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C'era una volta...

Oder ein Schal auf Schatzsuche
von

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Sieg auf ganzer Linie. Oder auch mehrere hundert Meilen daneben.

Aus dem Tagebuch des Captain "Charles" Scarf
 

Wider Erwarten ist die Überfahrt glatt verlaufen und wir haben die kleinen Antillen ohne große Verluste passiert. Bemerkenswert ist jedoch, dass unser Bordpapagei, wir nennen ihn Mr. Peacemaker, sich als Vorzugsweise-Fleischfresser erwiesen hat, er hat auch nichts gegen eine nette Portion Menschenfleisch einzuwenden. Ich würde zu gerne wissen ob er bei einem Kannibalenstamm aufgezogen wurde. Jedenfalls fehlt dem Hinkenden Jim nun noch ein bisschen Ohr mehr und mir ein Stückchen von meinem Zeigefingernagel. Dabei wollte ich das undankbare Exemplar von Federvieh nur unter seinem schönen bunten Hals kraulen. Mr. Peacemaker ist wirklich herrlich anzusehen. Marco mag das Tier, wahrscheinlich weil der Papagei mich als Einziger aus der Mannschaft verachtet. So ein Hohn.
 


 

Es ist sehr angenehm mit der Strömung zu segeln. Ich stehe an Deck, halte die Nase in den Fahrtwind, rufe ab und an irgendetwas von angeblich nicht geschrubbten Dielen und gelegentlich pokere ich mit dem Verrückten Sven. An guten Tagen erkennt er, dass wir nur zu zweit sind, an noch besseren Tagen lästert er mit mir über sich selbst. Bisher hab ich nicht eine Partie gewinnen können.

„Aaaaachtung!“ Bronsons tiefe Stimme knarrt in einem angenehm Bass über das Deck, der einem das Rückrat zum Vibrieren bringt. „Alle Mann bereit machen zum Ankern!“

Ich lege meine Karten weg, mein Blatt ist unerhört mies. Ich bin der festen Überzeugung das der Verrückte Sven beim Austeilen mogelt, aber mir ist noch nichts aufgefallen. Dabei kenne ich so ziemlich alle Tricks.

„Na, hat der alte Sven dich wieder abgezogen?“ Marco steht feixend neben mir und wirft einen nicht allzu großen Schatten auf mich. Der Knabe ist wirklich klein für sein Alter und ich schätze mal nicht, dass er noch viel wachsen wird. Das ist beinahe niedlich, aber ich hüte mich natürlich etwas derartiges zu sagen, denn ein Nasenbruch wäre dann mehr als wahrscheinlich.

„Er spielt nicht fair.“ Eine andere Erklärung gibt es nicht, er kann nicht derartig oft soviel Glück haben.

„Ach, aber du?“, schnaubt Marco und greift sich ein paar Seile um die Segel festzuzurren.

Ich lehne mich gemütlich zurück und sehe ihm beim Arbeiten zu.

„Nun, wir spielen ja ohne Einsatz.“ Ich gebe ihm ein paar Sekunden das zu verdauen, stehe auf und stecke die Spielkarten in das Säckchen. Normalerweise ist Glücksspiel an Deck strengstens verboten, aber ein Spiel ist kein Glücksspiel wenn es keinen Gewinn gibt. So sehe ich das zumindest und die Männer sind für manche Abwechslung auf hoher See sehr dankbar.

„Warte!“ Marco lässt die Taue fallen und packt mich bei der Schulter. Seine Augen sind vor Wut verdunkelt, aber man kann ihm ansehen, dass er sich mit aller Mühe zusammenreißt. „Was soll das heißen?“ Seine eine Hand vergräbt sich in meinem Schal und zurrt den Stoff enger um meinen Hals. „Willst du damit sagen, du hast betrogen als du mich damals zum Wetteinsatz erkoren hattest?“

Ich lege meine Hände an seine, ziehe den Schal etwas lockerer und mache mich innerlich darauf gefasst einem Angriff auszuweichen.

„Ja.“ Ich winde mich unbehaglich in seinem Griff.

„Wie genau?“, stößt Marco durch zusammengebissene Zähne hervor und knurrt leise wie ein wildes, aufgebrachtes Tier. „Wie bescheißt du beim Würfelspiel??“

Bronson kommt herbeigehumpelt und legt seine schwere Pranke einem Schraubstock gleich auf Marcos Schulter, welcher unter dem harten Griff ein wenig in die Knie geht.

„Gibt es ein Problem, Captain?“

Ich schüttle langsam den Kopf und ringe mir ein entspanntes Lächeln ab.

„Nein, wir diskutieren nur ein paar Grundeinstellungen aus. Nicht wahr, erster Maat?“

„Halt’s Maul und sag mir wie du betrogen hast!!“

„Ich kann nicht meinen Mund halten und dennoch reden.“

Marcos Augen sprühen beinahe Funken, aber der Griff des Quartiermeisters verstärkt sich warnend und mein erster Maat dreht sich leise aufstöhnend unter Bronsons Hand. Dazu muss er wohl oder übel von mir ablassen und ich kann wieder problemlos atmen.

„Ich kann es dir gerne zeigen, aber dafür gehst du mir nicht wieder an die Gurgel, verstanden?“

Seine Antwort ist nur ein Knurren, aber immerhin enthält es keine weiteren Beleidigungen. Ich taste zielsicher nach einem der Säckchen, welche sich so zahlreich an einem meiner vielen Gürtel tummeln. Das Abknoten gestaltet sich ein wenig schwerer, da ich nicht geneigt bin den Blickkontakt mit dem ersten Maat abzubrechen. Ich habe mal gelesen, dass man wilde Tiere in bedrohlichen Situationen am besten gar nicht in die Augen starrt, da es sie reizt, aber bei Menschen funktioniert das meist sehr gut und einschüchternd.

Nach schier endlosen Sekunden ohne erlösendem Blinzeln kann ich endlich aufatmen.

„Streck einmal die Hand aus,“ fordere ich Marco auf und nestle das Säckchen auf.

Widerwillig tut er wie ihm geheißen und starrt mich weiterhin lauernd an. Ich lasse die Würfel in seine Hand kullern, exakt die kleinen braunen Teile welche ich gegen den Morgados benutzt habe. „Fällt dir etwas auf?“

Mein erster Maat schweigt, er zieht die Augenbrauen zusammen und es bildet sich eine Furche dazwischen. Ich bin geneigt meinen Finger gegen die Falten zu drücken, aber dann würde Marco mir sicherlich eine reinhauen.

„Dafür, dass sie so klein sind, sind die Würfel ziemlich schwer.“

„Sehr richtig. Magst du schätzen aus was für einem Material sie bestehen?“ Ich verfalle abermals in meine Lehrermasche, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber ich bin mit Leib und Seele eine Klugscheißer, ich vermag es einfach nicht abzustellen.

„Anker setzeeeeeen!!“ Bronson organisiert das Anlegen, Marco ist viel zu versunken als dass er die Befehle mitbekommt. Das Schiff kommt mit einem sanften Ruck zum Liegen und wir werden nur noch von seichten Buchtwellen hin und hergeschaukelt. Nach so viel Zeit auf dem offenen Meer fehlt mir sofort das Gefühl des Fahrtwindes und die großen Wogen, welche meine Nussschale tanzen lassen.

„Sie sehen aus, als wären sie aus Holz. Aber das Gewicht stimmt nicht und sie fühlen sich auch anders an.“

Ich nicke zufrieden, da hat jemand gute Arbeit geleistet.

„Wirf sie einmal.“

Marco tut wie ihm geheißen und die sechs kleinen Würfel kullern über den Boden. Sie kommen mit unterschiedlichen Zahlen zum Liegen und ich nestle ein weiteres Säckchen auf. Daraus hole ein flaches Stück Metall hervor und werfe es dem ewigen Zweifler zu.

„Was ist das?“

„Halt es mal über die Würfel...“

Mit kritischer Miene hebt Marco das gefangene Ding über die braunen Würfel und prompt drehen sie sich mit der Eins nach oben. Er schnaubt mit einer Mischung aus Verwunderung und Verärgerung, sammelt die Spielstücke ein und gibt sie mir zurück.

„Ein Magnet und gezinkte Würfel. Das war riskant. Hätten sie das herausgefunden, dann hätten dich die Männer des Morgados noch in der Kneipe getötet.“

„Ich weiß. Aber wer nicht auf Risiko setzt, der gewinnt auch nicht so hoch.“ Ich räume sorgfältige meine kleine Schummelein fort und zwinkere meinem verstimmten ersten Maat gutgelaunt zu. „Und jetzt wollen wir uns mal auf die Lauer legen.“
 


 

Es ist eine wirklich laue Nacht, ich studiere gerade meine Karten bei gedämpften Licht und zugezogenen Vorhängen als Bronson klopft und möglichst leise eintritt.

„Captain, wir haben ein Schiff gesichtet. Es hat nur langsame Fahrt, viel Tiefgang, aber mehr ist nicht ersichtlich. Es wird uns bei gleichbleibender Geschwindigkeit in wohl gut einer Stunde passieren.“

Marco setzt sich auf unserem Bett auf und die Gier glitzert in seinen Augen. Exakt das ist die Emotion, hinter der ich her bin. Zufrieden falte ich meine Karten zusammen und nicke entspannt.

„Sehr gut, wir werden es passieren lassen und ihm dann folgen. Im richtigen Moment starten wir einen Überraschungsangriff und schon sind wir reiche Männer.“

„Sie werden uns sehen. In der Dunkelheit können wir ihnen unmöglich folgen, ohne dass unsere Lichter nicht meilenweiter zu sehen sind. Und nach Sonnenaufgang werden sie schon zu weit entfernt sein, als das wir sie noch in für uns sicheren Gewässern angreifen können.“ Bronson hat einen wundervollen Onkelton drauf, so als würde er geduldig einem kleinen Kind die Begebenheiten einer Kuhschlachtung erklären. Nur weniger blutig.

„Dann segeln wir halt ohne Licht.“ Ich zucke die Schultern und die groben, nicht gerade augenumschmeichelnden Gesichtsausdrücke meines Quartiermeister entgleisen.

„Ohne Licht?“

„Aye, ohne Licht!“

„Wir werden auflaufen, wenn wir nicht sehen wohin wir segeln.“

„Selbst wenn wir Licht haben, werden wir nicht soweit sehen können als dass wir Riffen ausweichen können.“

Bronson schweigt, so langsam keimt Verzweiflung in ihm auf.

„Das wäre dann wohl reiner Selbstmord.“

Immer diese Kleingeister. Ich drehe mich zu Marco um, dieser blinzelt mich vage interessiert an. Er schnaubt lediglich und ich kann mir ein kurzes, äußerst männliches Kichern nicht verkneifen.

„Nein, Quartiermeister, das ist ein Abenteuer. Und du wirst mir schon vertrauen müssen. Ruf mich in einer Stunde, wenn uns das Silberschiff passiert hat. Sag den Männern, sie sollen sich bereithalten.“

Bronson trollt sich rebellisch vor sich hinmurmelnd und vom Bett aus kommt ein äußerst seltsames Geräusch. Marco kichert.

„Ein Abenteuer?“

„Jawohl, genau das.“

„Du trägst dicker auf als alte reiche Frauen ihre Schminke.“

„Wie würdest du es denn titulieren?“

„Wahnsinn?“

„Sag ich doch, ein Abenteuer.“ Zufrieden weiche ich dem Kissen aus, welches der erste Maat nach mir wirft und vertiefe mich wieder in meine Kartenstudien.
 


 

Es könnte sein, das dieses Abenteuer doch eine Spur zu groß geplant ist. Mehrfach haben wir schon kleinere Riffe haarscharf umkurvt und mehr als einmal ging ein beunruhigendes Ruckeln durch den Rumpf. Aber bisher schlage ich mich gut. Ohne Licht, nur mit Hilfe der Sterne.

„Du wirst uns alle umbringen, du Penner!“

Marco verpasst mir einen Hieb auf die nackte Schulter und ich werde aus meiner anstrengenden Konzentration gerissen.

„Aua... Wenn du mich ablenkst, dann kann das gut der Fall sein!“ Ich atme tief durch und starre wieder in den Himmel. „Etwas mehr Richtung Steuerbord.“

Das Schiff dreht sich sachte weiter nach rechts und ich muss mich in Gedanken selbst loben.

„In einer halben Stunde beginnt die Dämmerung, wir setzen in ungefähr zehn Minuten alle Segel und bringen uns an das Silberschiff ran. Da sie genauso wenig sehen wie wir, fahren sie äußerst langsam. Mit der aufgehenden Sonne wird das Schiff unser sein.“

„Sollen die Männer die Kanonen bereit machen?“ Bronson bringt Erfahrung mit, man merkt es deutlich. Er wird immer blasser, auch wenn man das eigentlich in der Dunkelheit nicht sehen dürfte. Es geht um den literarischen Inhalt!

„Ja, das auch. Und hol die Musiker!!“

Dieses Mal bekomme ich einen Schlag in die Rippen und jaule leise auf.

„Musiker?“, zischt Marco aufgebracht. „Bist du völlig von Sinnen?“

So langsam kränkt mich der ständige Zweifel an meiner Person und meinen Plänen, von daher schlage ich einen maulenderen Ton an.

„Bisher hat doch alles gut geklappt!“

Mein erster Maat erhebt sich und wendet sich zum Gehen.

„Wohin willst du?“

„Mein Entermesser holen.... und beten.“

Das verwundert mich nun doch.

„Du betest?“

„Seit heute.“ Und damit lässt er mich stehen. Auch gut! Ich schmolle und sage das nächste Mal recht spät Bescheid, dass da ein kleines Riff lauert.

Zehn Minuten später läuft alles nach meinem Plan, die Mannschaft versammelt sich an Deck. Hektisch werden Segel gesetzt, wir gewinnen prompt an Fahrt. Wenn meine Berechnungen stimmen, und das müssen sie, da ich sie seit einigen Monaten immer und immer wieder überprüft habe, müssten wir uns nun in gefahrloseren Gewässern befinden. Ideales Territorium für einen Angriff. Meine Vorfreude auf mein erstes Seegefecht beginnt mir zu Kopfe zu steigen und ich summe vergnügt vor mich hin, was mir seitens der Männer äußerst kritische Blicke einbringt. Mir egal, ich lasse mir den Spaß nicht verderben!
 


 

Als es beginnt, geht alles recht schnell. Wie geplant schließen wir in der Dunkelheit nah auf und erst als die Morgendämmerung einsetzt, werden unsere Opfer unserer gewahr. An Bord des Silberschiffes bricht Panik aus, ich hingegen weise meine Mannen gelassen an uns steuerbord neben unsere zukünftige Rente zu bringen. Der Captain wird aus dem Schlaf gerissen und er stürmt sich noch im Laufe ankleidend an Deck. Seine Mannschaft ist unstrukturiert, durch die Überraschung bekommen sie keine rechte Strategie zustande. Zeit für meinen Auftritt. Auf meinen Wink hin beginnen die Musiker zu spielen, es ist eine Kakophonie erster Güte, welche selbst dem tapfersten Seemann den Urin in die Hose treibt. Die Drei an den Instrumenten bestärken die andere Besatzung nur noch mehr in ihrer Gewissheit, dass die Apokalypse über sie einbricht.

„Seid gegrüßt, meine Freunde. Wir sind Ihr persönliches Empfangskomitee aus der Hölle und machen Sie sich nicht die Mühe sich zu wehren. Das ist unnütz und könnte meine Männer lediglich zu unnötigen Gewaltakten inspirieren.“

Ein lautes Raunen und böses Lachen weht über mein Deck, als Antwort bekommen wir ein verängstigtes Jammern und trotziges Aufbegehren und Fluchen. Der andere Captain drückt dramatisch die Schultern durch und starrt mich möglichst einschüchternd an.

„Höre, Knabe! Wenn ihr Pack dort nicht Bekanntschaft mit unseren Kanonen und Säbeln machen wollt, dann dreht schleunigst bei und seht zu, dass ihr Abstand bringt zwischen uns und eure ungewaschenen Hälse. Auf die wartet doch eh nur der Strick.“

Ich gähne betont gelangweilt, ich habe ja was ich will.

„Es ergibt sich also niemand und ihr wollt euch nicht eurem endgültigen unausweichlichem Schicksal fügen?“

„Zur Hölle, nein!! Meine Männer sind gute Kämpfer, du hast da doch nur Abschaum!“ Der arme namenlose Captain ist nicht nur sehr verstimmt, er ist auch nicht in der Lage seine prekäre Situation auch nur annähernd korrekt einzuschätzen. Mitleidig zucke ich die Schultern.

„Aber es ist gruselig singender Abschaum, der für das Silber auf deinem Schiff dem schwarzen Gott persönlich den Dreck aus den Fußnägeln kratzen würde. Pech für dich.“

„Du legst es also drauf an, Knabe?!“ Der erfahrene Seebär linst mich misstrauisch über die Reling an und schüttelt beinahe traurig den Kopf. „Dann wirst du sterben.“

„Nicht heute. Erst später und um ein Silberschiff reicher!“ Ich habe die Schnauze voll.

Marco tritt wie zur Bestätigung neben mich und klatscht mir fies die flache Hand an den nackten Rücken.

„Wie lange willst du noch labern? Die haben doch in der ganzen Zeit schon ihre Kanonen fertig gemacht! Vollidiot!“

„Das weiß ich doch,“ flöte ich gutgelaunt und kassiere noch einen Hieb. „Aua.... Also denn. Möge der reine Gott nett über dich und deine Mannen richten!“ Ich winke dem Captain freundlich zu, der einmal kurz zusammenzuckt und grinse dann Bronson neben mir an. „Quartiermeister, erteile den Befehl zum Feuern!“

„FEUEEEER!“ Bronsons Stimme dröhnt über und unter Deck und alsbald verwandelt sich die Welt um mich herum in die real gewordenen christliche Interpretation der Hölle. Da das Silberschiff uns sehr nah ist, regnen kleine und große Holzsplitter, einige brennend, andere verflucht spitz, aus allen Richtungen auf uns hernieder. Meine Männer gehen in Deckung, der alte Sven johlt fröhlich hinter seinem Mast und stimmt eine Arie im Sopran an. Er singt besser als meine Musiker, das gibt mir zu denken. Seine Stimme geht jedoch schlagartig in den Explosionen unter als sich eine weitere Salve durch die Breitseite des zu erobernden Schiffes und durch dieses hindurch schlägt. Unsere Treffer haben die eh schon recht kleine Anzahl der feindlichen Kanonen noch zusätzlich dezimiert, aber ich verbiete den Einsatz unlauterer Geschosse. Aus der geringen Entfernung wäre es ein Leichtes das Schiff zum Sinken zu bringen, aber dann wäre auch das Silber für die Fische. Und außerdem freue ich mich schon seit Ewigkeiten auf einen vernünftigen Schwertkampf auf Leben und Tod. Daher bin ich auch der Erste, der sich auf das gegnerische Deck schwingt. Ich atme tief durch, lasse den Eindruck von gezündetem Schwarzpulver, Rauch, brennendem Holz und frischen Fleischwunden kurz auf mich wirken, dann ziehe ich meinen Degen. Marco landet neben mir, schaut meine Waffe geringschätzig an und zischt leise.

„Pass auf, dass du nicht abkratzt. Dein Tod ist mein Privileg!“ Mit diesen Worten schmeißt er sich mit gezücktem Entermesser in der einen und dem schweren Dolch in der anderen Hand ins Getümmel. Wie süß, ihm scheint etwas an mir zu liegen und sei es auch nur mein Ableben.

Mir bleibt nicht viel Zeit mich über die ungewollte Zuneigungsbekundung zu erfreuen, ich werde nämlich angegriffen. Die Besatzung des Silberschiffs stellt sich aus vielen Seemännern, ein paar Sklaven, wenigen Marinesoldaten und noch weniger freiwilligen Übersetzern zusammen. Die Sklaven schätzen die Lage ganz gut ein, die Meisten laufen ohne zu Zögern zu uns über. Das Leben eines Piraten mag beschwerlich und recht kurzweilig sein, aber kaum etwas ist menschenunwürdiger als das Dasein eines Sklaven auf einem Schiff. Die Soldaten hingegen nehmen ihren Beruf fürchterlich ernst und geben ihr Bestes. Mein erster Gegner kämpft so sehr nach Lehrbuch, dass er nach zwei Angriffen tot ist. Sehr langweilig und uninerteressant. Als ich ihn näher betrachte, schaut mich das verzerrte Gesicht eines Mannes an, der kaum älter ist als ich. Schulterzuckend wende ich mich meinem nächsten Kontrahenten zu, welcher zwar auf mich zustürmt, mich aber nie erreicht, da ihm Bronson von hinten seinen Säbel in die Brust treibt. Gutgelaunt verneige ich mich in die Richtung meines Quartiermeisters und halte Ausschau nach einem würdigem Gegner.

Ich liebe das Schicksal, Dramatik und die richtige Beleuchtung. In Momenten, in denen alle drei Sachen zusammentreffen, werde ich schwach. Die Sonne bricht über das Meer hinweg auf, erste Strahlen lecken über die beiden Schiffe und theatralisch fällt ein Sonnenfinger auf den Captain, welcher schwertschwingend auf einem Deckenaufbau steht und Befehle in seine Meute brüllt. Wenn das mal kein Fingerzeig des Schicksals ist...?!

Ein wackeres Liedchen vor mich hinpfeifend, irgendwelche grünschnäbeligen Anfänger ohne großes Interesse links und rechts niederstreckend, wandle ich zielstrebig auf meinen nächsten großen Etappensieg zu. Der Captain erblickt mich als ich nur noch wenige Meter von ihm entfernt bin und gerade meine Waffe durch den Brustkorb eines Mannes steche und ich kann Unglaube auf seinem Gesicht erkennen. Die Vorfreude schwillt in mir an und mein Herz springt mir jauchzend in die Kehle. Ich weiß, dass Hochmut stets vor dem Fall kommt, aber ich kann nichts gegen diesen Schub in mir tun. Ich will kämpfen, mich mit einem richtigen Gegner messen, jemand der mir nicht nur vom Körper her ebenbürtig ist. Und dann will ich mit ihm den Boden wischen, ihn sein eigenes Blut saufen lassen. Eine sehr angenehme Vorstellung.

„Du bringst Tod und Verderben über uns alle, Knabe.“

„Nur über den Verlierer, der Sieger hat nichts zu befürchten.“

„All die unnütz verschwendeten Leben....“

Ich zucke die Schultern angesichts solcher Melodramatik.

„Willst du nun um das Deine kämpfen oder soll ich dich einfach so umbringen?“

Dies scheint den Mann mir Gegenüber wieder ein wenig in Fassung zu bringen, der Kampfgeist kehrt in ihn zurück und er strafft seine Muskeln.

„Wie du willst, Knabe! So werde ich dein Henker sein!“

Dass ich noch einmal jemanden treffen würde, der noch geschwollener redet als ich...? Nun, man wird immer seinen Meister finden. Ich werfe noch einen raschen Blick in die Runde, Marco schmeißt gerade einen Halbtoten über Bord, Bronson schlägt sich tapfer und Mr. Peacemaker rupft an etwas in bonbonsahnecremefarbenem Tüllstoff herum. Besser einfach nicht fragen.

„Dann wollen wir mal.“ Mit aller mir verbliebener Ruhe platziere ich mich vor dem Mann auf dem erhöhtem Aufbau und bringe mich in Position. Mein Degen hängt still und erwartungsfreudig in der Luft, er zittert nicht. „Alter vor Schönheit, du darfst anfangen!“

Ich erwarte noch eine hochtrabende Antwort, aber ohne ein weiteres Wort springt der gegnerische Captain auf mich zu und es gelingt mir nur mit unerwartet viel Mühe diesen Angriff zu parieren, wenngleich ich auch damit gerechnet hatte. Es wird schlagartig klar, dass der Kerl sich seinen Posten in der spanischen Marine wohlverdient hat und dass dies ein heißes Tänzchen wird.

Die Hiebe meines Partners sind hart, sein Kampfstil ist nicht aus dem Lehrbuch sondern aus dem Leben gegriffen. Die ersten paar Streiche kann ich ganz gut parieren, aber es ist unerwartet schwer mit einem Degen dagegen zu halten. Gut, logisch ist es schon, aber ich hatte es mir dennoch einfacher vorgestellt.

Der Säbel fliegt beinahe auf meine Brust zu, ich kann mich in letzter Sekunde zur Seite drehen, bekomme aber schon einen Tritt in die Rippen, welcher mich aus der Bahn wirft. Ich verfluche meine eigene Unkonzentriertheit und rufe mich innerlich zur Ruhe, während ich mich aufrapple und sofort einem erneutem Vorstoß ausweichen muss. Zugegebenermaßen, der Schmerz ist nötig um mich von meinem hohen Ross runterzuholen. Dies ist kein Späßchen, dies ist bitterer Ernst. Von uns beiden wird maximal einer lebend aus dem Zweikampf hervorgehen und ich habe vor eben dieser zu sein. In mir braut sich eine grimmige Entschlossenheit zusammen, legt sich beruhigend um mein Herz und bringt meine Gedanken zur Raison.

Mein Degen liegt mit einem Mal schwer in meiner Hand, so als würde an ihm das Gewicht meiner Entscheidung hängen. Ich verlagere mein Balance auf das hintere Bein und das Geschehen um mich herum wird undeutlich und langsam, lediglich mein namenloses Gegenüber tritt beinahe schmerzhaft scharf aus als den Schemen hervor. Ich atme tief durch, schließe kurz die Augen und lasse meinen Degen vorschnellen. Beinahe ohne Widerstand dringt er in den Oberschenkel des Captains, welcher ebenfalls einen Angriff startet. In einer fließenden Bewegung ziehe ich meine Waffe wieder zurück, pariere im gleichen Zug den schweren Säbel und schlage dem Mann mit aller Kraft die Faust ins Gesicht. Ich kann Knochen brechen spüren, nur ist nicht ganz klar wem sie gehören. Meine Linke schmerzt sofort, aber aus der Nase des Anderen schießt eine Blutfontäne und benommen sackt er in die Knie.

Es ist die ideale Gelegenheit den Kampf für mich zu entscheiden, aber ich zögere im entscheidenden Moment. Nicht dass ich ein Problem damit hätte zu töten, ich habe schon einige Seelen auf dem Gewissen und es werden sicherlich noch mehr. Aber ihm gebührt es irgendwie wenigstens im Stehen zu sterben. Und so rappelt er sich wieder auf, die Kämpfernatur. Er blinzelt ungewöhnlich oft, scheinbar hat mein Hieb ihn ein wenig nachhaltenden Schaden verursacht.

„Ich bring dich um, du Bastard!“

„Oha... Ich scheine einen Nerv getroffen zu haben. Gerade warst du noch um einiges höflicher, alter Mann.“ Manche Leute können einfach nicht damit umgehen, ihren Meister zu finden.

„Das verdienst du nicht, bei weitem nicht!“ Er schwankt, hebt aber seinen Säbel wieder höher.

„Wie du meinst... toter alter Mann.“

Meine Provokation bringt ihn noch mehr in Rage und mit einem Aufschrei stürzt er vor. Ich drehe mich weg, steche dieses Mal meinen Degen tief in seine Seite. Als sich das Metal aus dem Körper zurückzieht, folgt ihm eine schmale Spur an Blut. Es wirkt malerisch, aber der Säbel zuckt wieder vor und hinterlässt einen schmerzhaften, aber nicht weiter gefährlichen Schnitt knapp oberhalb meiner Hüfte. Eines muss ich dem Mann lassen, er gibt nicht auf. Und ich muss auch weiterhin auf der Hut sein, wahrscheinlich wird er noch in seinem letzten Atemzug versuchen mich zu töten.

Es wird Zeit die Sache zu beenden. Um mich herum ersterben die Gemenge, Marco brüllt Flüche und scheucht meine Mannen unter Bronsons Mithilfe durch die Gegend.

„Ihr seid geentert. Ergib dich.“

„Ich habe keine Gnade zu erwarten.“ Es ist eher einer Feststellung, keine Frage.

Ich nicke.

„So ist das wohl. Wie gesagt, der Sieger hat nichts zu befürchten... Und ich eh nichts zu verlieren.“ Ich muss grinsen. Allerdings ist es nicht fair den armen Mann noch weiter leiden zu lassen. „Leb wohl.“

So wie er mir gegenüber steht, ist es mir ein Leichtes meinen Degen in seine Brust zu stoßen. Zielsicher treffe ich sein Herz, das Blut scheint mir förmlich aus der Wunde entgegenzuspritzen. Es landet beinahe heiß auf meinem Oberkörper, es fühlt sich zähflüssig und klebrig an. Ziemlich abstoßend. Als ich meine Waffe aus meinem Feind ziehe, stolpert dieser bis zur Reling zurück. Er lehnt dagegen, hebt den Blick und winkt mich kraftlos zu sich. Einem Sterbenden erfüllt man seinen Wunsch, seinen Säbel hat er schon längst verloren.

„Ja..?“ Ich bin doch etwas neugierig.

„Komm näher...“ Sein Ton ist gebrochen und das leise Röcheln macht seine Worte noch unverständlicher.

„Scarf!“ Marco erklimmt hinter mir die Treppe zum oberen Deck, ich höre seine schweren Stiefel auf dem Holz. Er ist Zeuge meines Sieges und ich freue mich heftig darauf, dass er mir wohl dafür ein wenig Bewunderung zollen wird. Oder ob er gar stolz empfinden wird? Jedenfalls sollte es sein Bild von mir aufbessern.

„Scarf, geh weg von ihm, du Volldepp!“

Ich drehe mich halb um, sehe gerade noch wie mein erster Maat die Hand ausstreckt und mich fassen will, da wird mein Schal mit einem enormen Ruck nach Hinten gerissen. Mir schnürt es die Luft ab, ich taumle zurück, aber das Gewicht an meinem geliebten Schal lässt nicht locker, sondern stranguliert mich unbarmherzig weiter. Ich versuche mich umzudrehen, nach dem Sterbenden zu schauen, aber alles was ich sehen kann ist die Reling über die ich kippe. Unter mir stürzt der Captain in die wogenden Wassermassen, seine Hände im Todeskampf in meinen Schal gekrallt. So ein unvorhersehbarer Mist! Er reißt mich doch glatt mit sich in die Verdammnis.

Vom Kampf übermäßig erhitzt bricht das Meer eiskalt über mir zusammen und zusätzlich zu meinem kleinem Atemproblem spüre ich genau wie mein Herz aufhört zu schlagen. Während mir schwarz vor Augen wird, schießt mir noch der Gedanke durch den Kopf, dass das doch alles so einfach hätte sein sollen... Na ja, ein Ziel hab ich wenigstens erreicht: Das Silberschiff ist nun in Marcos Hand.
 

Arrr... ich muss zugeben, dass mir dieses Kapitel unerwartet schwer gefallen ist. Ich weiß nicht genau woran das gelegen haben mag, aber ich denke Scarfs Psyche ist im Kampf eher hinderlich als vernünftig zu gebrauchen.

Liebste Anni, ich habe mein Versprechen gehalten und es bis heute geschafft. Aber auf deinen gewünschten dramatischen Tod und die Action musst du bis zum nächsten Kapitel warten. Aye, tut mir leid...

Und warumw erden die Kapitel immer länger?! Man weiß es nicht genau, aber kichern wir doch einmal kurz und männlich. Thihihi! XD

Arrr, bis bald meine Landratten!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  James
2009-12-04T19:16:52+00:00 04.12.2009 20:16
es ist irgendwie krass, dass scarf so unfassbar drama-süchtig ist..
ey.. so ne dramaqueen hab ich ja noch nie erlebt... x_X''
xDDD und wweil wir grad so schön drüber gelabert haben:
so geil die gewonnene zeit (für die sie ihr leben riskiert haben XD)
einfach mit pseudo DRAMATISCHEM inhalt zu verschwenden... -.-'''''
ich will ihn definitiv einfach heiraten. oder ein one night stand. oder einfach n blow job oder so xDDD letzteres war n scherz <__<
Von:  Captn
2009-08-22T18:49:58+00:00 22.08.2009 20:49
Oh mann, SWcarf is son depp!
Da macht er immer einen auf klug und fällt auf sowas rein...
Das hab ja selbst ICh kommen sehn >_<.
Als da stand "stolpert dieser bis zur Reling zurück. Er lehnt dagegen, hebt den Blick und winkt mich kraftlos zu sich" dachte ich schon :
Der will sich doch hundertpro mit Scarf über die Reling fallen lassen!
Marco muss besser auf ihn auspassen, sonst wird er ihn nie ans erstes töten dürfen! XD
Aber uích mochte den Kampf, war mal was anderes!
War zwar nicht allzuviel Kampf in der Kampfszene, aber diese ganze Melodramatik, mit der Scarf die Sache angegangen ist ,war schön! X3
AM besten war sein auftritt mit musikalischer untermalung, ich hab mich weggeschmissen, ey! XDDD
Ich will auch lemanden, der mit na geige immer hintermir steht und meine Taten musikalisch hevorhebt >__<.!
Und bei Scarf "kurzem Männlichen Kichern" hab ich mich doch glatt am Tee verschluckt! XD Da stehst du cht drauf, oder?
Ich liebe den verrückten Sven, er ist das beste Mitglied an Bord *_____*!
Kann er kämpfen? Würde er sich selbst für einen Feind halten und den Säbel gegen sich richten? Oder würde er einfach mit dem Ding in der Luft herum fuchteln, weil er nur glaubt, gegner vor sich zu sehen?
Hmmm es ist und bleibt ein Rätsel...
XDDD


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