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Mondzeiten

Eine Drachengeschichte
von

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Kleiner weißer Blauaugendrache

Endlich, so hatte er geglaubt, hatte er einen Platz für sich gefunden, ein friedliches Stück Erde an dem er in Ruhe und Frieden leben konnte. Der Ort schien perfekt:

ein schöner großer See mit reichlich Fisch, ausreichend großes und kleines Wild, genügend Bäume und Sträucher die Früchte trugen. Sogar eine Höhle hatte er entdeckt. Dort konnte er sich häuslich einrichten und wäre bei Wind und Wetter geschützt.
 

Wie es schien, waren dieses Tal und diese Höhle unbewohnt, doch er hatte aus seinen Fehlern in der Vergangenheit gelernt. Er würde vorsichtig sein und Tal und Höhle erst einmal aus seinem sicheren Versteck heraus beobachten. Nichts war in der Regel so, wie es nach dem ersten Anschein aussah. Und er hatte recht, am dritten Tag nahm er eine Bewegung am Höhleneingang wahr und erschrak: Ein riesiger schwarzer Rotaugendrache tauchte plötzlich auf dem Plateau vor der Höhle auf und begann mit den Flügeln zu schlagen.
 

Wollte der Rotaugendrache jetzt los fliegen? Er kroch ein wenig tiefer in sein Versteck unter den Büschen und hoffte, dass der Rotaugendrache ihn nicht bemerkte. Doch der Rotaugendrache schien sich nicht um seine Umgebung zu kümmern. Etwas unsicher flog er zum See, trank ausgiebig und fraß sich an Fischen satt. Als er damit fertig war flog er zurück zu seiner Höhle.
 

Er entschied, dass er für die nächste Zeit in seinem Versteck bleiben würde. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf die Höhle und konnte sehen, wann das Rotauge wieder seine Höhle verließ. Es wäre besser, wenn er das Tal verlassen würde, aber irgendwie brachte er das nicht übers Herz. Auch wenn er dem Schwarzen nicht so recht traute, aber ihn eine Weile zu beobachten und vielleicht so etwas mehr über Drachen herauszufinden, reizte ihn doch sehr. Immerhin war er bisher noch nie einem Drachen so nahe gewesen, na ja, bis auf… aber das zählte nicht.
 

Außerdem gab es hier in seinem Versteck noch ausreichend Nüsse und Beeren und so konnte er es hier noch eine Weile aushalten. Die nächsten zwei Tage macht der Schwarze nichts anderes, als zum See hinunter zu fliegen und ausgiebig zu fischen, um sich anschließend auf dem Plateau vor seiner Höhle zu sonnen. Zum Sonnenuntergang kam er noch einmal zum fischen herunter und verschwand dann in seiner Höhle.
 

Nun konnte auch er sein Versteck vorsichtig verlassen, um sich mit frischem Wasser zu versorgen, immer darauf bedacht, ja keine Spuren zu hinterlassen, die den Schwarzen auf ihn aufmerksam machen würden.

Er wusste nicht, dass der Schwarze sein Erscheinen bereits bemerkt hatte, und sich seine Gedanken längst nur noch um ihn drehten. Und darum konnte er auch nicht wissen, dass der Schwarze sich auf die Suche nach im machen würde, sobald er wieder ganz genesen wäre.
 

So verging ein Tag nach dem anderen, immer mit dem gleichen Ablauf:

Mit Sonnenaufgang erwachte er, beobachtete die Höhle und wartete darauf, dass der Schwarze erschien. Fasziniert beobachtete er, wie der Schwarze zum See hinab flog und ins Wasser stieß, um sich seine Beute zu holen. Hinterher zog der Schwarze elegante Kreise über dem See, bevor er in eine Richtung abschwenkte. Wohin der Schwarze flog konnte er von seinem Platz aus nicht erkennen.
 

Solange der Schwarze unterwegs war fiel er in einen oberflächlichen Schlaf, bis er das Rauschen der Flügel hörte. Er beobachtete ihn bei seiner Abendmahlzeit und seiner Rückkehr zur Höhle. Nach einer angemessenen Zeit verließ er vorsichtig sein Versteck, ging hinunter zum See, um seine Wasservorräte aufzufüllen, und setzte sich dann ans Ufer, um das Wasser zu betrachten.
 

Der See strahlte eine ungeheuere Ruhe auf ihn aus, er ließ ihn vergessen, was er vergessen wollte: die Menschen. Sie hatten ihn zu sehr verletzt, egal wo er hin kam, überall war es das Gleiche. Sobald Neumond war, musste er um sein Leben fürchten und wurde als Monster bezeichnet und davon gejagt.
 

Es hatte sich in sein Herz eingebrannt: der Ekel im Gesicht seiner Mutter, der Abscheu und die Wut im Gesicht seines Vaters, die Angst und das Unverständnis im Gesicht seiner kleinen Schwester, die Worte seiner Mutter, als sie schrie, sie hätte kein Monster zum Sohn. Wie sie vor ihm zurückwichen, als hätte er eine tödliche, ansteckende Krankheit, und ihn Steine werfend verjagten.
 

Anfangs hoffte er noch, sich wo anders ein neues Leben aufbauen zu können, aber der Frieden dauerte niemals länger als zwei, drei Monate. Zuerst war er überall willkommen. Sah er doch hübsch aus, mit seinen Braunen Haaren und den blauen Augen. Immerhin waren blaue Augen eine Seltenheit, er kannte nur Menschen mit braunen Augen. Außerdem war er gut gebaut und konnte mit anpacken.
 

Die Mädchen rissen sich um ihn, versuchten ihn für sich zu gewinnen und hofften seine Auserwählte zu werden. Die Frauen träumten davon, ihn als Schwiegersohn zu bekommen, würde er doch Glanz in ihre Familien bringen, vom frischen Blut ganz zu schweigen, und träumten von blauäugigen Enkelkindern.

Die Männer waren von seinem Geschick, seinem Können und seinen kräftigen Armen ganz angetan, bedeutete es für sie doch eine verlässliche Hilfe zu haben und jemanden, der sicher seine Familie beschützen konnte. Außerdem schien er kein Hitzkopf und auch kein Raufbold zu sein, wie man an seinem Umgang mit den anderen jungen Männern erkennen konnte. So jemand war jedem Mann als Schwiegersohn willkommen.
 

Einzig und allein seinen Altersgenossen war er ein Dorn im Auge: Stach er sie doch alle aus, an Schönheit, Stärke, Klugheit und Besonnenheit. Außerdem schien er das Wohlwollen aller Erwachsenen auf sich zu ziehen, und wer konnte dagegen schon gewinnen.

Daher war es auch kein Wunder, dass es in der Regel dann auch eben jene jungen Männer waren, die sein Geheimnis herausfanden und dafür sorgten, dass er wieder mit Schimpf und Schande als Monster davon gejagt wurde, wenn er nicht sogar um sein Leben fürchten musste.
 

So hatte er die letzten Jahre seines Lebens zugebracht, am Ende nur noch darauf bedacht, allen Menschen aus dem Weg zu gehen. Ein Dorf suchte er nur noch auf, wenn er unbedingt etwas kaufen musste, Kleider oder so ähnliches. Die Frauen rissen sich ja förmlich darum, ihm etwas nähen zu dürfen und oftmals war es ihnen Lohn genug, wenn er dafür mit ihnen das Lager teilte. So bekam er, was er brauchte, und als i-Tüpfelchen den Zorn des Ehemannes, des Verlobten oder des Vaters noch dazu. Aber das machte ihm nichts mehr aus, war er doch den Männern allesamt überlegen, und außerdem zeigte es ihm, dass er noch lebte.
 

Doch nun, nach fünf Jahren, konnte er nicht mehr, er fühlte sich ausgebrannt und konnte die Blicke voller Abscheu, Ekel, Angst, Hass und Wut nicht mehr ertragen, wenn sie wieder einmal sein Geheimnis herausgefunden hatten.
 

Wenn er in diesem Tal nicht bleiben konnte, dann wollte er für immer von dieser Welt verschwinden.

Aber noch war es nicht so weit. Wenn ihn auch das Auftauchen des Schwarzen zuerst erschreckte, so war er doch schon in seinem Bann gefangen. Er konnte ihn noch nicht verlassen, außerdem glaubte er, dass er allein in diesem Tal lebte, hatte er doch bisher noch keinen anderen Drachen gesehen.
 

Das Tal war ein besonderes Tal, ein magisches Tal, es hatte die Kraft zu verändern:

Schmerzen zu lindern, Verletzungen zu heilen, Frieden zu geben.
 

Auch der Blauäugige wurde davon nicht verschont. Er konnte bereits spüren, wie die Bitternis, die in ihm herrschte schwächer wurde. Und so entschied er sich, auf jeden Fall hier zu bleiben und zu hoffen, dass der Schwarze ihn dulden würde. Platz genug gab es hier ja eigentlich.
 

Nach drei weiteren Tagen spürte er die ihm nun schon bekannte Unruhe in sich, und ein Blick zum Himmel bestätigte ihm, dass morgen Neumond sein würde. Also entledigte er sich seiner Kleidung, nahm nur seine Decke mit sich und suchte nach einer Lichtung, die weit genug von seinem Versteck entfernt, aber auch groß genug für ihn war. Dort wartete er, in seine Decke eingewickelt, den Tag des Neumondes ab.
 

In dieser Nacht plagten ihn immer besonders schlimme Albträume, holte ihn seine Vergangenheit besonders heftig ein, schmerzte ihn sein Verlust am stärksten.
 

Am nächsten Morgen lag auf der Lichtung ein wunderschöner, junger weißer Blauaugendrache.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  jyorie
2014-08-30T07:29:50+00:00 30.08.2014 09:29
Hallo (ˆ⌣ˆ‎)

oh :D

das war total süß, wie der schwarze Drache den jüngeren
Weißen endeckt hat und der kleine dann den ersten aller
schönsten Tag erlebt hat, den er jemals hatte. Das mit dem
Fliegen hat mir besonders gefallen und wie begeistert er vom
Fischen war.

echt knuffig, das er ihn auch noch behalten will und ich hoffe
echt, das der schwarze nicht ganz so sauer ist, wenn sie sich
beim nächsten mal treffen, das der weiße abgehauen ist. Das war
irgendwie traurig, oder vielleicht erkennt er ihn ja als Mensch?

& ein paar kurze Grüße mit dem Handy
aus dem leider verregneten Holland-Urlaub,
Jyorie

Von:  littleblaze
2009-01-10T10:48:12+00:00 10.01.2009 11:48
Hatte ganz vergessen, dass ich hier noch was zu lesen hatt. Sorry!
Also die Szene, als er seiner Famile gedacht hat, fand ich schon ziemlich traurig, muss ich ehrlich zugeben.

Bin natürlich auch schon gespannt wie ein Flitzebogen auf das neue Treffen, aber leider habe ich jetzt erst mal wieder anderes zu tun.... komme aber wieder. Versprochen.

lg
littleblaze
Von:  Keb
2008-05-01T19:44:47+00:00 01.05.2008 21:44
sehr schön geschrieben ^^
armer weißer drache *drop*
freu mich schon das nächste kap zu lesen

lg Keb19
Von:  soraya-solan
2008-01-29T14:01:23+00:00 29.01.2008 15:01
Wunderschön und Traurig. *träne aus augenwinkel wisch*
Was die beiden in ihrem jungen leben schon erleiden mussten.
Bin auf ihr erstes aufeinandertreffen gespannt und wie es mit ihnen weitergeht.

LG SS
Von:  night-blue-dragon
2008-01-29T10:23:30+00:00 29.01.2008 11:23
Wie schön,

gern hätte ich den Ärmsten in den Arm genommen *seufz* zum trösten selbsverständlich.
Wußte ich doch, dass das Tal besonders ist *grins*.

Bin auf die erste Begegnung der Beiden gespannt, wird sicher sehr interessant. Haben sie doch soviel gemeinsam.

Also, bitte schnell das nächste Kapitel

glg

night-blue-dragon
Von:  Ryuichi-Sakuma-
2008-01-29T00:01:39+00:00 29.01.2008 01:01
Also wirklich mal wider ein sehr schönes kapi *smilie* bin schon gespannt was passiert wenn die zwei sich treffen *knuddel*
kann es kaum mal wider kaum abwarten bis es weiter geht bei deiner FF *grinz*
also weiter so schön schreiben *knuddel*

Ryuichi-Sakuma-
( ~^-^)/


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