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Trinkgeld

von

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So nah und doch so fern

Mit einem vorfreudigem Lächeln auf den Lippen betrat der Blondschopf den Flur des Hauses. Ein altertümlicher Geruch schlug ihm entgegen, da es in dem Treppenaufgang nur wenige Fenster zum Lüften gab, die kaum einer öffnete. Waren die Leute doch eher damit beschäftigt in der Früh schnell zur Arbeit zu gehen und gegen Nachmittag wieder in ihre Wohnung zu kommen. Da machten sie sich um geschlossene Fenster und stickige Flure keine Gedanken.
 

Selbst dem jungen Mann machte der Geruch nichts aus, da er zu sehr auf etwas anderes fixiert war. Um sich herum hatte er alles ausgeblendet, was nicht mit dem zu tun hatte, was er zurzeit suchte und begehrte.
 

Lächelnd sah er noch mal auf den Zettel mit der Adresse in seiner Hand, die er sich aus einem Telefonbuch herausgesucht hatte. Simpel, aber effektiv, wie Jack fand. So machte er sich weiter auf den Weg und blieb erst vor der gesuchten Tür stehen. Er streckte aufgeregt seine Hand danach aus und… musste feststellen, dass diese geschlossen war.
 

Nun gut, dafür konnte es zwei gute Gründe geben: Entweder hatte sein Besitzer aus Schutz abgeschlossen, weil es ein kleines, verängstigtes Häschen war, dass einen starken Wolf brauchte, der auf es aufpasste oder der andere war zurzeit außer Haus und hatte dementsprechend abgeschlossen.
 

Jedenfalls machte er sich deswegen keine Sorgen. Entweder würde er direkt sein Häschen in die Arme schließen können oder er würde hier einfach auf den Jüngeren warten. Jenem Ort, wo er seinem begehrten Objekt so nahe war, wie in den letzten Jahren nicht mehr.
 

Grinsend blickte er sich um und vergewisserte sich, dass ihn vorerst niemand stören würde. Dann holte er sich sein Schweizer Taschenmesser und eine Nadel hervor, die er nach seiner Entlassung wiederbekommen hatte, ebenso wie seine Brieftasche, mit seiner Kreditkarte und dem Restgeld welches er damals besessen hatte.
 

Geschickt ließ er das Schloss einrasten und öffnete dieses. Zufrieden mit dem Ergebnis, betrat Jack leise die Wohnung und schloss hinter sich die Tür. Nun stand er in einem halbdunklen Flur, von dem zwei Türen abgingen.
 

Zuerst kam er in eine Küche, welche er ruhig musterte. Einfach deshalb, weil er sich vorstellte wie sich sein begehrtes Objekt hier aufhielt, während es Essen zubereitete, abwusch oder einfach nur dastand und vom Sonnelicht des Küchenfensters angestrahlt wurde. Ein Gedanke, der dem Blondschopf ein warmes Lächeln ins Gesicht zauberte.
 

Ebenso als er dessen Handy auf der Küchenanrichte fand. Wahrscheinlich war der Kleine immer noch so vergesslich wie damals, wo er einige Schulsachen oder Pausenbrote seinem süßen Häschen vorbeibringen musste. Lächelnd wandte sich Jack von der Anrichte ab und ging wieder zurück in den Flur.
 

„Honey?“ rief Jack nach dem Jüngeren und wollte sich zugleich vergewissern, ob jemand hier war. „Bist du da?“
 

Allerdings kam ihm nur Stille entgegen und er glaubte, dass Samuel zu dieser Tageszeit nicht mehr im Bett lag, sondern draußen war. Wahrscheinlich arbeiten, etwas was er dem Jüngeren wieder abgewöhnen würde, wenn er einen eigenen Job gefunden hatte, um sowohl für sich, als auch für sein geliebtes Häschen zu sorgen.
 

Pflege und Aufmerksamkeit war das A und O bei einem solch reizvollen Wesen, wie Samuel es war. Man musste sie verhätscheln und täglich verwöhnen, damit sie vollkommen erblühen konnten und sich wollüstig in ihren Reizen hingaben.
 

Mit diesen und weiteren Gedanken an den Jüngeren, ging Jack weiter. Er betrat langsam das Wohnzimmer und besah sich den Kitsch auf den Schränken, sowie die Topfpflanzen, als auch die Anordnung der Möbel. Alles wirkte so friedlich hier und signalisierte Harmonie, welche Jack förmlich spüren konnte. Ja, wenn er sich vorstellte, dass eben auf jener Couch die er jetzt betrachtete, sein begehrtes Objekt saß, sich zu ihm umdrehte und ihn mit einem glücklichen Lächeln entgegenblickte.
 

„Hach“, stieß Jack seufzend aus, als er sich von der Sitzgarnitur abwandte und zur nächsten Tür ging.
 

Dahinter verbarg sich das Bad, welches Jack auch etwas unter die Lupe nahm. Allerdings konnte er kaum Badeöle, noch Duschgels sehen. Ganz abgesehen davon, war die Ablage vor dem Spiegel fast leer. Dort wo normalerweise die Bürste und der Zahnputzbecher standen, war jetzt nur gähnende Leere vorzufinden, weshalb Jack verwundert eine Augenbraue anhob.
 

Fragend sah er in den angrenzenden Wandschränken nach, fand aber nur eine eingepackte Zahnbürste. Keine aktuelle, die sein Häschen zurzeit benutzen würde, was ihm leicht zu denken gab.
 

Ein nervöses Magenkribbeln machte sich in ihm breit, während er auch dieses Zimmer verließ und wieder zurück ins Wohnzimmer ging. Nur um dann durch die letzte Tür zu gehen, welche er noch nicht untersucht hatte. Dahinter befand sich Samuels Schlafzimmer, welches die Freude und Aufregung in Jacks steigen ließ.
 

Sein Blick blieb zuerst an dem Bett haften, welchem er sich zaghaft näherte. Alte Bilder stiegen in ihm auf: Ein schwarzhaariger, junger Mann lag auf dem Bett, einzig die Decke bot dem nackten Körper Schutz und gab die Sicht auf eine zierliche Gestalt frei.
 

„Wie ich dich vermisse Honey“, flüsterte Jack sehnsüchtig.
 

Seine Gedanken irrten zusehends immer mehr um Samuel. Zumal dieser Ort so vieles mit dem Jüngeren verband, dass es Jack leicht fiel, sich immer wieder Erinnerungen von damals abzurufen und sich dadurch sein süßes Häschen bildlich vorzustellen. In welchen Posen er ihn hier vorfinden könnte und wie er ihm immer wieder durch die Finger schlüpfte.
 

Denn wenn er nach der schönen Gestalt seines kleinen Häschens greifen wollte, verschwand er und ließ Jack allein. So wie die letzten Jahre, welche sehr an seinen Nerven gezehrt hatten.
 

Aber das war jetzt vorbei. Er musste lediglich warten bis Samuel kam und dann…
 

„… werden wir die letzten Jahre nachholen“, murmelte Jack entschlossen.
 

Sein Blick ging weiter durch das Zimmer, als er sich neugierig die einzelnen Schränke besah. Besonders der Kleiderschrank zog seine Neugierde an, da er sich einige Sachen herausnehmen und seine Nase in dem feinen Stoff vergraben wollte. Der Duft nach seinem Häschen müsste dort sogar noch intensiver sein, als er es ohnehin schon in der Wohnung wahrnahm.
 

„Was zum Teufel“, flüsterte Jack rau und blickte in den fast leeren Schrank vor sich.
 

Zuerst versperrte sich sein logisches Denken und er wollte nicht wahrhaben, was er da sah. Dennoch reihte sich langsam alles ein und ließ eine dunkle Vorahnung in ihm aufsteigen. Erst das liegen gelassene Handy, dann die fehlenden Badartikeln und jetzt auch noch die wenigen Sachen im Kleiderschrank. Mit schmalen Augen, schmiss Jack ungehalten die Schranktür zu und drehte sich knurrend um. Ihm wurde bewusst, dass sein geliebtes Häschen die Flucht ergriffen hatte.
 

Starr ging er zurück ins Wohnzimmer und begann dann die Schränke und Schubladen zu durchsuchen. Irgendwo würde er einen Anhaltspunkt finden, um zu seinem geliebten Häschen zu kommen. Dafür kramte er in jeder Ecke und rupfte sogar die Ordner aus den Regalen, um sie dann hektisch durchzublättern.
 

Selbst wenn er sich durch einige Stellen durchfragen müsste, er würde nicht eher ruhen, ehe er sein begehrtes Objekt gefunden hatte. Und wo könnte man besser anfangen, als bei der Arbeit des Kleinen, denn Jack hatte gerade eine Gehaltsabrechnungen in einem der Ordner gefunden.
 

„So, so Grand Hotel“, meinte Jack nun milder gestimmt und fischte mit einem triumphierendem Gesichtsausdruck sein Handy aus der Hosentasche. „Keine Angst Honey, bald sind wir wieder vereint.“

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Die milchverglaste Tür fiel zurück ins Schloss, während ein kleiner, schwarzhaariger Lockenkopf an das Waschbecken trat und sich mit kühlem Wasser erfrischte.
 

„Reiß dich zusammen“, flüsterte Samuel.
 

Dabei stützte er sich am Waschbecken ab und versuchte ruhig einzuatmen. Was ihm nicht recht gelingen wollte, dafür schlug sein Herz zu aufgeregt. Seine Beine fühlten sich leicht wacklig an, während er sich unsicher auf die Unterlippe biss.
 

Bei dem letzten Kommentar, welchen Roger von sich gegeben hatte, war Samuel sofort knallrot angelaufen. Schnell hatte er sich schüchtern entschuldigt, dass er mal kurz aufs Klo müsse. Einfach deshalb, weil der ältere Mann etwas in ihm auslöste, dass er vor langer Zeit einmal gespürt hatte.
 

Eine Mischung aus tiefer Verbundenheit, Wärme und Zuneigung.
 

Aber hatte ihn nicht genau diese Person verraten, welcher er bis zum Tod seiner Mutter vertraut hatte, ja sogar aufgeblickt und innerlich verehrt hatte? Wollte er wirklich noch einmal dieses Gefühl spüren? Bitter enttäuscht zu werden und nichts als Schmerzen zu spüren? Jegliche Wärme die einen verließ und nur Leere und Dunkelheit zurückließ?
 

Samuel spürte, wie die Kälte wieder Besitz von ihm ergriff, als er sich erneut das Gesicht erfrischte.
 

Dann nahm er sich einige Papiertücher und trocknete sich damit ab. Die benutzten Tücher schmiss er weg, ehe er aufblickte, direkt zum Wandspiegel. Ein blasses Bild seiner selbst sah ihm entgegen, während seine Augen nachdenklich zurücksahen.

„Wohin denn so eilig?“ sprach er mit dunkler Stimme. „Ich habe mich noch nicht richtig bei dir bedankt…Du scheinst es kaum noch erwarten zu können…William…Nenn mich William…“
 

Das waren die ersten, unglücklichen Begegnungen mit Roger gewesen, ehe sich sein Verhalten änderte. Doch anders als es bei seinem Bruder der Fall war, benahm sich der ältere Mann ihm gegenüber plötzlich anständig und höflich. Keine Frage, dadurch war ihm Roger schon sympathischer geworden und auch dessen eigener Hang zur Ordnung gefiel dem Schwarzhaarigen.
 

„Es tut mir Leid, ich hätte dich nicht rufen sollen…Ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist… dennoch möchte ich dir sagen, dass ich mich dir nicht aufzwingen wollte… es tut mir Leid, das du wieder einmal ein falsches Bild von mir bekommen hast…“
 

Und dann hatte er noch diese ehrliche Seite an sich, dass er einen Fehler zugab und sich dafür entschuldigte. Roger setzte nicht seinen Willen durch, wie es Jack immer getan hatte, sondern lernte aus seinem Fehlverhalten. Das rechnete ihm Samuel hoch an, weshalb er gerne mehr auf den anderen Mann eingehen wollte.
 

Auch wenn das ein wenig egoistisch klang, so war er jetzt auch nicht bereit die Gefühle aufzugeben, die Roger in ihm hervorrief. Vorfreude, Geborgenheit und ein unbeschreibliches Herzklopfen, welches er bekam, sobald er an den Braunschopf dachte, wenn er in dessen Augen blickte oder gar seine Stimme hörte. Und obwohl er für diesen Mann arbeitete, schien dieser stets darum bemüht zu sein, dass es ihm an nichts fehlte.

„Ist schon gut Morgan. Den Rest werde ich auch noch alleine schaffen…Dir soll es an nichts fehlen, Morgan…Ich habe uns Kuchen mitgebracht und Kaffee… Vorsicht… Fall nicht hin…“
 

„Wie könnte ich, solange du auf mich aufpasst?“ fragte sich Samuel selbst leise und ein Schmunzeln entstand in seinem Gesicht.
 

Auch wenn seine Gefühle und Gedanken noch Achterbahn fuhren und er sich bisher so vorkam, als würde er noch nicht in die Endstation einfahren, so kam es ihm durch Roger wenigstens so vor, als würde er das Ziel bereits vor Augen sehen können. Ein Gefühl der Sicherheit und Wärme breitete sich dabei in ihm aus und zudem begann sein Magen zu protestieren.
 

Trotz des leeren WCs lief Samuel beschämt an, einfach weil er sich jetzt dumm vorkam, dass er wegen einer kurzen Berührung so aus dem Konzept kam. Aber jetzt hatte er sich wieder im Griff, weshalb er sicherer zurück zum Tisch ging.
 

„… ja, es wäre nett wenn Sie den anderen Bescheid sagen“, vernahm Samuel den Gesprächsfetzen, als er sich wieder zu William an den Tisch setzte.
 

Schüchtern lächelte der kleine Lockenkopf sein Gegenüber an, der ihn freudestrahlend begrüßte und sich dann wieder an seinen Telefonpartner wandte:

„Okay, dann sehen wir uns gleich. Tschüss.“ Damit legte William auf und steckte sein Handy ein. Während Morgan für kleine Engel gegangen war, hatte er die Zeit genutzt und einige Sachen geklärt. „So, du kannst noch in Ruhe aufessen, Carl wird noch einige Besorgungen machen, ehe er uns abholt.“
 

„Uns?“ fragte Samuel, als er zum Besteck griff. Er hatte nun wirklich Hunger und wollte zudem die Pizza nicht verkommen lassen, welche einfach köstlich aussah.
 

„Ja uns“, bestätigte ihm William. „Ich würde nämlich gern unseren Ausflug etwas früher beenden und dich stattdessen woanders mitnehmen.“
 

„Ist… ist schon in Ordnung“, winkte Samuel lächelnd ab.
 

Schließlich hatte der andere Mann ihm gegenüber keine Verpflichtungen, denen er nachkommen musste. Im Gegenteil, es war an dem Schwarzhaarigen, sich um seinen Gast zu kümmern, weshalb er verstand, dass ihn Roger bei seinem Ausflug dabeihaben wollte. Mit diesen Gedanken begann Samuel zu essen, während er versuchte seine aufkommende Schamesröte zu verbergen.
 

William hatte seine Pizza fast aufgegessen, doch an Hunger war nicht mehr zu denken. Seit Morgan wieder in den Raum getreten war, konnte er weder den Blick von dem jüngeren Mann abwenden, noch an Essen denken. Viel lieber beobachtete er den Schwarzhaarigen, wie er sich die Pizza in kleine Stückchen schnitt, dann einzeln mit seiner Gabel aufspießte und zu seinem Mund führte. Als die schmalen Lippen seines Engels das herzhafte Essen umschlossen und ein wenig von der Tomatensoße über Samuels Lippen lief, war es ganz um William geschehen.
 

Mit trockenem Hals griff er zu seinem Glas, während er gebannt beobachtete, wie sein süßer Engel sich über seinen Mund leckte und die rote Soße ableckte. Ohne es zu wissen, gab ihm Morgan so viel, dass William diesem nicht oft genug seine Dankbarkeit zeigen konnte. Und da er noch warten wollte, ehe sie sich intime Küsse… die wesentlich leidenschaftlicher und sanfter waren, als seine rücksichtslosen Plünderungen damals… musste vorerst ein Essen herhalten, um seinen inneren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
 

TBC



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lucy-Sky
2008-10-18T18:43:51+00:00 18.10.2008 20:43
Jetzt wird es aber langsam brenzlig für Samuel und Roger. Jack hat Samuel so gut wie gefunden. Er braucht eigentlich nur noch im Hotel nach Samuel suchen und schon hat er ihn. Das wird dann für Samuel ein Schock mit seiner Vergangenheit und vorallem Jack komfrontiert zu werden.


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