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Vermilion

von

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Im Reich der Dämonen

Im Reich der Dämonen
 

Als ich aufwachte wurde ich noch immer getragen. Ich öffnete die Augen, hätte es aber lassen können, denn es war stockdunkel. Ich suchte nach dem Geist von Vermilion und bemerkte, dass auch er in Ohnmacht gefallen war. Er wurde vom Entführer vor mir getragen und ich atmete erleichtert auf. So seltsam das auch war, aber ich war froh bei ihm zu sein.

„Keierz gnanam, krrozerr.“, sagte mein Entführer zu dem vor uns. Die Wesen blieben stehen. Ich konnte noch immer nichts sehen und fragte mich, wie diese Wesen in einer solchen Finsternis etwas erkennen konnten. Ihre Sprache kam mir allerdings bekannt vor.

Ich wurde abgesetzt und blieb auf den Boden sitzen. Vermilion legten sie etwas vor mir auf den Boden. Ich tastete nach ihm und fand dann schließlich seinen Arm. Noch einmal könnten die uns nicht trennen.

Die Stimmen um uns herum vermehrten sich und unterhielten sich murmelnd in dieser seltsamen Sprache.

„Kannzzt du zzehen, Mensch?“ Eine tiefe Stimme erhob sich über den anderen, die sofort still wurden. Ich hatte einen Geistesblitz. Dies mussten Dämonen sein, keine Frage. Ich ballte meine Fäuste noch fester um Vermilions Schlafanzug.

„Nein.“, antwortete ich ihm und versuchte in seine Richtung zu sprechen. Schritte näherten sich und eine Hand legte sich über meine Augen. Ich zuckte zusammen. Eine Frauenstimme sprach ein paar beruhigende Worte in Dämonisch.

Eine angenehme Wärme durchströmte meine Augen und ich sah schwach ein rotes Licht, dass immer heller wurde. Die Dämonenfrau nahm ihre Hand weg und ich erkannte eine große unterirdische Höhle.

Das Stein der Wände war schwarz und eine Schar von Dämonen hatte sich in einem Kreis um uns herum gestellt. Direkt vor uns, saß auf einem Steinthron der Anführer der Dämonenschar. Er hatte langes Haar und ein strenges, kantiges Gesicht. Ich blickte ihn direkt ins Gesicht und er musterte mich neugierig.

„Du keine angst?“ Ich sah zu Vermilion, der vor mir auf dem Boden lag. „Ein bisschen.“, gestand ich.

Der Dämonenanführer sah mich mit einer Mischung von Abscheu und Neugierde an, was mir äußerst unangenehm war. „Wirr den Jungen nichtz tun. Auch nicht den Jungen von Magierrrn, Zzzrrrkk.“ Er zischte voller Abscheu, nachdem er das Wort „Magier“ ausgesprochen hatte und die restlichen Dämonen taten es ihm nach. Ich saß in der Höhle des Löwen, doch zum Glück war ich ein „Junges“. Hier war also der Ort meiner Geburt, ich bekam eine Gänsehaut.

„Ihrr habt einen von unz entführrt!“, zischte mich der Anführer an.

„Das haben wir nicht.“, entgegnete ich ihm bestimmt. Ein Murmeln hob sich um uns herum an und wurde immer lauter. Der Anführer hob seine Hand und sie wurden wieder alle still.

„Ihrr habt zzeine Familie errmordet! Ihrr habt diezzen Jungen entführrt!“, brüllte er und zeigte mit seinem Finger auf mich.

Ich stand auf und sah ihm entschlossen ins Gesicht. „Mag sein, dass einige Mitglieder meiner Familie euch unrecht getan haben, aber wir haben Vermilion nicht entführt, sondern bei uns aufgenommen!“ Die Dämonen um uns herum zischten als ich Vermilions Namen erwähnte und der Anführer wurde noch wütender. „Ihrr ihn gefoltert, damit er Namen zzagt!“ Seine Stimme bebte.

Ich spürte Vermilions kleine Hand an meinem Fußknöchel. Er kam zu sich. Eine Dämonenfrau kam, um ihm auf zu helfen, doch ich kam ihr zuvor und stellte meinen kleinen Freund auf die Beine. „Alles in Ordnung, mein Kleiner?“ Er nickte verwirrt. „Wo zind wir, Eve?“

Die Dämonenschar schien verwirrt, angesichts unserer Vertrautheit. Auch der Anführer kratzte sich verwirrt an seinen Bartstoppeln.

„Vermilion!“, zischte er. Vermilion sah ihn, noch immer verwirrt, an. Er schien erst in diesem Moment zu begreifen, wo er war. „Warum habt ihr mir entführt?“, fragte er den Anführer, ohne die geringste Spur von angst. Diesmal blieb es nicht bei einem Murmeln, sondern lautes Gerede in Dämonisch erschallte durch die Höhle.

„Wrreinkzz zkker gterew woi?“, brüllte der Anführer. Vermilion blieb zu meiner Überraschung völlig ruhig und antwortete ihm total ungerührt. „Ich euch nichtz unterstellen, ich wurde entführt.“ – „Wirr haben dir gerettet!“, mischte sich ein Dämon ein, den ich als einen der Entführer erkannte. Meine Hände ruhten auf Vermilions Schultern. Er gab mir die Sicherheit, die ich brauchte. „Woher wusstet ihr, dass er bei uns ist?“, wandte ich mich an den Anführer. Dieser blickte nur unverwandt Vermilion an. „Daz nichtz zurrr Sache tun. Wirr wuzzten ez!“ Ich seufzte. Offensichtlich glaubten diese Dämonen, dass wir Vermilion entführt und gefoltert hatten und dass sie ihn gerettet hatten. Wie hätte ich sie vom Gegenteil überzeugen können. In diesem Augenblick ertönte eine dumpfe Glocke und alles wurde unheimlich ruhig.

Der Anführer erhob sich und verbeugte sich tief. Aus einem Nebeneingang betrat eine majestätische Dämonenfrau den Raum. Sie hatte strenge Augen und schien unendlich alt und weise. Sie wurde von einer Schar von Dämonenfrauen begleitet. Jeder im Raum schien vor Ehrfurcht zu erstarren. Zumindest fast jeder. „Oma!“, rief Vermilion und rannte mit ausgebreiteten Armen auf die Frau zu, die ihn mit offenen Armen empfing. Für einen kurzen Augenblick wurden ihre Gesichtszüge sanft und freundlich. Als sie wieder aufsah, war ihr Gesicht wieder steinhart.

Sie nahm Vermilion auf den Arm und ging auf den Anführer zu, der sich sofort wegschlich. „Greikzzer roin.“, sagte sie und der Dämonenanführer stellte sich zu den anderen in den Kreis. Ich kam mir irgendwie ziemlich verloren vor. Ganz allein umringt von Dämonen, in einer dunklen Höhle und ich hatte keine Ahnung, wo genau ich war.

Vermilion kuschelte sich in den Armen der Frau und war überglücklich, diese setzte sich auf den Steinthron. Ich musste lächeln, als ich seine glückliche Aura spürte. Er hatte mir schon von seiner Großmutter erzählt, aber ich hatte geglaubt, dass sie gestorben war.

„Warum lächelst du, Mensch? Ist dir klar, wo du dich befindest, Mädchen?“ Ihre Stimme war hart und kalt und ich musste schlucken.

„Aber Oma, ich denkte dir zeien tot! Du leben!“, mischte sich Vermilion ein. „Ja, ich habe den Angriff der Familie Cage überlebt.“ Es klang wie ein Vorwurf an mich gewandt. Ich bekam eine Gänsehaut von dieser kalten Stimme. Vermilion schaute seine Großmutter verwundert an und kletterte von ihrem Schoß.

Er stellte sich neben mich und nahm meine Hand. „Oma, dazz zeien meine Freundin, Eve. Zie hat mir gerettet!“ Die Miene der Frau blieb hart. „Dämonen und Magier sind keine Freunde, mein Junge, dass habe ich dir doch oft genug erklärt.“ – „Warum zie zo sauer zeien, Eve? Zie zonst immer nett, ehrlich!“, sandte er mir telepathisch. Er versuchte sich offensichtlich für seine Großmutter zu entschuldigen. Dass er für mich Partei ergriff, fand ich unglaublich süß. Ich hob ihn hoch und umarmte ihn. Für viele Dämonen war das ein Schock. Sie zischten bedrohlich. Die Miene von Vermilions Großmutter veränderte sich nicht. „Wir sind Freunde, Kan Gorir.“ Ich verbeugte mich. Kan Gorir war das dämonische Wort für „Königin“, das hatte mir Vermilion mal erzählt. „Vielleicht sogar mehr als Freunde.“

Für einen winzigen Augenblick war auch Vermilions Großmutter überrascht. Sie fing sich blitzschnell und flüsterte eine ihrer Dienerinnen etwas zu, diese verbeugte sich und ging. „Wir werden uns unter vier Augen unterhalten.“ Sie wandte sich an die Schar der Dämonen im Raum.

„Serrizz greikz gerr! Grreikkor toim mert wekkz.“ Die Dämonen verbeugten sich und verließen wortlos den Raum. Als der letzte gegangen war, erhob sich die Königin und verließ die Höhle durch eine kleinere Tür. „Ich glauben, wir ihr folgen zollen, Eve.“, sandte mir Vermilion. Ich nickte und folgte ihr. Ihre Dienerinnen sahen mich misstrauisch an.

Der Raum, in den wir ihr folgten, war mit vielen bunten Seidenstoffen behangen. Er wirkte behaglich und schien ihr Schlafgemach zu sein.

Sie setzte sich auf einen der weichen Sessel und rieb sich die Stirn. Dann sah sie Vermilion an und lächelte.

All die Härte wich aus ihrem Gesicht und ich wunderte mich, wie jung sie doch aussah, wenn sie lächelte. „Mein Kleiner, ich bin so froh, dass es dir gut geht. Ich habe viele Gebete an den Himmel geschickt, dass ich dich und deine Eltern noch einmal sehen darf. Ich nehme an, dass die beiden nicht mehr leben, oder?“

Vermilion kletterte auf den Schoß seiner Großmutter und umarmte sie erneut. „Zie leben nicht mehr, aber du bist noch da, Oma!“ Er hatte Tränen in den Augen. Tränen der Trauer, aber auch der Freude. Ich musste den Drang selbst zu weinen runterschlucken und blieb vor den beiden stehen.

„Ich bin noch da, genau wie du. Die einzigen Überlebenden der Irakih- Familie.“ Sie schaute mich böse an. Wieder ein Vorwurf. Aber was konnte ich denn für die Ungerechtigkeiten in unseren Familien. Ich war doch gerade mal einen Monat lang Teil der Cage- Familie.

„Wie ist dein Name?“, fragte sie mich geradeheraus. „Evelyn Cage.“ Sie schaute mich überrascht an.

“E- Evelyn?!” Vermilion und ich sahen uns verwundert an. „Waz izt denn Oma?“ Sie versuchte sich zu fangen. „Wessen Tochter bist du?“ Ich wunderte mich sehr, dass mein Name sie so überraschte, aber ich antwortete ihr ehrlich. „Mein Vater ist Boreg Cage und meine Mutter heißt Dilia, sie sind die Anführer des Cage- Clans.“ Sie sah mich streng an, als würde sie denken, ich würde lügen. Dann begriff ich.

„Habt ihr mir meinen Namen gegeben?“ Ich hatte immer geglaubt, meine Adoptiveltern hätten mir meinen Namen gegeben, aber das musste ja nicht sein, schließlich war dies mein Geburtsort.

„Ceraleon, meine treueste Dienerin, hat dir diesen Namen gegeben. Sie hat sich nach deiner Geburt um dich gekümmert.“ Sie flüsterte eine der Dienerinnen etwas zu und diese verbeugte sich und verließ den Raum.

„Du weißt also, dass du hier geboren bist?“ Ich nickte. „Und wie kommt es, dass du bei den Cages bist? Ich hatte dich persönlich mit einem Bann belegt, damit du ganz normal bei den Menschen leben konntest.“ „Nun, das verdanke ich einigen widrigen Umständen.“, antwortete ich mit einem viel-sagenden Blick in Vermilions Richtung.

Im nächsten Augenblick klopfte es an der Tür und eine hübsche, hoch gewachsene Dienerin betrat den Raum. Obwohl sie nicht besonders alt aussah, strahlte eine Aura von Weisheit aus, die mich faszinierte. Sie hatte langes schwarzes Haar und typisch rote Dämonenaugen. Als sie mich sah blieb sie erstarrt stehen und schnappte nach Luft. „A-Aber wieso...?“ Ich schaute Vermilions Großmutter verwundert an.

„Dies ist Ceraleon. Cera, wie du richtig erkannt hast ist dies Evelyn.“ Die Dämonenfrau riss sich zusammen und setzte sich auf einen Stuhl neben ihre Herrin. Sie seufzte schwer und sah mich prüfend an.

„Du bist groß geworden, Eve.“ Ich antwortete nicht. Wie konnte sie mich nach all den Jahren überhaupt erkennen? Sekunden des Schweigens vergingen, doch ich hielt es nicht mehr aus und stellte die Frage, die mich schon die ganze Zeit beschäftigte. „Wie kamen Sie eigentlich auf den Namen Evelyn?“

Ceraleons Gesicht nahm einen liebevollen Gesichtsausdruck an. „Ich wollte dich nach der ersten Frau der Menschen benenne und „Lynn“ ist der Name meiner verstorbenen Tochter. Evelyn ist ein sehr schöner Menschenname, findest du nicht?“ Eine komische Antwort und eine komische Frage, doch ich nickte. „Wieso bist du nicht bei den Menschen geblieben? Ich habe so gehofft, dass du fernab von Krieg und Verrat ein harmonisches Leben führen kannst, wieso bist du zurückgegangen?“

Die Frau klang betrübt, doch das liebevolle Gesicht blieb.

„Man kann nicht trennen, was zusammen gehört.“, antwortete ich leise. „Auch wenn ich meine Familie erst seit einem Monat kenne, fühle ich mich mehr mit ihnen verbunden, als mit irgendjemand anderen auf dieser Welt.“

Die beiden Dämonenfrauen sahen mich verwundert an. „Du bist erst seit einem Monat bei den Cages?“

Ich nickte. „Ja, wieso?“

„Sie haben dich also nicht gleich wieder gefunden?“, warf Ceraleon ein. „Nein, die letzten zwölf Jahre habe ich bei meinen Adoptiveltern gelebt. Sie starben vor ein paar Monaten bei einem Autounfall. Danach habe ich Vermilion getroffen.“

Sie lauschten interessiert meiner Erzählung und unterbrachen mich nicht. „Wie hast du ihn getroffen? Es ist nicht gerade normal, dass Menschen auf Dämonen treffen.“, fragte mich Vermilions Großmutter.

„Ich... äh, na ja. Drei Mitglieder meiner Familie...“ Es fiel mir schwer ihnen die Wahrheit zu sagen, doch das musste ich auch nicht, denn sie nickten wissend. „Wir wissen in etwa, was an diesem Abend geschah. Nach dem Vorfall haben wir ein paar unserer Leute hingeschickt. Ihre Leichen hatte man schon beseitigt, aber man hat viel Blut von ihnen gefunden. Wir dachten, alle drei wären tot.“ „Und wie seid ihr dann Freunde geworden?“, fragte Ceraleon.

Diesmal sprach Vermilion. „Mama und Papa haben mir ihr anvertraut! Zie haben mir zu ihr geschickt.“ Ich war erstaunt, dass der kleine Kerl wusste, was seine Eltern an diesem Abend getan hatten.

„Dann hat Eve mir gerettet!“, berichtete er stolz. „Zie hat die drei Männer weggelockt und ich haben mir versteckt.“ Vermilions Großmutter sah ihren Enkel liebevoll an. „Du hast so viel erlebt und wahrscheinlich auch viel gelernt. Du kannst schon viel besser sprechen und du bist gewachsen, Vermilion. Ich möchte dich an meiner Seite wissen und dich beschützen. Ich liebe dich und du erinnerst mich so sehr an deine Eltern, doch wenn du wieder gehen möchtest, stehe ich dir nicht im Weg.“

Alle im Raum sahen Vermilions Großmutter erstaunt an. Mir verschlug es die Sprache. „Aber, eure Majestät, das kann doch nicht euer ernst sein! Bedenkt doch, er ist der Prinz unseres Volkes und sie wollen ihn den Feinden ausliefern?“, Ceraleon war ganz irritiert.

„Wirklich? Ich kann wieder zu Eve? Ich darf bei ihr bleiben?“ Vermilions Augen strahlten pure Glückseligkeit aus und er umarmte und küsste seine Großmutter Dutzende male.

Diese sah mich ernst an. „Ich gebe ihn in deine Obhut, Evelyn Cage. Wenn ihm etwas zustößt, bist du dafür verantwortlich und wir werden dich bis ans Ende der Welt verfolgen!“ „Ist das wirklich euer ernst? Sie wollen mir die Zukunft eures Volkes anvertrauen?“ Auch ich sprach ernst und ruhig.

„Vermilion ist nicht der direkte Nachfolger auf den Thron, sondern sein älterer Bruder, Verron.“ Die Nachricht überraschte mich. Vermilion hatte einen Bruder? Aber warum hatte er ihn nicht mit einen Wort erwähnt?

Ich fragte ihn telepathisch. „Er ist sehr gemein... Ich mag ihn nicht.“ Seine Antwort war ehrlich aber ich wusste, es steckte mehr dahinter. Ich fragte nicht weiter nach. „Verron zieht es vor, Krieg gegen die Magier zu führen, als bei seiner Familie und bei seinem Volk zu sein.“ Vermilions Großmutter klang irgendwie enttäuscht und traurig.

„Ich werde mich gut um Vermilion kümmern! Machen Sie sich keine Sorgen.“ Ich lenkte das Gespräch wieder in eine andere Richtung.

„Ich muss aber wieder zurück. Meine Eltern machen sich bestimmt wahnsinnige Sorgen und suchen mich überall. Ich möchte nicht, dass sie euch finden, aber sie können mich erspüren.“ Cera lächelte.

„Hier werden sie dich nicht finden, wir sind hier sehr gut geschützt!“ Die Königin sah mich nachdenklich an. „Kannst du deine Gedanken vor den Mitglieder deiner Familie abschirmen?“, fragte sie mich geradeheraus. Die Frage kam überraschend. Irgendwie fühlte ich mich an Anno erinnert.

„Ich... noch nicht.“, gestand ich.

„Das ist schlecht! Sie könnten aus deinen Erinnerungen unseren Aufenthaltsort herausfinden.“, sagte sie, noch immer nachdenklich.

„Cera?“ Die Dämonenfrau schaute auf. „Eure Majestät?“

„Ruf bitte Tokiro herein. Ich möchte, dass er ihr es beibringt.“

Ich war so überrascht, wie Ceraleon guckte. „Tokiro?“

Sie nickte und Cera ging. „Da mein Enkel dir traut, werde auch ich es versuchen. Niemand kann uns hier finden. Zauber, so mächtig, wie alt, schützen diesen Ort. Solange du hier bist, Evelyn, kannst du gehen, wohin du willst. Ihr beiden solltet noch etwas schlafen, nachdem ich dir Tokiro vorgestellt habe.“

Wie auf Stichwort, klopfte es an der Tür. Vermilion döste schon auf meinem Schoß vor sich hin.

„Komm herein, Tokiro!“ Ein junger schwarzhaariger Mann betrat den Raum. Er hatte dämonentypische rote Augen und ein schmales hübsches Gesicht.

Er war höchstens 16, wie ich schätzte.

„Eure Majestät, Ceraleon hat mir alles erzählt. Ist dies das besagte Mädchen?“ Er musterte mich geringschätzig. Ich wunderte mich, denn Ceraleon war gerade erst losgeschickt worden. Wie hatte sie ihm alles so schnell erzählen können?

„Tokiro, dies ist Evelyn Cage. Evelyn, dies ist Tokiro, mein bester Schüler.“ Die Stimme der Königin klang ein wenig stolz. Ich nickte Tokiro zu und dieser sah mich kalt und abweisend an. „Eure Majestät, das kann nicht euer ernst sein! Sie ist eine Magierin!“ Unter dem strengen Blick seiner Lehrerin schwieg er bestürzt und fand sich wohl oder übel mit seinem Schicksal ab. „Wir beginnen morgen früh!“, fuhr er mich an und stapfte wütend aus dem Raum.
 

Die Königin seufzte. „Er hat so viel Potenzial aber einfach kein Benehmen... Ich wünsche euch beiden eine angenehme Nacht.“ Sie schaute auf ihren schlafenden Enkel in meinem Schoß. „Du brauchst dir keine Sorgen um deine Sicherheit machen, ich werde dich offiziell als unseren Gast verkünden.“

Ich nickte. „Auch ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Kan Gorir.“ Ich verneigte mich leicht und stand behutsam auf, damit Vermilion nicht aufwachte.

Ich folgte der Königin aus dem Raum, hinein in die große Höhle. „Meine Dienerin wird dir dein Quartier zeigen. Ich nehme Vermilion mit zu mir.“ Sie nahm mir vorsichtig den kleinen Jungen ab.

Mir war mulmig zumute, doch ich sagte nichts. Es wäre einfach kindisch gewesen, wenn ich darauf bestanden hätte, ihn bei mir zu behalten. Sie war schließlich seine Großmutter und ich konnte mich notfalls immer noch telepathisch mit ihm unterhalten. Ich verbeugte mich noch einmal und drehte mich um, als plötzlich wie aus dem nichts ein riesiger, roter Energieball auf mich zugefasst kam.

Ich hielt schützend meine Arme vors Gesicht und konnte gerade noch erkennen, wie die Energiekugel an einem hellblauen Schutzschild abprallte. Ein zweiter Energieball folgte, der den Schutzwall durchbrach und dann an einem roten Schild abprallte. Die Königin tauchte neben mir auf und sprach ein paar Worte, die ich nicht verstand. Die Angriffe hörten auf und ich konnte einen dürren Dämonenmann ein paar Hundert Meter vor uns in der Luft schweben sehen. Er schimpfte wütend und schlug wild um sich.

„Grokal, wie kannst du es wagen unseren Gast anzugreifen?“ Die Stimme der Königin war eisig und der zappelnde Mann war plötzlich wie versteinert. Er schaute seine Königin an und schimpfte etwas auf Dämonisch, wobei er mit dem Finger auf mich deutete. „Ich werde mich darum kümmern, du kannst ins Bett gehen.“ Die Königin schaute mich entschuldigend an.

Eine Dienerin tauchte wie aus dem nichts auf und verbeugte sich. Eine andere trug währenddessen Vermilion, der immer noch schlief, davon.

„Vielen Dank, Majestät.“ Ich folgte der Dienerin auf wackeligen Beinen. Ich fühlte mich irgendwie schwach. Hatte ich etwa den ersten Schutzschild errichtet? Mit einem gewissen Stolz betrat ich das Gästezimmer. Es war ein wenig düster aber gemütlich. Die Dienerin wünschte mir eine schöne Nacht und schloss hinter sich die Tür.

Ich war völlig allein. Allein mit mir und meinen Gedanken. Erst ein paar Stunden zuvor hatte ich noch seelenruhig im Haus meiner Familie geschlafen und hätte nicht glücklicher sein können, doch nun stand ich in einem dämonischen Raum, an einem völlig unbekannten Ort.
 

Der nächste Morgen begann sehr früh, zu früh, wie ich fand. Eine Dienerin weckte mich und gab mir Kleidung zum Anziehen.

Schwarze Kampfkleidung, ähnlich einem Karateanzug.

Ich war noch gar nicht richtig wach, denn die Nacht zuvor hatte mich ziemlich ausgelaugt. Eine andere Dienerin band mir meine Haare zu einem geflochtenen Zopf und brachte mir etwas zu Essen. Sie sprachen nur sehr wenige, höfliche Worte und verschwanden sehr schnell wieder. Ich gähnte immer wieder.

Wie lange hatte ich geschlafen? Sicher nicht mehr als 4 Stunden.

Ceraleon betrat das Zimmer und wünschte mir einen schönen Morgen. „Wie spät ist es?“, fragte ich gähnend. Da es keine Fenster im Raum gab, wusste ich auch nicht, ob es schon hell war. Ceraleon lächelte. „Da ist wohl jemand ein Morgenmuffel. Es ist noch früh aber unsere Tage beginnen immer um diese Zeit.“

Als ich sie entgeistert anschaute, lachte sie. „Nun komm schon, dein Lehrmeister wartet.“ Meine Stimmung sank auf den Tiefstpunkt. Erst wurde ich von Dämonen entführt, dann wurde ich von einem angegriffen, ich wurde noch fast in der Nacht geweckt und sollte dann auch noch den Tag mit jemanden verbringen, der mich auf den Tod nicht leiden konnte. Ein fantastischer Tag.

Cera führte mich durch dunkle Korridore in eine größere Halle. Die Wände der Korridore waren alle aus bearbeitetem, schwarzen Fels. Diese Halle sah allerdings so natürlich aus, wie die der Königin. In der Mitte der Halle saß Tokiro in einem aufgemalten Kreis, der mit Kerzen umrandet war. Er sah mich wütend an.

„Du bist spät.“ Ceraleon wünschte mir viel Glück und verließ grinsend die Höhle.

„Setz dich vor mich in den Kreis.“, fuhr er mich an. Ich atmete noch einmal tief ein und machte mich an mein Training. Tokiro war, wie erwartet, ein sehr strenger Lehrer, aber ich nahm das Training sehr ernst. Ich wollte alles lernen, was mit Magie zu tun hatte, besonders nach dem Erlebnis mit dem Schutzschild.

Nachdem ich die Theorie gelernt hatte, kamen wir zur Praxis. „Also konzentrier dich und ich versuche in deine Gedanken einzudringen.“ Offenbar hatte sich Tokiros Einstellung zu mir etwas geändert, als er merkte, wie ernst ich seine Lektionen nahm. Doch er blieb abweisend. „Fangen wir an.“ Ich konzentrierte mich und versuchte an eine schwarze Wand zu denken, als ich spürte, wie Tokiro meine Gedanken lesen wollte.

Es gelang mir kurze Zeit, doch meine Gedanken schweiften ab und das gestrige Erlebnis, mit dem angreifenden Dämonen und dem Schutzschild kam mir in den Sinn.

„Konzentriere dich!“, ermahnte mich Tokiro. „Entschuldigung.“ Ich dachte wieder an das Bild von der schwarzen Wand und versuchte nur noch an sie zu denken. Diesmal gelang es mir und das Bild blieb standhaft.

„Viel besser.“, sagte Tokiro ernst.

Ich konnte dennoch den Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht sehen. „Versuchen wir es weiter. Das Bild muss auch unbewusst erscheinen und deine Gedanken schützen. Du wirst nicht immer wissen, wann jemand deine Gedanken lesen will.“ Ich nickte. Schließlich hatte ich rein gar nichts gespürt, als dieser Anno meine Gedanken las.

Wir übten noch stundenlang, bis die Wand ganz von selbst erschien. Ich war ziemlich erschöpft und auch Tokiro schien ein wenig geschafft zu sein.

Wir machten eine Pause und aßen gemeinsam. „Sag mal, warum hast du vorhin an diesen Angriff gedacht? War das so ein einschneidendes Erlebnis?“

Ich lächelte. „Nein, als ich zu mir nach Hause kam, wurde ich genauso empfangen... Ich war nur überrascht, dass ich ein Schutzschild errichten konnte.“

Er schaute mich verwundert an. „Wieso? Das ist doch ziemlich leicht. Bei deinem Talent war das doch sicher kein Problem.“

Ich fühlte mich ein wenig geschmeichelt. „Ich bin erst seit kurzen bei meiner Familie. Ich hatte noch keinen Magieunterricht.“

Er war sehr überrascht. „Noch keinen Unterricht?“ Er sah mich mit leuchtenden Augen an. „Was ich dir alles beibringen könnte! Ohne Einfluss von Magiern...“ Er schaute verträumt zur Decke. „Es wäre eine Verschwendung, wenn du deine große Kraft für Magier einsetzen würdest! Willst du nicht lieber hier bleiben? Ich würde dir beibringen, deine Kräfte zu beherrschen. Unsere Majestät könnte dir dann den letzten Schliff geben. Sie ist eine sehr mächtige Frau und eine gute Lehrerin!“ Er redete voller Überschwang und legte mit einem Mal seine Abneigung gegen mich völlig ab.

„Das kann ich nicht...“, antwortete ich leise. Er schaute mich an und das Leuchten verschwand aus seinen Augen.

„Stimmt ja... Du bist die zukünftige Herrscherin der Magier.“ Er seufzte enttäuscht. „Ich wäre aber froh, dich als meinen Lehrer zu haben. Der, den ich kriege, ist einfach grässlich.“

Er grinste. Irgendwie sah er ja doch gut aus, schoss es mir durch den Kopf. Ich tadelte mich für meine Gedanken.

Plötzlich spürte ich, wie jemand in meine Gedanken eindringen wollte. Die Wand tauchte von selbst auf, doch ich schob sie mit aller Kraft zur Seite.

„Vermilion!“ „Endlich erreichen ich dir, Eve!“ Seine Stimme klang in meinem Kopf sehr erschöpft. „Ich hatte doch Training, um meine Gedanken zu schützen. Tut mir Leid, mein Kleiner.“ Ich spürte seine Freude. „Großmutter hat mir gesagt, dass wir nachher alle zusammen Mittagessen. Sie wollen sehen, wie dein Training läuft und dann wir können vielleicht schon gehen, nach dir nach Hause!“ Ich lachte.

„Alles in Ordnung?“, fragte mich Tokiro und sah mich leicht verwirrt an. „Ja, ich bin nur in Gedanken.“ „Lass uns weiter Trainieren. Ich möchte dir noch so viel, wie möglich beibringen.“ Ich nickte.

„Ich werde jetzt weiter Trainieren, Vermilion. Wir sehen uns dann nachher beim Mittagessen. Wir kommen schneller nach Hause, als du denkst, du wirst sehn.“ – „Bis dann, Eve.“
 

Ich folgte Tokiro zum Kreis und er brachte mir noch kleinere Zauber bei, mit denen ich mich verteidigen konnte. Zu mehr hatten wir keine Zeit. Vor allem mein Schutzschild wurde durch das Training um einiges stärker. Gegen Mittag kam Ceraleon und holte uns zum Mittagessen. „Die Königin wünscht, mit euch zu Mittag zu essen. Sie ist gespannt auf die Fortschritten des Trainings.“ Ich wischte mir mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht. „Alles in Ordnung, Eve?“ Sie musterte mich leicht beunruhigt.

„Natürlich!“, sagte ich munter. Das Training hatte mich erschöpft, aber es war eine gute Art der Erschöpfung. Ich hatte viel gelernt.

„Ich hab jetzt einen Bärenhunger!“ Wir gingen durch viele dunkle Korridore. Es gab nirgendwo Tageslicht, deshalb nahm ich an, dass wir uns unter der Erde befinden mussten. Überall standen Kerzenleuchter und an den Wänden hingen Dutzende Fackeln. Sie verbreiteten gewisse Wärme und genügend Licht. Doch der Raum, den wir betraten, erinnerte mich daran, dass es dennoch ziemlich dunkel war. Wir betraten einen hellgestrichenen Raum, der Prächtig ausgestattet war. Es hingen Porträts von verschieden Dämonen an den Wänden und die Schränke waren mit bunten Blumenvasen ausgestattet. Es war ein schönes, aber ziemlich undämonisches Zimmer.

In der Mitte des Raumes befand sich ein riesiger Tisch an dem die Königin und Vermilion saßen. Wir verbeugten uns nahezu gleichzeitig und Vermilion grinste mich glücklich an.

„Setzt euch doch.“, sagte die Königin zufrieden. Ein paar Diener brachten das Essen. Ich setzte mich neben Vermilion; Tokiro und Ceraleon setzten sich mir gegenüber.

„Nun, wie läuft euer Training?“, fragte die Königin an Tokiro gewandt, als wir mit dem Essen anfingen. Tokiro schien auf diese Frage gewartet zu haben und er hatte wieder diesen leidenschaftlichen Gesichtsausdruck, den er allerdings etwas zurückhielt.

„Sie ist unglaublich talentiert, eure Majestät!“, fing er an zu berichten. Die Königin und Ceraleon hörten verdutzt auf zu essen und sahen den jungen Mann überrascht an. „Sie hat sehr schnell alles begriffen, ich wusste ja gar nicht, dass es so talentierte Magier gibt.“ Die Königin fing sich, wie immer, sehr schnell und lächelte.

„Sie überrascht uns doch alle. Ich bin froh, dass es keine Probleme gab, denn die Zeit drängt und ihr werdet nach dem Essen gehen.“, sagte sie an Vermilion und mich gewandt. Mir war es peinlich, wie sie über mich redeten und wurde rot.

„Sehr wohl, Eure Majestät. Vielen Dank.“ Tokiro berichtete noch weiter begeistert von meiner Lernfähigkeit und Vermilion und ich redeten telepathisch über unseren Tag. Vermilion hatte den Tag genutzt, um Zeit mit seiner Großmutter zu verbringen.

Nach dem Essen machten wir uns reisefertig. Ich bekam noch ein paar Kampfanzüge von Tokiro, Reiseproviant von Ceraleon und die Königin schenkte mir ein wunderschönes Medaillon, dass ich voller Ehrfurcht annahm. Auch Vermilion kam mit einem vollgepackten Rucksack aus seinem Zimmer.

„Tokiro wird euch den Weg zeigen, passt gut auf euch auf!“ Ceraleon umarmte mich und verbeugte sich vor Vermilion, dieser wurde leicht verlegen.

Die Königin trat vor uns und sah mich ernst an. „Die Zukunft wird uns eines Tages wieder zusammenführen, das spüre ich. Ich wünsche mir, das sich deine Einstellung zu uns sich bis dahin nicht geändert hat, Evelyn Cage. Ich vertraue dir meinen Enkel an, weil ich weiß, dass er bei dir glücklich werden kann. Das Leben hier ist nichts für ihn, das haben seine Eltern schon gewusst, als sie beschlossen in der Menschenwelt zu leben. Eines Tages wird er vielleicht den Thron besteigen und bis dahin soll er so viele Erfahrungen, wie möglich machen.“ Sie verbeugte sich und ich mich ebenfalls. „Ich danke Ihnen für alles, Kan Gorir. Ich werde Ihre Worte im Herzen bewahren.“

Sie lächelte und wandte sich dann an ihren Enkel. „Pass gut auf dich und deine Freundin auf. Euer Schicksal ist miteinander verflochten. Ich wünsche mir, dass du ein starker Mann wirst und viel lernst.“ Sie umarmte ihn. „Auf Wiedersehen, mein Schatz.“

Vermilion hatte Tränen in seinen Augen. „Du wirst stolz auf mich sein, Oma.“ Er hatte sich bemüht, alles richtig auszusprechen. „Auf Wiedersehen.“

Wir folgten Tokiro in einen langen dunklen Tunnel und winkten den beiden Frauen ein letztes Mal zu.
 

Tokiro beleuchtete den Weg mit einer magischen roten Kugel, die er vor sich schweben ließ und nutze die Zeit, mir diesen Trick bei zu bringen. Nach fünfzehn Minuten schwebten eine rote und eine blaue Lichtkugel nebeneinander vor uns her. „Es ist schade, dass ihr schon geht. Ich hätte euch beide unterrichten können.“ Er wandte sich erstmals an Vermilion.

„Die Königsfamilie bringt immer starke Krieger hervor, sicher seid Ihr so talentiert wie Euer Bruder, Prinz.“ Vermilion schaute verlegen zum Boden.

„Er ist stark, das hat er mir oft genug bewiesen!“, antwortete ich für ihn. Wir hatten einen langen Weg vor uns und Tokiro erklärte mir noch paar theoretische Grundlagen der Magie. Ich unterhielt mich gerne mit ihm. Er war sehr aufgeschlossen und war ein wenig enttäuscht, als wir das Ende des Tunnels erreichten.

„Von hier aus, müsst ihr alleine gehen.“, erklärte und Tokiro. „Geht so weit vom Höhleneingang weg, wie ihr es für nötig haltet und nimm Kontakt mit deiner Familie auf.“ Ich nickte. Ich war ihm so dankbar für alles, dass Worte einfach nicht ausreichten, um dies auszudrücken.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Tokiro erstarrte und wurde knallrot. „V... Viel Glück! Bis bald!“, stotterte er und eilte hastig in den Tunnel zurück. Im nächsten Augenblick verschwand der Eingang und eine glatte Felswand blieb zurück.
 

Wir standen in einem Wald und schauten uns nach allen Richtungen um. Als wir uns für eine Richtung entschieden, gingen wir los. Vermilion grinste mich. „Du mögen Tokiro sehr gerne, oder.“

Ich wurde ein wenig rot. „Er ist nett.“, antwortete ich nur.

Sein Grinsen wurde noch breiter. „Nett, ahaaa...“ Mein Gesicht wurde immer heißer. „Lass mich doch.“

Er zog mich noch ein wenig auf und es war ein gemütlicher Spaziergang durch den Wald.

„Was werden wir deine Familie sagen? Sie werden fragen, wo wir waren.“ Ich seufzte. Daran hatte ich auch schon gedacht.

„Ich werde mir schon etwas einfallen lassen. Sie werden wahrscheinlich so froh sein, dass ich zurück bin, dass ihnen alles andere egal sein wird.“ – „Hoffentlich.“ Vermilion wirkte sehr nachdenklich.

Nach etwa einer Stunde entschieden wir, dass wir weit genug vom Eingang der Höhle entfernt waren. Ich setzte mich auf den Boden und konzentrierte mich. Ich schickte meinen Geist auf die Suche nach einem Cage und fand sehr schnell die Spur meines Vaters. Ich folgte ihr und entdeckte seinen Geist. Ich rief ihn. „Papa?“ Ich spürte, wie er erschrak.

„Evelyn?“ Er schien fast zu weinen vor Freude. „Ja, ich bin es aber ich weiß nicht wo ich bin...“ – „Bleib wo du bist, wir kommen dich abholen!“ Er verschwand und mein Geist kehrte in meinen Körper zurück. „Und? Du sie gefunden, Eve?“, fragte mich Vermilion, nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte. „Ja, sie kommen gleich und holen uns ab.“

Ich spürte, wie mehrere Familienmitglieder nach meinem Geist suchten und ihn fanden. Keine 10 Minuten später tauchten meine Eltern, wie aus dem Nichts, auf und eine ganze Schar bewaffneter Krieger folgte.

Meine Mutter rannte glücklich auf mich zu und überhäufte mich mit Küssen, während sich mein Vater besorgt umschaute. Er glaubte allem Anschein nach an einen Hinterhalt. Die Krieger verteilten sich in alle Richtungen.

Als ich mich von meiner Mutter lösen konnte, lief ich zu meinem Vater und umarmte ihn. Er zitterte vor Freude und Erleichterung. „Ich bin so froh, dass du noch lebst, Evelyn!“ Er erdrückte mich fast. „Lass uns nach Hause gehen.“

Ich ging zu Vermilion und reichte ihm meine Hand.

Meine Eltern schienen ihn erst jetzt zu bemerken.

„Wieso bist du auch zurück? Haben sie dich verstoßen?“ Meine Mutter schaute ihn nervös an. Vermilion schüttelte seinen Kopf. „Sie haben mir auch gehen lassen.“ „In wie fern?“, hakte mein Vater nach.

„Lass uns doch erst mal nach Hause gehen.“, unterbrach ich ihn. Mein Vater reichte mir die Hand. „Wir werden Teleportieren.“ Ich schaute ihn wenig begeistert an.

„Es macht spaß, du wirst sehen, Schatz!“, versuchte mich meine Mutter aufzumuntern. „Und Vermilion?“ Meine Mutter lächelte. „Ich werde ihn mitnehmen, in Ordnung?“ Die Frage war an uns beide gerichtet. Wir nickten und Vermilion reichte meiner Mutter seine Hand.

Es machte wirklich spaß. Die Umgebung um uns herum verschwand und wir tauchten in ein Meer von Farben ein. Es war, als könnte ich fliegen. Nur allzu bald bildeten die Farben um uns herum die Form unseres zu Hauses an.

Wir standen vor der großen Treppe des Haupteingangs, vor der, wie selbst verständlich, eine Reihe Diener uns begrüßten.

Shirai kam aufgeregt auf mich zu gerannt und umarmte mich. „Oh, du hast tatsächlich überlebt, ich bin so froh!“ Sie schaute mich von oben bis unten an, als würde sie nach etwas suchen. „Und du bist völlig unverletzt!“ – „Lasst uns erst einmal reingehen.“, ermahnte sie mein Vater. Ich drehte mich um und entdeckte, dass meine Mutter noch immer die Hand von Vermilion hielt und dieser sich leicht nervös umschaute.

Es war irgendwie niedlich. Vermilion bemerkte mein Gesicht und schaute verlegen zum Boden. Er wollte die Hand meiner Mutter nicht loslassen, damit sie sich nicht beleidigt fühlte. Meine Mutter schien es gar nicht zu merken.

„Mama?“ Sie schaute mich überrascht an. „Was ist, Liebling?“ Ich schaute Vermilion an und dann meine Mutter. Sie sah zu ihm herunter und ließ seine Hand los. „Oh, Verzeihung.“ – „Schon in Ordnung...“, nuschelte Vermilion verlegen.

Wir gingen ins Haus zu Großvater. Dieser hieß mich eher Kühl willkommen.

„Du hast uns eine Menge Ärger gekostet. Fast die ganze Familie hat dich seit gestern Nacht gesucht und nicht einmal geschlafen.“ – „Es tut mir Leid, Großvater... Es war bestimmt nicht meine Absicht.“

Wieso machte er mir Vorwürfe? Ich hatte mich bestimmt nicht mit Absicht entführen lassen. Obwohl? Eigentlich ja schon.

Es klopfte an der Tür und zu meinem Leidwesen kam Anno herein. Er sagte nichts, sondern schaute mich nur wieder mit diesem seltsamen neugierigen Blick an.

Ich spürte, wie er versuchte meine Gedanken zu lesen, doch die schwarze Wand tauchte auf und er kam nicht an sie ran. Es war eine innere Befriedigung. Jetzt würde er mich nicht mehr so aufziehen können.

„Es ist ein Wunder, dass du unversehrt zurückgekehrt bist, aber einfach unglaublich ist, dass du deinen kleinen Freund wieder mitgebracht hast. Das musst du mir schon erklären.“

Ich seufzte. Zum Glück hatte ich mir schon etwas ausgedacht.

„Wir wurden frei gelassen. Ich weiß auch nicht genau, warum.“ Er sah mich ungläubig an.

„Einfach frei gelassen?“ Vermilion nickte. Wir sprachen unsere Aussagen telepathisch ab.

„Und was ist während deines Aufenthalts dort geschehen? Haben sie dir schreckliche Dinge angetan?“ Shirai war den Tränen nahe.

Ich schüttelte meinen Kopf. „Nein, ich wurde äußerst respektvoll behandelt. Die Königin hat sich sehr gut um mich gekümmert.“

Ich bemerkte Großvaters misstrauischen Blick und lächelte so unschuldig, wie möglich. Hoffentlich kaufte er mir die Unwissenheitsnummer ab.

„Haben sie dir irgendwelche Fragen über uns gestellt?“ – „Nein, sie wollten nur wissen, wer ich bin.“ Meine Mutter mischte sich ein. „Und du hast es ihnen gesagt?“ „Das habe ich. Auch wenn sie sehr überrascht waren, sie waren höflich zu mir. Ich bin noch ein Kind und ich habe niemanden etwas getan, warum sollten sie mir also etwas antun?“

Alle, außer Anno waren verdutzt. Das erste Mal mischte auch er sich ein. „Wieso haben sie dich entführt, wenn sie nicht einmal wussten wer du bist?“ Ich schaute ihn wütend an.

„Es war meine Schuld. Eigentlich wollten sie nur Vermilion zurückholen.“ Er grinste und ich hasste dieses überlegene Getue.

„Und deshalb haben sie ihn auch wieder einfach so gehen lassen?“ Diesmal sprach Vermilion. „Ich haben sie überredet. Als ich sagen, dass ich hier sicher, sie mich gehen lassen. Es haben lange gedauert, aber ich sie überredet.“

Großvater schaute Vermilion streng an. „Vom welchen Stand ist deine Familie? Es muss ein minderer sein, sonst hätten sie dich sicher nicht gehen lassen.“ Vermilion schwieg. „Soll ich ihnen Wahrheit sagen, Eve?“, Vermilions Gedanken klangen unsicher. Ich antwortete für ihn. „Seine Familie waren einfache Bürger, soweit ich es richtig verstanden habe.“

Wir diskutierten noch eine Weile, doch nach und nach schienen alle zufrieden zu sein. Nur eine Frage stand noch offen und die musste natürlich Anno stellen.

„Wo ist ihr Versteck?“ Ich spielte die Unwissende. „Das weiß ich nicht, man hat mir die Augen verbunden.“ Anno schaute zu Vermilion. „Und dir haben sie auch die Augen verbunden?“

Der ironische Unterton stärkte meinen Hass auf diesen miesen Kerl noch mehr. „Nein, sie mir nicht die Augen verbindet, ich bin einer von ihnen.“

„Und weißt du, wo es ist?“, fragte mein Vater angespannt.

„Ich werde sie nicht verraten.“ Vermilion schaute mit festem Blick in die Runde.

„Natürlich nicht.“, mischte sich meine Mutter ein. Mein Vater schaute sie fragend an. „Er ist ein Dämon, schon vergessen? Niemand verrät seine Familie.“ Die anderen stimmten zu. Sie hätten ihn wahrscheinlich gefoltert, wenn ich nicht da gewesen wäre.

Sie gaben sich nach einigen Stunden endlich zufrieden. „So etwas soll nicht noch einmal geschehen.“, sagte Großvater im strengem Ton. Ich spürte seine Erschöpfung, er hatte lange nicht geschlafen. „Wir haben die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Außerdem bekommst du einen persönlichen Leibwächter, der dich überall hin begleitet.“

Das hatte mir noch gefehlt, ein Babysitter.

„Wir können nicht riskieren, dass unserer zukünftigen Erbin etwas zustößt.“, beendete Großvater seine Rede.

Am selben Tag stellte man mir einen Leibwächter zur Seite. Sein Name war Kunan und er wirkte mehr wie ein Schatten und nicht wie ein Mensch. Er redete nie, was mich irgendwie verunsicherte. Er war ein älterer Mann, sehr schlank und so leise, dass ich ihn manchmal gar nicht bemerkte.

Sein Gesicht hatte immer den gleichen resignierten Ausdruck und sein grau-meliertes Haar war wie bei den Samurai zu einem Knoten gebunden. Eigentlich war er mir nicht wirklich lästig, denn ich vergaß sehr oft, dass er da war.

Auch Vermilion hatte keine Schwierigkeiten, sich an ihn zu gewöhnen. Er erzählte mir von den Leibwächtern, die er gehabt hatte und dass es immer riesige, muskelbepackte Männer waren, die alles andere als unauffällig waren.

Nach dem Abendessen legte ich mich erschöpft in mein Bett. Endlich war ich wieder zu Hause. Ich hatte viel erfahren und gelernt. Eines Tages würde ich meiner Familie die Wahrheit über Vermilions Herkunft sagen können, doch noch war die Zeit nicht reif dafür.

Ich schlief endlich ein, doch mein Schlaf war sehr unruhig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-02-27T16:43:54+00:00 27.02.2008 17:43
Die Geschichte ist echt gut......ich hoffe es geht bald weiter.....und ich hoffe das wird noch was mit Tokiro und Evelyn.
Ich mag deinen Schreibstil du redest nich um den geißen brei herum wo man bei manchen geschizen denkt wann gehts endlich weiter.....mach weiter soo


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