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FFVII: Blue Wanderer - In the lines

von

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Was im Labor entstand

Sephiroth hatte schon viele Herausforderungen gemeistert und wusste genau, worauf es bei einem Kampf ankam: Die richtige Taktik, die richtige mentale Einstellung und die passende Ausrüstung. Für gewöhnlich hatte der General keinerlei Probleme, diese drei Punkt der zu bewältigenden Aufgabe anzupassen und das Schlachtfeld (einmal mehr) als Sieger zu verlassen. Aber das hier war kein gewöhnlicher Kampf, dasselbe traf auch auf das Schlachtfeld zu, und zum ersten Mal seit langer Zeit war sich Sephiroth nicht sicher, wer letztendlich den Sieg davontragen würde, denn momentan waren er und Cutter unterlegen – unterlegen, nicht `besiegt´. Diesen Unterschied galt es ganz klar hervorzuheben. Denn `besiegt´ war nur, wer aufhörte, zu kämpfen. Davon waren Sephiroth und Cutter weit entfernt, konnten das Bewusstsein um die neuen, ihnen von ShinRa angelegten Ketten aber nicht ganz ignorieren.
 

Besonders Cutter litt unter der neuen Situation. Vor dem Rückfall hatte sie ihrem Spiegelbild mit den `raubtierfarbenen´ Augen eine Grimasse ziehen und sich amüsiert wieder abwenden können, fest davon überzeugt, die Sache mit dem G-Mako sei einmalig und ausgestanden. Begegnete sie ihrem Spiegelbild mit den Bernsteinaugen jetzt irgendwo, wurde sie sofort ganz still und starrte sich mit einem immer finsterer und trauriger werdenden Blick an. Für gewöhnlich dauerte es etliche Sekunden, ehe sie die Kraft fand, sich von ihrem Spiegelbild zu lösen und die ursprünglich begonnene Tätigkeit fortzusetzen.
 

Sephiroth konnte dieses Verhalten nur zu gut verstehen. Das Bewusstsein, sich nur noch unter den Lebenden zu befinden, weil Mako dafür sorgte, und somit von ShinRa abhängiger zu sein als jemals zuvor, lastete schwer auf Cutters Seele. Ihr Glaube an eine bessere Zukunft und einen Sieg des `Guten´ war immer so stark gewesen, nahezu unerschütterlich ... aber jetzt hatte dieser Glauben einen schweren Treffer erlitten – und Sephiroth war besorgt. Wäre dies eine normale Schlacht gewesen, er hätte Cutter vom Kampfplatz getragen, ihre Wunden versorgt und sie erst dann wieder in den Kampf geschickt. Aber genau das war jetzt nicht möglich.
 

Zwar wusste er, dass Cutter auch in ihrem jetzigen, angeschlagenen Zustand kämpfte, sich immer wieder sagte, dass die Schlacht noch nicht verloren war und auch sonst alles tat, um sich zu motivieren, aber beiden war klar, dass sie von ihrem so oft gesagten `Alles wird gut!´ niemals weiter entfernt gewesen waren, als jetzt. Und so begannen sie, den von Sephiroth gefassten Plan, eine Alternative zum G-Mako zu suchen, in die Tat umzusetzen. In der Praxis bedeutete das, Cutters angeschlagene Organe durch die Zuführung spezieller Wirkstoffe zu stärken, in der Hoffnung, die Makobehandlung auf diese Art und Weise immer weiter hinauszuzögern und eines Tages sogar ganz einstellen zu können. Aber dieser Plan erforderte ein intensives Studium verschiedenster, nicht immer leicht verständlicher Bücher, und somit viel Zeit.
 

Während Sephiroth im High-Tec Bereich forschte, versuchte Cutter ihr Glück mit dem intensiven Studium der Natur und deren heilenden Eigenschaften, eine Ebene, auf der ihr die Lines beim Aufspüren der benötigten Blumen, Gräser, Farne, Pilze etc. gute Dienste leisteten. Dank der Missionen, auf die Sephiroth sie immer noch schickte (der General dachte gar nicht daran, seine Freundin zu schonen, denn erstens war sie fest eingeplant, und zweitens halfen ihr die Einsätze, sich gedanklich etwas zu entspannen, ganz abgesehen davon hätte Cutter auch gar keine Schonung akzeptiert), kam die junge Frau selten ohne etwas `Naturiges´ zurück, das dann entsprechend der Anleitung in irgendeinem Buch aufbereitet und angewandt wurde. Ob die Methoden anschlugen, ließ sich allerdings noch nicht sagen, und so glich die Zeit einer Reise durch dichten Nebel. Sephiroth wusste, mehr konnten er und Cutter momentan nicht tun, und so kämpften sie, Rücken an Rücken, nicht bereit, aufzugeben, Halt suchend (und findend) in der Nähe des anderen.
 

Wie wichtig Cutters Nähe für Sephiroth war ... Es war ihm immer noch nicht gelungen, jene drei so schwierigen, so wichtigen Worte laut auszusprechen – aber er hatte sie verwandelt. Die entsprechenden Vorbereitungen waren ihm nicht leicht gefallen, aber das Ergebnis übertraf selbst seine Erwartungen. Es war ebenso perfekt wie das Original. Jedes winzige Detail stimmte. Hier war ein wahrer Meister seines Fachs am Werk gewesen. Und Cutter würde es verstehen. Sofort! Sie würde ihn einen Augenblick lang ansehen, sprachlos, ihm dann restlos begeistert um den Hals fallen und ihn schließlich bitten, ihr beim Anlegen zu helfen.
 

Es gab da nur ein winziges Problem. Wie machte man jemandem ein solches Geschenk? Es einfach nur einzupacken und mit einem `Für dich´ zu überreichen erschien extrem plump hinsichtlich der für Sephiroth so großen, transportierten Botschaft. Er hätte Zack fragen können. Dem 1st wäre mit Sicherheit etwas eingefallen. Vermutlich sogar (nach einigen Fehlschlägen) etwas Gutes. Aber aus irgendeinem Grund, den der General nicht einmal selbst definieren konnte, wollte er die Überreichung mit niemandem außer Cutter teilen. Und so beschloss er, das Geschenk vorübergehend zu behalten, bis ihm eine passende Lösung einfiel.
 

Cutter selbst ahnte nichts von diesen Vorgängen. Sie wusste nur mit tiefer inner Sicherheit dass, völlig unabhängig von allen anderen Geschehnissen, sie und Sephiroth sich näher standen als jemals zuvor. Die unsichtbare Verbindung zwischen ihnen war im Laufe der Zeit noch stärker geworden. Mittlerweile mussten sie einander nur ansehen um zu wissen, was der andere dachte, und bei Missionen, die sie gemeinsam durchführten, konnte es geschehen, dass der General seinen Death Walker festhielt, noch bevor dieser auch nur einen einzigen Muskel mit Kurs in eine völlig unüberlegte Richtung bewegt hatte. Für gewöhnlich rief diese Behandlung bei den restlichen Missionsteilnehmern eine Welle der Erheiterung hervor, zumal Cutter stets auf ihre üblich unlogische, aber sehr begeisterte Art protestierte (und nicht das Geringste bewirkte). Dennoch blieb die Lage mehr als ernst.
 

Zu den anderen, nicht weniger ernsten Aufgaben gehörte immer noch die von Cutter vorgenommene Überprüfung der Reflektorenlines, und obwohl nach wie vor SOLDIER und Army mit dem Auftrag, verdächtig aussehende Personen unverzüglich festzunehmen, durch die Stadt streiften, gab es doch täglich neue Lines zu vermelden. Niemand wusste, wie Solar Solution es anstellte, aber die eisige Ruhe, mit der Rufus alle neuen Zahlen zur Kenntnis nahm bewies, dass eine Antwort im Grunde längst nebensächlich war. ShinRas Macht über die Stadt schrumpfte mit jedem Tag. Und irgendwann musste sich Sephiroth Gewissheit darüber verschaffen, wie viel von Midgar tatsächlich noch übrig war.
 

Für gewöhnlich musste man, um auf solche Daten zugreifen zu können, einen Haufen Genehmigungen besitzen, oder die Leiter der Midgar betreffenden Reaktoren bedrohen, das Computersystem hacken oder Rufus Shinra heißen. Sephiroth brauchte nichts dergleichen, hatte er doch etwas wesentlich Effektiveres: Eine Freundin, die mit den Lines arbeiten konnte.
 

Es bereitete Cutter einen Riesenspaß, Rufus auszuspionieren und, als dieser sein Büro verließ, sämtliche Sicherheitsvorrichtungen auszuschalten, um Sephiroth den Weg zu ebnen. Der General huschte wie eine Katze in das Büro seines Arbeitgebers, aktivierte dessen Laptop, gab einen Code ein, den er niemals hätte besitzen dürfen, und schmunzelte wenig später verhalten.
 

Natürlich verfügte Rufus über ein Programm, das ihn jederzeit über die durch Mako versorgten Haushalte Midgars informierte, natürlich war es immer aktiv, und natürlich öffnete es sich, sobald der Laptop aus dem Ruhemodus geholt wurde. Sephiroth sah auf die Zahl und nickte fast beifällig. Solar Solution hatte, wenn man das so sagen durfte, gute Arbeit geleistet. Verdammt gute Arbeit!
 

„Sephy!“ Cutters Stimme klang klar und deutlich über sein Headphone. „Du kriegst Besuch!“
 

„Lass mich raten.“ Er nannte einen Namen – und erhielt prompt die Bestätigung. „Ist Rufus noch im Labor?“
 

„Positiv.“
 

Sephiroth lauschte auf seinen Instinkt. Entschied sich, das Risiko einzugehen und wies Cutter an, den Besuch passieren zu lassen. Dass sich eine solche Person auf den Weg zu Rufus Büro machte, war nichts Besonderes. Es sei denn, Rufus hielt sich momentan nicht dort auf ... Und so behielt Sephiroth die derzeitige Position bei und überprüfte in aller Ruhe noch einige weitere Zahlen. Er sah nicht einmal auf, als sich die Tür vorsichtig öffnete, sondern begrüßte den heimlichen Besucher lediglich mit einem kühlen:
 

„Kleiner Alleingang, Tseng?“
 

Es gab nicht mehr viele Dinge, die einen Turk irritierten. Aber jemanden zu sehen, der sich niemals alleine an einem solchen Ort hätte aufhalten dürfen, noch dazu hinter dem Schreibtisch des Präsidenten, eine Hand auf der Maus, die andere an der Laptoptastatur ... Eigentlich hätte Tseng sofort das Feuer eröffnen müssen. Aber er tat es nicht. Er war, schlicht und ergreifend, zu verblüfft.
 

„Soll ich Ihnen die Zahl nennen“, erkundigte sich Sephiroth gelassen und weiterhin ohne aufzusehen, „oder möchten Sie selbst nachsehen?“
 

Tseng zögerte, kämpfte mit sich selbst, seiner Ehre, seiner Neugier, seinem Instinkt ... und trat schließlich neben den General, um ebenfalls (wie geplant) einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. Die angezeigte Zahl war so niedrig, dass sich die Augen des Turks unwillkürlich weiteten. Nur ein wenig, aber genug, um Sephiroth augenblicklich die richtigen Schlüsse ziehen zu lassen.
 

„Er hat Sie also nicht informiert.“
 

Tseng gab sich nicht die Mühe, zu zögern. Das kleine `also´ versicherte die Sinnlosigkeit jeder Lüge. Blieb nur die Wahrheit.
 

„Nein. Diese Zahl war mir völlig unbekannt.“
 

„Das heißt, die Turks haben keine diesbezüglichen Befehle.“
 

Tseng löste den Blick vom Bildschirm und richtete ihn auf Sephiroth.
 

„Um ehrlich zu sein, General, derzeit streifen die Turks durch die Stadt wie ein Rudel herrenloser Hunde.“
 

„Nun, vielleicht dürfen Sie bald Geschenkkörbe an die übriggebliebenen Fans der Electric Power Company verteilen.“
 

„Eine Aufgabe, die im Laufe eines Vormittags erledigt sein dürfte.“ Und nach etlichen Sekunden der Stille: „Was hat er vor, General?“
 

„Sagen Sie es mir.“
 

Einen Moment lang duellierten sich die beiden Männer wortlos mit ihren Blicken, versuchten herauszufinden, ob der andere bezüglich der an den Tag gelegten Unwissenheit nur bluffte, um an Informationen zu gelangen. SOLDIER und die Turks mochten schon immer unterschiedliche Dinge zu denselben Vorgängen gewusst haben, aber irgendetwas wussten Sephiroth und Tseng immer! Dass beide diesmal relativ oder gar völlig ahnungslos sein sollten, passte nicht ins ShinRa Konzept – und, vor allen Dingen, nicht in ihr eigenes. Letztendlich war es Tseng, der den Augenkontakt abbrach, ein für ihn äußerst untypisches Verhalten, ebenso wie seine nächsten Worte.
 

„Crescent, ich will ein weiteres Mal ehrlich sein. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was hier im Moment vor sich geht. Und es missfällt mir! Über Rufus Pläne nicht Bescheid zu wissen ist, als würde man über und über mit Dynamit behängt durch ein loderndes Feuer springen. Des weiteren werde ich das Gefühl nicht los, als befände sich meine Einheit in ernsthafter Gefahr, und wie Sie mit Sicherheit nachvollziehen können würde ich ungern mit ansehen, wie meine Leute sinnlos in den Tod gehen.“
 

Diesmal war es Sephiroth, der einen Moment lang schwieg.
 

„Tseng“, teilte er schließlich mit, „ich hätte nie gedacht, Ihnen das mal zu sagen, aber ... ich glaube Ihnen.“
 

Tseng musste unwillkürlich schmunzeln. Obwohl er kaum in Kontakt mit Sephiroth kam, er schätzte ihn. Als kommandierenden Offizier, gewissenhaften Kollegen und unerschrockenen Kämpfer. Eine dem General übertragene Aufgabe wurde kompromisslos und schnell erledigt, darauf konnte man sich verlassen. Manchmal vermittelte selbst Unbarmherzigkeit ein gewisses Gefühl von Sicherheit.
 

„Diesmal!“, ergänzte der General seine zuvor gemachte Aussage. „Höchstwahrscheinlich ist es eine Ausnahme.“
 

„Dennoch Grund genug, Ihnen hiermit eine G-2 vorzuschlagen.“
 

Eine G-2. Das Angebot zur bedingungslosen Kooperation – inklusive des sofortigen Austausches von Daten, die der einen oder der anderen Seite vorlagen, unverfälscht und zügig. Niemals zuvor hatte es etwas Derartiges zwischen den Turks und SOLDIER gegeben. Erst recht nicht in der inoffiziellen Version ... Im Prinzip wäre schon allein das Grund genug gewesen, das Angebot anzunehmen. Auch Tseng hatte seine Augen und Ohren überall ... Aber wenn er jetzt immer noch nichts wusste, standen die Chancen gut, dass sich dieser Zustand bis auf Weiteres nicht ändern würde. Abgesehen davon ...
 

Jedes Mal, wenn Sephiroth an das Labor dachte, begann sein Instinkt zu knurren, und das nicht in der üblichen Frequenz. Irgendetwas ging dort unten vor sich, und es entsprach an Schrecken nicht der gewohnten Stärke, sondern übertraf sie - und das, obwohl Cutter nicht eine einzige neue Line hatte ausmachen können. Natürlich war Sephiroth der Sache längst nachgegangen. Aber auch ihm war es nicht gelungen, an dem Inhalt der grün glühenden Makotanks irgendetwas Verdächtiges zu entdecken, zumal Hojo niemals tarnte. Dafür prahlte er zu gerne mit seinen Erfolgen.
 

Aber irgendetwas war dort unten. Und, das spürte der General mit tiefer innerer Gewissheit, es hatte mit ihm zu tun. Er konnte nicht ahnen, wie nahe er der Wahrheit bei seinem Besuch gewesen war. Aber die Turks in diese Sache mit hineinzuziehen, erschien ihm nicht sinnvoll. Und so ...
 

„Das Angebot ist verlockend, aber ich muss es ausschlagen.“
 

„Mh“, machte Tseng leise, allerdings nicht wirklich enttäuscht, „ich habe nichts anderes erwartet.“ Er schwieg einen weiteren Moment. „Rufus“, sagte er schließlich, „wird sich diese Stadt niemals einfach so wegnehmen lassen. Ich frage mich nur, wer sie für ihn zurückerobern soll, wenn seine Elitekämpfer nicht informiert sind. Dass er an etwas arbeitet, steht außer Frage. Und Sie wissen mehr darüber, als ich.“
 

„Und ich werde mein Wissen nicht teilen.“
 

„Und wie haben Sie dieses Wissen ... Ah. Cutter.“
 

„Unter anderem. Sie behält auf meinen Befehl hin seit geraumer Zeit gewisse Vorgänge, zum Beispiel Rufus ...“ (er betonte das `zum Beispiel Rufus´ auf eine Art und Weise, die einen sehr feinen Spott hinsichtlich der Bodyguardfunktion der Turks übermittelte) „... sehr genau im Auge.“
 

Tseng schmunzelte verhalten hinsichtlich der soeben erlittenen Niederlage. Für gewöhnlich schaffte es niemand, sich Rufus Shinra unbemerkt zu nähern.
 

„Cutter beherrscht ihre Fähigkeiten.“
 

„Sie ist meine Freundin. Was haben Sie erwartet? Im übrigen sollten wir jetzt gehen. Es sei denn, Sie legen Wert auf eine hitzige Diskussion mit Rufus.“
 

Tseng verließ das Büro. Sephiroth verwischte zügig alle Spuren, trat auf den Flur und von dort in den Aufzug. Letztendlich kehrte er in sein eigenes Büro zurück. Cutter, die das Gespräch mitverfolgt hatte, wartete schon gespannt – und ihr Freund hielt die gewonnenen Informationen nicht zurück. Von der ganzen gewaltigen Stadt Midgar waren gerade noch 27 durch Mako versorgte Haushalte übrig. Alle anderen bezogen ihre Energie von der strahlenden Augustsonne.
 

„Oh, shit“, wisperte Cutter. „Sephy, er verliert! Rufus verliert!“
 

„Das wird er nicht!“
 

„Aber was kann er jetzt noch tun?“
 

„Wenn Hojo mit im Spiel ist? Alles!“ Seine Stimme wurde leiser. Erinnerungsschwerer. „Die von Hojo an mir durchgeführten Experimente ... Sie müssen einem tieferen Sinn gedient haben.“
 

„Den wir vielleicht bald kennen lernen werden?“
 

„Möglicherweise.“
 

„Aber ich habe das Labor gecheckt, linestechnisch. Da sind nur diese armen Menschen in den Tanks und Hojo. Es gibt keine neuen Lines. Kann er nicht an irgendeiner Waffe arbeiten?“
 

„Das tut Hojo generell.“
 

„Nein, ich meine ... irgendwelche Pläne entwickeln, die dann zur endgültigen Fertigstellung weitergegeben werden? Vielleicht suchen wir an der falschen Stelle.“
 

Sephiroth schüttelte den Kopf. Sein knurrender Instinkt versicherte ihm, auf der richtigen Spur zu sein, aber momentan war die zu verschwommen, um ihr weiterhin folgen zu können.
 

„Wir müssen weiterhin wachsam sein. Und du stellst keinen Blödsinn mit Rufus oder Hojos Lines an!“
 

„Ich mache doch keinen Blödsinn mit Lines, ich übe!“
 

„Sicher. Wenn das nächste Mal Geige spielende Fliegenpilze gebraucht werden, sage ich dir Bescheid.“
 

Cutter musste unwillkürlich lachen.
 

„Aber sie haben schön gespielt!“
 

„Apropos `schön spielen´, ich erwarte, dass du morgen ...“
 

„Erinnere mich nicht dran! Bitte erinnere mich nicht dran!“
 

„... bei der Schulung ...“
 

Cutter ließ augenblicklich Kopf und Schultern hängen.
 

„Du hast es gesagt.“
 

„... etwas mehr Ernsthaftigkeit an den Tag legst!“
 

„Brrrr!“ Die junge Frau schüttelte sich. „Als wäre so eine Endlosschulung nicht schon an sich schlimm genug, sie auch noch auf einen Sonntagmittag zu legen ... Wenn ich nicht schon wüsste, dass Rufus ein Mistkerl ist, spätestens mit dieser Aktion hätte er mich überzeugt!“
 

„Die Schulung dauert nicht endlos, sondern nur ein paar Stunden. 8, um genau zu sein. Das ist zu verkraften.“
 

„Du musst ja nicht mitmachen.“ Sie seufzte leise. „Kann ich nicht lieber ...“
 

„Nein.“
 

„Aber ich muss so lange still sitzen! Das geht nicht, das schlägt mir aufs Gemüt, das ist total langweilig ...“
 

Sephiroth warf seinem Death Walker einen strengen Blick zu. Die darin enthaltene Botschaft war überdeutlich zu erkennen. `Wehe, wenn du einschläfst!´. Cutter seufzte leise. Sephiroth grinste. Gleichzeitig erwachte ein neuer, lockender Ausdruck in seinen Augen.
 

„Keine Sorge, ich werde im Vorfeld für genügend Energieabbau bei dir sorgen. Du wirst heilfroh sein, morgen mal nicht arbeiten zu müssen.“
 

„Oh, ja ...“, wisperte Cutter. Gleichzeitig konnte sie spüren, wie feine Röte ihr Gesicht überzog. Es spielte keine Rolle, wie oft und lange sie und Sephiroth einander körperlich so nahe kamen, es war und blieb mitreißend, und außerdem ...
 

„Du träumst, Phoenix.“
 

„Vor dir“, grinste Cutter. Und dann, wesentlich leiser und mit der Sanftheit eines Kusses auf nackter Haut: „Wann?“
 

„Sobald das wöchentliche Meeting vorbei ist, und ich ein ernsthafte Gespräch mit einem gewissen 1st Class SOLDIER, der uns beiden ausreichend gut bekannt ist, hinter mich gebracht habe.“
 

„Was hat er diesmal angestellt?“
 

Sie lauschte etliche Sekunden aufmerksam – und brach in schallendes Gelächter aus, das nicht einmal abebbte, als ihr General sie energisch des Raumes verwies. Wieder allein gestattete sich Sephiroth ein leises Seufzen. Immer dasselbe! Niemals hatte mal irgendjemand Mitleid mit ihm ... nicht einmal hinsichtlich Zacks Ideen. Mit der aktuellen hatte der 1st sich einmal mehr selbst übertroffen. Und vermutlich nicht einmal ein schlechtes Gewissen ...
 

Ich sollte ihm mein PHS einfach wortlos an den Kopf und ihn selbst hinterher wieder aus meinem Büro werfen. Deutlicher kann man wohl kaum sein ...
 

Die sich öffnende Bürotür riss ihn aus seinen Gedanken. Zack betrat den Raum, ließ sich in einen der freien Sessel fallen, packte schwungvoll die Füße auf den Tisch und erkundigte sich, die Unschuld selbst:
 

„Du wolltest mich sprechen, oh großes Idol?“
 

„Allerdings!“ Sephiroth schob sein PHS über den Schreibtisch in Richtung des 1st. „Weshalb habe ich 567 Nachrichten auf meiner Mailbox, Zackary?“
 

„Wenn ich das richtig beantworte, kriege ich dann einen Tag frei?“
 

„Natürlich. Um diese Anrufe zu bearbeiten.“
 

„Dann weiß ich von nichts.“
 

„Ich helfe dir gerne auf die Sprünge!“
 

Zack griff mit scheinheilig gerunzelter Stirn nach dem hingehaltenen Flyer, vertiefte sich in die wenigen Worte.
 

„Fällt dir dazu irgendetwas ein, Zackary?“
 

„Nein? Oder doch, hey, der Flyer hat genau die richtigen Maße für ein Papierflugzeug!“
 

Er begann begeistert zu falten. Das Ergebnis schwebte wenig später haarscharf an Sephiroths Kopf vorbei und durch das geöffnete Fenster nach draußen.
 

„Ups!“ Zack sprang auf. „Ich hole es zurü...“
 

„Hier geblieben!“
 

„Aber das ist... mh... Umweltverschmutzung! Genau! Das kann ich unmöglich zulassen! Irgendjemand muss Gaia beschützen vor all dem Müll! Jemand wie ich! Super-Zack! Mit meinem coolen, neuen, roten Cape werde ich ... “
 

„Das `Umweltverschmutzung´ gilt auch für deine Geschäftsideen!“ Ein riesiger Karton mit bunten Flyern landete krachend auf dem Schreibtisch. „`Rent a SOLDIER´, Zackary?! `Wir machen alles!´?!“
 

„Ach, das meinst du!“ Seine Stimme war immer noch die pure Unschuld. „Sag das doch gleich...“
 

„Ganz abgesehen davon, dass Nebenerwerbe von mir zu genehmigen sind... Weshalb steht meine PHS Nummer auf deinen Flyern?!“
 

„Wegen der Koordination? Ehrlich, das kann keiner besser als du!“ Und als Sephiroth davon völlig unbeeindruckt blieb: „Komm schon, Seph, mach doch mit! Es rentiert sich und bringt eine Menge Spaß!“
 

„Diese Idee kostet dich die restlichen freien Tage der nächsten drei Monate!“ Er grinste diabolisch. „Du hast Recht, es bringt eine Menge Spaß!“
 

Zack schnappte nach Luft – dann aber...
 

„Mmh... und wenn wir tauschen? Ich mache die Koordination und du darfst...“
 

„Wenn mich nicht alles täuscht, Zackary, liegt draußen irgendwo Müll in Form eines Papierflugzeuges und möchte von dir aufgesammelt werden.“
 

„Du verpasst was!“, grummelte Zack.
 

80 % erstklassiger SOLDIER und Freund, dachte Sephiroth. 20 % ... Nicht drüber nachdenken. Nicht ...
 

„Hey, Seph?“ Schlagartig klang Zack sehr ernst. Auch der Ausdruck in seinen Augen hatte sich verändert. Jetzt war es der eines 1st Class SOLDIERs, der etwas Merkwürdiges entdeckt hatte und Gewissheit wollte. „Diese Schulung morgen ... wir haben sie alle zur selben Zeit. Jeder, der hier arbeitet und nicht im Rahmen einer Mission unterwegs und weit weg ist, wird morgen hier im HQ sitzen. Rufus will seine Leute aus den Straßen von Midgar fern halten. Wozu?“
 

„Was denn?“ Die Stimme des Generals troff vor gespielter Überraschung. „Super-Zack erkundigt sich nach solch Banalitäten?“
 

„Das liegt am fehlenden Cape!“
 

„Wie konnte ich das nur übersehen.“
 

Zacks grinsen war mehr als schelmisch. Außerdem beinhaltete es den hilfreichen Hinweis: `Vielleicht wirst du alt und brauchst eine Brille?´ Aber die Heiterkeit verklang schnell.
 

„Ich weiß es nicht“, antwortete Sephiroth nun wieder sehr ernst. „Laut Cutter gibt es keine neuen Lines, die auf irgendetwas hinweisen, aber die Lines von Hojo und Rufus sind zum Bersten gefüllt mit Selbstzufriedenheit. Meines Erachtens nach hat morgen das neueste Experiment seinen ersten großen Auftritt, und die Straßen Midgars sollen ihm als Spielplatz dienen!“
 

„Morgen ist Sonntag! Die meisten Bewohner werden zuhause sein. Was ist mit ihnen?“
 

„Gehören zum Spiel.“
 

„Ich nehme nicht an, dass du Gegenmaßnahmen planst?“
 

„Nicht im Geringsten.“
 

Eine Antwort, die überdeutlich versicherte, dass es im Leben des Generals maximal 5 Personen gab, an denen er interessiert war. Eine von ihnen war er selbst. Dann, natürlich, Cutter. Rufus, Hojo ... und Zack selbst. (Letzterer vermutlich mit einem in Klammern davor sitzenden `bedauerlicherweise´.)
 

„Ich an deiner Stelle würde versuchen, Aerith ins HQ zu schmuggeln, bis es vorbei ist. Cutter wird dir bestimmt helfen.“
 

„Ich habe schon mehrfach versucht, sie aus den Slums zu holen. Sie will nicht. Und ich respektiere ihren Willen.“
 

„Diesmal wird es wirklich gefährlich, Zack. Für ausnahmslos alle Bewohner Midgars.“
 

Aber Zack schüttelte bestimmend den Kopf. Er hatte sich entschieden, Aerith Willen zu respektieren, und dabei blieb es. Für einen kurzen Moment flammte Ärger im Blick des Generals auf, erlosch aber ebenso rasch wieder.
 

„Wie du meinst“, antwortete er kühl. „Wenn mich nicht alles täuscht, wartet da draußen irgendwo ein Papierflugzeug auf dich. Lass dir Zeit mit der Suche.“
 

„Wenn ich mir zuviel Zeit lasse, suchst du mich dann?“
 

„Verlass dich drauf.“
 

Zack grinste und verließ das Büro.
 

Die folgende Nacht verging schnell und langsam gleichzeitig. Aber als die Dämmerung einsetzte schien es, als würden Licht und Finsternis erbitterter gegeneinander kämpfen als üblich, und jeder aufmerksame Beobachter konnten nicht leugnen, dass die Welt diesmal etliche Minuten länger als sonst in der Dämmerung lag. Als würde sie die Nacht anflehen, zurückzukommen ... Dann verjagte Helligkeit die Dunkelheit. Ein neuer Tag stieg herauf.
 

Midgar erwachte. Die meisten Menschen schliefen heute etwas länger. Wer es sich leisten konnte, frühstückte anschließend mit frischen Brötchen und ebenso frischem Kaffee. Man las die Zeitung, verbrachte den Morgen mit etwas mehr Ruhe, nahm sich Zeit, für sich, die Kinder oder ein anderes geliebtes Wesen. Viele freuten sich auf und über den schönen Start in den Tag, das warme Duschwasser, die strahlend hell und freundlich scheinende Sonne ... und die einwandfrei funktionierende Solaranlage. Die Stadt lag in natürlichem Frieden.
 

Kaum ein Bewohner Midgars zweifelte noch an einem Sieg Solar Solution´ s über ShinRa. Der Planet war auf Destins Seite! Der Planet! Nicht einmal Rufus Shinra war in der Lage, dem etwas entgegenzusetzen. So war das Leben. Nichts dauerte für immer. Auch keine Herrschaft. Kronen und Zepter kamen, blieben eine Weile, und wurden weitergegeben. Ein wahrhaft großer Herrscher akzeptierte das und dankte ab, wenn seine Zeit gekommen war.
 

Destin schien kein schlechter Herrscher zu sein. Er pflegte das ihm geschenkte Vertrauen, bezahlte seine Angestellten pünktlich, erhöhte keine Rechnungen, hatte einen guten Kundenservice, den verdammt nochmal besten Radiosender der Stadt und hielt sich ansonsten aus dem Leben seiner Klienten heraus. Einen besseren Herrscher als ihn hatte es für Midgar noch nie gegeben. Und insgeheim wartete die sich völlig sicher fühlende Bevölkerung auf die offizielle Aufgabe der Electric Power Company. Denn was hätte jetzt noch geschehen können?
 

Rufus Shinra stand am riesigen Panoramafenster seines Büros und sah hinunter auf seine ihm von Solar Solution entfremdete Stadt. In wenigen Stunden würde sie wieder ein klein wenig mehr ihm gehören. Nachdem er die ersten Parasiten vertrieben hatte! Wozu bitten oder gar drohen, wenn einem Gewalt in ihrer reinsten Form zur Verfügung stand? Gewalt, die ausschließlich seinen Befehlen unterstand, die sich nicht um Moral scherte, die zum Größten gehörte, was die Electric Power Company jemals geschaffen hatte?
 

Und Rufus wollte sie in Aktion sehen. Er wollte die entsetzten Schreie hören und den Klang von brechenden Knochen. Und er wollte das sich in dunkelroten Pfützen spiegelnde Licht der Sonne sehen. Hatte er den Menschen nicht gegeben, wonach sie sich immer sehnte? Wärme, Wohlstand, Sicherheit? Und wie dankten sie es ihm? Indem sie, kaum dass sich eine ihres Erachtens nach bessere Möglichkeit bot, davonrannten.
 

Dabei war doch weglaufen niemals eine Option. Hatte ihnen das niemand gesagt? Anscheinend nicht. Nun, es war höchste Zeit ihnen klar zu machen, wer in Midgar nach wie vor das Sagen hatte, die Befehle gab, die Preise diktierte ... die Tode beschloss. Und trotz aller Gier wollte Rufus den Moment auskosten. Ihn hinauszögern, bis es nicht mehr ging. Und ihn dann genießen wie etwas, das es eigentlich schon längst nicht mehr geben sollte. Dennoch konnte er es kaum noch erwarten. Vielleicht war es möglich, einen kleinen Kompromiss einzugehen? Er griff zum Telefon.
 

„Professor, ich möchte, dass wir den Termin vorverlegen.“
 

Leises Kichern antwortete ihm.
 

„Ich warte nur auf Ihr Signal, Mr. President.“
 

Diesmal lächelte Rufus tatsächlich glücklich. Es war gut zu wissen, dass er Personal hatte, auf das er sich verlassen konnte.
 

Einige Stockwerke unter seinem Büro streichelte Sephiroth, immer noch bequem auf dem Rücken im Bett liegend, mit halb geschlossenen Augen durch Cutters Haare und über ihren Nacken, während ihr Mund sich seinem Oberkörper widmete und einen Schauer nach dem nächsten verursachte, kurz, aber intensiv. Sie wusste genau, was sie tat. Als die Küsse allerdings anfingen, weiter nach unten zu wandern, hielt es der General für mehr als angebracht, ein Machtwort zu sprechen.
 

„Ganz egal was du tust oder planst: Ich habe und werde nicht vergessen, dass in weniger als zwei Stunden deine Schulung anfängt.“
 

„Wie wäre es mit einer Schulung hier?“ Küsse untermalten jedes Wort. „Mir fallen eine Menge interessanter Themengebiete ein.“
 

Sephiroth gelang es in letzter Sekunde, ein leises Stöhnen zu unterdrücken und stattdessen ernst zu antworten:
 

„Das Angebot ist höchst reizvoll, macht aber hinsichtlich der Chance auf Weiterbildung lediglich den zweiten Platz.“ Gleichzeitig warf er einen Blick in Richtung Fenster. „Es wird heute noch ein Gewitter geben, also sieh es positiv: Du wirst heute garantiert nicht nass.“
 

Cutter hielt mit ihren Liebkosungen inne, schnitt eine Grimasse und sah zu ihm auf, nur zu genau wissend, dass es ihr nicht gelingen würde, ihrem Freund `Regen´ und `nass werden´ als die tollsten Sachen der Welt zu verkaufen. Sephiroth blinzelte zu gleichen Teilen wach wie müde zurück. Für gewöhnlich hätte er sich dagegen gesträubt, sich gesagt, dass er sich für eine Variante entscheiden müsste ... Aber es war ein gutes `dazwischen´. Die vergangene Nacht war nicht gerade von viel Schlaf geprägt gewesen – die dazwischen liegenden Tätigkeiten allerdings hatten den perfekten Ausgleich geschaffen. Mittlerweile fühlte es sich so gut an, dass Sephiroth keine Probleme mehr hatte, Zacks diesbezügliche Begeisterung nachzuempfinden – hielt es aber für strategisch schlauer, dies dem 1st nicht mitzuteilen. Die Chance, auf diese Art und Weise nicht in Gespräche über diverse Stellungen verwickelt zu werden, stand so extrem hoch ... Leises Rascheln von Kleidung ließ ihn den Kopf drehen. Cutter war dabei, sich anzuziehen – aber es war nicht die erwartete ShinRa Uniform.
 

„Wo willst du hin?“
 

„Schulung ja, aber nicht ohne gewisse Hilfsmittel. Keine Sorge, der Laden ist nicht weit weg vom HQ. Bis es hier losgeht, bin ich wieder zurück und trage vorschriftsmäßige Kleidung.“
 

„Ansonsten werde ich dir ernsthafte Probleme machen!“
 

Cutter grinste.
 

„Hat dir schon mal jemand gesagt, wie sexy du bist, wenn du nackt im Bett liegst und mir Befehle erteilst?“
 

Sephiroth blinzelte lässig zu ihr hinüber.
 

„Nein. Aber das ändert nichts an der Ernsthaftigkeit des Befehls.“
 

Cutter reagierte auf eine für sie typische Art und Weise. Ihr grinsen steigerte sich auf eine Art und Weise, die nichts Gutes ahnen ließ, dann nahm sie Haltung an, salutierte ...
 

„Ja, Sir, General Sexyroth, Sir, ich werde pünktlich zur Schulung erscheinen!“
 

`General Sexyroth´ rang zwei Sekunden lang um seine Fassung. So eine Bezeichnung konnte sich wirklich nur seine Freundin ausdenken. Vor zwei Tagen erst war sie in sein Büro gestürmt, um ihm eine aus der Caféteria mitgebrachte `köstlich unwiderstehlich cremig herrliche einwandfreie Nascherei´ zu bringen – aber nur, wenn er erraten würde, worum es sich dabei handelte. Nach einer kurzen Denkpause war Sephiroth klar geworden, dass es sich hinsichtlich der Beschreibung nur um K.U.C.H.E.N. handeln konnte, und hatte völlig richtig gelegen. Jetzt allerdings stöhnte er leise und schüttelte den Kopf.
 

„Wie kommst du immer auf solche Sachen?“
 

„Kann man bei deinem Anblick an was anderes denken?“
 

Gleichzeitig beugte sie sich zu ihm vor, um ihn zu küssen, langsam und liebevoll, und es war Sephiroth nicht möglich, die Augen offen zu halten während er den Kuss erwiderte. Niemals hätte er gedacht, sich jemals so fallen lassen zu können ... aber es war möglich. Wenn auch momentan nur kurzfristig. Denn heute gab es noch eine lange Schulung und ein gewisser Death Walker war von seinem General angehalten worden, in jedem Fall pünktlich dort aufzutauchen, ansonsten ...
 

Als die Tür des Appartements sich leise klickend schloss, seufzte Sephiroth tief auf. Wie gerne er noch etwas geschlafen hätte ... Aber in weniger als zwei Stunden würde irgendetwas über Midgar hereinbrechen, und der General plante nicht, zu dieser Zeit brav im HQ zu sitzen! Was immer in den Straßen der Stadt vorging, es würde seiner Aufmerksamkeit nicht entgehen, zumal nicht mit einer unauffälligen Operation wie bei `Silent Cry´ gerechnet werden durfte. Und so verließ er das von den nächtlichen Tätigkeiten völlig zerwühlte Bett, nahm eine lange Dusche und war eben dabei, seine übliche Kleidung anzulegen, als sein PHS piepend den Empfang einer Nachricht signalisierte. Die Schulung würde früher als erwartet beginnen, eine Mitteilung, die an alle Teilnehmer und (zur Info) an Personen höheren Ranges geschickt worden war. Es bedeutete genau zwei Dinge: Cutter würde ihr ursprünglich geplantes Vorhaben abbrechen müssen, und, was immer Rufus für die ahnungslose Bevölkerung Midgars geplant hatte, es würde früher stattfinden. Wesentlich früher ...
 

Das erneute Piepen irritierte den General für einen kurzen Augenblick. Er kannte das Geräusch, aber es gehörte nicht hierher. Jetzt nicht mehr! Er warf einen Blick neben das Bett ... Und seufzte. Das dort liegende PHS war definitiv nicht sein eigenes.
 

„Cutter, du verdammtes Schussel!“
 

Etliche Straßen von ihm entfernt verließ das `verdammte Schussel´ gerade völlig ahnungslos hinsichtlich des vergessenen PHS einen ihrer Lieblingsläden. Einer der Vorzüge Midgars waren die auch Sonntags geöffneten Geschäfte – wenn auch die Angestellten für gewöhnlich nur die Hälfte der sonstigen Freundlichkeit an den Tag legten. Der Einkauf jedenfalls war ein voller Erfolg gewesen. Wäre nur der eigentliche Grund nicht so trübe ... Die junge Frau seufzte leise. 8 Stunden Schulung! Dann doch lieber eine Mission in strömendem Regen, Hagel oder Schnee. Oder gleich hier. Obwohl ...
 

Irgendwie wirkte die Stadt heute anders, und das lag nicht an der extrem schwülen, das Gewitter ankündigenden Luft. Aber es gab keinerlei optische Hinweise. Es war ... mehr ein Gefühl. Als schliche etwas Nebelhaftes durch die Straßen, auf der Suche nach ... Cutter konnte nicht klar definieren, wonach. Aber irgendein Ziel musste es geben. Und das Gefühl, dieses seltsame Gefühl, wurde immer stärker. Irgendetwas Entsetzliches war unterwegs. Etwas, für das es noch keinen Namen gab. Und es näherte sich. So unaufhaltsam, wie der Himmel seine blaue Farbe verlor.
 

Sephiroth befand sich in einem höchst seltenen Zwiespalt. Einerseits war es ihm absolut nicht recht, Cutter ausgerechnet jetzt in der Stadt zu wissen, befand sie sich, wie ihm sein Instinkt ganz klar mitteilte, doch bereits auf direktem Konfrontationskurs mit ... was auch immer Rufus und Hojo sich diesmal ausgedacht hatten. Aber andererseits beherrschte die junge Frau die Lines. Und da alles auf diesem Planeten (mit Ausnahme von anderen Blue Wanderern) eine Line besaß, gab es nichts, das ihr wirklich gefährlich werden konnte. Selbst, wenn es aus irgendeinem Makotank gekrochen kam. Und dennoch ...
 

Warum beruhigt mich dieses Wissen diesmal nicht? Irgendetwas ist anders! Was? Es gibt nur einen Ort, an dem ich das herausfinden kann.
 

Sephiroth setzte sich in Bewegung. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe er den diesmal unbewachten Laborbereich erreichte, die Tür mit der nie abgegebenen ID Karte öffnete und Hojos Reich betrat, den trügerisch weißen Raum durchquerte und den ersten Fuß in den anderen Raum setzte, den Blick über das sich ihm bietende Szenario schweifen ließ, und sofort inne hielt. Die Türen sämtlicher Makotanks waren weit geöffnet, und von ihnen ausgehend führten nasse Flecken am Boden bis zu der Tür, in der Sephiroth immer noch stand. Fußspuren! Was auch immer sich in diesen Tanks aufgehalten hatte, es war ...
 

„Du bist zu spät, mein kleiner Sephiroth.“ Hojo tauchte verächtlich lächelnd hinter einem der Tanks auf. „Viel zu spät. Sie sind schon unterwegs.“
 

Sephiroths Blick hing an den Makotanks. Cutter hatte die Lines erst gestern Abend erneut überprüft. Keine Auffälligkeiten. Keine Veränderungen. Wie konnte etwas, das dazu vorgesehen war, über Midgar hereinzubrechen, sich hier aufgehalten haben, ohne ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken?
 

„Ich sehe, du bist irritiert. Hast du wirklich geglaubt, ich lasse mich von deiner kleinen Freundin ausspionieren? Vermutlich haben deine kleine Freundin und du friedlich geschlafen oder euch auf äußerst primitive Art und Weise vergnügt, während ich ...“
 

„Was hast du getan?“ Seine Stimme klang eisig und vermittelte dennoch unterschwellig den Befehl, schnell zu antworten.
 

„Was ich immer tue, mein kleiner Sephiroth. Forschen und entwickeln.“ Er begann zu kichern. „Ihr werdet euch prächtig verstehen, auch wenn die gemeinsame Zeit nur kurz sein dürfte. Aber ich versichere dir, du hast maßgeblich zu meinem Triumph beigetragen! Jetzt allerdings bist du nicht mehr als ein veraltetes Modell, das schon bald entsorgt wird. Und jetzt entschuldige mich, ich habe zu arbeiten. Unter anderem am G-Mako für deine kleine Freundin ...“
 

Sephiroth musste jeden Funken Selbstbeherrschung aufbringen, um den erneut kichernden Professor nicht augenblicklich und dauerhaft zum Schweigen zu bringen und stattdessen betont würdevoll den Raum zu verlassen. Kaum auf dem Flur angekommen allerdings steigerte er das Tempo. Wie er sich eingestehen musste, war es ihm nicht ganz möglich gewesen, jede von Hojos Anspielungen zu verstehen, aber was er begriffen hatte, war mehr als besorgniserregend. Zumal sich Cutter (noch) ohne Unterstützung mit ... was auch immer ... in der Stadt befand.
 

Während der General das HQ verließ, fasste er die Fakten zusammen. `Sie´ waren aus Makotanks gekommen. Also lebten `sie´. Und waren somit sterblich (und hatte eine Line)! Noch allerdings bestand kein Grund, `sie´ zu töten. Sephiroth hatte keinen Zweifel daran, wenigstens einen von `ihnen´ dennoch problemlos aufzuspüren. Dasselbe galt für Cutter. Wenn er sich beeilte, würde sie doch noch pünktlich zur Schulung kommen. Sogar in ShinRa Uniform!
 

Cutter hatte die Schulung längst vergessen. Sie war in den Lines unterwegs, auf der Suche nach Anhaltspunkten hinsichtlich der drohenden Gefahr. Aber es gab keinen einzigen! Dennoch war sie absolut sicher, sich nicht zu irren. Und nach etlichen weiteren Sekunden, in denen das seltsame Gefühl immer stärker geworden war, schlug es um. Urplötzlich. Und wurde zu der Gewissheit, sich genau hier, an diesem Punkt, in akuter Lebensgefahr zu befinden. Gleichzeitig fegte der erste das Gewitter intensiver ankündigende, jähe Windstoß durch die Straßen Midgars, ähnlich dem unerwarteten Tatzenschlag eines scharfbekrallten Raubtiers. Cutter hielt inne, verließ die Lines. Konzentrierte sich erneut auf das sichtbare Midgar. Nichts. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Geräusche. Nichts. Sie beobachtete so intensiv wie möglich das Verhalten der Personen auf der Straße. Nichts. Sie hob den Kopf und sah zum Himmel. Nur ziehende Wolken von düsterer Farbe.
 

Aber irgendetwas ist hier ... Ich irre mich nicht! Ich ...
 

Der Schrei kam aus einer der Seitenstraßen, und das ihm innewohnende Entsetzen schien nicht von dieser Welt zu sein, hielt mehrere Sekunden an ... und verklang in einem entsetzlich gurgelnd klingenden Geräusch. Cutter zögerte nicht, sie rannte los. Gleichzeitig kämpfte sie gegen die immer stärker werdende Furcht an und fragte sich gleichzeitig, woher diese kam. Völlig egal, was oder wem sie am Ende des Schreis begegnete, es würde eine Line haben ...!
 

Sie schlitterte um die letzte Kurve, eines der schlimmstmöglichsten Szenarien im Kopf – und wurde mit der Realität konfrontiert. Eine eingeschlagene, geborstene Tür. (Sicherheitsmodell Nr. 1. Üblich in Midgar. Gute Verarbeitung. Stabil. Teuer.) Davor, am Boden, letzte Reste des verglühenden Lebensstroms. Und mitten in diesen Resten, stehend, eine große Gestalt in ShinRa Uniform ohne erkennbares Rangabzeichen. Ein Mensch mit heller Haut, kräftigen Muskeln, kurzen, schwarzen Haaren, grün glühenden Augen. Er stand ganz ruhig. Seine Arme allerdings waren ausgestreckt, hielten mühelos den Körper eines anderen, wesentlich älteren Mannes etliche Zentimeter über dem Boden, Hände um dessen Hals geschlossen, langsam zudrückend.
 

Im Rahmen der zahlreichen Missionen war Cutter mit nahezu allen Formen der Gewalt konfrontiert worden, aber von Abhärtung konnte nach wie vor keine Rede sein. Immer noch gab es nichts, das sie mehr erschreckte als Gewalt. Entsprechend groß war ihr Wunsch, diese zu verhindern oder wenigstens zu mindern. So auch jetzt. Cutter vergaß ihre Angst.
 

„Loslassen!“
 

Der Mensch reagierte nicht. Es war, als nähme er den Störenfried überhaupt nicht wahr, als existierten nur er selbst und sein Opfer.
 

„Sofort!“, fauchte Cutter und richtete die Luna Lance auf den brutalen Folterer. „Sonst werde ich ...“
 

Es war nur eine winzige Bewegung, untermalt von einem grauenhaft knirschenden Geräusch und einem Todesröcheln. Die Hände öffneten sich. Ein Körper fiel zu Boden und blieb regungslos liegen. Das Grün des Lebensstromes flammte auf. Und erst dann, ganz langsam, wandte der Mörder den Kopf und sah in Cutters Richtung. Völlige Emotionslosigkeit prägte seinen Gesichtsausdruck. Nur seine Augen, seine grün glühenden Augen, verrieten dass er lebte. Und die Schnelligkeit, mit der er sich schlagartig in Bewegung setzte. Direkt auf Cutter zu. Diese fletschte nur die Zähne.
 

Komm nur, Mistkerl! Mieser, hinterhältiger Mörder! Ich verwandle dich in einen Fußball und lasse die Kinder in den Slums ein paar Stunden mit dir spielen! Grün und blau wirst du sein, Bastard!
 

Sie ließ ihn ganz nahe herankommen, ignorierte ihren Instinkt, der sie zur bedingungslosen Flucht aufforderte, wartete, bis der Mörder sie fast erreicht hatte. Erfahrung zeigte, dass ein in dieser Situation durch die Luna Lance gejagter Befehl immer das nächstliegende Objekt traf. In diesem Fall gab es gar keine Möglichkeit, das Ziel zu verfehlen. Cutter sah dem heranstürmenden Angreifer direkt in die Augen und dachte an einen Fußball, einen schönen Lederfußball, um den sich die Kinder in den Slums förmlich reißen wür ...
 

Später würde es ihr unmöglich sein zu sagen, ob ihr Unterbewusstsein ihren Körper in Bewegung gesetzt hatte, oder ob die Augen dem Verstand mitteilten, dass etwas schief gelaufen war und dieser blitzschnell das Ausweichmanöver in Gang setzte. Aber so streifte der ihrem Brustkorb geltende Schlag lediglich ihren Arm. Schmerz, dicht gefolgt vom unverkennbaren Gefühl austretenden Blutes flammte auf. Das nächste Manöver fand im vollen Bewusstsein desselbigen statt. Cutter katapultierte sich rückwärts – und ihr Angreifer folgte sofort. Dicht. Viel zu dicht! Er gestattete keine Zeit für Gedanken. Für Angst. Für Verblüffung. Nur Reaktion. Jedes bisschen Beweglichkeit, zu dem sie fähig war. Und die Gewissheit, dass der geringste Fehler tödlich sein würde.
 

Seine Angriffe kamen mit der Präzision einer Maschine. Schnell. Hart. Entschlossen. Die grün glühenden Augen ließen sein nächstes Opfer nicht eine Sekunde unbeobachtet, berechneten, erwogen. Und schlugen zu. Er ließ Cutter keine Option außer bedingungsloser Flucht. Und dennoch schien ein Grinsen in diesen Augen zu glühen. Eines der übelsten Sorte.
 

`Ich krieg dich sowieso ...´
 

Es war schon lange her, dass Cutter eine Situation dermaßen überrascht hatte. Für gewöhnlich blieb immer Zeit, irgendetwas zu tun. Wenigstens eine Sekunde. Hier nicht. Ausweichen, berechnen, aufpassen, bremsen, beschleunigen, ausweichen, ausweichen, ausweichen. Der Mann besaß keine Waffen. Er führte sämtliche Angriffe mit dem Körper aus, und egal, womit dieser kollidierte, es hielt ihn nicht auf.
 

Mittlerweile hatte sich der Kampf in eine weitere Seitenstraße verlagert, und Cutter spürte, wie ihre Kraft nachließ. Ein Trick musste her. Eine List! Nur welche? Es war mehr Instinkt als wirkliche Überlegung. Etliche Meter vor ihr befand sich etwas auf der Straße. Feinste Steinchen. Kein Hindernis. Es sei denn, man formte sie etwas um. Cutter stieß sich mit aller Kraft vom Boden ab, wirbelte herum, ignorierte die erschreckend kurze Distanz zwischen sich und ihrem Verfolger, richtete die Luna Lance auf die Krümel ... Die Stahlwand schoss binnen eines Sekundenbruchteils völlig vorwarnungslos aus dem Boden, bremste kompromisslos, nahm die Sicht. Cutter reagierte sofort, ließ ihre Flügel erscheinen, katapultierte sich durch die zunehmende Düsternis auf das Dach des nächstliegenden Gebäudes und verhielt dort, die Flügel und sich selbst eng an die Oberfläche des Daches gepresst, den Blick vorsichtig über den Rand desselbigen auf die Straße gerichtet.
 

Der Angreifer hatte die Stahlwand natürlich längst hinter sich gelassen. Jetzt folgte er allem Anschein nach völlig unverletzt der Straße, sah sich aufmerksam um, blickte in jede Seitenstraße, lauschte, bereit auf das geringste verräterische Geräusch zu reagieren. Auf ihrem Dach hielt Cutter den Atem an. Blut rauschte in ihren Ohren und das Geräusch ihres Herzschlages schien die ganze Welt zu erfüllen. Was, wenn dieses ... Ding ... all das hören konnte? Aber andererseits, sie befand sich hier auf einem Dach! Kein Mensch konnte so hoch springen ... Oder? Wenigstens war es ihr jetzt möglich, ihn zu beobachten. Wie er immer wieder inne hielt, prüfte ... und sich schließlich umwandte, den Weg zurückging und aus Cutters Blickfeld verschwand.
 

Dennoch wagte es die junge Frau nicht, sich zu entspannen. Immer wieder sah sie sich um, gepeinigt von der Phantasie des schlagartig auf dem Dach auftauchenden Angreifers. Irgendwann wurde ihr bewusst, heftig zu zittern. Es war schon lange her, dass sie jemand so in die Enge getrieben hatte, und damals war sie bei Weitem nicht so stark gewesen, wie heute. Insgeheim war sie sogar davon ausgegangen, eine derartige Situation nie wieder zu erleben. Aber jetzt? Und weshalb hatte sich dieser Mistkerl nicht in einen Fußball verwandelt? Einen eigenen Fehler schloss sie vollkommen aus, also wie ... ?! Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Cutter kam gleichzeitig mit dem ersten dumpfen Gewittergrollen auf die Füße und begann mit der Verfolgung.
 

Sie bewegte sich ausschließlich über die Dächer vorwärts, wobei ihr die Flügel gute Dienste beim Überwinden größerer Zwischenräume leisteten, und hatte ihren `Freund´ bald wieder erreicht. Als erstes versuchte sie, ganz bewusst Kontakt zu seiner Line herzustellen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Er besaß keine.
 

Mit anderen Worten, dachte die junge Frau, ohne die Flügel hätte er mich vielleicht früher oder später erwischt, und genauso getötet, wie die beiden Menschen vorher. Aber ... wenn er keine Line hat, ist er dann auch ein Blue Wanderer?
 

Ihr Instinkt schüttelte heftig den Kopf. Aber was war dieser Mann dann? Warum zog er mordend in ShinRa Uniform durch die Straßen? Und dann diese Augen. Der Ausdruck darin, so kalt und berechnend. Seine Bewegungen, geschmeidig wie Wasser. Die Schnelligkeit und Präzision seiner Angriffe. All das kam Cutter so bekannt vor, dass sie sich unmöglich gegen die bittere und furchteinflößende Erkenntnis sträuben konnte. Dieser Typ auf der Straße unter ihr war ...
 

Sephiroth.
 

Irgendwie.
 

Das also hatte Hojo in seinem Labor entwickelt. Dennoch war es kein `zweiter Sephiroth´. Dieser hier war ... irgendwie anders. Auf eine Art und Weise, die sich noch nicht identifizieren ließ. Jetzt hielt er inne, so ruckartig als habe man ihm den Befehl dazu erteilt, und bog ab. Cutter folgte ihm, eine entsetzliche Vorahnung in Form eines eisigen Klumpens im Bauch tragend. Sie sollte sich nicht irren. Ein weiteres Mal hatte eine Tür der brachialen Gewalt des Angreifers nichts entgegenzusetzen. Erschrockene Stimmen wurden laut, dann veränderte sich der Tonfall, wurde bestimmend, protestierend ... und endete in einem keuchenden Geräusch. Cutter hatte genug gesehen und gehört. Sie kannte das Ende, und würde es nicht ein zweites Mal geschehen la ...
 

Die Berührung an ihrer Schulter erfolgte so unvermittelt wie der erste, über den mittlerweile grauschwarzen Himmel tastende Blitzschlag. Die junge Frau zuckte zusammen, wandte ruckartig den Kopf, kollidierte mit einem grün glühenden Blick, brachte blitzartig die Luna Lance in Position ... und erkannte im letzten Augenblick, dass ihr keine Gefahr drohte. Jedenfalls nicht in Form eines Angriffes.
 

Es war Sephiroth wie erwartet kein Problem gewesen, seine Freundin zu finden. Er hatte sie zurechtstutzen und augenblicklich zurück ins HQ schicken wollen – ein Plan der, nicht zuletzt aufgrund des im Laufe der vergangenen Minuten empfangenen Gefühlschaos, längst hinfällig war. Stattdessen gab es nur eine Sache, die der unmittelbaren Klärung bedurfte. Nach einem kleinen Hinweis.
 

„Habe bitte realisiert, dass du dich auf einem Dach befindest. Wer oder was hat dich angegriffen?“
 

Gleichzeitig warf er der Verletzung einen prüfenden Blick zu, stufte sie als nicht lebensbedrohlich (und daher als momentan nicht erwähnungswürdig) ein und lauschte aufmerksam Cutters Bericht. Was er erfuhr, deckte sich mit seinen schlimmsten Befürchtungen – und erklärte etliche von Hojos Bemerkungen.
 

„Er – oder es - ist immer noch da drin!“ Die Luna Lance wies auf die zerborstene Tür.
 

„Vermutlich haben Hojo und Rufus ihn auf die Haushalte mit Solaranlagen angesetzt.“
 

„Aber 99,9 % von Midgar hat Solaranlagen! Heißt das, dieser Typ wird weiter durch die Stadt ziehen und Menschen umbringen? Das dürfen wir nicht zulassen, Sephy, wir müssen ihn stoppen, irgendwie!“
 

Entschlossenheit und Verzweiflung glühten in Cutters Augen. Sie war wild entschlossen, diesem Töten ein Ende zu bereiten. Sephiroth hingegen ...
 

„Wir mischen uns hier nicht ein! Das ist ein Befehl!“
 

Er wollte, er musste wissen, wozu Hojos neuste Entwicklung fähig war, ließen einige der Bemerkungen des Wissenschaftlers doch auf eine bald stattfindende, direkte Konfrontation schließen. Außerdem galt es, Cutter aus der Gefahrenzone zu halten, denn ohne eine zu beeinflussende Line begab sie sich bei jeder Begegnung in höchste Gefahr. Die Reaktion auf seine Anweisung allerdings war, einmal mehr, das genaue Gegenteils des angebrachten und respektvollen `Ja, Sir!´ Nämlich ...
 

„Spinnst du?! Dieser Typ zieht durch Midgar und tötet Menschen! Menschen, die sich nicht gegen ihn verteidigen können, die nicht mal gewarnt worden sind! Sie haben keine Chance!!“
 

„Das ist Sinn und Zweck dieses Angriffes. Rufus will ein Exempel statuieren. Abgesehen davon ist dieses Exemplar nicht das einzige seiner Art.“
 

„Von dieser Sorte laufen mehrere durch Midgar?!“
 

Sie wollte noch mehr sagen. Aber eine erneute Bewegung in der Tür des beobachteten Hauses hinderte sie daran. Hojos Neuentwicklung trat zurück auf die Straße. Letzte Fäden des Lebensstroms umklammerten seine Füße, als wolle all das Grün den erfolgreichen Mörder daran hindern, den Tatort zu verlassen. Aber das Wesen ließ sich davon nicht einen Sekundenbruchteil beirren und setzte seinen Weg fort. Zeitgleich schloss sich auf dem Dach Sephiroths Hand um Cutters unverletzten Arm – nicht schmerzhaft, aber deutlich spürbar. Genau wie die ersten fallenden Wassertropfen.
 

„Du hast mich gehört! Wir werden uns hier nicht einmischen, sondern beobachten und Fakten sammeln.“
 

„Weißt du was?“, fauchte Cutter so leise wie möglich. „Gerade klingst du genau wie Hojo und Rufus!“
 

Sephiroth hätte mit jedem Argument dieser Welt gerechnet, nur nicht mit diesem. Seine Irritation war so groß, dass er den Griff um Cutters Arm fast gelockert hätte. Aber eben nur fast. Denn in Midgars Straßen ging der Tod um – und er hatte keine Line. Es mochte dem Death Walker einmal gelungen sein, zu entkommen, und man hätte annehmen können, es würde ihr daher immer wieder gelingen. Aber Cutter wollte nicht weglaufen. Sie wollte helfen! Auch auf die Gefahr hin, verletzt zu werden, seelisch wie körperlich. Und diesmal, das versicherte der wispernde Instinkt des Generals, standen die Chancen auf das Eintreffen beider Varianten extrem hoch. Und so hielt Sephiroth seine Freundin fest. Er hätte noch wesentlich mehr getan als das, um sie davon abzuhalten, sich erneut in den Kampf zu stürzen. Aber dazu sollte es nicht kommen.
 

Das Geräusch inmitten der fallenden Tropfen hatte keinen spektakulären Klang. Es war sogar sehr leise. Aber das ausgelöste Gefühl glich dem unerwarteten Kontakt mit einer sehr scharfen Glasscherbe. Und Sephiroth, der in seinem Kopf Tausende von Geräuschen gespeichert hatte, identifizierte es sofort - und reagierte.
 

Der harte, Cutter völlig unvermittelt treffende Stoß beförderte sie nicht eben sanft, aber dafür äußerst effektiv aus dem direkten Gefahrenbereich. Sie selbst sah nur ein mit grün glühenden Augen und in ShinRa Uniform gekleidetes `Etwas´ über die Dachkante springen, wie ein Dämon aus einem Märchen, sah, wie der beinahe beiläufige Tritt des Generals es exakt eine Sekunde vor Kontakt mit dem Dach wieder in die Leere daneben beförderte und wie Sephiroth Masamune zog und seinem Gegner augenblicklich folgte. Der Ausdruck in den Augen des Generals ...
 

Er will diesen Kampf!, dachte Cutter mit steigendem Entsetzen. Er will ihn unbedingt! Und ich soll mich nicht einmischen. Aber ich kann doch nicht hier sitzen und nichts tun! Was, wenn er verletzt wird? Vielleicht sogar getötet! Dieses Ding aus dem Labor ist kein Mensch! Es ist so schnell und brutal. Und Hojo hat die Finger mit im Spiel. Hojo! Er will Sephy aus dem Weg räumen. Was, wenn er plant, es mit diesen Biestern zu versuchen?
 

Es war schon lange her, dass Cutter solch eine Angst um Sephiroth gehabt hatte, und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Vorerst begnügte sie sich damit, wieder auf die Beine zu kommen, um besser sehen zu können. Aber von dem Kampf, sofern er schon begonnen hatte, war weit und breit nichts zu entdecken.
 

Ich will zu ihm! Und helfen! Aber in einer solchen Situation ist er allein am besten. Und sein Blick ... Er will um jeden Preis gewinnen! Und er hat Masamune! Aber dieses verdammte Biest hat keine Line. Was hat es stattdessen alles? Was soll ich nur mach ...
 

Ein nur wenige Straßen entfernt erklingendes Geräusch beantwortete die Frage. Mehrere kurze, dicht aufeinanderfolgende Schüsse. Irgendjemand wehrte sich gegen irgendjemanden - oder irgendetwas. Und Cutter konnte sich schon denken, welche Möglichkeit zutraf. Ihr waren diesbezüglich ganz klare Befehle erteilt worden. Aber auch wenn sie den tieferen Sinn dieser Anweisungen ganz genau verstanden hatte, es war ihr unmöglich, sie zu befolgen. Irgendeine Möglichkeit musste es geben, diese Wesen vom Töten abzuhalten! Die junge Frau fletschte die Zähne, breitete die Flügel aus und setzte sich inmitten des immer dichter fallenden Regens so schnell wie möglich in Bewegung.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  SilverReader
2010-12-03T20:41:28+00:00 03.12.2010 21:41
Seph scheint ja jetzt echt Gefallen an Sex gefunden zu haben, aber DIE Diskussion mit Zack über die Stellungen würde ich nur all zu gerne hören XD
Das wäre sicher sehr spannend und auch witzig XD
Zack ist wie immer total süß und immer für nen Knaller gut. Armer Seph, er hatz nicht leicht.

Zum Rest... oh weh... ich ahne schlimmes. Sehr schlimmes, aber es ist blöd wenn man weiß wie alles auß gehen wird
*schnief*
Es ist so gemein. Alles um Seph ist so gemein.
*Kopf schüttel*
So das letzte Kap... ich schaff das noch XD
Von:  Aruna
2010-11-21T11:48:03+00:00 21.11.2010 12:48
Ich will auch mal nen Geige spielenden Fliegenpilz sehen :)
Aber jetzt geht’s ja anscheinend richtig zur Sache. Und an der spannendsten Stelle hörst du mal wieder auf. Das ist so gemein!
Aber das Kapitel war mal wieder klasse. Ich hätte zu gern Sephiroths Blick gesehen, als er als General Sexyroth betitelt wurde :) Cutter kommt aber auch immer auf Ideen. Aber ich kann nachempfinden, dass sie keine Lust auf acht Stunden Schulung hat. Hätt ich auch nicht.
Ich freu mich schon auf nächsten Samstag :)
lg Aruna

Von:  fahnm
2010-11-21T02:46:28+00:00 21.11.2010 03:46
Hammer Kapi!^^


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