainieren können."

"Versuch es einfach mal, ich hab keine Ahnung. Kommt mit!"
 

Sie trat auf eine enge Wendeltreppe in dem stockdunklen Loch. Severus und Draco folgten ihr mit gezückten Zauberstäben. Wie schon am vorigen Tag, entzündete Ginny den ihren nicht, als sie die lange Treppe in die Grundfesten des Schlosses hinunterstieg. Sie brauchte ihn hier nicht.

Kaum hatte sie die Treppe betreten, übermächtigte sie wieder das Gefühl des Nach-Hause-Kommens, stärker noch als in ihrem Gemeinschaftsraum oder Schlafsaal. Mit einem Mal spürte sie Voldemorts Anwesenheit in ihrem Kopf.
 

'Tom.'

'Ginny.'

Ihre Seelen berührten sich. Ginny seufzte wohlig. Sie hatte ihn wirklich vermisst.

'Möchtest du mir etwas bestimmtes mitteilen oder ist dir langweilig?', fragte sie.

'Ich will bloß zusehen, wie ihr meine schöne Kammer verschandelt, damit ich es euch hinterher heimzahlen kann', kam es belustigt zurück.
 

Ginny lächelte.

'Erstens ist das nicht deine Kammer, sondern Salazar Slytherins. Und zweitens haben wir nicht vor, die Kammer zu "verschandeln", sondern wollen bloß trainieren.'

Sie konnte spüren,wie Voldemort die Augen verdrehte.

'Erstens, ich bin Slytherins Erbe, also ist es sehr wohl meine Kammer. Und zweitens heißt trainieren auch fehlgeschlagene oder abgeleitete Zauber und die machen meine Kammer kaputt.'
 

Ginny gluckste und drehte sich im Gehen um.

"Severus, Tom hat Angst, dass wir ihm mit fehlgeleiteten Zaubern seine geliebte Kammer kaputtmachen", informierte sie ihn amüsiert.

Im selben Moment explodierte Voldemorts Stimme in ihrem Kopf.

'DAS IST KEIN GRUND ÜBER MICH ZU LACHEN!'
 

Ginny zuckte zusammen und stolperte. Sie schrie auf, als sie plötzlich den Boden unter den Füßen verlor. Wild ruderte sie mit den Armen, doch zu spät. Sie purzelte die Treppe hinunter, ein paar Mal im Kreis herum, schlug gegen die Wände und kam schließlich auf einem harten Steinboden zum Liegen.

"Aua", murmelte sie und stemmte sich mühsam wieder auf. Sie biss die Zähne zusammen, als sie die Schmerzen wahrnahm. Das würde ein paar schöne blaue Flecken geben...
 

Severus und Draco kamen die Treppe heruntergelaufen.

"Alles in Ordnung?", fragte Severus.

Ginny nickte.

"Nicht der Rede wert."

Voldemort schnaubte in ihrem Kopf.

'Nicht der Rede wert? Was muss ich tun, damit es bei dir bleibenden Eindruck hinterlässt?'
 

Ginny schlurfte langsam den dunklen Gang entlang, Severus und Draco im Schlepptau. Sie rief sich einige Erinnerungen vor Augen.

'Was einen bleibenden Eindruck hinterlässt? Das hast du schon geschafft. Schau.'
 

Der Tag, an dem sie ihm versprach, Harry zu verraten, lief an ihrem inneren Auge vorbei, der Tag, an dem er ihr einen Cruciatus aufgehalst hatte, der Tag, an dem sie ihn geküsst hatte, der Tag, an dem Harry gestorben war, der Tag, an dem er Bellatrix folterte, der Tag, an dem er um ein Haar Ron getötet hatte...
 

'Drei von sechs bleibenden Eindrücken waren Crucios, einer ein Avada. Das sollte dir zu denken geben, Tom.'

Voldemort schnaubte bloß.

'Und worüber sollte ich nachdenken?'

'Darüber, ob Gewalt das einzige Mittel war, mit dem du diese Situationen hättest meistern können, oder ob es nicht anders hätte gehen können.'
 

Ein erneutes Schnauben.

'Hätte, wäre, könnte - was bringt mir das? Geschehen ist geschehen und nicht mehr zu ändern.'

Sein Geist zog sich zurück, bis Ginny ihn nur noch schwach in weiter Ferne spüren konnte.

In diesem Moment endete der dunkle Korridor und mündete seitlich in die Kammer des Schreckens. Sie seufzte und trat ein.
 

Der süßliche Verwesungsgeruch des Basilisken schlug ihr wie eine Wand entgegen. War er gestern auch schon so stark gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern.

Hinter ihr schnappte Draco nach Luft.

"Warum bin ich nochmal mit hier runter gekommen?", fragte er leise.

"Weil ich dich gezwungen habe", gab Ginny, mit einem Mal wieder gut gelaunt, zurück.
 

Draco brummte leise vor sich hin, als Severus sich vor das geöffnete Maul des toten Basilisken kniete. Seine Augen weiteten sich, als er den Kadaver betrachtete.

"Was ist los?", wollte Ginny wissen.

Severus zog seinen Zauberstab und erschuf mit einem Schlenker eine kleine Phiole.

"Die Giftzähne sind noch vollkommen erhalten! Das Gift ist zwar eingetrocknet, aber das kann man rückgängig machen. Wisst ihr, wie wertvoll Basiliskengift zum Tränkebrauen ist?"
 

"Wertvoller als das eigene Gewicht in Gold", antwortete Draco wie aus der Pistole geschossen.

Ginny blickte von der toten Schlange zu ihm auf.

"Woher weißt du das? Ich wusste bisher noch nicht einmal, dass man das Gift für Tränke benutzt."

Draco schnaubte.

"Weil die Tränke alle verboten sind. Mein Vater handelt auf dem Schwarzmarkt damit. Ich wette, ein guter Teil der Ausstattung unseres Manors wurde mit Schwarzhandel von Basiliskengift finanziert."
 

Severus richtete sich mit einem Schwung seines pechschwarzen Umhangs auf. Ginny stellte wieder einmal fest, dass Rons Spitzname für ihn, die alte Fledermaus, gar nicht so weit hergeholt war. Seine dunklen Augen glühten förmlich, als er den beiden die mit einer weißlichen, milchigen Substanz gefüllte Phiole zeigte.

"Das ist ein Vermögen wert. Aus jedem Tropfen davon kann man einen ganzen Kessel eines Tranks brauen, von dem wiederum jeder einzelne Tropfen tödlich ist."
 

Ginny schluckte. Und so etwas hatte sie tatsächlich auf die Schüler losgelassen? Ihr wurde eiskalt. Und das lag nicht an der Kammer. Sie hätte Hermine töten können... auch der Blick der Schlange hätte gereicht, um Hermine und die anderen zu töten... Sie senkte den Blick und ballte die Fäuste. Wie nahe sie daran gewesen war... es wurde ihr erst jetzt klar.
 

Einige Momente lang herrschte Still in der Kammer, dann spürte sie einen langen, dünnen Finger an ihrem Kinn, der ihren Kopf hob.

"Es besteht absolut kein Grund für dich, dich schuldig zu fühlen. Du hattest keine Macht darüber, was du getan hast, und es ist niemand getötet worden", meinte Severus behutsam. "Hör auf, Trübsal zu blasen, und lass den Kadaver verschwinden."
 

Ginny nickte und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Sie zog den Zauberstab, richtete ihn auf den toten Körper der Schlange, schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Magie. Sie dachte gar nicht erst daran, einen Zauberspruch zu verwenden.
 

In den letzten Wochen hatte sie im Unterricht sämtliche neuen Zauber mit reiner Magie geübt, anstatt wie befohlen die Zaubersprüche stumm anzuwenden. Sie kannte die Zaubersprüche zwar, doch sie hatte sie nicht einmal angewendet.

Wozu auch, wenn sie mit einem kleinen Magiestoß in ihrer Hand, den sie mit nur einem Gedanken lenken konnte, das gleiche Resultat erzielen konnte?
 

Je mehr sie die reine Magie geübt hatte, desto mehr war ihr diese andere Art des Zauberns in Fleisch und Blut übergegangen. Manchmal vollbrachte sie mittlerweile kleinere Zauber, wie Accio oder Lumos, so schnell, dass sie selbst, wenn sie die Formel nur gedacht hätte, mehr Zeit benötigt hätte.

Es war einfach. Fast zu einfach.

Manchmal fragte sie sich, warum es überhaupt Zaubersprüche gab und nicht alle Menschen so zauberten.
 

Sie schickte einen großen Stoß Magie in ihre Hand, schubste ihn in ihren Zauberstab, schwang ihn einmal und ließ die Magie gehen. Es ploppte leise. Das Ploppen hallte von den Wänden wieder.

Draco holte neben ihr zischend Luft. Ginny öffnete die Augen. Die Schlange war verschwunden, ganz so, wie sie es gewollt hatte. Ginny lächelte zufrieden. Erst jetzt bemerkte sie, dass Draco sie fassungslos anstarrte.
 

"Ist was?", fragte sie.

"Welchen Zauberspruch hast du benutzt? Der Evanesco funktioniert doch bei so großen Sachen nicht!"

Ginny blickte ihn ein wenig ratlos an.

"Ähm... keinen?"

"Hä?"
 

Sie seufzte.

"Severus kann es dir sicher besser erklären als ich."

Severus trat neben sie.

"Ich bin sicher, dein Vater spricht ab und an darüber. Ginnys Art zu zaubern entspricht in etwa stabloser Magie, nur eben noch mit Zauberstab zum Bündeln der Magie."
 

Ginny schnappte erstaunt nach Luft.

"Das ist dasselbe wie stablose Magie? Heißt das, ich könnte theoretisch auch ohne Zauberstab zaubern?"

Severus schenkte ihr einen ernsten Blick.

"Ich weiß es nicht. Vielleicht. Aber versuche es bloß nicht, ohne dass ich dabei bin. Das kann fürchterlich schief laufen - im schlimmsten Fall sprengst du dich selbst in die Luft."

"In Ordnung."
 

Einen Moment lang schwiegen die drei sich an, dann meinte Draco: "Ich muss dann wieder nach oben, packen. Kommt... kommt ihr noch mit bis in die Kerker?"

Ginny setzte ein schadenfrohes Grinsen auf.

"Och, will Klein-Dracy nicht allein durch die Dunkelheit?"
 

Schneller als sie blinzeln konnte, hatte sie die Spitze seines Zauberstabes vor ihrer Nase.

"Treib es nicht zu weit", knurrte er.

Ginny grinste bloß.

"Severus, ich befehle dir, Draco das anzutun, was auch immer er mir antut, selbst wenn es ein Unverzeihlicher sein sollte. Draco, an deiner Stelle wäre ich nett zu mir."
 

Draco schenkte ihr einen Todesblick und steckte den Zauberstab wieder ein.

"Das werde ich meinem Vater erzählen", murmelte er, als die drei sich wieder auf den Weg in die Kerker machten. Ginny hopste fast vor Vergnügen.

"Mach das. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass Voldemort eher auf mich hört als auf ihn."
 

Draco hätte am liebsten frustriert aufgeschrien. Wie konnte es sein, dass eine Weasley - ausgerechnet eine Weasley! - so mit ihm umspringen konnte wie sein Vater oder der dunkle Lord?

Das war einfach ungerecht!

Er war schließlich ein Malfoy!

Osterferien mit Hermine

Kapitel 16: Osterferien mit Hermine
 

Wie versprochen, war Draco am nächsten Tag verschwunden. Einen Tag darauf fuhren auch die anderen Schüler und der ein oder andere Lehrer über Ostern nach Hause.

Ron und Arthur hatten versucht, Ginny zu überreden, mit ihnen zu kommen, doch Ginny wollte nicht. Sie hatte den beiden gesagt, sie wolle für die anstehenden Abschlussprüfungen lernen, da sie jetzt endlich einmal die Zeit dazu hatte.

Hermine hatte sich begeistert angeschlossen - sie war immer noch nicht ganz fertig mit Nacharbeiten.
 

In Wirklichkeit wollte Ginny nicht in den Fuchsbau zu ihrer Familie zurückkehren. Seit sie ein doppeltes Leben lebte, fühlte es sich falsch an, an zu Hause zu denken. Es fühlte sich falsch an, ihre Mutter in ihren Briefen heile Welt vorzugaukeln. Es fühlte sich falsch an, ihrem Vater in die Augen zu sehen.

Nein, es war besser, wenn sie hierblieb. Im Fuchsbau würde sie wahrscheinlich wahnsinnig werden - oder zusammenbrechen.
 

Besonders Ron nahm es schwer, dass die beiden da blieben, auch wenn Ginny den Eindruck hatte, dass er weniger wegen ihr, sondern eher wegen Hermine Trübsal blies. Es war nicht zu übersehen, wie verliebt er in sie war.

Ginny nahm sich vor, Hermine in den nächsten Tagen mal ein wenig auszuquetschen - vielleicht konnte sie den beiden ja einen Schubs in die richtige Richtung geben.
 

Dann wären die beiden glücklich und sie würden nicht mehr so viel Energie darauf verwenden, zu schauen, ob sie gerade wieder mit Draco oder Severus unterwegs war. Sie hatten Ginny zwar nach Rons Streit mit Draco nicht mehr darauf angesprochen, doch Ginny konnten an ihren Blicken erkennen, dass sie es immer noch nicht guthießen.

Auch ihr Vater tat das nicht, das wusste sie, doch er mischte sich dankenswerter Weise nicht ein.
 

Außer Ginny und Hermine war nur noch Neville, immer noch unter dem Imperius, in Gryffindor geblieben. Aus Ravenclaw war nur Luna da, Hufflepuff war komplett leer, doch halb Slytherin war in der Schule geblieben. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass sie mittlerweile von einem hochrangigen Todesser geleitet wurde und auch ein Todesser dort unterrichtete.

Die Eltern der Kinder aus Gryffindor, Ravenclaw und Hufflepuff hatten ihre Kinder über die Feiertage zu sich geholt, obwohl ihre Häuser mit Sicherheit nicht einmal annähernd über so viele Schutzzauber verfügten wie Hogwarts. Doch sie zogen das Risiko, überfallen zu werden, der Sicherheit ihres Kinder unter der Hakennase eines Todessers vor.
 

Ginny und Hermine teilten sich nun einen Schlafsaal, und auch Luna war zu ihnen gezogen. Severus machte Neville das "Angebot", zu den Slytherinjungs der siebten Klasse zu ziehen. Dieser nahm unter Imperius an und zog in die Kerker. Ginny machte sich die ersten Tage Sorgen um ihn, bis Severus ihr versprach, mit seinen Slytherins zu sprechen und ihnen bei Strafe verbieten würde, Neville irgendwie zu schaden.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

In der Großen Halle aßen Ginny, Hermine, Luna und Neville jetzt am Slytherintisch. Zu Beginn hatten sie sich immer an den Rand des Tisches gesetzt, und die Slytherins hatten sie ignoriert. Eigentlich hatte Ginny auch nicht vor, das zu ändern, doch als sie am Karsamstag zum Mittagessen kamen, zog Hermine sie am Eingang zur Großen Halle rasch beiseite und ließ Neville und Luna vorgehen.
 

"Sag mal, Ginny", murmelte sie, und diese konnte erkennen, dass sie sich so weit von den Lehrern weggedreht hatte, damit diese ihre Lippenbewegungen nicht sehen konnten,

"Ist dir auch aufgefallen, wie glasige Augen Neville in letzter Zeit hat?"
 

Ginnys Herz machte einen Satz. Ihr wurde warm. Was wäre, wenn Hermine es herausfand? Sie ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich zur Ruhe, doch es wollte nicht recht funktionieren.

Dann, nur ein Augenzwinkern später, spürte sie Voldemorts Geist in ihren eindringen, und zwar schnell und rücksichtslos.
 

Entsetzt wollte sie nach Luft schnappen, doch sie konnte ihren Mund nicht mehr kontrollieren. Hilflos musste sie mit ansehen, wie Voldemort innerhalb eines Lidschlags die Kontrolle über ihren Körper übernahm. Sie sah sich selbst, als würde sie neben sich stehen, den Kopf schütteln, Neville beosrgt hinterherblicken und antworten: "Nein, hab ich nicht. Meinst du etwa - denkst du, er steht unter Imperius?"
 

Im Geist zischte er ihr zu: 'Jeder könnte Longbottom damit belegt haben - du bist nicht in Gefahr. Reiß dich zusammen.'

'Ich versuche es', dachte Ginny.
 

Hermine blickte nachdenklich drein.

"Es wäre möglich. Wir sollten ihn in den nächsten Tagen beobachten, und wenn er etwas untypisches macht, dann sollten wir Professor McGonagall davon erzählen. Vielleicht kann sie etwas tun."
 

Während Hermine sprach, verschwand Voldemort so schnell aus Ginnys Körper, wie es gekommen war. Sie atmete tief durch - und stellte fest, dass er sie vermutlich gerade davor bewahrt hatte, sich zu verraten. Rasch sandte sie ein stummes 'Danke' an ihn, dann blickte sie Hermine zweifelnd an.
 

"Ist es nicht untypisch genug, dass er ohne Protest zu den Slytherins gezogen ist - und mit ihnen auskommt?"

Hermine neigte den Kopf.

"Du hast Recht. Gehen wir heute Nachmittag zu Professor McGonagall."

Ginny nickte.
 

"Kommst du mit Essen?", fragte sie.

Doch Hermine schüttelte den Kopf.

"Nein. Mir ist der Appetit vergangen."

Sie verabschiedete sich rasch von Ginny und eilte davon - mit Sicherheit in Richtung Bibliothek.
 

Ginny atmete tief durch. Hermine war schlauer, als gut für sie war. Sie hoffte bloß, dass Hermine sich nicht bereits Gedanken über sie machte - das konnte sie im Moment wirklich nicht brauchen. Sie machte sich auf den Weg zum Slytherintisch. Auf halbem Weg zu Neville und Luna beschloss sie, dass es Zeit wäre, sich mit ein paar der anderen Slytherins zu unterhalten.
 

Die beiden sprachen kein Wort, wenn sie unter sich oder nur mit Ginny zusammen waren, und Ginny hatte keine Lust, mit ihnen schweigend zu essen. Das war fast so schlimm, wie wenn Hermine da war und die beiden irgendeinen von Severus erfundenen Schwachsinn von sich gaben.
 

Sie schickte Severus eine mentale Nachricht.

'Manipuliere Neville und Luna das Gedächtnis, gleich nach dem Essen, Hermine hat es rausgefunden.'

Ein Schnauben kam zurück.

'Und wie stellst du dir das vor? Neville wird ohne Imperius nicht freiwillig in den Kerkern schlafen.'
 

Ginny biss sich auf die Lippe und sah zum Lehrertisch auf. Severus musterte sie nachdenklich. Nach einem langen Moment des Schweigens glitt der Hauch eines bösen Lächelns über seine Lippen.

'Ich weiß - ich werde ihn mit ein paar der konfiszierten Nasch- und Schwänzleckereien füttern, und ihn dann in den Krankenflügel schicken. Er bekommt die lilane Hälfte erst nach den Ferien.'
 

Ginny verzog das Gesicht.

'Ist das nicht ein bisschen hart?'

Doch erst einen Augenblick später begriff sie vollends, was Severus gesagt hatte.

'Moment mal, du redest von den selben Nasch- und Schwänzleckereien, über die du vorletztes Jahr eine Schimpftirade nach der anderen losgelassen hast?'
 

Severus grinste jetzt.

'Genau die. Mach, dass du an deinen Tisch kommst, ein paar schauen schon. Du stehst da ziemlich dämlich mitten in der Halle, weißt du?'

Ginny schreckte hoch. Das war ihr gar nicht aufgefallen.

'Danke', gab sie zurück und trat rasch zu ein paar Slytherinmädchen, die sie misstrauisch musterten.
 

"Hallo", meinte Ginny und lächelte schüchtern. "Darf ich mich zu euch setzen?"

Eins der Mädchen, sie hatte lange, blonde Haare und hatte tiefe Ringe unter den wässrigen blauen Augen, gab unfreundlich zurück: "Wieso solltest du? Du bist eine Gryffindor."
 

Ginny blieb ruhig. So etwas hatte sie erwartet.

"Und ich bin mit Draco Malfoy befreundet. Er hat anscheinend nichts gegen mich, und er ist auch ein Slytherin. Wieso habt ihr ein Problem damit?"

Das Mädchen schnaubte ungehalten.

"Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte - wir Slytherins stehen geschlossen hinter dem Dunklen Lord und ihr Gryffindors auf der Seite des Lichts. Damit seid ihr unsere Feinde - und ich will nicht mit meinen Feinden zu Mittag essen. Sei so nett und verpiss dich, aber ein bisschen plötzlich!"
 

Doch eins der anderen Mädchen bedeutete ihr mit einer Handbewegung, aufzuhören, und lächelte Ginny an. Sie sah... seltsam aus. Das Gesicht erinnerte Ginny leicht an den Kopf eines Mopses, doch ihre braunen Augen leuchteten freundlich unter ihrem dunkelbraunen, lockigem Haar hervor.

"Stop mal, Millie. Sie will sich doch ganz offensichtlich freiwillig zu uns setzen. Dafür gibt es sicher einen Grund, oder, Ginevra?"
 

Ginny nickte ihr dankbar zu.

"Ja. Ich... ich habe mich ja mit Draco angefreundet, und als ich gemerkt habe, dass auch er ein Mensch ist wie alle anderen, habe ich beschlossen, ein paar mehr von euch Slytherins kennen zu lernen. So mies, wie immer von euch geredet wird, könnt ihr gar nicht sein."
 

Sie lächelte verlegen und atmete erleichtert auf, als das Mädchen mit dem Mopsgesicht das Lächeln erwiderte.

"Meinst du das ernst?"

Ginny nickte erneut.
 

"Na dann... Millie, rutsch mal. Setz dich ruhig zu uns, Ginny. Ich darf doch Ginny sagen, oder?"

Ginny ließ sich erleichtert zwischen den beiden Mädchen nieder.

"Klar. Alle nennen mich so. Danke. Wie heißt du eigentlich?"

"Ich bin Pansy Parkinson. Ach, und das ist Millicent Bulstrode."

Sie zeigte auf das blonde Mädchen auf Ginnys anderer Seite, welches offensichtlich schmollte.
 

"Mach dir nichts draus, sie ist nur misstrauisch. Wenn du erstmal öfter bei uns bist, wird sie schon auftauen. Weißt du, wir Slytherins haben es nämlich nicht leicht. Es ist schon öfter passiert, dass wir uns mit Leuten aus anderen Häusern anfreunden wollten und die uns allesamt abblitzen lassen haben. Und das alles nur, weil wir den Ruf haben, alles Todesser zu sein. Schau" - sie zog den linken Ärmel hoch - "Stimmt gar nicht. Alles bloß Gerüchte. Und die wenigsten davon haben wir Schlangen selbst in die Welt gesetzt."
 

Ihr Redetempo war atemberaubend. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Ginny grinste und begann zu essen, während ihr Millicent von der anderen Seite Todesblicke zuwarf. Das konnte lustig werden.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am Ostersonntag wurde Ginny von einem leisen Kichern geweckt. Sie blinzelte, gähnte und streckte sich ausgiebig. Dann schlug sie die Augen auf und drehte sich in Richtung des Kicherns.
 

Hermine und Luna saßen auf Lunas Bett und begutachteten den Inhalt von zwei riesigen Ostereiern aus Pappe. Ginny setzte sich langsam auf.

Hermine blickte zu ihr hoch.

"Morgen, Gin! Frohe Ostern!"
 

Ginny musste erneut gähnen. Vielleicht hätte sie gestern Abend nicht so lange mit Pansy in der Bibliothek bleiben sollen... aber es war einfach zu lustig gewesen. Pansy war immer ein wenig aufgeregt und überdreht, doch sie war wahnsinnig nett. Ginny und sie hatten sich schnell angefreundet.

Irgendwie hatte Ginny sich in Pansys Gegenwart viel freier, gelöster gefühlt, als hier bei Hermine und Luna. Kein Wunder - Pansy stand nicht unter Imperius, und Pansy kannte Ginny noch nicht so lange, so dass Ginny nicht das Gefühl hatte, sie anzulügen.
 

Das Lächeln, das Ginny sich jetzt abrang, sah bestimmt ziemlich gekünstelt aus, doch Luna gab Hermine keine Möglichkeit, weiter darüber nachzudenken, als sie ihr ein ebenso großes Pappei hinhielt.

"Hier, das ist vorhin für dich angekommen. Ich glaube, es ist von deiner Mutter."
 

Ginny nahm das Ei entgegen und klappte es auf. Darin purzelten ein Haufen dunkelbrauner Schokoladeneier mit Milchfüllung heraus - genau so, wie Ginny sie am liebsten mochte - , außerdem ein paar Päckchen Brausepulver und ein selbst gebackener, kleiner Kesselkuchen. Ginny lächelte selig und hielt eine Brausepackung hoch.

"Ich liebe diese Dinger. Ich wusste gar nicht, wie ich das Schuljahr bisher ohne die überstanden habe."
 

Sie riss das Päckchen oben auf und kippte sich ein bisschen von dem Pulver auf die Zunge, schloss dabei genießerisch die Augen. Dieses Prickeln hatte ihr schon immer gefallen. Erst, als das Gefühl vollständig verflogen war, öffnete sie die Augen wieder.
 

Luna verabschiedete sich von den beiden und machte sich auf den Weg zum Frühstück. Ginny dachte belustigt, dass Severus es mit Sicherheit nicht mehr lange ausgehalten hätte, als sie hier zu spielen.
 

Hermine musterte Ginny mit nachdenklichem Blick. Ginny zwang sich, still zu sitzen, und beobachtete Hermine ihrerseits unbehaglich.

"Ist was?", fragte sie schließlich, um die dröhnende Stille zu durchbrechen, die sich zwischen ihnen gebildet hatte. Hermine blickte Ginny jetzt genau in die Augen, ihr Blick war ernst.

"Ja. Woher hast du diesen Armreif?"
 

Ginny sackte das Herz in die Hose. Der Armreif! Wie hatte sie den nur vergessen können? Sie hatte ihn kein einziges Mal mehr abgenommen, seit sie ihn bekommen hatte. Sie fühlte sich damit irgendwie, als würde sie ein Stück von Voldemort mit sich tragen, als wäre er immer bei ihr. Sie wusste zwar, dass ihre Geister verbunden waren und sie jederzeit mental beim anderen sein konnten, doch dieser Armreif verstärkte das Gefühl des Zusammengehörens noch.
 

Sie hatte total vergessen, dass sie ihn zwar tagsüber immer unter den langen Ärmeln ihrer Bluse verstecken konnte, doch nachts um diese Jahreszeit bereits kurzärmlige Nachthemden trug. Es war kein Wunder, dass Hermine ihn gesehen hatte...
 

Nur, was zur Hölle sollte sie ihr antworten? Sie biss sich auf die Lippe und wich Hermines Blick aus. Sie fühlte sich furchtbar. Die Wahrheit konnte sie nicht sagen, und auf die Schnelle fiel ihr auch keine Lüge ein...

Mit einem Mal hörte sie Voldemorts Stimme in ihrem Kopf. 'Sag ihr, dass der Reif von Draco ist, wenn sie nicht bald Ruhe gibt. Das wird sie glauben.'

Ginny atmete erleichtert aus. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte.
 

"Muss ich dir das erzählen?", fragte Ginny und blickte Hermine bittend an.

Hermines Blick erweichte kein Stück.

"Ja, musst du. Der Armreif hat die Form einer Schlage mit roten Augen, das ist das Zeichen Voldemorts. Und wir sind im Krieg." Sie seufzte und ihr Blick wurde weicher. "Sieh mal, Ginny, wir haben schon Harry und um ein Haar auch Ron verloren. Ich will nicht auch noch dich verlieren. Ich mache mir bloß Sorgen um dich."
 

Ginny tat so, als würde sie sich langsam erweichen lassen. "Also schön, aber du musst mir versprechen, dass du es nicht rumposaunst."

"Natürlich. Ich bin schließlich nicht Lavender", meinte Hermine mit einem schwachen Lächeln.

Ginny blickte noch einen Moment zu Boden, dann murmelte sie: "Draco hat ihn mir geschenkt."

Hermine sah verblüfft aus.

"Malfoy? Aber..." Ihr Blick verfinserte sich. "Was ist zwischen euch beiden? Ihr verbringt ziemlich viel Zeit miteinander und jetzt schenkt er dir Schmuck..."
 

Ginny schüttelte den Kopf. Eigentlich hätte sie wissen müssen, dass so eine Reaktion kommen würde - aber besser, Hermine glaubte, sie wäre mit Draco zusammen, als zu glauben, Ginny wäre zu Voldemort übergelaufen. Alles wäre besser, als wenn Hermine die Wahrheit herausfinden würde. Sie blickte vorsichtig auf.
 

"Wir sind befreundet. Wenn er mir Schmuck schenkt und mir der gefällt, heißt das noch gar nichts." Damit stand sie auf, holte Kleider aus ihrem Schrank und verschwand im Bad.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Sie sah nicht mehr, wie Hermine ihr verwirrt hinterher blickte.

"Irgendetwas stimmt hier nicht", murmelte sie - und machte sich auf den Weg zu Professor McGonagall.

Sie würde herausfinden, was hier vorging, das schwor sie sich.
 

Es konnte doch einfach nicht sein, dass Ginny sich, nachdem sie mehrere Wochen in Voldemorts Gewahrsam gewesen war, gleich in den Sohn einer der am höchsten stehenden Todesser verliebte! Da musste mehr dahinter stecken. Vor allem, da die beiden sich ja keineswegs nur zu zweit trafen, sondern sehr oft auch in Professor Snapes Büro....

Frust und ein Duell

Kapitel 17 – Frust und ein Duell
 

Als Ginny wieder aus dem Bad kam, fertig angezogen, packte sie ihr Osterei und lief schnurstracks in die Kammer des Schreckens hinunter.

Kaum hatte sie die Statue in den Kerkern passiert, atmete sie auf, und ihr Körper entspannte sich.
 

Sie war sich sicher, seit Hermines Fragen mit den Zähnen geknirscht zu haben. Hermine war eindeutig schlauer, als gut für sie - und Ginny - war. So langsam bekam Ginny Angst, sie könnte die Wahrheit herausfinden.
 

Sie atmete tief durch und trat in die Kammer. Die beruhigende Wirkung, die die Kammer auf sie ausübte, half ihr ein wenig, sich zu beruhigen, aber sie konnte die Sorgen auch nicht verdrängen.

Sie blickte frustriert zu Salazar Slytherin auf.

"Was soll ich nur machen?", fragte sie ihn leise. "Was hättest du getan?"
 

Einen Moment später musste sie lächeln. "Du wärst niemals in eine solche Situation gekommen, ich weiß."

Sie rollte mit den Augen und zwinkerte der Statue zu. Täuschte sie sich, oder erwiderte das steinerne Antlitz das Zwinkern? Sie schüttelte den Kopf. Wurde sie langsam verrückt? Jetzt redete sie schon mit Statuen.
 

Sie setzte sich im Schneidersitz auf den kalten Boden, wirkte rasch einen Wärmezauber und öffnete ihr Osterei. Sie riss eine zweite Brausepulvertüte auf und ließ sich das Pulver auf die Zunge rieseln.

Mit geschlossenen Augen atmete sie tief durch und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie beschloss, sie laut auszusprechen. Irgendwer hatte ihr mal gesagt, das half, um Situationen objektiver zu sehen. War es Dumbledore gewesen? Egal.
 

"Ich bin in Lord Voldemort verliebt. Lord Voldemort tut jedoch grausame Dinge, die ich verabscheue.
 

Ich habe ihm bei einem Mord geholfen. Meine Freunde und Familie wissen davon nichts. Ich habe Angst, dass sie es erfahren. Ich liebe auch sie alle und will sie nicht verlieren oder enttäuschen. Sie würden mich wie jeden Anhänger Voldemorts verurteilen, wenn sie dahinter kommen, und keine Rücksicht darauf nehmen, dass ich anders bin.

Voldemort hat mir einmal versprochen, ihnen nichts zu tun, hat dieses  Versprechen jedoch schon einmal gebrochen. Ich habe Angst um sie.
 

Zusätzlich soll ich für meine Freunde Slytherins ausspionieren. Wenn ich es nicht tue, werden sie Verdacht schöpfen.

Hermine hat bereits Verdacht geschöpft. Ich muss aufpassen, worüber ich mit ihr rede. Sie darf nicht noch mehr Anhaltspunkte finden, die darauf hinweisen, dass ich auf Voldemorts Seite stehe. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich komplett auf seiner Seite stehe.
 

Und ich muss mich darauf gefasst machen, dass ich eines Tages auffliege. Ich brauche einen Plan, was ich tue, sollte es soweit kommen."
 

Sie atmete tief durch, öffnete die Augen wieder und stand auf. "Ich muss wissen, wie ich mich gegen Moody und McGonagall verteidigen kann. Und dazu muss ich diese Kammer in einen Zustand bringen, dass man sich hier drin gefahrlos duellieren kann."
 

Sie nickte einmal, um ihre Worte zu bekräftigen, verkleinerte das Osterei, steckte es in die Innentasche ihres Umhangs und sah sich um. Das Wasser musste verschwinden - es konnte jemand darauf ausrutschen. Außerdem brauchte sie Leuchtkristalle. Hier konnte man leicht stolpern, so dunkel, wie es war.
 

"Dieses ganze Getier sollte auch verschwinden", murmelte sie, während sie ihren Zauberstab durch die Luft wirbeln ließ. "Ich hab zwar nichts gegen Spinnen, aber hier stören sie."
 

Die Putzerei nahm sie völlig gefangen. Die Kammer war riesig - in so gewaltigen Ausmaßen hatte sie reine Magie noch nie angewendet. Sie vergaß alles außerhalb der Kammer.

Es war faszinierend, was sie alles mit einem einfachen Winken ihres Zauberstabs und einem Magiestrom in ihrer Hand anstellen konnte.
 

Das Wasser hatte sie alles auf einmal verschwinden lassen. Wie viel war es gewesen? Bestimmt die Hälfte der Kammer war von Wasser bedeckt gewesen, und das teilweise bis zu einem Meter tief. Es musste enorm viel gewesen sein.

Auch sämtliche Spinnweben, Spinnen, Insekten, Ratten und andere Tiere waren mit einem Wink fort gewesen, ebenso wie der Staub. Sie hatte es gespürt.
 

Leuchtkristalle zu erschaffen, um die Kammer zu beleuchten, war schon schwieriger. Sicher, sie hatte im Unterricht gelernt, einen Leuchtkristall zu erschaffen, doch der reichte kaum für mehr Licht als eine Kerze. Hier jedoch brauchte sie Kristalle mit mindestens einer Leuchtkraft eines Kronleuchters, und sie brauchte viele davon.
 

Ihr erster Versuch war zu schwach, der zweite ebenfalls. Beim dritten Mal gelang ihr ein Kristall, der hell genug leuchtete, allerdings musste sie irgendetwas anderes verkehrt gemacht haben. Der Kristall war leuchtete in einem grellen Pink.
 

"Willst du das da ernsthaft hier aufhängen? Slytherin würde Amok laufen, wenn er das sehen könnte."
 

Ginny wirbelte herum. Hinter ihr, bei dem Ausgang, der zu der Statue in den Kerkern führte, stand Severus und musterte sie stirnrunzelnd. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

"Musstest du mich so erschrecken?"
 

Severus zuckte nur mit den Schultern. "Ich wusste gar nicht, das du so schreckhaft bist", gab er zurück. "Ich habe es geschafft, die Statue so zu verhexen, dass sie jetzt neben Parsel auch ein menschliches Passwort akzeptiert. Es lautet 'Aconitum'."

Ginny zog eine Augenbraue hoch. "Typisch. Musste es etwas giftiges sein?"

"Natürlich. Obwohl du wissen müsstest, dass die Menge das Gift macht. In geringen Dosen kann man es auch in Heiltränken verwenden."
 

Sie verdrehte die Augen, ließ den pinken Kristall verschwinden und erschuf einen neuen. Diesmal hatte sie es richtig gemacht. Er leuchtete hell genug und das in einem warmen, gelblichen Licht, ähnlich dem von Kerzen. Sie ließ ihn zur Decke hinauf schweben und klebte ihn mit einem Dauerklebefluch fest.
 

Als sie sich Severus zuwandte, sah sie, wie er die Kammer musterte.

"Weißt du, woran mich das erinnert, Gin?"

"Woran?"

"An die Putzanfälle deiner Mutter."

Ginny klappte der Mund auf. "Niemals!"
 

Severus blickte sie ernst an, doch seine Augen funkelten amüsiert. "Das sagt sie auch immer, wenn man sie darauf hinweist, dass sie zu viel putzt."

Ginny verschränkte entschlossen die Arme vor der Brust. "Schon, aber hier war es im Gegensatz zum Fuchsbau nötig!"
 

Severus lächelte. "Stimmt. Noch ein paar Kristalle mehr und wir können uns hier duellieren."

Ginny nickte und beschwor den nächsten Kristall herauf. Severus sah ihr schweigend zu, wie sie noch ein paar Kristalle mehr beschwor, bis die Kammer hell erleuchtet war.
 

Sie blickte ihn mit funkelnden Augen an. "Lust auf ein Duell?"

Severus schnaubte. "Denkst du, du hast eine ernsthafte Chance gegen mich?"

"Ich habe Bellatrix geschlagen."

"Ich auch. Und das sicher öfter als du Küken."

"Küken?" Ginny blitzte ihn empört an. "Jetzt will ich erst Recht ein Duell."

Severus zog seinen Zauberstab. "Kannst du haben. Aber sage hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt."

Ginny grinste bloß und stellte sich ihm gegenüber.
 

Er zog eine Augenbraue hoch. "Du kennst die Regeln für ein Duell?"

Sie lächelte. "Natürlich. Das war eins der wenigen Dinge, die Lockhart mir beigebracht hat."

Severus zog eine Grimasse. "Danke auch. Ich dachte, ich habe ihn vollständig verdrängt."

"Gern geschehen."
 

Severus antwortete nicht, sondern schenkte ihr einen Todesblick und neigte leicht den Kopf. Ginny tat es ihm nach. Als sie sich beide umdrehten und voneinander weggingen, schlich sich Severus in Ginnys Geist.

'Wir sollten eine Verbindung offen halten, nur für den Fall, dass etwas passiert.'

'Ist klar.'
 

Zeitgleich blieben sie stehen, wirbelten herum - und schickten ihre ersten Flüche los. Ginny war wieder auf normale, ungesagte Zaubersprüche umgestiegen. So schnell, wie sie hier reagieren musste, konnte sie sich noch nicht auf die einzelnen Ergebnisse der Flüche konzentrieren.
 

Severus war gut. Seine ebenfalls ungesagten Flüche jagten in einer Mordsgeschwindigkeit auf sie zu, so dass sie oft nicht die Zeit zum Erwidern hatte, sondern nur noch aus dem Weg hopste. Außerdem schickte er oft viele schwächere Flüche und versteckte darin dann einen stärkeren.
 

Ginny erinnerte das an sie selbst, wie sie Bellatrix einmal einen Flederwichtfluch aufgehalst hatte. Doch sie hatte nicht lange Zeit zum Nachdenken. Severus gönnte ihr keine Sekunde Pause.
 

Eine Weile kam sie ganz gut gegen ihn an - doch dann traf sie einer dieser miesen, versteckten Flüche mitten in die Magengrube. Sie wurde nach hinten geschleudert, flog durch die Luft - und krachte mit einem Brüllen gegen eine der steinernen Riesenschlangen. Schmerz schoss heiß in jede Zelle ihres Körpers.

Sie keuchte auf und rappelte sich langsam wieder hoch, die Zähne zusammengebissen.

"Sollen wir aufhören?", fragte Severus.
 

Ginny funkelte ihn an. Der Schmerz pulsierte durch ihren Körper, zusammen mit ihrer Magie. Oder war der Schmerz ihre Magie? Sie bündelte sie langsam in ihrer Zauberstabhand, spürte, wie der Schmerz nachließ, stellte sich Severus vor, wie er gegen die Wand der Kammer geschleudert wurde -

"Ginny? Alles in Ordnung?"
 

Sie ließ die Magie mit einem kleinen Schnippen ihres Zauberstabs gehen. Mit kalter Befriedigung sah sie zu, wie Severus, genau wie in ihrer Vorstellung, ebenfalls durch die Luft geschleudert wurde und gegen die Rückwand der Kammer krachte.

Er war im Nu wieder auf den Beinen. "Gut, wie du willst."

Sofort legte er wieder los.
 

Ginny schnappte entsetzt nach Luft, als ein neuer Fluchhagel auf sie zukam. Ihr gesamter Körper schmerzte, sie konnte nicht mehr schnell genug ausweichen. Rasch bündelte sie ihre Magie erneut und ließ einen Schild entstehen. Sie stieß erleichtert die Luft aus, als auch der stärkere von Severus' Flüchen daran abprallte.
 

Rasch verstärkte sie ihn und konterte mit ein paar wenigen, aber mit reiner Magie abgefeuerten Strahlen. Sie traf zwar nicht, doch sie schaffte es von Strahl zu Strahl schneller, ihre Magie zu bündeln. Sie musste nur ihren Schild solange mit Magie füttern, bis sie Severus Paroli bieten konnte.
 

Doch der war nicht untätig geblieben: Auch er war jetzt von einem Schild umgeben, an dem Ginnys Flüche abprallten. Und seine Flüche wurden weder schwächer noch langsamer. Im Gegenteil: Ein paar hatten beinahe schon Ginnys Schild zerrissen.
 

Sie erkannte jetzt die Nachteile eines Schildes: Er brauchte permanent neue Magie, die sie eigentlich zum Angriff verwenden wollte. Zum ersten Mal, seit sie zauberte, spürte sie, dass ihre Magie begrenzt war.
 

Sie pulsierte durch ihren ganzen Körper, doch das Pulsieren wurde schwächer. So etwas hatte sie noch nie zuvor wahrgenommen. Sie schluckte. Ihre Flüche aus reiner Magie musste um einiges stärker sein als die, die sie zuvor immer mit Zaubersprüchen abgeschickte hatte. Sie musste aufpassen, dass sie sich nicht allzu sehr verausgabte. Wer wusste schon, was dann geschah?
 

Ihre Flüche wurden wieder weniger, je stärker Severus' Angriffe wurden, doch sie waren nun ebenfalls stärker. Dafür reichte ihre Kraft noch.

Sie stellte sich vor, wie ihr neuester Strahl Severus' Schild durchschlug, und legte ihre ganze restliche Kraft hinein.
 

Der Effekt war verblüffend. Der Schild leuchtete vor Ginnys Augen auf, zerfiel, der Strahl flog weiter, hob Severus von den Füßen und ließ ihn gegen die Decke der Kammer krachen.
 

Während er fiel, wedelte er allerdings schon wieder mit dem Zauberstab und wirkte einen Schwebezauber auf sich selbst. Sanft schwebte er zu Boden und funkelte Ginny wütend an.

"Na warte. Dafür wirst du bezahlen!"

Schon flog der nächste Fluchhagel auf sie zu. Wurde der Mann denn nie müde?

"Nein, warte!", rief sie.

Keine Reaktion. Nur ein paar neue Flüche. Ginny ergriff die Flucht.
 

Das Pulsieren in ihren Adern war jetzt so schwach, dass sie es kaum noch spüren konnte. Ihr Blut fühlte sich eigenartig leer an, und ihr wurde ein wenig schwindelig. Hinter einer Schlangensäule verborgen, tastete sie sich die geistige Verbindung zwischen ihnen beiden entlang und sandte Severus eine kurze Nachricht.

'Meine Magie ist verbraucht. Bitte, hör auf.'
 

Der Strom aus Flüchen riss ab.

"Was?!", kam Severus' entgeisterte laute Antwort.

Ginny wagte sich etwas wacklig auf den Beinen aus ihrem Versteck hervor.

"Wie zur Hölle hast du das denn angestellt? Hat der Dunkle Lord dir nicht gesagt, dass du darauf achten sollst?"

Ginny schüttelte den Kopf.
 

Severus rollten mit den Augen. "Natürlich. So was vergisst er wieder. Lass mich in deinen Körper schauen, das kann gefährlich werden, wenn man es nicht rechtzeitig bemerkt."

Ginny trat etwas unsicher vor ihn.

"Wie?"

"Lass das meine Sorge sein. Halt einfach still und konzentriere dich auf deinen Magiefluss."
 

Ginny holte tief Luft, als Severus seine Hände an ihre Schläfen legte, und schloss die Augen. Sie spürte dem Rest des einmal so mächtigen Pulsierens hinterher.

Plötzlich spürte sie noch ein anderes Pulsieren an ihren Schläfen. Es war nicht ihres. Sie musste Severus' Finger spüren und seine Magie.
 

Plötzlich strömte etwas von dieser Magie durch ihre Haut an den Schläfen, und sammelte sich in den Adern, die direkt darunter lagen. Ihr eigenes Pulsieren verstärkte sich ein wenig, jetzt stand sie wieder fest auf ihren Füßen.
 

Severus' Hände verschwanden. Sie schlug die Augen auf. Er blickte sie grimmig an.

"Das war verdammt knapp. Du hast es gerade noch rechtzeitig bemerkt. Komm mit in mein Büro, du brauchst noch einen Zaubertrank, der dir hilft, die Magie zu regenerieren. Ansonsten würde es Tage dauern, bis du deine Reserven wieder gefüllt hast."
 

Ginny nickte stumm und folgte ihm zurück in die Kerker.

Als sie gehorsam ihren Trank geschluckt hatte und neue Energie sie durchströmte, meinte Severus: "Deine Magie ist deine Lebenskraft. Wenn nichts mehr davon da ist, stirbst du. Denk immer daran. Noch ein winziger Zauber mehr, und ich bin mir sicher, dass du ohnmächtig geworden wärst."
 

Ginny musste schlucken und nickte schnell.

"Ich werde daran denken." Dann runzelte sie die Stirn. "Warum spürt man seine Magie eigentlich nicht, wenn man nur mit Zaubersprüchen zaubert? Ist das nicht gefährlich? Dann weiß man ja gar nicht, wann man aufhören muss."
 

Severus schüttelte den Kopf. "Zaubersprüche gelingen dir nicht mehr, wenn du zu wenig Magie hast. Wenn du Zaubersprüche benutzt, leitet dein Zauberstab deine Magie. Wenn nicht, musst du dich um deine Magie selbst kümmern. Dein Zauberstab streikt einfach, wenn es für dich gefährlich wird. Außerdem sind Zauber aus reiner Magie um einiges stärker als Zaubersprüche, deshalb kommt magische Erschöpfung bei gewöhnlichen Zauberern so gut wie nicht vor."
 

Ginny nickte langsam. "Beherrschen viele Zauberer reine Magie?", wollte sie wissen.
 

Severus schüttelte den Kopf. "Nein. Die allermeisten wissen nicht, dass so eine Art des Zauberns überhaupt existiert. Dumbledore wusste davon, der Dunkle Lord natürlich... Lucius und ich sind die einzigen Todesser, die sie beherrschen. Moody dürfte auch darüber Bescheid wissen, auch wenn das nicht zur standardmäßigen Aurorenausbildung gehört. Minerva und Filius würde ich es auch zutrauen. Aber sonst? Ich glaube kaum, dass es in unserem Umfeld noch jemanden gibt, der sie beherrscht."
 

Ginny seufzte schwer. "Moody und McGonagall. Wunderbar."
 

Severus legte ihr die Hand auf die Schulter. "Nimm es nicht so schwer. Du schaffst sie schon. Ich habe heute so gekämpft, wie Moody es am liebsten tut. Du hast erstaunlich lange durchgehalten, bis ich endlich einen Treffer gelandet habe. In der Zeit hättest du genauso gut fliehen können, und das ist alles, was du tun musst, wenn du wirklich auffliegst. Keine Angst, wenn wir öfter trainieren, dann packst du das."
 

Ginny nickte langsam. "Meinst du?"

"Ich bin mir sicher."

Sie lächelte ihn an und lehnte sich an ihn. "Dann ist ja gut."

Neue Erkenntnisse

Kapitel 18: Neue Erkenntnisse
 

An diesem Abend schlich sich Voldemort wieder in Ginnys Kopf.

Ginny hatte sich gerade ins Bett gelegt. Sie zog die Vorhänge ihres Himmelbetts zu, kuschelte sich in ihre Decke und begrüßte ihn.
 

'Hallo, Tom.'

'Hallo, Ginny.'

'Wieso bist du gekommen?'

'Ich - ich muss dir etwas sagen. Ich denke, es wird dich freuen.'

Ginny runzelte die Stirn. 'Sag schon.'
 

'Seit du in den Orden des Phönix eingetreten bist, habe ich keine Muggelstadt mehr überfallen.'

'Was?', gab Ginny ungläubig zurück. Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. 'Warum nicht?'

Ein langes Schweigen folgte.
 

Langsam verrutschte Ginny das Lächeln wieder. 'Also?', wollte sie irgendwann wissen.

Ein Seufzer drang durch ihre Verbindung. 'Damit du nicht mehr sauer auf mich bist.'

Ginnys Herz tat einen Hüpfer. 'Was?', fragte sie erneut. 'Für mich?'

'Ja. Willst du es nochmal hören?', kam die leicht genervte Antwort.
 

Ginny lachte leise auf. 'Nein, nein. Und? Vermisst du die Angriffe?'

Voldemort schnaubte. 'Was heißt vermissen? Mir ist langweilig und Bella geht mir auf den Senkel.'

'Was macht sie denn?'

'Sie nervt mich bis zum Geht-nicht-mehr. Ständig will sie wissen, was sie für mich tun kann, wann der nächste Raubzug ist, und so weiter. Ich denke, sie vermisst die Muggelquälerei.'

'Hast du ernsthaft was anderes erwartet? Was ist mit dir?'
 

Schweigen. Dann, als Ginny gerade wieder etwas sagen wollte, kam die Antwort.

'Ich weiß es nicht. Weißt du, es ist... ein mächtiges Gefühl, jemanden so hilflos vor dir zu haben und tun zu können, was du willst... Zu wissen, es liegt in deiner Macht, ob er lebt oder stirbt...'

Er brach ab.

Gleichzeitig wehte eine Gefühlswelle um Ginny herum - eiskalte Befriedigung. Sie schluckte und schob die fremden Gefühle von sich weg.
 

'Du würdest es wieder tun. Was haben die Muggel dir denn getan, um das zu verdienen?'

'Sie existieren.'

Ginny schnappte nach Luft und fauchte: 'Dafür können sie nichts! Niemand kann etwas dafür, ob er mit oder ohne Magie geboren wird! Hast du darüber schon mal nachgedacht?'
 

Wieder Stille.

Schließlich erwiderte Voldemort zögerlich: '...Nein...'

'Das solltest du aber', gab Ginny heftig zurück.
 

Sie holte tief Luft und leerte ihren Geist. Nach dem, was er ihr gerade offenbart hatte, wollte sie nicht länger mit ihm reden. Und tatsächlich, nach einer Weile verschwand Voldemort. Das Okklumentiktraining machte sich bezahlt.
 

Ginny kuschelte sich tiefer in ihre Decke, doch sie schlief lange nicht ein. Noch immer wehte der Hauch der kalten Befriedigung um sie herum, den Voldemort ihr geschickt hatte.

Erst, als die Tränen kamen, holte die Müdigkeit sie ein.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Voldemort meldete sich nach diesem Abend wochenlang nicht mehr. Auf der einen Seite war Ginny froh darüber, da er anscheinend immer noch nicht begriffen hatte, worauf es ihr ankam, auf der anderen Seite jedoch vermisste sie ihn. Natürlich gab sie das nicht zu, doch es war so.
 

Selbst, wenn er Dinge von sich gab, die sie absolut nicht verstehen konnte, wie zum Beispiel sein Vergnügen am Foltern und Töten, sprach er doch immerhin mit ihr. Jetzt aber tat er es nicht mehr.
 

Sie jedoch widerstand der Versuchung, ihn über ihre Verbindung anzusprechen. Der Stolz verbot es ihr. Sie hatte ihm gesagt, er sollte darüber nachdenken, dass die Muggel nichts für ihren Mangel an Magie konnten. Solange er nicht zugab, dass er es getan hatte, wollte sie ihn nicht ansprechen. Das würde ja aussehen, als würde sie zurück rudern, und das tat sie nicht.
 

Die Wochen zogen ins Land.

Ginny lernte viel zusammen mit Hermine, die sich mit Feuereifer auf die Abschlussprüfungen vorbereitete. Meist ließ sich Ginny von Hermine deren Stoff erklären. Ihren eigenen beherrschte sie, der von Hermine war viel interessanter, weil er neu war.

Hermine war begeistert, dass Ginny so gerne lernte, und erklärte ihr ihren eigenen Stoff mit Feuereifer.
 

Sie sprach Ginny kein einziges Mal mehr auf das Armband an, obwohl Ginny das ein oder andere Mal ihren Blick dorthin huschen gesehen hatte. Ginny war ein wenig nervös deswegen, doch da nichts weiter geschah, sank diese Nervosität langsam.
 

Wenn sie nicht mit Hermine lernte, setzte sie ihr Duelltraining fort. Nach den Osterferien war Draco zu ihnen gestoßen - und wurde bei seinem ersten Duell von Ginny innerhalb von fünf Minuten geschlagen.

Von diesem Tag an hatte er verbissen jede Sekunde zum Trainieren genutzt, was Ginny amüsierte.
 

Sie verzichtete auf den Hinweis, dass er sie niemals schlagen würde, solange sie reine Magie benutzte und er Zaubersprüche. Sie wollte sehen, wie lange er brauchte, um selbst zu diesem Schluss zu kommen.

Tatsächlich hatte sie sogar Severus dazu überredet, mit ihr zu wetten, nachdem sie sich darüber gestritten hatten, ob Draco bis Pfingsten dahinter kommen würde.

Severus sagte ja, Ginny nein.

Seit diesem Tag zählte Ginny die Tage bis Pfingsten.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am zehnten Tag nach ihrer Wette bekamen sie in Besuch in der Kammer des Schreckens. Ginny und Severus duellierten sich gerade. Draco war nicht da, er wollte später kommen.
 

Ginny war besser geworden.

Severus hatte mittlerweile seinen Kampfstil dem von McGonagall angepasst, nachdem Ginny Moodys Taktik eine halbe Stunde lang ohne nennenswerten Treffer überstanden hatte.
 

Sie hatte ein gutes Mittelmaß zwischen magischen Schilden und ausweichen gefunden, das sie weder körperlich noch magisch allzu sehr in Anspruch nahm.

Sie hatte Severus zwar noch nie geschlagen, doch wie er ihr immer wieder einschärfte, darum ging es gar nicht. Sie musste bloß Zeit schinden, um fliehen zu können.
 

McGonagalls Kampfstil hatte sie, an Moodys Hagel aus Zaubern gewöhnt, vollkommen aus dem Konzept gebracht, und sie war bei ihrem ersten Duell sehr schnell auf ihrem Hintern gelandet.

McGonagall erweckte die Gegenstände um sie herum zum Leben. Ein paar davon dienten ihr als Schildersatz und warfen sich immer zwischen sie und die Flüche, der Rest griff ihre Gegner an.
 

Da es in der Kammer des Schreckens jedoch bloß die riesigen Schlangenstatuen gab, musste Ginny sich bis jetzt jedes Mal relativ schnell geschlagen geben. Die wenigen, aber gut gezielten und kreativen Flüche - unter anderem Dolche aus schwarzem, magischen Feuer, die auf Ginny zurasten - hätte sie zwar geschafft, aber mit den steinernen Schlangen als Unterstützung war Severus einfach unschlagbar.
 

Sie dagegen kämpfte jeden Moment dagegen, zermalmt zu werden. Sie hexte zwar jede Statue unbeweglich, die ihr zu nahe kam, doch dann lagen oder standen sie ihr meist im Weg - und wenn sie dann auf sie hinauf kletterte, weckte Severus sie wieder und das Spiel begann von vorne - nur dass Ginny dann nicht nur zermalmt, sondern auch mehrere Meter tief zu Boden geworfen werden konnte.

Sie war noch nicht gegen sie angekommen.
 

An diesem Tag jedoch schlug sich Ginny etwas besser. Sie hatte am Abend zuvor in der Bibliothek einen Fluch nachgeschlagen, der alles zu Staub zerfallen ließ, was sie in diesem Moment mit dem Zauberstab berührte, sei es ein Gegenstand oder ein Lebewesen.
 

Er war in einem uralten, unauffälligen Buch im hintersten Eck der Verbotenen Abteilung gestanden und fiel definitiv in die Kategorie Dunkle Künste, doch es störte Ginny nicht. Sie wollte ja schließlich niemandem damit schaden, sondern nur diese verdammten Steinschlangen loswerden.
 

Als Severus an diesem Tag seine Schlangen auf sie hexte, ließ sie sie erstarren, wie sonst auch, duckte sich unter seinen Flüchen und tippte die erste mit ihrem Zauberstab an.

"Extinguo Tangens", murmelte sie.

Fasziniert beobachtete sie, wie sich der massive Stein in Staub verwandelte, der zu Boden sank.

Severus schnappte nach Luft. "Was zur Hölle war das?", zischte er.

Ginny grinste. "Geheimnis."
 

Sie schickte ihm eine Ladung starke Flüche, bevor er allzu lange darüber nachdenken konnte. Eine Weile schickten sie nur Flüche hin und her. Ginny konnte es nicht verhindern, dass ein Lächeln auf ihr Gesicht schlich. Sie hatte Severus endlich gezeigt, dass sie seine verdammten Stauten auch fertig machen konnte!

Doch plötzlich schrie eine weibliche Stimme: "Ginny! Pass auf!"
 

Ginny hatte keine Zeit, sich zu fragen, woher die Stimme kam. In diesem Moment fiel ein Schatten über sie. Sie wirbelte herum und blickte genau in die steinernen Augen von zwei Schlangen. Sie sahen aus, als wären sie längs an einer Seite zusammengeklebt worden. In diesem Moment begannen die Köpfe zu fallen. Sie würden sie zerquetschen!
 

Ginny verlangsamte die Schlangen, während sie nach hinten stolperte. Sie verlor den Boden unter den Füßen, landete auf dem Hintern - und die Schlangenköpfe krachten nur Zentimeter vor ihren Füßen zu Boden. Rasch ließ sie sie zu Staub zerfallen.
 

Dann erst realisierte sie, dass ein Mädchen sie gewarnt hatte. Hier kamen doch nur Severus und Draco herunter - wer hatte also gerufen?

"Auszeit, Severus!", rief sie und rappelte sich auf.

Severus senkte langsam den Zauberstab.

"Du hast die Kammer demoliert", gab er trocken zurück. "Der Dunkle Lord wird nicht erfreut sein."

Ginny schnaubte nur. "Ach was, das wird er ja wohl verkraften."
 

Sie sah sich um - und entdeckte dort, wo der Gang in die Kerker führte, eine kleine Gruppe an Leuten. Draco stand vorne, er schien die anderen von dem Duell weg gedrängt zu haben.

Hinter ihm standen Blaise, Pansy, Millicent, Vincent Crabby und Gregory Goyle.
 

Blaise sah nicht im Mindesten überrascht aus.

Vincent und Gregory blickten genauso ausdruckslos drein wie immer, doch Pansy und Millicent stand der Mund offen.
 

Ginny blickte Draco stirnrunzelnd an. "Warum hast du sie hierher gebracht?"

"Sie werden alle an Pfingsten das Dunkle Mal erhalten und ich soll sie so gut wie möglich darauf vorbereiten. Und ich bin der Meinung, dass unser Duelliertraining hier die beste Möglichkeit dazu ist."

Ginny seufzte. "Wunderbar. Könnt ihr die Klappe halten oder muss ich euch mit einem Geheimhaltungszauber belegen?"
 

Pansy nickte schnell und kam auf Ginny zu.

"Natürlich halte ich den Mund." Sie lächelte und schüttelte den Kopf. "Du bist eine Todesserin? Ausgerechnet du, von allen Leuten an der Schule?"

Ginny seufzte. "Nein. Ich habe kein dunkles Mal. Ich nehme an, du könntest mich als Anhängerin betrachten."
 

Pansy nickte langsam. "Okay... ich wusste gar nicht, dass der Dunkle Lord so was zulässt..."

Auf Ginnys Gesicht erschien ein teuflisches Grinsen. "Er hat keine Wahl. Ich bin sicher, wenn er könnte, würde er mir das Mal verpassen. Aber er weiß genau, was ihm dann blüht."
 

Pansy zog eine Augenbraue hoch. "Das wirst du mir nicht erklären, oder?"

"Nein."

Sie seufzte. "Okay, kann man nichts machen. Aber keine Sorge, ich halte dicht." Sie lächelte. "Schließlich bist du die einzige Gryffindor, die es geschafft hat, dass ich sie mag, und das will was heißen."

Sie zwinkerte Ginny zu.
 

Ginny grinste, nickte ihr zu und wandte sich zu den anderen um. "Was ist mit euch?"

Blaise zog die Augenbrauen hoch. "Ich weiß seit Wochen, wer du bist, und habe dich nicht verraten. Warum sollte ich auch? Wir sind doch alle auf der gleichen Seite."

Ginny nickte und lächelte schmal. "Stimmt. Danke. was ich mit euch anderen? Millicent?"
 

Millicent blickte immer noch ziemlich belämmert aus der Wäsche. "Du - du bist wirklich auf der dunklen Seite?"

"Siehst du doch", gab Ginny etwas heftiger als beabsichtigt zurück.

Sie schluckte. Millicent hatte keine Ahnung.
 

Millicent nickte langsam. "Okay... wenn das so ist, dann entschuldige ich mich für die Gemeinheiten, die ich gesagt habe."

Ginny blickte sie einen Moment lang verblüfft an, dann lächelte sie. "Entschuldigung angenommen. Wirst du dicht halten?"

"Natürlich. Deine Familie weiß nichts davon, oder?"

Ginny schüttelte den Kopf. "Alle, die es wissen, sind entweder hier in der Kammer oder in der dunklen Festung."
 

Sie seufzte schwer, in ihren Augen schimmerte Trauer. Pansy hob zögernd die Hand in ihre Richtung, ließ sie wieder sinken - und umarmte Ginny.

"Hey, nicht traurig sein", murmelte sie. "Du schaffst das schon."

Ginny klammerte sich an Pansy und vergrub ihr Gesicht an deren Schulter.

"Hast du eine Ahnung", gab sie leise zurück.
 

Eine Weile standen sie mucksmäuschenstill so da, dann hörte Ginny Draco etwas murmeln. Sie hob den Kopf und sah gerade noch, wie er seinen Zauberstab wegpackte.

"Okay, Draco. Was hast du angestellt?"
 

"Vincent und Gregory mit einem Geheimhaltungszauber belegt. Sie können niemanden außer uns und dem dunklen Lord von irgendetwas erzählen, was sie hier in der Kammer gesehen oder gehört haben. Oder dass sie überhaupt hier waren. Ach, und über dich können sie nichts erzählen, auch wenn sie woanders was über dich aufschnappen."
 

Ginny löste sich langsam von Pansy.

"Danke. War das nötig?"

Draco nickte. "Die beiden sind dümmer als - "
 

"Hey!", warf Gregory ein. "Hatten wir nicht ausgemacht, dass du aufhörst, uns zu beleidigen?"

Draco rollte mit den Augen. "Ich wusste nicht, dass du dich noch daran erinnerst", antwortete er genervt.

"Natürlich tut er das", meinte Vincent. "Ganz so blöd, wie du denkst, sind wir nämlich nicht."

Draco seufzte schwer. "Okay, okay. Keine Beleidigungen mehr."
 

Ginny kicherte.

Draco blickte sie stirnrunzelnd an. "Was?"

"Ich hätte nicht gedacht, dass sogar die beiden dich rumkommandieren können."

Draco knurrte. "Das nimmst du zurück!"

"Nope, wieso sollte ich?" Sie grinste frech.
 

Draco schnaubte und lief auf sie zu. "Na warte! Das wirst du bereuen!"

Ginny kicherte noch mehr und ergriff die Flucht. "Du kriegst mich nicht!"

"Das werden wir ja sehen!"
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Extinguo: Ich lösche aus

tangens: berührend

Neue Freunde - neue Todesser

Kapitel 19: Neue Freunde - neue Todesser
 

Ab diesem Tag trainierten die fünf Neuankömmlinge ebenfalls Duellieren.

Severus brachte ihnen auch den ein oder anderen dunklen Spruch bei. Ginny lernte alle diese Sprüche mit, nur aus Interesse. Sie waren ziemlich nützlich, und sie konnte absolut nicht verstehen, wieso sie unter die Kategorie dunkle Sprüche fielen. Sie konnten zwar anderen Menschen schaden, doch konnte das nicht jeder Zauber?
 

Außerhalb der Kammer traf sie sich immer noch mit Draco und Pansy. Besonders Pansy wurde eine gute Freundin. Hermine hatte sie zwar auch furchtbar gerne, doch Pansy musste sie nichts vorspielen. Ihre Freundschaft war einfach herzlicher und offener.
 

Der Unterricht langweilte Ginny mittlerweile nur noch. Da sie so viel mit Hermine - und neuerdings auch mit Draco und Pansy - für die Abschlussprüfungen lernte, beherrschte sie ihren eigenen Stoff inzwischen im Schlaf.
 

Sie bekam regelmäßig Ärger, weil sie nicht aufpasste, doch da sie immer gute Noten schrieb, konnten die Lehrer ihr nicht vorwerfen, dass sie Stoff verpasste. Das schien besonders McGonagall zu ärgern - sie wurde immer stinksauer, wenn jemand nicht aufpasste.
 

In der letzten Woche vor den Pfingstferien schleifte sie Ginny nach dem Unterricht mit in ihr Büro.

"Ginny, so kann das nicht weiter gehen."

Ginny legte den Kopf schief. "Warum nicht? Ich kann meinen Stoff doch."

McGonagall seufzte. "Ich finde es zwar gut, dass Sie Ihren Stoff eigenständig lernen, aber Sie müssen sich in meinem Unterricht benehmen. Sie sind ein schlechtes Vorbild für die Klasse. Ich sehe schon, wie die ersten es Ihnen nachmachen und sich ebenfalls fremdbeschäftigen. Das werde ich nicht mehr dulden."
 

Ginny seufzte. "Aber mir ist langweilig in Ihrem Unterricht! In den anderen Klassen übrigens auch - Ich kann das Zeug alles schon!"

McGonagall verdrehte die Augen. "Wissen Sie was? Ich setze Sie nach den Pfingstferien in die siebte Klasse, da werden Sie aufpassen müssen."
 

Ginny zuckte mit den Schultern. "Meinetwegen."

McGonagall lächelte. "Sie sind ziemlich anstrengend, Ginny."

Ginny grinste. "Ich weiß."
 

Die Professorin musterte sie einen Moment lang schweigend, dann verriegelte sie ihre Bürotür mit einem schnellen Zauber.

"Wenn wir schon mal hier sind, was machen Ihre Slytherinfreunde?"
 

Ginny ernüchterte schlagartig. Sie dankte dem Himmel dafür, dass sie bei ihrem letzten vollständigen Treffen unten in der Kammer mit den Slytherins besprochen hatte, was sie dem Orden sagen sollte, wenn sie nach Ergebnissen fragten.
 

"Draco ist ein Todesser, aber das wussten Sie schon, oder?"

McGonagall runzelte die Stirn. "Hast du sein Mal gesehen?"

Ginny nickte.

"Wir haben es vermutet, hatten jedoch keinen Beweis. Was ist mit Miss Parkinson? Ihr beide scheint euch gut zu verstehen."
 

"Sie hat kein Mal, aber ihre Eltern wollen, dass sie es bald bekommt. Wann, weiß ich nicht."

McGonagall nickte langsam. "Gute Arbeit. Sonst noch jemand?"

Ginny tat so, als würde sie nachdenken, dann schüttelte sie den Kopf.

"Alle anderen, die ich kennen gelernt habe, folgen zwar den dunklen Idealen, aber so weit ich weiß, ist keiner von denen ein Todesser."
 

"Wer sind diese anderen?"

"Dracos Freunde Blaise, Vincent und Gregory und Pansys Freundin Millicent."

McGonagall nickte zufrieden. "Gute Arbeit. Bekommst du es mit, wenn Pansy das Mal bekommt?"
 

Ginny dachte gespielt angestrengt nach, dann zuckte sie mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht, ich bin ja immerhin eine Gryffindor." Sie zögerte. "Was geschieht mit Draco? Werden Sie ihn rauswerfen?"
 

McGonagall musterte Ginny einen Moment lang schweigend, dann meinte sie: "Nein. Wir werden versuchen, ihn wieder auf unsere Seite zu ziehen, und wenn ich ihn ohne einen Abschluss rauswerfe, dann wird er in der legalen Welt nur sehr schwer wieder Fuß fassen können und viel eher bei den Todessern bleiben."
 

Ginny nickte langsam. "Gut."

"Das ist Ihr Job, Ginny. Versuchen Sie ihn wieder zu uns zu holen."

Sie blickte die Professorin zweifelnd an. "Denken Sie, das schaffe ich?"

McGonagall nickte. "Ja. Er scheint Sie recht gerne zu haben."
 

"Ganz wohl ist mir bei der Sache nicht..."

"Das schaffen Sie schon. Und jetzt raus mit Ihnen, es gibt Abendessen."
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am nächsten Tag fing Pansy Ginny in der Eingangshalle ab, als sie gerade vom Abendessen kam. Sie sah so vergnügt aus wie schon lange nicht mehr.

"Ich muss dir was erzählen, Gin. Lass uns in die Bibliothek gehen, dann können wir auch gleich unsere Hausaufgaben machen."
 

Sie zwinkerte und ging voran. Ginny folgte ihr auf dem Fuß.

Sie benutzten die Bibliothek oft für Gespräche, die keiner mitbekommen sollte, wenn sie nicht die Zeit hatten, in die Kammer hinunter zu gehen.
 

Sie setzten sich in eine der vielen nur halb erleuchteten Ecken zwischen den Bücherregalen, und Ginny legte einen Muffliato um sie herum.

"Was ist denn so lustig?"

"McGonagall will, dass ich über die Ferien in Hogwarts bleibe. Sie faselt irgendwas von wegen Prüfungsstoff nachholen... Ich wette, sie will bloß verhindern, dass ich in den Ferien das Mal bekomme, was meinst du?"
 

Ginny grinste. "Eindeutig. Nur dummerweise geht sie davon aus, dass du es mitten in den Ferien bekommst."

Die beiden brachen in Gelächter aus.

"Sie bildet sich eindeutig zu viel auf die Schutzzauber der Schule ein. Denkst du, sie weiß, dass man im Schulleiterbüro apparieren kann?", fragte Ginny eine vor Lachen atemlose Pansy.

Die schüttelte bloß den Kopf. "Neee - und wenn sie es weiß, dann ist sie dumm."

Wieder lachten sie beide.
 

"Wann ist das Treffen nochmal?", wollte Pansy wissen.

"Freitag um fünf. Wir treffen uns um halb fünf."

"Das heißt, direkt nach dem Unterricht. McGonagall würde so ausflippen..."

"Mit Sicherheit. Komm, lass uns deine Hausaufgaben machen!"

Ginny löste den Zauber.
 

Pansy kicherte wieder. "Lass uns deine Hausaufgaben machen - du bist gut!"

"Nach den Ferien darf ich in eure Klasse, da hab ich meine eigenen und du darfst deine wieder ganz alleine machen!"

"Och nö", maulte Pansy. Dann riss sie die Augen auf. "WAS? Wieso das denn?"
 

Ginny grinste, setzte sich an einen der Arbeitstische und packte Pergament und Tinte aus.

"McGonagall hat die Nase voll davon, dass ich in ihrem Unterricht Mist baue, weil mir langweilig ist."

Pansy lachte und holte sich ein paar Bücher aus dem nächsten Regal.

"Du schaffst sie alle, Gin! Nur weiter so, eines Tages wird Snape auch noch explodieren."
 

Ginny schüttelte amüsiert den Kopf. "Ach was, dafür hat er mich viel zu gern."

Sie beugte sich zu Pansy vor und flüsterte: "Außerdem kann ich ihm jederzeit befehlen, es nicht zu tun."

Wieder brachen die beiden in Gelächter aus.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am Freitag trafen sich Severus, Ginny und die Slytherins pünktlich um halb fünf im Schulleiterbüro. Severus hatte die Portraits wieder blind, taub und stumm gehext. Er übernahm die Führung.
 

"Wir werden einen Apparationskreis machen, weil die meisten von euch nicht wissen, wo wir hin müssen. Nehmt euch an den Händen. Wir warten auf das Signal des Dunklen Lords. Sobald es gekommen ist, apparieren wir alle. Folgt einfach euren Nebenmännern. Ginny, Draco und ich werden euch führen."
 

Alle nickten. Ginny und Draco stellten sich jeweils zwischen zwei, die nicht wussten, wo sie hin gingen, und die acht bildeten den befohlenen Kreis.

Eine Minute herrschte Stille, dann keuchte Draco auf. Severus schwankte einen Moment lang, gab jedoch keinen Ton von sich.
 

Ginny schrie auf.

"HEY! Mein Armband brennt! Das hätte er zumindest dazu sagen können, als er es mir geschickt hat!", fauchte sie.

Severus zog eine Augenbraue hoch. "Jammer nicht. Hättest du lieber das Dunkle Mal?"

Schnell schüttelte Ginny den Kopf.
 

"Okay, macht euch bereit. Wir apparieren auf drei. Eins - zwei - drei!"
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Sie tauchten alle in der kleinen Eingangshöhle wieder auf. Die Neuen sahen sich verblüfft um.

Severus schnaubte. "Wir beeilen uns besser. Das hier ist der Apparationspunkt der Festung. Nicht, dass noch jemand in uns hinein appariert. Ginny, Draco, zeigt ihnen den Weg. Ich passe auf, dass wir unterwegs niemanden verlieren. Zündet eure Zauberstäbe an."
 

Ein Chor von "Lumos"en folgte seinen Worten.

Ginny nickte Draco kurz zu, und die beiden übernahmen die Führung. Sie marschierten eine Weile in den Berg hinein, dann stoppte Ginny und bedeutete den anderen, zu warten.
 

"Aufgepasst. Ein paar Schritte weiter und ihr werdet durch den Boden fallen, er ist bloß eine Illusion. Zappelt so wenig wie möglich rum, spannt einfach eure Beine an. Mit ein bisschen Übung kommt ihr dann stehend unten in der Halle an."

Die anderen nickten.
 

Pansy war ein wenig blass um die Nase. "Aber - tut es nicht weh, wenn wir weiß Merlin wie weit runterfallen?"

"Nö. Es ist ein Bremszauber mit dabei. Weißt du was? Wir gehen zusammen."

Sie hakte sich bei Pansy ein.
 

Die beiden liefen noch ein paar Schritte, dann fielen sie, wie Ginny vorhergesagt hatte, durch den Boden. Pansy schrie auf. Ginny packte ihren Arm fester.

"Ganz ruhig", murmelte sie.

Einen Moment später standen sie am Ende der großen Aufenthaltshalle.
 

Ginny zog Pansy rasch ein paar Schritte zur Seite.

"Komm, du willst doch nicht, dass Draco auf dir landet, oder?"

Pansy lächelte. "Solange es Draco ist, habe ich nichts dagegen."

Ginny verdrehte die Augen und sah sich um.
 

Alles war noch genau so, wie sie und Voldemort es zusammen gebaut hatten. Sie seufzte, als sie sich daran erinnerte.

"Ist was?", wollte Pansy wissen.

Rasch schüttelte Ginny den Kopf, während hinter ihnen die anderen von der Decke fielen.

"Ich war nur schon so lange nicht mehr hier... Ich habe mitgeholfen, die Festung zu bauen, weißt du."

Pansy blickte sie verblüfft an, konnte jedoch nichts mehr erwidern, weil Severus mit den anderen zu ihnen trat.
 

"Wir müssen euch passend einkleiden. Masken braucht ihr heute keine, es ist ein internes Treffen. Aber ihr solltet schauen, wie ihr zu Todesserroben kommt."

Ginny nickte. "Pansy, Millie, ihr könnt welche von mir haben. Kommt mit. Und den Jungs hilft Draco sicher gerne."

Sie grinste Draco böse an.
 

Der gab einen protestierenden Laut von sich. "Hey! so viele Roben habe ich nicht!" Ginny zog die Augenbrauen hoch. "Sicher? Du bist ein Malfoy! Malfoys haben immer genug zum Anziehen."

Draco verdrehte die Augen. "Ist ja gut, ist ja gut. Kommt mit."
 

Die kleine Gruppe marschierte quer durch den Saal und in den langen Korridor, in dem dir Todesser-Unterkünfte lagen. Severus machte vor der ersten Tür halt.

"Ich sehe euch beim Treffen. Ginny, benimm dich, hast du mich verstanden? Ich kann dir nicht helfen, wenn du den Lord zu sehr ärgerst."

Ginny verdrehte die Augen. "Ist ja gut. Bis später."

Severus verschwand in seinem Raum.
 

Ginny hielt vor dem nächsten an. Die Mitglieder des inneren Kreises hatten gleich die ersten freien Plätze für Unterkünfte zugewiesen bekommen.

Die Jungs verabschiedeten sich von ihnen - Lucius' und damit auch Dracos Quartier war ein Stück den Gang hinunter - und die drei Mädchen traten ein.
 

Sie fanden in einem gemütlichen Wohnzimmer eine lesende Bellatrix. Pansy und Millicent keuchten auf.

Ginny nickte Bellatrix zu. "Hi Bellatrix. Du liest? Hätte ich nicht gedacht."

Bellatrix schnaubte und legte das Buch weg. "Noch ein Wort und du ziehst um, dafür sorge ich."

Ginny rollte nur mit den Augen. "Ist ja gut, ist ja gut. Bin ja sowieso gleich wieder weg. Kommt, Mädels."
 

Sie durchquerte das Zimmer und klopfte mit dem Zauberstab gegen ein Regal. Es schwang zur Seite und gab den Weg frei in Ginnys Zimmer, das sie ein paar Tage lang bewohnt hatte, bevor sie nach Hogwarts zurückgekehrt war.
 

Kaum hatte sich das Regal wieder geschlossen, fragte Millicent: "Du wohnst mit Bellatrix Lestrange in einer Wohnung? Wieso das denn? Sie ist wahnsinnig!"

Ginny lächelte traurig, als sie sich wieder erinnerte. "Lange Geschichte. Ich erzähle sie dir vielleicht ein anderes Mal. Kommt, ihr braucht Roben."
 

Sie trat zu ihrem Kleiderschrank und holte drei schwarze Roben mit Kapuzen heraus. Die eine tauschte sie auf der Stelle gegen ihre Schulrobe, die anderen hielt sie den beiden Mädchen hin.

"Hier. Hext sie einfach größer oder kleiner, damit sie passen. Die Schulklamotten schrumpft ihr am besten und steckt sie in die Tasche, dann müssen wir auf dem Rückweg nicht nochmal hier vorbei."

Die beiden nickten.
 

Während sie die Roben anprobierten und zurecht zauberten, fischte Ginny ihre alles fassende Tasche aus einer Ecke. Sie hatte sie hier lassen müssen, da sie nicht gewusst hatte, dass sie nicht mehr zurückkommen würde.
 

Zu ihrer Überraschung war all das drin, was sie auf ihrem letzten Ausflug zum alten Hauptquartier aus ihrem Zimmer und dem Arbeitszimmer für sich mitgenommen hatte. Sie lächelte unwillkürlich, doch sofort stärkte sie die Barrieren um ihren Geist wieder. Es machte keinen Unterschied, ob Voldemort nett zu ihr war, er sollte über die anderen nachdenken.
 

Mit einem Schwung ihres Zauberstabs flog alles, was sie noch in diesem Zimmer verstaut hatte, in die Tasche. Sie hängte sie sich unter der Robe um und steckte auch ihre Schuluniform hinein.

"Warum machst du das? Ziehst du aus?", wollte Pansy wissen.

Ginny zuckte die Achseln. "Ich weiß es nicht. Aber ich habe meine Sachen lieber für alle Fälle bei mir."
 

Die drei gingen wieder nach draußen in den Korridor. Bellatrix trafen sie nicht noch einmal. Draco kam gerade mit den Jungs zurück. Ginny nickte ihm zu, und sie liefen zusammen zurück in die große Halle.
 

Die Flügeltüren zur Versammlungshalle standen offen, und es kamen immer mehr Todesser, die hinein gingen.

Ginny straffte die Schultern. "Kommt mit, wir gehen bis ganz nach vorne, wo Voldemort euch dann das Mal gibt."
 

Sie liefen am Rand der Halle entlang, bis sie zu der leicht erhöhten Stirnseite kamen. Dort stellten sie sich eher am Rand auf - für den Fall, dass Voldemort die Beherrschung verlor. Nach ein paar Minuten gesellte sich Severus zu ihnen.

"Sehr gut", meinte er mit dem Blick auf ihre Roben. "Also? Wie findet ihr die Festung?", wollte er von den neuen wissen.
 

"Ein bisschen düster", meinte Pansy.

"Aber okay", setzte Blaise hinzu.

Ginny schnaubte. "Düster? Das sag ich Voldemort schon, seit er sie mit mir gebaut hat - aber er will ja nicht hören."

Alle bis auf Severus starrten sie geschockt an.
 

"Ist was?", fragte sie.

"So solltest du nicht über den Dunklen Lord reden", flüsterte Millicent ein wenig verängstigt. "Was denkst du, was er mit dir anstellt, wenn er dich so reden hört?"
 

Ginny zuckte die Schultern. "Er schreit mich an, vermute ich. Nichts dramatisches."

"Cruciot er dich gar nicht?"

"Das hat er nur ein einziges Mal getan, und da hab ich es verdient", gab Ginny zurück. "Klappe, da kommt er."
 

Stille senkte sich über die Halle, als Voldemort durch eine versteckte Tür an der Stirnseite eintrat.

Ein Ruck ging durch die Todesser. Alle fielen auf die Knie.

Ginny zögerte etwas, doch Severus packte sie am Handgelenk und riss sie mit sich hinunter. Auch, als sie bereits kniete, hielt er sie weiter fest. Ginny warf ihm einen verärgerten Blick zu. Er zog bloß eine Augenbraue in die Höhe.
 

Voldemorts kalte Stimme schwebte jetzt durch den stillen Raum. Ginny zuckte zusammen. Sie hatte beinahe vergessen, wie kalt und scharf diese Stimme klingen konnte.

"Willkommen, meine Todesser - und die, die es noch werden! Erhebt euch!"
 

Als Ginny aufstand, fanden ihre Augen die rot glühenden Voldemorts, und ihr Herz tat einen Hüpfer. Wie lange hatte sie sie schon nicht mehr gesehen?

Das letzte Mal war gewesen, als sie Ron gerettet hatte. Sie schluckte. Nicht daran denken, sagte sie sich.
 

Im nächsten Moment brachen alle ihre Okklumentikschilde ohne ihr Zutun und Voldemort flüsterte ihr zu: 'Hallo, Ginny. Schön, dass du hier bist.'

Ginny konnte nicht anders. Sie lächelte ihn an.

Wiedersehen

Kapitel 20: Wiedersehen
 

Ginny trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Voldemort ließ sich von mehreren Gefolgsleuten Bericht erstatten. Es war ziemlich langweilig.

Doch nach einer gefühlten Ewigkeit waren sie endlich fertig.
 

Voldemort erhob seine Stimme. "Und nun kommen wir zu dem Grund dieses Treffens! Heute werden wir ein paar neue Todesser in unserer Mitte aufnehmen. Zu diesem Zweck kommt der Innere Kreis zu mir!"

Severus, Bellatrix und Lucius drängten sich nach vorne und stellten sich ein paar Schritte schräg hinter Voldemort auf. Severus links, Bellatrix und Lucius rechts.
 

Voldemort ließ seinen Blick suchend über die Menge schweifen. Er blieb auf Ginny liegen.

Ginny musste schlucken. Was wollte er von ihr? Er wusste doch, dass sie niemals eine Todesserin werden würde!

"Ginny! Worauf wartest du? Stell dich neben Severus, aber ein bisschen plötzlich!"
 

Ginnys Herz machte einen Satz.

Bevor sie wusste, das sie tat, fragte sie entsetzt: "WAS?! Seit wann bin ich bitteschön im Inneren Kreis?"

Voldemorts Augen verengten sich, seine Wut war förmlich zu spüren. Die Todesser drängten alle einen Schritt zurück und zogen die Köpfe ein, Ginnys Freunde eingeschlossen. Sie jedoch blieb stehen und funkelte ihn an.

'Wann hast du das bitte entschieden? Und warum weiß ich davon nichts?', zischte sie ihn in Gedanken an.
 

Voldemort hielt ihren Blick eine Sekunde lang schweigend, dann wirbelte er zu Severus um und zischte diesen an, wie eine Schlange, die sich bereit macht zum zuschnappen.

"Du hast es ihr nicht gesagt?"

Severus wurde einen Hauch blasser als sonst und fiel auf die Knie.

"Es tut mir Leid, mein Lord. Es wird nie wieder vorkommen, dass ich einen Befehl von Euch nicht ausführe."
 

Voldemorts Hand wanderte in seinen Umhang. Ginny wusste, dass er genau dort immer seinen Zauberstab stecken hatte. Sie erschrak. Er würde doch Severus deswegen nicht foltern?

'Was auch immer du gerade mit Severus anstellen willst, tu es nicht. Ansonsten werde ich mich weigern, dem Inneren Kreis beizutreten!', fauchte sie Voldemort an.
 

Seine Hand erstarrte, dann kam sie wieder hervor - ohne Zauberstab. Er funkelte Severus wütend an.

"Ich hoffe für dich, das es nicht noch einmal vorkommt. Das nächste Mal werde ich keine Gnade walten lassen, verlass dich drauf. Auf die Beine! Und du, Ginny, komm her und nimm deinen Platz neben Severus ein!"
 

Ginny schluckte. Sie wünschte, die anderen Todesser würden sie nicht alle anschauen. Langsam ging sie die paar Stufen nach oben und stellte sich links neben einen immer noch sehr blassen Severus. Voldemort funkelte sie beide noch einmal an, dann wandte er sich wieder der Menge unter ihm zu.

"Wir wollen heute, wie vorhin schon erwähnt, einige Neue in unsere Gemeinschaft aufnehmen. Blaise Zabini, Pansy Parkinson, Millicent Bulstrode, Vincent Crabby und Gregory Goyle. Kommt herauf und kniet euch vor mich!"
 

Die fünf taten wie ihnen befohlen. Sie sahen alle ein wenig blass und ängstlich, aber auch entschlossen aus. Ginny lächelte Pansy, die unsicher ihren Blick suchte, beruhigend zu, obwohl sie sich alles andere als ruhig fühlte.

Ihre Gedanken purzelten wild durcheinander.
 

Wieso, zur Hölle, hatte Voldemort sie zu einem Mitglied des Inneren Kreises gemacht? Sie hatte weder das Mal, noch würde sie nach seine Pfeife tanzen. Das wusste sie und das wusste er. Was also versprach er sich davon, ihr eine Machtposition zu geben?

Sie schüttelte den Kopf, um sich abzulenken. Sie würde ihn wohl fragen müssen.
 

Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Zeremonie vor sich. Voldemort hatte anscheinend zu reden begonnen, als sie nicht zugehört hatte. Sie hörte nur noch den Schluss: "-Nun, da ihr das alles wisst, wollt ihr immer noch Todesser werden?"

"Ja", kam die leise, aber deutliche Antwort von allen fünfen.
 

"Gut. Ihr werdet nun zuerst mir und dann den Mitgliedern des Inneren Kreises Treue schwören. Es wird ein magischer Schwur sein, an den ihr für immer gebunden seid. Solltet ihr ihn brechen - was ich nicht hoffe - wird euch die Magie außer Gefecht setzen, bis ich euch gefunden habe."

Millicent schien ein Stück zu schrumpfen, die anderen aber rührten sich kein Stück.
 

"Wenn ihr die Schwüre abgelegt habt, werdet ihr das Mal erhalten. Blaise, wir beginnen mit dir."

Voldemort schlenderte zu Blaise, der am einen Ende der Reihe kniete, die die fünf Slytherins gebildet hatten. Ginny beobachtete ihn gebannt, da spürte sie plötzlich einen schmalen Fühler in ihrem Geist.
 

'Severus', begrüßte sie ihn.

'Ginny. Ich zeige dir die Erinnerung an einen magischen Schwur, der mehreren Personen geleistet wird, damit du weißt, was du tun musst. Pass gut auf.'

Es dauerte bloß einen Herzschlag, dann wusste Ginny alles, was sie wissen musste.
 

'Danke', gab sie zurück.

'Danke dir. Was hat du ihm gesagt, damit er mich nicht foltert?'

'Ihm gedroht, dass ich, wenn er es tut, mich weigere, in den Inneren Kreis zu kommen.'

Severus' Mundwinkel zuckten. 'Autsch. Das wäre natürlich ein Blamage gewesen...'
 

Sie blickten beide wieder zu Voldemort, der Blaise anscheinend gerade den magischen Schwur hatte schwören lassen. Er trat einen Schritt zurück und winkte dem Inneren Kreis, vor zu treten. Ginny schluckte und zückte wie die anderen ihren Zauberstab, als sie neben Severus zu Blaise ging.

Vier Zauberstäbe richteten sich auf ihn, doch es schien ihn nicht im Mindesten zu beunruhigen. Ginny bewunderte ihn dafür, wie gut er seine Gefühle im Griff hatte.
 

Severus begann. "Wirst du, Blaise Zabini, mir als Mitglied des Inneren Kreises des Dunklen Lords deine Treue schwören und sämtliche Befehle befolgen, die ich dir gebe?"

Blaise nickte. "Ich schwöre es."

Ein Faden aus Licht strömte aus Severus' Zauberstab, der direkt zu Blaise' Kopf führte. Ginny wollte für einen Moment lang lachen, so seltsam sah es aus, doch sie beherrschte sich.
 

Jetzt war Bellatrix an der Reihe. Sie wiederholte Severus' Worte, und als Blaise auch ihr die Treue schwor, verband ein Faden aus ihrem Zauberstab sich ebenfalls mit seinem Kopf. Bei Lucius war es das gleiche Spiel. Als Blaise an drei Fäden hing, schluckte Ginny und zwang sich, den Mund zu öffnen.
 

"Wirst du, Blaise Zabini, mir als Mitglied des Inneren Kreises des Dunklen Lords deine Treue schwören und sämtliche Befehle befolgen, die ich dir gebe?"

Blaise lächelte einen Moment lang. "Ich schwöre es."

Ginny spürte die Magie, die sie beide verband, noch bevor sie den magischen Faden sah. Es ging ganz von selbst, sie musste nicht einmal etwas dazu tun.
 

Nun erhob Severus wieder seine Stimme. "So sei es. Von nun an wird ein magisches Band uns verbinden, wie weit wir auch getrennt sein mögen. Verrate dieses Band nicht und dir wird es bei uns gut gehen."

Die Fäden rissen von den Zauberstäben ab und schossen in Blaise' Kopf hinein.

Er lächelte.
 

Severus erhob sich, Ginny folgte rasch, ebenso wie Bellatrix und Lucius. Sie wiederholten dieses Ritual bei den vier anderen, nachdem sie zuerst Voldemort die Treue geschworen hatten, dann traten sie wieder hinter ihn zurück.
 

Er kniete sich vor Blaise, bis ihre Augen auf einer Höhe waren und lächelte kalt.

"Gib mir deinen Arm, Blaise."

Blaise hielt ihm seinen linken Arm entgegen, die Innenseite nach oben gedreht. Voldemort ergriff mit der linken Hand sein Handgelenk und schob langsam den Ärmel der Robe nach oben. Als die blanke Haut zum Vorschein kam, legte er die Spitze seines Zauberstabs darauf.
 

"Morsmordre!", zischte er.

Die meisten Todesser zuckten wie geschlagen zusammen.

Ginny wunderte sich einen Moment, dann fiel ihr auf, dass er es wirklich gezischt hatte. Er hatte Parsel gesprochen.
 

Blaise keuchte auf. Ginny beobachtete fasziniert, wie das Dunkle Mal auf seinem Arm langsam Gestalt annahm. Als das Bild vollständig erschienen war, stand Voldemort auf und ließ von ihm ab.

"Willkommen bei den Todessern, Blaise."

Er nickte ihm zu, dann ging er weiter zu Pansy.
 

Die warf Ginny einen ängstlichen Blick zu, als Voldemort näher kam. Ginny runzelte die Stirn und drang in ihren Geist ein.

'Was ist denn?', wollte sie wissen.

Pansy schluckte. 'Ich habe Angst. Wird es wehtun?'

'Ich weiß es nicht. Aber es geht vorbei.'

Pansy nickte in dem Moment, als Voldemort sich vor sie kniete, und wandte ihm rasch wieder ihren Blick zu.
 

In dem Moment, in dem Voldemort wieder zischte, konnte Ginny erkennen, wie sie sich auf die Lippe biss. Doch sie schrie nicht.

Millicent dagegen schrie.

Vincent gab keinen Laut von sich, doch er blinzelte verdächtig oft.

Gregory keuchte wie Blaise.
 

Als Voldemort die fünf entließ, konnte Ginny Erleichterung auf allen ihren Gesichtern ausmachen. Sie verschwanden wieder in der namenlosen Menge der Todesser.
 

Voldemort wandte seinen Blick nun direkt zu Ginny.

"Du bekommst von mir die Leitung über sämtliche Todesser übertragen, die noch Schüler in Hogwarts sind. Außerdem besteht deine Aufgabe darin, so viele neue Mitglieder wie möglich zu rekrutieren. Wag es nicht, mich zu enttäuschen."

Rasch schüttelte Ginny den Kopf. Seine rot glühenden Augen schienen sich direkt in ihren Kopf bohren zu wollen.
 

Voldemort nickte kurz, dann drehte er sich wieder zu seinen Todessern um.

"So, das war alles für heute. Ihr dürft gehen."

Wieder ging ein Ruck durch die Todesser, als alle zu Boden sanken. Und wieder wurde Ginny von Severus mit hinunter gerissen.
 

Als sie sich wieder aufrichteten, waren die Todesser schon am hinaus gehen. Ginny entdeckte ihre Freunde und wollte schon zu ihnen laufen, da ertönte Voldemorts Stimme erneut: "Der Innere Kreis kommt mit in mein Büro."
 

Damit trat er selbst von der erhöhten Stirnseite hinunter und lief mit großen Schritten durch die Halle, Richtung Aufenthaltshalle, den Inneren Kreis im Schlepptau.

"Wartet in der Halle auf mich", zischte Ginny Draco im Vorbeigehen noch zu.

Sie durchquerten Voldemorts offenes Büro, er schmolz die Wand und lotste sie in sein eigentliches Arbeitszimmer, wo er sich an seinen Schreibtisch setzte.
 

Ginny ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen und warf ihm einen Todesblick zu.

"Du hättest mich ruhig vorher fragen können."

Er zuckte bloß mit den Schultern. "Wozu? Ich wusste, dass du nicht nein sagen würdest."
 

Sie schnaubte. "Weißt du was? Ich darf nach den Pfingstferien in die siebte Klasse, das heißt, ich hab schon mit der Schule mehr als genug zu tun. Dann muss ich alles tun, um nicht aufzufliegen, mit Severus für den Fall trainieren, dass ich es doch tue, für den Orden soll ich die Slytherins ausspionieren, für dich soll ich den Orden ausspionieren, und du hast mir gerade auch noch die Aufgaben aufgehalst, auf die Slytherins aufzupassen und neue Todesser anzuwerben. Hast du eine Ahnung, wie ich das alles schaffen soll?"
 

Er zog eine Augenbraue hoch. "Ernenne dir einen Stellvertreter und lass ihn die Arbeit machen. Wie wäre es mit Draco?"

Ginny ließ sich nach hinten fallen. "Wunderbar. So wie du den Inneren Kreis?"

"Nicht ganz. Du bist zwar im Inneren Kreis, aber du bist nicht mein Stellvertreter. So verrückt bin ich dann doch wieder nicht."
 

"Aber für Bellatrix bist du verrückt genug? Wer ist schlimmer: Sie oder ich?"

"Ich bin nicht verrückt!", fauchte Bellatrix.

Voldemort fixierte Ginny. "Du. Eindeutig."

Bellatrix lachte. "Ha! Siehst du!"
 

"Klappe, Bella, oder ich verhexe dich", zischte Ginny zurück. "Ich hab keine Lust, dir noch länger zuzuhören!"

Bellatrix lachte nur noch lauter. "DU willst MIR drohen? Versuch es doch! Na komm, verhexe mich, und ich zeig dir, wie sich der Cruciatus-Fluch anfühlt!"
 

"Nicht hier, sonst gibt es wieder Ärger wegen seinen" - Ginny nickte zu Voldemort hinüber - "Sesseln. Du weißt doch, wie sehr er sie liebt."

Sie grinste, als Bellatrix blass wurde.
 

Lucius blickte verwirrt zwischen Ginny und Bellatrix hin und her, als sie sich nur noch schweigend anfunkelten. "Das werde ich nicht erklärt bekommen, oder?"

"Nein!", fauchte Bellatrix ihn an.

Er hob abwehrend die Hände. "Ist ja gut, kein Grund, mich anzukeifen. Mein Lord, braucht Ihr mich noch?"
 

Voldemort sah von dem Blatt Pergament auf, das er vollgeschrieben hatte. "Wenn du nichts zu berichten hast, nein."

Lucius nickte, ging kurz auf die Knie und verließ den Raum dann ohne ein weiteres Wort.
 

Voldemort schenkte Bellatrix einen missbilligenden Blick. Sie war immer noch damit beschäftigt, Ginny mit Blicken zu töten.

"Bella, du kannst gehen."

"Aber-"

"Kein aber, raus mit dir!"

Bellatrix erhob sich betont langsam und warf Ginny im Hinausgehen noch einen Todesblick zu.
 

"Setz dich doch, Severus", meinte Voldemort, kaum dass die Tür hinter Bellatrix ins Schloss gefallen war.

Severus folgte der Aufforderung mit einem leichten Stirnrunzeln. Voldemort wandte sich Ginny zu.
 

"Ginny. Du hast bis zum Ende des Schuljahres die Verantwortung für sämtliche Todesser in Hogwarts, Severus ausgeschlossen. Ich verlange, dass du nicht nur für dich, sondern auch mit ihnen das Duellieren trainierst. Aber trefft euch nicht zu oft - das könnte McGonagall auf eure Spur bringen und außerdem müsst ihr euch auf die Abschlussprüfungen vorbereiten. Ich will nicht, dass einer von euch ein Schuljahr wiederholen muss, verstanden?"
 

Ginny nickte.

Voldemort lehnte sich zurück und seufzte. "Da wir das geklärt haben - wie kommt ihr denn mit Arthur Weasley als Lehrer klar?"
 

Severus räusperte sich und antwortete: "Er hat sich rasch eingelebt, lässt es sich aber nicht nehmen, jedes Wochenende zu seiner Frau nach Hause zu fahren. Er liebt es, zu unterrichten, und vor allem liebt er Muggelartefakte. Er hat fast sein ganzes Büro damit voll gestopft. Ich frage mich, wie er in diesem Chaos noch produktiv arbeiten kann - aber anscheinend kann er es, mir liegen schon seine Prüfungsaufgaben für die dritte, vierte und sechste Klasse vor."
 

Voldemort nickte langsam. "Wie sieht es mit seiner Glaubwürdigkeit aus?"

"Er ist perfekt für die Stelle. Niemand nimmt seine Schwärmerei für die Muggel ernst, nicht nach Alectos Unterricht. Alle halten ihn für verrückt."
 

Ginny schnaubte. Voldemort ließ seinen Blick von Severus zu ihr wandern. "Ja?"

"Entschuldigt mal, aber er ist immer noch mein Vater", meinte sie mit einem Brummeln.

Voldemort und Severus blickten sich an, und sie konnte ganz deutlich erkennen, dass sie ihre Gefühle nicht nachvollziehen konnten.

Sie winkte ab. "Ach, vergesst es. Ihr kapiert es sowieso nicht."
 

Nun schnaubte Voldemort. "Wunderbar. Also, wo waren wir? Ach ja: Wie kommst du damit klar, dass Arthur jetzt dein Lehrer ist, Ginny?"

Ginny blickte zu Boden.

Ihre Stimme war brüchig, als sie antwortete: "Ich - Er geht mir auf die Nerven. Er besteht darauf, dass ich ihn einmal pro Woche besuche, und ich - ich hasse es, ihn anlügen zu müssen. Immer, wenn er mich auf dem Gang sieht, fragt er mich, wie es mir geht. Ich will ihn nicht ständig belügen müssen. Ich - ich wünschte, ich hätte einen Tarnumhang, damit ich ihn nicht mehr so oft treffe."
 

Voldemort zog eine Augenbraue hoch. "Damit kann ich zwar nicht dienen, aber ich kann dir einen Unsichtbarkeitszauber beibringen, der dich auch zauberstablos jederzeit unsichtbar macht, und nicht bloß wie der Desillusionierungszauber der Umgebung anpasst."
 

Ginnys Augen weiteten sich. "Gerne! Aber -" Sie stockte. "Ich muss erst zu den Slytherins, ich hab ihnen gesagt, dass sie auf mich warten sollen."

"Gib ihnen etwas zu tun", warf Severus ein. "Dann hast du genügend Zeit, den Zauber zu lernen."

Ginny nickte ihm zu. "Hey, gute Idee! Danke!"
 

Damit lief sie nach draußen. In der Halle hatten viele Todesser sich zu kleinen Grüppchen zusammengerottet und unterhielten sich.

Draco, Pansy, Blaise, Millicent, Vincent und Gregory saßen am äußeren Ende des Tisches und unterhielten sich, und alle bis auf Draco hielten sich die Unterarme.
 

Dieser Anblick bestärkte Ginny darin, niemals das Dunkle Mal anzunehmen. Es musste scheußlich wehtun. Und außerdem, wozu sollte sie? Sie war doch schon im Inneren Kreis!

Wie Schuppen fiel es ihr von den Augen. Mit dieser Aktion hatte Voldemort erfolgreich verhindert, dass Ginny einmal das Dunkle Mal erhalten würde. Sie lächelte und sandte ihm ein mentales 'Danke'.
 

Als sie zu ihren Freunden trat, wurde sie mit einem Aufschrei von Pansy empfangen.

"Ginny! Man, du hast so ein Glück, dass du das Dunkle Mal nicht hast! Hast du eine Ahnung, wie weh das tut?"

"Mit Sicherheit nicht so sehr wie sein Cruciatus", gab sie trocken zurück und setzte sich zwischen Pansy und Draco. "Aber in gewissem Sinne habe ich das Mal schon. Mein Armband kann mich genauso zu ihm führen wie das Mal."
 

Millicent schnaubte. "Aber ein Armband kann man abnehmen, ein Tattoo nicht. Du kannst es selbst steuern, wann du erreichbar bist und wann nicht."

Ginny blickte erstaunt auf das Armband hinunter. Stimmt! Sie war bisher noch gar nicht auf die Idee gekommen, es abzunehmen und hatte es monatelang getragen, so dass sie fast vergessen hatte, dass sie es auch abnehmen konnte.
 

Jetzt wollte sie das Armband abstreifen - doch es ging nicht. Es wurde immer enger, je mehr sie daran zerrte, bis es in ihre Haut schnitt. Sie ließ fluchend los. Sofort wurde es wieder weiter, so dass es angenehm zu tragen war.

Sie starrte das Armband eine Sekunde lang böse an - dann erklang mit einem Mal die eiskalte Stimme Voldemorts hinter ihr.
 

"Der Bund gilt fürs Leben,  mit oder ohne Mal, Ginny. Hab ich vergessen zu erwähnen."

Er klang so genüsslich, so selbstzufrieden dabei, dass im Nu Zorn in Ginny hoch kochte. Eine Menge Zorn.

Sie sprang auf, wirbelte herum und fauchte: "Gibt es noch mehr Dinge, die ich wissen sollte, die du aber vergessen hast zu erwähnen?!"
 

Voldemort schenkte ihr einen nachdenklichen Blick aus seinen rot glühenden Augen.

"Vergessen - ja, vielleicht. Aber ich werde sie dir nicht sagen."

Er lächelte kalt, doch Ginny spürte, dass er breit gegrinst hätte, wären sie allein. Das ließ ihre Wut nur noch weiter brodeln. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein?

"Wenn du nicht Lord Voldemort wärst, dann würde ich dir dafür an die Gurgel gehen!", spie sie ihm entgegen.
 

Ihre Freunde japsten alle nach Luft. Ein lauernder Ausdruck legte sich über Voldemorts Gesicht.

"Und warum tust du es nicht?"

Ginny ballte die Fäuste und biss sich auf die Lippe. Wenn sie ihn jetzt angriff - wer weiß, was er dann anstellte. Immerhin waren sie hier in aller Öffentlichkeit!
 

Die Stille dehnte sich aus, dauerte immer länger, bis - "Feigling", zischte Voldemort ihr auf Parsel entgegen.

Das brachte Ginnys Fass zum Überlaufen. Ihre Magie formte und befreite sich mit einem Schlag - ganz ohne Zauberstab.
 

Ein riesiger Flederwicht tauchte mit einem Mal hinter Voldemort auf, riss das Maul auf und stürzte auf ihn herab. Der dunkle Lord rührte sich nicht einen Zentimeter. Das Untier hatte ihn schon fast erreicht - da verschwand es in einem Lichtblitz, als wäre es nie da gewesen.
 

Ginny holte tief Luft und löste ihre Fäuste. Voldemort zog bloß eine Augenbraue hoch.

"Das nennst du an die Gurgel gehen? Da musst du aber früher aufstehen - zumindest bei mir."

Lautlos fügte er hinzu: 'War das dein erster zauberstabloser Zauber?'

'Ja', gab Ginny ruhig zurück. Die Wut war verschwunden, zusammen mit der Magie gegangen.

'Gut gemacht.'
 

Ihr Herz tat einen Satz. Er hatte sie gelobt! Er hatte sie allen Ernstes gelobt! Sie atmete tief durch, dann fragte sie laut: "Würdest du mich für einen Moment entschuldigen? Ich muss noch was klären."

Voldemort nickte knapp und verschränkte die Arme, rührte sich jedoch keinen Zentimeter.
 

Ginny setzte sich wieder zu ihren Freunden, die sie alle mit offenen Mündern anstarrten.

Sie lachte. "Ja, ich lebe noch, und ja, er hat mich nicht gefoltert. Schaut nicht so." Sie drehte sich zu Draco. "Draco, hiermit ernenne ich dich zu meinem Stellvertreter. Ich brauche jemanden, der mir hilft."

Draco neigte den Kopf. "Immer doch. Danke, Gin."
 

"Gut. Weißt du was? Du zeigst unseren neuen Kollegen die Festung, ich hab noch was zu erledigen."

"Was denn?", fragte Pansy neugierig.

Ginny drehte sich zu ihr um und seufzte. "Einen Unsichtbarkeitszauber lernen, damit ich mich vor meinem Vater verstecken kann."
 

Pansy kicherte, verstummte jedoch mit einem Blick auf Voldemort wieder. "Kann ich verstehen", meinte sie leise.

Ginny lächelte kurz, dann stand sie auf. "Wir treffen uns später wieder hier."

"Wird gemacht", gab Draco zurück.
 

Ginny nickte, dann ging sie wieder zu Voldemort hinüber.

"Okay, da bin ich wieder."

Er hob bloß eine Augenbraue. "Das sehe ich. Komm mit."

Die beiden gingen in ihr gemeinsames Arbeitszimmer.
 

Voldemort wirbelte herum und blickte sie mit blitzenden Augen an.

"Was fällt dir ein, mich vor allen Todessern so respektlos anzureden?", zischte er.

Sie stemmte die Hände in die Seiten. "Ärger mich nicht und ich explodiere nicht, so einfach ist das."
 

Das rote Funkeln in seinen Augen schien sich ein wenig zu beruhigen.

"Weißt du - ich hatte es wirklich bloß vergessen, aber als du mich dann so angefahren hast, konnte ich das nicht auf mir sitzen lassen."

Ginny zog die Augenbrauen hoch. "Wer hätte das gedacht? Lord Voldemort ist vergesslich. Du vergisst in letzter Zeit recht viele wichtige Sachen, hab ich das Gefühl. Ich hätte mich einmal beinahe umgebracht, weil du mir nicht gesagt hast, dass ich sterbe, wenn meine Magie aufgebraucht ist."
 

Er runzelte die Stirn. "Ich dachte, das wüsstest du. Das ist doch die einfachste Sache der Welt!"

Ginny rollte mit den Augen und stöhnte geschafft. "Genies! Womit hab ich das nur verdient?"

Voldemort funkelte sie an. "Nicht frech werden, meine Dame, sonst könnte es sein, dass ich den Unsichtbarkeitszauber vorübergehend vergesse."
 

Mit einem Schlag war Ginny wieder ernst. "Ist klar. Bringst du mir bitte den Zauber bei?"

Voldemort lächelte hinterhältig. "Und was bekomme ich dafür?"

Ginny legte den Kopf schief. "Ich werde nicht mehr meckern wegen meinen Aufgaben im Inneren Kreis und wegen dem Armreif."
 

Er zog die Augenbrauen hoch. "Wenn du versprichst, nicht mehr zu meckern, heißt das eine Menge. Akzeptiert. Gib mir deine Hände, ich will deine Magie kontrollieren. Noch besteht die Gefahr, dass deine Magie sich selbstständig macht, wenn du ohne Zauberstab zauberst."
 

Ginny nickte, trat ein Stück näher und streckte ihre Hände aus. Als er sie mit den seinen ergriff, musste sie sich am Riemen reißen, um nicht aufzuseufzen. Sie hatte vergessen, wie schön es war, ihn zu berühren...

Aber sie beherrschte sich. Sie wollte schließlich den Zauber lernen und nicht irgendetwas... anderes.
 

"Schließe die Augen", befahl er ihr leise. Sie tat wie geheißen. "Spüre deine Magie. Jetzt bündle sie nicht wie sonst in deiner Hand, sondern in deiner Haut, aber über den ganzen Körper verteilt."

Ginny runzelte die Stirn und versuchte es. Es war schwieriger, als sie an einem Ort zu bündeln. Die Haut war so groß...
 

"Stell dir deine Magie wie ein Leuchten vor, im Inneren deines Körpers. Und jetzt willst du dieses Leuchten über jede Pore deiner Haut nach außen abstrahlen. Alle sollen dich leuchten sehen. Aber lass die Magie nicht frei - sonst erlischt dein Leuchten."

Ginny versuchte es. Und jetzt - mit diesem inneren Bild vor Augen - war es ganz einfach!
 

"So ist es gut. Jetzt stell dir das Ergebnis vor. Du, unsichtbar. Du musst der Magie klarmachen, dass sie dich verstecken soll, aber nicht wirklich verschwinden lassen. Das kann nämlich passieren. Stell sie dir wie einen Tarnumhang vor, der auf dir liegt, hauteng, und dich überall bedeckt. Wenn du so weit bist, dann lass die Magie gehen. Aber langsam - und behalte immer dein Ziel im Auge. Wenn du es nur einmal verlierst, macht die Magie, was sie will. Also: Immer wachsam!"
 

Ginny schnappte nach Luft - dann fing sie hysterisch an zu kichern.

"Also, das hätte ich nicht gedacht! Ausgerechnet DU zitierst Moody!"

Voldemort schnaubte bloß. "Lach wann anders darüber. Pass auf deine Magie auf."

Rasch konzentrierte Ginny sich wieder.
 

Tatsächlich war die Magie wieder zurück in ihren Körper geflossen. Sie bündelte die Magie wieder in ihrer Haut, dann stellte sie sich, wie Voldemort es gesagt hatte, einen hautengen Tarnumhang aus Magie vor, konzentrierte sich, wie sie es immer bei Zaubern ohne Formel tat - und schickte die Magie dann vorsichtig aus ihrer Haut nach draußen.
 

Fasziniert beobachtete sie, wie sie sich dicht an ihren Körper anlegte und dann aus ihrem Sichtfeld verschwand. Zurück blieb nur das wohlige Gefühl, unter einer Bettdecke zu stecken.

Sie öffnete die Augen und sah Voldemort nicken. Ein schmales Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. "Gut gemacht."
 

Ginny blickte aufgeregt an sich herab - und sah nichts! Absolut nichts! Sie konnte durch ihren Körper sogar hinter sich sehen. Es war gruselig - aber auch genial! 

Sie konnte sich jetzt tatsächlich unsichtbar machen! Sie grinste breit.
 

Plötzlich ging die Tür auf. Voldemort hatte sofort ihre eine Hand losgelassen und seinen Zauberstab gezückt - doch es war nur Severus.

"Wie kommst du hier rein?", donnerte er.

Severus verneigte sich kurz. "Wie in der alten Festung auch. Ich habe meine Signatur in den Zauber der Wand eingespeichert. Wenn man den Zauber einmal kennt, ist es einfach."
 

"Warum?" Voldemort war leise geworden, verdächtig leise.

"Ich muss Ginny holen, mein Lord. Wir müssen zurück in die Schule."

"Du hättest draußen warten können! Wir waren beschäftigt!"

Severus blickte zu Boden. "Verzeiht, mein Lord. Es wird nicht noch einmal vorkommen."
 

 Voldemort senkte seinen Zauberstab nicht ein Stück. "Ich hatte dir doch gesagt, dass der nächste Fehler Konsequenzen hat. Dennoch hast du dich mir schon wieder widersetzt. Der Zauber war dazu da, dass ICH kontrolliere, wer in meine Räume kommt. Dafür -"
 

Ginny schnappte nach Luft, als sie seine Gedanken wahrnahm. Sie sprang vor und drückte seine Zauberstabhand nach unten.

"Untersteh dich!", fauchte sie. "Wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst, dann  - "

Sie ließ den Rest unausgesprochen, doch sie wusste, dass Voldemort wusste, was sie tun würde.
 

Severus blickte stirnrunzelnd durch Ginny hindurch. "Ginny? Wo bist du? Kannst du den Zauber?"

Ginny hob einen Zipfel von Voldemorts Umhang ein Stück an, um Severus zu zeigen, wo sie war.

"Was denkst du eigentlich, was du da tust?", zischte dieser und schlug ihr genau auf ihre durchsichtigen Finger.

"Severus zeigen, wo ich bin. Hilfst du mir, wieder sichtbar zu werden?"
 

Voldemort rollte mit den Augen, steckte den Zauberstab weg und ergriff wieder ihre zweite Hand.

"Spüre deinen Zauber. Findest du ihn?"

Ginny tastete nach Magie um sie herum. Und tatsächlich, dort spürte sie schwach etwas, wie eine zweite Haut.
 

"Gut. jetzt musst du ihn auflösen. Schick einfach deine Magie aus und lass sie den Zauber zerstören. Das sollte nicht allzu schwierig sein."

Ginny bündelte ihre Magie wieder in ihrer Haut, stellte sich diesmal aber vor, wie sie ihre zweite Haut mit einem Schlag wegwischte. Sie holte tief Luft - und schickte die Magie nach draußen.
 

Severus blinzelte. Ginny tauchte vor ihm aus dem Nichts auf, zuerst flimmernd, dann fest. Sie hielt beide Hände des Dunklen Lords.

Er war milde erstaunt.
 

Es erforderte nur irgendeinen Hautkontakt, um die Magie zu kontrollieren, Händchen zu halten war nicht unbedingt notwendig. Voldemort schien sie doch recht gerne zu haben...
 

Doch er würde den Teufel tun, einen der beiden danach zu fragen. Er hing an seinem Leben.

Die siebte Klasse und ein Geheimnis

Kapitel 21: Die siebte Klasse und ein Geheimnis
 

Voldemort hatte Severus befohlen, draußen auf sie zu warten. Er spürte, dass Ginny ihm noch etwas sagen wollte.

Als die Tür hinter ihm zugefallen war, schwiegen sich die beiden erst einmal an.

Schließlich meinte Ginny leise: "Ich bin nicht mehr sauer."

Sie wunderte sich selbst etwas darüber, doch es war so.
 

Voldemort lächelte schmal. "Das ist gut. Du wirst mir in Zukunft jedes Wochenende mit Severus zusammen hier in der Festung Bericht erstatten, in Ordnung?"

Rasch nickte Ginny. Dann kniff sie die Augen zusammen und musterte Voldemort mit schief gelegtem Kopf.

"Was?", fragte er.
 

"Vermisst du es, Muggel zu foltern und zu töten?", erwiderte sie.

Er zuckte zurück und schwieg einen Moment, das Gesicht nachdenklich.

Schließlich meinte er langsam: "Ich kann auch ohne leben. Man gewöhnt sich daran, sie in Ruhe zu lassen. Ich muss mir bloß ein neues Hobby suchen, damit mir nicht langweilig ist."
 

Ginny grinste, sie konnte einfach nicht anders. Sie hätte nicht gedacht, eine so vernünftige Antwort zu bekommen. Sie beschloss, ihn noch ein wenig mehr auszuquetschen. Vielleicht, nur vielleicht, schaffte sie es ja, ihm seine kranken Vorstellungen und Beschäftigungen auszureden?
 

"Hast du darüber nachgedacht, was ich über Muggelstämmige gesagt habe? Dass niemand, egal aus welcher Familie, etwas dafür kann, ob er mit oder ohne Magie geboren wird?"

Voldemort zog eine Augenbraue hoch. "'Ohne Magie' ist nicht ganz richtig. Jeder Mensch besitzt eine gewisse Menge Magie, die durch seinen Körper fließt. Nur ist diese Menge bei Muggeln so klein, dass sie sie nicht aktiv nutzen können und die Magie nichts anderes tut, als ihre Körperfunktionen in Gang zu halten."
 

Ginny rollte mit den Augen. "Ist ja gut, du Genie. Also, hast du darüber nachgedacht?"

Voldemort schwieg einen Moment, dann meinte er langsam: "Es sollte keine muggelstämmigen Zauberer und Hexen geben. Das würde vieles einfacher machen."
 

Ginny hätte am liebsten ihren Kopf irgendwo dagegen geschlagen. Wie schaffte Voldemort es nur, auf der einen Seite so klug zu sein, auf der anderen Seite jedoch so verdammt ignorant und dumm?
 

"Es gibt aber Muggelstämmige Hexen und Zauberer. Irgendeine Idee, was du in deiner perfekten Welt mit ihnen machen könntest, außer sie zu quälen und zu töten?"

Wieder schwieg Voldemort. Er schwieg lange.

Ginny stöhnte. "Okay, dann eben nicht. Denk allerdings mal dran, welche Vorteile es hat, sie in unserer magischen Gemeinschaft zu haben."
 

Er zog eine Augenbraue hoch. "Vorteile?"

"Schon mal daran gedacht, dass sie uns auf lange Sicht vor der Inzucht bewahren können? Es gibt nicht allzu viele magische Familien, in spätestens ein paar hundert Jahren werden sie sich durch Inzucht selbst zugrunde gerichtet haben, wenn sie nie Muggel oder Muggelstämmige heiraten."
 

Voldemort sah reichlich verwirrt aus der Wäsche. Anscheinend hatte sie einen Punkt getroffen, den er noch nicht bedacht hatte.

Sie lächelte und wandte sich zum gehen. "Wir sehen uns nächste Woche!"

Voldemort brummte bloß zum Abschied und setzte sich mit abwesendem Gesichtsausdruck an seinen Schreibtisch.
 

Ginny grinste, als sie die Wohnung verließ. So, wie er aus der Wäsche geguckt hatte, hatte sie ihn wohl wirklich zum Nachdenken gebracht.

Draußen warteten Severus und die Slytherins auf sie. Zusammen verließen sie die Festung und apparierten wieder in die Schule.

Sie beschlossen, dass alle, die über die Ferien in der Schule blieben, sich noch in der Kammer trafen, während sie sich vom Rest verabschiedeten, der seine Sachen packen ging.

Pansy blieb, auf den Wunsch McGonagalls, ebenso wie Draco.
 

Die vier liefen hinunter in die Kammer, wo Ginny und Severus Sessel für alle heraufbeschworen, direkt vor der Statue von Slytherin.

Während Ginny es sich in ihrem Sessel gemütlich machte, fragte Pansy: "Ginny, sag mal, warum darfst du dem Dunklen Lord gegenüber eigentlich so respektlos sein, ohne gefoltert zu werden?"
 

Ginny grinste. "Wir haben eine Abmachung. Sein Teil der Abmachung besagt, dass er meine Familie und Hermine nicht angreift, und dass ich mit ihm reden darf, wie ich will, ohne bestraft zu werden."
 

Pansy schnappte nach Luft. "Was? Auf so was lässt er sich ein? Was war dein Teil der Abmachung?"

Ginny senkte den Kopf und antwortete leise: "Jede Hilfe, die er bei der Jagd auf Harry brauchen konnte."
 

Sie atmete tief durch und sah wieder auf. Sie würde nicht mehr um Harry trauern. Davon wurde er auch nicht wieder lebendig.

Pansy sah sie betroffen an.

"Oh", meinte sie bloß.

Ginny zuckte mit den Schultern.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Die Ferien vergingen rasch. Hermine war wieder in der Schule geblieben und hatte auch Ron dazu überredet, da die UTZ-Prüfungen anstanden.

Sie sprach Ginny zum Glück nicht mehr auf das Armband an. Nachdem Ginny sich bei McGonagall beschwert hatte, dass sie sie immer wieder auf ihre Slytherinfreunde ansprachen, hatte die Professorin ihnen anscheinend auch von ihrem Auftrag erzählt, denn sie ließen sie jetzt in aller Ruhe mit Draco und Pansy lernen.
 

Jetzt, wo sie nach den Ferien in die siebte Klasse gehen sollte, strengte sie sich noch einmal mächtig an, um den Stoff aufzuholen. Sie war zwar den Sechstklässlern um einiges voraus gewesen, doch sie war bei weitem noch nicht auf dem Stand der siebten.

Es half ihr ungemein, dass ihre Freunde den gesamten Stoff wiederholten, so konnte sie sich einfach bei ihnen mit einklinken und mitlernen.
 

Nach einer Woche realisierte sie mit einem Mal, was es für sie bedeutete, jetzt in der siebten Klasse zu sein. Sie lief zur Sicherheit zu Professor McGonagall, um sich noch einmal zu vergewissern: Wenn sie im Stoff mitkam, würde sie am Ende des Jahres ihren UTZ ablegen.

Das bestärkte sie noch einmal in ihrem Lerneifer.
 

Was hatte Voldemort noch gleich gesagt?

"Ich will nicht, dass einer von euch ein Schuljahr wiederholen muss, verstanden?"

Nein, sie wollte nicht diejenige sein, die ihn enttäuschte.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Als Ginny nach den Ferien mit Hermine in den Unterricht der siebten Klassen ging, war sie reichlich nervös. Sie hatte keine Ahnung, ob sie alles wusste, was sie wissen musste.

Die Lehrer waren alle sehr freundlich zu ihr. Wenn sie lange Dinge erklärten, dann blickten sie immer wieder zu Ginny und vergewisserten sich, dass sie noch mitkam.
 

Das war überraschenderweise recht oft der Fall. Ginny stellte verblüfft fest, dass sie das meiste an Stoff beherrschte - manchmal wusste sie sogar besser Bescheid als Ron. Aber andererseits war Ron auch ziemlich faul.
 

Bei den praktischen Zaubern hatte sie keine Schwierigkeiten - die reine Magie und das Duelltraining hatten Wunder gewirkt.
 

Doch noch bevor Ginny sich so richtig darüber freuen konnte, dass sie es geschafft hatte, eine Klasse zu überspringen, kam etwas dran, was ihr mächtig Probleme bereitete: Die Unverzeihlichen in den Dunklen Künsten bei Amycus Carrow.
 

Amycus hatte stillschweigend akzeptiert, dass Ginny jetzt in einer anderen Klasse saß, doch er nahm keinerlei Rücksicht auf sie. Nicht dass es ihr etwas ausmachte. Doch die Unverzeihlichen hatten die anderen anscheinend schon vor den Ferien geübt, so dass sie klar im Nachteil war.
 

In den Stunden bei Amycus kochte es immer förmlich im Klassenzimmer. Ginny hatte nach einer Stunde beobachten recht schnell herausgefunden, warum: Je nach Charakter der Schüler, also auch nach Häusern, waren sie gut oder schlecht, und nicht wenige weigerten sich, die Flüche auszuführen.
 

Die Slytherins beherrschten alle Flüche mehr oder weniger, wohingegen die Ravenclaws zwar alle Flüche versuchten, doch den Cruciatus fast geschlossen nicht beherrschten.
 

Die Hufflepuffs und Gryffindors hatten sich in zwei Gruppen aufgeteilt: Die einen versuchten, die Flüche zu lernen, um ihre Noten zu retten, die anderen weigerten sich, es zu versuchen.

Die, die es versuchten, brachten allerdings nicht allzu viel zu Stande. Der ein oder andere brachte einen ganz passablen Imperius auf die Reihe, doch keiner von ihnen schaffte es, einen Cruciatus oder Avada auszuführen.
 

Hermine versuchte verzweifelt, ihre Noten zu retten, doch keiner der Flüche gelang ihr. Es half ihr wohl auch nicht, dass Ron sie jedes Mal, wenn sie es versuchte, beschimpfte. Er war einer derjenigen, die die Mitarbeit verweigerten.
 

Neville stand nicht mehr unter Imperius, seit Severus ihm zu Ostern das Gedächtnis verändert hatte, doch er benahm sich seitdem immer noch mechanisch und leistete keinen Widerstand mehr. Ginny staunte nicht schlecht, als er ebenfalls versuchte, den Imperius und den Avada zu lernen. Nur beim Cruciatus schien er aus seiner Starre aufzuwachen und weigerte sich.
 

Ginny beschloss, es ebenfalls zu versuchen, da Amycus eingeworfen hatte, dass die Flüche Teil der UTZs waren. Den Imperius beherrschte sie nach ein paar Stunden sogar, doch den Cruciatus und den Avada bekam sie nicht hin, egal was sie anstellte. Sie gab irgendwann auf.

Eigentlich war sie auch ganz froh darüber, diese beiden Flüche nicht zu beherrschen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Professor McGonagall rief sie noch einmal in ihr Büro. Ginny trat diesmal mit einem mulmigen Gefühl im Magen ein. Sicher wollte die Professorin wissen, was für Fortschritte Ginny gemacht hatte - doch sie hatte nichts neues zu berichten.
 

"Also, Ginny, Sie wissen sicherlich, warum Sie mir heute einen Besuch abstatten sollten."

Ginny nickte. "Tut mir Leid, Professor, aber ich habe nichts neues herausgefunden. Ich weiß absolut nicht, ob Pansy das Mal schon hat oder nicht."
 

McGonagall lächelte. "Es ist warm draußen. Laden Sie Miss Parkinson doch einfach am Wochenende zum Schwimmen am See ein."

Ginny runzelte die Stirn. "Sie glauben doch nicht im Ernst, dass sie darauf reinfällt?"

"Benutzen Sie einfach einen ungesagten Finite Incantatem, wenn sie beschäftigt ist, so können Sie vielleicht durch Illusionen schauen, die sie darauf gelegt hat."
 

Ginny brummte. "Ich wusste gar nicht, dass Sie so hinterhältig sein können, Professor. Ich dachte, Sie sind eine Gryffindor."

McGonagall zwinkerte ihr zu. "Wer weiß?"
 

Ginny schnaubte. "Das lässt sich rausfinden, Sie werden schon sehen!"

Die Ältere lachte. "Dann suchen Sie mal. Ich bin schon gespannt, was Sie finden."
 

Ginny nahm ihre Professorin beim Wort und wühlte sich in der Bücherei durch alte Schulakten. Sie wusste nicht, wie alt McGonagall war, das machte die Sache schwierig.

Doch nach ein paar Tagen Suche fand sie endlich, wonach sie gesucht hatte: McGonagalls Abschlussjahrgang.

Und fiel aus allen Wolken.
 

McGonagall war eine Slytherin gewesen! In dem dicken Wälzer gab es für jeden Schüler eine Seite, die von dessen Freunden gestaltet wurde. Ginny stellte mit Verwunderung fest, dass ihre Professorin zwar eine Slytherin gewesen war, doch ihre Freunde fast ausschließlich aus Gryffindor und Ravenclaw gekommen waren.
 

Der einzige Eintrag von einem Slytherin lautete: 'Heute ist die Schande beendet, die du über unser Haus gebracht hast. Wage es nicht, dich in Zukunft noch mit unserem Namen zu rühmen. Du warst nie eine von uns Schlangen, du warst schon immer eine verkappte Gryffindor.'

Ginny musste schlucken. Ihre Professorin schien kein leichtes Leben gehabt zu haben...
 

Am nächsten Tag besuchte sie sie nach dem Unterricht in ihrem Büro und legte ihr den Wälzer mit der Freundeseite aufgeschlagen auf den Tisch. McGonagall musterte das Buch einen Moment schweigend, dann strich sie langsam mit der Hand über die vielen Grüße ihrer Freunde und seufzte.
 

Sie blickte zu Ginny auf. "Gute Arbeit. Ich habe dieses Buch schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen... Die meisten meiner Freunde sind inzwischen tot."

"Tut mir Leid", wisperte Ginny.

Doch McGonagall winkte ab. "Ich bin darüber weg. Das ist nun einmal das Schicksal, wenn man älter wird: Die Freunde werden auch älter und sterben."
 

Sie seufzte und fuhr mit den Fingern das Slytherinwappen neben ihrem Namen nach. "Der Sprechende Hut hat damals bei meiner Auswahl zwischen Gryffindor und Slytherin geschwankt. Ich habe mich für Slytherin entschieden und zu spät gemerkt, dass ich eigentlich nach Gryffindor gehöre."

"Warum wollten Sie nach Slytherin?", wollte Ginny wissen.
 

Ihre Professorin sah auf. Mit einem Mal sah sie furchtbar alt und müde aus. "Es gab dort einen Jungen, ein paar Jahre älter als ich... Ich habe ihn kurz in der Winkelgasse gesehen, als ich meine Schulsachen gekauft habe, und dann bei der Auswahl in der Großen Halle wieder... Es saß am Slytherintisch, hatte das Abzeichen eines Vertrauensschülers und sah einfach verdammt gut aus... Ich wollte um jeden Preis in sein Haus."
 

Sie lächelte wehmütig und schüttelte den Kopf. "Die Schwärmereien einer elfjährigen. Er hat mich die drei Jahre, in denen er mit mir in der Schule war, nicht eines Blickes gewürdigt, und als er abging, habe ich ihn recht schnell vergessen."
 

Sie seufzte schwer. "Zumindest für ein paar Jahre. Dann habe ich wieder etwas von ihm gehört. Und ich wünschte mir, ich hätte niemals für ihn geschwärmt."

Sie schien ein wenig zu schrumpfen.
 

Ginny zögerte einen Moment, dann legte sie ihrer Professorin eine Hand auf die Schulter und drückte diese leicht.

"Was ist denn?"

Doch McGonagall schüttelte den Kopf. "Das habe ich noch nie jemandem erzählt", flüsterte sie erstickt.
 

Ginny ließ ihre Schulter nicht los, als sie erwiderte: "Dann tun Sie es jetzt. Wenn Sie darüber reden, geht es Ihnen besser."

Einen Moment verharrten die beiden schweigend, dann hob Professor McGonagall den Kopf.
 

Ginny erschrak, als sie Tränen in ihren Augen glitzern sah.

"Der Junge", wisperte sie, "hieß Tom Riddle."

Bekehrungsversuche

Kapitel 22: Bekehrungsversuche
 

Ginny besuchte mit Severus regelmäßig die Dunkle Festung. Auf der einen Seite freute sie sich immer darüber, weil sie Voldemort dort sah, aber auf der anderen Seite wollte sie nicht dorthin, weil sie nicht hören wollte, was Voldemort dachte. Seine Ansichten waren immer noch etwas... exotisch.
 

Er hatte zwar Ginny zuliebe davon abgelassen, Muggel zu töten und zu quälen, was ihr durchaus gefiel, doch ihr wäre es bei weitem lieber, wenn er sie aus Überzeugung verschonte und nicht, um sie nicht auf die Palme zu bringen.
 

"Was willst du eigentlich mit deinem Krieg erreichen?", wollte sie eines Tages frustriert wissen. Sie saßen in zwei Sesseln in einer Leseecke des Arbeitszimmers.

Er überschlug die Beine und musterte sie nachdenklich. "Ich will die Macht besitzen, die Zaubererwelt nach meinen Vorstellungen verändern zu können."
 

"Aber... du hast die Macht doch längst. Thicknesse ist deine Marionette."

Voldemort verdrehte die Augen. "Du hast mich nicht gefragt, was ich bereits erreicht habe, sondern was ich mit diesem Krieg erreichen will. Wenn ich eines dieser Ziele bereits erreicht habe, gut."
 

Ginny seufzte. "Okay, okay. Wie sieht es mit der Zauberergesellschaft und dem magischen Blut aus? Wie sähe deine Ideale Gesellschaft aus?"

"Zauberer und Muggel gehören so weit wie möglich getrennt. Und ich will nicht, dass sich die Muggelkultur bei uns Zauberern einschleicht."
 

Ginny zog die Augenbrauen hoch. "Schon mal darüber nachgedacht, dass die Muggel, um ohne Magie durch Leben zu kommen, ziemlich erfinderisch sind? Wer hat das Rad erfunden? Die Wasserleitungen? Klospülungen? Strom? Wir könnten auch weiterhin von Muggelerfindungen profitieren, wenn wir die Muggel nicht gänzlich aus unserem Leben verbannen."
 

"Wozu?", spie Voldemort ihr entgegen. "Wir brauchen keine Räder, wir haben Schwebezauber. Für Wasserleitungen gibt es Zauber, und statt Klospülungen können wir den Evanesco verwenden. Strom ist sowieso völliger Blödsinn, wir haben Feuer und Leuchtkristalle."

Ginny hätte ihren Kopf am liebsten an die erstbeste Wand geschlagen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

"Ich habe nachgedacht", meinte Voldemort bei ihrem nächsten Treffen. "Du hattest Recht. Niemand kann etwas dafür, ob er als Zauberer oder Muggel geboren wird. Das bedeutet aber nicht, dass ich die Muggel und ihre Methoden mögen muss."
 

Ginny lächelte breit. Ihr Herz hüpfte ihr bis zum Hals vor Freude. Er hatte tatsächlich etwas eingesehen!

"Nein, das heißt es nicht. Aber es gibt dir auch nicht das Recht, sie einfach so anzugreifen."
 

Voldemort senkte den Kopf. "Wahrscheinlich nicht. Aber, weißt du, Ginny, ich habe eine Wahnsinnswut auf die Muggel."

"Auf die Muggel an sich oder auf ein paar bestimmte Muggel?"

"Auf ein paar bestimmte Muggel."

"Das gibt dir allerdings nicht das Recht, ALLE Muggel anzugreifen und zu quälen. Was haben die bestimmten Muggel denn getan?"
 

Doch Voldemort hörte nicht mehr zu. "Muggel - Abschaum... Behandeln mich wie Dreck... magieloses Pack..."

Ginny holte tief Luft und unterbrach seine gemurmelte Tirade. "Du hast selbst gesagt, dass Muggel nicht komplett ohne Magie sind. Sie haben nur zu wenig, um sie bewusst einsetzen zu können."
 

Voldemorts Kopf zuckte hoch, und er funkelte sie wütend an. "Verschwinde!"
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

"Willst du mir nicht erzählen, was mit diesen Muggeln war? Es hilft, über seine Probleme zu reden."

"Ich habe keine Probleme!", fauchte Voldemort ungehalten, senkte dann jedoch den Blick. Eine Weile schwiegen beide, dann setzte er wieder zum Sprechen an.
 

"Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Sie gebar mich in der Muggelwelt, in einem Waisenhaus. Ich wuchs unter Muggeln auf. Die Muggel behandelten mich - wie Dreck. Ich rächte mich, in dem ich Magie einsetzte. In gewissem Sinn konnte ich sie bereits steuern. Das wiederum brachte sie nur dazu, Angst vor mir zu haben und noch abweisender zu mir zu sein.... Ich hatte keinen einzigen Freund, bevor ich nach Hogwarts kam..."

Er brach ab.
 

Ginny schluckte. "Danke, dass du mir das erzählt hast", erwiderte sie leise. "Ich verspreche, ich werde niemandem davon erzählen."

"Das will ich dir auch geraten haben", knurrte Voldemort.

Eine Weile schwiegen sie.
 

"Was ist aus den Muggeln in dem Waisenhaus geworden?", fragte Ginny schließlich leise.

"Sie sind tot. Ich habe sie umgebracht."

Wieder Schweigen.

"Warum folterst und tötest du immer noch Muggel, wenn du dich schon an denen, die dich verletzt haben, gerächt hast?"
 

"Muggel", zischte Voldemort. "Sie sind doch alle gleich. Behandeln ihre Kinder wie Dreck - nichts und niemand ist ihnen wichtig..."

"Hast du jemals andere Muggel kennen gelernt als die im Waisenhaus?"

Voldemort schickte ihr einen Todesblick, antwortete jedoch nicht.
 

Ginny holte tief Luft und fuhr fort. "Muggel sind nicht alle gleich, genauso wie Zauberer nicht alle gleich sind. Du hattest nur das Pech, an ein paar der herzloseren zu geraden. Es gibt auch nette, liebevolle Muggel, die ihre Kinder mehr als alles andere auf der Welt lieben."
 

Voldemort schnaubte. "Geh. Geh, bevor du noch mehr Mist verzapfst."
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

"Was ist los, Tom? Du siehst irgendwie... durcheinander aus."
 

"Ich habe mich... ein wenig in der Muggelwelt umgesehen. Habe die Muggel in ihrem Alltag beobachtet."

Er schüttelte den Kopf und blickte zu Boden. "Du hast Recht. Ich habe mich getäuscht. Es gibt viele Muggel, die meinen Hass nicht verdienen."
 

"Hasst du sie denn noch?"

Ein langes Schweigen trat ein.
 

"Nein", flüsterte Voldemort schließlich.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

"Ginny, ich habe nachgedacht. Ich hasse die Muggel nicht mehr, aber ich mag sie auch nicht besonders. Gut, mag sein, dass sie erfinderisch sind, aber wir haben ihre Erfindungen - ihre Lebensweise - nicht nötig. Ich sehe nicht ein, wieso wir Muggelkultur in unsere Zaubererwelt einführen sollten, die wir nicht nötig haben."
 

"Wir haben Muggelkultur nötig. Kinder können entweder noch nicht zaubern oder es ist ihnen außerhalb von Hogwarts nicht erlaubt. Wie willst du zum Beispiel die Klospülung ersetzen, wenn deine Kinder keinen Evanesco beherrschen?"
 

"Ich habe nie gesagt, dass wir nötige Dinge nicht einführen sollten, wir sollten nur nicht unnötig viel von den Muggeln übernehmen, solange es nicht notwendig ist."
 

Ginny seufzte. "Gut. Was ist mit muggelstämmigen Hexen und Zauberern, und Halbblütern?"

"Wie du gesagt hast, verhindern sie, dass wir durch Inzucht eines Tages zu Grunde gehen. Es ist also keine Lösung, sie einfach auszurotten."
 

Ginny schnaubte. "Wunderbar. Vor einem Jahr noch hast du allen die Zauberstäbe zerbrechen lassen. Wie willst du das wieder gut machen?"
 

"Neue Zauberstäbe?"
 

Wieder verspürte Ginny das dringende Bedürfnis, ihren Kopf gegen die nächste Wand zu schlagen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

"Weißt du, was mich an den Muggelstämmigen immer am meisten gestört hat?", wollte Voldemort am Wochenende vor ihren UTZs wissen.

"Sags mir."

"Sie denken zu sehr wie Muggel. Sie denken nicht an mögliche magische Lösungen eines Problems, sie versuchen immer zuerst, Probleme auf Muggelart zu lösen."
 

"Nun, sie sind bei Muggeln aufgewachsen und von ihnen erzogen worden, was erwartest du?"

"Das ließe sich ändern. Sie müssten einfach nur umerzogen werden, bevor sie nach Hogwarts kommen."
 

Ginny seufzte, stand auf und stellte sich mit verschränkten Armen vor Voldemorts Sessel.

"Und du denkst, wenn das erste, was sie von den Zauberern zu sehen bekommen, eine Gehirnwäsche ist, dann mögen sie die Zaubererwelt? Ich denke eher, dass sie nach ihrer Schulausbildung so schnell wie möglich in ihre Muggelwelt zurückkehren, sollte das der Fall sein. Darf ich dir einen - netteren Vorschlag machen?"

Voldemort nickte stumm.
 

"Lass sie von Muggeln und Zauberern gemeinsam aufziehen. Wir könnten jedem Zaubererkind, das bei Muggeln aufwächst, einen Paten aus der Zaubererwelt zuweisen, der ihm magische Denkweisen und Prinzipien vermittelt, lange bevor es in die Schule kommt."

Voldemort schwieg einen langen Moment, das Gesicht nachdenklich, dann meinte er leise: "Das ist keine schlechte Idee..."
 

Ginny grinste breit. Am liebsten wäre sie im Kreis gehüpft. Voldemort fand IHRE Idee, wie man die Welt der Muggel und die der Zauberer verbinden konnte, gut! Er stimmte IHR zu, wenn sie einen Vorschlag machte, wie man mit Muggelstämmigen in Zukunft umgehen sollte! Er schien tatsächlich wieder vernünftig geworden zu sein.
 

Übermütig vor Freude gab sie zurück: "Natürlich ist das keine schlechte Idee, die ist ja auch von mir!"
 

Mit einem Ruck war Voldemort aus seinem Sessel aufgestanden und kam mit funkelnden roten Augen auf sie zu. Sie wich zurück, doch wirkliche Angst hatte sie nicht. Voldemort drängte sie zurück bis an die Wand.
 

"Werd ja nicht frech!", zischte er.

Ginny legte den Kopf schief und grinste immer noch. Sie konnte es nicht ändern.

"Warum nicht?"
 

Mit einem Satz war Voldemort bei ihr, packte ihre Arme und presste sie rechts und links neben ihr an die Wand, so das sie wie in einem Schraubstock gefangen war.

"Willst du mich wirklich aufregen?", flüsterte er bedrohlich.
 

"Was tust du, wenn ich dich aufrege?", gab Ginny ungerührt zurück.

Irgendwie konnte sie in Moment keine Angst vor ihm haben. Es war seltsam.
 

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. "Entweder ich verliere meine Beherrschung und hexe dich in Stücke, oder - "

"Oder was?"

Einen Moment lang starrten sie sich direkt in die Augen. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast.
 

Dann packte Voldemort sie fester an ihren Armen, hob sie hoch, so dass sie immer noch an die Wand gepresst war, doch nun auf seiner Augenhöhe - und küsste sie.
 

Ginnys Herz tat einen Satz, so groß wie schon lange nicht mehr. Ein Glücksgefühl durchflutete sie, wie sie es schon seit Monaten nicht mehr erlebt hatte. Sie öffnete ihren Geist und erwiderte den Kuss.

Tom hatte ebenfalls seinen Geist geöffnet, und ihr schlug von ihm das selbe Glück entgegen.
 

Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende.

Erst jetzt wusste sie, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
 

Ein Klopfen riss sie nach einer Weile aus ihrem Rausch. Tom hob sie wieder zu Boden, und Ginny trat rasch einen Schritt weg von ihm.

"Herein!", rief Tom.

Ginny spürte, dass er nervös war.
 

Severus trat ein, verneigte sich leicht, dann wanderte sein Blick von Tom zu Ginny und wieder zurück.

"Störe ich?"

Ginny und Tom sahen sich an und sagten wie aus einem Mund: "Nein."
 

Severus lächelte schmal. "Ich frage besser nicht, was? Ginny, wir müssen zurück zur Schule."

Ginny nickte. "Einen Moment noch."
 

Sie wandte sich Tom zu.

Er blickte sie ein wenig wehmütig an. 'Ich werde dich vermissen', murmelte er mental.

"Viel Glück bei den Prüfungen", meinte er bloß laut.

Dann trat er auf Ginny zu und nahm sie kurz in den Arm, bevor er wieder zurücktrat.

"Ich sehe euch nächste Woche."

Abschied von Hogwarts

Kapitel 23 - Abschied von Hogwarts
 

Die UTZs fanden über die nächsten zwei Wochen verteilt statt, wie ein Jahr zuvor bei Ginnys ZAGs, immer Vormittags die Theorie und nachmittags die Praxis.

Ginny wusste zwar nicht alles, doch im Großen und Ganzen hatte sie das Gefühl, dass ihre Antworten ganz okay gewesen waren. Außer in Geschichte der Zauberei, aber da war es einfach unmöglich gewesen, den Stoff aufzuholen.

Die Praxis war kein Problem, dank der reinen Magie, mit der Ginny auch Zauber ausführen konnte, bei denen sie die Zauberformel vergessen hatte.
 

Die Prüfer waren alle sehr nett, als sie hörten, dass Ginny die siebte Klasse übersprungen hatte. Am meisten mochte Ginny einen alten Mann, Professor Tofty, der Verteidigung gegen die Dunklen Künste prüfte.
 

Er klapperte die Liste mit den Zaubern ab, die Ginny ihm vorführen sollte. Irgendwann zogen sich seine Augenbrauen zusammen.

Er seufzte. "Und dann wären da noch die Unverzeihlichen." Müde blickte er Ginny an. "Wenn Sie sie nicht machen wollen, nimmt Ihnen das keiner übel und Ihre Note versauen wird es auch nicht, wenn wir Prüfer da noch was zu sagen haben. Wollen Sie es versuchen oder nicht?"
 

Ginny grinste diabolisch. "Passen Sie gut auf", meinte sie bloß und richtete den Zauberstab auf die Spinne, die sie verhexen sollte. "Imperio!"

Die Spinne krabbelte vom Tisch, wuselte durch die Halle zu Amycus Carrow, der einem anderen Schüler über die Schulter schaute, und verschwand in seinem Hosenbein. Einen Moment später jaulte er laut auf und hopste fluchend durch die Gegend.

"Sie hat ihn gebissen", meinte Ginny bloß.
 

Tofty lachte. "Gut, gut. Das ist so ziemlich die beste Verwendung für den Imperius, die ich heute gesehen habe. Wollen Sie die zwei anderen auch probieren, oder sollen wir es lassen?"

Ginny schüttelte den Kopf. "Lassen wir es. Ich kann sie nicht, und ich will sie auch gar nicht können."

"Gut. Das wäre es dann - bis auf... Ich habe von Professor Snape den Hinweis bekommen, dass Sie reine Magie beherrschen. Ist dem so?"
 

Ginny nickte.

Tofty überlegte einen Moment, dann winkte er sie nach draußen. "Der Evanesco wirkt bloß bei Objekten, die kleiner sind als drei Meter. Sie werden mir ein größeres Objekt verschwinden lassen, ist das in Ordnung?"

Ginny nickte erneut.
 

Tofty schwang seinen Zauberstab, und mit einem Mal lag eine riesige Kiste vor Ginny, bestimmt fünf Meter lang und einen Meter breit. Ginny richtete ihren Zauberstab auf die Kiste, konzentrierte sich kurz und sandte dann ihre Magie aus. Die Kiste zerfiel zu Staub.
 

Tofty klatschte begeistert in die Hände. "Brilliant! Gut gemacht! Das gibt einen Bonus für Sie in Zauberkunst!"

Ginny runzelte die Stirn. "Harry hat vor ein paar Jahren einen Bonus für einen Patronus bekommen", meinte sie. "Darf ich Ihnen meinen Patronus auch zeigen, wenn wir schon mal hier sind?"

Toftys Augen leuchteten. "Sie beherrschen auch einen Patronus? Lassen Sie sehen!"
 

Ginny konzentrierte sich. Es war schon eine Weile her, dass sie einen Patronus erzeugt hatte... Schon seit einem Jahr nicht mehr...

Bisher hatte sie sich immer von ihrer Liebe zu Harry leiten lassen, doch das ging diesmal nicht. Sie suchte ein anderes glückliches Erlebnis.
 

Schließlich rief sie sich den Tag ins Gedächtnis, an dem sie mit Tom besprochen hatte, wie man unter Muggeln aufgewachsene Zauberer in die Zaubererwelt integrieren konnte, anstatt sie umzubringen, die Freude darüber, dass er ihr zugestimmt hatte, statt sie rauszuwerfen, und dann ihren Kuss.

Es war einer der schönsten Tage gewesen, die Ginny erlebt hatte, seit Tom sie im Herbst entführt hatte.
 

Sie konzentrierte sich auf das Glücksgefühl und flüsterte dann: "Expecto Patronum."

Eine silberne Schlange brach aus ihrem Zauberstab hervor und schlängelte sich vor ihr in der Luft.
 

Tofty begutachtete die Schlange neugierig. "Eine Schlange? Das ist seltsam bei einer Gryffindor wie Ihnen... Ich hatte die Schlange eher bei jemandem wie Mr Malfoy erwartet... Aber egal. Es ist ein guter Patronus." Er nickte Ginny zu. "Sie sind ein Naturtalent. Machen Sie weiter so, und sie werden es weit bringen."

Ginny lächelte.
 

"Damit ist ihre Prüfung beendet. Gehen Sie und machen Sie eine Pause. Auf Wiedersehen."

Ginny nickte. "Wiedersehen", meinte sie und lief nachdenklich ins Schloss zurück.
 

Ein Schlangenpatronus war nicht gut. Sämtliche Ordensmitglieder würden Fragen stellen, wenn sie ihn zu Gesicht bekämen. Ein Glück, dass Ron und Hermine in der Halle ihre Prüfungen abgelegt hatten und Ginny mit Tofty nach draußen gegangen war...
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny öffnete jeden Abend ihren Geist, Tom tat das Selbe. Mittlerweile waren die Gedanken, die er vor ihr verbarg, weniger geworden und die, die er ihr zeigte, mehr. Sie zeigten sich immer ihre Erinnerungen an den vergangenen Tag und tauschten ihre Gefühle aus.
 

Ginny genoss das. Sie vermisste Tom.

Jetzt, wo sie sich wieder geküsst und umarmt hatten, fragte sie sich, wie sie es länger ohne eine Berührung von ihm aushalten sollte. Tom schien es ähnlich zu gehen.
 

Doch an diesem Abend war es anders. Als er erfuhr, dass die Prüfer die Unverzeihlichen so wenig wie möglich in das Prüfungsergebnis mit einfließen lassen wollten, wurde er wütend und brach die Verbindung ab.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am letzten Prüfungstag erschienen die Prüfer nicht zum Abendessen. Niemand fand sie. Sie schienen gleich nach der letzten Prüfung einfach vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
 

Ginny beschloss, deswegen noch mit Tom zu sprechen.

Das magische Blut war der eine Knackpunkt gewesen, der ihr nicht gefallen hatte, das war der andere. Sie würde ihn schon zur Vernunft bringen.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Die nächste Woche war für die Siebtklässler frei. Ginny sog noch einmal alle Eindrücke von Hogwarts in sich auf. Das Schloss, die Ländereien, das Geschnatter in der großen Halle...

Sie würde Hogwarts vermissen. Es war ihr ein Zuhause geworden.
 

Ein letztes Mal traf sich Ginny noch mit den Slytherins und Severus in der Kammer zum trainieren. Nach dem Training saßen sie alle noch auf selbst beschworenen Sitzkissen und redeten.
 

Ginny empfing mit einem mal einen Gedanken von Tom und seufzte. Es war also so weit. Sie holte tief Luft und stand auf. Die anderen blickten sie verwirrt an.

"Willst du etwa schon gehen, Gin?", wollte Pansy wissen.
 

Ginny schüttelte den Kopf. "Ich habe euch was zu sagen."

Jetzt blickten die anderen erst recht verwirrt.

"Im Auftrag von Lord Voldemort", fügte sie hinzu und löste damit ein kollektives Nach-Luft-Schnappen aus.
 

"Nenn ihn nicht so!", zischte Draco. "Wenn er das hört!"

Ginny zog bloß eine Augenbraue hoch und verkniff sich ein Lächeln. Die Verbindung zwischen ihrer beider Seelen war offen.

"Er hört bereits zu", gab sie trocken zurück. "Und jetzt halt die Klappe und hör auch zu."

Dracos Augen weiteten sich und er tat rasch wie befohlen.
 

Ginny holte noch einmal tief Luft, dann setzte sie erneut zu sprechen an. Ihre Augen schimmerten rot.

"Morgen ist das Schuljahr zu Ende und wir werden Hogwarts für immer verlassen. Die Schule hat euch bisher zusammengehalten. Nun jedoch seit ihr frei zu gehen, wohin ihr wollt.

Doch etwas verbindet euch, und wird euch letztlich wieder zusammenführen. Das Mal auf euren Armen und der Schwur, den ihr abgelegt habt. Ihr habt dem Dunklen Lord eure ewige Treue geschworen, und er weiß diese Treue zu schätzen.

Jetzt, wo ihr keinen festgelegten Weg mehr zu gehen habt, jetzt, wo die Welt so viele Wege bietet, dass man sich leicht darin verirren kann, bietet er euch einen sicheren Weg an, eine Bestimmung, einen Sinn. Er bietet euch außerdem ein Dach über dem Kopf, solange eure Treue währt.

Morgen werden wir in den Hogwartsexpress steigen und in ein neues Leben starten. Wollt ihr dieses Leben in den Dienst des Dunklen Lords stellen und euren von ihm bereits bestimmten Weg beschreiten, um eure Bestimmung zu erfüllen?"
 

Einen Moment lang herrschte Stille, dann meinte Vincent leise: "Ja."

Gregory schloss sich ihm an, etwas lauter. "Ja!"

Draco warf den beiden einen vernichtenden Blick zu, dann meinte auch er: "Ja. Immer doch."

Das "Ja" von Blaise und den beiden Mädchen kam fast gleichzeitig.
 

Ginny nickte zufrieden und setzte sich wieder neben Severus. Sie schüttelte den Kopf. Als er sie ansah, waren ihre Augen wieder so haselnussbraun wie immer.
 

"Ich hasse es, wenn er das tut", brummte sie so leise, dass die anderen es nicht hörten. "Blöder Weise wäre die Alternative gewesen, die Rede selber zu halten."

Severus lächelte schmal. "Passiert."
 

Ginny streckte ihren Geist nach Tom aus, der sich wieder von ihr zurückgezogen hatte.

'Epischer ging es auch nicht mehr, oder?'

Sie spürte sein Schmunzeln. 'Kaum.'
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am nächsten Tag saß Ginny missmutig im Hogwartsexpress. Sie saß mit Ron, Hermine und ihrem Vater zusammen in einem Abteil, und sie zogen alle auf unbestimmte Zeit in das Hauptquartier des Phönixordens, den Grimmauldplatz.
 

Ginny war nicht ganz wohl dabei. Hermine hatte sie seit dem Frühstück nicht mehr aus den Augen gelassen und Ginny hatte den starken Verdacht, dass Hermine etwas wusste.

Dummerweise hatte Hermine auch dafür gesorgt, dass sie niemals lange genug alleine waren, dass Ginny ihr Gedächtnis hätte lesen und manipulieren können.
 

Sie beschloss, Severus' Ratschlag, sämtliche Dinge, die sie normalerweise in ihrem Zimmer hatte, Kleider, Bücher, Waschzeug, persönliche Dinge - einfach alles eben - immer in ihrer alles fassenden Tasche mit sich herumzutragen.

Es würde vielleicht nötig sein, den Grimmauldplatz schnellstmöglich zu verlassen, und da blieb nun mal keine Zeit zum packen.

Ginny mochte gar nicht daran denken. Das hieße nämlich, sie wäre aufgeflogen.
 

Sie hoffte inständig, das Hermine nur Vermutungen hatte und keine Fakten... Sie kannte Hermine. Ohne Beweise würde sie sie auch nicht verraten. Hermine wartete immer auf den passenden Moment, in dem sie mit ihren Informationen am meisten Wirkung erzielen konnte.
 

Ginny wünschte sich, Severus hätte Dumbledore nicht töten müssen. Dann wäre er nämlich noch im Hauptquartier geduldet gewesen und hätte ihr helfen können...

So jedoch musste sie den Sommer alleine durchstehen.

In der Höhle des Löwen

Kapitel 24: In der Höhle des Löwen
 

Schon nach den ersten Tagen am Grimmauldplatz beschloss Ginny, bei der nächstbesten Möglichkeit von dort weg zu gehen. Sie fühlte sich nicht mehr zu Hause.

Im Gegenteil, ihr war regelmäßig unwohl. Immer dann, wenn Hermine, McGonagall oder Moody sie ansahen.
 

Glücklicher Weise musste sie sich zumindest kein Zimmer mit Hermine teilen. Seit Fred und George ausgezogen waren und in der Wohnung über ihrem Laden wohnten, war wieder etwas mehr Platz.
 

Ginny hatte angekündigt, die beiden irgendwann zu besuchen, doch Molly hatte sie vorerst nicht aus dem Haus lassen wollen.

Nicht weit entfernt waren Todesser gesichtet worden, und Molly wollte kein Risiko eingehen.
 

Ginny hatte sich für den Rest des Tages frustriert in ihr Zimmer verzogen. Nach einem kurzen Gedankenaustausch mit Tom - den sie mit jedem Tag mehr vermisste, Seelensplitter hin oder her - war klar, dass dieser die Todesser in der Nähe postiert hatte, um ein wenig auf sie aufzupassen. Welche Ironie.
 

Sie hatte ihm daraufhin befohlen, die Todesser wieder abzuziehen. Dennoch ließ Molly nicht mit sich reden. Man konnte nie wissen, wie sie sagte.
 

Ginny war nach einer Woche bereits mächtig frustriert, als die Prüfungsergebnisse eintrafen. Hermine hatte zwar gute Noten, aber nicht so gut wie vorher. In den Dunklen Künsten bei Amycus hatte sie sogar nur ein A, was sie anscheinend ziemlich enttäuschte.

Ron hatte nur zwei UTZs erhalten - Zauberkunst und Verwandlung. Er hatte den Stoff in den restlichen Fächern nicht nachgearbeitet.
 

Ginny hatte ihr Zeugnis misstrauisch aus dem Umschlag gezogen und war über das Ergebnis ziemlich überrascht.
 

Unheimlich Toller Zauberer - Prüfungen: Ergebnisse

Ginevra Molly Weasley
 

Dunkle Künste..............O

Muggelkunde................A

Zauberkunst................O

Verwandlung................E

Zaubertränke...............E

Geschichte der Zauberei....M

Alte Runen.................E
 

Die Apparierprüfung hat sie bestanden. Die Lizenz zum Apparieren wird jedoch erst mit der Volljährigkeit am 12. 8. 98 wirksam. Vorher ist das Apparieren weiterhin verboten.
 

So gute Noten hätte sie nicht erwartet - hatte sie nicht mit Hängen und Würgen versucht,  zumindest das Wichtigste an Stoff aufzuholen? Hatte sie sich nicht regelmäßig überfordert gefühlt?

Egal. Sie war mit der Schule fertig. Alles andere war erst mal egal.
 

Doch Ginny sah es mit einem lachendem und einem weinendem Auge. Auf der einen Seite war sie natürlich mächtig stolz, die Schule in sechs Jahren mit guten Noten abgeschlossen zu haben - auf der anderen Seite war sie traurig, dass sie im nächsten September nicht mehr nach Hogwarts zurückkehren würde.

Es war ihr mehr ein Zuhause als der Grimmauldplatz - und wie sie schmerzlich feststellen musste, auch mehr als der Fuchsbau.
 

Diese Erkenntnis tat weh, doch es war so. Unter Ordensmitgliedern fühlte sie sich nicht mehr wohl. Natürlich liebte sie ihre Familie - doch sie schauderte es bei dem Gedanken, was sie wohl von ihr denken würden, wenn sie die Wahrheit erfuhren.

Sie hatte Angst, sie alle zu verlieren.
 

Moodys, Hermines und McGonagalls Blicke trieben sie in den Wahnsinn. Sie betrachteten Ginny immer sehr aufmerksam, und sie kam sich ständig beobachtet vor. Verdächtigten sie sie, den Orden verraten zu haben? Wussten sie etwas?
 

Ginny beschloss, kein Risiko einzugehen. Sie trug alles, was sie unter anderen Umständen in ihrem Zimmer gelassen hätte, in ihrer alles fassenden Tasche mit sich herum. Sie lebte praktisch aus ihrer Tasche.

Um nicht aufzufallen, hatte sie die Tasche verkleinert und in ihre Hosentasche gesteckt.
 

Eigentlich war ihr zwar das Zaubern außerhalb der Schule noch nicht gestattet - welche Ironie, bloß weil sie die Schule schon mit sechzehn abgeschlossen hatte, durfte sie auch nach ihrem Schulabschluss nicht zaubern - doch sie wusste, dass das Ministerium bloß gewirkte Magie und nicht deren Urheber ausfindig machen konnte.
 

Und im Hauptquartier des Phönixordens zauberte ständig jemand, also war es egal, solange Ginny sich nicht von den anderen erwischen ließ.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Nach zehn langen Tagen wurde ein Ordenstreffen einberufen. Hermine und Ron waren wohl ohne ihr Wissen bereits kurz zuvor in den Orden aufgenommen worden, denn sie saßen mit in dem großen Kreis aus Stühlen in dem Salon im Erdgeschoss.
 

Ginny musste schlucken, als sie eintrat.

Moody und McGonagall saßen an der Tür - und Hermine saß direkt neben Moody. Alle drei musterten sie mit stechendem Blick. Sie blickten nicht besonders freundlich drein. Keiner der drei begrüßte Ginny.
 

Sie schluckte erneut. Sie mussten etwas wissen. Zumindest Hermine und McGonagall waren sonst nicht so unhöflich...

Ginny tastete nach der Verbindung zu Tom. Sie konnte es nicht, doch Tom konnte es...

Kaum hatte sie ihm den Gedanken geschickt, übernahm er ihren Körper.
 

Er lenkte sie zu noch einem freien Platz, ein Stück von den dreien entfernt, doch nicht allzu weit von der Tür - dann drang er vorsichtig, so wie Severus es auch immer tat, in Moodys Geist ein. Dessen Gedanken hätten Ginny zusammen zucken lassen, hätte nicht Tom die Kontrolle über ihren Körper gehabt.
 

Moody wusste es.
 

Er wusste, dass sie mit Tom per du war.

Er wusste, dass die Todesser ihr niemals etwas antun würden.

Er wusste, dass Tom sie nicht einfach so umbrachte.

Er wusste, dass sie Ron nur retten konnte, weil Tom nicht gewollt hatte, dass sie starb.
 

Er hatte alles aus Rons Gedächtnis erfahren.

Der Gedächtniszauber war gefallen.
 

Ginny wurde heiß. Sie wusste, dass sie rot wurde, sie spürte es. Tom zog sich ein wenig zurück, so dass sie wieder die Kontrolle über ihren Körper hatte, doch er blieb in ihrem Kopf.
 

'Bloß keine Panik. Ich hänge immer noch in Moodys Gedanken. Du hörst sie weiterhin. So weißt du immer, was er als nächstes tun wird.

Bleib ruhig sitzen. Er wird dich stellen, aber es gibt keinen Grund, vorher wegzulaufen. Warte, bis er die Sitzung eröffnet hat. Je mehr Ordensmitglieder da sind, desto schwieriger wird es für ihn sein, dich zu treffen.

Mach dich unsichtbar, wenn er dich angreift. Er wird dich wahrscheinlich weiter sehen können, aber der Rest wird ihm im Weg stehen.

Versuch nicht, ihn zu besiegen. Du musst nur aus dem Haus kommen und apparieren. Denk an dein Training mit Severus.'
 

Die nüchternen Worte halfen Ginny, sich ein wenig zu beruhigen. Sie spürte ihr Herz wie wild pochen, doch sie atmete tief durch und ignorierte es.

Vorsichtig, mit einem Rutschen auf dem Stuhl getarnt, ergriff sie in ihrer Robe ihren Zauberstab. Sie hatte die Arme verschränkt, so dass niemand den Stab sehen konnte. Sie konnte ihn jeder Zeit herausziehen.

Tom schickte ihr Ruhe. Ohne ihn wäre sie wahrscheinlich umgekippt.
 

Langsam - zu langsam, für ihren Geschmack - tröpfelten die restlichen Ordensmitglieder in den Salon. Sie saß wie auf Kohlen, bereit, jederzeit aufzuspringen und loszurennen. Als endlich alle da waren und die Türen des Salons geschlossen wurden, schluckte sie.

Sie wurden magisch verriegelt. Moody wollte sie nicht entkommen lassen.

Sie fragte sich bang, wer noch alles Bescheid wusste.
 

Moody räusperte sich und hob zu sprechen an.

"Liebe Ordensmitglieder, seid Willkommen zu einem erneuten Treffen des Ordens in kurzer Zeit. Leider sind die Gründe für dieses Treffen bei weitem unerfreulicher als beim letzten. Diesmal haben wir keine neuen Mitglieder bekommen, sondern eines verloren."
 

Stille legte sich über den Salon.

"Wer?", fragte Molly leise.

Ginnys Herz tat einen Hüpfer. Ihre Mutter wusste es noch nicht.
 

Moody schüttelte den Kopf. "Es ist nicht, wie du denkst, Molly. Niemand ist gestorben. Schlimmer. Wir haben einen Verräter unter uns."

Kollektives Keuchen erfüllte den Raum.

"Wer?", fragte nun Arthur drängend, doch Moody ignorierte ihn.

"Verräter sollte man zur Rechenschaft ziehen."
 

Sein Blick wanderte zu Ginny. Sie schluckte und umklammerte ihren Zauberstab fester. Sie hörte seine Gedanken. Sie wusste, der Fluch war nur noch einen Augenblick entfernt.

"Nicht wahr, Ginevra?"
 

Sie holte wieder tief Luft. Bloß nicht zittern, dachte sie.

"Ganz Ihrer Meinung", gab sie zurück. Ihre Stimme klang um einiges sicherer, als sie sich fühlte.

Moody erhob sich. "Dann sind wir uns ja einig."
 

Blitzschnell zog er seinen Zauberstab und bellte: "Expelliarmus!"

Ginny schnellte gleichzeitig von ihrem Stuhl hoch und sprang zur Seite. Der Fluch verfehlte sie um Haaresbreite.
 

Sie lief hinter den anderen Ordensmitgliedern, die alle aufgesprungen waren, hin und her, damit Moodys Flüche sie nicht trafen.

Es dauerte nicht lange, dann hatte sie es geschafft, unsichtbar zu werden.
 

Jetzt herrschte erst recht Chaos. Sie nahm es gar nicht wahr, alle ihre Sinne waren auf Moody gerichtet, der sie tatsächlich sehen konnte - seine Augen verfolgten sie, auch wenn er gerade keinen Fluch abschicken konnte, weil jemand im Weg war.
 

"Das ist das, was ich euch allen immer wieder gesagt habe!", rief er. "Immer wachsam! Werdet nicht blind, bloß weil ihr glaubt, die Leute um euch herum zu kennen!"

Er jagte einen Fluch nach dem anderen los, wo immer er freie Schussbahn hatte, und er war verdammt schnell.
 

Noch immer schickte Tom Ginny Ruhe. Sie half ihr, ihr klares Denken zu bewahren und ihre Angst zu verdrängen. Sie stellte sich vor, sie wäre wieder in der Kammer des Schreckens, und trainierte mit Severus. Ihr Ziel war es, aus diesem Raum zu entkommen. Alles andere blendete sie aus.
 

Sie tat, was sie immer während des Trainings getan hatte. Sie sprang wild umher, um so wenig wie möglich Zielfläche zu bieten, nutzte sämtliche anderen Leute oder Möbel als Deckung und erschuf nur dann einen Schild, wenn es wirklich nötig war. Sie wusste nicht, wie stark Moody war - sie durfte nicht mehr Magie verbrauchen als notwendig.
 

Sobald wie möglich jagte sie einen Explosionszauber auf die Tür. Sie ahnte bereits, dass es mit einem Alohomora nicht funktionieren würde. Die Tür barst mit einem lauten Krachen und die Druckwelle setzte mehrere Ordensmitglieder außer Gefecht. In dem staubigen Nebel, der aufwirbelte, jagte Ginny so schnell wie möglich hinaus in die Eingangshalle, wurde jedoch mit einem magischen Schild aufgehalten.
 

Moody kam aus dem Salon gerannt, gefolgt von Hermine, McGonagall, Ron, Tonks und Remus.

Er bellte: "Minerva, Ron, ihr bleibt bei mir! Tonks, bring Mrs Black zum Schweigen! Hermine, Remus, ihr postiert euch an der Grenze vom Apparierschutz! Der Rest verschwindet!"
 

Hermine und Remus rannten einfach durch den magischen Schild hindurch, als existierte er gar nicht. Ginny knirschte mit den Zähnen, während sie weiter im Zickzack rannte.

McGonagall und ihr Bruder schossen ihre Flüche ungefähr in die Richtung, in die auch Moodys flogen, also musste sie jetzt fast dreimal so vielen Flüchen ausweichen.
 

Sie feuerte nur wenig zurück. Mit jedem Zauber verriet sie den beiden anderen ihren Standpunkt. Stattdessen bündelte sie ihre Magie, um den Schild zu durchbrechen.
 

Es dauerte eine Weile, bis sie genug beisammen hatte, doch es funktionierte beim ersten Versuch. Zum Glück, sie kam langsam außer Puste. Ständig im Zickzack zu rennen und zu springen war anstrengend...
 

Sie sprengte die Eingangstür wie die Tür zum Salon. Es brauchte dafür mehr Magie, anscheinend war sie besser gesichert. Langsam wurde Ginny müde, doch sie erlaubte sich nicht, stehen zu blieben, sondern hetzte auf die Straße hinaus.

Sie musste nur noch ein paar Meter schaffen...
 

Hinter ihr hörte sie Moody irgendetwas brüllen, doch sie achtete nicht darauf. Sie konzentrierte sich auf das Apparieren.
 

Einen Moment schien die Welt um sie herum still zu stehen.

Dann presste sich ihr Körper zusammen und verließ den Grimmauldplatz - doch etwas, oder jemand, schien sie getroffen zu haben - sie ging nicht alleine.

Hermine

Kapitel 25: Hermine
 

Hermine rannte auf die Straße hinaus, bis zur Grenze des Apparierschutzes, wirbelte herum und wartete. Mad-Eye war gut - wie sollte sie Ginny bitteschön aufhalten, wenn sie sie nicht einmal sehen konnte?
 

Ginnys Unsichtbarkeitszauber hatten alle ihre Pläne über Bord geworfen. Hätte sie den Zauber nicht beherrscht, wäre es ganz einfach gewesen.

So jedoch hatte Ginny es geschafft, alle Widersacher bis auf Mad-Eye auszuschalten. Wirklich clever. Ob sie den Zauber eigens zu diesem Zweck gelernt hatte?
 

In diesem Moment explodierte die Eingangstür. Hermine warf sich zu Boden, um den Splittern und der Druckwelle auszuweichen, sprang jedoch so bald wie möglich wieder auf. Jetzt lag es an ihr, Ginny aufzuhalten.

Sie rannte in die Richtung, in die die meisten von Mad-Eyes Flüchen flogen - und prallte mit einem Mal gegen etwas - oder Ginny?
 

Im selben Moment spürte sie, wie das Etwas disapparierte - und sie mitnahm.
 

Entsetzt schnappte sie nach Luft. Sie musste in Ginny gelaufen sein - und diese würde sie schnurstracks zu Voldemort bringen!

Panik machte sich in ihr breit. Bisher hatte sie die Situation - mehr oder weniger - unter Kontrolle gehabt, doch das war nicht geplant...
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Sofort, als die Dunkelheit sie wieder frei gab, stolperte Hermine ein paar Schritte von Ginny weg und sah sich hektisch um. Doch noch bevor sie überhaupt wusste, wo sie war, wurde ihr der Zauberstab aus der Hand gerissen und eine gehässige Stimme sagte: "Wieso hast du DIE mitgebracht?"
 

Hermine blinzelte. Sie stand in einer kleinen Höhle, die von einem einzelnen Zauberstab erleuchtet wurde. Der Zauberstab gehörte Draco Malfoy. In der anderen Hand hielt er ihrem Zauberstab.
 

Ginny stand nicht weit von ihr keuchend an die Felswand gelehnt, mit geschlossenen Augen und fleckigem Gesicht. Sie rang nach Luft, richtete sie mit offensichtlicher Mühe wieder etwas auf und erwiderte: "Ich bin aufgeflogen. Sie muss in mich reingelaufen sein, als ich disappariert bin."
 

Draco grinste. Hermine schauderte es. Wenn er grinste, bedeutete das meist nichts Gutes.

"Sowas schaffst auch bloß du, Gin. Was sollen wir jetzt mit ihr anstellen?"

Ginny winkte ab und antwortete nicht.
 

Hermine schluckte und machte einen kleinen Schritt auf sie zu. "Ginny... warum?"

Ginny schüttelte geschafft den Kopf. "Lange Geschichte..."

Sie brach ab und rutschte an der Mauer hinunter, bis sie auf dem Höhlenboden saß.
 

Hermine machte unschlüssig einen weiteren Schritt auf sie zu - und hatte die Spitze von Dracos Zauberstab im Rücken.

"Wir sollten sie zum Dunklen Lord bringen, Gin. Er weiß, was wir mit ihr anstellen sollen."
 

Ginny hob langsam den Blick. Ihre Augen schimmerten verdächtig.

"Mach du, Draco - ich - ich kann das nicht. Hermine... ich wollte nicht, dass du es so erfährst."

Wieder blickte sie zu Boden und fuhr leise fort: "Eigentlich wollte ich überhaupt nicht, dass du es erfährst."
 

Dann schien sie ihre letzte Kraft zusammen zu kratzen, straffte die Schultern, blickte zu Draco auf und befahl mit kalter Stimme: "Draco, bring sie zu Voldemort. Er darf sie nicht anrühren, nicht verhexen und sie auch nicht beleidigen oder ihr Angst machen, ansonsten hat er ein Problem mit mir."
 

Hermine wurde es eiskalt. Wie viel Macht hatte Ginny, wenn sie Voldemort Befehle geben konnte? Hinter sich hörte sie ein Rascheln. Vorsichtig drehte sie den Kopf - und sah Draco anzüglich grinsen.

"Was für ein Problem ist das? Kussentzug?"
 

Hermine klappte die Kinnlade herunter. Ihr Hirn weigerte sich, diese neue Information zu verarbeiten - doch da keuchte Ginny auf.

"DRACO! Woher zur Hölle-?" Sie sprach nicht zu Ende, blickte nur stumm zu Hermine auf.

Hermine sackte das Herz in die Hose. Es war wahr. Ginny war knallrot.
 

Sie musste wohl ziemlich belämmert aus der Wäsche geschaut haben, denn Ginny meinte mit einem traurigen Lächeln: "DAS hättest du, wenn es nach mir gegangen wäre, auch niemals erfahren."

Sie wandte sich Draco zu. "Bring sie runter zu Voldemort. Ich bleibe hier und übernehme deine Wache. Schick mir irgendjemand als Ablösung, sobald du sie abgeliefert hast. Ich brauche einen Moment Ruhe."
 

Draco nickte und packte Hermine am Arm. "Kommt mit, Schlammblut."

"DRACO! Ich hab dich schon mal gewarnt! Du sollst dieses Wort nicht mehr benutzen! Heute übernimmst du zusätzlich die Nachtwache - und wehe, du schläfst dabei ein!"
 

Draco brummte etwas unverständliches und schubste Hermine in einen Gang, den sie bis dahin nicht bemerkt hatte.

Das letzte, was sie von Ginny hörte, war ein leises Schluchzen, bevor Draco sie tiefer hinunter in den Berg führte und Panik ihr Denken verdrängte.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny holte ein letztes Mal tief Luft und trat dann durch das Loch im Boden. Sie fiel hinunter in die Große Halle, kam stehend dort an und durchquerte sie mit eiskaltem, versteinertem Gesicht.
 

Die Stille und das Alleine sein in der Höhle oben hatten ihr geholfen. Dort hatte sie weinen können, schwach sein können.

Spätestens jetzt wusste der ganze Orden Bescheid - ihre ganze Familie. Sie hatte sie verloren, in dem Moment, in dem Rons Gedächtniszauber gebrochen war. Oder hatte sie sie in dem Moment verloren, als sie das Abkommen mit Voldemort geschlossen hatte, und es nur verdrängt? Sie wusste es nicht.
 

Ihre erste Trauer hatte sie oben heraus lassen können. Im Moment hatte sie alle ihre Gefühle in die hinterste Ecke ihres Denkens verbannt. Die Trauer würde wieder kommen, das wusste sie, doch jetzt musste sie sich erst einmal um Hermine kümmern.
 

Und um Draco, wenn sie es recht bedachte... Sie musste ihm das Maul stopfen. Es musste ja nicht jeder wissen, dass... nun ja.
 

Sie betrat Toms vorderes Büro, schmolz die Wand und kam ins Arbeitszimmer. Tom und Hermine saßen in den beiden Sesseln in der Leseecke, Tom lässig mit überschlagenen Beinen, Hermine ängstlich zusammen gekauert, die Beine an die Brust gezogen, doch ihr Blick war so wie immer: Ein wenig nachdenklich und begierig darauf, etwas neues zu erfahren.

Sie blickte Ginny an, und diese konnte die ungestellte Frage in ihren Augen lesen: Warum?
 

Ginny seufzte, beschwor einen dritten Sessel herauf und kuschelte sich hinein. Dann erst blickte sie zu Tom. Der zog eine Augenbraue hoch.

"Na endlich. Es ist verdammt frustrierend, wenn ich meine Gefangenen nicht verhören darf."
 

Ginny schnaubte. Manchmal konnte sie ihn echt erwürgen...

"Ich freue mich auch, dich zu sehen, danke der Nachfrage. Und nur zu deiner Information: WENN Hermine eine Gefangene sein sollte, dann ist sie meine und nicht deine, klar?"
 

Tom Schnauben machte ihrem alle Ehre. "Was sollte sie anderes sein als eine Gefangene? Wir können sie nicht gehen lassen, sie kennt jetzt unser Hauptquartier."
 

Ginny seufzte und blickte Hermine traurig an, während sie antwortete: "Du könntest sie wenigstens als Gast bezeichnen, so wie ich es zu Beginn war."

"Damit sie so endet wie du? Bei Merlins Bart, nein!"
 

Ginny funkelte ihn an und schlug ihm spielerisch auf den Arm. "Bin ich so schrecklich?"

Tom grinste gönnerhaft. "Nicht schlimmer als ich."
 

Ginny musste ebenfalls grinsen. "Nein, an deinen Wahnsinn komme ich wohl nie ran."

"Zumindest im Sinne von Größenwahn. Was Wahnsinn im Sinne von geistesgestört angeht... ich weiß nicht..."

Wieder schlug Ginny ihm auf den Arm. "Pah!"
 

Es tat gut, sich mit Tom zu kabbeln. Das Glück, wieder bei ihm zu sein, lenkte ab... Doch nicht für lange. Die beiden funkelten sich für einen Moment schweigend an, dann ertönte Hermines leise, unsichere Stimme: "Ginny?"
 

Ginny sah auf. "Ja?"

Doch Hermine schwieg. Ihr Blick wanderte von Ginny zu Tom.

Ginny schnaubte. "Vergiss einfach, dass er hier ist. Er wird dich nicht verhexen, bloß weil du etwas falsches sagst."

"Das - das ist es, was mich wundert. Er - er ist so anders, als er früher war. Ich meine... ich habe ihn zwar nur einmal gesehen, aber auch das, was Harry immer erzählt hat..."
 

Ginny zuckte mit den Achseln. "Er ist hauptsächlich zu mir und Severus so nett. Den anderen gegenüber spielt er weiter den Bösen vor, damit sie kuschen."

"Hey!" Tom funkelte Ginny empört an.
 

Sie legte nur den Kopf schief. "Was denn? Ist doch so. Du bist nur sauer, weil ich dich durchschaut habe - und das auch noch jemandem sage."
 

Kopfschüttelnd stand er auf. "Du bist schlimmer als Bella und Wurmschwanz zusammen."

Er ging zur Tür. "Wo ich gerade dabei bin - ich muss denen mal wieder sagen, wer hier das Sagen hat - Bella hat ein paar Quartiere verwüstet. Bis später!"

Damit verließ er das Büro.
 

Ginny seufzte, schloss die Augen und lehnte sich zurück. Als sie sie wieder öffnete, schien Hermine aus ihrer Starre aufgewacht zu sein. Sie beugte sich vor und blickte sich mit scharfem Blick um.

"Werden wir abgehört?"
 

Ginny schüttelte den Kopf. "Wieso sollten wir? Das ist Toms privates Arbeitszimmer."
 

Mit einem Mal war Hermines Blick zornig. "Wie konntest du nur? Wie konntest du uns so verraten und dich in dieses - in dieses Monster verlieben?!"
 

Ginny zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. Es stimmte alles, Hermine hatte recht - doch es tat weh, es so zu hören. Sie holte tief und zittrig Luft und meinte leise: "Bitte, lass es mich erzählen. Es ist - ein bisschen kompliziert."

Hermine musterte sie einen Moment lang kritisch, dann nickte sie stumm.
 

Und so erzählte Ginny. Sie ließ nichts aus, von dem Moment an, in dem sie ins sechste Schuljahr gekommen war. Immer wieder musste sie unterbrechen.

Es tat weh. Schämte sie sich etwa für ihre Taten? Irgendwie...

Doch Hermine unterbrach sie nicht.
 

Ginny wusste nicht, wie lange sie da saßen und sie redete. Es mussten Stunden gewesen sein.

Besonders, wie ihre Gefühle sich Tom gegenüber verändert hatten, erzählte sie nicht gerne. Doch Hermine hatte ein Recht darauf, es zu erfahren.
 

Ginny kam sich zwischenzeitlich immer wieder so vor, als müsste sie Hermine - wie Muggel es in bei ihrem Pfarrer in der Kirche taten - ihre Sünden beichten.

Doch sie wusste genau, von Hermine würde keine Absolution kommen. Sie konnte von Glück reden, wenn Hermine auch nur noch einmal mit ihr sprach, dachte sie während dem Erzählen.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit verstummte sie. Dröhnende Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Hermine hatte sich die ganze Zeit nicht vom Fleck bewegt, und auch jetzt rührte sie sich nicht.

Ginny wurde unruhig und beobachtete ihre ehemalige Freundin nervös. Sie wartete auf eine - wie auch immer geartete - Reaktion. Dieses Schweigen wurde für sie immer schwerer zu ertragen.
 

Hermine schien zur Salzsäule erstarrt zu sein, die Arme immer noch um die Knie geschlungen, den scharfen Blick starr auf Ginnys Gesicht gerichtet. Ginny konnte beinahe sehen, wie es in Hermines Kopf arbeitete.

Sie schluckte und wischte sich eine einsame Träne aus dem Augenwinkel. Sie wusste nicht einmal mehr, wann sie während dem Erzählen das Weinen angefangen hatte... aber es war egal.

Jetzt war alles egal.
 

Hermine schien sich langsam wieder zu sammeln. Ihr Blick huschte kurz davon, um Ginnys Augen gleich wieder einzufangen.
 

"Du wurdest von Voldemort entführt und hast mit ihm ein Abkommen getroffen, Harry auszuliefern, um dein eigenes Leben zu retten. Während du bei ihm gewohnt hast, hast du dich in ihn verliebt. Er hat Harry mit deiner Hilfe aufgespürt und umgebracht. Danach hast du weiter bei ihm gewohnt, aber du hast es nicht ertragen können, wie er seine Gefolgsleute foltert. Wir haben dir die Gelegenheit gegeben, zu uns zurück zu kommen. Seitdem führst du ein Doppelleben, bildest Todesser aus und versuchst, Voldemort zu bekehren, bis du heute aufgeflogen bist. Richtig?"

Ginny nickte langsam.
 

Hermine lehnte sich langsam zurück, hielt jedoch ihre angezogenen Knie fest umklammert.

"Harrys Tod werde ich dir wohl nie verzeihen können, auch wenn ich deine Gefühle ihm gegenüber nachvollziehen kann. Warum du dich in ihn verliebt hast, werde ich wohl nie verstehen... Aber irgendwie bin ich nicht so sauer auf dich, wie ich sein sollte. Liegt wahrscheinlich daran, dass du Voldemort wirklich ein wenig verändert hast, nach allem, was ich über ihn gehört habe. So wahnsinnig kam er mir vorhin nicht vor..."
 

Ginny zuckte nur mit den Schultern. "Was bringt mir das schon?", murmelte sie traurig. "Mum und Dad werden mich hassen." Sie senkte den Blick. "Genau wie alle anderen... Das wollte ich immer vermeiden."

Bittersüße Sommerferien

Hallo alle zusammen! Frohe Weihnachten wünsch ich euch!

Als kleine ÜBerraschung kommt das nächste Kapitel schon jetzt. Viel Spaß beim Lesen!
 

Kapitel 26: Bittersüße Sommerferien
 

Die nächsten Tage über fühlte sich Ginny seltsam unwirklich. Ihre Familie, ihr Verrat, der Orden des Phönix... all das schien in den Hintergrund zu treten angesichts ihrer täglichen Routine in der dunklen Festung.
 

Hermine hatte von Tom die Erlaubnis bekommen, sich in der Festung frei zu bewegen, da sie ja ohne Zauberstab sowieso nicht in der Lage sein würde, zu fliehen. Sie wagte sich jedoch nie ohne Ginny aus Toms Quartier, selbst nachdem Ginny beim nächsten Todessertreffen sämtlichen Todessern befohlen hatte, ihr nichts zu tun, sie nicht einmal schief anzusehen.

Ginny war das ganz recht - immerhin wusste sie dann immer, wo Hermine war.
 

Es tat zwar weh, sie gefangen zu halten, jeden Tag und bei jedem traurigen Blick Hermines mehr, doch es war immer noch um einiges besser als die Vorstellung, die Ginny manchmal vor dem einschlafen quälte: Hermine, die fliehen konnte und ihrer Familie und ihren Freunden ihre ganze Geschichte erzählte, einschließlich der Tatsache, dass sie... nun ja... mit Lord Voldemort zusammen war.
 

So ganz konnte sie es manchmal selbst nicht glauben, doch wenn sie Tom nur ansah, durchströmte sie eine Wärme, die so gut, so schön war, dass es einfach nicht falsch sein durfte.

Sicher, sie stritten sich immer noch oft genug, meist über Toms Umgang mit seinen Gegnern, den Einsatz der Unverzeihlichen oder die Freude am Leid anderer. Doch es war anders als früher. Er hörte ihr zu, hörte ihr wirklich zu, und versuchte, sie zu verstehen.

Bevor er selbst Nachforschungen über die Muggel angestellt hatte, hätte Ginny das für unmöglich gehalten.

Doch sie wurde eines besseren belehrt. Mit jedem Mal, wo Tom über seine Methoden ernsthaft nachdachte, hatte sie ihn ein Stückchen lieber.
 

Doch diese Liebe hatte einen Wermutstropfen.

Hermines Blick, der sie, wann immer sie im gleichen Raum waren, zu durchbohren schien und stumm fragte: "Wie konntest du es so weit kommen lassen?"

Zum Glück vergrub Hermine sich die meiste Zeit in Toms Büchern, die er ihr erlaubt hatte zu lesen, als sie einen ganzen Tag lang unschlüssig in seinem Arbeitszimmer herumgestanden war.
 

Ginny unterdessen hatte ihr Duelltraining wieder aufgenommen. Allerdings nicht mehr nur mit Severus und den anderen jungen Todessern, sondern auch mit Bellatrix und Lucius.
 

Sich mit Bellatrix zu duellieren, selbst nach Etikette, war immer gefährlich. Sie war rastlos geworden, rastlos und ziemlich reizbar, seit Tom keine Angriffe auf Muggel mehr anordnete. Ihre angestaute Energie explodierte beim Duellieren förmlich.
 

Ginny fühlte sich bei ihrem ersten Duell gegen sie lebhaft in die Zeit zurückversetzt, in der sie beide sich noch auf Leben und Tod duelliert hatten. Sie hielt sich nicht an die Regeln, griff Ginny beispielsweise hinterrücks an, während diese sich nach Vorschrift ein paar Schritte entfernte, hörte nicht auf, wenn Ginny das Duell abbrach, oder benutzte den Avada und andere tödliche Flüche.

Ginny hatte ihre liebe Not mit ihr. Mehr als einmal dankte sie den Göttern dafür, dass Bellatrix keine reine Magie beherrschte.
 

Mit Lucius war das anders. Er war ruhig und bedacht, hatte meist eine komplexe Kampftaktik, mit der er Ginny regelmäßig schlug - Severus hatte nicht zu viel versprochen, Lucius konnte mit seiner reinen Magie mindestens genauso viel anstellen wie er selbst - und doch verschwendete er keinen Funken Magie mehr als notwendig und rührte keinen Finger, wenn er es nicht musste.
 

Ginny fand es fast ein wenig unheimlich, wie genau er wusste, wie viel Magie er benötigte, um sie außer Gefecht zu setzen. Es war immer gerade genug, damit sie hilflos war, aber niemals soviel, dass ihr ernsthafter Schaden zugefügt wurde.
 

Draco hatte ihr zwar von dem Kampfstil seines Vaters erzählt, doch sie hatte es nicht glauben wollen. Sie hatte sich immer vorstellt, dass Lucius ebenso sehr wie Draco auf weit ausladende Gesten und ein perfektes Auftreten auch im Kampf Wert legte.

Dementsprechend sah ihr erster Kampf gegen ihn auch aus - sie hatte es nur Draco zu verdanken, dass er sie nicht in Grund und Boden gehext hatte...
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny schluckte, als ein eiskaltes Lächeln auf Lucius' Zügen erschien, während er leicht den Kopf neigte. Sie tat es ihm nach und beide drehten sich zeitgleich herum und machten zehn genau abgemessene Schritte.
 

Noch bevor Ginny danach vollständig herum gewirbelt war, traf sie sein erster Fluch in die Rippen. Sie schrie auf und schickte ein wenig ihrer Magie in diesen Teil ihres Körpers. Sie hatte am Tag zuvor herausgefunden, wie sie ihrer Magie befehlen konnte, sich zu heilen.
 

Während die Magie ihre Arbeit tat, schoss Ginny selbst ein paar Flüche ab. Lucius stand ganz still da und beobachtete ungerührt, wie die Strahlen auf ihn zuflogen. Ginny, die gerade neue Zauber abfeuern wollte, hielt verblüfft inne. Noch immer lächelte er. Der Zauberstabarm hing locker an seiner Seite herab, den Zauberstab hatte er ebenso locker in der Hand, er zeigte zwar ungefähr in ihre Richtung, doch er zielte nicht.
 

Die Strahlen hatten ihn schon fast erreicht, da wirbelte er in einem Sekundenbruchteil um neunzig Grad nach hinten, so dass ein Fluch an seinem Rücken vorbei flog und ein anderer beinahe seine Brust streifte - doch keiner erwischte ihn. Kaum waren die Strahlen vorbei, schnellte er ebenso schnell wie vorher wieder in seine ursprüngliche Position, zielte, immer noch mit hängendem Arm und diesem Lächeln, das Ginny so verunsicherte, auf sie und begann zu feuern.
 

Für einen Moment fühlte sich Ginny an Moody erinnert, als sie behände aus dem Weg sprang. Ja, das konnte sie mittlerweile, so oft, wie sie es getan hatte. Sie brauchte nicht einmal mehr zu denken, es geschah instinktiv.

Nach einer Minute oder so war ihr für den Bruchteil einer Sekunde ein wenig schwindlig, doch als kein Strahl sie getroffen hatte und das Gefühl so schnell wieder verschwunden war, wie es gekommen war, schenkte sie ihm nicht viel Beachtung.
 

Stattdessen versuchte sie immer, wenn Lucius' Fluchhagel ein wenig abschwächte, in den Millisekunden, die er ihr damit schenkte, jeweils einen so starken Fluch wie möglich abzufeuern.
 

Zuerst war alles wie immer, wie wenn sie gegen Severus kämpfte. Doch als sie immer müder und müder wurde, und das bereits nach weniger als zehn Minuten, wo sie doch sonst dreimal so lange durchhielt, bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte.
 

Sie beschloss, noch einen Zauber abzufeuern, so stark wie es ihr nur möglich war, ohne allzu viel Magie zu verbrauchen, bevor sie sich geschlagen gab. Doch noch während die Magie ihren Körper verließ, bemerkte sie, dass es ein Fehler war.

Ihre ganze Kraft schien sie zu verlassen, ihr wurde schwindlig, ihre Beine trugen sie nicht mehr... Sie taumelte und versuchte irgendwie, zur nächsten Wand zu gelangen. Als Siegbedingung für dieses Duell war die Ohnmacht angesetzt worden... Noch war sie nicht ohnmächtig.
 

Mit zusammengebissenen Zähnen murmelte sie einen Schienungszauber für ihre Beine - doch fast sofort brach sie zusammen.

Lucius beobachtete sie, immer noch kalt lächelnd, und machte keine Anstalten, sie weiter anzugreifen. Ginny keuchte auf und versuchte, sich wieder aufzurichten, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr. Außerdem verschwamm alles vor ihren Augen, mehr und mehr...
 

Lucius' schnarrende Stimme drang leise zu ihr durch: "An deiner Stelle würde ich mich geschlagen geben. Jeder Zauber, den du ausführst, wird dich nur weiter schwächen."

Ginnys angeschlagenes Gehirn versuchte, die Informationen zu verarbeiten. Nach einer gefühlten Ewigkeit begriff sie erst, was er ihr damit gesagt hatte.
 

"Was - was war das für ein Zauber?", brachte sie mühsam heraus und lehnte sich wieder an die Wand, um nicht vollends das Bewusstsein zu verlieren.

"Eigenkreation", kam die fast gelangweilte Antwort. "Gibst du auf?"

"Nein!", fauchte Ginny zurück.
 

In diesem Moment ertönte Toms Stimme in ihrem Kopf.

'Wenn Draco Malfoy bei dir auftaucht, halte ihn um jeden Preis fest!'

Noch bevor Ginny ihm irgendwie antworten konnte, brach die Verbindung wieder ab.
 

Sie seufzte. In ihrem Zustand konnte sie niemanden festhalten. Sie schluckte ihren Stolz hinunter und rief leise: "Lucius? Ich habe einen Auftrag vom dunklen Lord bekommen. Wir vertagen das Duell. Heb den Zauber auf!"

Lucius schnaubte. "Immer muss er stören, wenn es gerade lustig wird."

Im nächsten Moment floss Ginnys Kraft und Magie mit voller Wucht in ihren Körper zurück.
 

Ginny schnappte nach Luft, wartete, bis der Ansturm sich gelegt hatte, und erhob sich. Kaum stand sie wieder sicher auf beiden Beinen, da öffnete sich die Tür und Draco stürzte herein. Er war leichenblass.

"Ginny!", rief er aus und blieb kurz vor ihr stehen. "Du musst mir helfen! ER sucht mich!"
 

Ginny seufzte innerlich, öffnete ihren Geist und fragte Tom: 'Warum?'

Die Antwort kam sofort.

'Erstaunlich viele Todesser wissen inzwischen von unserer Beziehung. Und fast alle haben es über Umwege von ihm erfahren.'

Ginny verengte ihre Augen, während Wut in ihr aufloderte.
 

Mit einem zuckersüßen Lächeln erwiderte sie Draco: "Und warum sollte ich das tun?" Gleichzeitig belegte sie ihn mit einem Beinklammerfluch und entwaffnete ihn. Seine Augen weiteten sich entsetzt, er taumelte und packte ihre Schultern, um nicht umzufallen.

"Was machst du denn da?", schrie er panisch.
 

Ginny erwiderte seinen Blick ungerührt. "Du weißt, dass ich genauso viel Grund wie er habe, sauer auf dich zu sein?"

Draco schien noch eine Nuance blasser zu werden, als die Erkenntnis in seinen Kopf sickerte. Ginny blickte herunter auf seine Hände, die noch immer auf ihren Schultern lagen.

"Er ist unterwegs, und an deiner Stelle würde ich meine Hände da weg nehmen, bevor er uns so sieht und auch noch meint, du würdest dich an mich ranmachen. Er missversteht solche Sachen gerne."
 

Draco ließ sie los, als hätte er sich verbrannt, schwankte - und fiel einfach um. Einen Moment später flog die Tür zum Duellierraum mit einem Knall auf und ein wutschnaubender Lord Voldemort trat ein. Als er Draco zu Ginnys Füßen sah, erschien ein eiskaltes Lächeln auf seinem Gesicht. "Gut gemacht, Gin."
 

Er zückte seinen Zauberstab. Ginny fixierte ihm mit einem kalten Blick. "Wenn du ihn umbringst, werde ich nie wieder ein Wort mit dir reden."

Er tat es schulterzuckend ab. "Gut, ich hatte sowieso bloß vor, ihn zu foltern."
 

Ginny schnappte nach Luft, stellte sich zwischen Draco und Voldemorts Zauberstab und fauchte ihn an: "NEIN!"

Er zuckte irritiert zurück. "Was, nein?"

Ginny funkelte ihn an. "Musst du alles immer mit Gewalt angehen? Kannst du nichts friedlich lösen?"
 

Sie hob Dracos Beinklammer auf und trat einen Schritt zurück. "Draco, entschuldige dich bei ihm und mir."
 

Draco schien einen Moment mit sich zu ringen, dann neigte er mit glasigen Augen den Kopf. Mit glasigen Augen?

Rasch öffnete Ginny ihren Geist und hörte gerade noch den Nachhall eines 'Imperio'.

"Entschuldigung", meinte Draco mechanisch.

Ginny seufzte und richtete ihren Zauberstab auf Draco. "Finite Incantatem. Draco, du entschuldigst dich, Tom, wenn du ihn noch einmal mit dem Imperius belegst..."
 

Lucius beobachtete amüsiert, wie sein Sohn sich entschuldigte und dann aus dem Raum floh, von Voldemort kurze Zeit später, nach einem lautlosen Gespräch mit Ginny, gefolgt. Es war wirklich erstaunlich, wie sehr die Liebe selbst Lord Voldemort veränderte...

Ginnys Stimme holte ihn wieder aus seinen Gedanken.

"Hör auf zu lächeln, Lucius. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir noch ein Duell?"
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Als Ginny an diesem Abend geschafft vom Duellieren zurück kam, war Hermine nicht wie sonst in irgendwelche Bücher vertieft, sondern saß auf einer Fensterbank vor einem künstlichen Fenster, hatte die Arme um die angezogenen Beine geschlungen und starrte ins Leere.
 

Ginny setzte sich neben sie und fragte leise: "Ist was?"

Hermine nickte nur mit dem Kopf zu Ginnys Schreibtisch, auf dem eine Zeitung lag. Ginny las mit großen Augen die Schlagzeile: "Thicknesse entschuldigt sich bei muggelgeborenen Zauberern - Großzügige Entschädigung für jeden, dem nachweislich durch das Ministerium geschadet wurde".
 

Einen Moment lang begriff sie nicht, was da stand - dann sprang sie jubelnd auf.

"Ich fass es nicht!", rief sie aus und strahlte Hermine an. "Er hat es wirklich getan!"

Hermine blickte sie aus müden, roten Augen an.

"Das glaubst du wirklich, nicht wahr?", meinte sie tonlos und wandte den Kopf wieder zur Seite.
 

Ginny hielt inne. "Warum glaubst du es nicht?"

Hermine schüttelte bloß den Kopf und erwiderte, ohne sie anzusehen: "Es passt nicht. Es ist sinnlos, egal welchen Plan Voldemorts man betrachtet. Er tut nichts sinnloses. Es muss irgendeinen Haken an der Sache geben, einen Hintergedanken."
 

Ginny seufzte. Kein Wunder, dass Hermine so dachte. Sie selbst hätte vor einem Jahr noch so gedacht.

"Das glaube ich nicht", meinte sie langsam. "Ich hab mit ihm gesprochen, weißt du? Über seine Einstellung zu Muggeln... Er hat sich geändert. Ich weiß es."

Hermine schnaubte und antwortete nicht.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Am nächsten Tag schickte Tom Hermine aus dem Arbeitszimmer und blickte Ginny ernst an. "Gin, ich denke, es ist an der Zeit, dass du wie die anderen Mitglieder des Inneren Kreises feste Aufgaben bekommst."

"Was für Aufgaben haben die anderen?", wollte Ginny wissen.
 

"Severus ist für sämtliche Informationen und alles Wissen hier verantwortlich. Sprich, er sorgt dafür, dass wir immer wissen, was unsere Gegner planen und er findet jeden, der auch nur an Verrat denkt, bevor wir einen Nachteil daraus bekommen.

Bella ist verantwortlich für die Außeneinsätze. Das ist das Einzige, was ich ihr anvertrauen kann.

Lucius kümmert sich um die Todesser an sich. Er sorgt dafür, dass alle regelmäßig Duellieren trainieren, dass sie ausgerüstet für die Kämpfe sind und er ist der Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt."
 

Ginny nickte langsam. "Und was soll ich machen?"

"Du kümmerst dich um die Festung an sich und um die Verpflegung. Wir müssen immer genug Lebensmittel auf Vorrat haben, um eine Belagerung zu überstehen - vielleicht jahrelang. Außerdem musst du regelmäßig die Zauber, die auf diesen Räumen liegen, überprüfen und mir Unregelmäßigkeiten melden, am Besten einmal jeden Tag. Und damit meine ich nicht nur die Schutzzauber  und die Anti-Apparier-Zauber, sondern auch die Wasserzauber in den Wänden und die Stützzauber für die Räume an sich. Die Festung ist magisch geschaffen worden, und ohne die Magie wird sie von dem Berg, unter dem sie liegt, begraben. Du hast also praktisch unser aller Leben in der Hand. Enttäusche mich nicht."
 

Ginny neigte den Kopf. "Niemals. Es ist immerhin auch mein Leben."

Sie lächelte und trat einen Schritt auf ihn zu. Tom erwiderte das Lächeln.

"Als ob es dir nur darum ginge..."
 

Er ergriff ihr Handgelenk, zog sie mit einem Ruck zu sich, packte mit der freien Hand ihren Kopf und küsste sie. Als sich ihre Lippen wieder voneinander lösten, murmelte er: "Du bist durchschaut."

Ginny lachte und schlang ihre Arme um seinen Hals.

"Hätte ich es dir nicht zeigen wollen, hättest du es nicht gesehen", gab sie zurück und zog ihn zu einem weiteren Kuss zu sich herunter.
 

Er schnaubte in ihren Kuss und gab in Gedanken zurück: 'Das glaubst auch nur du.' Ginny antwortete nicht, sondern vertiefte den Kuss.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Ginny bekam nicht viel von dem mit, was außerhalb der Festung vor sich ging.

In der Zaubererwelt herrschte Aufruhr.

Seit Voldemort sich durch Thicknesse bei den Muggelstämmigen entschuldigt hatte, ihnen neue Zauberstäbe gekauft hatte und die Gesetze überarbeitete, war die Gesellschaft geteilt.
 

Die einen waren überzeugt, dass Voldemort sich zum Guten verändert hatte und begrüßten die Entwicklung, vor allem, weil seine Todesser nicht mehr wahllos Leute attackierten.
 

Dann gab es die, die früher mit Voldemort sympathisiert hatten, die alten Reinblutfamilien. Sie wagten nicht, offen Widerstand zu leisten, doch sie waren alles andere als zufrieden.
 

Und dann gab es Leute wie Hermine - meist Ordensmitglieder - die dem Frieden nicht trauten und jeden Moment darauf warteten, dass Voldemort los schlug.
 

Ginny bekam nur einen Bruchteil davon durch Zeitungen und die Berichte der Todesser, die im Ministerium arbeiteten, mit. Doch das reichte ihr.

Wenn zumindest ein Teil der Bevölkerung - und diesmal nicht nur ein paar alte Reinblutfamilien, sondern auch viele Halbblüter und Muggelstämmige, auf Voldemorts Seite waren, dann sah es gut aus.
 

Auch die Gesetzesänderungen gefielen ihr. Die Unterteilung in weiße und schwarze Magie war aufgehoben worden, stattdessen spielte die Absicht hinter einem Zauber die entscheidende Rolle, ob derjenige, der den Zauber anwandte, bestraft wurde oder nicht.
 

Gegen Folter war noch keine Strafe ausgesetzt worden, doch Ginny war nicht sauer deswegen. Tom hatte gemeint, was er einsetzte, konnte er dem Volk nicht verbieten.

Sie hasste es zwar immer noch, wenn er jemanden folterte, doch zumindest das fand sie gut. Er wollte sich an seine eigenen Gesetze halten, das war ein großer Fortschritt.
 

^^°°***°°***^^***°°***°°^^
 

Als Ginny am Morgen ihres siebzehnten Geburtstags aufwachte, war etwas anders als sonst. Einen Moment wusste sie nicht, was es war, doch als sie sich umdrehte, war klar, was gefehlt hatte: Hermines Atemgeräusche, die normalerweise in dem zweiten Bett in Ginnys Zimmer schlief, das Ginny dorthin gehext hatte.

Das Bett war leer.
 

Ginny sprang auf, griff nach ihrem Zauberstab und sprach rasch die Diagnosezauber für die Banne über der Festung.

Und schrie auf.

Der Schutzschirm war gefallen. Der Apparierschild hielt zwar noch, doch auch er war geschwächt worden, da er an den Schutzschirm gekoppelt gewesen war.
 

In Sekundenschnelle hatte Ginny sich angezogen, Tom mental eine Nachricht zukommen lassen und stürmte aus ihrem Quartier.

Als sie in der großen Halle ankam, stand Tom dort vor einer Traube von Todessern und brüllte irgendetwas unverständliches.

Kaum hatte er Ginny registriert, rief er ihr mental zu: 'Geh in die Eingangshöhle und schau nach, was passiert ist! Nehm Severus mit.'
 

Ginny nickte und rief: "Severus?"

Er löste sich aus der Traube Todesser und lief rasch zu ihr.

"Komm mit", meinte sie und die beiden rannten so schnell sie konnten nach oben.
 

In der kleinen Höhle lag ein bewusstloser Draco. Ginny belebte ihn wieder und kniete sich neben ihn. "Draco, was ist passiert?"

Er blickte einen Moment lang orientierungslos ins Leere, dann schien er sich wieder zu erinnern und sackte in sich zusammen.
 

"Granger. Pansy ist gerade von ihrer Nachtwache nach unten gekommen und ich wollte nach oben, um die zweite Schicht zu übernehmen. Kaum war ich in dem langen Gang, war sie auf einmal hinter mir und hat mich... geschlagen. Ich war so erschrocken, dass... dass sie..."
 

Er verstummte und blickte Ginny mit einem schuldbewussten Blick an, bevor er wieder zu Boden sah.

"Dass sie dir deinen Zauberstab abnehmen konnte", beendete Ginny seinen Satz.

Draco nickte.

"Als ich hier angekommen bin, waren die Banne schon gefallen. Sie hat mich betäubt..."

Er brach ab.
 

Ginny war eiskalt.

Beklommen sah sie zu Severus auf. "Kannst du irgendwie rausfinden, wie lange das her ist?"

Severus nickte kurz und schwang seinen Zauberstab ein paar Mal. Einen Augenblick lang geschah nichts, dann erschienen goldene Ziffern mitten in der Luft.
 

'4 Stunden, 32 Minuten'
 

Severus seufzte schwer. "Der Orden kann jeden Moment hier sein. Granger hatte genug Zeit, um sie alle zusammen zu trommeln."

Kein Zurück

Kapitel 27: Kein Zurück
 

Unten in der Festung war die Hölle los. Tom hatte auf Ginnys Gedanken hin Alarm geschlagen. Überall wuselten Todesser durch die Gegend, manche noch in Alltagskleidung, manche bereits in Kampfmontur - einem schillernden, fluchabweisenden Umhang und der obligatorischen Maske.
 

Ginny dachte nicht nach, sie handelte nur, als sie Severus hinterher rannte, in Toms Büro. Sie war kreidebleich. Es war geschehen. Das, wovon sie sich so lange gefürchtet hatte. Hermine hatte allen erzählt, was passiert war. Sie wussten über sie Bescheid - sie würden sie mit Sicherheit hassen...
 

Ginny schluckte den Kloß in ihrem Hals entschlossen hinunter und drängte die Verzweiflung an den äußersten Rand ihres Bewusstseins.

Jetzt war keine Zeit zum Heulen - es musste gehandelt werden. Und sie war ein Mitglied des inneres Kreises, zu ihr sahen die Todesser auf. Nun, zumindest ihre Freunde. Sie konnte jetzt nicht zusammenbrechen. Sie dufte nicht.
 

In Toms Büro angekommen, bekam jeder eine Aufgabe zugeteilt.

Tom selbst war kurz davor, über zu kochen. Seine roten Augen blitzten Unheil verkündend, die Nasenflügel blähten sich, an seiner Schläfe pulsierte eine Ader. Nicht gut. In diesem Zustand war er sehr... Crucio-zugeneigt.
 

"Lucius, Bella, rüstet sämtliche Todesser zum Kampf. Lucius, dein Sohn wird ebenfalls mitkämpfen. Sorg dafür, dass er einen neuen Zauberstab erhält und sich nicht irgendwo verkriecht. Er ist schließlich Schuld an diesem Desaster."
 

Seine Stimme war kalt wie klirrende Eiszapfen am Nordpol und scharf wie eine Klinge. Ginny zuckte zusammen. So wütend hatte sie ihn schon lange nicht mehr erlebt.

"Gin, Severus, ihr beide sprengt die Wand zwischen den beiden großen Sälen und verlegt die Öffnung der Decke genau in die Mitte des neuen Saals."
 

Severus, Bellatrix und Lucius verbeugten sich synchron und murmelten: "Ja, mein Lord."

Ginny nickte kurz, unfähig, ein Wort herauszubringen.

Als Bella und Lucius bereits den Raum verlassen hatten und Severus sich ebenfalls zum Gehen wandte, stand Ginny immer noch stocksteif vor Tom und starrte ins Leere.
 

Tom seufzte, trat auf sie zu und umarmte sie fest.

'Ginny. Egal, was passiert, ich bin immer bei dir. Ich werde dich nicht alleine lassen, vergiss das nicht.'

Es war, als hätten diese Worten einen Damm in Ginny gebrochen, eine unsichtbare Wand niedergerissen. Ihre Gefühle brachen einem Ansturm gleich über sie herein, wirbelten auch in Toms Gedanken und löschten jeden rationalen Gedanken aus.
 

Sie bemerkte nicht, wie Severus nach einem kurzen, besorgten Blick auf sie rasch den Raum verließ, um die Wand alleine nieder zu reißen.

Sie bemerkte nicht, dass sie ihre Arme um Toms Nacken geschlungen hatte und sich an ihm festklammerte wie eine Ertrinkende.

Sie bemerkte nicht, dass sie angefangen hatte zu schluchzen.
 

Alles was sie wahrnahm, waren sämtliche Gefühle, die sie seit ihrer ersten Abmachung mit Tom mit sich herum trug - nur halb verdaute Schuld, der Verlust von Harry, das schlechte Gewissen, ihre Gefühle für Tom - Lord Voldemort, die Angst, ihre Familie zu verlieren, schlimmer, als man sie durch den Tod verlieren konnte...
 

Doch sie war nicht alleine mit ihrer Verzweiflung. Tom war bei ihr, hielt sie fest, schickte ihr Ruhe, wich nicht von ihrer Seite, wie er es ihr gesagt hatte, bis sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte.

Vorsichtig hob sie den Blick.

"Ich hab deinen Umhang ganz nass gemacht", wisperte sie leise.

"Wenns weiter nichts ist", schnaubte Tom. Im nächsten Moment waren sowohl sein Umhang wie auch ihre Wangen wieder trocken.
 

Ihre Lippen fanden sich zu einem vorsichtigen, sanften Kuss, federleicht nur, doch es lag soviel Gefühl, soviel Verstehen, soviel Akzeptanz darin wie noch nie - diesmal lag nicht nur Ginnys Seele offen, sondern auch Toms.

Ginny wusste nun mit absoluter Sicherheit, dass hier jemand war, der immer hinter ihr stehen würde, egal, wie der Rest der Welt sie sah. Ganz einfach aus dem Grund, weil Tom selbst so einen Jemand brauchte - ihn immer gebraucht hatte und nie gehabt hatte.
 

Und Tom wiederum wusste mit absoluter Sicherheit, dass Ginny nun endgültig auf seiner Seite stand und ihn der Meute Phönixkrieger niemals überlassen würde, ohne alle Strippen gezogen zu haben, die sie noch in der Hand hielt. Dieses Gefühl der Sicherheit war neu für ihn - doch einmal gekostet, wollte er es nie wieder hergeben.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten die beiden sich widerwillig aus ihrem Kuss.

"Wir müssen los", murmelte Tom.

Ginny seufzte schwer. "Ich wünschte, ich wäre ganz weit weg und niemand würde sich an mich erinnern."

Sie verließen das Büro.

"Auch ich nicht?", wollte Tom mit einem Schmunzeln wissen.

"Für dich könnte ich eine Ausnahme machen", gab sie mit einem kleinen Lächeln zurück.
 

Sie betraten die inzwischen doppelte so große Halle. Sofort straffte Tom die Schultern und nahm Haltung an. "Gin, geh mit Severus, dich umziehen. Ich werde versuchen, die Schutzbanne vorübergehend zu erneuern - das wird sie aufhalten."

Ginny nickte und folgte Severus ohne ein weiteres Wort in das Labyrinth der Todesserunterkünfte.
 

Er betrat einen Raum, der im Grunde bloß ein begehbarer Kleiderschrank war - für Todesser-Kampfgewänder jeder Größe. Während die beiden sich passende Umhänge suchten, fragten Severus leise: "Wie geht es dir?"

"Ich lebe noch", entgegnete Ginny trocken.

Sie hatte ihre Verbindung zu Tom nicht unterbrochen - noch immer schickte er ihr die Ruhe, die sie so dringend brauchte - und vor allem war er da. Er war einfach nur da.
 

Als sie sich einen passenden Umhang angezogen hatte, hielt Severus ihr eine Todessermaske hin. Sie schluckte und zögerte.

"Das macht es einfacher, glaub mir. Mit der Maske bist du eine unter vielen."

Ginny holte tief Luft und setzte die Maske auf. Dann zog sie sich die Kapuze über den Kopf.

Severus tat es ihr gleich, nickte ihr zu und die beiden marschierten ruhig in die Halle zurück.
 

Dort hatten die Todesser sich bereits, alle gerüstet und maskiert, rundum an den Wänden verteilt. Die Eindringlinge würden durch den veränderten Zauber in der Mitte der Halle von der Decke fallen - und wären umzingelt.

An der Stirnseite, dort, wo einmal der Versammlungssaal gewesen war, befand sich noch immer das Podest. Dorthin führte Severus Ginny.
 

Voldemort stand dort oben, als einziger unmaskiert, in einem schwarzen, schillernden Umgang, über den immer wieder flammend rote und giftgrüne Symbole flossen. Severus stellte sich rechts einen Schritt hinter seinen Herren, und Ginny nahm automatisch den Platz zu seiner Linken, ebenfalls einen Schritt hinter ihm, ein.
 

'Eine unter vielen?', schickte sie Severus einen sarkastischen Gedanken. 'Hier oben mit Sicherheit nicht.'

Sie spürte sein Schmunzeln durch ihre Verbindung. 'Wenn der Kampf erst einmal im Gang ist, schon.'

'Ich hoffe, dass es nicht zum Kampf kommt', gab Ginny stirnrunzelnd zurück und brach ihre Verbindung ab.
 

Stattdessen ließ sie ihren Blick durch die Halle schweifen. Bellatrix stand bei den Todessern auf der linken Seite, Lucius auf der rechten. Ein klein wenig Erleichterung fand den Weg zu ihrem Herzen, als sie ihre Freunde bei Lucius stehen sah - sie traute Bellatrix nicht. Sie war einfach zu unberechenbar.
 

'Und was jetzt?', fragte sie Tom nach einer langen Minute des Schweigens.

'Jetzt warten wir.'
 

Ginny wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Alles, woran sie sich später noch erinnerte, war, dass sie noch nie zuvor bemerkt hatte, wie laut die Stille sein konnte. Sie legte sich wie ein Mantel um sie und schien zu dröhnen, in sie hinein zu fließen, aus ihr heraus zu dröhnen und machte sie taub für alles andere: Das gelegentliche Geraschel eines Umhangs, die Schritte oder das Räuspern eines Todessers, ja sogar taub und gefühllos für Toms Anwesenheit in ihrem Geist.
 

Nach einer Ewigkeit wurde sie jedoch aus ihrer Starre gerissen. Irgendwo über ihnen im Berg ertönte ein Laut, nicht Rumpeln, nicht Poltern, keine Explosion - irgendetwas anderes, unfassbareres.
 

Tom zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen - und mit einem Mal war er auch wieder in ihrem Geist präsent, stärker als je zuvor.

Ginny atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Ihr Herz pochte infolge des Schreckens schmerzhaft gegen ihre Rippen.
 

Voldemort richtete sich auf und verkündete: "Die Schutzschilde sind gefallen. Der Orden des Phönix kommt. Haltet sie in Schach, aber greift sie ohne meinen ausdrücklichen Befehl nicht an. Falls es zum Kampf kommen sollte, macht sie unschädlich, tötet nicht, wenn es nicht sein muss."

Sein Mundwinkel zuckte. Ginny sah ihn in ihrem Geist breit grinsen.

"Und noch eine Warnung: Tötet keinen Weasley, und auch Granger nicht, egal, was sie tun. Wenn ihr es doch tut, werde ich euch nicht vor Gin retten."
 

Ginny musste unter ihrer Maske ebenfalls unwillkürlich lächeln, doch als sie weitere Geräusche aus dem Berg über ihr hörte, wurde sie sofort wieder ernst.

Sie kamen. Und sie wussten es.

Es gab kein zurück mehr.
 

Ginny schluckte. Tom zog sie in eine mentale Umarmung. 'Du schaffst das.'

Sie atmete tief durch und nickte leicht, als wollte sie sich selbst davon überzeugen. Einen Moment später sog sie scharf die Luft zwischen die Zähne.
 

Der erste fiel durch die Decke - Moody.

Es folgten McGonagall, Hermine und Ron, Remus und Tonks, Sirius, Kingsley Shacklebold, Molly, Arthur, Bill und Fleur, Charlie, Fred und George und eine Hexe, von der Ginny sich zu erinnern glaubte, dass ihr Name Hestia Jones war.
 

Als sie bemerkten, dass sie umzingelt waren, drängten sie sich zu einem Kreis zusammen - Moody, McGonagall und Hermine direkt mit dem Blick zum Podium.

Moodys magisches Auge wanderte wild in seiner Höhle herum, bis es plötzlich an ihrem Gesicht hängen blieb. Sie schluckte und widerstand dem Drang, einen Schritt rückwärts zu machen.

Er sah sie.

Sie wusste es.

Die Entscheidung

Kapitel 28 - Die Entscheidung
 

Voldemort schnaubte und ließ den Blick über den Haufen Eindringlinge schweifen. Schließlich setzte sich ein kaltes Lächeln in einen seiner Mundwinkel. "Das ist also alles, was von eurem tollen Orden übrig geblieben ist? Seid ihr sicher, dass ihr gegen uns kämpfen wollt?"
 

Einen Moment lang herrschte noch diese unheimliche Stille, die Ginny nach all der Warterei so hasste, dann sah sie, wie sich Sirius' Gesicht zu einer wilden Grimasse verzog.

Sie betete stumm darum, dass er nichts dummes anstellen würde, aber...

"Natürlich wollen wir! Ihr Ungeziefer habt unsere Freunde auf dem Gewissen!"

...es war so klar gewesen. Ginny schloss einen Moment lang die Augen, in Erwartung des Schlimmsten.
 

Rumoren ging durch die Reihen der Todesser. Als sie wieder aufblickte, sah sie erste gezückte Zauberstäbe, doch Voldemort rief mit erhobenen Händen: "Stopp! Lasst sie!"

Er ließ die Hände sinken und wartete scheinbar ungerührt, bis es wieder still war, dann richtete er direkt das Wort an Professor McGonagall.
 

"Wenn es zu einem Kampf kommt, werdet ihr verlieren. Seht euch um - ihr seid umzingelt. Ihr habt keine Chance. Ich biete euch einen Ausweg an: Ihr verhandelt mit mir."

Erneut ging ein Raunen durch den Saal, doch diesmal nicht nur von den Reihen der Todesser ausgehend, sondern auch vom Orden. Voldemort wartete einen Moment, bevor er fortfuhr.
 

"Ich gebe euch zehn Minuten, um euch zu beraten. Wenn ihr bis dahin nicht eingewilligt habt, zu verhandeln, beginnen wir den Kampf."

Er nickte McGonagall kurz zu und verschränkte seine Arme vor der Brust.
 

Ginny konnte sehen, wie blass sie war. Sie schluckte, deutlich sichtbar bewegte sich ihr Adamsapfel an dem dünnen Hals. Schließlich nickte auch sie, drehte sich zu ihren Leuten um und sie steckten die Köpfe zu einer Traube zusammen.
 

Ginny biss sich auf die Lippe, als sie Sirius wild gestikulieren sah. Sie flehte, bettelte im Geist geradezu darum, dass sie auf Voldemorts Vorschlag eingehen würden. Allein der Gedanke an einen Kampf bereitete ihr Magenschmerzen.
 

Dort unten waren sie alle... ihre Familie, ihre beste Freundin - die, die sie liebte. Sie konnte nicht gegen sie kämpfen. Niemals.

Daran änderte auch die Maske nichts, die sie trug. Die Maske änderte schließlich nicht, was sie im tiefsten Inneren war: Eine Weasley.
 

Sie schluckte, als sie am Rande Voldemorts Gedanken mitbekam. Er schien sich bereits eine Strategie zu überlegen, wie er einen Kampf so schnell wie möglich beenden konnte. Schaudernd wandte Ginny sich von seinen Gedanken ab und beschloss, falls es tatsächlich zu einem Kampf kommen sollte, sich unsichtbar zu machen und sich nur gegen Moody zu verteidigen.
 

Jetzt, das sie das für sich geklärt hatte, wippte sie unruhig von einem Fuß auf den anderen - warum, bei Merlins Unterhosen, diskutierten sie so lange? Sie waren umzingelt - da sollte die Entscheidung leicht fallen.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte sich Professor McGonagall, immer noch kreideweiß, aber mit entschlossener Miene, zu Voldemort um und verkündete laut und klar: "Wir verhandeln."
 

Ginny fiel ein Stein vom Herzen. Mehr noch als ein Stein, es war ein ganzes Gebirge. Erleichtert ließ sie die Luft aus ihren Lungen, von der sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie angehalten hatte. Voldemort nickte kurz und brachte Bellatrix, die gerade ihren Unmut über diese Antwort kund tun wollte, mit einem Blick zum Schweigen.

"Vernünftige Entscheidung. Als Erstes sollten wir unsere Standpunkte klären. Welche Gründe habt ihr, gegen uns zu kämpfen, und was wollt ihr damit erreichen?"
 

McGonagall atmete tief ein und erwiderte ruhig und deutlich: "Wir wollen Rache für alle, die ihr bereits unschuldig getötet habt, unsere Verwandten und Freunde. Und wir wollen verhindern, dass euretwegen noch mehr Leute leiden und sterben müssen. Was ist mit euch? Warum tut ihr, was ihr tut?"
 

Einen Moment lang herrschte Stille, dann antwortete Voldemort genauso ruhig und klar: "Ich für meinen Teil habe mittlerweile kein Interesse mehr daran, Leute grundlos umzubringen, auch keine Schla-" Ginny trat ihm mental gegen das Schienbein. "-Muggelgeborenen. Meine Todesser sind in diesem Punkt nicht immer mit mir einer Meinung, doch ich sorge dafür, dass sie nichts anstellen, was ich nicht will."
 

Er brach ab und holte tief Luft. Ginny spürte seine Nervosität über ihre Verbindung. Noch nie hatte er diese Gedanken so klar formuliert, und schon gar nicht vor all seinen Gefolgsleuten und seinen erbittertsten Widersachern.

Sie schickte ihm eine mentale Umarmung. Sie hatte es gewusst, und dennoch war es wunderbar, ihn das sagen zu hören.
 

Der Knoten in ihrer Brust, der seit Hermines Flucht dort gesessen hatte und auch während seiner Umarmung und seinem Kuss nie ganz verschwunden war, löste sich ein Stück.

Sie ertappte sich dabei, wie sie unter ihrer Maske breit lächelte und setzte rasch wieder eine ausdruckslose Miene auf. Bei Moody wusste man nie. Er hatte bis jetzt zum Glück nichts gesagt, doch sie wusste schließlich nicht, wann er es sich anders überlegen würde.
 

"Was wollen Sie dann erreichen?", durchbrach Professor McGonagall die entstandene Stille.

Voldemort antwortete langsam, beinahe nachdenklich: "Die Legalisierung ungefährlicher und nützlicher schwarzmagischer Zauber, die Eingliederung von Muggelgeborenen in die Zauberergesellschaft von klein auf - und ein bisschen Macht, versteht sich."
 

Ginny konnte nicht anders. Sie musste wieder lächeln. Die Gesichter waren auch einfach zu herrlich... Voldemort hatte sie überrumpelt, definitiv. Sie hatten wohl, wie jeder andere, nicht geglaubt, er könnte tatsächlich noch zu vernünftigen, uneigennützigen Gedanken fähig sein.
 

Sie ließ ihren Blick amüsiert über ein fassungsloses Gesicht nach dem anderen wandern - bis sie bei Moody ankam. Er blickte direkt in ihr Gesicht, und als er ihren Blick auf sich bemerkte, verengten sich seine Augen.

Ginny schluckte. Das Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war, doch sie wandte den Blick nicht ab, zog lediglich die Barriere um ihren Geist ein wenig höher, als sie einen tastenden Gedanken Moodys spürte.

Doch er gab nicht so schnell auf. Er drang mit seiner geballten geistigen Kraft auf Ginny ein, und sie hatte alle Hände voll zu tun, ihn abzuwehren.
 

Ihre Verbindung zu Voldemort riss ab, als sie ihren Wall höher zog. Mit ihr verschwand auch seine Ruhe, die Ginny bisher von ihren wütenden Gefühlen ferngehalten hatte. Alle Trauer, aller Schmerz stürzte wieder auf sie ein, ihre Barriere bekam einen Riss - und noch einen - lange würde sie das nicht mehr aushalten...
 

Und dann hörte sie von irgendwo her McGonagalls Stimme. "Sie wollen also niemandem vorsetzlich schaden?"
 

Moody brach den Blickkontakt und zog sich zurück. Ginny atmete wieder auf. Es hätte nicht viel gefehlt, und ihre Barriere wäre gefallen. Und dann wäre nicht nur Moody in ihren Geist eingedrungen, nein, dann hätte sie auch jegliche Kontrolle über ihre Gefühle verloren und wäre wahrscheinlich heulend und schreiend zusammengebrochen. Jetzt jedoch gehörte ihr Geist wieder ihr.
 

Sofort suchte sie Voldemorts Gedanken wieder. Sobald sie sie gefunden hatte, umfloss sie wieder diese unendliche Ruhe... Einen Moment lang fragte sie sich, wo diese Ruhe mit einem Mal herkam - war Voldemort nicht sehr aufbrausend, schnell gereizt und cholerisch?
 

Ein lautloses Lachen drang zu ihr herüber. 'Manchmal. Wenn ich zu faul bin, über das nachzudenken, was ich tue.'

Ginny schnaubte ebenso lautlos, doch mit einem Grinsen. 'Manchmal ist leicht untertrieben, findest du nicht?'
 

Ein weiteres lautloses Lachen wehte durch ihren Geist, als Voldemort McGonagall antwortete: "Nein, das will ich nicht."

Erneut rumorten die Todesser an den Wänden, während der Orden ihn einmal mehr sprachlos anstarrte.
 

Moody war der Erste, der sich aus seiner Starre löste. "Warum sollten wir Ihnen glauben?", bellte er grimmig.

"Ich hätte euch alle mit einem Fingerschnipsen töten können", entgegnete Voldemort ungerührt. "Ich habe es nicht getan. Wieso sollte ich mir dann jetzt die Mühe machen, euch Lügen aufzutischen?"
 

Moody schien nicht im Geringsten beruhigt zu sein. Im Gegenteil, er schien immer gereizter zu werden. Ginny sah auf seine Schläfe eine Ader pochen. Er schnappte: "Woher soll ich wissen, was in Ihrem kranken Hirn vorgeht?!"
 

Ginnys Herz machte einen gewaltigen Hüpfer. Sie spürte Voldemorts Gedanken, sah all seine Handlungen einen Moment bevor sie geschahen - und machte einen Satz nach vorne, um seine Hand mit dem gezückten Zauberstab nach unten zu drücken.

'Lass ihn', meinte sie. 'Du weißt doch, wie er ist. Er weiß selbst, dass er keinen Kampf anzetteln sollte - er meint es nicht so.'
 

Voldemort rührte sich einen Moment lang überhaupt nicht, Ginny ebenfalls nicht, als wären sie eingefroren. Schließlich senkte Voldemort langsam seinen Zauberstab und Ginny trat erleichtert zurück. Doch sie hatte sich zu früh gefreut.
 

Moody schnaubte. "Ich brauche keine Hilfe von Verräterinnen wie dir, Ginevra", spuckte er ihr entgegen.

Ginny sog scharf die Luft zwischen die Zähne. Verachtung hatte in seiner Stimme gelegen, und reiner Hass.

Voldemort schickte ihr eine neue Welle der Ruhe - kälter als die vorherigen. Ginnys Gesicht wurde starr und ausdruckslos, so wie seines auch.
 

Einen Moment lang waren alle Augen auf sie gerichtet, niemand sprach, dann rief Molly: "Ginny?! Bitte, Sagt mir, dass das nicht Ginny ist!"

Ginny holte tief Luft.

Da war er. Der Moment, vor dem sie sich immer gefürchtet hatte.

Doch sie wünschte sich nicht mehr, wegzulaufen. Sie wollte sich nicht länger verstecken.
 

Etwas regte sich in ihrer Brust, was sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gespürt hatte. Sie würde tun, was sie tun musste, damit es endlich endete. Und diesmal würde sie es auch durchziehen.

Sie war eine Gryffindor. Sie lief nicht davon - oder zumindest nicht ewig.

Die Zeit war gekommen, sich ihren Ängsten zu stellen.
 

Immer noch mit kaltem, ausdruckslosem Gesicht nahm sie langsam die Maske ab und streifte die Kapuze zurück, so dass ihre leuchtend roten Haare wieder offen über ihren schwarzen Umhang fielen.
 

Ihr Blick fand den ihrer Mutter und wurde ein wenig weicher. "Doch, ich bin es, Mum."

Sie nickte ihr kurz zu und ignorierte den stechenden Schmerz, den Mollys enttäuschter Blick durch ihr Herz gestochen hatte.
 

Stattdessen ließ sie ihren Blick zu Moody wandern und meinte klar und kalt: "Sie bekommen meine Hilfe, ob Sie wollen oder nicht. Ich werde alles dafür tun, dass das hier nicht in einen Kampf ausartet, und dazu gehört auch, Voldemort davon abzuhalten, Sie zu verhexen. In Ihrem eigenen Interesse sollten Sie jedoch auf weitere Beleidigungen verzichten - wenn er wirklich wütend ist, kann ich nichts ausrichten. Es geht Ihnen nur deswegen noch gut, weil er bereit ist, eine friedliche Lösung -"
 

"Danke, Ginevra, ich denke, ich kann für mich selbst sprechen", schnarrte Voldemort und schob sie wieder ein Stück hinter sich.

Ginny zog zwar missbilligend eine Augenbraue nach oben, doch sie schwieg.
 

Wieder legte sich Stille über die Halle.

Als eine Stimme nach der anderen verstummte, hörte man ganz deutlich Ron, der Hermine gerade zuraunte: "Oh Mann, hör sie dir an. 'Ich will, dass das hier nicht in einen Kampf ausartet' - was für eine Heuchlerin! Sie hat uns schließlich verraten, da braucht sie sich nicht wundern, wenn das dabei rauskommt."
 

Ginny presste die Lippen aufeinander. Es tat weh.

Beinahe noch mehr als der Blick ihrer Mutter. Beinahe.
 

Sie trat wieder einen Schritt nach vorne, neben Voldemort. "Nur zu deiner Information, Ronald Weasley: Bloß weil ich jetzt nicht auf eurer Seite stehe, sondern auf Voldemorts, heißt das nicht, dass ich euch nicht mehr lieb habe. Im Gegenteil - erst seit ich hier bin, ist mir bewusst geworden, wie wichtig ihr mir seid. Ich würde es nicht ertragen, noch jemanden zu verlieren, und deswegen will ich keinen Kampf. Wenn du das nicht begreifst, ist das nicht mein Problem."
 

Einen Moment lang blickte Ron verständnislos zu ihr auf, dann fragte er, deutlich kleinlauter: "Warum hast du uns dann verraten?"
 

Ginnys Gesicht wurde noch einen Hauch kälter, als es ohnehin schon war. "Ich hatte meine Gründe." Sie trat wieder zurück. "Aber ihr seid nicht hauptsächlich wegen mir hier. Bitte, verhandelt weiter mit Voldemort. Ich bin sicher, dass wir uns irgendwie friedlich einigen können."
 

McGonagall trat, noch bleicher als vorher, wenn das denn möglich war, einen Schritt nach vorne und nickte kurz. "Du hast recht. Ginevra, ich muss dich fragen. Sagt V-Voldemort die Wahrheit?"

Ginnys Züge wurden wieder ein wenig weicher. "Ja, das tut er."
 

McGonagall holte tief Luft und wandte sich wieder Voldemort zu. "Ich muss wohl davon ausgehen. Nun, wenn Sie wirklich niemandem mehr schaden wollen, besteht von unserer Seite aus natürlich keine Notwendigkeit mehr, Sie davon abzuhalten, weiter Schaden anzurichten."

Voldemort nickte.
 

Sie atmete tief durch. "Dann wäre da aber immer noch unsere Rache für Ihre früheren Opfer."

"Wenn ihr auf eure Rache verzichten könntet, stünde einer friedlichen Einigung nichts mehr im Wege. Das würde uns und euch eine Menge Leid ersparen. Könnt ihr das in Betracht ziehen?" Voldemorts Stimme war sachlich und neutral.
 

McGonagall schluckte. "Geben Sie uns Zeit zum Entscheiden, bitte."

Voldemort nickte knapp, und McGonagall drehte sich zum Orden um.

Ginny beobachtete sie so genau wie nur möglich, ohne den Blick ihrer Mutter oder ihres Vaters zu kreuzen. Einen Moment lang steckten sie wieder alle die Köpfe zusammen, doch dann gab es augenscheinlich einen Tumult.
 

Schließlich trat Ron nach vorne. Hermine lief hinterher, hielt ihn an einem Ärmel zurück, doch er riss sich los und rief Ginny zu: "Da gibt es nichts zu Entscheiden! Ich werde niemals mit euch Frieden schließen!"
 

Voldemort hob eine Augenbraue und musterte Ron mäßig interessiert. "Wenn ihr kämpft, werdet ihr sterben. Du würdest deine gesamte Familie mit in den Tod reißen. Kannst du das?"
 

Ginny wollte bereits protestieren - Hatte er vorhin nicht gesagt, sie sollten niemanden töten? - da dröhnte Voldemorts Stimme in ihrem Geist. Nicht nur in ihrem, nach dem Zusammenzucken der Todesser zu schließen.

'Das war keine Aufforderung an euch, zu töten. Der alte Befehl gilt weiter: Tötet nur im Notfall und niemals einen Weasley oder Granger.'
 

Ginny atmete auf. 'Musstest du mich so erschrecken?', wollte sie wissen.

'Ich wollte deinen Bruder erschrecken, nicht dich. Du weißt das.'

Ginny grummelte und antwortete nicht.
 

Ron stand unentschlossen im Niemandsland zwischen dem Podest und dem Orden, sein Blick wanderte hektisch zwischen Ginny und Voldemort hin und her. Schließlich zog er langsam seinen Zauberstab und richtete ihn mit zitternder Hand auf Ginny. Sein Gesicht war kreidebleich, und Ginny glaubte, seine Augen verdächtig schimmern zu sehen.
 

Sie schluckte jedes kleine bisschen Gefühl hinunter und meinte kühl: "Versuch es ruhig. Ich bin gespannt, wie weit du kommst." Sie ließ ihren Blick vielsagend über die Todesser und schließlich über Voldemort wandern.
 

Rons Zauberstab zitterte noch mehr. Ein paar Herzschläge verharrte er so, bewegungslos, dann ließ er seinen Zauberstab langsam sinken. Jetzt endlich sammelten sich die Tränen in seinen Augen.

"Ich kann nicht", flüstert er erstickt, nur um Ginny im nächsten Moment anzuschreien: "Wie konntest du nur?!"

"Wie schon gesagt, ich hatte meine Gründe", gab Ginny tonlos zurück.
 

Voldemort schnaubte und schob sie beiseite. "Das reicht jetzt", meinte er leise und scharf. "Also, wofür entscheidet ihr euch? Frieden oder Rache?"
 

Die Ordnsmitglieder sahen sich einen langen Moment an. Schließlich straffte McGonagall die Schultern, atmete tief durch und trat einen Schritt vor.

Sie machte gerade den Mund auf, um zu antworten - da flog aus der Traube der Ordensmitglieder ein einzelner Fluch mitten in die Reihen der Todesser und traf einen genau ins Gesicht. Er kippte stumm zur Seite, fiel mit einem dumpfen Aufprall auf den Fußboden und rührte sich nicht mehr.
 

Einen Augenblick starrten alle den ohnmächtigen Todesser verständnislos an - dann brach die Hölle los.

Zauberstäbe wurden gezückt, unverständliche Rufe gellten durch die Luft und überall blitzten Flüche auf. Ginny hörte Moody schreien: "Verteilt euch! Wir müssen aus dem Kreis ausbrechen!", und Bellatrix wahnsinnig lachen.

Severus neben ihr seufzte leise: "Das war so klar. Black konnte es nicht lassen", und verschwand im Gewimmel.
 

Mechanisch wirkte sie den Unsichtbarkeitszauber, zückte ihren Zauberstab und wich ein paar Schritte zurück an die Wand. Den Zauberstab im Anschlag und jeder Zeit bereit, einem Fluch auszuweichen, beobachtete sie den Kampf.

Ein Schleier der Unwirklichkeit schien sich über alles gelegt zu haben. Ginny fühlte sich, als würde sie alles wie durch Watte wahrnehmen. Selbst, als Moody sie bemerkte und einige Flüche auf sie abfeuerte, bis Voldemort ihn schließlich in ein Duell verwickelte, blieb der Schleier über der Welt.
 

Ginny wusste nicht, wie lange sie dort an der Wand stand, unfähig, für die eine oder andere Seite Partei zu ergreifen, und nur hin und wieder einem Fluch auswich. Sie vermied jeden Blick auf ihre Familie, bis ein Schrei ertönte.

Rons Schrei.
 

So plötzlich, als hätte ihr jemand einen Eimer Eiswasser über den Kopf gekippt, wirbelte sie auf dem Absatz herum, sah Ron getroffen durch die Luft fliegen - und mit einem hässlichen Geräusch gegen die Wand krachen und an ihr herunter rutschen. Er blieb liegen und rührte sich nicht mehr.
 

Ginnys Herz schien einen Moment lang still zu stehen, dann jedoch flog es mit ihr um die Wette, quer durch die Halle, mitten durch den Kampf, vorbei an Freunden, Feinden, Verbündeten... bis zu Ron. Sie kümmerte sich nicht um den Kampf, als sie neben ihm auf die Knie fiel. Er musste leben, er MUSSTE einfach!
 

Sie legte ihm eine Hand auf die Stirn und horchte in seinen Körper.

Sie dankte den Göttern dafür, das Lucius ihr letzte Woche nach dem Training gezeigt hatte, wie sie reine Magie zum Heilen einsetzen konnte.
 

Mit einem Blick hatte sie die Lage erfasst und holte tief Luft, um ihr flatterndes Herz zu beruhigen.

Ron hatte mehrere Knochenbrüche, einen Platzwunde am Kopf und wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung, sowie Prellungen am ganzen Körper. Hässlich, aber nicht lebensgefährlich.
 

Als ihr Herzschlag sich wieder halbwegs normalisiert hatte, kreischte plötzlich jemand direkt hinter ihr: "Finger weg von ihm!" Sie drehte den Kopf und sah Hermine mit wirren Haaren und zerrissenem Umhang auf sie zustürzen und ebenfalls neben Ron auf die Knie fallen. "Du wirst ihn in Ruhe lassen!", fauchte sie Ginny an.
 

Ginny hob abwehrend die Hände, keifte jedoch nicht minder zornig zurück: "Ich wollte ihn heilen!"

Hermine rollte mit den Augen. "Wers glaubt. Verschwinde, das mach ich. Selbst wenn du wolltest, du weißt doch gar nicht, wie!"

Sie zückte ihren Zauberstab und richtete ihn auf Ginnys Gesicht.
 

Ginny zog ihren eigenen und kreuzte ihn mit dem Hermines, als sie zurückfauchte: "Doch, weiß ich wohl! Du hast keine Ahnung, zu was ich fähig bin!"

Es tat gut, Hermine anzuschreien. All die Trauer, all der Schmerz konnte abfließen.

Hermine gab jedoch nicht klein bei. "Ach ja? Und woher, bitteschön?"
 

"Wären die Damen so gnädig, sich bald zu einigen? Ich habe keine Lust, euch beide abzuschirmen, nur damit ihr euch gegenseitig umbringt."

Ginny und Hermine zuckten zusammen und blickten auf.

Severus hatte sie zwischen sie und den Kampf gestellt und wehrte sämtliche Flüche ab, die sie oder Ron getroffen hätten.
 

Hermine klappte der Mund auf - und Ginny nutzte diesen Moment, auch wenn es ihr erneut beinahe körperlichen Schmerz verursachte. Sie hatte Hermine entwaffnet, noch bevor diese Severus hinter seiner Maske erkannte hatte. Hermine schrie auf, doch sie versuchte nicht, ihren Zauberstab wieder zu bekommen.
 

Ginny atmete erleichtert auf, als sie dies bemerkte, und legte Ron wieder ihre Hand auf die Stirn. Sie blendete alles um sie herum aus, was wahrlich nicht einfach war, und ließ ihre Magie gehen.

Fasziniert sah sie zu, wie diese sich ihren Weg durch Rons Körper bahnte, sich an den verletzten Stellen ballte und diese in Sekundenschnelle heilte.
 

Erst, als Ron in einen tiefen Heilschlaf gefallen war, blickte sie wieder auf. Hermine kauerte neben ihr, biss sich auf ihre Lippe, eine Hand in den zerzausten Haaren und sah hundeelend aus.

Ginny reichte ihr ihren Zauberstab, den sie argwöhnisch musterte, bevor sie ihn schließlich wieder annahm.

"Er ist geheilt. Er braucht jetzt nur noch Schlaf", meine sie leise.
 

Hermine blickte sie ungläubig an und murmelte einen Diagnosezauber. Als der Ginnys Aussage bestätigte, wurden ihre Augen noch größer.

Ginny rollte daraufhin nur mit den Ihren. "Was hast du erwartet? Dass ich ihn hier liegen und vielleicht sogar sterben lasse? Dann kennst du mich nicht halb so gut, wie ich dachte." Ihre Stimme klang bitter.
 

Hermine kam nicht mehr zu einer Antwort, denn in diesem Augenblick trat Severus hinter sie, nahm ihr den Zauberstab ab und zischte in bester Lehrermanier: "Auf die Beine, Miss Granger, und hier herüber!"

Hermine rappelte sich umständlich auf und gehorchte.
 

Ginny blickte hoch.

Der Kampf war vorbei.

Der Orden des Phönix war besiegt.

Frieden?

Kapitel 29 - Frieden?
 

Ginny ließ den Blick durch die Halle wandern. Die Todesser rotteten sich in Grüppchen zusammen und murmelten Zauber, wahrscheinlich Heilzauber. Die Mitglieder des Ordens des Phönix waren auf dem Podest zusammen getrieben worden, keiner schien mehr einen Zauberstab zu haben. Ein paar waren verletzt, aber alle standen zumindest halbwegs sicher auf den Beinen.
 

Ginny wollte schon erleichtert aufatmen - dann sah sie in einer dunklen Ecke etwas liegen. Sie kniff die Augen zusammen. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Haufen zerrissene Umhänge - doch dann bewegte sich der Haufen.

Ginny kroch die Furcht in die Knochen, als sie ein leises Schluchzen aus der Ecke vernahm.
 

Wie im Traum stand sie auf und durchquerte die stille Halle. Ein Teil von ihr wusste, was sie dort finden würde - doch sie wollte es noch nicht wahrhaben. Gerade hatte sie noch gehofft, dass alles gut werden würde...
 

Als sie näher kam, erkannte sie, dass es eigentlich zwei Haufen waren. Wobei Haufen nicht das richtige Wort war. Noch ein Schritt, und noch einer - dann erkannte sie das Gesicht der einen reglosen Person.
 

"Sirius", flüsterte sie, lief die letzten Schritte zu ihm und fiel neben ihm auf die Knie.

Schock schien ihr Denken ausgeschaltet zu haben, als sie zitternd eine Hand auf seinen Brustkorb legte und mit der anderen an seinem Hals nach dem Puls tastete. Als der Brustkorb sich nicht bewegte, sandte sie ihr Magie in seinen Körper - doch es war zu spät. In diesem Körper brannte kein einziger Funken Magie mehr.
 

Einen Moment lang schien diese Erkenntnis nicht recht zu ihr durchzudringen, dann bildete sich ein Kloß in ihrem Hals. Doch die Tränen kamen nicht. Ein einziger Satz setzte sich in ihren Kopf und schien sich immer wieder zu wiederholen, wurde lauter und lauter und ließ sie nicht mehr los.

ES IST ALLES DEINE SCHULD.
 

Die Tränen kamen nicht und ließen nicht zu, dass dieser eine Satz mit ihnen nach draußen gespült wurde. Ihr Gesicht war kreidebleich, und ihr Zittern war noch schlimmer geworden, doch sie konnte nicht weinen. Zu schrecklich war die drückende Schuld, für alles hier, für Sirius' Tod, für Harrys Tod... Alles war ihre Schuld...
 

Ein gellender Schrei ertönte, und Ginny brauchte einige Moment, um zu realisieren, dass es nicht ihr eigener war.
 

Sie sah auf. Neben ihr teilte sich der zweite Haufen und zwei kleinere, und sie erkannte Rodolphus Lestrange leblos auf dem Boden liegen und einen schreienden Rabastan über ihm knien. Sie schluckte, warf einen letzten, langen Blick auf Sirius und kroch zu Rodolphus hinüber. Sie musste sich vergewissern, dass er wirklich... Sie traute Rabastan keinen Diagnosezauber zu.
 

Vorsichtig legte sie eine Hand auf Rodolphus' kalte Stirn und sandte ihre Magie aus. Doch auch hier gab es keinen Zweifel. Er war tot.

Ginnys Zittern schien noch schlimmer zu werden.

JETZT SIND ES SCHON DREI, DIE DEINETWEGEN STERBEN MUSSTEN.
 

Doch gerade, als sie glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, schwappte von Voldemort eine neue Welle eiskalter Ruhe und Gleichgültigkeit in ihren Geist. Dankbar sah sie zu, wie ihre Gefühle hinter dieser Kälte verschwanden und richtete sich auf.
 

Teilnahmslos sah sie zu, wie Rabastan auffuhr und mitten in eines der Todessergrüppchen hinein stürzte. Als er wieder herauskam, hatte er Bellatrix unsanft am Umhang gepackt und schleifte sie zu Rodolphus' Leiche. Sie hatte ihre Maske verloren, und sie war zwar ein wenig blass, sah ansonsten jedoch so aus wie immer.
 

Rabastan riss sie zu Boden, packte ihren Kopf, drehte ihn so, dass sie Rodolphus ansehen musste und brüllte sie an: "Wie kannst du nur wegsehen? Wie kannst du nur so tun, als wäre nichts passiert?! Er war dein Mann!!"

Bellatrix riss sich los, wirbelte herum und fauchte: "Schreib mir nicht vor, was ich zu tun und zu fühlen habe!"

Sie zückte den Zauberstab und ging mit irre funkelnden Augen auf Rabastan zu.
 

Ginny schluckte und stolperte rückwärts, außer Reichweite. Schließlich prallte sie gegen jemanden und wäre beinahe hingefallen, doch zwei lange Hände fingen sie auf und stellten sie wieder auf ihre Beine. Ginny drehte sich langsam um und blickte in das Gesicht Voldemorts.

'Entschuldige.'

'Schon okay.'
 

Voldemort ignorierte den Streit hinter sich völlig und rief mit alles durchdringender Stimme: "Ihr hattet euren Kampf. Habt ihr eurer Rache genüge getan?"
 

McGonagall trat vor und nickte zackig. Ginny zuckte zusammen, als sie sie sah. Ihr Umhang war zerfetzt, ihr Haarknoten hatte sich gelöst und auf einem Ärmel breitete sich ein Blutfleck aus. Ihr Arm musste furchtbar schmerzen.

Voldemort erwiderte das Nicken.
 

Einen Moment lang herrschte Stille, bis - "Du hast ihn schon all die Jahre über links liegen lassen, weil du immer bloß den Dunklen Lord wolltest! Hast du jetzt nicht einmal den Anstand, um ihn zu trauern?!"
 

Ginny wirbelte herum, Voldemort neben ihr tat es ihr gleich.

Rabastan und Bellatrix standen mit gezückten Zauberstäben voreinander und sahen aus,als würden sie jeden Moment wie zwei Bestien aufeinander losgehen und sich gegenseitig zerfetzen.

Bellatrix fletschte die Zähne, als sie zurückschrie: "Ja!! Ich wollte immer nur den Dunklen Lord, alle anderen Männer sind mir nicht einen Blick wert! Warum sollte es bei ihm anders sein?!"

"Du hast ihn geheiratet!"

"Nicht freiwillig!"
 

"Silencio", unterbrach Voldemort die beiden. Mit einem Fingerschnippen entwaffnete er sie und steckte ihre beiden Zauberstäbe ein. "Verschiebt eure Streitereien auf später. Wir haben wichtigeres zu tun. Verstanden?"

Er hob den Silencio mit einem weiteren Schnippen wieder auf.
 

Sie funkelten sich noch einmal böse an, dann murmelten sie wie aus einem Mund: "Ja, mein Lord."

Voldemort nickte zufrieden und wandte sich wieder dem Orden des Phönix zu.
 

"Was passiert jetzt?", wollte Ginny leise wissen.

Voldemort sah weiter zum Orden, als er antwortete: "Wenn sie mit uns Frieden schließen, geben wir ihnen ihre Zauberstäbe wieder und lassen sie gehen."
 

Die Ordensmitglieder tauschten Blicke, und McGonagall reckte das Kinn. "Nur, wenn Sie uns unter Veritaserum bestätigen, dass sie uns in keiner Weise schaden wollen."
 

Ginny biss sich auf die Lippe. Musste sie das sagen? Gerade hatte es noch so ausgesehen, als würden sie ohne weitere Probleme Frieden schließen können, doch jetzt...
 

'Sie hat Mut', murmelte Voldemort in Gedanken.

Ginny antwortete nicht, schickte ihm jedoch alle ihre Gefühle.

'Ich verstehe', meinte er.
 

Laut erwiderte er: "Unter einer Bedingung. Ginevra ist die einzige, die mich unter Veritas anspricht."

Ginny riss die Augen auf und schnappte nach Luft. "Was?"

Er schob sie in Richtung Orden. "Du hast mich gehört. Jetzt sprecht euch ab, damit wir es hinter uns bringen."
 

Unsicher stieg Ginny die Stufe zum Podium hoch. Sie vermied es, jemand anderen als McGonagall anzusehen. Diese trat noch ein Stück vor und nickte Ginny zu.

Ginny erwiderte das Nicken und schluckte. "Was wollen Sie ihn fragen?"

"Zuerst einmal, wer er ist, damit wir sicher sein können, dass es wirkt."
 

Ginny schnaubte. "Er wird nur das von Severus trinken, das wirkt todsicher."

McGonagall winkte ab. "Wir müssen uns alle davon überzeugen. Severus könnte ihm Wasser geben, um ihn zu schützen."

Ginny brummte bloß.

"Was noch?"
 

"Frag ihn nach seinen Zielen und Idealen, insbesondere nach dem magischen Blut. Außerdem hat er von Macht gesprochen. Ich will wissen, was genau er damit anzustellen gedenkt. Dann natürlich, ob er uns schaden will, und wie er seine Todesser im Schach halten will, wenn er sich geändert hat."

Ginny nickte langsam. "In Ordnung."
 

Sie wandte sich zu Voldemort um. "Wir sind soweit."

Er nickte und streckte eine Hand zur Seite aus. "Severus?"

Severus trat hervor, nahm seine Maske ab und holte ein kleines Fläschchen aus seinem Umhang, das er Voldemort in die Hand drückte.
 

Voldemort tröpfelte sich genau drei Tropfen der darin befindlichen Flüssigkeit auf die Zunge und schluckte. Einen Moment geschah nichts, dann glätteten sich seine Gesichtszüge, und ein entrücktes Lächeln trat auf sein Gesicht.
 

Ginny schluckte und öffnete den Mund, da erst überlegte sie, wie sie ihn ansprechen sollte. Schließlich entschloss sie sich für die sichere Variante. Er würde sich sowieso nicht daran erinnern.

"Wie lautet Ihr vollständiger Name?"

Voldemort Lächeln verbreiterte sich. "Tom Vorlost Riddle. Ein grässlicher Name. Lord Voldemort klingt viel eindrucksvoller, meinst du nicht, Gin?"
 

Ginny schluckte. Es war gruselig, ihn so entspannt und offensichtlich nicht als Herr seiner Sinne zu sehen. Seine Stimme klang beinahe, als würde er singen. Sie holte tief Luft und fuhr fort. Sie musste das jetzt durchziehen, dann wäre endlich alles vorbei. Nur das hier noch.
 

"Was sind Ihre momentanen Ziele?"

"Macht natürlich. Es gefällt mir, alle Fäden in der Hand zu halten und zu sehen, wie die Leute mir gehorchen - "

"Und was wollen Sie mit dieser Macht anstellen?", unterbrach ihn Ginny rasch.
 

Ein Grinsen, fast wie das eines kleinen Jungen, der erzählt, was er ausgefressen hat, trat auf sein Gesicht. "Ich werde das Rechtssystem neu aufziehen und die Einteilung in weiße und schwarze Magie aufheben. Die ganze Welt wird geschockt sein, wenn unser Rechtssystem auf einmal Sinn macht und man nicht für die verwendeten Zauber, sondern für die Absicht dahinter verurteilt wird."

"Also kommt es Ihnen auf die Absicht an."

"Exakt. Wieso wird man für einen Avada bitteschön härter bestraft als für einen Wingardium Leviosa, wenn man damit sein Opfer aus großer Höhe fallen lässt und damit sein Genick bricht? Ich bin sicher, jeder von euch würde lieber durch einen Avada sterben, wenn ihr sterben müsstet."
 

Ginny nickte mit zugeschnürter Kehle.

"Und was ist mit der Zauberergesellschaft und dem magischen Blut?"

"Darüber habe ich in letzter Zeit viel nachgedacht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Zauberer nicht ohne gelegentlich etwas Muggelblut auskommen können, ohne durch Inzucht zugrunde zu gehen. Seht euch Bella an, sie ist das beste Beispiel."

Bellatrix schrie auf, und Severus belegte sie kurzerhand mit der Ganzkörperklammer.
 

"Dennoch will ich keine Muggelkultur mit der magischen vermischt sehen", fuhr Voldemort lächelnd fort. "Daher habe ich ein Erziehungsprogramm für magische Kinder entwickelt, die in magiefreien Umgebungen aufwachsen. Damit werden auch diesen Kindern von klein auf magische Werte vermittelt, und sie lernen, wie Zauberer zu denken."
 

Ginny holte tief Luft. "In Ordnung. Wollen Sie im Moment jemandem vorsätzlich schaden?"

"Nur Bella hier, wenn sie mir zu sehr auf den Zauberstab geht. Oder wenn MIR jemand mutwillig schaden möchte, natürlich."
 

Wieder nickte Ginny langsam.

Hinter sich hörte sie McGonagall flüstern: "Nicht zu fassen."
 

Ginny stellte noch die letzte Frage: "Wie wollen Sie sicherstellen, dass Ihre Todesser ebenfalls diesen Idealen folgen und nicht weiter sinnlos morden und foltern?"

"Ganz einfach", strahlte Voldemort. "Ich schmeiße einfach alle raus, die das gerne tun würden."
 

"Was?", entfuhr es Ginny.

"Was ist daran so komisch?", wollte er wissen und zog eine Schnute. Ginny musste sich ein Lachen verkneifen. Er sah auch einfach zu süß aus. Wie ein kleiner Junge.

"Severus? Gib ihm das Gegenmittel", meinte sie bloß.
 

Ein paar Minuten später sah Ginny fassungslos zu, wie Voldemort seine Todesser mit Hilfe von Legilimentik in zwei Gruppen aufteilte und schließlich jedem in der einen Gruppe das Dunkle Mal mit einem Zauber auf Parsel entfernte.

Die so Freigelassenen disapparierten auf der Stelle.
 

Schließlich musterte Ginny die zweite, viel kleinere Gruppe. Sie bestand aus Severus, den Malfoys, Blaise, Pansy, Millicent, Bellatrix, Wurmschwanz und noch einigen anderen Todessern, die sie zwar vom Sehen her kannte, aber deren Namen sie nicht wusste.
 

Sie runzelte die Stirn. 'Bellatrix und Wurmschwanz?'

'Bella würde Amok laufen, wenn ich nicht auf sie aufpasse, und Wurmschwanz weiß zu viel und ist zu dämlich, um den Leuten aus dem Weg zu gehen, die einen Gedächtniszauber brechen könnten', kam prompt die Antwort.

Sie nickte langsam.
 

Nachdem alle entlassenen Todesser verschwunden waren, wandte Voldemort sich wieder dem Orden zu.

„Ich schlage vor, wir schließen einen magischen Frieden, mit dem Ritual Frenum Pacis.“
 

McGonagalls Augen weiteten sich, bevor sie nickte. "In Ordnung. Sie scheinen es ja wirklich ernst zu meinen."

Sie wandte sich zum Orden um. "Das ist ein starker, magischer Friedensschwur. Wenn ihr ihn brecht, dann werdet ihr körperliche Schmerzen bekommen und vorübergehend eure Magie verlieren. Wenn ihr euch nicht sicher seid, ob das es euch wert ist, dann solltet ihr jetzt gehen."

Keine rührte sich.
 

Lediglich Hermine durchquerte die Halle und kniete sich neben Ron. Ginny folgte ihr langsam, blieb jedoch einige Schritte von Ron entfernt stehen. Er würde immer noch sauer sein, er hatte ja das Veritaserum verpasst.
 

Hermine betrachtete ihn einen Moment, dann sah sie mit einer stummen Bitte in den Augen zu Ginny auf. Ginny zog kommentarlos ihren Zauberstab und murmelte: "Enervate."

Ron schlug die Augen auf.
 

Hermine beugte sich sofort zu ihn hinunter und redete schnell und eindringlich auf ihn ein. Er blickte sich erst ein wenig verwirrt um, dann runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf.

"Hab ich das richtig verstanden?", fragte er kalt und scharf. "Der Orden des Phönix schließt einen magischen Friedensschwur mit Du-weißt-schon-wer?"
 

Hermine nickte schnell. "Ich hab doch gesagt, er hat unter Veritas-"

Doch Ron unterbrach sie. "Veritas von Snape, das heißt nichts. Wenn ihr Frieden schließen wollt, dann bitte, aber mich zieht ihr da nicht mit rein! Ich traue diesem Pack nicht!"

Er stemmte sich mit Hilfe der Wand auf die Füße. "Ich hätte gerne meinen Zauberstab wieder!"
 

Ginny biss sich auf die Lippe, als sie ein hasserfüllter Blick traf. Es tat so verdammt weh...

"Accio Rons Zauberstab", flüsterte sie.

Keinen Moment später hielt sie ihn in der Hand und reichte ihn ihm. Ron riss ihn ihr regelrecht aus der Hand, warf Hermine einen letzten, enttäuschten Blick zu und disapparierte.
 

Ginny trat neben Hermine, die ziemlich belämmert aus der Wäsche blickte, und nahm ihre Hand. Hermine wehrte sich nicht.

Sie zog sie zu den anderen, die bereits einen großen Kreis gebildet hatten und sich an den Händen fassten.
 

So ganz wollte sie es noch nicht glauben, doch als die Magie durch den Kreis floss und sie alle erfüllte und miteinander verband, löste sich der Knoten in ihrem Herzen.

Es war vorbei.
 

Sie hatte es geschafft.

Zusammen, was zusammen gehört

Kapitel 30 - Zusammen, was zusammen gehört
 

Kaum hatte der Kreis sich wieder aufgelöst, rief Tom: "Gebt ihnen ihre Zauberstäbe wieder!"

Er nickte McGonagall zu. "Ihr seid frei, zu tun und zu lassen, was ihr wollt. Lucius und Severus werden euch entweder hinausbegleiten oder die Festung zeigen, ganz wie ihr wollt. Ihr könnt gerne auch eine Weile hier bleiben - Platz haben wir genug."
 

Nicht wenige starrten ihn, trotz des vorher geschlossenen Frieden, ungläubig an.

Er lächelte schwach. "Schreckliche Vorstellung, dass es keinen Bösen mehr gibt, dem man alles in die Schuhe schieben kann, was? Und nun entschuldigt mich. Wenn mich jemand sprechen will, wird Severus denjenigen zu mir bringen."
 

Er suchte Ginnys Blick und machte eine auffordernde Kopfbewegung. Ginny nickte und folgte ihm in ihre gemeinsame Wohnung.

Tom setzte sich in einen der Sessel in einer Ecke des Arbeitszimmers und streckte einen Arm aus.

"Komm her", meinte er leise. "Ich kann deine Gefühle nicht für immer unterdrücken. Ich werde sie jetzt wieder freilassen."
 

Ginny schluckte, nickte und setzte sich auf die Sessellehne. Er legte seinen Arm um ihre Taille, dann spürte sie, wie die Kälte in ihrem Geist abfloss. Es war, als würde ein Damm gebrochen.
 

Sämtliche Gefühle, die Ginny in den letzten Stunden empfunden hatte, überrannten sie förmlich. Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte sie sich verkrampft und begann zu schluchzen. Tom zog sie auf seinen Schoß und umarmte sie fest. Sie klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende, während sie endlich, endlich alles loswerden konnte.

Es war vorbei.

Sie musste nicht mehr stark sein.
 

Träne um Träne floss, sie konnte nicht aufhören. Trauer und Erleichterung, schreckliche Schuld und Freude, Enttäuschung und die Liebe zu ihrer Familie, zu Tom, und zu ihren Freunden rangen um die Oberhand und schienen sie zu ersticken.

Doch diesmal musste sie es nicht stumm über sich ergehen lassen.
 

Sie hatte ihren Geist so weit geöffnet und mit dem Toms verbunden, wie es ihr nur möglich war. Auch Toms Geist lag offen, sie tauchten ineinander ein und Ginny spürte, wie sie langsam, ganz langsam begann zu heilen.

Der Schmerz ließ mit jeder Träne, mit jedem Herzflattern, das sie mit Tom teilte, nach.
 

Ginny wusste hinterher nicht mehr, wie lange sie dort gesessen hatten, bis es an der Tür klopfte. Sie hob langsam den Kopf und suchte Toms Blick.

Er lächelte schwach. "Wenn du lieber alleine sein willst, schicke ich Severus weg."

"Nein", flüsterte sie. "Ob jetzt oder später, es macht keinen Unterschied. Wen hat er dabei?"

Tom schloss einen Moment die Augen. "McGonagall und Granger."

Ginny atmete tief durch. "Okay. Ich bin bereit."
 

Tom musterte sie, wie sie immer noch auf seinem Schoß saß, die Arme um seinen Hals geschlungen. "Willst du hier sitzen bleiben?"

Ginny zuckte mit den Schultern. "Hermine weiß es sowieso schon, und McGonagall..." Sie biss sich auf die Lippe und schenkte ihm einen nachdenklichen Blick. "Ich denke, sie versteht mich."
 

Er kniff misstrauisch die Augen zusammen und zischte: "Was weißt du, was ich nicht weiß?"

Sofort sperrte Ginny diese eine Information in ihrem Geist weg. "Das geht dich nichts an", meinte sie neckisch und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.

Tom grollte, bohrte jedoch nicht nach. "Herein!", rief er stattdessen.
 

Die Tür öffnete sich, und Severus, McGonagall und Hermine traten ein.

Severus trug immer noch seine Kampfrobe, die jedoch wieder wie neu aussah. Auch McGonagalls und Hermines Umhänge waren repariert und ihre Haare wieder gebändigt worden. Trotzdem sahen beide reichlich mitgenommen aus.
 

Sie erstarrten synchron bei Ginnys Anblick auf dem Schoß des Dunklen Lords. Severus verschwand leise wieder nach draußen. Ginny musterte McGonagalls Gesicht vorsichtig.

Einen Moment lang schimmerten ihre Augen, und in ihrem Blick lag etwas weiches, verletzliches. Doch dann blinzelte sie und der Moment war vorbei.
 

Sie nickte Ginny sacht zu. "Ich denke, jetzt verstehe ich so einiges", meinte sie leise.

Ginny legte den Kopf schief. "Warum hast du es ihr nicht erzählt, Hermine?"

Diese zuckte nur mit den Schultern. "Ich wollte sie nicht noch mehr schocken."

Ginny schnaubte. "Das wäre kein Schock gewesen, glaube ich. Eher im Gegenteil."

Hermine runzelte die Stirn. "Wovon sprichst du?"
 

McGonagall warf Ginny einen warnenden Blick zu, doch diese lächelte nur beruhigend.

Hinter Ginny meinte Tom mit deutlichem Missmut in der Stimme: "Das versuche ich auch herauszufinden. Dummerweise hat sie Okklumentik von Severus gelernt und nicht vom mir, also..."

"Ich habe dir schon gesagt, dass es dich nichts angeht, solange Professor McGonagall es dir nicht von sich aus sagt. Also vergiss es", schnaubte Ginny und sprang von seinem Schoss.
 

Langsam trat sie auf Hermine und McGonagall zu und blieb ein wenig unsicher ein paar Schritte vor ihnen stehen.

"Frieden?", fragte sie leise.
 

McGonagall nickte als Erste. "Danke, dass du nichts gesagt hast, Ginevra."

Sie hielt Ginny die rechte Hand hin, und Ginny schlug erleichtert ein.
 

"Ginny?", fragte Hermine mit ungewöhnlich hoher Stimme.

Ginny wandte sich ihr zu.

Hermine schien sich zu sammeln und ihre Worte bereit zu legen, bevor sie sagte: "Ich werde nicht vergessen, was du... was alles geschehen ist. Aber du hast Recht, es wird Zeit für einen Schlussstrich. Lass es uns noch einmal versuchen."
 

Sie streckte zögerlich die Arme aus. Ginny fiel ihr strahlend um den Hals und murmelte, das Gesicht in ihren wilden Locken vergraben: "Danke. Ich habe dich lieb."

Hermine erwiderte die Umarmung eine Weile, dann löste sie sich langsam von Ginny.

"Ich muss los. Ich werde Ron suchen gehen."

Ginny nickte. "Sag ihm, dass ich ihn lieb habe."

Hermine lächelte. "Mach ich."

Sie nickte den dreien zum Abschied zu und disapparierte an Ort und Stelle.
 

Tom brummte. "Ich muss den blöden Schild dringend wieder erneuern. Es ist furchtbar, wenn sogar hier in meinen Privaträumen jeder Zeit jemand reinapparieren kann."

"Unsere Privaträume", verbesserte Ginny.

"Wie auch immer."

Er zückte seinen Zauberstab, richtete ihn gen Decke, schloss die Augen und begann, unverständliche Beschwörungen zu murmeln.
 

Ginny und McGonagall sahen sich einen Moment ein wenig unschlüssig an, dann fragte Ginny leise: "Was hat Hermine Ihnen denn alles erzählt über mich?"

McGonagall schien dieses Thema ein wenig unangenehm zu sein, doch sie wollte anscheinend genau wie Ginny reinen Tisch machen, denn sie antwortete.
 

"Du-weißt-schon-wer hat dich entführt und vor die Wahl gestellt, ihm zu helfen, Harry zu finden, oder zu sterben. Du hast dich gegen den Tod entschieden und er hat mit deiner Hilfe Harry getötet. Du hast eine hohe Stellung unter den Todessern inne. Und du bist zu uns zurückgekehrt, in dem zu so getan hast, als wärst du unter Imperius gestanden, weil du seine sinnlose Quälerei nicht mehr sehen konntest. Allerdings hattest du weiter Kontakt zu ihm, bis du aufgeflogen bist."

Sie holte tief Luft und musterte Ginny.
 

Diese nickte langsam. "Alles bis auf die Tatsache, dass ich ihn liebe, und dass ich einen so schlechten Einfluss auf ihn habe, dass er sogar allen Muggelstämmigen neue Zauberstäbe kauft."

McGonagall blinzelte. "Seine Veränderung... war deinetwegen?"

Ginny lächelte verlegen. "Teilweise."
 

Es klopfte wieder.

"Herein!", rief Ginny. Severus streckte seinen Kopf durch die Tür. "Ähm, Ginny?"

"Ja?"

"Ich glaube, wir haben ein Problem."

Ginny runzelte die Stirn. "Was denn?"
 

"Deine Mutter. Ich habe ihr alles Nennenswerte erzählt, und sie sitzt jetzt heulend in der Halle und schreit jeden an, der versucht, sie anzusprechen."

Ginny zuckte zusammen. "Will sie mich sehen?", fragte sie ein wenig ängstlich.

Ja, sie wollte reinen Tisch machen, doch mit ihrer Mutter war in diesem Zustand meist nicht gut Kirschen essen.

"Ja, deswegen bin ich hier."
 

Ginny schloss einen Moment lang die Augen, sammelte ihren Mut, atmete tief durch und nickte dann.

"Ich komme, Severus."
 

Sie folgte ihm nach draußen in die Halle, die wieder in ihrem ursprünglichen Zustand war.

Molly saß an der Tafel, die anderen Weasleys um sie herum, die alle betreten schwiegen und es augenscheinlich nicht wagten, ihr auch nur einen Zentimeter zu nahe zu kommen.

Severus räusperte sich vernehmlich. "Molly?"
 

Sie sah mit rotgeweinten Augen auf - und stieß einen markerschütternden Schrei aus.

Im nächsten Moment sprang sie auf, sodass ihr Stuhl mit einem lauten Krach nach hinten umkippte, und wuselte so schnell zu Ginny, dass sie sie schon umarmt hatte, bevor die überhaupt wusste, was los war.
 

Das nächste, was sie hörte, was ein herzzerreißendes Schluchzen und Mollys geflüsterte Worte in ihrem Ohr. "Hättest du doch nur etwas gesagt... Hättest du nur etwas gesagt... Vertraust du mir so wenig?"

"Ich hatte Angst", gab Ginny mit zugeschnürter Kehle zurück und erwiderte die Umarmung.
 

"Ich liebe dich, Ginny. Ich werde dich immer lieben, egal, was du tust, hast du mich verstanden?", meinte Molly energisch und packte Ginny noch fester.

Ginny musste wieder weinen, allerdings diesmal vor Freude.

Sie hatte ihre Mutter wieder.
 

Lange hielten die beiden sich fest, bis Molly Ginny schniefend wieder freigab.

"Wehe, du verschweigst mir wieder so was!"

Ginny schüttelte rasch den Kopf. "Nie mehr, Mum. Versprochen."
 

In diesem Moment ging die Tür hinter Ginny auf, und sie wandte sich um. Tom kam heraus. Er sah ziemlich erschöpft aus. "Die Anti-Appariersperre steht wieder. Ab jetzt geht Apparieren wieder nur in der Eingangshöhle."
 

Er legte Ginny einen Arm um die Schulter, und als sie sich mit einem leisen Seufzen gegen seine Schulter lehnte, beugte er sich hinunter und küsste sie kurz.

Als Ginny wieder aufsah, bekam sie einen gehörigen Schreck. Ihre Mutter stand wie eingefroren da, den Mund und die Augen weit aufgerissen, als würde sie zu einer ihrer Schimpftiraden ansetzen wollen.
 

Ginny sah sich um - und fand die Übeltäter sofort. Fred und George hatten die Zauberstäbe gezogen und zwinkerten Tom und ihr zu.

"An Ihrer Stelle würde ich das nie mehr vor Mums Nase machen", riet Fred Tom.

George fuhr fort: "Ihre Schimpftiraden sind bereits legendär. Laufen Sie, bevor der Zauber seine Wirkung verliert."
 

Tom blickte reichlich verdattert aus der Wäsche.

Ginny lachte befreit auf. Sie war glücklich.
 

~*~
 

ENDE
 

~*~
 

So, meine Freunde, das war es! Irgendwie kann ich nicht so richtig glauben, dass es jetzt zu Ende ist... Ginny und Tom haben mich schließlich fast seit Beginn meiner FF-Zeit begleitet.

Ich danke euch für eure tollen Reviews, die mir regelmäßig ein Ansporn zum Weiterschreiben waren. Ihr seid einfach unglaublich!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (67)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]
/ 7

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  blumenmaedchen
2011-01-05T14:17:57+00:00 05.01.2011 15:17
genial, genial, genial!
einfach nur super. Die art, und vorallem der inhalt, und einfach das Ende.
Zu anfang fand ich alles etwas unrealistisch - die normale ginny würde wohl nie harrys mord zustimmen, aber das war mir dann auch egal, weil die geschichte einfach geil ist - und man muss nicht alle ideale halten, nü?
also echt grooßes lob, super story! weiter so!
grüßlies
Von:  Gelosia
2010-02-16T20:28:48+00:00 16.02.2010 21:28
Q.Q schon vorbei??
...
das is' 'n total süüüßes Ende!
und ich stimm' der lieben Evelyn und Yun-Yun in allen Punkten der Familienangelegenheit zu! xD

und ich kann immerwieder sagen: ich lieeeb' deinen Schreibstil!!
du kannst die Gefühle der Person voll gut rüberbringen!

glG
ヤミ

PS:
das Kommi vom letzen Kappi war nicht als Befehl gemeint...
ich hab' mich nur so blöd ausgedrückt...
wirklich SORRY - sei nicht all zu böse, ja ? *winsel* *sich schäm*
Von:  SnoopFroggyFrog
2010-02-16T18:32:18+00:00 16.02.2010 19:32
*schnüff* *schnief* *taschentuch vollrotz*
Sooo schade, dass es vorbei ist T-T irgendwie gemein...
Aber auch ein echt lustiges Ende XDDDD bei den Schwagern wird Tommy bald sicher verrückt werden...die Vorstellung hat aber auch was für sich XDDDDDDDD
Wie auch immer, ich fand die FF klasse, wirklichsuper^.~ Mach weiter so und vergiss ja nicht, die liebe Ginny inner Fortsetzung zu *hüstel* *pfeif* Ich denke du weißt, was ich meine XDD
1 mit ************
Lg^-^
Von:  EvelynPrice
2010-02-16T14:49:09+00:00 16.02.2010 15:49
nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn​nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnneeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee​eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii​iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn​nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn!!!!!!!!!!​!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ok das reicht...
ich kann es auch nicht glauben. *heul*
es kann doch jetzt nicht schon vorbei sein :(((
ich freue mich schon auf zwischen den Fronten III
eine kleine Familiengeschichte...
Ich seh es Bildlich schon vor mir
Voldi macht Gin einen Heiratsantrag auf pasel
und nach der Hochzeit kommt der kleine Harry...
XD
(man kanns ja mal versuchen...)
also ich fände das suber^^
und wenn nicht freue ich mich halt auf eine andere neue Geschichte von dir
glg
Evy
Von:  EvelynPrice
2010-02-08T11:59:34+00:00 08.02.2010 12:59
...
OK das ist wirklich ohne Worte
Ich glaube dieses Kappi hat mich richtig aufgeheitert^^
Bin gerade vom Arzt gekommen. Ich bin in den Ferien gestürtzt und war im Krankenhaus. Ab heute darf ich wieder an den Computer :D
sonst hätte ich schon früher ein Kommi geschrieben^^
Jetzt habe ich die ganze Zeit das Bild eines breit grinsenden Voldis im Kopf, der nicht mehr ganz Herr seiner Selbst ist^^
freue mich schon aufs Nächste
ggggglg Evy
Von:  SnoopFroggyFrog
2010-02-06T13:50:17+00:00 06.02.2010 14:50
*völlig fassungslos*
Voldi...und lächeln...Schnute ziehen...Frieden und...Voldi und...WAAAAS??!! XDDDDDDDDDDDDDDDD
*ablach* Ohmannomannomann XDDD Also dein Voldi ist einsame Spitze, echt!^-^ *lachtränen wegwisch*
Mach so weiter, mach bloß so weiter, das ist klasse!! Auch Bella, meine Güte, meine Güte...ich wiederhole mich heute wohl ständig XDD
Wie auch immer, von mir kriegt dieses Kappi die Note 1 mit Milchstraße XDD
Lg^^
Von:  SnoopFroggyFrog
2010-02-04T20:46:58+00:00 04.02.2010 21:46
Wahnsinn! Voldi sollte es mal mit Stand-up-Comedy versuchen, ich hab so *lachkrampf krieg* XDDDD ich nehme an, du weißt, was gemeint ist^.~
Hoffe doch mal, es sind nicht allzu viele tot, obwohl ich den Sirius dafür umbringen könnte, dass er einfach losgefeuert hat...das war doch er, oder?^^'
War jedenfalls klasse, auch wenns lange gedauert hat, aber das will ich dir jetzt nicht vorwerfen *zu eigenen FFs schiel* XDD
Freu mich auf das Nächste^^
Lg^-^
Von:  Gelosia
2010-02-04T11:51:01+00:00 04.02.2010 12:51
Endlich! *-*
ein neues 'Pitelchen~
und es wird immer besser~!
ich musste so übelst loslachen als unser Voldi sagte, das er friedlich is
Hermi und Gin steiten sich xDD
das 'Pitelchen war herlich ^//^

und nächstes mal will ich dich schneller schreiben Kia-san!!!
(aber lieber langsam als garnicht!)

gggggggg[...]lG
ヤミ-サマ
Von:  Gelosia
2010-01-06T17:02:39+00:00 06.01.2010 18:02
..., ich pflichte meinen beiden Vorgängerinnen in jedem Punkt zu!
aber mich würd' mal interessieren was die Wiesels zu Grangers Geschichtchesns gesagt haben ^^'
freu mich dich schon wieder einmal auf in 2 Wochen,
lg
ヤミ-サマ
Von:  SnoopFroggyFrog
2010-01-05T00:33:31+00:00 05.01.2010 01:33
uuh, Cliffhanger O.O jetzt muss ich warten und werde davon zermürbt *warterei in vorstellung umbringt* XDDD
Also Tommy ist ja nun mal richtig süß gewesen^//^ ein wahrer Gentleman, passend zu seiner Geburtszeit XD
Ich hoffe doch, Ginny wird niemanden von den Todessern umbringen müssen, auch wenn Voldy da nicht im Weg stehn wird. Wie auch immer, das war ein super Kappi, Note aber nur 2, weil ich jetzt so lange darauf warten muss, dass es weitergeht *schmoll*
Lg und auch dir noch ein frohes neues Jahr^^


Zurück