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FFVII: Blue Wanderer - In the lines

von

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Versuchungen

Sephiroth konnte eine unmittelbare Reaktion in letzter Sekunde verhindern. Antworten. Seine Antworten! Nach denen er so lange gesucht, für die er jahrelange Folter über sich hatte ergehen lassen ...
 

„Sie sind näher, als du glaubst“, lockte Hojo. „Du wärst begeistert, ich versichere es dir. Sie sind lückenlos und äußerst detailliert. Und sie könnten dir gehören. Für immer. Du brauchst nur zu nicken.“
 

Nur ein Nicken. Eine der mit Abstand einfachsten Bewegungen. Sephiroth wandte den Kopf, suchte den Blick des Professors.
 

„Ich nehme nicht an, dass Rufus von diesem Angebot weiß.“
 

Hojo begann zu kichern.
 

„Rufus? Dieser aufgeblasene Möchtegernherrscher? Er hat keine Ahnung! Ganz unter uns, Sephiroth, er interessiert mich nicht. Ich würde für jeden arbeiten, solange mir dabei freie Hand hinsichtlich meiner Methoden gelassen wird! Wichtig ist nur das Endergebnis! Du gehörst in diese Kategorie. Möchtest du nicht die detaillierten Gründe wissen, wie es dazu kam? Dich verstehen? Du sagtest, du willst diese Antworten nicht, aber ich kenne dich. Du brauchst sie! Du begehrst sie mehr als alles andere auf der Welt! Ich kann sie dir geben. Du brauchst bloß zu nicken.“
 

„Du fürchtest nicht um dein Leben“, stellte Sephiroth nüchtern fest.
 

„Keinesfalls. Denn wenn du die Wahrheit kennst, wirst du mich ebenso über alle anderen erheben, wie dich selbst. Glaub mir, dein Hass auf mich wird verlöschen wie eine Kerzenflamme im Sturm der Erkenntnis!“
 

Es waren geschickt ausgelegte, verbale Köder, mundgerecht zugeschnitten und appetitlich duftend. Das seit so langen Jahren gesuchte, serviert auf einem silbernen Tablett. Und Hojo selbst glaubte jedes Wort. Ernsthaft anzunehmen, Sephiroth könne jemals das Interesse an seinen Forschungsergebnissen verloren haben ... Lächerlich! Sie waren sensationell! Und die Basis für die S-1 Einheiten.
 

„Du willst diese Antworten! Du magst alle anderen, inklusive dieses Mädchens, täuschen können. Aber mich nicht. Ich lese in dir, wie in einem offenen Buch. Du brauchst dich nicht länger zu verstecken. Nicke, und ich gebe dir, wovon du immer geträumt hast. Die Wahrheit!“
 

Die Wahrheit. Sephiroth schloss die Augen, schirmte sich ab und richtete den Blick in sich. Was er fand, waren Gewissheiten. Der Befreiungsschlag gegen Hojo war klar, deutlich und erfolgreich gewesen und der erkämpfte Abstand deutlich sicht- und fühlbar. Eine Verringerung desselbigen, warum auch immer, wäre nichts anderes als ein gigantischer Rückschritt gewesen. Leider lag Hojo mit seinen über die Antworten gemachten Aussagen absolut richtig. Sie zu vergessen, solange sie existierten, war unmöglich. Und im tiefsten Grunde seines Herzens war sich Sephiroth völlig im Klaren darüber, dass er insgeheim immer noch nach einer Möglichkeit suchte, seine Antworten zu bekommen, ohne etwas zu verlieren. Möglicherweise war das hier die größte Chance, die er jemals erhalten würde! Sie auszuschlagen, wäre pure Dummheit. Außerdem war sich Hojo so sicher, nicht selbst Schaden zu erleiden. Was also mochte sich in diesen Antworten verbergen, das ihn, der seinem langjährigen Opfer in nahezu allen Punkten unterlegen war, so sicher machte?
 

Aber andererseits ... das hier war Hojo. Hojo! Und er würde jede Chance, sein Lieblingstestobjekt wieder an sich zu binden, nutzen, völlig ungeachtet der eingesetzten Methoden. Möglicherweise war die Aussicht auf Antworten nur eine dreiste Lüge, die sich erst als eine solche herausstellte, wenn schon alles vorbei war.
 

Wenn ich jetzt einen Fehler mache, dachte Sephiroth mit eisiger Klarheit, verliere ich alles. Meine Antworten, Cutter, meine so hart erkämpfte Freiheit ... alles!
 

Es war einer der wenigen Momente, in denen er sich wünschte, es gäbe irgendjemanden der ihm sagte, was zu tun war. Aber es gab nur ihn. Und eine weitere, bittere Erkenntnis. Er war so sicher gewesen, alle Ketten zerrissen zu haben. Jetzt stellte sich heraus, dass diese Ansicht ein großer Irrtum gewesen war. Manche Ketten waren einfach nur ... länger. Und Sephiroth musste sich eingestehen, sich selbst belogen zu haben, und das in gleich mehreren Fällen. Es war ein seltsames, ungutes Gefühl, beinhaltete aber das Versprechen, sofort zu verschwinden, sobald er eine der beiden Optionen annahm, sich von der anderen für immer verabschiedete, und die gewählte als seine endgültige Wahrheit akzeptierte.
 

Wahrheit, dachte der General in einer Mischung aus Schmerz und Niedergeschlagenheit. Ich muss aufhören, mich selbst zu belügen, und endlich eine Entscheidung treffen. Die Wahl könnte nicht schwieriger sein. Aber ... ich habe wenigstens eine.
 

Mehrere Minuten vergingen in völlig Stille. Hojos Blick wanderte zwischen Sephiroth und dem Tank hin und her, lag jedoch hauptsächlich auf dem zu 99,9 % schon in den Besitz des Labors übergegangenen, neuesten Testobjekt. Im Geiste listete der Professor die Reihenfolge der schon sehr bald stattfindenden Versuche auf, legte Werkzeug zurecht, berechnete mögliche Abwehrreaktionen und entsprechende Gegenmaßnahmen, und war tief in wissenschaftlichen Überlegungen versunken, als Sephiroth neben ihm langsam die Augen öffnete. Sein Zögern hatte lange gedauert, länger als jemals zuvor - aber jetzt gab es eine endgültige Entscheidung.
 

„Meine Antworten ...“
 

„Jaaaa?“
 

„ ... befinden sich in dem Tank genau vor mir!“
 

In Gedanken fügte er hinzu: Was du mir in Aussicht stellst ... Ich wollte es. So sehr, dass es schmerzte. Und, meines Erachtens nach, um jeden Preis. Weil ich nichts besaß, das einen Verlust hätte hervorrufen können. Weil mir nichts wichtiger war, als ich mir selbst. Aber jetzt ... gibt es Cutter. Und all diese kleinen und großen, teilweise so mühsam errungenen Siege. Und `Sephy´.
 

Früher konnte ich ohne all das existieren. Weil ich nicht wusste, was mir entgeht und wie gut es sich anfühlt. Aber jetzt sind all diese Dinge Teil meines Lebens. Und sie haben mich nicht geschwächt. Ganz im Gegenteil. Sie haben mich bereichert. Würde ich sie wieder hergeben – ob deine Antworten die Leere in meinem Herzen füllen könnten? Ich bezweifle es. Denn es waren und werden immer meine Freunde sein, die über mich wachen, wenn ich es nicht selbst vermag, die mich daran erinnern, dass es mehr gibt, als ich sehen will oder kann (auch, wenn ich das hin und wieder gar nicht wissen will), und mit denen ich mich in Situationen wiederfinde, die vorher noch nie eingetreten sind. Und wenn ich etwas festgestellt habe, dann das: Ich will nicht mehr so allein sein, wie ich es einst war! Nie wieder! Ganz abgesehen davon lässt jede andere Antwort alles jemals von mir im Rahmen meiner Weiterentwicklung erreichte zu einer Lüge werden. Und dir traue ich keinen Millimeter weit! Du würdest mir niemals sagen, was ich wissen will. Außerdem ... liebe ich Cutter. Ich liebe sie. Und ich gebe sie nicht mehr her, ganz egal, was geschieht.
 

Für die Dauer von drei, vier Herzschlägen blieb es ganz still in dem Labor. Dann verlor Hojo die Beherrschung.
 

„Verdammt, Sephiroth, es ist nur ein Mädchen!“
 

Falsch, dachte Sephiroth. Es ist mein Mädchen!
 

„Da draußen“, tobte Hojo weiter, „da draußen gibt es Tausende, die sind wie sie! Such dir eine aus! Menschen zu ersetzen, ist eine Kleinigkeit! Abgesehen davon, du brauchst sie nicht! Vergiss sie!“
 

Sephiroth überlegte blitzschnell. Hojo in der aktuellen Situation zu drohen oder ihm gar körperlichen Schaden zuzufügen, war keine Option. Momentan waren er und sein Wissen alles, was zwischen Cutter und ihrem Tod stand. Aber vielleicht konnte man ihn auf eine andere Art und Weise in die Enge treiben ... Das durch das Stichwort `vergessen´ angebotene Thema glich einer Eisschicht von unbekannter Dicke, hielt den General jedoch nicht davon ab, mentale Spikes anzulegen, den Kopf zu drehen und sich betont ruhig, aber mit einem Hauch Bitterkeit in der Stimme zu erkundigen:
 

„So, wie du Lucrecia vergessen hast?“
 

Hojo erstarrte. Dann nahm er seine Brille ab, begann sie gründlich zu putzen und murrte:
 

„Darf ich fragen, wie du auf `Lucrecia´ kommst?“
 

Sephiroth sah wieder in Richtung Tank und antwortete wie beifällig:
 

„Ich habe meine Kontakte.“
 

Tzirka hatte diesen Namen nur ein einziges Mal erwähnt, und die ShinRa Datenbank enthielt weder über `Lucrecia Crescent´, noch `Jenova Crescent´ Informationen, aber für die aktuelle Situation, das wusste Sephiroth instinktiv, würde sein relativ löchriges Wissen reichen. Allein zu sehen, wie vorsichtig Hojo plötzlich agierte, versicherte ihm, sich auf einer heißen Spur zu befinden.
 

„Kontakte. Hm. Was ... weißt du noch über Lucrecia?“
 

„Ich bin ihr Sohn.“
 

Er konnte nicht ahnen, wie nahe er der Wahrheit war. Aber um sie vollständig zu erkennen, fehlten ihm einige wichtige Informationen - die Hojo gerade schnell, aber gründlich durchging. Der Wissenschaftler kam zu der Entscheidung, dass Sephiroth unmöglich von den wahren Gründen seiner Erschaffung wissen konnte, und so entschloss er sich, das Wahrscheinlichste anzunehmen und entsprechend zu reagieren.
 

„Deine Mutter, Sephiroth – und es spielt keinerlei Rolle, ob wir sie bei ihrem Erstnamen Jenova oder dem Zweitnamen Lucrecia nennen – hat deine Geburt nicht überlebt. Weil sie schwach war! Genau wie dieses Mädchen hier!“
 

„Sie muss unglaublich stark gewesen sein, wenn sie dich lieben konnte.“
 

Diesmal dauerte das Schweigen länger als 5 Herzschläge.
 

„Um ein Kind zu zeugen, ist so etwas nicht nötig!“
 

„Verstehe. Für dich war sie also nur ein Austragungsobjekt.“
 

„Sie war mit allem einverstanden! Sie war ... Wissenschaftlerin, wie ich, und um die Forschung voranzutreiben, müssen Opfer gebracht werden! So war es schon immer. Bisher hat das noch jede meiner Testpersonen irgendwann begriffen und sich gefügt. Bis auf dich! Aber du warst schon von Anfang an ein Fehlschlag. Also, bitte, bleib hier sitzen, frag dich weiterhin, was du bist, und starr in diesen Tank, wie ein Idiot! Aber gib dich nicht der falschen Hoffnung hin, ich würde mit meinem normalen Alltag Rücksicht auf deine Gegenwart nehmen! Und was dieses Mädchen angeht ...“
 

„Du wirst nicht versagen, Hojo. Dafür ist der Inhalt dieses Tanks viel zu interessant.
 

Die wie ein gigantischer Felsen aufragende Gewissheit in Stimme und Aura des Generals machten es Hojo unmöglich, auch nur das Geringste dagegen zu erwidern. Und so bleckte er nur kurzfristig die Zähne und verließ so stolz wie möglich den Raum. Sephiroth schmunzelte. Im Grunde war Hojo genauso simpel gestrickt wie Rufus Shinra. Man musste sie nur mit irgendetwas faszinieren, um sie gefügig machen zu können. Und für den Professor war momentan nichts interessanter als Cutter! Er würde alles tun, um sie am Leben zu erhalten, schon allein, um die Folgereaktionen auf das G-Mako dokumentieren zu können, etwas, das ihm bisher versagt geblieben war.
 

Ein Schatten legte sich über Sephiroths Gesicht. Die Folgereaktionen des G-Mako. Es war ... anders konzipiert als die normale Variante – aber trotzdem Mako. Und ganz offensichtlich hatte es sich bereits mit Cutters Zellen verbunden. Wenn die Reparatur glückte, ob sich die fremde Substanz von alleine verflüchtigen würde? Oder ob ... Er schüttelte den Kopf. Noch stand nicht fest, ob dieser Preis bezahlt werden musste. Noch war alles reine Spekulation. Aber wenn ...
 

Wenn meine Befürchtungen wirklich eintreffen, was dann? Dann wird sich ein weiteres Mal so vieles ändern, diesmal für uns beide. Ob wir das überstehen werden? Ob `Liebe´ dafür wirklich ausreicht?
 

Aber vorläufig gab es keine Antworten, nur einen Makotank, in dem sich etwas Unersetzliches befand – und Hoffnung auf eine Veränderung in eine positive Richtung.
 

2 Tage vergingen, ohne dass irgendetwas geschah. Cutter schwebte mit geschlossenen Augen und geschützt durch die Flügel im Tank. Sephiroth ließ sie nicht aus den Augen. Hojo schlich um das Szenario herum wie jemand, der eine grandiose Beute in der Nähe, jedoch nicht in Sprungweite hatte. Es war eine Situation, deren Ausgang die einzig und allein von der Reaktion der im Tank eingeschlossenen Person abhing.
 

Zack, der von seinem General dessen ID Karte und somit freien Zugang ins Labor erhalten hatte, versorgte ihn mit Wasser und dem nötigsten an Nahrung, das er in der Nähe der Tür deponierte, hielt sich ansonsten aber fern, wissend, wie heikel die Situation war. Aber er erkundigte sich jeden Tag per SMS nach dem aktuellen Stand der Dinge, erhielt jedoch immer dieselbe Antwort: `Status: Unverändert´.
 

Am Mittag des vierten Tages begannen sich Cutters Werte zu bessern. Die geschädigten Organe regenerierten sich. Zwei weitere Tage später schien es, als sei die junge Frau nie krank gewesen. Aber sie wachte nicht auf.
 

„Mein Angebot steht noch!“ Hojos Stimme erklang kalt wie gewohnt. Der Wissenschaftler stand neben Sephiroth und blickte in den Tank, aber im Gegensatz zu den Augen des Generals waren die des Professors geprägt von Selbstzufriedenheit und Gier. „Sie wird nicht mehr aufwachen! Nimm meinen Vorschlag an und überlass sie mir!“
 

Sephiroth schwieg, aber es war kein Schweigen, das ein Umdenken verriet. Vielleicht wusste Cutter ganz genau, wo sie sich befand und wollte einfach nicht aufwachen? Abgesehen davon gab es immer noch seinen flüsternden Instinkt, der nie falsch lag - und eine Entscheidung heraufbeschwor.
 

„Lass das Mako ab!“
 

„Bitte?!“
 

„Du hast mich verstanden.“
 

„Ich weigere mich! Eine Schockkonfrontation mit der normalen Umwelt könnte alles zunichte machen!“
 

Sephiroth warf dem sich heftig sträubenden Professor einen langen Blick, in dem tiefer Spott glühte, zu. Fast hätte man denken können, Hojo sorge sich ernsthaft um Cutters Leben. Dabei ließ sich sein Verhalten ausnahmslos auf all die noch unentdeckten Daten zurückführen – und verdiente nur eine einzige passende Antwort. Der General trat zum Tank und aktivierte die Entleerung selbst - mit Hojos Geheimcode.
 

„Weshalb hast du meinen ...?!“
 

„Weil ich besser aufgepasst habe, als du!“
 

Hojo stieß einen entrüsteten Laut aus, musste aber ansonsten hilflos mit ansehen, wie Sephiroth sich des schwarzen Ledermantels entledigte, die Tür des Tankes öffnete und den mittlerweile an dessen Boden liegenden, noch immer durch die Flügel geschützten Körper in seine Uniform einhüllte, vorsichtig anhob und den Tank wieder verließ. Hojo stürmte an ihm vorbei und baute sich in der auf den kleinen Flur führenden Tür auf.
 

„Ich werde nicht zulassen, dass du ...“
 

Sephiroth schob ihn so mühelos beiseite, als sei er gar nicht existent, und steuerte die zum Hauptflur führende Tür an. Hojo sah ihm nach, entrüstet, verblüfft – und sehr, sehr wütend.
 

„Komm bloß nicht wieder!“, zischte er irgendwann. „Hörst du?! Ich brauche dieses Mädchen nicht! Es reicht, ähnliche Personen zu finden und von demselben Insekt stechen zu lassen! Ich ...“
 

Die Tür klickte leise, aber nachhaltig. Und dann war Sephiroth mitsamt des einzigartigen Testobjektes verschwunden. Hojo stieß einen frustrierten Schrei aus und stürmte zurück ins Labor, um seine Wut an einem wehrlosen Körper auszulassen.
 

Es war eine Sache, sich durch die vertrauten Flure des ShinRa HQs zu bewegen – aber eine völlig andere, dabei jemanden zu tragen. An den irritierten Blicken störte Sephiroth sich dabei nicht. Er war diesen Weg vor Tagen schon einmal gegangen ... gerannt, zusammen mit Zack, und die Kameras hatten jede Bewegung aufgezeichnet. Vermutlich war Präsident Shinra nicht zuletzt dadurch bereits bestens informiert. Aber all das war jetzt völlig bedeutungslos. Wichtig war allein die in seinen Armen liegende Cutter.
 

Mittlerweile waren die bisher noch deutlich spürbaren, ihren Körper umhüllenden Flügel verschwunden, Cutter selbst aber immer noch bewusstlos. Eingepackt in Sephiroths warmer Lederuniform glich sie, in gewisser Art und Weise, einem Neugeborenen, und wenn alles gut ging, war sie genau das. Wenn aber nicht ...
 

Ich habe, dachte Sephiroth fast verzweifelt, keine das G-Mako betreffenden Daten. Was, wenn Hojo mit seiner finsteren Diagnose doch richtig liegt? Seine Methoden mögen brutal und menschenverachtend sein, aber er ist trotzdem ein genialer Wissenschaftler. Der sich so gut wie nie irrt. Andererseits verbergen sich in dem neuen G-Mako selbst für jemanden wie ihn noch genug Geheimnisse und Unberechenbarkeiten. Die Chance, dass die Chancen 50:50 steht, beträgt ... 50 %. Und du, Cutter, bist ein Phoenix. Und der Sturmwind. Kümmer´ dich nicht um Hojos Gerede. Komm zurück!
 

Gleichzeitig beschleunigte er seine Schritte um den Ort, an dem Cutter seines Erachtens nach momentan gut aufgehoben war, schneller zu erreichen. Nur wenig später betrat er die Krankenstation. Es kümmerte ihn nicht, dass eine Sekunde später jegliche Bewegung im Umkreis von 10 Metern erstarrte. Es war ihm egal, dass jeder Funken Aufmerksamkeit nun auf ihn gerichtet war. Er scherte sich auch nicht um das eine weitere Sekunde später einsetzende, allgemeine Zurückweichen. Er trat zur Anmeldung, fixierte die Dame hinter derselbigen mit einem Blick, der massiven Beton in Staub hätte verwandeln können, hob die immer noch bewusstlose Cutter leicht an und eröffnete:
 

„Diese Person erhält ein Einzelzimmer auf der Intensivstation und die bestmöglichste Betreuung! Welche diesbezüglichen Probleme muss ich vorher aus dem Weg räumen?“
 

Die Dame hinter der Anmeldung war schlau genug, einfach nur nach dem Telefon zu greifen, um der Intensivstation eine neuen Patientin anzukündigen. Wenig später waren die Forderungen des Generals erfüllt oder dabei, sich zu erfüllen, und noch etwas später griff er, endlich mit Cutter allein, zum PHS, um Zack, zu informieren ... und atmete zum ersten Mal seit seiner Ankunft hier tief durch.
 

Das Zimmer, in dem er nun eine ungewisse Zeit verbringen würde, war relativ groß und verfügte über eine zum Flur hin zeigende, längliche Glasfront. Von Privatsphäre keine Spur. Aber das spielte jetzt wohl eine Rolle mehr. Wichtig war nur die Person in dem Bett vor ihm. Hojo konnte ihr jetzt nichts mehr anhaben und sie atmete selbstständig, mit stabilen, guten Vitalwerten. Sephiroth ließ sie nicht aus den Augen und seine Hand lag auf ihrer. Irgendwann begann er, leise mit seiner Freundin zu sprechen, jedes Wort (wie er hoffte) ein Lichtblitz in der Dunkelheit, ein Wegweiser auf der vielleicht kaum sichtbaren Straße durch die Welt namens `Bewusstlosigkeit´, zurück. Zurück zu ihm ...
 

Gleichzeitig lauschte er unaufhörlich auf die innere Verbindung zwischen ihm und ihr, wissend, dass sich Veränderungen zuerst hier bemerkbar machen würden. Es dauerte über 24 Stunden. Aber letztendlich ... es fühlte sich an wie der Kontakt eines fallenden Blattes mit der Oberfläche eines völlig ruhigen Sees. Mentale Kreise wurden erzeugt. Und als sie verebbten ... Cutters Stimme klang leise und brüchig wie Pergamentpapier.
 

„Se ... phy ...“
 

„Genau neben dir.“ Gleichzeitig beugte er sich nach vorne, damit sie ihn besser verstehen konnte, und verstärkte den Druck seiner Hand ein wenig. „Alles wird gut.“
 

„Hey, das ... ist ... mein ... Spruch.“
 

Sephiroth musste unwillkürlich den Kopf schütteln. Gleichzeitig aber entlud sich tief in ihm Erleichterung mit der Gewalt einer Lawine. Cutter war zurück. Und so gab es nur eine einzige, angebrachte Begrüßung.
 

„Hallo, Phoenix.“
 

War es wirklich ein Lächeln, das über Cutters Mundwinkel huschte, oder nur Einbildung? Die Bewegung war zu flüchtig. Das zögerliche Blinzeln allerdings war gut zu erkennen. Und die sich öffnenden Lider enthüllten Augen, die ... Es war Sephiroth unmöglich, keine jähe Verblüffung zu empfinden. Und er war fast froh, dass seine Freundin noch zu betäubt war, um es zu bemerken.
 

„ ... hell ...“
 

„Krankenstation.“
 

„ ... mü ... de ...“
 

Ihre Augen fielen erneut zu, noch bevor Sephiroth auch nur eine Silbe sagen konnte. Und so schob er lediglich seine freie Hand unter die ihre und schwieg. Diesmal wohnte dem sich ihm bietenden Bild nicht, wie noch vor kurzer Zeit, das Gefühl von Distanz inne. Jetzt war alles so wie immer, wenn sie in seiner Nähe schlief. Und erst jetzt spürte der General, wie müde er selbst war. Aber Cutter allein lassen, kam nicht in Frage.
 

Zwei Sekunden später allerdings öffnete sich die Zimmertür. Schlagartig und höchst schwungvoll. Als Kontrast dazu allerdings schlich Zack förmlich auf Samtpfoten herein. Sephiroth schüttelte unwillkürlich den Kopf.
 

„Großartige Kombination, SOLDIER!“
 

„Ja, nicht wahr? Krieg ich ein Geschenk?“
 

„Cutter war kurzfristig wach. Denk dir glitzerndes Papier und eine Schleife dazu.“
 

„Ernsthaft? Oh, das ist großartig! Wie geht es ihr?“
 

„Sie erinnert sich an mich. Mehr kann ich dir noch nicht sagen.“
 

„Hmhm“, machte Zack leise und zog sich den zweiten Stuhl heran. „Das ist ein Anfang. Womit müssen wir noch rechnen? Hat Hojo was gesagt?“
 

„Laut Hojo hätte sie nicht einmal aufwachen dürfen.“
 

„Was denn? Mr. Supergenie hat sich geirrt? Gib mir einen Rotstift, das tragen wir im Kalender ein, auf dass es in die Geschichte eingehen möge!“ Und dann, wesentlich ernsthafter: „Apropos `gehen´, rein theoretisch könntest du jetzt auch gehen. Warte, bevor du protestierst, lass mich ausreden! Ich hab tolle Argumente! Du hast seit Tagen nicht geschlafen. Und kaum gegessen oder getrunken. Ich hingegen hatte alles, plus tollen Sex letzte Nacht. Ich bin hellwach, topfit, bewaffnet und somit mehr als geeignet, ein paar Stunden auf Cuttie aufzupassen. Wenn was sein sollte, ruf ich dich an. Ok? Ok. Tschüssie.“
 

Sephiroth warf seinem besten/nervigsten Freund einen strafenden Blick zu ... und erhob sich, schlicht und ergreifend zu erschöpft von den Geschehnissen der vergangenen Tage, um zu protestieren. Aber er legte im vorbeigehen für die Dauer einer Sekunde die Hand auf Zacks Schulter. Zack akzeptierte das stumme `Danke´ mit einem leichten Nicken und nahm eine etwas bequemere Position auf dem unbequemen Stuhl ein. Bis sein General zurückkam, würde er aufpassen, und das bedeutete, niemand würde Cuttie auch nur ein Haar krümmen!
 

Es verging eine ganze Weile, ehe sich Cutter wieder bewegte. Und Zack, der sie keine Sekunde unbeobachtet gelassen hatte, durchströmte eine Welle der Erleichterung. Die sofort in pure, nicht zu verfälschende Verblüffung umschlug, als sich die Lider über den Augen der jungen Frau blinzelnd öffneten. Glücklicherweise war diese noch viel zu verschlafen, um die Gefühle des 1st´s zu bemerken, und als sie den Kopf in seine Richtung wandte, hatte sich der SOLDIER längst wieder im Griff und grinste.
 

„Cuttie, dich blinzeln zu sehen ist der mit Abstand schönste Anblick seit gestern Nacht.“
 

„Die du garantiert bei Aerith verbracht hast. Hi, Zack.“
 

„Hi. Du hast mir und Seph einen gehörigen Schrecken eingejagt. Wie geht es dir?“
 

„Noch ein bisschen müde, aber ansonsten gut. Was ...“
 

Die sich öffnende Tür unterbrach das Gespräch. Eine Krankenschwester betrat den Raum. Zack grinste und deutete auf Cutter.
 

„Guck mal, wer wieder wach ist.“
 

„Muss an dir liegen“, antwortete die Frau und lächelte in die angezeigte Richtung. Es wirkte freundlich, beinhaltete aber auch tiefe Irritation – nur im Zaum gehalten durch Professionalität.
 

„Cuttie, das ist Katie Minami. Beste und Oberkrankenschwester der gesamten Intensivstation.“
 

„Ich bin auf der Intensivstation?!“
 

„Machen Sie sich keine Sorgen. Ihre Werte sind absolut in Ordnung. Haben Sie Schmerzen in irgendeiner Form?“ Und als Cutter den Kopf schüttelte: „Wenn sich daran etwas ändern sollte, drücken Sie die rote Taste am Telefon. Ich bin innerhalb von 30 Sekunden hier. Und ... Verzeihung, ich muss das einfach fragen. Sind Sie wirklich General Crescents Freundin?“
 

Cutter war viel zu verblüfft, um eine ausweichende oder gar unwahre Antwort zu geben.
 

„Ich schätze schon.“ Es klang höchst verlegen. Noch nie hatte ihr jemand diese Frage gestellt ... „Woher ... woher wissen Sie das?“
 

„Er hat sie hergetragen. Und ist nicht von Ihrer Seite gewichen. Das ist, wenn man seinen Ruf bedenkt, nicht gerade typisch für ihn. Mittlerweile ist die Geschichte das Gesprächsthema bei ShinRa.“
 

„Was mich viel mehr wundert“, schaltete sich Zack ein, „ist, dass die `Silberelite´ noch nicht versucht hat, diese Station zu stürmen. Wo doch die Gerüchteküche brodelt.“
 

„Oh, 5 Mitglieder werden hier zur Krankenschwester ausgebildet, man kann also durchaus von `Beobachtungsposten´ sprechen. Außerdem waren sie live dabei, als der General Tzimmek-san hergebracht hat. Ich zitiere: `Das war sooooo romantisch!!! Er hat sie hergetragen!!! Mit nacktem Oberkörper!!! Diese Muskeln!!! Ich dachte, ich fall um!!!´“ Sie wurde wieder ernster. „Ich habe ihnen ein striktes Verbot erteilt, dieses Zimmer zu betreten oder übermäßig oft an der Glasscheibe entlang zu laufen, und sie wissen, dass ich bei meinen Verboten keine Ausnahmen mache. Oh, Zacky? Woher weißt du, dass die Gerüchteküche bei der `Silberelite´ brodelt?“
 

Der 1st schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.
 

„Ich bin Mitglied.“
 

Cutter musste unwillkürlich lachen. Katie schüttelte, für einige Sekunden sprachlos, den Kopf.
 

„Er ist dein General!“, brachte sie schließlich hervor.
 

„Was? Die Mitgliedschaft ist für das kleine Fangirl in mir!“
 

„Wie das aussieht, will ich lieber gar nicht wissen. Und deshalb gehe ich jetzt besser wieder. Bis später.“
 

Sie verließ das Zimmer. Cutter warf Zack einen langen Blick zu ...
 

„Oh weia.“
 

Die Betonung verriet ihre Gedanken nur zu offensichtlich. `Die Silberelite. Sephiroths offizieller Fanclub. An den hab ich irgendwie die ganze Zeit überhaupt nicht gedacht.´
 

„Mach dir um die keine Sorgen. Das sind ... Fangirls. Ein bisschen abgedrehter als meine, aber das liegt einfach an Sephiroths Ignoranz. Die glauben trotzdem alle, ihn zu kennen, aber sie wissen nicht einen Bruchteil der Dinge, die er dir anvertraut hat. Und im Moment machen sie sich mal wieder heftige Gedanken über sein Liebesleben.“ Er griff nach seinem PHS, suchte nach einer Nachricht und drückte Cutter das Gerät in die Hand. „Ich hab sehr lachen müssen.“
 

Cutter griff nach dem PHS ... und verharrte. Runzelte die Stirn. Sephiroth hatte sie hergetragen? Aber sie war doch mit Zack auf die Krankenstation gegangen ... Der 1st bemerkte den fragenden Gesichtsausdruck.
 

„Cuttie, Seph wird dir alles erklären. Er kann das viel, viel besser als ich. Hab noch etwas Geduld, ok?“
 

Zögern, dann allerdings ein Nicken. Wenige Sekunden später aber runzelte sie abermals die Stirn. Führte das PHS näher zu ihrem Gesicht, das sich leicht im Display des Gerätes spiegelte. Es war ihr Gesicht. Aber ein bestimmter Teil davon ...
 

„Äh, Zack? Was ist mit meinen Augen los?“
 

„Cuttie, ich bitte dich, ich flehe dich an, frag mich nicht. Ich könnte es dir niemals so gut erklären wie Seph. Lies ... lies die Nachricht. Ich hab mich sehr amüsiert.“
 

Dass er sie ablenken wollte, war nur zu offensichtlich. Und Cutter tat ihm den Gefallen, begann zu lesen ... und nur wenige Sekunden später vergnügt zu grinsen und schließlich zu lachen.
 

„Das meinen sie nicht ernst, oder?“
 

„Doch, doch. Ich hab Seph so oft gesagt, er soll wenigstens ein Interview mit ihnen führen, aber du kennst ihn. Sie haben keine Chance.“
 

„Ich ...“, begann Cutter, verstummte jedoch schlagartig. Zack musste sich nicht erst umsehen um zu wissen, wer gerade an der großen Glasscheibe vorbeigegangen war. Die Tür öffnete sich nur Sekunden später. Zack erhob sich wortlos, verstehend, und ging. Sephiroth lehnte die mitgebrachte Luna Lance griffbereit ans Bett.
 

„Die sollte in deiner Nähe sein.“ Er ließ am Rand des Bettes nieder, streckte die Hand aus und streichelte behutsam über Cutters Wange. „Wie geht es dir?“
 

„Wann kann ich wieder auf Missionen?“
 

Der General musste unwillkürlich schmunzeln. Die Abenteuerlust und der Lebenswillen seiner Freundin waren ungebrochen. Fast ein kleines Wunder nach allem, was im Laufe der vergangenen Tage geschehen war.
 

„Also keine Schmerzen?“
 

„Keine Spur! Ich bin fit!“
 

Wenn du wüsstest!, dachte Sephiroth. Aber ich kann die Wahrheit unmöglich länger vor dir verbergen. Jedenfalls den mir bekannten Teil der Wahrheit.
 

„Cutter“, diesmal klang seine Stimme wirklich sanft, „woran erinnerst du dich?“
 

„Mission im Cosmo Canyon, Stich von blödem Insektenvieh, allergische Reaktion. Zack ist mit mir auf die Krankenstation gegangen, aber ich bin wohl zusammengebrochen. Und hier wieder wach geworden. Also ... was habe ich alles nicht mitbekommen?“
 

Und Sephiroth begann zu erzählen. Bemüht ruhig und sachlich ... aber es gab Erlebnisse, für die einfach keine beruhigenden Worte existierten. Und diesmal gelang es nicht einmal ihm, welche zu erschaffen. Cutters Emotionen waren auf ihrem Gesicht deutlich zu erkennen. Aber sie sagte kein Wort. Bis die Geschichte mit einem leisen: „ ... und dann bist du aufgewacht“, endete. Erst dann schüttelte sie langsam den Kopf.
 

„Ich war ... in einem dieser Tanks? Mitten zwischen diesen armen ...?“
 

„Es war die einzige Möglichkeit.“
 

Als Cutter antwortete, war ihre Stimme völlig frei von Vorwürfen oder gar Wut.
 

„Wenn du mich zu Hojo gebracht hast, ging es wirklich nicht anders. Aber, Sephy? Diesen Handel auszuschlagen ... Vielleicht war das deine erste und einzige Chance, deine Antworten zu erhalten.“
 

Aber Sephiroth schüttelte den Kopf.
 

„Hojo kann man nicht trauen. Und abgesehen davon ... Ich will keine Welt ohne dich!“
 

Sie hätte es nie verlangt, aber insgeheim davon geträumt, irgendwann einmal `Ich liebe dich´ von Sephiroth zu hören. Aber das hier war größer. Stärker. Mehr. Entsprechend gestaltete sich ihre Reaktion. Cutter setzte sich auf und fiel ihrem Freund um den Hals. Dieser hätte, hinsichtlich der Tatsache sich immer noch auf der Intensivstation und somit durch das große, zum Flur hin zeigende Fenster unter dauerhafter Beobachtung zu stehen, abweisend reagieren können. Aber er tat es nicht. Sondern schloss wortlos seine Arme um den jetzt wieder so nahen Körper. Das zu verlieren ... keine Macht der Welt und keine Antworten hätte diese Leere jemals erneut füllen können. Es verging eine ganze Weile, ehe sich Cutter wieder zurücksinken ließ.
 

„Es ist noch nicht vorbei, oder?“
 

Sephiroth griff nach der Decke und zog sie wieder über ihre Schultern, ehe er antwortete, leise und ernsthaft.
 

„Du wurdest gänzlich unvorbereitet mit Mako in Berührung gebracht. Wäre es die SOLDIER Version gewesen, wärst du hinsichtlich der hohen Konzentration tot oder stark vergiftet. Aber das hier war G-Mako. Darauf ausgerichtet, beschädigte Zellen zu reparieren. Bei dir hat es, laut Hojo, zum ersten Mal wie geplant funktioniert. Was sehr gut ist. Aber es bedeutet auch, dass keinerlei Dokumentationen über den weiteren Verlauf existieren.
 

Wenn der Körper eines SOLDIERs Mako einmal akzeptiert hat – für gewöhnlich ist das eine langwierige Prozedur - benötigt er innerhalb eines gewissen Zeitraums immer wieder neue, stärkere Injektionen, um einen gewissen Standard beizubehalten. Dein Körper hat die G-Mako Version definitiv angenommen, aber es könnte sein, dass ... die Heilung nicht dauerhaft ist. Und du irgendwann eine erneute Dosis brauchst. Aber das muss sich erst zeigen. Nicht einmal Hojo weiß, ob es wirklich soweit kommen wird.“
 

Etliche Sekunden lang sagte Cutter gar nichts. Tief in ihr kämpfte die Erleichterung, am Leben zu sein, mit bodenlosem Entsetzen über das soeben Gehörte und die möglichen Konsequenzen. Letztendlich aber war es nur der Gedanke an einen ratlosen Hojo, der sie grimmig grinsen ließ.
 

„Gefällt ihm nicht, was?“
 

„Nicht im Geringsten. Ginge es nach ihm, würdest du weiterhin in dem Makotank schweben und nur darauf warten, genauestens untersucht zu werden.“
 

„Zum Glück geht’s nicht nach ihm!“
 

Sephiroth schwieg, aber er wusste: Fall das schreckliche Szenario eines Rückfalls eintreten sollte, würde Cutter ins Labor zurückkehren müssen, um ihr Leben ein weiteres Mal jemandem anzuvertrauen, der nur an Forschung und einem Endergebnis in Form von Daten interessiert war. Ihr Augenausdruck verriet, dass sie sich dessen völlig bewusst war – allerdings nicht bereit, deshalb in Panik zu verfallen.
 

Du hast Recht, dachte der General. Noch ist diese Möglichkeit reine Theorie. Sollte sie wahr werden, sind meine Pläne bezüglich Hojos Vernichtung ... Sind sie dann wirklich verloren? Nein. Ich brauche einen neuen Plan. Der greift, falls du wirklich zurückmusst. Aber jetzt sollten wir die weitere Strategie besprechen.
 

„Wenn es wieder losgehen sollte, wirst du voraussichtlich Schmerzen haben. Um wirklich alle Zweifel ausschließen zu können, besorge ich dir Heilmateria und Potion. Sollten sie wirkungslos bleiben, ruf mich an. Im Labor lasse ich dich auf keinen Fall alleine!“
 

Cutter nickte. Sephiroth würde Hojo im Zaum halten. Er kannte den weißen Bastard, die Abläufe, Mako ... Sie würde trotz allem beschützt sein. Falls es wirklich soweit kam. Um sich von den finsteren Gedanken abzulenken, schnitt die junge Frau ein anderes Thema an.
 

„Was ist eigentlich mit meinen Augen los?“
 

„Es scheint sich hier um eine durch das G-Mako ausgelöste Veränderung der Farbe zu handeln.“ Gleichzeitig zog er einen Spiegel hervor, reichte ihn Cutter so sachlich wie möglich, und diese blickte hinein. Die folgende Stille dauerte fast 3 Minuten. Dann allerdings ...
 

„Sie sind bernsteinfarben! Meine Augen sind bernsteinfarben! Deine Freundin hat Raubtieraugen gekriegt! Ich fass es nicht. Das passt überhaupt nicht zu meinem Charakter. Und ich weiß jetzt schon, dass ich zu schusselig für farbige Kontaktlinsen ohne Stärke bin. Oh man ... Ich glaube, ich kriege gerade Angst vor meinem eigenen Spiegelbild.“
 

Sephiroth hielt es für mehr als angebracht, den Spiegel wieder an sich zu nehmen.
 

„Unsere Tarnung ist aufgeflogen“, erkundigte sich Cutter wesentlich ernster, „oder?“
 

„Mal sehen. Ich habe dich kreuz und quer durchs HQ getragen. Zweimal. Du hast einige Tage unter Hojos und meiner Aufsicht in einem Makotank verbracht. Außerdem waren 5 Mitglieder meines albernen Fanclubs anwesend, als ich dich hier eingeliefert habe. Dazu kommt dieses ... reizende, auf den Flur hinzeigende Glasfenster mir gegenüber, durch das man einen grandiosen Blick ins Innere dieses Zimmers hat, in dem ich dich nicht aus den Augen gelassen habe. Ich schätze also ... Ja. Ohne die geringsten Zweifel.“
 

„Das war so nicht geplant.“
 

„Nein. Aber um ehrlich zu sein, ich sehe keinen Grund, es zu leugnen. Die Welt wird sich an diesen neuen Zustand gewöhnen müssen, und es wird sehr interessant sein, ihr dabei zuzusehen.“
 

„Klasse Strategie. Ich werde der Welt dabei helfen!“
 

„Ich nehme an, deine `Hilfe´ besteht daraus, mir irgendwo aufzulauern, mich unter den Augen aller Anwesenden zu drücken oder zu küssen und dann blitzartig wieder zu verschwinden?“
 

Vergnügtes Lachen verriet einen Volltreffer.
 

„Rechne hinter jeder Ecke mit mir! Und zwar ab ... ab wann?“
 

„Morgen. Wenn sich deine Werte nicht verschlechtern.“
 

„Darf ich in der Zwischenzeit ein Interview mit deinem Fanclub führen?“
 

„Untersteh dich!“, grollte der General. „Versuch lieber das neue, unerlaubterweise von Zack auf deinem PHS installierte Spiel zu finden.“ Er reichte ihr das Gerät. „Ich habe es nicht gefunden.“
 

„Ist bestimmt im Spieleordner.“
 

Im Spieleordner. Sephiroth schloss die Augen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Lider. Er hatte angenommen, nicht einmal Zack speichere nicht genehmigte Unterhaltungsmedien auf firmeneigener Hardware so offensichtlich ... Er seufzte leise, öffnete die Augen wieder und begegnete einem vergnügten Grinsen. Der Blick in den Spieleordner war also ein voller Erfolg gewesen.
 

Ich bring Zack um, dachte der General. Eines Tages bring ich ihn um!
 

Und dann setzte eine mehrere Sekunden lang andauernde Stille ein, in der sich makogrüne und bernsteinfarbene Augen einfach nur ansahen. Ohne ihre Gedanken zu verschleiern. Wünsche und Pflichtgefühl, Liebe und Logik, Militär und Privatleben rangen auf beiden Seiten miteinander.
 

„Kompromiss?“, sagte Cutter schließlich leise und ernsthaft. „Wir stellen unsere PHS auf Videokonferenz. So kannst du im Büro arbeiten, hast mich aber trotzdem im Auge.“ Und als er nicht sofort antwortete: „Ich bin ok! Geh und kümmere dich um deinen Papierkram und deine SOLDIER, General.“
 

Der Vorschlag war akzeptabel. Sephiroth nickte und erhob sich. Cutter wollte noch irgendetwas Freches zum Abschied sagen – kam aber nicht dazu. Der Kuss machte noch einmal alles Ungesagte überdeutlich.
 

„1:0 für mich, nach der neuen Zeitrechnung“, wisperte Sephiroth, nachdem die Berührung vorbei war. „Gib dir Mühe, aufzuholen.“
 

Cutters Grinsen verriet überdeutlich, dass sie sich extrem große Mühe geben würde, und so verließ der General die Krankenstation und betrat nur wenige Minuten später sein Büro, in dem mehr als genug Arbeit auf ihn wartete. Aber bevor er nach dem ersten Blatt griff, nahm er die Einladung zur vereinbarten Videokonferenz an.
 

Auch etliche Stockwerke über ihm, im am höchsten gelegenen Büro des ShinRa HQ, wurde gearbeitet. Allerdings hatte die Thematik gerade eine völlig neue, unberührte Ebene betreten. Rufus Shinra, dessen Desinteresse am aktuellen Klatsch und Tratsch seiner Angestellten gigantisch gering war, blickte beinahe fassungslos zu dem ihm gegenüber sitzenden Professor Hojo, der gerade dabei war, sich einen Schluck dieses scheußlichen Tees zu genehmigen. Dann wiederholte er die eben durch den Wissenschaftler übermittelte Information auf eine Art und Weise die überdeutlich verriet, dass er zwar zur Landung ansetzte, aber dem Untergrund noch nicht zu 100 % traute und jederzeit bereit war, erneut durchzustarten.
 

„Jenova Projekt 1 hat eine Freundin.“ Bodenkontakt. „Gemessen an Ihrer Ruhe kann ich wohl froh sein, überhaupt darüber informiert zu werden, Professor!“
 

Hojo winkte ab.
 

„Die Lage ist weitaus weniger drastisch als Sie annehmen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von

65 % wird er uns sogar sehr bald mehr brauchen, als ihm lieb ist.“
 

„Worauf wollen Sie hinaus?“
 

„Das G-Mako ...“
 

„Dessen Erforschung und Weiterentwicklung bis zur Fertigstellung der S-1 Einheiten von mir höchstpersönlich stillgelegt wurde“, unterbrach Rufus eisig, „und das Ihnen daher in dieser Form niemals hätte vorliegen dürfen, hat ...?“
 

„ ... sich mit den Zellen seiner kleinen Freundin verbunden und die durch den allergischen Schock beschädigten Organe repariert. Aber was, wenn diese Wirkung nur eine bestimmte Zeit anhält?“
 

„Sie meinen also, das G-Mako könnte trotz seines unterschiedlichen Aufbaus dieselben Vorgehensweisen erfordern, wie die bei SOLDIER verwendete Version? Und muss in regelmäßigen Abständen erneuert werden?“
 

„Die Möglichkeit besteht. Es ist Mako!“
 

„Wann wird sich das zeigen?“
 

„Nicht vorhersehbar, da sich das entsprechende Testobjekt frei bewegen darf und sich somit jeglicher Überprüfungen entzieht.“ Der lauernde Unterton in seiner Stimme verstärkte sich. „Kann man daran etwas ändern, Mr. President?“
 

„Kaum. Tzimmek beherrscht die Lines. Außerdem wüsste Jenova Projekt 1 sofort, wo er suchen müsste, falls es uns doch gelänge, sie gegen ihren Willen ins Labor zu bringen. Wir müssen abwarten, ob sie von selbst kommt. Sollte dieser Fall eintreten ...“
 

Hojo lauschte aufmerksam und ohne zu unterbrechen etliche Minuten lang. Der Plan entsprach keinesfalls seinem Stil – besaß aber dennoch einige höchst interessante Punkte. Grund genug, sich daran zu halten?
 

„Diese Vorgehensweise“, Rufus Stimme klang äußerst zufrieden, „wird uns mehr Macht über ihn geben als jemals zuvor!“
 

Hojo schwieg einen Moment lang. So mächtig sein Einfluss auf bewegungsunfähig gemachte Körper war, so ungeübt zeigte er sich bei den anderen, frei herumlaufenden Exemplaren und ließ ihn somit zum genauen Gegenteil von Rufus Shinra werden, der genau wusste, wie man einen Menschen ohne ersichtliche Fesseln kontrollieren konnte.
 

„Psychologie scheint interessanter zu sein, als ich es ihr zugestanden habe. Ich versichere Ihnen, mich diesmal ganz genau an Ihre Anweisungen zu halten, Mr. President!“
 

„Wenn wir es schaffen, ihn bis zur Fertigstellung der S-1 Einheiten in Schach zu halten, ist er erledigt.“
 

Hojo lächelte kalt.
 

„Und was machen wir mit Tzimmek?“
 

Rufus gelang es problemlos, noch kälter zu lächeln.
 

„Auch für Tzimmek wird sich eine Lösung finden! Sie dürfen gehen, Professor.“
 

Kurze Zeit später war er wieder allein, aber seine Gedanken weilten nach wie vor bei der aktuellen Situation. Jenova Projekt 1 hatte eine Freundin! Es war einfach unglaublich! Noch dazu diese uneinschätzbare Tzimmek! Sie passte überhaupt nicht zu jemandem wie Crescent, dem es im Blut lag, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Obwohl ... vielleicht gerade deshalb?
 

Er hat sich verändert, dachte Rufus. Seine Sichtweise anderen Menschen gegenüber hat sich verändert, und niemand hat etwas bemerkt. Nicht einmal ich. Weil es keine Hinweise gab. Er hat sich verstellt. Und mich einmal mehr reingelegt. War ich zu naiv? Ich?
 

Jeno ... Crescent ist ein attraktiver Mann. Ich kann es nicht leugnen. Außerdem ist er sehr stark und hat einen tödlichen Ruf. Im Grunde ist er der perfekte Beschützer. Angeblich gibt es Frauen, die genau das wollen. Aber Tzimmek beherrscht die Lines. Sie kann sich selbst verteidigen und braucht keinen Schutz. Also weshalb ... Weshalb verstehe ich es nicht?!
 

Er grübelte noch eine ganze Weile darüber nach, aber im Grunde wusste er längst zwei Dinge. Erstens: Er hatte keine Ahnung von Beziehungen. Und Zweitens: Er wollte auch gar keine haben. Alle Frauen, denen er im Laufe seines bisherigen Lebens begegnet war, hatten es auf sein Geld abgesehen. Natürlich war dieser Gedanke nie laut ausgesprochen worden. Jedenfalls nicht von den Frauen, die sich alle Mühe gegeben hatten, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Mit schmeichlerischen Worten. Mit Tränen. Mit Briefen. Mit ihrem Körper. Aber alles war sinnlos geblieben. Rufus Liebe galt allein der Electric Power Company und seiner Macht. Jetzt allerdings raufte er sich in einem unbeobachteten Moment die Haare.
 

Die Hiwakosache war noch nicht geklärt! 9 Reaktoren waren verloren! Der Planet plante mit Sicherheit weitere Schritte! Und jetzt hatte Jenova Projekt 1 auch noch eine Freundin! Die mit kaum erforschtem G Mako infiziert worden war, überlebt hatte und vielleicht schon bald in regelmäßigen Abständen Erneuerungen brauchte! Im Labor! Von Hojo, bei dem es wie immer höchst fraglich war, ob er sich wirklich an die erteilten Anweisungen halten würde.
 

Im Moment kam sich Rufus nicht wie ein mächtiger Präsident vor, sondern eher wie der Leiter eines Irrenhauses. Was schon wieder fast positiv zu bewerten war, denn meistens waren es die Anführer, denen wenigstens noch etwas mehr Intelligenz und Geschick geblieben waren, als allen anderen. Von daher ... sollte sich ShinRa doch vorübergehend in ein Irrenhaus verwandeln! Solange er am Leben und bei klarem Verstand war, würde er immer Mittel und Wege finden, die Normalität zurückkehren zu lassen. Und das galt auch für diese Situation, ganz egal, wie verworren und unkontrollierbar sie zu sein schien.
 

Sephiroth sollte Recht behalten, was das Datum von Cutters Entlassung anging, aber es wurde trotzdem Abend, ehe sie die Krankenstation verließen und sich durch die Flure auf den Weg zum nächsten Aufzug machten. Und obwohl beide schon oft nebeneinander über diese Flure gegangen waren, diesmal fühlte es sich völlig anders an. Es gab keinerlei Tarnung mehr. Die `General Crescent hat eine Freundin!!!´ Sache hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, und die Personen in den Fluren ... Sie gaben sich Mühe, normal zu wirken. Und versagten grandios, auf allen Ebenen.
 

Cutter war ihr geltende und auf linestechnische Fähigkeiten zurückzuführende Aufmerksamkeit gewohnt. Aber die jetzige Form von Interesse machte sie nervös. So nervös, dass eine Reaktion nicht lange auf sich warten ließ.
 

„Cutter“, grollte Sephiroth.
 

„Was?“ So unschuldig ihre Stimme klang, Sephiroth fiel nicht darauf herein.
 

„Verwandle diese Personen zurück.“
 

„Hm?“ Sie warf einen Blick über die Schulter. Und bremste jäh ab. „Oh.“ Stille. Und dann, restlos begeistert: „Wie süüüüß!“
 

Die 8 bemitleidenswerten, sich zu diesem Zeitpunkt außer ihr und Sephiroth auf dem Flur aufhaltenden Personen ... waren keine Personen mehr. Sondern ...
 

„Häschen! Oh guck nur, die sind flauschig und fluffig und kuschelig und niedlich und was die für niedliche Öhrchen haben, und sie ...“
 

„ ... können dem Job, für den sie in ihrer menschlichen Form angestellt wurden, nicht mehr nachgehen.“
 

„Aber in dieser Form interessieren sie sich nur noch für Futter und Paarung und nicht mehr für uns. Ehrlich, als würden wir das nicht merken, wie sie sich hinter uns zusammenrotten, um uns nachzusehen oder zu tuscheln oder blitzartig in ihren Büros verschwinden um irgendjemanden anzurufen, frei nach dem: `Ich hab sie gesehen!!! Zusammen!!´ Motto. Das ist so ...“
 

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Und jetzt verwandle sie zurück.“
 

„Hm. Können sie Häschenohren und Puschelschwänzchen behalten? Ist eben mächtig was schief gelaufen im Labor ...“
 

Sephiroth schüttelte amüsiert den Kopf und erntete ein enttäuschtes Seufzen. Aber nur 3 Sekunden später waren aus den flauschigen, fluffigen, kuscheligen und niedlich Häschen wieder Menschen geworden. Die sich auf allen Vieren wiederfanden, hastig aufsprangen und die Flucht um die nächste Ecke oder in eines der Büros antraten. Der General und Cutter betraten wenig später einen der (glücklicherweise leeren) Aufzüge und letztendlich das Appartement Sephiroths.
 

„Hey, Sephy?“ Cutter schubste mit einem Fuß die Tür hinter sich ins Schloss. „Die anderen sind unhöflich, aber ich muss ich beherrschen. Irgendwie klingt das falsch.“
 

„Sieh es als gute Übung für deine Selbstbeherrschung.“ Er hielte inne. „Hast du Hunger?“ Nicken. „Nudeln?“ Begeistertes Nicken. Und bevor Sephiroth auch nur die Chance zu irgendeiner Bewegung hatte, war der Sturmwind im Besitz des Telefons.
 

„Hallo, lieber ShinRa interner Cateringservice“, hörte der General sie wenige Sekunden später breit grinsend sagen, „hier ist Cutter Tzimmek, die Freundin von General Crescent ...“
 

Die Tarnung war wirklich restlos aufgeflogen. Und Sephiroth registrierte mit mildem Erstaunen, wie angenehm ihm dieser Zustand war. Es glich der absoluten Bestätigung für seine Entscheidung, Cutter statt Hojos Angebotes zu wählen.
 

Und meinetwegen, dachte der General, können es alle sehen und wissen! Es macht mir nichts aus. Und ihr auch nicht. Weil wir zusammengehören.
 

Einige Stunden später, nach dem Abendessen, war es still geworden in dem großen Appartement. Cutter lag auf der Couch, den Kopf auf den Oberschenkel des neben ihr sitzenden Sephiroths gelegt und blinzelte an ihm vorbei zur immer noch defekten Klimaanlage. Es war so warm, immer noch, und trotz mittlerweile weit geöffneter Fenster. Im Grunde wäre die junge Frau längst müde genug gewesen, um schlafen zu gehen. Aber sie wollte sich nicht bewegen, wollte nicht allein über die Flure wandern und ihr Quartier aufsuchen, wo sie bis zum nächsten Morgen allein sein würde - nicht aus Angst, sondern weil sie sich hier viel aufgehobener fühlte. Schlicht und ergreifend. Und trotzdem würde sie gehen müssen. Gewisse ... Umstände verlangten es so. Cutter wusste es nicht, aber Sephiroth dachte über genau dieselbe Sache nach. Und letztendlich ...
 

„Phoenix“, die dunkle Stimme klang leise, „möchtest du heute Nacht hier bleiben?“
 

„Mhmh. Aber es geht nicht.“
 

„Warum?“
 

„Weil es momentan so warm ist, dass ich nur in Unterwäsche schlafen kann. Das ist ... ziemlich wenig Stoff, und wenn ich mich wieder so an dich kuschele, wie letztes Mal, das wäre vielleicht ein bisschen zuviel?“
 

„Vielleicht aber auch nicht.“
 

Beide sahen einander an, schweigend und verstehend, dass es nur eine Möglichkeit gab, festzustellen, welches `vielleicht´ zutraf. Cutter erhob sich zuerst von der Couch, verschwand im Badezimmer, duschte und tappte hinüber ins Schlafzimmer. Sephiroth war zu höflich, ihr dabei zuzusehen, aber er nutzte die eigene Zeit im Badezimmer, um sich mental vorzubereiten. Er betrat das Schlafzimmer etliche Minuten später, gefasst auf viel nackte, helle Haut zwischen tiefschwarzen Bettbezügen, aber der sich ihm tatsächlich bietende Anblick war dennoch wie ein sanfter Schock. Cutter selbst lächelte ihm ein wenig verlegen entgegen.
 

„Hab´ dich gewarnt.“
 

„War vorbereitet.“ Gleichzeitig ließ er sich auf seiner Seite des Bettes nieder. Cutter, mittlerweile lang auf ihrer Seite ausgestreckt, blinzelte fragend zu ihm hinüber. Zwar trug Sephiroth nicht mehr als Boxershorts, aber seine Aura, klar und wachsam wie immer, machte überdeutlich, dass er nicht plante, zu schlafen.
 

„Aber du hast doch die ganze Zeit auf mich aufgepasst!“, protestierte Cutter. „Ich bin ok, wirklich!“
 

„Und ich ein wirklich guter Schlafbewacher. Deiner.“ Er streckte die Hand aus und streichelte durch ihre vom Duschen immer noch nicht ganz trockenen Haare. „Schlaf. Tief und fest, bis morgen früh. Und wenn du aufwachst, bin ich schon da und kann dir `Guten Morgen´ sagen.“ Er beugte sich nach vorne, um sie zu küssen, spürte, wie sie den Kontakt vertiefte, wie ihre Hände über seinen Körper streichelten ... und wehrte sich nicht. Aber letztendlich war es nur die Gewissheit, dass Cutter Ruhe brauchte, die ihn dazu brachte, die Berührungen zu beenden und „Gute Nacht, Phoenix“, zu wispern, ihrer leisen Antwort zu lauschen und sie dabei zu beobachten, wie sie die Augen schloss. Wie sie einschlief. Wie ihre Haare langsam trockneten. Wie ruhige, friedliche Atemzüge ihren Oberkörper langsam hoben und senkten.
 

Und immer wieder musste Sephiroth daran denken, wie knapp es diesmal gewesen und, dass es vielleicht noch nicht vorbei war. Aber für jetzt, für diesen Moment, war alles in Ordnung.

Irgendwann schaltete Cutters Körper auf `automatische Steuerung´ und kuschelte sich an ihn.
 

Es war jenes Anschmiegen, das ihn beim letzten Mal so verwirrt hatte, diese Berührung ihres Oberkörpers, so deutlich spürbar ohne davor geschobene Arme oder Hände. Heute war der Rhythmus eines jeden Atemzuges, jedes intensivieren oder abschwächen des Kontaktes, besonders intensiv, und es war Sephiroth unmöglich, nicht für einen Moment die Augen zu schließen. Dieses wortlose Vertrauen, dieses Gefühl zu verlieren ... Und wie um es für immer zu behalten, schob er vorsichtig einen Arm über den so nahen, warmen Körper. Es fühlte sich anders an, intensiver als jemals zuvor. Es mochte an irgendeinem seelischen Vorgang liegen, oder an dem wenigen Stoff, oder lediglich an ihrer Nähe. Vielleicht sogar an allem. Und es wurde nicht schwächer.
 

Stunden vergingen. Und Sephiroth wachte über Cutter, die tief und fest schlief, eng an ihn geschmiegt, ein warmes, kleines Universum, angefüllt mit Vertrauen, Sturheit und all den anderen Eigenschaften, die sie so einzigartig werden ließen, aufgrund der immer noch defekten Klimaanlage nur in Unterwäsche gehüllt, die so dünn war, wie erwartet, und mit einer Haut, die sanft im Licht des durch die Fenster fallenden Vollmondes leuchtete. Irgendwann war es Sephiroth unmöglich, all diese Details zu ignorieren.
 

Vielleicht lag es an der Gewichtsverschiebung auf der Matratze, vielleicht an dem Kuss selbst, aber Cutter erwachte, blinzelte, rollte sich auf den Rücken, sah zu ihm auf und erkundigte sich verschlafen:
 

„Ist was los?“
 

Sephiroth schüttelte den Kopf.
 

„Nein, ich ...“ Über ihm klickte es leise, dicht gefolgt von vertrautem Summen. „Die Klimaanlage geht wieder.“
 

„Ein Hoch auf die ShinRa Technologie“, murmelte Cutter, schloss abermals die Augen und schmiegte sich wieder an ihn, intensivierte im Grunde unbeabsichtigt das sich in seiner Seele wie ein breiter Fluss bewegende Gefühl, ließ es über die Ufer treten. Und Sephiroth schob ohne weiter nachzudenken eine Hand unter den dünnen, über ihre nackte, warme Schulter verlaufenden Träger und streifte ihn langsam und fragend beiseite.
 

Cutter blinzelte abermals. Dann wurde ihr bewusst, dass dies kein normales Streicheln gewesen war. Sie rollte sich erneut auf den Rücken, um besser zu ihm aufsehen zu können, und begegnete einem Blick, den sie niemals zuvor bei ihm gesehen hatte. Aber nichts darin machte ihr auch nur für einen Sekundenbruchteil Angst.
 

„Sephy?“, fragte sie leise und noch nicht in der Lage, diesen Ausdruck zu deuten. „Was ...“ Und dann, zwischen zwei Herzschlägen, begriff sie. Und streifte den zweiten Träger selbst von der Schulter, ebenso langsam wie Sephiroth es vor einem Moment getan hatte, und ohne den Augenkontakt auch nur für einen Sekundenbruchteil zu verlieren.
 

Es war eine stumme Zustimmung, und sie änderte sich weder nach dem langen, gefühlvollen Kuss, noch, als Sephiroths Hände den Stoff vollständig von Cutters Oberkörper entfernten und mit einer Erkundung begannen, die einen warmen Schauer nach dem nächsten auslöste. Wie anders sich jede Berührung nun anfühlte. Mitreißender und intensiver, aber gleichzeitig auch sanfter und tiefer als jemals zuvor. Und trotz aller Unerfahrenheit, alles fühlte sich richtig an. Alles besaß eine Bedeutung.
 

Cutters mittlerweile geschlossenen Augen öffneten sich erst nach einem langen Kuss wieder, und was sie fand, war ein Blick, in dem sich genau dieselbe Frage befand, wie in ihrem eigenen.
 

`Genug?´
 

Die Antwort erfolgte nur wenige Sekunden später, lautlos und gleichzeitig.
 

`Nein.´
 

„Hast du Angst?“, wisperte Sephiroth. Cutter schüttelte den Kopf, gleichzeitig streichelte sie mit beiden Händen über sein Gesicht und lachte kaum hörbar.
 

„Vor dir hatte ich noch nie Angst.“
 

Sephiroth schmunzelte, wisperte: „Nein. Du nie ...“, und ließ seinen Kopf nach vorne sinken, bis dieser die Stirn vor sich berührte. So verhielten sie einige Sekunden in völligem Schweigen. Erst ein erneuter, langer Kuss schuf eine Brücke zum nächsten Streicheln, zu neuen Küssen. Und neuen Bewegungen.
 

In dieser Nacht vereinten sich ihre Körper zum ersten Mal, beinahe unschuldig. Und so sicher Sephiroth gewesen war, das auf ihn wartende Gefühl zu kennen (Makobehandlungen hatten gewisse körperliche Auswirkungen, die man nicht ignorieren konnte) er wurde überrascht. Sehr!

Es war ihm unmöglich gewesen damit zu rechnen, wie intensiv ein anderer Körper auf diese Art der Nähe reagieren würde, mit Beben und Zittern, mit eigenen Bewegungen, einer bisher noch nie gehörten Stimme ... Und nicht damit, wie intensiv sein eigener Körper damit umgehen würde. Die Überraschung war perfekt und so rein, dass sie förmlich leuchtete.
 

Cutter hatte Geschichten gehört. Und blöde Sprüche. Jede Menge blöde Sprüche! Aber nichts von all dem traf zu. Der kurze Schmerz war nicht von Bedeutung, weil es danach nichts mehr gab außer Sephiroth, Sephiroth ... Sephiroth! Ein Gefühl wie Tod und Wiedergeburt in derselben Sekunde. So gut, so intensiv und mitreißend ... Es war, als habe ihr Körper schon seit Ewigkeiten genau darauf gewartet, als seien ihre Hände nur da, um sich in Sephiroths Haaren zu vergraben, sich irgendwo an ihm festzuhalten, ihre Stimme nur existent, um seinen Namen zu flüstern, immer wieder und wieder.
 

Sie waren verliebt. Und liebten einander. Mehr war in dieser Nacht nicht wichtig.
 

Als Cutter zum nächsten Mal blinzelte, wurde sie von morgendlichem Licht begrüßt, das förmlich zu grinsen schien. Ganz offensichtlich hatten Mond und Sonne schon die aktuellen Neuigkeiten ausgetauscht. Cutter selbst errötete unwillkürlich leicht. Sie lag in Sephiroths Bett. Nackt. Weil sie ... es ... getan hatten. Zusammen. Zum ersten Mal. Und er war immer noch da, schon wach, und beobachtete sie aufmerksam. Seine Nähe und die Erinnerungen an die vergangene Nacht machten es Cutter unmöglich, ihre Gefühle zu unterdrücken, und sie begann abermals, ihn zu streicheln und zu küssen, minutenlang, ehe sie sich endlich zu einem leisen: „Hey“, durchringen konnte.
 

„Hey“, wisperte Sephiroth zurück.
 

Etliche Herzschläge lang blieb es ganz still. Und dann, völlig synchron und sehr ernst:
 

„Bist du ok?“
 

Beide mussten unwillkürlich schmunzeln.
 

„Ja“, antwortete Sephiroth schließlich leise.
 

„Hmmh, ich auch.“ Und nach einer kurze Pause: „Mein Körper fühlt sich komisch an. Irgendwie ... total anders.“
 

„Tut mir L ...“ Dann registrierte er, dass der Satz auf keine Weise vorwurfsvoll geklungen hatte. Nur nachdenklich - und ein wenig amüsiert. Ganz abgesehen davon, wenn Sephiroth in sich hineinlauschte ... „Meiner auch. Wir haben es wirklich getan, was?“
 

Cutter nickte sachte. In ihren Augen glomm ein nie da gewesener, zweifelsfrei durch die vergangene Nacht heraufbeschworener Ausdruck, ein tiefer, wissender Zauber um ein neues Geheimnis. Die junge Frau streckte eine Hand aus und streichelte vorsichtig über die Konturen des so nahen Gesichtes, wanderte an seinem Hals entlang ... und hielt inne, als ihr schlagartig bewusst wurde, `es´ wieder zu wollen, am liebsten sofort! Aber wie sollte sie ihm das klar machen, ohne ihn zu überfallen? Sie dachte noch darüber nach, als Sephiroths dunkle Stimme erklang.
 

„Cutter? Können wir das von Zeit zu Zeit wiederholen?“
 

Die Antwort kam augenblicklich.
 

„So oft du willst!“
 

„Auch ... jetzt?“
 

Cutters Antwort ließ keinen Spielraum für Fragen. Das Gefühl kam nur wenig später zurück, hielt die Zeit an, ließ alles andere nebensächlich werden. Bis auf Weiteres war wirklich alles … gut, und so verdient, dass nicht einmal Sephiroth dagegen protestieren konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SilverReader
2010-12-03T18:31:38+00:00 03.12.2010 19:31
*glotz*
Nicht ganz das was ich erwartet habe, aber man muss es ja nicht immer ausschreiben.
Das du es nicht gemacht hast war aber auch sehr schön, weil es einfach mal entspannend war ohne die ganzen Sexbeschreibung eine schöne Hentai-Szene zu lesen.
*lüf*

Ja es hat ENDLICH geklappt!
Ich hab so mit Cutter und Seph gefiebert ^^
Auch wenn die verpaarung eines OC mit Seph nicht grade meinem ideal entspricht, aber Wow... Cutter ist einfach nur süß und ich mag sie voll.

Die Story hat also voll und ganz mein Fav ^^
Von:  Sahva
2010-11-02T13:01:05+00:00 02.11.2010 14:01
Ein wunderschönes Ende für dieses Kapitel. Die zwei haben es sich auch wirklich verdient!

Über Zack habe ich mich wieder einmal schlapp gelacht. Wie du ihn schreibst ist einfach herrlich!!! Das er Mitglied in der 'Silberelite' ist finde ich eine geniale Idee, genau wie die Sache mit dem illegalen Spiel. Da kann man nur sagen: das ist so typisch Zack.

Ich liebe deinen zack genauso, wie ich deinen Sephiroth liebe. Mach weiter so!

Gruß, das Sahva
Von:  fahnm
2010-10-31T00:02:55+00:00 31.10.2010 02:02
Hammer Kapi!^^
Von:  Aruna
2010-10-30T22:30:00+00:00 31.10.2010 00:30
Na endlich! Weißt du, wie lange ich darauf gewartet habe, dass sie es endlich tun? Beim letzten Kapitel hatte ich schon Angst, dass es nicht mehr dazu kommt.
An dieser Stelle übrigens ein dickes SORRY, dass ich mich zum letzten Kap nicht gemeldet hab (ich geh auch gleich in die Ecke und schäm mich). Mein Professor ist auf die glorreiche Idee gekommen, uns ne Woche vor der Klausur noch ne vierte Hausarbeit reinzudrücken. Mit den Worten: „Ich weiß nicht genau, wo die Unterlagen sind, die ihr dafür braucht. Aber ich glaube, das steht irgendwo in den Skripten. Sucht einfach mal.“
Aber jetzt zurück zum Thema.

Ich glaub, über Hojo sind wir uns alle einig, also werd ich mir meinen Kommentar über den hässlichen Krampfkäfer sparen.

Den Schluss fand ich so niedlich:
„Cutter? Können wir das von Zeit zu Zeit wiederholen?“
Die Antwort kam augenblicklich.
„So oft du willst!“
„Auch ... jetzt?“

So süß :) Und bei Rufus´ Erkenntnis, dass er von Beziehungen keine Ahnung hat, musste ich auch lachen. War wieder ein gelungenes Kapitel. Wie immer :)
Mach weiter so.
lg Aruna



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