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FFVII: Blue Wanderer - In the lines

von

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Cutters Debut

Es dauerte länger als erwartet, aber letztendlich gelang es ShinRa, den Angriff zurückzuschlagen und mit den wenigen Gefangenen ins Camp zurückzukehren. Sephiroth hielt, seinem Instinkt lauschend, speziell nach Zack Ausschau und seine Ahnung bestätigte sich. Cutter war bei ihm. Bei ihrem Anblick verfinsterte sich der Blick des Generals – aber die Reaktion galt ausschließlich sich selbst.
 

Sie ist wieder da, dachte er. Nach 4 Jahren kommt sie endlich zurück. Du hast endlos oft an sie gedacht. Sie jeden Tag gerufen, in der Hoffnung, eine Antwort zu bekommen. Ihre Handynummer auf den ersten Speicherplatz deines PHS gelegt. Sie vermisst. Ihr einen Spitznamen gegeben. Das Bild eines Phoenix und eines, das an deine Line erinnert, in deinem Appartement aufgehängt. Unzählige Male davor gestanden. Immer ein frisches Glas Schokocreme im Kühlschrank gehabt. Dich gegen jegliche Form eines gefühltechnischen Rückfalls gesträubt. Bewahrt, was sie dir gegeben hat. Einen Plan entwickelt. Jetzt ist sie zurück. Und du verhältst dich, als hättest du nicht das Geringste gelernt. Als wäre sie nur irgendeine Person. Und nicht ... sie. Du hast auf ganzer Ebene versagt. Herzlichen Glückwunsch!
 

Aber es war ihm unmöglich gewesen, sich anders zu verhalten. Weil, das wusste er jetzt mit Sicherheit, alles Gelernte und alles Bewahrte noch nicht ausreichte. Nicht dafür. Diese Tatsache verwirrte ihn mehr, als er es jemals zugegeben hätte. War er nicht bis an die Grenzen des für ihn Möglichen gegangen? Hatte er nicht alles getan, um sich auf dem Moment des Wiedersehens vorzubereiten? Bei Zack war er mit dieser Strategie erfolgreich gewesen. Warum nicht auch bei Cutter? Er verstand es nicht. Und er hatte jetzt keine Zeit, weiter darüber nachzudenken.
 

Denn noch war die eigentliche Schlacht nicht gewonnen, und außerdem musste er dafür sorgen, dass Cutter nichts geschah, denn zum Einen hätte sie, selbst wenn er ihr Materia gegeben hätte, mit der neuen Version nicht umgehen können, und zum Anderen bezweifelte der General, dass es ihr nach 4 Jahren Pause möglich gewesen wäre, den ernsthaften Angriff eines anderen Menschen zurückzuschlagen. Was den seltsamen Stab in ihren Händen anging ... Was stellte er dar? Eine Waffe? Ein Symbol? Er mochte über eine furchteinflößende Spitze verfügen, aber das reichte nicht aus, um optimalen Schutz zu gewähren. Und Symbole besaßen nur dann Macht, wenn man sich über die von ihnen ausgesandte Botschaft im Klaren war.
 

Die Situation war zu unsicher! Zack hätte zwar mit Sicherheit sofort die Rolle eines Leibwächters übernommen, aber Sephiroth brauchte den 1st auf dem Schlachtfeld! Und so ergab sich, alle Details zusammengenommen, ein trostloses Bild völliger Schutzlosigkeit. Dem die ruhige, fast erhabene Aura der jungen Frau komplett widersprach, und somit überdeutlich machte, dass irgendetwas in diesen 4 Jahren geschehen war. Aber es gab nicht den geringsten klaren Ansatzpunkt, der es dem General ermöglichte, die Situation zu durchschauen.
 

Zack bemerkte den finsteren Blick seines besten Freundes und sah zu der schweigend neben sich hergehenden Cutter. Er hatte die junge Frau unmittelbar nach Ende des Kampfes ein zweites Mal mitten auf dem Schlachtfeld aufgelesen, verbal für ihr vorheriges Verschwinden zusammengefaltet (diesbezüglich auch keine Begründung gelten lassen, erst recht keine, in der die Worte `Ich kann auch mich selbst aufpassen!´ und `Sephiroth-sama´ vorkamen) und ihr mit aller Strenge befohlen, sich nicht von seiner Seite zu entfernen. Letztendlich war sein Befehl befolgt worden, aber seitdem wirkte Cutter extrem niedergeschlagen. Aber, wie Zack hinsichtlich Sephiroths finsterem Blick begriff, nicht nur deswegen ...
 

„Lief nicht so gut, euer Wiedersehen, hm?“, erkundigte er sich leise, während er die teils verblüfften, teils interessierten Blicke der anderen Campinsassen entweder ignorierte oder mit einem warnenden Funkeln bedachte. Cutter schüttelte den Kopf, seufzte leise und erzählte.
 

„Er hat ...“, begann Zack verblüfft. „Wow.“ Und gleichzeitig dachte er unwillkürlich: Seph, du Idiot! Das war keine Begrüßung, sondern eine Hinrichtung!
 

Cutters leise Stimme riss ihn aus seinen nicht unbedingt respektvollen Gedanken.
 

„Er scheint ... wütend auf mich zu sein.“
 

Wenn du wüsstest, dachte Zack. Aber es ist nicht meine Aufgabe, dir Sephiroths Gefühle zu offenbaren. Das muss er selbst tun.
 

„Cuttie, was dir passiert ist, war höhere Gewalt! Er kann gar nicht wütend sein. Schau mal, du warst 4 Jahre weg, wir sind im Krieg, Rufus tobt, weil seine Armee nicht in der Lage ist, mit ein paar, wie er sich ausdrückt `halbstarken maskierten Bauern´ fertig zu werden und Seph hat hier seit kurzem das Kommando. Er soll die Sache endlich beenden, damit wieder Ruhe einkehrt, aber die Situation ist ziemlich verzwickt. Er kann deine Rückkehr momentan einfach nicht entsprechend beachten.“ Er machte eine kurze Pause und fügte hinzu: „Weshalb es vielleicht besser wäre, wenn du ... ihn vorerst ausschließlich wie deinen kommandierenden Offizier behandeln würdest.“
 

Für einen Augenblick sah Cutter aus, als wolle sie protestieren. Dann jedoch nickte sie sachte. Zack hatte Recht. Hinsichtlich aller niemals erahnten Umstände konnte sie einfach nicht erwarten, von Sephiroth freundlich begrüßt zu werden. Auch, wenn sie noch am Leben war.

Apropos `Leben´ ...
 

„Zack? Warum sterben hier schon wieder Menschen?“
 

Und Zack begann zu erklären. Während die junge Frau dem 1st zuhörte, nahm sie wahr, wie viel Mühe es ihr bereitete, all die aus dem Camp auf sie einstürmenden Eindrücke richtig zu beurteilen. Alles war so laut. Und hell! Jedes unvermittelte Geräusch ließ sie erschrocken zusammenzucken, dabei waren dies meistens Laute, die ihr hätten vertraut sein müssen. Und Cutter begriff, dass sie wirklich 4 lange Jahre fort gewesen und einiges verlernt hatte. Sie versuchte, sich an irgendetwas innerhalb der letzten 4 Jahre zu erinnern, aber da waren nur Stille und Finsternis.
 

Weil es nur das gab, dachte die junge Frau irgendwann. Und ich war dort gefangen. Irgendwo. Um zu lernen, was ich jetzt weiß. Aber mir scheint, als hätte ich auch viel verloren ... Ob ich es zurückgewinnen kann?
 

Sie warf Zack einen verstohlenen Blick zu. Der 1st bewegte sich mit der Ruhe eines perfekt bewaffneten Schlachtschiffes neben ihr her, und die immer noch in seinen Augen funkelnde Heiterkeit verriet einen gänzlich unveränderten Charakter. Was Sephiroth anging ... Cutter seufzte leise, versuchte allerdings gleichzeitig, sich Mut zu machen. Zwar hatte der General sie nicht gerade freundlich begrüßt, aber so musste es ja nicht weitergehen. Vielleicht kam es nur darauf an ... Das Zentrum ihrer Gedanken nahm so plötzlich reale Gestalt an, dass die junge Frau erschrocken zusammen zuckte.
 

„1st Class SOLDIER Zackary Fair!“ Die Stimme des schlagartig vor ihr und Zack aufgetauchten Sephiroths besaß Ähnlichkeit mit einem Zug, der unaufhaltsam auf die vor ihm an die Gleise gefesselte Person zuraste. Seit dem Betreten des Camps hatte der General Cutter nicht aus den Augen gelassen. Zu sehen, mit welcher Sorglosigkeit sie sich in dieser angespannten Stimmung bewegte (ganz offensichtlich fest entschlossen, diese zu ignorieren) war mehr als ein guter Grund, wütend auf sie zu werden und ihr zu folgen. Was Zack, der nichts getan hatte um sie davon abzubringen, anging ... „Wie lautet Paragraph 116 b der allgemein gültigen Verhaltensregeln innerhalb eines Einsatzes in feindlichem Territorium?“ Jetzt beinhaltete seine Stimme des Klang von brechenden, splitternden Knochen.
 

„Kannst du nicht nach Paragraph 19 f fragen?“, antwortete Zack unerschrocken. „An den kann ich mich nämlich noch erinnern. Halbwegs.“
 

„Er lautet“, fuhr der General mit unveränderter Stimme fort, „`Zivilisten, denen im Rahmen eines Verhörs oder des Schutzes vor widrigen Umständen der Aufenthalt im Camp/Stützpunkt gewährt wird, sind bewegungsunfähig zu machen und unter ständige Beobachtung zu stellen, bis der Zweck ihres Aufenthaltes als `erfüllt´ oder `nicht mehr nötig´ deklariert werden konnte. Die Entscheidungen sämtliche weitere Vorgehensweisen betreffend sind durch den kommandierenden Offizier zu treffen.´ Haben Sie auch nur einen Punkt dieser verbindlichen Anweisung erfüllt, Fair?“
 

Jeder andere hätte jetzt mit einer höchst diplomatischen, höflichen Antwort reagiert oder sich einfach für `schuldig im Sinne der Anklage´ erklärt. Zack hingegen stemmte entrüstet die Hände in die Hüften.
 

„Cuttie ist gerade erst zurück und ich soll sie einsperren? So behandelt man keine Freunde!“
 

„Wenn ich es befehle, Fair, werden Sie noch wesentlich unbequemere Dinge tun! Auch mit Ihren Freunden! Ihr derzeitiges Verhalten entspricht nicht Ihrem Rang! Ich werde dies entsprechend ahnden.“ Er wandte sich zu Cutter. „Du kommst mit mir!“
 

„Aber ...“
 

„Ich diskutiere nicht mit Zivilisten!“
 

Cutter setzte sich gänzlich überrumpelt in Bewegung und Sephiroth trat augenblicklich an ihre Seite. Diesmal folgte ihnen kein einziger Blick beim Gang durch das Camp. Der General hingegen behielt die junge Frau unauffällig, aber genauestens im Auge. Sie war, wie man an ihrem Gesichtsausdruck überdeutlich erkennen konnte, wütend – wagte es aber nicht, etwas zu sagen. Was Sephiroths Unverständnis hinsichtlich ihres naiven Verhaltens nur noch weiter anstachelte.
 

Wie kann sie sich so unbesorgt verhalten?! Hat sie wirklich nicht begriffen, wie gefährlich es hier für sie ist?! Wie lange glaubt sie, sich mit diesem Stab verteidigen zu können?! Sie muss hier weg. Sie irritiert meine Leute. Und mich auch.
 

Sie erreichten das Zelt des Generals, und dieser erteilte neue Anweisungen. Cutter würde in dem Zelt warten, bis er sie abholte, von einem Helikopter nach Midgar gebracht werden, und sich in einem der zahlreichen Hotels ShinRa´s einquartieren, bis die Lage in Wutai geklärt war, und er weitere Schritte hinsichtlich ihrer Rückkehr unternehmen konnte. Ein momentan akzeptabler Plan.
 

Sephiroth stellte Wachen vor dem Zelt auf, organisierte den Flug nach Midgar und kam wenig später zurück, um Cutter zu holen. Aber sie war verschwunden. Die völlig überraschten Wachen sagten einstimmig und glaubhaft aus, nichts Verdächtiges bemerkt zu haben. Auch das Zelt war völlig unbeschädigt.
 

Das, dachte der General mit einer Mischung aus Ärger und Interesse, hätte sie sich früher nicht getraut. Und jetzt?
 

Letztendlich schickte er den ursprünglich gefassten Plan ins Nirgendwo, informierte die Helikopterbesatzung und begann zu überlegen, wohin diese eigensinnige Person, die sich nicht beschützen lassen wollte, hätte gehen können. Die Antwort war einfach. Überall hin. Sephiroth seufzte leise. Es gab wohl nur eine Möglichkeit, sie zu finden.
 

Er konzentrierte sich und schloss die Augen. Den von ihm auf rein mentaler Ebene ausgeschickten Ruf ... wie oft hatte er ihn in den vergangenen Jahren ausgesandt? Unzählige Male. Und immer erfolglos. Für einen Moment befürchtete der General, es könne wieder so sein. Aber diesmal erhielt er eine wegweisende Antwort.
 

Das nur für ihn spürbare Echo führte ihn aus dem Camp und von dort direkt in den angrenzenden Wald. Wutai lag in einer anderen Klimazone als Midgar, was sich durch eine immergrüne Vegetation auszeichnete und gerade in einem Wald ganz besonders deutlich zur Geltung kam. Wie alle Wälder Wutais war auch dieser erfüllt von geheimnisvoller, tiefer Stille, die für gewöhnlich nur kurzfristig durch die Geräusche von Tieren unterbrochen wurde. Ein seltsamer, ruhiger Zauber schien die Bäume und Pflanzen zu erfüllen, allerdings ohne bedrohlich zu wirken. Fast schien es, als versicherte er völlige Friedfertigkeit und hieß jeden Gast Willkommen.
 

Sephiroth trat vorbei an riesigen Bäumen, die vielleicht so alt waren wie der Planet selbst und deren Äste sich bis fast zum Boden neigten. Er schritt durch hüfthohes, weiches Gras, in dem hier und da seltsam glitzernde Blumen wuchsen, übersprang einen kleinen Bach, und obwohl es keinerlei Spuren eines Wesens, das diesen Weg vor ihm gegangen war, gab, spürte er, dass er seinem Ziel mit jedem Schritt ein wenig näher kam.
 

Er näherte sich diesem so geräuschlos wie möglich weiter, und erreichte schließlich den Rand einer kleinen Lichtung. Und dort, auf einem umgestürzten, moosbewachsenen Baumstamm, saß Cutter, allein bis auf zwei Glühwürmchen, die es sich genau parallel zueinander auf ihrem Rücken knapp unterhalb der Schulterblätter gemütlich gemacht hatten.
 

In den Händen der jungen Frau lag der seltsame Stab. Das spitzzulaufende Ende zeigte zum Boden hin, und nur wenige Zentimeter davon entfernt ... Makogrüne Augen beobachteten die laufenden Vorgänge. Gleichzeitig wurde der dazugehörige Verstand mit einer Erkenntnis von der Gewalt einer einschlagenden Bombe konfrontiert. Sephiroth versuchte, das mentale Nachbeben einzudämmen, aber es gelang ihm erst nach einer ganzen Weile. Er hatte schon viel gehört und noch mehr gesehen. Aber niemals zuvor etwas wie die Geschehnisse vor sich. Nicht einmal etwas Ähnliches.
 

Deshalb war sie die ganze Zeit so gelassen, dachte der General. Sie kann ... Aber trifft das auf ausnahmslos alle zu? Wenn ja, so würde dies bedeuten ... Ich muss es wissen! Jetzt!
 

„Die Wände meines Zeltes scheinen sich innerhalb der vergangenen Minuten extrem ausgedehnt zu haben!“
 

Vor ihm zuckte Cutter zusammen und wandte den Kopf.
 

„Whoa ... Hast du mich erschreckt!“ Und nach einer Sekunde blitzartigem Nachdenken: „Sir.“
 

Für einen Augenblick wusste Sephiroth nicht genau, was er sagen sollte. Einerseits verdiente Cutter eine scharfe, ihre Flucht betreffende Zurechtweisung. Andererseits wollte er diese so lang entbehrte Stimme auf keinen Fall erneut zum Schweigen bringen. Und was er gerade gesehen hatte ...
 

„Darf ich fragen“, sagte er schließlich und kam langsam näher, „was du hier tust?“
 

„Ich übe.“
 

Sie warf dem Stab in ihren Händen einen kurzen Blick zu – und reichte den seltsamen Gegenstand dann völlig unvermittelt zu Sephiroth hinauf. Dieser zögerte. Es war eines der ungeschriebenen Gesetze eines jeden Kämpfers, die eigene Waffe nicht in fremde Hände zu geben. Er hätte Masamune niemals, und sei es nur für einen Moment ... Cutter kannte diese Regel. Weshalb hielt sie sich nicht daran?!
 

Weil sie mir vertraut. Auch nach all der Zeit. Ich könnte mich völlig verändert haben, aber sie vertraut mir einfach weiterhin. Wie unklug von ihr! Wie naiv! Wie ... ich sollte dieses Vertrauen nicht zurückweisen.
 

Vorsichtig griff er nach dem mondlichtfarbenen Leuchten. Als seine Finger Kontakt herstellten, verspürte er ein leichtes, kurzfristiges Kribbeln – und dann einen langsamen Puls, fast so, als lebe der Stab. Ansonsten fühlte er sich leichter an, als er aussah.
 

„Das“, hörte Sephiroth Cutter leise sagen, „ist die Luna Lance.“
 

„Luna Lance“, wiederholte der General. Niemals zuvor hatte er einen ähnlichen Namen gehört. Er klang, als käme er nicht von dieser Welt. Und mindestens 100 Mal besser als Zacks `Schatzi´!
 

Vor ihm erklang Cutters Stimme erneut. Erzählte und erklärte. Worte, die Sephiroth noch nie zuvor in dieser Reihenfolge gehört hatte. Und jedes einzelne bestätigte die bereits im Vorfeld gewonnene Erkenntnis.
 

„Wo liegen die Grenzen?“, erkundigte er sich als nächstes, erhielt eine klare Antwort ... und einen Zusatz.
 

„ ... und in meinen eigenen, ganz persönlichen Ansichten von Gut, Böse und Gerechtigkeit.“
 

„Ich nehme an, deine Retterin hat dich ausgebildet. Wo befindet sie sich jetzt?“
 

„Tzirka ist im Lebensstrom. Aber ...“, sie lächelte fast verwirrt, „ich weiß nicht, ob sie mich ausgebildet hat. Nur, dass ich all ihr Wissen über die Lines und die Luna Lance habe. Und somit wohl definitiv ihre Nachfolgerin bin.“
 

Wie kann sie das nicht wissen?, dachte Sephiroth – entschied aber im gleichen Moment, dass es sinnlos war, die Frage so zu stellen. Er wählte eine andere Variante.
 

„Cutter“, seine Stimme klang fast sanft, „wo bist du gewesen?“
 

Und dann lauschte er abermals dieser so lange vermissten Stimme, die tief in seinem Bewusstsein nachhallte, als handele es sich dabei um einen großen, leeren Raum, der nur darauf wartete, gefüllt zu werden. Gleichzeitig erfuhr er von diesem seltsamen Ort, der sich durch Finsternis und Stille ausgezeichnet hatte, und 4 Jahre lang Cutters Gefängnis und Ausbildungsplatz gewesen war.
 

„Ich weiß nicht, was der Auslöser war“, sagte sie gerade. „Aber auf einmal ... war ich wieder in der normalen Welt, trug Tzirkas Kleidung, besaß die Luna Lance und das Wissen, wie man sie benutzt ... und war in unmittelbarer Nähe des Schlachtfeldes. Ich hatte keine Ahnung, dass hier Wutai, die Zweite, läuft, aber ich wusste, dass du und Zack irgendwo mitmischt, hab euch gesucht und gefunden ...“
 

„Ohne verletzt zu werden.“
 

„Ha, mir kommt jetzt keiner mehr krumm! Erst recht keine Präsidenten, die auf mich schießen! Dieser blöde Mistkerl! Ist er immer noch so drauf wie vor 4 Jahren? Sir?“
 

„Denkst du, wir führen zum Vergnügen Krieg mit Wutai?“
 

„Ok, Frage beantwortet.“
 

Gleichzeitig nahm sie die Luna Lance wieder an sich. Sephiroth, der vorerst nichts mehr wissen wollte, schwieg. Vor allem eine Antwort trug maßgeblich dazu bei. Die vorerst am schwierigsten zu Akzeptierende. Sie war es auch, welche die nächste Aktion des Generals bestimmte.
 

„Da du, laut eigener Auskunft, auf keinerlei Schutz mehr angewiesen bist, dürfte meine Gegenwart hier nicht mehr erforderlich sein. Ich kehre daher ins Camp zurück.“
 

„Was soll ich machen, Sir?“
 

„Wenn man alle Daten und Richtlinien des aktuell gültigen ShinRa Systems zusammen nimmt, bist du eine tote Zivilperson. Von daher überschreitet es meine Befugnisse, dir Befehle zu erteilen. Mit anderen Worten: Tu, was du willst.“
 

Damit wandte er sich um und war schon bald spurlos verschwunden. Cutter blickte noch eine ganze Weile auf die Stelle, an der er gestanden hatte. Sonderlich begeistert hatte der General die Informationen nicht aufgenommen. Aber ...
 

... er war auch nicht desinteressiert. Außerdem hat er mich gesucht. Und gefunden. Wie früher. Und er hat mich wieder beim Vornamen genannt. Das ging schnell, wenn man bedenkt, wie eisig er mich noch vor ein paar Stunden behandelt hat. Aber ich war ja auch 4 Jahre weg. Wir müssen uns eben erst wieder aneinander gewöhnen. Das muss ich akzeptieren. Und wenn sich seine Gefühle mir gegenüber verändert haben, muss ich das ebenso annehmen. Aber letzteres liegt noch völlig im Unklaren. Ich werde es rausfinden müssen. Das kann ich nicht, indem ich hier sitzen bleibe.
 

„Tun, was ich will“, murmelte sie irgendwann, „hm? Ok, großer General. Diesmal werde ich besser auf mich aufpassen. Und auf dich auch. Wenn du mich lässt.“
 

Sephiroth war, beladen mit den eben gehörten Worten, ins Camp und sein eigenes Privatzelt zurückgekehrt. Was Cutter erzählt hatte, war unglaublich – aber er glaubte ihr dennoch. Jedes einzelne Wort. Aber so gerne er darüber nachgedacht hätte, es gab andere Dinge, die seiner ungeteilten Aufmerksamkeit bedurften, und zwar jetzt. Alles andere war völlig nebensächlich! Er wandte sich dem Tisch mit den Karten und dem Laptop zu, aber kaum hatte er sich erneut in die Thematik eingearbeitet, als ihn ein unverkennbarer Schmerzenslaut vor dem Zelt den Kopf heben ließ. Nur einen Sekundenbruchteil später ertönte ein verblüfftes `Quak´ - und dann Cutters Stimme.
 

„General Crescent, Sir? Ich hab mich erfolgreich verteidigt, aber was soll ich jetzt mit dem Frosch machen?“
 

Lange vermisste Erheiterung stieg in Sephiroth auf. Das war also die Übersetzung für die vorhin von Cutter getätigte Aussage: `Mir kommt jetzt keiner mehr krumm!´? Ganz offensichtlich hatte sie ihren Humor nicht verloren. Außerdem war es ihr im Laufe der vergangenen 4 Jahre ganz offensichtlich gelungen, andere Lineswelten zu entdecken. Aber alle weiteren Fragen, die sich durch diese Information ergaben, würden warten müssen.
 

„Wie wäre es mit küssen?“, beantwortete er Cutters eigentliche Frage.
 

„Ich küsse keine Frösche! Bäh!“
 

Richtig, dachte der General. Du küsst, sofern ich weiß, nur mich ...
 

„Darf ich reinkommen, Sir?“
 

„Ja, aber lass den Frosch draußen.“
 

Wenige Sekunden später bedachte er seinen Gast mit einem höchst missbilligenden Blick.
 

„Cutter, wie bereits erwähnt bist du eine tote Zivilperson. Du brauchst nicht zu salutieren.“
 

`Ich wollte nur höflich sein´, sagte der Blick der jungen Frau, aber sie löste ihre respektvolle Haltung.
 

„Mh, General Crescent, Sir? Ich möchte mich für meine vorherige Flucht entschuldigen! Das war respektlos, aber ...“, ihre Stimme wurde leiser, „es ging nicht anders. Ich bin ...“
 

„... hierher zurückgekommen, weil ...?“, beschleunigte Sephiroth fast etwas ungeduldig. Ihm lief die Zeit davon!
 

„Ich Sie bitten wollte, mich nicht zurück nach Midgar zu schicken. Lassen Sie mich hier bleiben, ich kann helfen, ganz bestimmt!“ Sie kniff verschwörerisch ein Auge zu. „Auch als tote Zivilperson.“
 

Das `Abgelehnt´ lag schon nach den ersten gehörten Silben auf Sephiroths Zunge. Aber andererseits ... Mit Cutters Hilfe ließ sich das Unmögliche bewirken! Und so viel Unangenehmes abwenden. Sie trug alles in sich, um den Krieg zu gewinnen! Und Hojo von hier fern zu halten. Hojo ... Abermals fühlte Sephiroth jenes schwere Zittern in sich aufsteigen, und er hasste sich dafür, und dafür, Cutter derart auszunutzen, bloß, um einmal davonzukommen. Aber Cutter hatte ihre Hilfe von sich aus angeboten. Konnte man das wirklich als `ausnutzen´ bezeichnen?
 

Ein letztes, kurzes Zögern ... Dann nickte der General, ignorierte den begeisterten Luftsprung und winkte die junge Frau zu sich, ließ sie Platz nehmen, drehte den Laptop zu ihr und rief ein Bild auf.
 

„Das ist Lord Godo. Momentan gibt er in diesem Land die Befehle, und sie gelten allen außer uns. Wir wollen diesen Krieg gewinnen, das heißt: Wir brauchen ihn als Gefangenen. Also ...“ Er senkte den Kopf, bis sein Gesicht nur noch wenige Millimeter von ihrem entfernt war. „ ... finde ihn für mich, Cutter!“
 

Was all die hochentwickelte ShinRa Technologie nicht fertiggebracht hatte, erledigte Sephiroths Ghost Walker innerhalb weniger Minuten. Und bestätigte die Vermutung des Generals: Lord Godo befand sich in `Shu-Lai-Den´. Als nächstes sprachen sie über die Verteidigungsanlage der Festung – und den eben gefassten Plan des Generals. Er beanspruchte Cutters neue Fähigkeiten in einem von ihr niemals erahnten und ausgeübten Ausmaße.
 

„Ich ... kann das“, murmelte sie zögernd. „Aber es ... ist ziemlich gemein, Sir.“
 

„Ziehst du dein Angebot zurück?“
 

Eine harte, kalte Frage. Die junge Frau zögerte. Auf ihrem Gesicht war der innerliche Kampf deutlich zu erkennen.
 

Ich wollte dir helfen, Sephiroth-sama, aber ich habe vergessen, wie brutal du sein kannst, wenn es darum geht, einen Sieg zu verbuchen. Und, wie egal es dir ist, wenn Menschen sterben. Ich hätte mir so sehr ein friedliches, offizielles Debut gewünscht ...
 

Deutlich sichtbar, aber ohne Begeisterung schüttelte sie auf seine Frage hin den Kopf. Und gab somit ihre Einverständnis. Sephiroth reagierte sofort, ließ den für die Panzer zuständigen 1st Class SOLDIER antreten und unterstellte ihn, sowie dessen gesamte Einheit, Cutters Befehl.
 

„Ich will keine Diskussionen, keine Verzögerungen, keine Machtspielchen, keine Fragen, keine Pannen! Wegtreten!“
 

Der Mann verließ zu gleichen Teilen verblüfft wie gespannt zusammen mit der eine Karte tragenden Cutter das Zelt und ließ auf ihre Bitte hin seine Einheit vor der neusten Panzergeneration, den `Zerberus´, die das ShinRa Logo mit unverkennbarem Stolz zur Schau trugen, antreten. Die folgenden Minuten gehörten ganz allein Cutter. Sie platzierte die Karte und begann einen Plan zu erklären, der niemals funktionieren würde. Jedenfalls konnte sich das keiner der zuhörenden Männer etwas Derartiges vorstellen. Es war zu absurd! Aber wenn General Crescent an diesen Plan glaubte ...
 

Auch der Rest des Camps war mittlerweile auf den Beinen. Überall wurden Waffen und Materia überprüft, Gruppen formiert, letzte Anweisungen gegeben. Die Männer bereiteten sich auf einen Angriff vor, den es so noch nie gegeben hatte. Sephiroths kurze Ansprache erledigte den Rest, und fast erschreckte es Cutter, die Mordlust in den Augen der Männer zu sehen. Andererseits konnte sie es fast verstehen. Zu lange schon waren sie an der Nase herumgeführt worden, zu lange hatten sie still halten und den Siegesliedern des Gegners lauschen müssen ...
 

Sie sind wütend, dachte die junge Frau. Aber sind sie es zurecht? Ich habe damals, als der 1.te Wutaikrieg im Unterricht dran war, nicht richtig aufgepasst als es um die Details ging, aber ich habe sehr gut verstanden, dass ShinRa ihn angefangen hat. Gäbe es Gerechtigkeit, hätte Wutai gewinnen müssen. Aber die gibt es nicht. Auch jetzt nicht. Es gibt nur diese aufgestaute Wut, Sephiroth und Masamune, Zack und das Busterschwert, SOLDIER, die Army, den Befehl, welchem wir alle gehorchen ... und mich. Die Lines. Die Luna Lance. Und diese Festung mitten im Urwald. In der sich unser Gegner völlig sicher fühlt. Noch bevor diese Nacht um ist, werden wir ihn eines Besseren belehren.
 

Sie fühlte Sephiroths Blick auf sich liegen und nickte, wissend, dass der Erfolg bis zu einem gewissen Punkt ausschließlich von ihr abhing. Hinter ihr starteten die `Zerberus´ Panzer ihre Motoren im optional wählbaren Flüstermodus, neueste ShinRa Technologie, ideal um sich anzuschleichen. Cutter kletterte in eines der gepanzerten Fahrzeuge und dann setzte sich die ShinRa Armee in Bewegung und glitt in die Nacht hinaus.
 

Es war eine Nacht wie geschaffen für einen Überraschungsangriff. Neumond. Dazu hingen dichte Wolken am Himmel. Alle außer den 1st Class SOLDIER, die aufgrund des hohen Makogehaltes in ihren Körpern sowieso Nachts sehen konnten, behalfen sich mit Nachtsichtgeräten. Die `Zerberus´ Panzer konnten Dank der hochentwickelten Technologie und der längst zur Standardausrüstung gehörenden Wärmebildkameras `sehen´. Cutter orientierte sich mit Hilfe der Lines.
 

Dass die Army diesmal ganz genau begriffen hatte, was von ihr verlangt wurde, zeigte sich in der Schnelligkeit, mit der die Befehle ausgeführt wurden. Binnen kürzester Zeit umstellten die Panzer und die ihnen von Sephiroth zugeteilte Infanterie in vorher genau festgelegten Abständen das scheinbar undurchdringliche Waldstück, in dessen Zentrum sich die Ninjafestung verbarg.
 

Als auch der letzte Panzer das Erreichen des ihm zugeteilten Zielortes meldete, ließ Cutter die Luke ihres `Zerberus´ öffnen, kletterte nach oben und blickte in den Wald unmittelbar vor ihr. In dessen Mittelpunkt lag die Festung. Gut geschützt durch Hunderte von uralten Bäumen, groß, stark, metertief mit dem Erdreich verwurzelt. Eine unüberwindbare Barrikade. Bis heute Nacht.
 

Cutter hob ihre Luna Lance und gab gleichzeitig das Zeichen zum Aufbruch. Im Inneren ihres Panzers setzte Protest ein.
 

„Sir, wir werden den Panzer ruinieren!“
 

„Halt´ s Maul und gib Gas!“
 

Aber insgeheim wartete auch der Offizier auf den ersten Aufprall – der nicht erfolgte. Stattdessen keuchte der für die Bildschirme verantwortliche Mann in einer Mischung aus Begeisterung und Verwirrung auf und wies sprachlos auf die Monitore. Diese zeigten den Wald, aber ... Der Offizier stutzte. Er binzelte. Und griff nach einem der Nachtsichtgeräte, wollte aus der Luke klettern, sich mit seinen eigenen Augen überzeugen ... und erinnerte sich im letzten Augenblick an den strikten Befehl, genau dies nicht zu tun. Ihm blieben nur die Monitore. Und ein verblüffter Kommentar.
 

„Bei Bahamuths Schwingen!!“
 

Der `Zerberus´ bewegte sich, umgeben von einem Teil der ShinRa Infanterie, in nahezu lautloser Geschwindigkeit durch den Wald, in einer schnurgeraden Linie, auf direktem Konfrontationskurs mit Bäumen, Sträuchern, Gestrüpp und sonstigen Hindernissen, die ... auswichen. Als seien sie schlagartig lebendig geworden. Die Verblüffung darüber beschränkte sich nicht nur auf die Panzerinsassen. Zack tauchte neben Cutters `Zerberus´ auf, erreichte mittels eines geschickten Sprunges einen feststehenden Landepunkt und informierte verblüfft:
 

„Hey, verdammt, entweder der Wald bewegt sich von selbst, oder du bist das, Cuttie! Bist du´s??“
 

Cutter wandte den Kopf ... und grinste.
 

„Mit diesem Ding?!“, jappste Zack und deutete auf die Luna Lance. „Du kannst mit diesem Ding die Lines beeinflussen?! Alle?!“
 

„Ohne Ausnahme! Sei nicht sauer, ich weiß, du hast dir Sorgen gemacht, aber ich hab dir doch gesagt, ich kann auf mich aufpassen.“
 

„Schon, aber ich hab´s nicht recht geglaubt ... Himmel ... Wie?!“
 

„Die Luna Lance ist ein Verbindungsstück zwischen meinem Willen und den Lines. Ich kann die Lines jetzt nicht nur sehen und lesen, sondern auch beeinflussen. In jede von mir gewünschte Richtung.“
 

„Das heißt, du könntest diesen Strauch in Schokolade mit Stückchen verwandeln?“
 

„Ja, aber die beeinflussten Lines vergessen nie, was sie in Wahrheit sind und verwandeln sich irgendwann zurück, es sei denn, die Veränderung entspricht der natürlichen Entwicklung.“
 

„Dann sollte ich Strauchschokolade besser nicht essen, was? Oh, Gaia ... Cuttie, du bist eine verdammte Geheimwaffe!“
 

Er sprang wieder zu Boden und huschte davon. Cutters grinsen verblasste augenblicklich.
 

Eine Geheimwaffe, dachte sie. Und der Grund für den Tod von vielen Menschen heute Nacht. Das ist der Preis. Der Preis, den ich zahlen muss, um wieder ein Zuhause zu haben. Ich weiß, nichts auf dieser Welt ist umsonst – aber manchmal wünschte ich es so sehr!
 

Ungeachtet ihrer traurigen Gedanken rollten die Panzer weiter vorwärts. Die Ninjas waren sich ihrer perfekten Festung so sicher, dass sie nicht einmal Wachen in den Bäumen postiert hatten, und so führte Cutter ihre Armee bis kurz vor das Zentrum des Waldes. Jetzt trennten nur noch wenige schützende Baumreihen und der über der Festung flimmernde Schutzschild die Kampfmaschinen davon, vernichtend zuzuschlagen. Und sie warteten, förmlich zitternd vor Anspannung. In der Festung selbst hatte man nichts von dem drohenden Angriff bemerkt. Bis auf die gelangweilt aussehenden Wachen feierte man die übliche Party.
 

„Feiert nur“, hörte Cutter irgendjemanden neben ihrem Panzer flüstern. „Es ist das letzte Mal!“
 

Ja, dachte die junge Frau traurig. Das ist es garantiert.
 

Dann umfasste sie die Luna Lance ein wenig fester, suchte in all dem Wirrwarr der Lines nach den die schützenden Generatoren verdeutlichenden Exemplaren – und wurde schon nach wenigen Sekunden fündig. Es mochte Jahre gekostet haben, etwas so komplexes wie diese Maschinen zu entwickeln, Menschen auszubilden, die sie bedienten und warteten ...
 

„Tut mir Leid“, wisperte Cutter nur für sich selbst hörbar, holte tief Luft ... Die Generatoren lahm zu legen bedurfte nur eines einzigen Gedankens. Der Schutzschild erlosch. Vorwarnungslos. Etwa eine Sekunde lang blieb es ganz still. Dann verließen die Motoren der `Zerberus´ gleichzeitig den Flüstermodus. Der urplötzliche Lärm glich dem Kampfschrei infernalischer Bestien.
 

Gleichzeitig fegte Cutter die restlichen Bäume beiseite. SOLDIER und Army stürmten vorwärts, gleichzeitig preschten die `Zerberus´ in perfekter Synchronisation aus dem Wald und eröffneten augenblicklich das Feuer. Diesmal prallte der Angriff ShinRa´s nicht an einer schützenden Wand aus Energie ab. Jedes einzelne Geschoss traf und hinterließ Löcher in den Wänden, die wie Hohngelächter wirkten. Die Party war zu Ende.
 

Und Cutter fand sich schlagartig in der Hölle wieder. Nach 4 Jahren in völliger Stille war der jetzt herrschende Krach fast mehr, als ihre Nerven vertragen konnten, und es gelang ihr nur mit äußerster Kraft, die um ihren Hals liegenden Ohrenschützer anzulegen. Der Lärm allerdings reduzierte sich augenblicklich auf ein absolutes Minimum und gestattete es der neusten ShinRa Geheimwaffe, sich voll und ganz aufs Sehen zu konzentrieren.
 

Während sich die Panzer auf die Mauern der Festung und, wer in der entsprechenden Position war, auf das große Eingangstor konzentrierten, befand sich der Hauptteil von SOLDIER und Army bereits auf direktem Weg genau dorthin. Die zurückgebliebenen Armymitglieder nahmen mit Raketenwerfern die Wachtürme in Beschuss. Zwei von ihnen wurden durch gewaltige Energieentladungen zerfetzt – Masamunes Werk, kein Zweifel, und dieselbe Attacke fegte auch das Eingangstor endgültig beiseite.
 

Cutter sah eine sich hauptsächlich durch die charakteristischen Farben Schwarz und Silber auszeichnende Person mit der Gelassenheit der aufsteigenden Dämmerung über die Trümmer steigen und drei heranstürmende Gegner gleichzeitig in den Lebensstrom schicken. General Sephiroth Crescent war unterwegs, und nichts auf der Welt würde ihn aufhalten können. Cutter nahm ihr Headphone aus der Tasche, schob es unter die Ohrschützer und aktivierte es. Jetzt gab es noch einen Auftrag, den sie erfüllen musste.
 

Sephiroth bestätigte knapp, die Stimme in seinem Ohr zu empfangen, dann folgte er den so übermittelten Richtungsangaben. Dabei gab er sich keine Mühe, vorsichtig zu sein. Wer sich in seinen Weg stellte, machte tödliche Bekanntschaft mit Masamune, und erst jetzt, so kurz vor dem Ziel, registrierte der SOLDIER wie nervenzehrend die Situation in Wutai wirklich gewesen war. Nichts gegen den Kampf! Die Ninjas waren interessante Gegner gewesen. Aber diese Schlacht zog sich schon zu lange hin und flehte förmlich um ein Ende. Sephiroth würde es herbeiführen – aber nicht, indem er sich zum Anführer der Ninjas, Lord Godo, vorkämpfte. Der Plan sah, diesen Punkt betreffend, eine andere Strategie vor.
 

Cutters leise Stimme in seinem Ohr lotste ihn direkt in eine Sackgasse. Hier sah jeder Stein gleich aus, aber als Sephiroth einen von ihnen gezielt berührte, glitt eine der Wände nahezu lautlos beiseite und gab den Weg in den dahinter verborgenen Geheimgang frei. Hier herrschte, nachdem der General eingetreten war und sich die Tür hinter ihm erneut geschlossen hatte, tiefe Finsternis. Ein weiterer geschickter Trick. Selbst wenn es jemandem durch Zufall gelang, den Gang zu betreten, ohne Licht konnte man sich nur langsam vorwärtsbewegen. Die Ninjas hingegen kannten sich auch hier aus und brauchten kein Licht.
 

Sephiroth, der im Dunkeln sehen konnte, benötigte ebenfalls keines. Er folgte dem Gang bis zu einer für seinen Plan vorteilhaften Stelle, verharrte hier fast entspannt an die Wand gelehnt und lauschte, wartend wie eine tödliches Raubtier in perfekter Deckung. Viel Zeit verstrich nicht, bis sich Schritte näherten. Es waren insgesamt vier Personen, die eine Fünfte in ihre Mitte genommen hatten und ohne Zweifel dem noch in einiger Entfernung liegenden Ausgang entgegensteuerten.
 

General Crescent gestattete ihnen, sich ihm bis auf wenige Meter zu nähern. Erst dann ließ er seine Stimme erklingen, leise aber deutlich, auf eine Art und Weise, die an über eine Schwertklinge laufendes Blut erinnerte.
 

„Guten Abend, Lord Godo.“
 

Die Ninjas von Wutai waren geschickte, schlaue und erbitterte Kämpfer. Von den Besten hieß es, sie könnten, wenn es nötig war, mit ihren Waffen in völliger Dunkelheit eine Mücke im Flug töten. Diese hier waren mit Sicherheit einige der Besten. Die Zielsicherheit, mit der sie die aus völliger Dunkelheit erklingende Stimme angriffen, bewies dies.
 

Wütende Funken sprühten auf, als Ninjawaffen mit Masamune kollidierten und in die Wände geschickt wurden, zu tief, um sie wieder herauszuziehen. Es war die letzte Waffe, deren Funkenprotest beim Kontakt mit dem Katana einen kurzen Lichtschimmer auf das Gesicht des unbekannten Gastes warf und keinen Zweifel mehr über dessen Identität zuließ.
 

Sephiroth sah, wie sich die Körper der Ninjas anspannten und machte sich bereit zum letzten Kampf vor dem endgültigen Sieg ... Aber der Klang einer bisher schweigenden Stimme beschwor eine völlig neue Situation herauf.
 

„Nein. Es reicht.“
 

Lord Godo hatte selbst gesprochen. Seine Stimme klang ruhig und gefasst.
 

„General Crescent, ich weiß nicht, wie Sie diesen Geheimgang finden konnten. Aber ich ergebe mich, wenn Sie meine Männer gehen lassen.“
 

„Ihre Männer interessieren mich nicht, Lord Godo.“
 

Dieser nickte den ihn umgebenden Ninjas zu. Eine knappe, einsame Bewegung – aber unter Ninjas konnten genau diese Anweisungen mehr aussagen, als man in einem gesamten Buch hätte unterbringen können. Die Männer wichen zurück und verschwanden in dem hinter ihnen liegenden Gang.
 

„Ich wusste, dass Sie es sein würden, General.“ Gleichzeitig setzte er sich langsam in Bewegung, schlenderte fast den Gang entlang. Sephiroth folgte ihm. „Aber nicht, dass es so ... infernalisch werden würde. Machen Sie mir die Freude zu verraten, wie Sie es mit den Panzern durch den Wald geschafft haben oder wie es Ihnen gelungen ist, die Generatoren zu zerstören?“
 

„ShinRa Technologie“, lautete die alles und gleichzeitig nichtssagende Antwort. Lord Godo schmunzelte.
 

„Verstehe.“
 

„Gestatten Sie mir eine Frage. Glauben Sie wirklich, dass Sie und Ihr Bruder ShinRa schlagen werden?“
 

Lord Godos Stimme erklang erst nach einer ganzen Weile wieder.
 

„Gestatten Sie mir eine Gegenfrage. Glauben Sie an die Zukunft, General Crescent?“
 

Sephiroth wusste, es war eine von Lord Godos Spezialitäten, seine Gesprächspartner in tiefsinnige, größtenteils sehr persönliche Diskussionen zu verstricken, plante nicht, darauf hereinzufallen, und so bestand seine Antwort aus nachhaltigem Schweigen.
 

„Verzeihen Sie die unterschwellige Kritik, General – aber ich glaube an mehr. Zum Beispiel daran, dass die Zukunft zu zerbrechlich ist, um sie kampflos in die Hände eines machtbesessenen Unternehmens wie ShinRa zu geben. Jeder sollte seine eigene Zukunft bestimmen dürfen. Und glücklich werden. Denken Sie nicht?“
 

„Ich denke vor allem, dass dieser Krieg sinnlos war und ihr Plan nicht aufgehen wird.“
 

„Das wird sich noch zeigen, General.“ Das Lächeln in Lord Godos Stimme war unverkennbar. „Keine Diktatur dauert ewig. Auch nicht die ShinRa´s! Das werden Sie schon bald erfahren.“
 

Sephiroth antwortete nicht. Es war nur zu offensichtlich, dass Lord Godo an die eben ausgesprochenen Worte glaubte und sich ganz sicher war, wohin sie führen würden. Der General allerdings wagte dies stark zu bezweifeln – zog es jedoch vor, seinen Gefangenen schweigend den Tunnel entlang zu treiben, und schon bald ließ der ihnen entgegenkommende, typische Geruch des Waldes keinen Zweifel darüber, wo der Gang endete. Auch war bereits ein Licht zu erkennen – künstlichen Ursprungs, aber definitiv Licht, und als General Crescent mit seinem Gefangenen den Tunnel verließ, fand er sich in dem erwarteten Szenario wieder.
 

Scheinwerfer, bewaffnete ShinRa Mitglieder, ein Jeep zum Abtransport des Gefangenen, Zack – und Cutter. Der Ausdruck in ihren Augen war anders als der in den Augen aller anderen Anwesenden, und für einen Augenblick wusste Sephiroth nicht, was er tun und wie er damit umgehen sollte. Dann entschied er sich, ihn zu ignorieren, übergab den Gefangenen mit der strikten Anweisung, ihn unverzüglich ins HQ zu bringen, und ordnete den Rückmarsch ins Camp an.
 

Die ShinRa Truppen verließen den Wald, wie sie ihn betreten hatten, und als der letzte Panzer aus dem Dickicht herausrollte und der letzte Baum wieder seinen ursprünglichen Platz einnahm, war es, als habe der Vormarsch niemals stattgefunden. Nur die dicke, aus dem Zentrum des Waldes aufsteigende Rauchwolke schien gegen die trügerische Unversehrtheit ankämpfen zu wollen. Aber niemand beachtete sie. Der zweite Wutaikrieg war vorbei. ShinRa hatte abermals gesiegt.
 

Nur einen Tag später befand sich Sephiroth bereits wieder im Büro und arbeitete an einem Bericht, der den Tatsachen über die Festnahme Lord Godos entsprach, und somit wesentlich detaillierter als die an die Medien übermittelten Informationen ausfallen würde. Vor allem, weil Cutter in der für den Präsidenten bestimmten Dokumentation eine tragende Rolle spielte. In den offiziellen Nachrichten hingegen wurde sie mit keinem Wort erwähnt.
 

Und ich, dachte der General, werde dafür sorgen, dass es vorerst so bleibt. Sie hatte, laut eigener Auskunft, im Laufe dieser 4 Jahre keinerlei Kontakt zu anderen Menschen. Ich will sie nicht mit der Welt überfordern. Oder will ich die Welt nicht mit ihr überfordern? Ich ...
 

Die sich öffnende Bürotür riss ihn aus seinen Gedanken. Zack betrat den Raum, in jeder Hand einen Kaffeebecher (die in Wutai prophezeite Strafe bestand darin, Sephiroth 4 Wochen lang täglich jeden Morgen mit einem Becher zu versorgen), unter dem Arm eine Zeitung – und grinsend. So breit, dass ihm sein kommandierender Offizier mit nichts außer einem warnenden Blick begrüßte, der sich mit jeder Sekunde steigerte ... und absolut nichts bewirkte. Zack stellte den Kaffee ab, nahm Haltung an, salutierte . . .
 

„Sir, ich möchte mich bedanken, für Sie arbeiten zu dürfen, Sir, ein Idol, ein Held, Bezwinger Wutais, Schrecken des Dschungels...“ Er brach ab und schüttelte sich vor Lachen, gleichzeitig hielt er Sephiroth eine Zeitung hin. „Hast du das gelesen?“
 

Der General nahm die Zeitung an sich und ließ sie ohne hinzusehen in den Mülleimer fallen.
 

„Ah“, grinste Zack und nahm in dem Sessel vor dem Schreibtisch Platz, „du hast sie gelesen. Phantasie haben die Redakteure, das muss man ihnen lassen.“
 

„Sie wissen genau so viel, wie ich sie wissen lasse, und dichten sich den Rest dazu!“
 

„Ganz ehrlich? Ich glaube, sogar ein paar unserer Leute haben keine Ahnung, was im Wald passiert ist. Ich meine – diese Bäume sind zur Seite gewichen. Zur Seite gewichen!! Cuttie hat ... Es war unglaublich, das ...“
 

Sephiroth hielt es für angebracht, den 1st daran zu erinnern, als kommandierender Offizier dabei gewesen zu sein.
 

„Sorry. Ich bin wohl immer noch etwas ... überrascht.“ Zack schüttelte den Kopf, wurde dann aber wieder ernst. „Cuttie ist wieder da. Sie ist ... wirklich wieder da. Und wie! Ich habe sie gestern Abend zu Aerith gebracht. Bis auf Weiteres kann sie dort bleiben.“ Dann grinste er abermals. „Und? Brauchst du Hilfe bei dem Vorhaben, eine offiziell tote Person mit Fähigkeiten, die sich in keinem Fall verbergen lassen, in ein Unternehmen zurückzubringen, das jemanden wie sie nirgends vorsieht und dessen Präsident sie am liebsten sofort erschießen würde?“
 

Sephiroth sandte einen zutiefst spöttischen Blick zu Zack hinüber, ehe er sich zu einer Antwort herabließ.
 

„Es ist eines von Rufus kleinen Hobbys, Leute erschießen zu lassen oder selbst zu erschießen. Aber du könntest Cutter helfen, indem du sie einigermaßen auf den neusten Stand bringst, was interne ShinRa Vorgänge angeht.“
 

„Wird erledigt Boss, Sir, mein General!“ Dann aber, wesentlich ernster: „Die Chancen, dass er sie wieder einstellt, sind ziemlich gering, oder?“
 

„Sie liegen bei ca. 1 Prozent. Das ausschließlich auf Cutters Einzigartigkeit zurückzuführen ist. Rufus liebt es, derartige Dinge in seinem Besitz zu wissen.“
 

„Na bitte!“, strahlte Zack. „Wir haben ein ganzes Prozent! Das ist eine Chance!!“
 

„Es wäre trotzdem besser, wenn Cutter ihre Chancen höher schätzt. Damit sie keinen Unsinn macht. Und das bedeutet, ich muss diese Sache alleine mit Rufus klären.“
 

„Der offizielle, ganz formelle Dienstweg, inklusive sämtlicher Papiere.“ Dann rollte er röchelnd mit den Augen. „Das wird Wochen dauern, Seph!“
 

„Und du wirst Cutter solange in Zaum halten! Beschäftige sie mit ... irgendetwas. Und sag ihr nicht, dass es schlecht aussieht, verstanden?“
 

„Ja, Sir!“ Gleichzeitig aber schüttelte er schmunzelnd den Kopf. „Es ist wie früher, oder? Cuttie taucht auf und schon wird es kompliziert.“
 

„Sie war schon immer eine Herausforderung“, stimmte Sephiroth leise zu. In Gedanken ergänzte er: Jetzt mehr denn je. Aber ich sehe die größte Herausforderung in Rufus. Cutters Existenz ist in seinen Augen kein Vorteil. Es muss mir gelingen, diese Ansicht zu ändern. Und wie ich Rufus kenne, wird er sich nicht sofort überzeugen lassen.
 

„Und sag ihr, sie soll Geduld haben. Das heißt“, stellte er klar, „`Ruf mich nicht jeden Tag an, um nach Neuigkeiten zu fragen!´“
 

„Schade“, seufzte Zack und beschloss, einen kleinen Vorstoß zu wagen. „Ich glaube, sie hat dich ziemlich vermisst.“
 

„Weshalb bist du noch hier, Zackary?!“
 

„Oh, in Wahrheit siehst du hier nur eine fehlgeleitete Projektion aus dem Paralleluniversum, mein wahres Ich ist schon längst auf dem Weg zu Cutter.“
 

„Dann sag deinem wahren Ich, es soll zurückkommen und die fehlgeleitete Projektion mitnehmen, bevor ich sie selbst zurück ins Paralleluniversum schicke.“
 

„Ok. Soll ich Cuttie schön von dir grüßen?“
 

„Nein.“
 

„Ich grüße sie trotzdem. Bis ba-hald!“
 

Wieder allein gestattete der General sich ein halblautes Seufzen. Die zukünftigen Ereignisse versprachen interessant zu werden, und er war sich nicht sicher, in- wiefern er sie wirklich zu seinen Gunsten beeinflussen konnte. Vorerst bestand seine Strategie darin, den Sieg in Wutai hauptsächlich auf Cutters Hilfe zurückzuführen. Vermutlich würde diese Taktik keinen Erfolg herbeiführen, aber wertvolle Zeit verschaffen. Zeit, in der er sich Gedanken über weitere Aktionen machen konnte. Aber würde Cutter sich wirklich ruhig verhalten, bis eine endgültige Antwort vorlag?
 

Früher, dachte Sephiroth, hätte sie in derselben Situation keine Sekunde gezögert, selbst etwas zu unternehmen. Irgendeine völlig undurchdachte, strategielose Aktion – aber voller Entschlossenheit. Vielleicht sogar mit Erfolg. Und heute? Ihre Fähigkeiten bezüglich der Lines haben sich auf eine nicht vorhersehbare Art und Weise verändert. Aber trifft das auch auf Cutters Charakter zu? Ich kann es nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass ich jederzeit mit allem rechnen muss. Und, dass ich einen Bericht fertig zu stellen habe. Vielleicht haben wir ja ... Glück.
 

Er wandte sich wieder seinem Bericht zu.
 

Die Ruhe dauerte exakt 2 Stunden, 11 Minuten und 45 Sekunden. Dann öffnete sich die Bürotür. Zu langsam, um etwas Gutes verheißen zu können. Und der eintretende, sich aufmerksam umsehende Zack glich einem Jagdhund, der sich nicht ganz sicher war, auf der richtigen Fährte zu sein. Aber er vergewisserte sich. Sah hinter die Tür, zur Decke hinauf, in jede Ecke. Als er vor dem Schreibtisch auf alle Viere ging, um darunter zu sehen, hielt es Sephiroth für mehr als angebracht, den 1st mit dem glücklicherweise noch in der Schutzhülle befindlichen Masamune wieder auf die Füße zu jagen.
 

„Au!“, murmelte Zack, rieb sich die getroffene Stelle und sandte seinem kommandierenden Offizier einen entrüsteten Blick zu – der allerdings an dessen eisigem Augenausdruck hoffnungslos abrutschte. Der 1st seufzte leise. „Oh, Mist.“
 

„Wie darf ich das übersetzen, SOLDIER?!“
 

„Sie ist wirklich nicht hier, oder?“
 

Zwei Sekunden lang herrschte absolute Stille.
 

„Du hast Cutter aus den Augen verloren“, konstatierte der General. „Typisch! Darf ich fragen, was du ihr gesagt hast?“
 

„Dass es nicht gut aussieht, aber du es garantiert hinbiegen wirst, immerhin ist sie einzigartig und Rufus ist verrückt nach Einzigartigkeiten und ... “
 

„Zack! Genau das solltest du nicht sagen!“
 

„Wirklich? Oh ...“
 

Die Moralpredigt lag binnen einer Sekunde vom ersten bis zum letzten Wort auf Sephiroths Zunge – wurde jedoch vom Klingeln des Telefons abgeschmettert. Der General bedeutete dem 1st, sich nicht um einen winzigen Millimeter in Richtung Tür zu bewegen, und nahm das Gespräch an.
 

„General“, Rufus Stimme klang herablassend wie gewohnt, „ich schicke Ihnen jemanden zur Verstärkung Ihrer Truppe. Enttäuschen Sie mich nicht bei der Umsetzung des soeben an Sie gemailten Arbeitsvertrages.“
 

Er legte auf, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Sephiroth legte das Telefon ebenfalls beiseite, verschränkte die Arme vor dem muskulösen Oberkörper, lehnte sich zurück und fixierte die Tür. Er wusste ganz genau, wer gleich dieses Büro betreten würde – und sollte sich nicht irren.
 

Cutters grinsen hatte jeden einzelnen Muskel ihres Gesichtes, inklusive Augenausdruck, fest im Griff. Die junge Frau trat vor den tiefschwarzen Schreibtisch und verkündete glücklich:
 

„Ich glaube, Sie haben Post, Sir.“
 

Sogar ihre Stimme grinste. Sephiroths Reaktion bestand aus Schweigen und einem durchdringende Blick.
 

„Einmal lebend, einmal schriftlich, wie?“, erkundigte er sich schließlich und wandte sich dem PC zu.
 

„Ja, Sir! Quasi eine Expresslieferung!“
 

Es war ein Siegesgrinsen. Das glücklichste jemals von Sephiroth gesehene. Und er musste einiges an Selbstbeherrschung aufbringen, um sich nicht davon anstecken zu lassen. Außerdem gab es da noch etwas ... Im Grunde hasste es der General, vorhersehbare Fragen zu stellen. Er schätzte die Überraschung, das Unerwartete, und das damit verbundene Entsetzen. Diesmal allerdings ...
 

„In Ordnung. Ich frage. Was hast du getan?“
 

„Oh“, antwortete die schlagartig noch breiter grinsende Cutter, „das war ganz einfach.“
 

Die nächsten Minuten gehörten der haarsträubendsten Geschichte, die dem General und Zack im Laufe der vergangenen 4 Jahre zu Ohren gekommen war.
 

Rufus Shinra´s Arbeitszeiten zeichneten sich durch außerordentliche Flexibilität aus. Was in seinem Fall hieß, dass er sehr lange arbeitete und kaum Pausen machte. Manchmal sehr zum Leidwesen seiner Leibwächter, deren Aufgabe, solange der Präsident im Büro weilte, lediglich darin bestand, Türen und Fenster im Auge zu behalten. Speziell Reno (obwohl er niemals nachlässig wurde) verabscheute langweilige Tätigkeiten wie diese zutiefst. Sein Partner Rude hingegen meisterte das Kunststück, ausnahmslos jeder Tätigkeit dasselbe hohe Maß an Interesse und Aufmerksamkeit entgegenzubringen. So gesehen war Präsident Shinra in guten Händen. Aber keiner von ihnen ahnte, was sich gerade mit höchster Zielstrebigkeit über die Flure des HQs auf sie zu bewegte.
 

Es geschah kurz nach der Unterzeichnung eines Todesurteils. Die Tür des Büros öffnete sich und ... Für Reno und Rude fühlte es sich an wie ein unvermitteltes, aber ausgesprochen starkes Schwindelgefühl, das ihre Sinne für einen Augenblick trübte und dann spurlos wieder verschwand.
 

„Was zum ...“, wisperte Reno überrumpelter, als er es sich jemals eingestanden hätte, schüttelte den Kopf und warf seinem Partner Rude einen fragenden Blick zu, der nicht erwidert wurde. Weil Rude sich nicht mehr an der vermuteten Stelle befand. Stattdessen stand er unmittelbar vor dem Schreibtisch und drückte die Mündung seiner Waffe an den Kopf der urplötzlich in dem gerade noch leeren Sessel sitzenden Person. Reno brauchte genau eine Sekunde, um die eigene Waffe zu ziehen und an die freie Schläfe des unerwarteten Gastes zu drücken. Dieser allerdings blieb erstaunlich ruhig. Mehr noch. Sie, denn es war eine junge Frau, schien die beidseitige Bedrohung überhaupt nicht wahr zu nehmen. Ihre ganze Konzentration galt dem Mann ihr gegenüber.
 

„Hi, Mr. President. Ich wollte mir meinen neuen Arbeitsvertrag abholen.“
 

Längst hatte sie mit Hilfe der auf ihren Knien ruhenden Luna Lance Kontakt zu der Munition in den an ihre Schläfen gedrückten Waffen hergestellt. Denn der Überraschungsmoment war vorbei, und Cutter wusste: Die beiden Turks waren sauer und warteten nur auf den Befehl, ihrem Unmut freie Bahn zu lassen. Sollte es wirklich soweit kommen ... würden sie eine zweite Überraschung erleben. Ganz unabhängig davon, ob sie grüne Gummidrops (denn zu nichts anderem würden die abgefeuerten Kugeln augenblicklich werden) mochten, oder nicht. Im tiefsten Grunde ihres Herzens allerdings hoffte Cutter, dass sich ihre eigene Ruhe übertragen würde, nicht zuletzt auch auf Rufus Shinra, und gleichzeitig wunderte sie sich über ihre Gelassenheit.
 

Tsss ... Vor 30 Minuten war ich noch in Aerith´ Kirche, hab nach dem Gespräch mit Zack spontan beschlossen, Nachhause zu gehen, und jetzt sitze ich uneingeladen im Büro meines Chefs. Äh, zukünftigen Chefs. Und ich habe absolut keine Ahnung, was ich als nächstes sagen oder tun soll. Ich weiß nur, was garantiert nicht passieren wird, dass noch niemand versucht hat, mich zu erschießen – und, dass ich nicht ohne Arbeitsvertrag hier rausgehen werde!
 

Rufus Shinra betrachtete den ungeladenen Besuch regungslos. Er hatte bereits Gerüchte, die Tzimmek Cutters Rückkehr galten, gehört, auch, was angeblich Dank ihrer Hilfe in Wutai möglich gewesen war – hatte auch mit einem Antrag auf Neueinstellung seitens Crescents gerechnet ... aber nicht damit, diese Tzimmek so bald vor sich zu haben. Noch dazu so frech! Und dennoch ...
 

„Ihr dürft eure ursprünglichen Plätze wieder einnehmen“, wies er die beiden immer noch schussbereiten Turks an. Diese kamen dem Befehl zwar augenblicklich nach, aber jede ihrer Bewegungen verriet höchste Wachsamkeit, und ihre Augen lösten sich keinen Augenblick von dem unerwünschten Eindringling.
 

„So sieht man sich wieder.“ Rufus Stimme klang völlig ruhig. „Tzimmek Cutter. Ich erinnere mich an dich.“
 

„Gut. Das spart Zeit.“
 

„Meine Erinnerungen beinhalten keinerlei Vorteil für dich.“
 

„Ganz ehrlich? Dito. Sie hätten mich damals fast erschossen. So was behält man sich. Aber wissen Sie was, Sir? Heute müsste keine fehlgeleitete Rakete auftauchen, um mich zu retten. Sie könnten ihre gesamte Munition auf mich abfeuern, wenn Sie fertig wären, hätte ich keinen einzigen Kratzer. Und das ist nur einer meiner vielen Vorteile. Wie viele es wirklich sind, könnten Sie rauskriegen, indem Sie mich wieder einstellen. Sir.“
 

Gleichzeitig fragte sie sich, ob sie nicht gerade zu hoch pokerte. Sicher, Rufus Shinra besaß eine Line, die beeinflusst werden konnte, was ihn somit zur unterlegenen Kraft innerhalb dieses Raumes werden ließ – aber so forsch voranzuschreiten? Wenn das mal gut ging ...
 

Währenddessen begann sich tief in Rufus erster echter Ärger zu regen. Gut, die Person vor dem Schreibtisch war offensichtlich wild entschlossen, zurückzukommen – aber Widerspruch gehörte dennoch nicht unbedingt zu den Reaktionen, an die er gewöhnt war. Erst recht nicht, wenn sich ihm dieser in einer so aggressiven Form wie hier präsentierte.
 

„Das“, fuhr Cutter ungerührt fort, „würde ich Ihnen jedenfalls raten.“ Sie konnte das `wie´ und `warum´ nur ahnen, aber mit der neuen Fähigkeit, die Lines zu beeinflussen, war es ihr außerdem möglich, die 2nd Lines zu betreten ohne wie früher von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Momentan hatte sie Rufus Line – und den darin summenden Ärger – genau vor sich. „Es ist nämlich so: Eigentlich wollen Sie mich hier haben. Sie wissen es nur noch nicht.“
 

„Ist das so?“
 

„Absolut!“
 

Rufus blätterte eine Weile in einer Akte, die nichts mit Cutter zu tun hatte, bevor er seinen Gast betont gelangweilt und ohne aufzusehen wissen ließ:
 

„Keine abgeschlossene Ausbildung. Fehlende Kenntnisse bezüglich des aktuell hier gültigen Systems. Untrainiert und respektlos. Des weiteren wird man dir die Stillegung des Blue Wanderer Projektes mitgeteilt haben. Weshalb also sollte ich mein Imperium mit einer bremsenden Überbleibsel wie dir belasten?“
 

„Weil ich Dinge tun kann, die niemandem sonst fertig brächte.“ Sie grinste und brachte die Luna Lance in eine neue Position. „Demonstration gefällig?“
 

„Tja“, beendete Cutter ihren `Bericht´, „und nach der Demonstration hat er hier angerufen. Und schon bin ich wieder da. Was mich sehr, sehr freut!“
 

Daran zweifelte Sephiroth keine Sekunde. Trotzdem hielt er es für mehr als angebracht, den sich vor ihm abspielenden Höhenflug ein wenig zu dämpfen, indem er auf den mittlerweile ausgedruckten und sehr genau durchgelesenen Vertrag tippte. Es gab etliche Punkte, die einer Warnung bedurften.
 

„Die Menge deines Arbeitspensums hat sich nicht verändert. Man wird sogar noch mehr von dir verlangen.“
 

„Ich habe 4 Jahre nicht gearbeitet. Und freue mich darauf, endlich wieder etwas zu tun!“
 

„Gilt dasselbe für die Tatsache, dich erneut unterzuordnen? Deine neuen Fähigkeiten zu zügeln? Befehlen zu gehorchen, die dir zutiefst widersprechen?“
 

Diesmal dauerte es ein wenig länger, bis Cutter antwortete.
 

„Ich werde es versuchen.“
 

„Lasse ich nicht gelten! Ja oder Nein?“
 

Cutter schwieg. Alles, was sie sich im Laufe der vergangenen 4 Jahre immer wieder gewünscht hatte, war, nachhause zu gehen. Dass damit auch gewisse Bedingungen verbunden waren ... Es ließ sich nicht länger verdrängen. Nicht einmal für den kleinen Teil ihres Bewusstseins, der die gestrigen Vorgänge immer wieder als `Ausnahme´ deklarieren wollte. Und doch zögerte sie, wissend, dass die jetzt getroffene Entscheidung wesentlich zu ihrem Schicksal beitragen würde.
 

„Ich weiß nicht, was Zack dir erzählt hat.“ Sephiroths Stimme klang sanft und hart gleichzeitig. „Aber der ShinRa Alltag ist wesentlich härter als noch vor ein paar Jahren. Wenn du klug bist, suchst du dir irgendwo einen anderen Job.“
 

Wenn ich klug bin, dachte Cutter. War ich das jemals? Ich weiß nur: Was mich durch die Finsternis geführt hat, war nicht Klugheit. Nur mein Wunsch, dich und Zack wieder zu sehen. Besonders dich. In eurer Nähe zu sein. Ihr seid nun einmal mein Zuhause. Ich werde euch nicht wieder verlieren, niemals! Und deshalb lautet meine Antwort ...
 

„Ich schaffe das!“
 

Sephiroth wartete noch einige Herzschläge lang. Erst dann entließ er sie aus seinem durchdringenden Blick und sah wieder auf den Arbeitsvertrag.
 

„Dein Gehalt hat sich nicht verbessert.“
 

„Vermutlich hätte ich gar keine Zeit, es auszugeben, vor lauter Missionen. Also ... damit komme ich klar!
 

„Ich nehme an, das gilt auch für deine neue, von Präsident Shinra bestimmte, Bezeichnung. Death Walker Cutter Tzimmek.“
 

„Ach, das ist – was?!“ Die in dem kleinen Wörtchen liegenden Emotionen `Empörung´ und `Verblüffung´ schienen es förmlich sprengen zu wollen. „`Death Walker´?! Was ist das denn für ein blöder Name?! Ich will wieder ein Ghost Walker sein, wie früher!“
 

„Vielleicht“, antwortete Sephiroth völlig ruhig, „hättest du deine Vorstellung – worin auch immer sie bestanden haben mag - etwas weniger enthusiastisch aufführen sollen.“
 

„Vielleicht. Aber meine Version hat geklappt. Also ... kann ich jetzt den Vertrag unterschreiben?“
 

„Sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“
 

Gleichzeitig schob er den Vertrag und einen Stift zu Cutter hinüber. Diese griff danach, begann zu lesen und murrte irgendwann:
 

„Death Walker! Ich habe niemanden getötet! Dieser Name besitzt keine Rechtfertigung!“
 

Oh doch, dachte Sephiroth. Er verrät überdeutlich, was Rufus in dir sieht. Und du hast es, ganz offensichtlich, nicht verstanden. Aber einmal mehr bist du nicht aufzuhalten. Also wirst du es selbst herausfinden müssen.
 

Vor ihm unterzeichnete Cutter mit energischen Bewegungen den Vertrag (für sie fühlte es sich trotz allem ein wenig an, wie ein Pakt mit finsteren Mächten), und reichte ihn immer noch halblaut protestierend zu Sephiroth hinüber. Dieser nahm ihn an sich und öffnete eine der Schreibtischschubladen, entnahm ihr einige Dokumente und reichte sie der jungen Frau.
 

„Hier sind die entsprechenden Berechtigungen für ein PHS ...“
 

„Ein – was?“
 

„ ... Kleidung, Schuhe, Bettwäsche, etc. – inklusive eines Staubtuches, denn du erhältst dein altes Quartier zurück, und es steht seit 4 Jahren leer. Der Türcode ist unverändert. Ich übersende dir eine List der Schulungen, an denen du teilnehmen wirst. Unser Gespräch ist hiermit beendet. Wegtreten!“
 

Cutter erkannte, dass sie die erste Runde der Namensdiskussion verloren hatte und es jetzt besser nicht auf eine zweite ankommen lassen sollte. Sie verstummte, nahm Haltung an, salutierte ... und wurde fast von Zacks stürmischer Umarmung von den Füßen gerissen.
 

„Willkommen Zuhause, Cuttiiiiiieee!!“
 

„Ich hab´s geschafft, ich hab´s geschafft!! YES!! Wie cool!!“
 

Ein halblautes Räuspern erinnerte an die Existenz einer dritten, nicht vor Freude vor dem Schreibtisch auf- und abhopsenden Person. Cutter wandte den Kopf – und erstarrte. Auf Sephiroths Gesicht lag – zum ersten Mal seit sie sich nach 4 Jahren wieder begegnet waren – zumindest eine Andeutung jenes Lächelns, das sie früher völlig durcheinander gebracht hatte. Und noch während sie der dunklen Stimme lauschte, spürte sie, wie es wieder einsetzte, dieses sanfte Schwindelgefühl, das aus oben unten machte und alles nebensächlich werden ließ, außer Sephiroths Gegenwart.
 

„Du bist gewachsen, oder?“
 

Cutter grinste vergnügt.
 

„Zehn Zentimeter!“
 

„Hab ich gleich gesehen.“
 

Stille setzte ein. Als Cutters Stimme wieder erklang, wusste Sephiroth, was sie fragen wollte, noch bevor sie den Satz beendet hatte.
 

„General Crescent, Sir? Darf ich jetzt wieder `Sephiroth´ zu dir sagen?“
 

So klar sein Herz `Ja´ flüsterte – sein Verstand und rationales Denken unterdrückte seine Gefühle einmal mehr.
 

„Vorerst sehe ich dazu keine Veranlassung.“
 

Enttäuschung und Trauer stiegen in Cutters Augen auf – aber sie nickte, auch, wenn es ihr sichtbar schwer fiel. Es war Zack, der die Situation stimmungstechnisch einmal mehr komplett drehte.
 

„Ooookeeeyyy, komm Cuttie, ich veranstalte eine Extrabesichtigungstour, hier hat es nämlich einige Umbauten gegeben, plus wir haben neue Kaffeeautomaten (und einer davon lässt sich mit alten Knöpfen austricksen), plus eine neue Caféteria, plus ... plus ... Ach, komm einfach mit! Bye, Seph!“
 

Gut gelaunt schob er die schon wieder halbwegs grinsende Cutter vor sich her und durch die Tür, schloss diese wieder hinter sich. Wieder allein lehnte sich Sephiroth zurück und starrte einen Augenblick lang gedankenverloren an die Decke. Cutter war also wieder da. Und die beiden glühenden Punkte auf ihrem Rücken definitiv keine Glühwürmchen. Sondern? Vorerst nur eine der vielen Fragen, die es zu klären galt. Genau wie die, ob der sonst so aufmerksame Zack sie übersehen, nur aus Höflichkeit nichts gesagt hatte, oder das Geheimnis bereits kannte. Aber dessen völlig ungeachtet ... Er wandte sich dem Computer zu, änderte Cutters Status von K.I.A. in `Anwesend´ und lehnte sich abermals zurück. Als seine Stimme wieder erklang, war sie kaum mehr als ein flüstern.
 

„Willkommen zurück ...“
 

In den beiden Worten lag mehr Gefühl als geplant. Und Sephiroth rief sich sofort zur Ordnung.

Es würde nicht mehr wie früher werden. Cutter hatte sich verändert. Jetzt wurde sie wirklich mit jeder Gefahr alleine fertig. Und brauchte ihn nicht mehr. Jedenfalls nicht so, wie er es sich gewünscht hätte. Oder? Sie hatte sich ihm gegenüber so ... wie immer verhalten. Als seien diese 4 Jahre völlig ohne Bedeutung. Und zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit wusste der General nicht, wie er die Situation korrekt einschätzen sollte. Oder was zu tun war, um die herrschende Dämmerung in eine klarere Richtung zu beeinflussen.
 

Mir scheint, dachte er, ich kann schon wieder nur warten. Beobachten. Und aufgrund der diesbezüglichen Erkenntnisse meine Strategie ... Was, Strategie! Hier geht es um Cutter. Genauso gut könnte ich einen Wagenladung glühend heißer Gegenstände auf einer mir von der Dicke unbekannten Eisschicht eines Sees abladen. Also ... bleiben wohl nur warten und beobachten.
 

Wie er seinen ehemaligen Ghost Walker kannte, würde das völlig ausreichen.
 

Zacks Besichtigungstour dauerte eine ganze Weile, und an deren Ende war Cutter, was die Umbauten anging, auf dem neusten Stand. Momentan bewegte sie sich leise vor sich hinsummend durch die Flure auf ihr Quartier zu, in der freien Hand einen Kaffeebecher, in der anderen die ausgehändigten Utensilien, inklusive Putzeimer und –tuch, relativ respektlos (aber dafür sehr bequem) an der über die Schulter gelegten Luna Lance tragend. Vor dem Quartier angekommen hielt Cutter nachdenklich inne.
 

4 Jahre... Es ist 4 Jahre her, seitdem ich zum letzten Mal diesen Code eingegeben und diese Tür geöffnet habe... Und doch scheint es mir, als sei es erst gestern gewesen. Als hätten diese 4 Jahre nie stattgefunden...
 

Fast bedächtig betrat sie das Quartier, sah sich um und spürte hinsichtlich des vertrauten Anblickes tiefe Nostalgie in sich aufsteigen. Wäre all der Staub nicht gewesen – ihr letzter Besuch hier hätte nur wenige Stunden zurückliegen können. So aber waren die wenigen Möbel ebenso wie der Fußboden eingestaubt, fast als schliefe der Raum. Cutter schloss die Augen, atmete tief ein ... und für einen Augenblick drehte sich die Zeit zurück, ließ die junge Frau wieder zu einem 16 jährigen Teenager werden, der von einem schweren Einsatz zurückkam und sich nur noch aufs Bett fallen lassen wollte, um zu schlafen ... aber in der Luft lag auch der unverkennbar leere Geruch aus all der Zeit, in der dieses Quartier unbewohnt gewesen war. 4 lange, lange Jahre.
 

Die jetzt vorbei waren! Cutter öffnete die Augen wieder. Es war höchste Zeit, zu lüften. Aufzuräumen. Neu anzufangen. Sie öffnete das Fenster. Frische, kalte Luft strömte ins Innere des Raumes, neu und unverbraucht wie all die vor ihr liegende Zeit, die jetzt wieder ihr gehörte.
 

Meine Zeit, dachte Cutter. Jetzt ist meine Zeit! Ich bin wieder da! Aber ... seltsam ist es schon. Ich wollte ein Blue Wanderer werden und wurde zum Ghost Walker. Und jetzt bin ich – vorläufig – ein Death Walker. Ob meine Entwicklung damit abgeschlossen ist? Jedenfalls wäre ich sehr damit einverstanden, die Dinge ab jetzt ein wenig mehr beeinflussen zu können als früher. Um die Zukunft etwas weniger ... ungewiss zu gestalten.
 

„Es wäre“, murmelte sie, „jedenfalls schön, wenn du diesmal ein wenig sanfter mit mir umgehen würdest, Zukunft. Bitte?“
 

Aber irgendwie schlich sich bei diesen Worten ein seltsames Gefühl aus Cutters Seele. Fast wie die Vergewisserung, dass sich jeder jetzt geäußerte Wunsch eines Tages ins Gegenteil wenden würde. Und so schwieg das neuste ShinRa Mitglied aus Angst, etwas Falsches zu sagen, und beschloss einfach abzuwarten, was die folgenden Tage bringen würden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kiya-re
2010-08-15T12:25:29+00:00 15.08.2010 14:25
Ju ^^

Ein interessantes neues Kapi. ^^
Nu is Cutter also wieder zu hause. ^^
Den Trick mit dem Kaffeeautomaten muss Zack mir verraten. ^^
Wobei sich das mit der Schokolade in sofern rechnen würde, als Cutter einfach einen Beerenstauch nehmen würde. Zack futtert was Süßes und bekommt später noch ein paar Vtamine. xD
Wobei mich ja mal interessieren würde, was genau sie mit Rufus gemacht hat um ihn zu überzeugen. xD

Freu mich auf die nächsten Kapis. ^^

lg Kiya

Von:  Aruna
2010-08-15T08:08:39+00:00 15.08.2010 10:08
Strauchschokolade :)
War wieder ein schönes Kapitel. Cutter ist endlich zu Hause angekommen. Mehr oder weniger. Auch wenn Sephiroth noch ein bisschen komisch ist. Aber ich möchte nicht mit ihr tauschen. Staub und Dreck aus vier Jahren in ihrem Zimmer. Bäääh!
Zack soll mir mal verraten, wie man Kaffeeautomaten austricksen kann :)
Das war mein letztes Review aus Deutschland. Kann sein, dass ich da oben erst mal kein Internet hab. Also nicht wundern, wenn ich mich nicht melde.
lg Aruna

Von:  fahnm
2010-08-14T20:48:12+00:00 14.08.2010 22:48
Klasse kapi!^^
Freue mich schon aufs nächste Kapi!^^


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