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Das Geheimnis des Spiegel

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ach herrje, jetzt ist es doch tatsächlich passiert. Ich habe wohl in Kaptel 4 eine zu große Adult-Szene reingebastelt, weshalb mir animexx einen Strich durch die Sache machte.
Ich werde es nochmal etwas "entschärfen" da man ja nicht alle das Adult Kapi lesen können. Ich lade es einfach gemeinsam mit dem Kapitel 5 hoch. Für alle Adult-Leser unter euch gebe ich da nur einen Tipp: überblättern. *lachh*
Tut mir echt leid, wenn es dadruch etwas unübersichtlich wird *drop*

Trotzdem wünsche ich euch viel Spaß!!

Hina Komplett anzeigen

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Der Junge auf dem Dach

„Dunkelheit erfüllte den Raum. Tief schwarz, alles verschlingend.

Angezogen von einem gleißenden Licht, dass es als einziges schaffte die Dunkelheit zu durchbrechen, machte sich eine Frau auf die Reise zu einer ihr unbekannten Welt.

In der Rechten trug sie einen Spiegel der den blauen Schein des Lichtes reflektierte. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen. Nackt, wie Gott sie schuf, schwebte sie der Quelle des Lichtes förmlich entgegen.

Ihre bloßen Füße erzeugten kein einziges Geräusch und hinterließen keine Spuren. Ihr Atem dagegen ging stoßweise, so als ob sie schon tausende Kilometer gerannt wäre und ihr Keuchen übertönte die Stille.

Dann wurde sie von dem Licht verschlungen und die Finsternis blieb alleine zurück.“
 


 

Nele setzte sich wieder hin, nachdem sie beim Erzählen im Zimmer auf und ab gelaufen war. Auch ihr Atem entwich nur noch stoßweise. Sie zitterte am ganzen Körper und ihr Puls raste vor Aufregung.

Kaum zu glauben, dass sie endlich ihren Traum in Worte fassen konnte. Sie heftete ihren Blick an die gegenüberliegende Wand und hoffte inständig, dass ihrer Zuhörerin sie nicht für Verrückt halten würde, denn Nele glaubte selbst nicht mehr ganz an ihren geistigen Zustand.

„Wie oft hast du das schon geräumt ?“, fragte ihr beste Freundin und verdrängte so die unbehagliche Stille im Zimmer.

„Es hat vor ein paar Jahren angefangen. Aber in den letzten Wochen träume ich es jede Nacht. Immer mehr Details kommen hinzu. Das Licht wird immer Heller. Manchmal ist es blau, dann wieder orange. Mir ist es fast so als könnte ich die Frau vor mir berühren, doch es gelingt mir im letzten Moment einfach nicht“, erklärte sie und spielte nervöse mit ihren Fingern.

Lydia beobachtete ihre Freundin eine Weile. Nie zuvor hatte sie Nele so aufgeregt und angespannt erlebt. Innerlich ärgerte sie sich darüber, dass Nele erst jetzt von ihren Träumen erzählte. Aber den bissigen Kommentar dazu unterdrückte sie lieber. Dafür gab es ja noch genügend Gelegenheiten.

Jetzt rief sie sich erst noch einmal den Morgen und die Geschehnisses des vergangenen Tages ins Gedächtnis zurück, um alles richtig zu verstehen:
 


 

Der Tag hatte wie jeder andere begonnen. Pünktlich zu Unterrichtsbeginn saß Lydia an ihrem Platz. Gemeinsam mit Nele war sie lachend und scherzend in die viel zu überfüllte Schule gerannt .

Die Sonne brannte wie verrückt vom Himmel und kein einziger Luftzug verschaffte Kühlung. Nur mit unglaublicher Willenskraft konnten sich die beiden Kindheitsfreunde voneinander trennen. Wer hatte bei diesem Wetter auch schon große Lust sich in einen viel zu überhitzten Klassenraum zu setzten und zu büffeln. Viel lieber wäre sie mit Nele ein Eis essen gegangen und hätte sich mit ihr über Gott und die Welt unterhalten.

Leider teilten die beiden keine gemeinsame Klasse. Lydias ein Jahr ältere Freundin wiederholte zwar das Jahr, musste aber in eine andere Klasse gehen. Das Schuljahr neigte sich seinem Ende zu. Bald standen die Prüfungen vor der Tür.

Gelangweilt ließ sich Lydia vom Mahtelehrer berieseln, dabei machte sie sich hin und wieder ein paar Notizen. Quälend langsam verstrich die Doppelstunde.

Tick. Tack. Tick. Tack. Lydia konnte ihre Augen kaum von der weißen Wanduhr lösen. Sie fragete sich, wann ihre Qual endlich ein Ende habe und sie wieder an die frische Luft käme. Der Schweiß rann ihr in Bächen das Rückrad hinab und klebte ihr Shirt an ihren Körper. Dann klingelte es endlich und das Mädchen sprang, plötzlich mit neuen Batterien ausgestattet, hoch und raste in Richtung Treppe.

Sie dämpfte ihren Gang, außer Puste geraten und bemerkte einen Jungen, der ihr mit seinen Freunden schwatzend entgegenkam. Kieran. Neles Klassenkammrad. Er schien so sehr in sein Gespräch vertieft, dass er Lydia nicht bemerkte.

Sie stellte sich ihm prompt in den Weg und fragte mit herausfordernder Stimme: „Wo ist Nele?“

Kieran blickte erst verwundert auf, dann aber erkannte er die Person ihm gegenüber. Ein lächeln umspielte seine Lippen.

„Die schläft wohl noch“, antwortet er breit grinsend.

Lydia runzelt ihrerseits die Stirn. Schläft? Unmöglich. Nele war eine Musterschülerin. Sie würde niemals im Unterricht einschlafen.

„Blödsinn. Jetzt bleib mal ernst und versuch mich nicht zu verkohlen. Wo ist sie?“, fragt sie leicht gereizt. Wenn es etwas gab, worauf Lydia allergisch reagierte, dann war es die Tatsache, wenn sich jemand über Nele lustig machte.

„Ich sagte doch die pennt. Nicht mal der Lehrer konnte sie wecken. Einfach unglaublich!“ Mit einem zwinkern und schallendem Gelächter machte er sich wieder auf den Weg und ließ die verdutzte Lydia zurück.

Beunruhigt marschierte das Mädchen mit großen Schritten die Treppen hinauf. Dann bog sie links ab und überquerte den Flur ohne weitere Probleme, bis sie an dem Zimmer mit dem Schild „10a“ gelangte.

Langsam öffnete sie die Tür und sah sich um. Das Sonnenlicht schoss auch hier durch die Glasscheiben der Fenster und erhitze den Raum in einem unerhörtem Maße. Ansonsten war der Raum leer. Tische und Stühle standen in Reih und Glied.

Alle verlassen.

Bis auf einem.

Eine zusammengekauerte Gestalt lag seelenruhig auf dem alten Möbelstück und schlummerte vor sich hin. Nur ein regelmäßiges Atmen war zu hören.

Lydia schlich sich langsam an und ließ sich auf einem Stuhl neben Nele fallen. Unfassbar. Nele war tatsächlich eingeschlafen. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin schreckte Nele zusammen und fing an zu wimmern. Besorgt versuchte ihre Freundin sie zu wecken. Doch ohne Erfolg. Das Jammern wurde immer schlimmer und mit einem plötzlichen: „Geh nicht!!“ sprang das Mädchen auf.

Völlig aufgelöst und außer Atem stand sie in dem viel zu warmen Zimmer. Ihre Wangen leuchteten rot und schwache Tränenspuren schimmerten im Sonnenlicht.

Lydia erhob sich sachte von ihrem Platz. Angst unbekannten Ursprungs fraß sich tief in ihre Seele. Eine dunkle Vorahnung breitete sich aus. Die beiden Mädchen starrten sich stumm und fassungslos an.

Keiner traute sich etwas zu sagen. Dank jahrelanger Vertrautheit konnte sie den Gedanken des jeweilig anderen in dessen Augen ablesen. Langsam sammelten sie ihre Sachen zusammen und verließen vorzeitig die Schule.

Und zum ersten Mal in ihrem Leben schwänzte Lydia die Schule, um sich und ihrer Freundin eine Erholungspause zu gönnen.

Zum Glück waren Lydias Eltern um diese Zeit nie da, weshalb sie sich in ihrer klimatisierten Wohnung zurückziehen und über alles reden konnten.
 


 


 

„Herr Buchner. Er ist unser neuer Vertrauenslehrer, vielleicht kann er dir ja helfen. Er hat doch Psychologie studiert. Der müsste sich doch mit Traumdeutung und so nem Zeug auskennen“, schlug Lydia vor.

Sie selbst stieß an ihre Grenzen. Sie wusste auch nicht, warum es ihr so große Angst bereitete über diesen Traum zu sprechen. Nele brauchte eindeutig Hilfe, die ihre Freundin ihr nicht bieten konnte.

„Glaubst du etwa ich bin verrückt!“, fuhr Nele ihr Gegenüber fauchend an.

„Nein. Es tut mir Leid. Das war eine dumme Idee“, versuchte diese das aufgebrachte Mädchen zu beruhigen. Es war nicht leicht mit ihr auszukommen. Immer ging sie schnell in die Luft und gab anderen die Schuld für ihre Wutausbrüche.

Natürlich war Nele eine gute Zuhörerin. Aber sobald es um ihre eigenen Probleme ging, machte das Mädchen einfach dicht. Das lag wohl an ihrer nicht ganz so liebevollen Kindheit. Lydia wusste das, wünschte sich aber ab und zu, dass Nele nicht so explosiv wäre.

Sie seufzte bedrückt. Wenn sie ihrer Freundin doch nur besser helfen könnte.

Nele schweifte mit ihrem Blick durch das Zimmer. Leise tickte die kleine Uhr an der Wand.

„Es ist schon Spät. Ich muss gehen.“ sagte sie nach einer Weile und verschwand gleich nach einem Bruchteil einer Umarmung aus Lydias Zimmer. Man konnte deutlich spüren, dass das Mädchen es bereute von ihrem Traum berichtet zu haben. Und das tat Lydia leid.

Sie hat es nicht leicht, dachte sie. Sie ging zu ihrem Fenster und wartete bis sie Nele nicht mehr sehen konnte.
 

Neles Eltern hatten sich scheiden lassen als sie noch ganz klein war. Sie lebte danach drei Jahre mit ihrem Vater zusammen und führte ein einigermaßen glückliches Dasein. Doch als er plötzlich Starb, wurde sie bei den Verwandten herumgereicht, wie ein unliebsames Geschenk bis sie am Ende wieder bei ihrer frisch verheirateten Mutter landete und diese ihre völlig verstörte Tochter wieder an sich nahm.

Das war keine leichte Zeit für das noch junge Mädchen gewesen. Ihre Mutter hatte sich bereits eine neue Familie zugelegt. Damit kam Nele nur sehr schwer zurecht.

Ihr neuer Mann hatte seinen Sohn mit in die Familie gebracht. Nele widerstrebte es ihre Mutter mit jemanden zu teilen, da sie ihren Vater drei Jahre lang für sich alleine gehabt hatte und nicht einsah, dass ihre Mutter nicht nur ihr gehören sollte. Die neue Familie brachte ihr viel Liebe entgegen, trotzdem konnte Nele es ihrer Mutter nicht verzeihe, dass diese sich so lange nicht gemeldet hatte. Doch mit der Zeit gewöhnte sie sich an das neue Umfeld und lernte sich anzupassen.

Mit feurigem Temperament schaffte sie sich ihren Platz. Während dieser Zeit hielten die beiden Mädchen ständigen Kontakt. Lydia versuchte ihre Freundin so gut es ging zu unterstützen, doch manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihr diese entglitt.

Es hatte sehr lange gedauert bis Nele ihrer Freundin beichtete, dass sie sich in Tom verliebt hatte. Keiner durfte davon erfahren. Er war immerhin ihr Stiefbruder. Der Junge war zwar nicht immer nett zu ihr, doch wenn es hart auf hart kam, kümmerte er sich liebevoll um seine Schwester.

Lydia selbst konnte diesem jungen Weiberhelden nichts abgewinnen. Er wechselte seine Freundinnen wie andere ihre Unterwäsche und schien Nele schamlos auszunutzen.

Zur Zeit war es besonders schlimm. Die Eltern der beiden befanden sich in den zweiten Flitterwochen und Nele musste sich um ihren chaotischen Bruder kümmern, der nicht einmal in der Lage war ein Ei zu braten, ohne die Wohnung in Brand zu setzen.

Lydia ließ sich auf ihr Bett sinken und nahm sich wiedereinmal vor für Nele wenigstens eine gute Freundin zu sein und sie zu unterstützen, so gut sie es eben konnte und diese es zuließ.

Was hatte der Traum bloß für eine Bedeutung? Und warum hatte Lydia solche Angst die Wahrheit aufzudecken?
 


 


 

Das Mädchen freute sich, als sie ihren Wohnblock erblickte und grinste in sich hinein. Nele suchte nach dem Fenster ihres Wohnzimmers und tanzte innerlich glücklich, weil Licht brannte. Er war also schon zurück. Seufzend machte sie sich auf den Weg nach oben.

Langsam schlich sie die Treppen hoch, fühlte sich, als ob zehn Kilo Säcke sie wieder nach unten ziehen wollten. Sie versuchte vergeblich das Rasen ihres Herzens auf die acht Stockwerke zu schieben, die sie gerade erklomm.

„Hallo Schwester“, wurde sie sofort begrüßt. Wieder einmal war es um sie geschehen. Seine leicht rauchige Stimme umschmeichelte ihre Ohren und sie lief knallrot an. Ohne ein Wort der Begrüßung machte Nele sich an das Werk ein Essen für zwei zu zaubern. Die Küche war äußerst geräumig und natürlich sauber. Es machte ihr Spaß zu kochen. Vor allem wenn es für jemanden war der ihr schon vor Jahren den Kopf verdreht hatte. Eifrig brutzelte sie etwas Reis, vermischte ihn mit Gemüse und würzte kräftig, denn sie wusste, dass Tom würziges Essen liebte.
 

Vor Glück jauchzend hatte sie es wieder einmal geschafft den Gaumen ihres Bruders zu verwöhnen. Die Teller waren bis auf das letzte Krümelchen leer gefegt. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht verdrückte sich Tom vor den Fernseher und fläzte sich auf die gemütliche Couch.

Zufrieden beseitigte die Köchin die Reste ihrer Arbeit und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer, um sich über die längst fälligen Hausaufgaben herzumachen.
 

Am nächsten Morgen wachte Nele erstaunt auf. Das war die erste Nacht seit langem, in der sie keinen Alptraum hatte. Noch müde rieb sich, das gerade munter gewordenen Mädchen, die Augen und machte sich für die Schule fertig. Die Haare zu einem lockeren Zopf geflochten, in Jeans und T-Shirt packte sie ihre sieben Sachen.

Zu ihrer Verwunderung war Tom schon aus dem Haus. Etwas enttäuscht schlang sie ein kaltes Frühstück hinunter und machte sich auf den Weg.

An der Seitengasse wartete bereits Lydia auf ihre langjährige Freundin. Das Gespräch von Gestern noch im Hinterkopf lächelte sie das besorgt blickende Mädchen an und ging mit ihr ohne weiter Worte zu verschwenden in die Schule.

Nele fragte sich wie sie ein Gespräch in die Gänge bringen könnte. Immerhin tat es ihr Leid, dass sie sich gestern hatte so gehen lassen. Doch nun war es zu spät und sie konnte nichts mehr daran ändern.

So trotte sie neben ihr her bis sie in der Schule angekommen waren. Lydia verabschiedete sich und ging in ihre Klasse während Nele zu ihrer eigenen marschierte. Die beiden hatten kein Wort gewechselt und Nele plagte das schlechte Gewissen, was nur sehr selten vorkam.
 

Es hatte bereits zur dritten Unterrichtsstunde geläutet, als sich das Leben des siebzehnjährigen Mädchens für immer verändern sollte.
 

Gelangweilt blickte Nele aus dem Fenster und Träumte vor sich hin. Von ihrem Platz aus konnte sie die Turnhalle gut überblicken. Das alte Gebäude passte so gar nicht in das einheitliche Bild der Schule. Die Lehranstalt, wie sie die Lehrer oft nannten, war bis auf die besagte Turnhalle neu saniert wurden, trotz der alten Möbel, die in jedem Zimmer herum gammelten. Nele rümpfte angewidert die Nase. Wie hieß es so schön? „Außen Hui, innen Pfui.“

Um die Turnhalle wenigstens ein bisschen anzugleichen, hatte sich die Garten AG die Aufgabe gestellt den Vorhof mit Narzissen und Veilchen auszuschmücken und arbeiteten eifrig. Die Sonne brutzelte wiedereinmal alle durch. Von hier aus konnte Nele sogar die kleinen Schweißtröpfchen auf der Stirn einer Schülerin erahnen. Doch die tapferen Gärtner ließen sich nicht unterkriegen und arbeiteten fleißig weiter.

Ihr Blick streifte nochmal kurz über die AG Schüler, dann glitt er hoch zum Dach des Gebäudes. Einige Tauben hatten es sich auf der rostigen Regenrinne gemütlich gemacht und dösten vor sich hin.

Etwas blitze in Neles Augenwinkeln auf. Erschrocken blinzelte sie um sicher zu gehen, dass sie sich nicht geirrt hatte. Nochmals schielte sie zu der Stelle und versuchte mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen was da gerade geschah.

Eine orangefarbene Kugel schimmerte über der Dachoberfläche. Ihr Licht schien nach ihr zu rufen. Liebevoll, zärtlich mit einer Unzahl an Verheißungen und Versprechen. Dann drängender, fordernder, lauter, unnachgiebiger. Fasziniert beobachtete sie das Schauspiel. Die Kugel dehnte sich aus, immer mehr und mehr, bis sich ein Schatten aus ihr zu lösen schien.

Ein junger Mann stolperte aus der Lichtkugel und kam mit fuchtelnden Armen zum stehen.

Verwundert fixierte Nele ihn und begann den Fremden zu studieren. Er trug einen langen, alten, braunen Mantel der den Boden des Daches leicht berührte. Seine weißen Handschuhe reflektierten das seltsame Licht. Die blonden Haare wehten in einem geflochtenem Zopf leicht hin und her. Er schaute sich verwirrt um. Auf seinem Rücken blitze der silberne Knauf eines Schwertes auf.

Plötzlich hob der Fremde sein Gesicht und für einen Bruchteil einer Sekunde trafen sich die Blicke der beiden. Seine blauen Augen zogen sie in den Bann.
 

„Was ist da so interessant?“, schreckte sie die Stimme ihres Lehrers auf. Herr Buchner schaute raus auf das Dach der Turnhalle und runzelte verwundert die Stirn.

„Es wäre besser wenn du dich auf den Unterricht konzentrieren“. tadelte er sie streng.

Nele starrte ihren Lehrer verwundert an. Hatte er denn den Jungen nicht gesehen? Sie blickte wieder aus dem Fenster, doch außer dem alten Dach war nichts zu erkennen. Die Tauben dösten immer noch träge vor sich hin.

Auch die AG Schüler werkelten unbeeindruckt weiter.

Habe ich etwa schon mit offenen Augen geträumt, fragte sie sich. Doch dann schüttelte sie ihren Kopf. Nein! Dazu war es viel zu real gewesen. Oder wurde sie doch verrückt? Sollte sie sich an Herrn Buchner wenden und seinen Rat suchen, genauso wie es Lydia vorgeschlagen hatte?

Nele schielte nochmals zum Dach und dann zu dem Vertrauenslehrer. Nein, entschied sie sich. Noch gab sie sich nicht geschlagen. Noch konnte sie alleine mit diesem ganzen Mist fertig werden.

Plötzlich klingelte es zur Pause und riss Nele aus ihren Gedanken. Sie verließ den Raum mit einen letzten Blick aus dem Fenster.
 

Den restlichen Tag ging ihr der Junge vom Dach einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wer war er und wie kam er dahin? Das orangefarbene Licht ähnelte dem Licht, welches sie immer in ihren Träumen gesehen hatte. Immer mehr Fragen wirbelten in ihrem Kopf umher. Nicht einmal als zu hause angekommen war und Tom sie strahlend begrüßte, ließ sie der Gedanke an den Jungen los. Sein Gesicht hatte sich in ihren Kopf eingenistet und weigerte sich beharrlich wieder zu verschwinden.

Erschöpft und ohne ein Wort über die Rückkehr ihrer Eltern zu verlieren ließ sich die Siebzehnjährige, nach einer schnellen Dusche, ins Bett fallen und schlief sofort ein.

Speiglein, Spieglein ...

Nele wälzte sich aufgeregt hin und her. Der Schweiß strömte ihr aus jeder Pore und sickerte in die Matratze. Sie hatte das Gefühl, als ob jemand ihr die Luft zum atmen nehmen würde. Wiedereinmal plagte sie der Traum mit der Fremden und ihrem verflixten Spiegel:
 

Die Frau schritt langsam auf das grelle Licht zu, nur leicht bekleidet in einem langen Nachthemd. Dunkelheit leckte an ihren Beinen, konnte sie aber nicht gänzlich berühren. Schwarze Haare wehten in einer Windbrise, die nicht vorhanden sein sollte.

Mit ihren bloßen Füßen kam sie ihrem Ziel immer näher. Ihre Atmung beschleunigte sich. Freude entbrannte in ihrem inneren und ein leises Gelächter vertrieb die bösen Absichten der Dunkelheit.

Auf einmal drehte sie sich mit viel Schwung um und blickte Nele direkt ins Gesicht. Ihre Augen strahlten vor lauter Abenteuerlust.

Komm!“ flüsterte sie der stillen Träumerin zu. Neckend winkte sie ihr entgegen und versuchte Nele mit sich zu locken. Doch diese rührte sich nicht vom Fleck. Geschockt erkannte sie das Gesicht der unbekannten Bekannten.

Als diese merkte, dass ihr Bemühen umsonst waren, zuckte sie mit lässig den Schultern und wandte sich wieder dem Licht zu. Mit einem Lächeln verschwand die Unbekannte in dem orangefarbenen Licht.
 


 

Verschwitzt wachte das junge Mädchen auf. Schockiert über den Anblick der jungen Frau atmete sie tief ein.

Das war ich, stellte sie zitternd und völlig nervös fest. Sie war in das Licht gegangen.Wie konnte das nur möglich sein? Panik machte sich in ihrem Herzen breit. Nele verstand die Welt nicht mehr. Noch nie hatte sie das Gesicht der Frau aus ihrem Traum gesehen.

Doch heute schien alles anders zu sein. Sie hatte das Gefühl das irgendetwas ins Rollen gekommen war. Lag es vielleicht an ihrem surreal wirkenden Tagtraum von Gestern? War der Junge an allem Schuld? Oder bildete sie sich das alles nur ein? Wurde sie etwas wirklich verrückt?

Langsam verkroch sie sich unter ihrer Bettdecke und versuchte sich vor der Welt zu verstecken. Sie fühlte sich nicht in der Lage in diesem Zustand zur Schule zu gehen.

Da ihr Bruder heute seine Fußball AG hatte und ihre Eltern bestimmt noch schlafen würden, konnte sich Nele in ihrem Zimmer verstecken bis sie wieder einen klaren Kopf bekam. Doch einschlafen würde sie bestimmt nicht mehr, dessen war sie sich bewusst.
 

Am späten Nachmittag klopfte es bei ihr an der Tür. Ohne Aufforderung betrat Tom das Zimmer seiner kleinen Stiefschwester. Er setzte sich schweigend auf ihr Bett und wartete bis diese sich zu regen begann.

Nele buddelte sich aus ihrer Decke und starrte an die Wand. Dicke Augenringe verunstalteten ihr Gesicht. Tom legte seine Hand auf ihren Kopf und überprüfte ihre Temperatur. Normal. Erleichtert seufzte er auf.

Es war alles andere als normal, wenn Nele ohne Bescheid zu geben, der Schule fern blieb. Auch ihre Eltern machten sich Sorgen. Doch weil Nele nun mal Nele war und jeder in der Familie wusste, dass sie sich nicht so leicht erklären würde, ließen sie sie in Ruhe.

„Wie geht es dir? Mutter und Vater machen sich Sorgen um dich.“, fragte Tom leicht beunruhigt. Er konnte es nicht mehr aushalten. Tom wollte einfach nicht mehr bloß warten, bis Nele endlich aus ihrem Mauseloch herauskam. Er fühlte sich für sie verantwortlich.

„Gut“, murmelte die Gefragte leise in ihre Bettdecke hinein. Ihr Bruder glaubte ihr kein Wort.

„Und warum hast du heute die Schule geschwänzt?“, hakte er sanft nach.

Natürlich wusste Tom nichts von den Träumen, die seine Schwerster jede Nacht plagten. Nele hatte schon vor langer Zeit beschlossen, dass das auch so bleiben sollte. Darum gab sie sich keine Blöße und richtete sich in ihrem Bett auf.

„Mir war halt einfach danach“, schnaubte sie trotzig. Tom verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und tätschelte ihr den Kopf. Sie würde sich scheinbar wirklich nicht öffnen.

„He bin ich denn ein Hund?“, fauchte sie ihn an. Das war schon eher seine kleine Schwester.

„Nein natürlich nicht. Aber manchmal eine Katze mit gewaltig scharfen Krallen.“ Er lächelte sie an und schmunzelte über ihr beleidigtes Gesicht. Es konnte ihr scheinbar doch nicht so schlecht gehen, wie er erst befürchtet hatte. Immerhin verwendete sie wie eh und je ihre große Klappe.

„Komm mit, Mutter und Vater haben etwas mit uns zu besprechen.“, forderte er sie auf und verließ danach den Raum.

Enttäuscht zog sich Nele um. Sie hatte sich mehr erhofft und nicht gedacht, dass sich Tom so leicht mit dieser Antwort zufrieden geben würde. Ihr durchgeschwitztes Nachthemd landete unter dem Bett. Mit einer gemütlichen Sporthose und einem weiten schwarzen T-Shirt trottete sie langsam ins Wohnzimmer.
 

Ihre Mutter und ihr Stiefvater sahen sich kurz gegenseitig besorgt in die Augen. Es war wiedereinmal einer dieser Blicke, der Nele verriet, dass ihre Mutter mit ihrer Tochter hoffnungslos überfordert war. Während ihr Stiefvater seiner Frau Kraft zu geben versuchte.

Nele verabscheute diesen Blick.

Um von der merkwürdigen Atmosphäre abzulenken fragte Tom nach den Flitterwochen. Sofort erstrahlte das Gesicht der beiden schwerverliebten. Wie ein Wasserfall rauschten die Worte nur so heraus.

Tom schien sichtlich Begeistert von den Ausführungen, doch Nele hatte alles andere als Lust den Verliebten zuzuhören, schweifte schon nach einigen Minuten wieder ab und versank in ihren eigenen Gedanken.

Eines wusste sie mit Bestimmtheit: der Traum, den sie hatte, war nicht normal gewesen und schien eine tiefere Bedeutung zu besitzen doch welche, wusste sie nicht genau.

Langsam hatte sie die Nase voll sich andauernd darüber Sorgen zu machen, was der Traum nun bedeutete oder nicht und was das alles für sie hieß. Ob sie nun Verrückt war oder nicht. Ihre Eltern schienen jedenfalls ersteres zu glauben.
 

Plötzlich stand Neles Mutter auf und verließ kurz den Raum. Aus den Gedanken gerissen beobachtete das Mädchen die Tür aus der ihre Mutter verschwunden war. Sie sank noch etwas tiefer in den Sessel, in dem sie es sich gemütlich gemacht hatte.

Als Mrs. Gerens wieder kam, hatte sie ein kleines Päckchen in der Hand.

„Hier, das ist für dich. Tom hat seines schon Gestern von uns bekommen. Ich hoffe es gefällt dir.“

Überrascht öffnete das junge Mädchen ihr Geschenk. Ein Gold glänzender Spiegel glitt aus dem Papier und legte sich sanft in ihre Handfläche. Er hatte feine Verzierungen an seinem Griff und eine kleine unleserliche Gravur auf dem oberen Rand. Nele drehte ihn und musterte das wertvolle Stück genau. Eine leichte Vorahnung beschlich sie und mit zitternder Stimme bedankte sie sich bei ihrer Mutter.

Das war er. Der Spiegel aus ihren Träumen.

Angst machte sich in ihr breit. Und Hoffnung. Scheinbar war sie doch nicht ganz so verrückt. Irgendetwas wird passieren. Nele straffte ihren Rücken und verbannte die Angst vor dem Unbekannten. Sie hatte keine Lust verängstigt in der Ecke zu hocken und sich davor zu verstecken. Vielleicht ist es ja auch nichts Schlechtes, sondern etwas Schönes. Innerlich bereitete sie sich darauf vor, auch wenn sie nicht wusste was es war.

Nach dem Abendbrot versprach sie ihren Eltern am nächsten Tag wieder in die Schule zu gehen und nachdem sie beschlossen hatte keine Angst mehr zu haben, kam auch das altbekannte Herzklopfen zurück, als sie gemeinsam mit ihrem Bruder abwaschen musste.

Sie unterhielten sich ungezwungen und die Atmosphäre war angenehm warm. Nele entspannte sich sichtlich und fühlte sich bald wieder stark und unbesiegbar. Ja, so sollte es auch sein. Das war sie. Nele. Durch nichts unter zu kriegen.
 

Am späten Abend griff Nele zum Telefon und rief ihre beste Freundin an, damit sich diese keine Sorgen machen musste. Natürlich konnte sie ihr nichts von dem Spiegel oder dem Traum erzählen, ohne Lydia Sorgen zu bereiten. Also beschloss sie alles erst einmal für sich zu behalten.

Immerhin war sie stark genug dem Druck standzuhalten. Ihre inneren Kräfte waren schon immer enorm gewesen. Das hatte ihr im Leben schon oft geholfen weiterhin nach vorne zu blicken. Eine der guten Seiten die sie an sich leiden konnte.
 

An den darauf folgenden Tagen hatte Nele kaum Zeit um über den Spiegel oder den fremden Jungen vom Dach nachzudenken, denn es standen die Prüfungen vor der Tür.

Da sie wegen dem Tod ihres Vaters eine Klasse wiederholen musste, weil sie für eine bestimmte Zeit die Schule nicht besuchen konnte, hatte sie ein ganzes Jahr verloren. Aber dennoch. Endlich hatte sie ihren Abschluss fast erreicht. Aufgrund der Prüfungsvorbereitungen konnte sie ihre beste Freundin nicht besuchen. Beide mussten lernen und zusehen wie sie diese Zeit überstanden. Dadurch gerieten die Träume in Vergessenheit.
 

Nun endlich hatte Nele es geschafft. Sie hatte bestanden und das auch noch als eine der besten zehn ihrer Schule. Stolz feierte sie mit Lydia und ihrer Familie ihren Abschluss.

Die Ferien konnten also beginnen. Da sie beschlossen hatte zum Gymnasium umzuwechseln konnte sie die Freiheiten der Sommerferien genießen während Lydia schon fleißig im Blumenladen eine Ausbildung begonnen hatte.

Ab und zu trafen sie sich um gemeinsam etwas zu unternehmen. In dieser Zeit hatte sich Tom wiedereinmal eine Freundin zugelegt. Eine Medizinstudentin. Tom hatte sie in einem übergreifenden Seminar über Krankheiten des Mittelalters kennengelernt. Er selbst studierte Archäologie und das mit Begeisterung.

Nele störte sich kaum an seiner neuen Eroberung. Meistens hielt Tom es innerhalb einer Beziehung nicht lange aus. Da er an gewisse Regeln und Normen gebunden war, wenn er fest mit jemanden ging, fühlte er sich oftmals in Ketten gelegt. So hatte er es jedenfalls selbst beschrieben, als Nele in einmal nach dem Verschleiß seiner Freundinnen ausgefragt hatte. Also verließen ihn seine Freundinnen meistens nach einem Monat wieder, wenn sie die Nase voll von seinen Allüren und Ausschweifungen hatten.

Die junge Frau, die sich Tom dieses Mal ausgesucht hatte, befand sich mitten im ihrem Ärztestudium und war ganz nett anzusehen. Oftmals kam sie zum Abendessen und bleib über Nacht.

Alles war beim Alten und für einen Moment fühlte Nele sich sicher und geborgen. Ganz so, als ob sie nie von dem farbigen Licht geträumt hätte. Hin und wieder versuchte sich Nele das Gesicht des fremden Jungen ins Gedächtnis zu rufen, aber es gelang ihr einfach nicht mehr. Auch dass störte sie reichlich wenig. Die Träume hatten schlagartig, nach jahrelanger Peinigung, aufgehört. Das Verwunderte die Siebzehnjährige zwar, doch irgendwie fühlte sie sich dadurch erleichtert.

Morgen würde die Schule wieder beginnen. Die Sommerferien waren entspannt und erholsam gewesen. Nele fühlte sich erfrischt und freute sich auf ihr Leben im Gymnasium. Wieder war sie einen Schritt an ihre Unabhängigkeit näher gekommen.

Noch ein paar Jahre und sie konnte ihr eigenes Geld verdienen, war nicht mehr auf ihre Mutter und ihrer kleinen perfekten Familie angewiesen. Selbst wenn sich ihre Mutter jetzt bemühte all ihre vergangenen Fehler wieder gutzumachen und das schwarze Loch, dass die fehlende Mutterliebe hinterlassen hatte, zu füllen, konnte sich Nele nicht ganz darauf einlassen.

Sie packte ihre Tasche für den morgigen Tag und hüpfte schnell unter die Dusche. Mit geflochtenem Zopf schlüpfte sie in ihre Hotpants und das Tanktop mit dem gelben Smily. Voller Vorfreude fand sie schnell zu einem unruhigen Schlaf.
 


 

Mitten in der Nacht wurde Nele plötzlich von einem lauten Poltern geweckt. Verwundert stand sie auf und schaute sich in ihrem Zimmer um. Ihr Herz pochte wie wild. Die Muskeln spannten sich an.

Nichts.

Langsam beruhigte sich ihr Puls wieder. Sie wollte sich gerade wieder hinlegen als eine Art Kriegsgeschrei in den Raum drang. Abermals blickte sie sich nervös um und wieder war nichts zu sehen. Musste wohl der Fernseher der Nachbarn sein. Sie zuckt mit den Schultern, erleichtert eine simple Begründung für den nächtlichen Spuk gefunden zu haben und schlüpfte wieder unter ihre Decke.

Nele ließ ihren Blick durch das geräumige Zimmer wandern. Am Schreibtisch vorbei zum Kleiderschrank. Dieser stand einen Spalt offen und etwas leuchtete im Dunkeln. Verwundert erhob sich das Mädchen vom Bett und pirschte sich an den Schrank heran. Gespannt lauschte sie in seine Richtung.

Tatsächlich. Von hier stammten die Geräusche. Verwirrt runzelte sie die Stirn, näherte sich weiter ganz langsam dem aus Eichenholz bestehendem Relikt aus Omas Zeiten. Ihre Füße rutschten auf dem kalten Boden nach vorne.

Sie traute sich kaum zu atmen. Jede Sehne, jeder Muskel war zum zerreißen gespannt.

Vorsichtig öffnete sie die Tür und lugte hinein. Der Spiegel lag in dem unterstem Fach, wo sie ihn zuletzt abgelegt hatte und schimmerte leicht orange. Nele zögerte kurz, dann griff sie entschlossen zu. Doch bevor sie ihn berühren konnte umhüllte sie das Licht bereits.
 

Aus dem Licht wurde absolute Dunkelheit.

Ihr Geist und ihr Körper schwebte im Nichts. Keine Gerüche, keine Geräusche. Gar nichts. Sie fühlte noch nicht einmal mehr ihre eigene Haut. Sekunden fühlten sich wie Jahrtausende an.

Wie aus weiter Ferne näherten sich Geräusche. Schlichen sich an. Heimtückisch. Erst unverständlich, dann immer deutlicher drangen sie an ihr Ohr und durchfluteten ihren Körper.

Aus einer Ecke hörte sie das Heulen eines Kindes, aus einer anderen kam lauthalses Gelächter. Über ihr ertönte ein Schrei von einer Kreatur den sie noch nie zuvor gehört hatte. Er jagte ihr eine Gänsehaut über Arme und Beine. Frösteln rieb sie sich mit den Handflächen über die Oberarme, aber es half kaum. Langsam tanzten die verschiedenen Geräusche an ihr vorbei.

Eine Woge von Gerüchen überspülten ihre empfindlichen Sinne. Blut, Rauch, Tee, Süßholz, Pferde, frisch gebackenes Brot.

Plötzlich erschien eine Frau mit langem schwarzem Haar. In ein altes Gewand gekleidet betrachtete Nele ihr Ebenbild. Doch irgendwie war es nicht sie selbst die sie sah, sondern die Frau aus ihren Träumen.

Zwar stimmten die Gesichtszüge, doch ihre Augen glühten orange auf. In ihnen konnte Nele unendliche Traurigkeit erkennen und eine Sehnsucht die ihr die Tränen in die Augen trieb.

Die Fremde breitete ihre Arme aus und begann zu Lächeln. Um Neles Mundwinkel zuckte es verräterisch. Auch sie breitete die Arme aus, in einer Geste der Nachahmung. Nele wusste nicht warum, aber sie hatte auf einmal das Bedürfnis die Fremde zu spiegeln.

Lächelnd blickten sich die zwei Frauen an. Dann entbrannte ein Feuer mit orangefarbenen Zungen und verschlang Neles Spiegelbild. Das Mädchen versuchte krampfhaft zu der brennenden Gestalt zu gelangen und sie festzuhalten. Ihr irgendwie zu helfen. Doch vergebens.

Wieder ertönte das Gelächter. Es schien näher zu kommen. Immer lauter und lauter.

Nele Blinzelte kurz und fand sich in einer fremden Welt wieder.

Ein Land hinter dem Spiegel?

Noch etwas benommen versuchte das Mädchen sich ein Bild von der Umgebung zu machen, in der es gelandet war. Ihr Blick war noch verschleiert von den ungeweinten Tränen. Blinzelnd klärte sich langsam ihre Sicht.

Scheinbar befand sie sich in einer kleinen Lichtung inmitten eines mächtigen Waldes. Rings um sie herum standen die verschiedensten Laub- und Nadelbäume und beobachteten Stumm das fremde Mädchen..

Einige von ihnen waren recht groß gewachsen und reichten weit in den Himmel. Die Blätter glänzten grün und saftig. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Sie stand bereits ganz oben und blickte hämisch grinsend auf die Welt herab. So wie es aussah musste es gegen Mittag sein. Doch ohne ihre Uhr konnte Nele die Tageszeit nicht genau bestimmen.

Als sich der Neuankömmling umdrehte, entdeckte er einen riesigen Felsen genau hinter sich. Dieser reichte weit über ihren Kopf und war mit seltsamen Ornamenten in einer fremden Schrift geprägt. Langsam näherte sich Nele dem Stein und streifte sanft mit ihrer Hand darüber. Er war glatt geschliffen und wies einen leichten Riss in der Oberfläche auf. Moos hatte sich auf ihm breit gemacht und bewies, dass dieser Stein scheinbar schon sehr lange hier stehen musste.

Irgendwie wirkte er hier fehl am Platze. So als ob er von Menschenhand hier her gestellt wurde und über die Jahre in Vergessenheit geraten sei. Seltsamerweise pulsierte er leicht unter Neles Fingern und erwärmte ihre Handfläche, verwundert runzelte sie die Stirn.

Der stetige Puls zog sie in ihren Bann. Merkwürdig. Nele versuchte sich wieder auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Wo war sie hier nur gelandet? Und wie lange würde sie hier bleiben? Eine Stunde, einen Tag oder gar Jahre? Wie sollte sie wieder zurückkommen?

Eines wusste sie aber genau. Das hier war real. Die brennende Sonne versenkte ihre nackte Haut die sich bereits zu röten begann. Ein Traum würde sich niemals so echt anfühlen.

Schöne Scheiße. Warum musste so etwas ausgerechnet ihr passieren?

Noch immer hatte sie bloß ihre Hotpants und ihr T-Shirt an. Eine denkbar unpassende Kleidung. Das Gras kitzelte an ihren Zehen, nur um sie daran zu erinnern, dass sie auch keine Schuhe an hatte. Na toll. Prima Voraussetzungen.

So hatte es sich die junge Frau nicht vorgestellt, mitten in einem Wald zu landen, leicht bekleidet und keine Menschenseele weit und breit. Außerdem kannte sie die Menschen hier nicht und wusste nicht einmal ob diese ihr freundlich gesinnt waren. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnte sie sich nicht einmal verteidigen.

Langsam bereute Nele es, diese Träume so auf die leichte Schulter genommen zu haben. Hätte sie doch nur Tom und ihren Eltern davon erzählt. Doch hätten die ihr beistehen können? Abermals drehte sich das verirrte Mädchen um. Kein Ausweg. Nur Bäume, diese Lichtung und der seltsame, pulsierende Stein.
 

Plötzlich drang, aus nicht allzu weiter Ferne, Gelächter an ihr Ohr. Nervös biss sie sich auf die Unterlippe und ließ ihre Hand von dem Stein sinken. Vorsichtig schritt sie in die Richtung aus der Lachen kam. Was sollte sie tun? Waren das jetzt Freunde oder Feinde?

Ihre innere Stimme riet ihr, erst einmal still zu halten. Sie blickte gespannt in die Ferne und beobachtete die Schatten die sich langsam, aber stetig, näherten.

Die Stimmen kamen immer weiter in ihre Richtung, unter ihnen mischte sich der Klang von Pferdehufen, die auf einen felsigen Untergrund trafen. Da die Fremden schon zu sehen waren, hörte Nele auf ihren Instinkt und versteckte sich hinter dem großen Stein um sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen. Wenn diese Leute vertrauenswürdig erscheinen, dann konnte sie sich immer noch zeigen.

Sie bereits die ersten Reiter erkennen. An der Spitze saß ein junger Mann, Mitte zwanzig, auf einem weißen Schimmel. Seine blonden Harre wehten hin und her. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und ließ es verrucht und geheimnisvoll wirken. Hinter ihm tauchten immer mehr Männer auf und folgten grölend und pfeifend seiner Führung.

Schnaubend blieb das Pferd kurz vor dem Felsen stehen. Nele atmete tief ein und versuchte so leise wie möglich zu sein, damit sie ihr Versteck nicht verriet.

Der blonde Reiter wartete bis alle stehen geblieben waren. Er musterte seine Truppe von ungefähr fünfzehn Männern und überprüfte, ob auch keiner zurückgeblieben war. Sie blickten zu ihm auf und warteten schweigend auf kommende Befehle.

Die meisten trugen lange braune oder schwarze Mäntel und waren bis an die Zähne bewaffnet. Nele konnte vereinzelte Schwerter, Äxte, Bögen erkennen. Die Pferde waren von einem leichten Schmutzfilm bedeckt. Sie schnauften ungeduldig.

Ein stickig warmer Wind zog auf und wehte die verschiedensten Gerüche hinter den Stein. Der Geruch von Schweiß, Blut und verbrannter Haut schlich sich in Neles Nase. Für einen kurzen Moment versuchte die Übelkeit das junge Mädchen mit aller Macht zu überrumpeln, doch sie wehrte sich dagegen und gewann den Kampf.

Langsam begann Nele zu verstehen.

Diese Männer hier waren nicht von der guten Sorte. Sie konnte die narbigen Gesichter erkennen. Die fettigen Haare. Den Schweiß und das Blut riechen. Definitiv Feinde.

Trotzdem packte sie die Neugier und sie schob ihren Kopf ein klein wenig weiter nach vorne, um zu verstehen was gesprochen wurde.

Anscheinend hatte sich diese Bande gerade über ein Dorf hergemacht. Ihr junger Anführer lobte ihren Mut und ihr Geschick. Er freute sich über die Beute, die sie gemacht hatten und scheinbar fand er es witzig, wie einer seiner Männer sich bleibende Spuren geholt hatte, als dieser einer Frau hinterherjagte. Scheiße.

Langsam kroch der wahre Ekel an Nele empor. Gänsehaut überzog ihre nackten Arme. Schützend verschränke sie diese vor der Brust.

Sie fand es einfach nur widerlich, wie diese Männer so stolz von ihren Morden und Verbrechen erzählten. Sie schienen es wie eine Trophäe immer wieder wiederholen und ausschmücken zu müssen.

Solche Mörder hatte man im Mittelalter als Banditen oder Räuber bezeichnet. Die Siebzehnjährige versuchte gar nicht erst weiter zuzuhören. Sie hatte genug von den Grausamkeiten. Stattdessen überlegte sie ob diese Männer ihr einen Anhaltspunkt geben könnten, wo sie sich derzeit befand.

Die Zeit kroch nur langsam voran und scheinbar wollten die Banditen keine nützlichen Informationen preisgeben. Nele kam es wie eine Ewigkeit vor. Sie hoffte, dass sich die laute Meute endlich auf den Weg zu ihrem Lager machte, damit sie sich auf die Suche nach einer Rückkehrmöglichkeit begeben konnte.

Still flehte sie eine ihr unbekannte Gottheit an, dass sich diese grausamen Menschen nicht entschieden hier ihr Schlaflager zu errichten. Die Sonne wanderte gemächlich am Himmel entlang. Hoffentlich verschwanden die bald, bevor es dunkel wurde.

Vorsichtig versuchte sie sich noch etwas weiter zurück zu ziehen, um sich besser zusammen kauern zu können und abzuwarten. Doch in einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit trat sie auf einen kleinen Ast der krachend zerbrach.

Nele fluchte stumm. Hatten die Männer das gehört. Sie lauschte in die plötzliche Stille hinein.

Sie hörte wie sich leise ein paar Schritte dem Felsen näherten. Ohne zu zögern bewegten sich ihre Beine wie von selbst in Richtung Wald. Steine stachen in ihre blanken Fußsohlen, doch das kümmerte sie gerade recht wenig.

Mit großen Schritten flog sie förmlich über die Wiese. Ihr Zopf schlug gegen ihren Rücken. Ihr Herz raste vor Adrenalin.

„Wer ist das?“, schrie ihr eine wütende Stimme hinterher.

Mit einem dumpfen Schlag sackten die Beine unter der Flüchtigen weg und sie landete unsanft auf dem Boden. Einer der Männer schien etwas nach ihr geworfen zu haben. Ihre Kniekehle schmerzte.

Nele versucht sich auf zu rappeln, doch ein fremder Arm drückte ihren Körper ohne Probleme auf den Boden. Schwer atmend, wand sich die Gefangene, trat mit den Beinen so gut sie konnte, kam aber einfach nicht frei. Ihr Gesicht grub sich in den Dreck. Hechelnd versuchte sie Luft zu bekommen.

Vorsichtig drehte sie ihren Kopf und schürfte sich dabei die Wange an einem Ast auf. Das leichte brennen bemerkte sie kaum, da sie sich nur auf den Mann über ihr konzentrierte. Der blonde Anführer beugte sich zu ihr runter und musterte seine Beute ausgiebig. Seine blauen Augen leuchteten kurz auf, aber dann verdüsterte sich sein Gesicht wieder.

„Was habe wir denn da gefangen?“, spottete einer der Männer lauthals.

„Ui wie süß!“, gab ein anderer von sich. Immer mehr dieser Fremden schlossen sich den erniedrigenden Kommentaren an und versammelten sich um die am Boden liegende. Nele hatte noch nie so etwas demütigendes erlebt.

Sie pfiffen und diskutierten darüber, was sie jetzt mit ihr anstellen sollten. Angst keimte in dem Mädchen auf. Sie hatte also tatsächlich recht behalten. Feinde. Mist!

Nach einer Weile schnalzte der Blonde mit seiner Zunge.

„Ruhe Männer!“ Er wandte sich wieder seiner Beute zu und streichelte sanft mit den Fingerspitzen über ihre unverletzte Wange. Sie starrte unsicher in das schöne Gesicht des Unbekannten.

Unglaublich blaue Augen, ein scharf geschnittenes Gesicht. Volle Lippen. Ja er war wirklich äußerst attraktiv. Irgendetwas in Nele regte sich. Doch sie wusste nicht genau was es war.

Ihr Kopf jedenfalls war im Moment wie leer gefegt, sie konnte nicht einen klaren Gedanken fassen und wusste nur, dass es keine Gelegenheit gab zu fliehen.

Deshalb beschloss sie tief durchzuatmen und versuchte so ein wenig ihrer Würde beizubehalten. Insgeheim hoffte sie, dass die Männer nicht sahen wie verängstige sie in Wirklichkeit war. Der starke Arm auf ihrem Rücken drückte sie immer noch erbarmungslos auf den Boden.

„Was für ein Pech für dich, meine Liebe. Da warst du doch glatt zur falschen Zeit am falschen Ort. Nun musst du sterben, weil du nicht zu hause geblieben bist“, säuselte ihr der Blonde ins Gesicht.

Sterben? Nein dafür war sie doch noch viel zu jung! Sie gab sich alle Mühe gleichgültig zu blicken und antwortete nicht. Stattdessen starrte sie selbstbewusst in die Augen des Blonden. Er erhob eine Augenbraue. Scheinbar hatte er eine andere Reaktion erwartet.

„Was denn hast du gar keine Angst?“ Belustigt schaute der Fremde in seine Armee von Wilden, dann richtete er seine nächsten Worte an sie: „Na so was. Da belauscht sie uns frech und hat nicht einmal Angst vor dem Tod. Sie weiß wohl nicht wer wir sind.“

Schallendes Gelächter brach aus.

„Scheinbar unterschätzt sie uns gewaltig!“

Nele rümpfte die Nase. Sie konnte arrogante Menschen noch nie leiden. Aus einem zarten Anflug von Zorn heraus erwiderte sie: „Angst vor einer lauten Bande? Nein danke.“

Doch im nächsten Moment bereute sie ihre Worte. Immer musste sie die Starke spielen und versuchte nie ihre Schwächen zu zeigen. Das könnte jetzt ein fataler Charakterzug sein. Der Arm auf ihrem Rücke drückte stärker zu. Keuchend rang sie nach Atmen.

Doch der Anführer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Es kam nur sehr selten vor, dass sich eine Frau ihm widersetzte und eine dicke Lippe riskierte. Sein Stolz war leicht gekränkt. Er musterte sie noch einmal eindringlich und bemerkte wie sie sich unter seinem Blick unbehaglich wand.

Doch ihre bernsteinfarbenen Augen verloren nicht an Glanz. Irgendwie beeindruckte ihn das. Aber er ließ sich nicht hinters Licht führen. Weder von ihren Augen, noch von ihrem köstlichem Körper. Er wusste ganz genau wer sie war. Er erkannte eine Spionen des Königs auf Anhieb. Deshalb konnte er nicht anders. Er musste ihm eins auswischen.

Er kannte schon einen Ort an dem er ihr vorlautes Mundwerk stopfen und seinem König eine wundervolle Warnung hinterlassen konnte.

Der große Blonde zwinkerte seinen Männern zu und diese wussten zugleich was er vorhatte.

„Nun gut. Da du ja keine Angst vor uns zu haben scheinst, können wir dich ja an jemanden weitergeben, der dir das Fürchten lehren wird.“ Grausam blickte er dem Mädchen ins Gesicht. Dann musterte er ihren Körper und musste sich zwingen nicht zu lange auf diese wunderbar, langen Beine zu starren.

„Du scheinst ja recht gut gebaut zu sein. Deine Haare sind gepflegt und einigermaßen sauber bist du auch noch. Ich nehme an du kommst aus vornehmen Hause, weil deine Kleidung recht ungewöhnlich ist.“, behauptete er, wohl wissend woher dieses kleine Miststück wirklich kam. Dachte Michael wirklich, dass seine Banditen erbarmen mit dieser Frau zeigen würden?

Der Anführer machte eine kurze Pause, um die Spannung zu erhöhen und auf die Reaktion des Mädchens zu warten. Doch diese schien unbeeindruckt zu sein und wartete auf die Dinge, die noch kommen würden.

Jetzt wandte er sich wieder seinen tapferen Männern zu: „Was glaubt ihr, werden wir ein gutes Sümmchen für sie bekommen?“

Ein fettes Grinsen machte sich auf ihren Gesichtern breit und unverhohlene Blicke wanderten über das gefangene Mädchen. Beinahe hätte sie dem Anführer leid getan. Aber auch nur beinahe.

Nele stockte der Atem. Sie wollten sie verkaufen?

Doch nicht etwas an ein Bordell oder so etwas in der Art. Damit hätte sie jetzt nicht gerechnet. Der Fremde bemerkte die Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck und war mit sich und seinem Plan recht zufrieden. Deshalb erhob er sich und gab der Meute das Zeichen zum Aufbruch.

Der Arm auf ihrem Rücken verschwand ruckartig und endlich konnte sie wieder einen tiefen Luftzug holen.

„Dann wollen wir mal keine Zeit verlieren. Der alte vom Nachbardorf wird uns schon erwarten.“

Außer Stande sich zu wehren oder auch nur einen Ton von sich zu geben, ließ sich Nele von dem Blonden auf die Beine ziehen. Der Rest der Männer setzte sich wieder auf seine Pferde.

Unsanft wurde die Gefangene auf den Rücken des Schimmels geworfen und lag quer über dem Sattel. Der Anführer schwang sich zu ihr und gab den Befehl los zureiten.

Geschockt und Ratlos nahm das junge Mädchen ihre Niederlage hin. Wenn diese Männer sie wirklich verkaufen wollten, mussten sie unter Leute, überlegte sie. Das wäre dann die Gelegenheit in der Menge unter zu gehen und dann zu fliehen. Diese Aussicht war immer noch besser, als der angedrohte Tod.

Aber wohin sollte sie laufen? Diese Frage bereitete ihr noch große Sorgen. Sie versuchte sich etwas zu entspannen, was ihr in dieser Haltung recht schwer gelang.

Mit der Zeit würde die Antwort folgen. Egal was kommen mag. Nele gab nie schnell auf. Sie kämpfe schon immer um ihr überleben. Auch dieses Mal würde es gut ausgehen.

Mit etwas mehr Zuversicht ließ sie sich einfach treiben.

Davids Rache

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Davids Rache (4) /unerwartetes Wiedersehen (5)

Kapite 4 - Davids Rache
 

Der Ritt dauerte eine gefühlte Ewigkeit.

Das Blut sank in den Kopf der Gefangenen und langsam begann sich die Welt um sie herum zu drehen. Stetig unterdrückte sie den Anschwung einer leichten Übelkeit, krampfhaft schluckte sie die aufkommende Säure hinunter.

Auf und ab. Auf und ab. Beständig und mit sicheren Schritten galoppierte das Pferd durch den Wald.

Nele hätte nie gedacht, dass sie einmal auf diese Weise auf einem Pferd reiten würde. Kopfüber, quer auf dem Sattel. Der Schweißgeruch des Tieres stach in ihrer Nase und die viel zu warme Hand auf ihrem Kreuz schien sich ein Loch durch ihre Kleidung zu brennen.

Mit der Übelkeit kämpfend, hoffte sie, dass sie endlich ihrem Ziel näher kommen würden. Alles was sie sehen konnte, war der Boden unter den Hufen des Tieres. Steine, Stöcke, Wurzeln, Gräser und Dreck. Jede menge Dreck.

Um sich von diesem Anblick abzulenken konzentrierte sich Nele auf ihr Gehör. Die Banditen unterhielten sich leise und aufgeregt. Ihr Anführer scherzte mit dem Mann neben sich. Hin und wider erhaschte sie den Laut von herumwuselnden Tierchen. Doch kein einziger Vogel schien wirklich Lust zu haben in der abnehmenden Nachmittagssonne zu singen. Merkwürdig.

Plötzlich stoppte die Truppe. Mit einem leichten Ruck an den Zügeln brachte der blonde Anführer mit den unglaublich hellblauen Augen das prächtige Tier zum stehen. Schnaufend trabte das Pferd nervös auf der Stelle, so als ob es nicht sicher war ob es hier wirklich halt machen wollte.

Doch bevor es die Zeit hatte sich zu entscheiden, stieg der Anführer von seinem Schimmel und stieß seine Beute unsanft von dem Sattel herunter.

Nele unterdrückte sich einen Schmerzensschrei und rappelte sich auf die Knie. Noch immer von der Übelkeit gefangen, drehte sich ihr Kopf wie ein Karussell immer wieder im Kreis ganz so als ob es nie wieder anhalten wolle.

Doch bevor sie sich versah, stand sie wieder auf den Beinen und gewann den Kampf gegen die brennende Magensäure. Verwirrt blickte sie sich um.

Ein Mann mit zerzaustem braunem Haar zog Nele hoch und umfasste grob ihren Unterarm. Die anderen Männer banden ihre Pferde an die umliegenden Bäume fest.

Fünf seiner Leute ließ der Blonde zurück, um die kostbaren Tiere zu bewachen. Mit dem Rest folgte er eine unsichtbare Straße durch das Dickicht. Das alles geschah, ohne dass der Anführer auch nur einen Befehl geben musste. Nele gab zu, dass er seine Männer scheinbar gut im Griff hatte.

Sie atmete auf. Endlich von dem Höllenritt befreit, beruhigte sich ihr Magen und ihr Kopf konnte wieder klar denken. Mit dem kläglichen Versuch sich den Weg zu merken, marschierte sie hinter ihrem Führer her.

„Los, beeile dich mal!“, trieb sie Mr. Zottelkopf an. Ihren Schritt beschleunigend, stolperte Nele über jedes nur erdenkliche Hindernis und fluchte leise in sich hinein.

Der Blonde sah sich kein einziges Mal nach seiner Gefangenen um. Er rechnete sich stattdessen schon aus, was sie für ihn und seine Männer einbringen könnte und war zuversichtlich einen angemessenen Preis erhandeln zu können.

Langsam konnte Nele das Ende des Waldes erkennen. Allmählich schwanden die Bäume dahin und Getreidefelder machten ihnen Platz.

Vereinzelt waren Bauern zu erkennen, die eifrig arbeiteten, um die Felder zu pflegen. Einige blickten kurz auf und beobachteten die Vorbeiziehenden. Doch keiner schien sich in irgendeiner Weise bedroht zu fühlen. Sehr eigenartig, dachte Nele.

Es dauerte nicht lange und sie konnten die ersten Häuser erkennen. Ihr Rauch stieg aus den Schornsteinen empor und zog träge in den Himmel. Der Duft von frisch gebackenem Brot, erinnerte sie daran, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Zustimmend grummelte ihr Magen.

Doch die Atmosphäre im Dorf war wider erwartend ruhig und normal. Die Ankunft der Banditen schien auch hier etwas alltägliches zu sein. Die Gefangene runzelte verwundert die Stirn.

Ihre Fantasie lief Amok und sie malte sich aus, dass dies vielleicht das Heimatdorf der Banditen sein könnte und diese Menschen hier ebenfalls Mitglieder in der Bande des Blonden wären. Doch als sie an die zurückgelassenen Kameraden dachte, verwarf sie den Gedanken gleich wieder.

Keiner würde seine Pferde in einem Wald zurücklassen, wenn er nach hause ging, wo es genügend Futter und Unterkünfte für die Reittiere gegeben hätte.

Plötzlich hielt der Banditenzug an. Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Ein etwas schäbig aussehendes Wirtshaus, mit einer großen Holztür schien Nele zu empfangen und sie hämisch anzugrinsen.

Kurz kam ihr der Gedanke die Flucht zu ergreifen, doch ein plötzlicher, unsanfter Ruck an ihrem Arm ließ dem Mädchen keine andere Wahl als ihrem Führer zu folgen. Und sie übertrat die Schwelle zu ihrer eigenen, kleinen Hölle.

Die Innenausstattung war spärlich, wirkte aber keineswegs heruntergekommen. Das Wirtshaus war gut besucht. Eine Frau, Mitte vierzig, huschte zwischen den Neuankömmling hindurch und balancierte ein reichlich gedecktes Tablett von einem Tisch zum nächsten.

Kurze Stille trat ein, als die Gäste die Fremden bemerkten. Doch dann breitete sich wieder das allgemeine Gemurmel aus. Hier und da drang ein lautes Gelächter oder ein giftiger Fluch an Neles Ohr.

Der Duft von Gebratenem verdeutlichte ihr wie sehr sie sich nach einer warmen Mahlzeit sehnte, doch ließ sie sich davon nichts anmerken. Bloß keine Schwäche zeigen, versuchte sie sich einzubläuen.

Trotzdem gab sie sich mit der kleinen Verschnaufpause zufrieden, da die viel zu kurze Nacht, der Ritt und der Fußmarsch mit blanken Füßen an ihren Kräften zehrten. Sie hatte das Gefühl schon viel zu lange gelaufen zu sein. Und zur Krönung klebte ihr die Zunge am Gaumen fest.

Mit viel Neugier und einer Spur Angst , vor dem was gleich geschehen könnte, blickte sie sich im ganzen Raum um und musterte die Möglichkeiten, die sich für eine Flucht ergeben könnten. Leider schien sie keine guten Chancen zu haben. Die einzige Tür die nach draußen führte, war die, durch die Nele hereingekommen war. Und um dahin zu gelangen, müsste sie erst einmal den gesamten Raum durchqueren.

Kaum hatten der Blonde und seine Bande das Haus betreten, kam ihnen ein älterer Herr entgegen und begrüßte sie mit einem schäbigen Grinsen auf den Lippen. Sofort bemerkte er die junge Frau in der Mitte der Männer und verstand gleich den Sinn und Zweck des seltenen Besuchs.

Der Mann spielte mit seinem grauen Schnurrbart und zeigt in die Richtung eines freistehenden Tisches. Er ließ Getränke für sich und den Blonden bringen und setzte sich auf einen der Stühle.

Nele war immer noch in dem harten Griff des braunhaarigen Strubbelkopfes gefangen. Sie straffte trotzdem ihren Rücken, um sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen und beobachtet gespannt das Geschehen.

Während der Rest der Bande stehen blieb und das Gespräch verfolgten, wollte ihr Anführer das Wort ergreifen.

Doch der Besitzer der Gaststätte kam ihm zuvor. Er wischte sich kurz mit einer seiner schmutzigen Hände über sein pausbäckiges Gesicht, dann verschränkte er seine würstchenartigen Finger ineinander. Er leckte über seine Lippe und nickte der Frau mit dem Tablett zu, auch die anderen Banditen zu bewirten.

„Lange nicht gesehen David. Wie ich sehe wächst der Kreis deiner Anhänger stetig an. Das freut mich für dich.“ schmeichelte er in einem sanften Ton. Dabei ließ er den Anführer nicht aus den Augen.

Der Blonde erwiderte nichts darauf, lediglich ein zustimmendes Nicken zeigte seinem Gegenüber, dass er den Worten folgte.

Mit einer Bewegung seinen Kopfes, zeigte der Wirt auf das Mädchen. Seine fettigen Haare glänzten dabei im Kerzenschein und Nele wäre beinahe die Galle wieder hoch gekommen. Sie schluckte leicht und lauschte gespannt.

„Wen mich meine Augen nicht täuschen, dann hast du mir wiedereinmal etwas neues mitgebracht. Sie wirkt mit ihren bernsteinfarbenen Augen etwas exotisch. So etwas habe ich noch nie gesehen.“

Er runzelte kurz die Stirn. Dann fuhr er fort: „Ihre Kleidung ist recht ungewöhnlich für diese Gegend. Sie scheint mir gut gebaut und auch gut genährt zu sein. Ihr Gesicht hat hübsche Züge und gepflegt ist sie auch noch. Meine Gäste werden recht zufrieden sein. Sie könnte der neueste Kassenhit werden.“

Nele stockte der Atem, für einen Moment wollte sie laut protestieren, doch sie zwang sich dazu innere Ruhe zu bewahren und dem Gespräch zu folgen. Angespannt musterte sie den Wirt. Er grinste ihr hämisch zu. Sie blickte ihm gerade in die Augen.

Er sah eigentlich harmlos aus, doch ein funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass er es faustdick hinter den Ohren hatte.

Wieder sagte der Blonde nichts darauf. Auch er wartete ab und hoffte sein alter Freund würde den Wert des Mädchens richtig einschätzen.

„Nun gut. Wo hast du sie denn gefunden?“ neugierig blickte er seinen Gegenüber an.

„In der Lichtung die einen halben Tagesritt von hier entfernt liegt. Bei dem Grab der Priesterin.“

„Wirklich? Was für ein seltsamer Ort für solch eine Augenweide.“

Nele horchte auf. Das Grab der Priesterin. War damit der seltsame Stein gemeint?

Angespannt verfolgte sie das Gespräch. Doch zu ihrer Enttäuschung machte keiner der beiden Anstalten weiterhin über das Grab zu reden. Stattdessen begannen sie über den Preis zu verhandeln.

Nun endlich ergriff die Angst Besitz von dem Mädchen. Sie gestand sich ein, dass sie sämtliche angstvollen Gefühle bis jetzt lediglich unterdrückt hatte. Doch nun überschritt sie ihre Grenzen und die Panik brach erbarmungslos hervor. Was sollte sie nur tun?

Mit Gewalt zwang sie sich ihren Tränen Einhalt zu gebieten. Sie würde jetzt nicht weinen. Ganz sicher nicht. Vor allem, da David sie die ganze Zeit beobachtete. Er wollte ihr ja eins auswischen. Das hatte er ja gesagt. Darum würde Nele lieber sterben, als ihm die Genugtuung zu verschaffen und um Gnade zu betteln.

Am Ende der Verhandlungen stand ihr preis fest: 370 Golden.

Obwohl Nele nicht sagen konnte wie viel das umgerechnet in ihrem Land wert gewesen wäre, vermutete sie, dass es ein guter Preis zu sein schien. Denn ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Anführers aus.

Ein letztes mal schluckte sie ihre Angst hinter und stellte sich kerzengerade hin. Mr. Zottelkopf übergab seine Gefangene an den schmierigen Händler. Dieser packte sogleich gierig ihren Arm und grinste ihr anzüglich ins Gesicht. Sie erwiderte das Grinsen mit einen teilnahmslosen Blick.

Nele entging nicht der Hauch von Verwunderung, der sich in dem Gesicht des Wirtes breit machte. Der Alte führte sie eine lange geschwungene Treppe hinauf.

Die Verkaufte blickte noch einmal zurück und visierte das Gesicht ihres Verkäufers an. David drehte sich ebenfalls noch einmal zu ihr um und begegnete ihrem Blick. Ein leichter Groll zog in ihm auf. Das Mädchen schien kein bisschen beunruhigt zu sein. Stolz und erhaben schritt sie die Treppe empor, als wäre das ein leichter Spaziergang.

Verärgert über ihr stures Verhalten widmete er sich wieder seiner Mannschaft und verließ das Wirtshaus. Doch seine Gedanken schweiften immer wieder zu den bernsteinfarbenen Augen mit dem wunderschönen, mutigen Glanz.
 

Der Wirt schleppte Nele in ein schmuddeliges Zimmer am Ende eines kleinen Ganges. Sie vermutete. Die Dielen am Boden knarrten bei jedem ihrer Schritte und schienen sie herzlichst willkommen zu heißen. Das fahle Kerzenlicht in den Halterungen schaffte es kaum den schmalen Gang zu beleuchten und verlieh dem ganzen eine düstere Atmosphäre.

Im Zimmer angekommen schob er das Mädchen unsanft hinein und gab endlich ihren Arm frei. „Zieh das an“, befahl der Wirt ihr barsch und zeigte auf ein Kleidungsstück, welches auf einem großen Bett bereit lag. Er Verschwand sofort wieder und schloss die Tür sorgfältig ab.

Nele setzte sich auf die harte Matratze und seufzte in sich hinein. Immer noch wollte sie nicht nachgeben und verdrängte die aufkommenden Tränen. Ihre Hände verkrampften sich. Langsam zog sie das Kleidungsstück an sich heran und musterte es. Das Kleid war schlicht und in einem dunklen Braunton gehalten. Weiße Spitzenränder verzierten den Rand der Ärmel und des Kragens.

Es sah recht neu aus und das Mädchen fragte sich, ob der Wirt mit ihrem Besuch gerechnet hatte. Immerhin lag alles bereit: eine Schüssel mit Wasser, ein Nachttopf, bei dessen Anblick Nele angeekelt die Nase rümpfte und dieses Kleid mit den passenden Schuhen. Sowie ein Leib Brot und ein Becher mit lauwarmen Wasser.

Nele entkleidete sich rasch und war froh endlich etwas passenderes zum anziehen zu haben. Das Kleid war zwar etwas zu groß, aber besser als ihre Hotpen und ihr Top. Für ihren Geschmack war der Ausschnitt ihr aber viel zu tief und das eingenähte Korsett saß ihr zu eng auf der Haut, doch ändern konnte sie erst einmal nichts daran.

Dann kämmte Nele rasch ihre zerzausten Haare. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wann sich ihr geflochtener Zopf aufgelöst hatte. Ohne ihren Haargummi konnte sie sich die nervenden Strähnen nur hinter das Ohr streichen.

Sie wusch sich ihr Gesicht mit dem muffigen Wasser und begann danach lustlos an dem Brot zu knabbern. So verstrich die Zeit. Draußen versank nun die Sonne endgültig. Das lärmen der Menschen ließ nach und es waren nur noch vereinzelte Laute zu vernehmen. Schafe blökten in der Ferne, Pferde scharrten mit ihren Hufen im Dreck und einige Hunde bellten in die Nacht hinein.

Nach einer Weile hatte Nele das komplette Brot aufgegessen und den Becher gelehrt. Sie hatte wahrlich schon besseres gegessen.
 

Lange dauerte der Frieden nicht an. Von draußen konnte sie eine Stimme hören und erstarrte sofort wieder. Die Dielen knarrten laut und kündigten den Besucher an. Beim Anblick der frischen Kleider und des Essens, hatte Nele die Wahrheit kurz verdrängen können, doch jetzt holten sie sie wieder ein.

Das verkaufte Mädchen krallte sich in das Bettlacken und starrte auf die Tür. Die Stimmen kamen immer näher, bis sie genau vor ihrem Zimmer stoppten. Sie erkannte die schmeichelnde Stimme des Wirtes sofort wieder. Eine Weile plauderten sie vor sich hin, dann wurde die Tür aufgeschlossen.

Nele zuckte zusammen. Zu erst trat der Wirt ein, dann folgte ihm ein zweiter älterer Herr mit einer Narbe auf dem Kinn. Dieser machte einen kleinen Freudenjauchzer, dann reichte er dem Wirt einen Beutel und zog die Tür schnell hinter sich zu.

Ihr Blick heftete sich an den Fremden und verfolgte ihn auf Schritt und Tritt. Seine Geschichtszüge waren ebenmäßig und seine Haut leicht braun gebrannt. Mit seinem weißen Hemd und der weiten braunen Hose, sah er sogar etwas attraktiv aus, für einen Mann ende dreißig vermutete Nele, doch ihr kam bei seinem Anblick das Brot wieder hoch.

Langsam schritt er auf sie zu, ganz so als ob er ein besonders scheues Wesen vor sich hätte und es auf keinen Fall verjagen wolle. Ein breites Grinsen stach ihr entgegen und Nele glaubte, sie könne seine Gedanken darin lesen. Vorsichtig rutsche sie auf dem Bett hin und her. Spannte ihre Muskeln an und holte tief Atem.

„Na meine Kleine. Ich hoffe wir beide werden viel Spaß miteinander haben.“ säuselte er.

Das war das Signal, auf das das Mädchen gewartet hatte. Sie sprang mit einem Satz auf und schleuderte dem Fremden den Wasserkrug entgegen. Doch dieser wich gekonnt aus und schaffte es das flüchtige Ding rechtzeitig am Arm zu packen und auf das Bett zu werfen, bevor sie die Tür erreichen konnte.

Ein Schrei entkam ihr. Sie wehrte sich gegen den schweren Körper, der sich auf ihren drückte. Zappelnd und schlagend versuchte sie ihn zu vertreiben, doch all das half nichts. Langsam aber sicher machte sich Verzweiflung in ihr breit. Die Hoffnung noch nicht aufgebend wehrte sie sich so gut sie konnte.

Der Angreifer lachte amüsiert und packte die Handgelenke seiner Beute. Er drückte diese mit Gewalt in die Kissen, so dass sie nur noch mit ihren Beinen treten konnte. Doch außer Luft bekam sie nichts zu fassen.

„Ganz ruhig. Je mehr du dich wehrst, desto mehr tut es dir weh. Wir wollen doch beide unseren Spaß haben.“ lachte er ihr entgegen. Mit Tränen in den Augen starrte sie ihrem Gegenüber mit hasserfüllten Augen und verfluchte ihn. Doch ihm schien das alles egal zu sein.

Hätte Nele gewusst was sie hier erwartete, dann hätte sie den Spiegel vorher in tausend Scherben zerschlagen. Doch die Überfallene glaubte kaum, das das etwas genutzt hätte um ihrem Schicksal zu entkommen. Aber wenn dies das Schicksal sein sollte, für das sie bestimmt war, würde sie lieber darauf verzichten wollen, als sich dem zu ergeben.

Die Verzweiflung fraß sich in ihre Seele hinein und klammerte sich an ihr fest wie ein widerliches Insekt. Was sollte sie tun? Sie war machtlos. Widerstrebend beruhigte sie sich, zur Freude ihres Peinigers, um einen klaren Kopf zu wahren. Doch stattdessen packte sie die Angst und umklammerte ihr Herz. Ihre Sinne vernebelten sich und erschwerten es ihr logisch zu denken.

Der Mann mit der Narbe streichelte gierig über ihre langen schwarzen Haare, dann über ihr Gesicht, glitt runter zu ihrem Hals und stoppte vor ihrer Brust. Ein schluchzen entwich ihr.

Das machtlose Mädchen zuckte zusammen und verkrampfte sich als er anfing ihr Kleid am Dekolleté aufzuschnüren. Pfeifend würdigte er die helle, nackte Haut, die zum Vorschein kam.

Nach einigen unendlichen Sekunden hatte er die Kordel vollkommen gelöst und blickte nun auf das nackte Fleisch seines Opfers. Entzückt gab er ein leises grunzen von sich und streichelte seinen neuen kleinen Schatz, wie ein gieriger Bergräuber. Nele erschauderte und biss sich auf die Zunge. Sie versuchte ruhig zu atmen. Tränen bahnten sich ihren Weg und benetzten das Kopfkissen.

Vergeblich versuchte sie an etwas anders zu denken. Das war alles die Schuld dieses blonden Monsters. Wie konnte er ihr so etwas antun? Erschöpft und mutlos ließ sie es geschehen. Gedankenleer starrte sie zur Decke.

Nele glaubte sich in einem unbarmherzigen Strudel von Ekel und Selbsthass zu verlieren. Immer tiefer und tiefer wurde sie nach unten gezogen. Es gab scheinbar kein Entkommen mehr. Gänsehaut überlief ihren Körper. Sie zitterte wie Espenlaub. Noch nie hatte sie sich so hilflos gefühlt. Warum war sie nur so schwach? Warum konnte sie sich nicht mehr wehren? Sie würde sich nach dem heutigen Tag nie wieder im Spiegel ansehen können.

Der Mann grunzte zufrieden. Schon lange hatte er keine so wohlgeformte Frau mehr gespürt. Er sehnte sich endlich nach Erlösung. Nach wohltuender, so dringend benötigter Erlösung.

Eine letzte Welle des Widerstands überspülte die Überfallene. Sie durfte es einfach nicht geschehen lassen! Nicht hier und auch nicht jetzt! Und vor allem nicht ohne Tom! Sie musste sich wehren! Noch nie hatte die Siebzehnjährige aufgegeben. Egal welcher Aufgabe sie sich hatte stellen müssen. Was würde Tom dazu sagen, wenn er sie so resigniert sehen könnte?

„Nein!“ schrie sie aus lauter Verzweiflung. Die Gepeinigte schluckte ihren ganzen Stolz herunter und begann von neuem, sich zu wehren. Sie wand sich unter dem schweren Körper und schöpfte neue Kraft aus ihrer Verzweiflung. Strampelnd und schreiend kämpfte sie mit aller Macht. Die Tränen liefen ihr davon, doch das kümmerte sie wenig.

Sie warf ihren Oberkörper hin und her. Der Mann hatte alle Mühe sie festzuhalten. Als ihr Fuß in die Niere des Narbigen trat, fluchte er laut auf. Mit einem Mal packte er wutentbrannt Neles Hals und drückte mit aller Macht zu.

„Wie kannst du es wagen!“

Nach Luft schnappend schaute sie ihm in die Augen. Angst verzerrte ihr Gesicht. Ihr Blut pulsierte wie verrückt und ihre Lunge brannte vom Sauerstoffmangel.

Zufrieden schnaufte der Mann und ließ langsam ihren Hals locker, um mit seinem perfiden Vorhaben fortzufahren. Schlaff und kraftlos langen Neles Arme neben ihrem Körper. Sie weinte nun hemmungslos und atmete flach die verbrauchte Luft ein. Sie bebte vor lauter Angst und Verzweiflung und schloss die Augen. Gab einfach auf. Überließ ihren Geist der Betäubung und versankt tief in der Dunkelheit.

Er brachte sich in Position und wollte endlich sein heiß ersehntes Ziel erreichen. Endlich war es soweit. Endlich würde er dieses widerspenstige Ding reiten und Erlösung finden.
 

Plötzlich tönte ein Erbärmlicher Schrei zu den beiden herein. Der Peiniger hielt inne und ließ von seiner Beute ab. Er rannte zum Fenster. Fluchend schlug er gegen die Wand, zog seine Hose hoch und marschierte aus dem Raum. Ohne ein Wort der Erklärung verschwand er und schloss die Tür zu. Laute Anweisungen hallten bis in den Raum. Die Menschenmenge, die in dem Wirtshaus zu Gast war, polterte davon.

Kurze Stille kehrte ein. Nele atmete tief durch und besiegte langsam ihre Lähmung. Spürte ihre einzelnen Glieder wieder, spürte den pulsierenden Schmerz des Würgemales und spürte eine tiefe Erleichterung. Gerettet.

Sie öffnete die Augen und vergewisserte sich, dass sie allein zurückgeblieben war. Langsam rappelte sie sich auf, richtete ihre Kleidung wie unter Hypnose, verschnürte ihr Korsett etwas zu fest. Ihr Brustkorb wehrte sich gegen die Enge, doch Nele musste sich versichern, dass sie noch unberührt war, dass ihr Körper noch ihr alleine gehörte.

Langsam schlich sie zum Fenster und blickte teilnahmslos nach draußen. Was sie sah verschlug ihr den Atem. Alles erschien ihr wie ein einziger Alptraum. Ein Meer aus Feuer breitete sich aus und ein wilder Ameisenhaufen versuchte es zu löschen.
 


 


 

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Kapitel 5 - unerwartetes Wiedersehen
 

Erstarrt beobachtete Nele vom Fenster aus den Ameisenhaufen. Aufgeschreckt rannten die Menschen von einer Ecke in die nächste und versuchten die züngelnden Flammen zu bändigen. Über die Hälfte der Häuser, die Nele erkennen konnte, standen in Flammen. Plötzlich entdeckte sie eine bekannte Gestalt. Der Narbige. Mit einem Eimer bewaffnet machte er sich an die Verteidigung eines winzigen Stalles, genau gegenüber des Wirtshauses. Pferde riefen um Hilfe und trommelten aufgeregt gegen ihr Gefängnis.

Das ist die Chance, dachte sie mit neuer Entschlossenheit und vertrieb ihren Nebel nun endgültig. Sie würde nicht hier bleiben und auf seine Rückkehr warten. Sie würde kämpfen! Sie würde fliehen! Nele rannte zur Tür und lauschte Vorsichtig an ihr.

Nichts.

Sie Packte die Klinke, doch diese weigerte sich, den Fluchtweg freizugeben. Leise Panik kroch an ihr hoch. Zittern zog sie fester an der Tür, doch nichts rührte sich.

Langsam wurde ihr bewusst in welcher Lage sie sich befand. Unter Zeitdruck suchte sie nach einer Lösung ihres Problems. Ihr Blick blieb an dem Fenster kleben. Sie musste hier unbedingt raus. Egal wie. Entweder würden die Flammen sie verschlingen oder der Narbige kehrte zurück und würde das gleich vorhaben.

Tief einatmend erinnerte sie sich an die Kletteraktionen aus ihrer Kindheit. Während ihre Freunde flink auf den Baum stiegen, blieb Nele stets zurück. Mit aufgeschrammten Händen war sie immer die Letzte gewesen die den Baum bestieg. Doch dieses Mal ging es um ihr Leben. Sie musste es einfach schaffen!

Wieder blickte sie aus dem Fenster. Doch die grölende Masse war zu sehr mit dem Feuer beschäftigt, um ein Mädchen zu beachten, welches aus einem Fenster schlüpfte und um ihre Freiheit kämpfte.

Langsam schob sie das alte Fenster nach oben und stickige Luft wehte ihr entgegen. Rauch stahl sich in den engen Raum und brachte die Flüchtige zum Husten. Schnell suchte sie nach einem Halt und fand ihn an der Front der Wand.

Sie kletterte auf den Fensterstock und ließ ihre Beine kurz in der Luft baumeln, währen ihre Finger die Wand nach einem Riss abtasteten. Ein kleiner Sims gestatte es ihren Füßen Platz darauf zu nehmen.

Vorsichtig machte sie ihre ersten Schritte. Es war leichter als sie vermutete hatte. Langsam, aber immer mehr an Sicherheit gewinnend, rückte sie vor zum nächsten Fenster. Sie schob ihre Füße vorsichtig auf dem Sims entlang und rückte Millimeter um Millimeter voran. Unter ihr rannten die Menschen durcheinander und bellten sich gegenseitig Befehle entgegen.

Einige Männer, die sie im Wirtshaus gesehen hatte, trugen eimerweise Wasser zu einer Hütte, am Ende der Straße. Eine Frau hielt ein kleines Kind in den Armen und beobachtete von der Ferne aus, wie sich zwei kleine Jungen bemühten, ein Pferd die Straße entlang zu ziehen. Doch das Tier war zu verängstigt, um auch nur einen Schritt zu gehen.

Nele konzentrieren sich wieder auf ihre eigenen Probleme. Denn das Fenster, an das sie gelangt war, ließ sich einfach nicht öffnen. Sie fluchte in sich hinein. Konnte denn nichts glatt laufen? Ausschau haltend nach einer anderen Möglichkeit der Flucht, setzte sie einen weiteren Schritt nach vorn.

Der Wind zerwühlte ihr Haar. Einzelne Strähnen erschwerten ihre Sicht. Doch Nele traute sich nicht diese widerspenstigen Plagegeister hinter ihr Ohr zu streichen. Mit steifen Fingern klammerte sie sich an die kleinen Steinchen, die ihr einziger Halt waren und kämpfte sich tapfer zum nächsten Fenster vor.

Auf einmal verlor sie den Halt mit ihrem linken Fuß und glitt vom Sims ab. Mit einem lauten Schrei und einer schnellen Reaktion konnte sie sich rechtzeitig am Rande des Vorsprungs festhalten. Sie baumelte in der Luft, ihre Knie schlugen gegen die Wand.

Nele versuchte mit vergeblicher Mühe ihre Muskeln anzuspannen und sich nach Oben zu ziehen. Verzweifelt kämpfte sie um ihr überleben. Sie war so weit gekommen. Der Schweiß brach ihr aus und erschwerte es ihr sich festzuhalten. Mit einem lauten Fluch rutschten ihre glitschigen Finger ab und sie stürzte in die Tiefe. Ein Lauter verzweifelter Schrei entkam ihr und mischte sich unter die Menge. Sie fiel, und fiel und fiel und landete direkt in die Arme eines unglücklichen Passanten.

Verwundert starrte sie den jungen Mann an. Seine himmelblauen Augen erwiderten ihren Blick und starken Arme umfingen ihren Körper. Eine kurze Erinnerung durchzuckte das Mädchen, doch das Bild verschwamm vor ihrem innerem Auge genauso schnell wieder.

Der Körper des Mannes spannte sich unter ihrem Gewicht an. Er musterte Nele und schien sie mit seinem Blick förmlich zu verschlingen. Was für unglaubliche Augen. Was für eine Intensität.

Plötzlich entspannten sich seine Muskeln. Mit einem dumpfen Knall landete die Siebzehnjährige auf dem Boden. Abermals brachen wilde Flüche aus ihr heraus. Wutentbrannt rappelte sie sich auf die Beine und blickte den Jungen an. Ihr Hinterteil brannte höllisch.

„Du hättest mich auch absetzten können!“ zischte sie ihm entgegen.

„Denkst du ich habe ewig Zeit dich zu halten und sanft auf den Boden zu setzten. Außerdem bist du nicht gerade leicht.“ erwiderte er gleichgültig.

Nele schnaubte ihm entgegen. Der Fremde drehte sich um und setze seinen Weg fort. Sie folgte ihm mit großen Schritten. Sichtlich verärgert, drehte er sich um und begegnete ihr mit giftigem Blicken.

„Was soll das? Verfolge mich nicht!“, fauchte er ihr entgegen.

Achselzuckend trat sie an seine Seite.

„Ich bin neu hier und ich weiß nicht wohin“, versuchte sie ihr Glück, in der Hoffnung jemanden gefunden zu haben, der ihr helfen könnte.

„Verschwinde du Hure! Ich will nichts von Harris Prostituierten wissen. Außerdem gilt hier die allgemeine Regel, dass sich jeder um sich selbst kümmert.“ keifte er sie an. Nele ließ sich davon aber nicht abschrecken.

Empört holte sie aus, doch bevor ihre Hand ihr Ziel erreichen konnte, hatte der Junge sich bereits umgedreht und mit eiligen Schritten davon gemacht. Sollte sie ihm hinterher rennen? Was sollt sie jetzt nur machen? Der Geruch nach verbrannten Haaren schlug ihr entgegen. Sie musste hier schleunigst weg. Aber wohin?

Plötzlich tauchte der große Felsen, der inmitten einer Lichtung stand, in ihrem Geiste auf. Sie dachte an den Weg den sie zu Pferd zurückgelegt hatte und hoffte, dass sie ihn wiederfinden würde.

Vielleicht könnte ihr das Grab ja irgendeinen Hinweis liefern, wie sie wieder nach hause finden kann. Eine kleine Stimme in ihrem Inneren zweifelte an diesem Gedanken und drängte sie dazu dem fremden Jungen zu folgen. Sich auf einen anderen zu verlassen. Doch das widerstrebte dem Mädchen. Sie würde sich nur auf sich selbst verlassen können. Nele klammerte sich an die einzige Hoffnung und machte sich auf den Weg, um den Wald wiederzufinden.

Immer noch herrscht reges Chaos in dem kleinen Dorf. Die scheinbar Unsichtbare schlüpfte durch die aufgewühlte Masse und drehte sich nicht um. In Gedanken versunken versuchte sie sich an den richtigen Pfad zu erinnern. Einige der Gebäude, an denen sie vorbei kam, erkannte sie wieder. Andere wiederum waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt oder wurden gerade von den züngelnden Flammen verspeist. Etwas an dem Feuer beunruhigte sie, aber sie wusste nicht was es war.

Ab und zu zweifelte Nele, ob sie dem richtig Pfad folgte, doch dann entdeckte sie wieder einen Punkt, den sie sich im Voraus zur Orientierung gelegt hatte. Ehe sie sich versah, gelangte das Mädchen an die Felder, es dauerte nicht lange und sie erreichte daraufhin den Wald. Ohne zu zögern ging sie hinein. Aber schnell hatte sie die Zuversicht wieder verlassen.

Der unsichtbare Weg, denen die Banditen gefolgt waren, war verschwunden. Jedenfalls für Neles Augen. Sie konnte nicht erkennen aus welcher Richtung sie ursprünglich gekommen war. Deshalb ergab sie sich einfach ganz ihrem Instinkt.

Der Mond strahlte in die Nacht und beobachtete gemeinsam mit den Sternen die Wanderung des Mädchens. Nele erschauderte bei dem Gedanken, dass sie alleine in der Dunkelheit den Wald durchquerte. Sie beschleunigte ihre Schritte.
 

Während sie ihrem ganz eigenem Pfad folgte, dachte sie wieder an das was geschehen war. Blitzschnell zogen an ihr die Bilder vorbei:

Erst der glühende Spiegel in ihrem Schrank, dann die Finsternis und die Frau, die ihr so ähnelte und doch ganz anders zu sein schien. Der blonde Bandit mit den blauen Augen und seine skrupellosen Männer, sowie auch Harri, hatten einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen.

Bei dem Gedanken an den Narbigen überfiel sie ein eiskalter Schauer. Zitternd zog sie ihre Arme enger um ihre Mitte. Nele spürte noch immer den Druck seiner warmen Hände auf ihrem Körper und die die Zunge auf ihrer Haut. Würgend erbrach sie das klägliche Abendmahl, dass sie zu sich genommen hatte.

Sie versuchte flach zu atmen und wieder zur Ruhe zu kommen. Der saure Geschmack auf ihrer Zunge half ihr leider nicht dabei. Doch das Gesicht des blonden Jungen mit seinen himmelblauen Augen, erhellte ihren Geist wieder ein wenig.

Wer war er und vor allem warum kam ihr sein Gesicht so bekannt vor? Lange machte sie sich Gedanken über ihn. Erst dachte sie er wäre einer der Banditen gewesen, doch sie konnte sich nicht erinnern dort so einen jungen Mann gesehen zu haben. Sein Gesicht erinnerte sie an den Banditenanführer. Die langen blonden Haare, seine weichen, attraktiven Gesichtszüge und der muskulöse Körperbau. All das ähnelte David sehr.

Auf einmal kam ihr der Jungen vom Dach wieder in den Sinn. Wie er sich verwirrt umsah und dann direkt in ihre Richtung blickte. Allerdings konnte sie sich nicht mehr genau an sein Gesicht oder seine Kleidung erinnern. Sie hatte zu viel in letzter Zeit erlebt und er erschien ihr jetzt auch nicht gerade wichtig.

Alle Eindrücke vermischten sich miteinander. Abermals durchzuckte sie ein eiskalter Schauer und diese beißende Übelkeit. Nele dachte daran, wie schnell der Tag vergangen war und das Schmerzen ihrer Füße machte ihr deutlich, wie lange sie schon im Wald herum irrte.

In die Ferne lauschend vernahm sie ein leises Summen von Insekten und das rascheln der Tiere im Unterholz, die gerade nach Nahrung suchten oder sich auf die Nacht vorbereiteten.

Vor Kälte zitternd und aus Angst schüttelnd, grauste es sie vor dem Gedanken die Nacht im Wald zu verbringen. Vorsichtig blickte sie sich um. Wie spät es wohl in Wirklichkeit war?

Nele tastete den Boden unter sich ab und hockte sich an einen Baum. Sie zog ihre Knie an sich heran und stützte den Kopf darauf.

Sie wusste, dass sie niemals würde einschlafen können. Doch um ihrem Körper eine kleine Pause zu verschaffe, beschloss sie ein wenig zu ruhen und hoffte die Nacht würde schnell wieder zum Tag werden. Ihre Sinne in alle Richtungen ausgestreckt sank sie in einen leichten Schlummerzustand.
 


 

Plötzlich schreckte Nele auf. Sie sprang auf ihre Beine und drehte sich wie wild um ihre eigene Achse, damit sie die Richtung ausmachen konnte, aus der das Getrommel von unzähligen Pferdehufen kam.

Ehe sie sich versah, packte sie eine Hand von hinten und zog sich das Mädchen aufs Pferd. Leise fluchend über die Tatsache, dass sie eingedöst war und so den Angreifer nicht eher bemerken konnte, strampelte das Mädchen, um sich aus dem Griff des Reiters zu befreien.

„Na wen haben wir denn da?“ hauchte eine bekannte Stimme ihr ins Ohr. „Da hatte aber jemand Glück und konnte fliehen.“

David umklammerte ihre Hüfte mit der einen Hand und die Zügel mit der anderen. Zwar war Nele erleichtert nicht mehr allein im Wald zu sein, doch dass es die Banditen waren, denen sie über den Weg laufen musste, ließ ihre Freude verblassen. Zornig blickte sie starr nach Vorne und drückte ihren Rücken gerade durch.

„Hey Boss, was machen wir jetzt mit der. Zweimal am selben Tag das gleiche Weib aufzugabeln ist schon recht seltsam“, meinte einer der Banditen und lachte genüsslich. Zustimmend blickte er in die Richtung desjenigen der ihn angesprochen hatte.

„Sie nochmal zu verkaufen wäre eigentlich zu schade und keiner zahlt so gut wie Harri. Außerdem kauft er sie uns bestimmt kein weiteres Mal ab, vor allem, da er ja jetzt sein Wirtshaus verloren hat.“ lachte er seinem Anhänger entgegnen. Der Rest der Truppe stimmte mit ein.

Nele schluckte leise. Wiedereinmal lag es in der Hand der Banditen, was mit ihr geschehen sollte.

„Mh..“ überlegte der Blonde kurz. „Na was soll’s, dann schenke ich sie eben Chris“, legte kurzerhand fest.

„Da wird sich Moe aber nicht gerade freuen.“ gab eine andere lachende Stimme von sich. Diese stammte von einem etwas kräftigeren Mann mit kurzen schwarzen Haaren und einer langen Narbe auf der Stirn.

Nele viel auf, dass die meisten Banditen, die sie gesehen hatte, eine Narbe trugen, was zeigte, dass sie oft in wilde Kämpfe verwickelt sein mussten. Was für widerliche Kerle.

„Sie versucht doch schon seit Ewigkeiten an ihn ran zu kommen aber bis jetzt ohne Erfolg.“ fügte er noch schnell hinzu.

„Das ist ja nicht mein Problem.“ scherzte der Anführer.

Plötzliche Wut schlug in Nele empor und sie beschloss sich endlich verbal zur Wehr zu setzten: „Na hör mal! Ich bin doch keine Ware die du so einfach verkaufen kannst. Ich bin ein Mensch!“

David runzelte die Stirn. Obwohl er sie verkauft hatte und sichtbar kein Mann war, mit dem zu scherzen war, traute sich das Mädchen viel zu viel.

„Natürlich bist du Ware. Menschliche Ware!“ antwortete einer seiner Gefährten und wieder brach lautes Gelächter aus.

Plötzlich erstarben die Stimmen. Nele bemerkte die angespannte Stimmung und hielt die Luft an. David zog an den Zügeln und brachte den Schimmel zum stehen. Die Anderen folgten seinem Beispiel.

Alle schienen in den Wald hinein zu horchen. Ein seltsamer fauliger Geruch breitete sich aus. Weit und breit war allerdings nicht zu hören. Es war still. Viel zu still für einen belebten Wald.

Auf einmal gab der Anführer einen lauten Schrei von sich und verließ den Weg um tiefer in den Wald zu reiten. Nele hatte große Mühe sich fest zu halten. Sein starker Arm grub sich in ihre Hüfte.

Die Pferde hasteten im Unterholz entlang und Nele bemerkte, dass irgendetwas hinter ihnen her war. Sie konnte sich aber nicht umdrehen, weil sie sonst den Halt verloren hätte.

Ein grauenvolles Jaulen drang an ihr Ohr. Schlagartig breitete sich Gänsehaut auf ihrem Körper aus. Was war das gewesen? Noch nie hatte sie einen derartigen Laut gehört.

Die nackte Angst packte sie mit einem Mal und hielt sie fest in ihrem Griff gefangen.

Langsam zog ein dichter Nebel auf und versetzte die Pferde in einen panikartigen Zustand. Sie trieben immer weiter voran. Ihre Reiter hatten alle Mühe sich an ihnen Festzuhalten und dafür zu sorgen dass ihr Tier nicht durchbrannte.

In der Ferne konnte Nele ein leichtes Schimmern erkennen. Der weiße Schimmel durchbrach das Unterholz und kam mit einem Mal vor einem Lagerfeuer zum stehen. David runzelte seine Stirn. Anscheinend hatte er nicht erwartet, dass das Lager leer war. Besorgt spielte er mit den Zügeln seines Pferdes. Dann setzte er Nele abrupt ab und wandte sich seinen Männern zu.

„Hier stimmt etwas nicht. Wir sehen uns um. Keiner verlässt die Gruppe!“ Er drehte sich zu der Siebzehnjährigen um und richtete seine nächsten Worte an das verängstigte Mädchen: „Bleib lieber hier sonst könnte dir noch etwas zustoßen.“ David setzte daraufhin sein Tier wieder in Gang und die Gruppe verschwand im dichten Nebel.

Ungewiss, was die starken Männer so in Angst versetzt hatte, blieb Nele allein zurück. Sie blickte sich kurz um, dann schritt sie auf das Lagerfeuer zu. Kein einziger Laut war zu hören, außer dem knistern des Feuers wie es genussvoll seinen Hunger an dem Holz stillte.

Nele dachte an die eindringliche Stimme von David, als er sie warnte nicht von hier fort zu gehen. Eigenartigerweise hatte sie geglaubt Besorgnis in seinem Ton wahrzunehmen. Sie runzelte die Stirn. Kopfschüttelnd über diesen abwegigen Gedanken lauschte sie in die Ferne.

Ihre Sinne fingen eine seltsame Aura hinter ihrem Rücke auf. Erstarrt aus Angst und Unsicherheit, traute sich das Mädchen nicht sich um zudrehen. Langsam blickte sie zum Boden und erkannte einen Schatten. Dieser wanderte immer näher, schlich sich an seine Beute heran.

Plötzlich hielt sie die Anspannung nicht mehr aus und rannte los. Sie rannte in die Richtung, in der die Banditen verschwunden waren. Verzweifelt trieb sie ihre Beine voran. Der Schatten folgte ihr und schien sie überholen zu wollen.

Vor lauter Panik übersah das gehetzte Mädchen eine Wurzel zu ihren Füßen und fiel stolpernd zu Boden. Dabei blieb sie mit ihrem Kleidersaumen an einer weiteren Wurzel hängen und konnte dieser nicht mehr entkommen, egal wie stark sie an ihrem Kleid auch zerrte. Die Klauen fesselten sie in der Dunkelheit und der Schatten kam immer näher. Angst erfüllt schloss sie ihre Augen und betete, dass der Schatten verschwand. Doch ohne Erfolg. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brut. Würde sie jetzt sterben?

Unbekannte Kreatur

Zitternd betete Nele wieder zu dem ihr unbekannten Gott. Mit sich und ihrer Furcht kämpfend öffnete sie vorsichtig eines ihrer Augen und blinzelte zu der Gestalt, die den Schatten warf.

„Was machst du denn hier draußen allein im Wald? Das ist nicht gerade ungefährlich!“ zischte sie eine bekannte männliche Stimme an. Jetzt öffnete die Siebzehnjährige auch ihr anderes Auge und konnte wieder neuen Mut fassen.

Gleichzeitig kroch unglaubliche Wut in ihr empor, als sie daran dachte, dass sie dieser Junge auf den Boden geworfen und allein in dem brennenden Dorf zurückgelassen hatte. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt um sich dieser Art von Gefühlen hinzugeben. Sie musste sich zusammenreißen.

Der Junge mit dem blonden Zopf hielt ihr die Hand hin und deutete ihr aufzustehen. Erleichtert, nicht mehr alleine zu sein, nahm Nele seine Hand dankend an und stand auf. Dabei riss ihr Kleid und ein Stück davon blieb an der Wurzel hängen, die sie zuvor festgehalten hatte.

„Danke.“ murmelte sie ihm entgegen, mit der wenigen Würde, der ihr noch geblieben war.

Der Junge drehte sich auf einmal um und lauschte in die Ferne. Nele wunderte sich und folgte seinem Beispiel. Auch hier war wieder diese seltsame Anspannung zu spüren, die ebenfalls bei den Banditen vorgeherrscht hatte. Sie runzelte die Stirn. Irgendetwas ging hier vor sich. Aber nur was?

„ Was hast du?“ fragte sie ungeduldig, nachdem sie nichts hatte hören, geschweige denn sehen können. Der Wald war in absoluter Finsternis und Stille getaucht. Eine Stille die einem jeden Nerv rauben konnte. Nicht einmal das leiseste Vogelgezwitscher, ein Flügelschlag oder das rascheln der Bäume war zu hören. Kein einziger Laut drang an ihr Ohr, abgesehen von ihrem eignen unregelmäßigem Atem. Nele trat unruhig von einem Bein auf das andere. Dabei zertrat sie aus versehen einen kleinen Zweig. Das Knacken schien sich in der Dunkelheit zu verlieren.

„Sei still!“ zischte es ihr entgegen.

Nele fuhr kurz zusammen, mit so einen scharfen Tonfall hatte sie nicht gerechnet. Doch kein weiteres Mal würde sie sich das gefallen lassen.

„Nein! Ich rede wann ich will. Ich mache was ich will! Ihr könnt mich alle mal!“ schrie sie in den Wald hinaus, halb an den Jungen gerichtet, halb an diesen schrecklichen Orte, an dem sie gelandet war. Die Hysterie ergriff kurz Besitz von ihr. Übermannt von ihren Gefühlen, drehte sich Nele auf dem Absatz um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Diese gesamte Atmosphäre machte sie reizbar und überempfindlich. Sie verstand sich selbst nicht mehr.

Wut brodelte in ihr. Nie hatte sie gedacht jemals einen Ort so sehr verabscheuen zu können. Mit großen Schritten marschierte sie davon. Es dauerte aber nicht sehr lange und sie bereute ihren Ausbruch. Ihre Gefühle spielten verrückt. Sie zitterte am ganzen Leib. Allein war sie in dieser Welt verloren. Der Junge konnte ja nichts dafür, dass sie hier gelandet war. Er hatte sie nicht in diese Welt geholt und auch nicht verkauft.

Auf einmal zog ein dichter Nebel auf. Er schien sich um das Mädchen anzusammeln und sie verschlingen zu wollen. Mit dem Nebel wurde auch ein unerträglicher Gestank an sie heran geschwemmt. Nele hatte alle Mühe sich zu beherrschen und sich nicht auf der Stelle zu übergeben. Kurz verschwamm ihr Blick. So etwas widerliches hatte sie noch nie gerochen. Faulig, Ranzig, Verwesend.

Ein grauenvolles Heulen drang an ihr Ohr und ein entsetzlicher Schrei entwich ihrer Kehle, als ein Paar roter Augen vor ihr auftauchte. Entsetzt blickte sie die rubinroten Schlitze an. Was war das denn?

„Pass auf!“ rief ihr eine Stimme zu und stieß sie unsanft an einen Baum. Kurz durchflutete ein Welle von Schmerzen ihren Körper. Das Mädchen sog scharf die Luft ein und richtete ihren Blick wieder auf die unbekannte Kreatur. Ihr Beschützer richtete sein Schwert gegen das Ungeheuer und ließ es nicht aus den Augen. Doch dieses schien keineswegs beunruhigt zu sein.

Sie war fast so schwarz wie die Nacht und so gut wie unsichtbar in der Dunkelheit. Einzig ihre roten Augen leuchteten wie glühende Kohlen und starrten zu dem entsetzten Mädchen hinüber. Sie fixierten ihre Beute und ließen sie keinen Augenblick außer Acht. Nele überkam eine Gänsehaut. Ekel kroch an ihrem Rückrad nach oben. Was um Himmelswillen war das?

Die langen Hinterbeine krümmten sich nach hinten, für den nächste Angriff bereit. Die viel zu kurzen Vorderbeine hatten alle Mühe das Gleichgewicht des Wesen zu halten. Der glatte, lange Schwanz schlug wie wild voller Ungeduld hin und her. Die peitschenden Klänge wurden vom Wald gierig verschlungen.

Der schmale Kopf wiegte sich im plötzlich aufkommenden Wind, ab und zu blitzten die verkrüppelten Zähne hervor. Ätzender Speichel verpestete die Luft und tropfte auf den Boden herab. Ein leises zischen drang an Neles Ohr und drängt sie einen Schritt zurück. Sie wusste nicht was sie vor sich hatte, aber dieses Ding war auf keinen Fall von dieser Welt. Und noch viel wichtiger war, dass es ihr nicht freundlich gesinnt zu sein schien.

Abermals kämpfte sie gegen die sich anbahnende Übelkeit. Jetzt verstand sie die Besorgnis der Banditen und die knisternde Anspannung. Der Mond leuchtete zwar hell am Himmel, doch sein Licht drang nicht durch die Kronen der Baumwipfel, um diese Kreatur aus der Dunkelheit zu holen. Er schien sich selbst vor ihr verstecken zu wollen.

Nele bemerkte, wie sich der Junge vor ihr langsam bewegte. Er schob sein rechtes Bein leicht in Richtung der Bestie und straffte seinen Rücken. Seine Muskeln spannten sich sichtlich an. Er selbst wirkte wie eine lauernde Bestie, bereit zum Angriff.

Aus einem bizarren Grund heraus, fühlte sich Nele in seiner Nähe sicher und geborgen. Das verwunderte sie. Ihr Blick heftete sich an seinen starken Rücken. Vorsichtig musterte sie den jungen Mann. Er trug, genau wie David, einen langen braunen Mantel. Seine Hosen schienen aber verschlissener zu sein, als die des Banditenbosses. Da er mit dem Rücken zu ihr stand konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen.

Plötzlich schien die Kreatur ihre Geduld zu verlieren und setzte zum Angriff an.

Nele erschrak als sie in den Spitzen der Baumkronen verschwand. Kein Rascheln war zu hören gewesen. Wie von Geisterhand war das Ding verschwunden. Einen Atemzug später landete die schwarze Bestie direkt vor ihren Füßen und schickte ihr einen Laut entgegen, der einem grunzen ähnelte.

Vor Schreck versucht Nele weiter nach hinten auszuweichen, doch der Baum versperrte ihr den Weg und die Wurzel drückte gegen ihren Fußknöchel.

„Verschwinde da endlich!“, rief ihr der Fremde entgegen. Er holte mit seinem Schwert aus und schwang es, etwas plump, dem Biest entgegen. Dabei streifte er den rechten Vorderlauf und es heulte lauthals auf.

Nele spürte eine unbekannte Kraft in sich, die ihr half einen Schritt zur Seite zu wagen und fortzulaufen. Dabei stolperte sie über ihre eigenen Beine, setzte jedoch zu einem Sprint an und versuchte zu entkommen. Was sollte das alles? Warum verfolgte es sie?

Das Ungetüm machte sich auf die Jagd. Doch der junge Mann ließ ihm keine Ruhe. Er stach mit seinem Schwert immer wieder zu, warf einige Steine, die er beim hinter herlaufen aufgehoben hatte, und brüllte mächtige Flüche dem Ungetüm entgegen. Doch nichts schien es von seiner Beute abzulenken.

Außer Atem blieb Nele stehen. Noch nie hatte sie so etwas zuvor erlebt. Das konnte doch nicht wirklich alles real sein. Sie glaubte jeden Moment aus einem Albtraum erwachen zu müssen.

Die Kreatur sprang über ihren Kopf und kam vor ihr zum stehen. Schwaden dunklen Blutes quoll aus unzähligen kleinen Verletzungen hervor. Der Junge schien es oft mit seinem Schwert getroffen zu haben. Doch das Monster nahm scheinbar keine Notiz davon.

Mit seinen Augen fixierte es sein Opfer und gab leise klickende Laute von sich, ganz so als ob es Nele von ihrem unweigerlichen Tod erzählen wolle.

Das Mädchen erwiderte aus puren Trotz den Blick. Sie wusste nicht warum, aber aus der Nähe betrachtet hatte sie plötzlich keine Angst mehr. Oder war es das Adrenalin, dass ihre Adern durchfloss, dass ihr diesen Mut verlieh? Ihr Herz raste jedenfalls wie wild. Nele würde um nichts in der Welt aufgeben. Heute war nicht ihr letzter Tag gewesen. Sie würde auf gar keinen Fall hier sterben.

Etwas regte sich in ihrem Innerem. Es versuchte herauszukommen, doch Nele kämpfte gegen das unbekannte Gefühl an. Immer noch das Ungetüm anstarrend, blieb sie standhaft und straffte ihren Körper.

Wie konnte dieses Ding es wagen, ihre, schon so müden Beine, durch das Unterholz zu jagen ohne, dass Nele ihm etwas getan hatte! Wut und Empörung verdrängte ihre Angst. Alles was sie bis jetzt erlebt hatte kam in ihr hoch. Dieser beschissene Spiegel! Alles war einfach nur beschissen! Auch diese Begegnung würde Nele überleben und dann einen Weg nach hause finden. Das schwor sie sich.

„Was bleibst du stehen? Bist du völlig verblödet? Lauf gefälligst weg!“, brüllte ihr Beschützer, nachdem er sie endlich eingeholt hatte. Warum hatte er so lange gebraucht?

In diesem Moment setzte das Ungetüm wieder zum Sprung an. Es ging alles viel zu schnell, als dass Nele hätte begreifen können was gerade geschah.

Der Junge würde sie nie rechtzeitig erreichen, bevor das Monster sie zerriss. Trotz dieser Gewissheit setzte er sich fluchend in Gang. Befahl seinen Beinen zu fliegen. Er musste sie beschützen. Komme was wolle.

Nele schloss aus Reflex ihre Augen und spannte ihren Körper an. Kurz umhüllt sie wohltuende Dunkelheit. Die Zeit schien auf einmal still zu stehen. Erst spürte sie es nur, aber dann konnte sie es sehen. Das orangefarbene Schimmern. Genau das gleiche, wie aus dem Spiegel. Es schien nach Nele zu rufen. Süß und verlockend, heizte ihre Wut noch mehr an. Als sie nach diesem Leuchten greifen wollte hörte sie ein lautes Surren in der Luft.

Es zerstörte die Stille und vermehrte sich. Dann ein lauter Schrei. Unerträglich grausam. Das Leuchten verschwand plötzlich wieder und hinterließ eine unbefriedigende Leere. Nele öffnete ihre Augen, wurde wieder in die Wirklichkeit zurück katapultiert.

Die Kreatur brach zu ihren Füßen zusammen. Durchbohrt von dutzenden Pfeilen lag es in seinem eigenem Blut wie eine bizarre Opfergabe. Seine Augen erloschen langsam. Trotzdem klebte der starre Blick noch an Nele und brannte sich in ihre Seele. Sie traute sich kaum Luft zu holen und bewegte sich keinen Zentimeter. Was war nur geschehen?

Der Junge bremste vor der blutenden Gestalt und schwang sein Schwert im hohen Bogen. Dabei trennte es den Schädel des Monsters mit einem freudigen zischen ab. Wieder schwappte ein Welle von Blut aus der Kreatur heraus und ein kurzes zucken im linken Hinterbein verriet, dass es seinen letzten Atemzug hinter sich hatte.

Der Boden verschlang die rote Pfütze und die Dunkelheit schien sich langsam aufzulösen. Ein leises zirpen war zu hören. Der Wald erwachte zu neuem Leben. Scheinbar war die Gefahr vorüber.

Erleichtert Atmete Nele auf.

Der junge Mann, der neben ihr stand, starrte hinüber in die Büsche. Mit seiner Linken hielt er sich eine klaffende Wunde an seiner Seite und versuchte, den lebensnotwendigen Saft, zurück zu halten. Nele richtete ihren Blick in dieselbe Richtung wie ihr Beschützer.

Ein halbes dutzend Banditen stand außer Atem und mit noch gespannten Bögen in den Büschen. Sie grinsten schelmisch. Scheinbar froh, das Ungeheuer erlegt zu haben. David trat hervor und musterte die beiden Jugendlichen.

„Hier steckst du also!“, schnaubte er ihnen entgegen. Doch diese Äußerung war nicht an Nele, sonder an den Jungen neben ihr gerichtet.

„Du wurdest aber ganz schön zugerichtet.“ Er schnalzte missbilligend mit der Zunge und musterte den Jungen von Kopf bis Fuß. Ehrliche Sorge zeichnete sich in seinem Gesicht ab.

„Pha. Das ist doch nur ein Kratzer!“, schnaufte Neles Beschützer ihm entgegen und bewegte sich auf die Truppe zu. Seine Schuhe gaben dabei keinen Laut von sich. Sie bemerkte seine katzenhaften Bewegungen und konnte nicht umhin diese zu bewundern. Im gleichen Augenblick schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Nun war wirklich keine Zeit für solche zarten Bewunderungen.

Nele betrachtete die Beiden sorgfältig und verglich sie mit einander. Es gab keinen Zweifel. Sie ähnelten sich so sehr wie es nur zwei Brüder konnten. Doch sie wusste nicht wie sie die sichtliche Abneigung zwischen den beiden deuten sollte. Die Gruppe schien das Mädchen nicht zu beachten und begab sich geschlossen auf den Rückweg.

Mit eiligen Schritten beschloss die Fremde den Männern unaufgefordert zu folgen. Schon der bloße Gedanken daran allein auf so eine Kreatur zu stoßen ließ sie erzittern.

Das Lager der Baditen

oje ich weiß, ich habe mir echt viel zeit gelassen mit dem Kapi >.>
 

Asche übr mein haupt :p
 

ich hofe es gefällt euch so gut wie es mir gefällt.
 

ich mag die charaktere die ich hier vorstelle sehr gern aber bildet euch am besten eure eigene Meinung dazu.
 

ich freu mich über jdes kommentar eurerseits.
 

also viel Spaß
 

eure hina chan

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Kapitel 7: Das Lager der Banditen
 

Die Gruppe schienen nicht all zu weit von ihrem eigentlichen Lager entfernt zu sein.

Schon aus der Ferne konnte man das Feuer erkennen, da es die Gegend um sich herum weitläufig erhellte, die eigentlich in der tiefen Dunkelheit versunken sein sollte.

Ein etwas älterer Mann drosselte sein Tempo. Er lief einige Schritte entfernt vor Nele. Sie musterte ihn genau und erkannte ihn sofort.

Seine Statur war recht muskulös, passte aber perfekt zu seiner Größe. Die weiten braunen Hosen schlenderten um seine Beine und das schon von einem leichten Grau durchzogene, weiße Hemd betonte gekonnt seinen trainierten Körper.

Er trug eine Narbe im Gesicht, die ihn nicht entstellte, sondern seine Dominanz noch weiter unterstrich.

Die Siebzehnjährige hatte ihn schon des Öfteren an der Seite des Banditenbosses gesehen und vermutete, dass dieser ein treuer Freund und Untergebener David´s war.

Nele fühlte sich unbehaglich, als dieser sie, über seine Schulter hinweg, ansah.

„Du solltest doch im Lager warten.“ tadelte er sie, „Wir haben dich überall gesucht. Du kannst dich glücklich schätzen, dass wir euch beide noch rechtzeitig gefunden haben!“

Jetzt wand er sich dem Jungen mit dem geflochtenen Zopf zu. Auch dieser war nicht weit von Nele entfernt.

„Auch von dir war es dumm, die Anweisungen deines Bruders zu missachten!“

Zufrieden mit seiner Strafpredigt seufzte der Narbige.

„Ach ja, Chris, dieses Mädchen hier ist für dich.“ mit seinem Kopf deutete er auf Nele. Doch der Angesprochene reagierte nicht auf dessen Bemerkung. Er fixierte stur den Blick in die Richtung des Lagers und beschleunigte seine Schritte, um schneller an sein Ziel zu gelangen.

Plötzlich blieb er ruckartig stehen. Er schnaufte kurz verächtlich, als eine Person von weitem näher kam.

„Chris! Oh, endlich da bist du ja. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht.“ sie warf einen kurzen Blick auf Nele, die aufgeholt hatte, dann wand sie sich wieder an den Jungen.

„Oh, nein. Du bist ja verletzt.“ Besorgnis lag in ihrer Stimme.

„Sei still Moe!“ fuhr er das Mädchen an. Diese wich zurück und machte dem sichtlich verärgerten Jungen platz.

Chris ließ sich auf einem Baumstamm sinken und beobachtete das Geschehen im Lager.

Die Luft frischte auf. Die Blätter ließen sich sanft hin und her wiegen. Die Stimmen der Banditen übertönten die endlose Stille des Waldes.

Heiße Diskussionen und lautes Gelächter verbreiteten sich.

Moe drehte sich noch einmal kurz nach Chris um, dann wandte sie sich an den Narbigen.

„Was ist passiert? Warum ist Chris verletzt?“ fragte sie mit sichtlichem Zorn in der Stimme.

„Ach das übliche halt. Du kennst ihn doch, er lässt nie einen Kampf mit den Snarks aus. Sein Hass ist grenzenlos.“ zwinkerte er ihr beruhigend entgegen.

Trotz der liebevoll hervorgebrachten Worte, ließ Moe nicht von ihrem herablassenden Ton ab.

„Und wer ist das?!“ deutete sie auf den Neuankömmling.

Nele richtete sich gerade auf, um etwas Autorität zu zeigen.

„Ein Geschenk für Chris.“ lachte ihr jetzt der erheiterte Narbigen zu.

„Was! Schon wieder?! Was denkt sich David eigentlich dabei?“ protestierte sie lauthals. Wohl wissend das der Anführer nicht weit von ihr entfernt stand.

Wieder etwas beruhigter fragte sie dann: „Und wo kommt sie her?“

„Das ist eine lange Geschichte.“ erwiderte der Narbigen, „die erzähle ich dir später. Lass mich erst einmal ausruhen.“

Dann ließ er die beiden Mädchen allein und schlenderte auf einen Topf zu, der über einem Feuer hing.

Eine etwas kräftigere Frau stand dort und rührte ohne Unterlasse in der Mahlzeit herum, die sie anscheinend zubereitet hatte.

Insgesamt brannten drei Feuerstellen. An der ersten standen einige Männer die sich um den Topf versammelt hatten. An dem zweiten aßen bereits die ersten und schwatzten vergnügt miteinander.

An dem letzten Lagerfeuer konnte Nele einige ihr bekannte Gesichter entdecken. Sie schätzte, dass ungefähr zwanzig bis dreißig Menschen hier versammelt waren. Wenige Frauen aber viele Männer unterschiedlichsten Alters.

Nele viel auf, dass alle eine Sache gemeinsam hatten: ein Kampf hatte sichtliche Spuren hinterlassen.

Im Lager herrschte eine heitere Stimmung. Trotzdem war eine gewisse Anspannung unter den Banditen zu spüren.

Mit etwas Unbehagen in der Bauchgegend, betrachtete Nele ihr Gegenüber.

Moe war eine echte Schönheit, dachte sie.

Ihr langes, seidig weiches, braunes Haar, war zu einem Pferdeschwanz hoch gebunden. Dieser ließ sich vom Wind umspielen und peitschte sachte gegen Moes Rücken.

Ein eng anliegendes blaues Hemd betonte ihre Figur und ließ einen kleinen Blick auf ihren Ausschnitt zu, da die obersten drei Köpfe offen standen.

Die braune Hose streckten ihre schon langen Beine und gaben ihr einen grazilen Glanz.

Moe hätte in Neles Welt ein Modell oder eine Schauspieler werden können, dachte sie.

Abschätzend musterte die Banditin die Fremde. Es dauerte nicht lange und sie rümpfte angewidert die Nase.

Schnaufend blickte sie auf Nele herab.

„Pah. Ich wusste doch, dass du mir bekannt vorkommst.“

Unsicher zuckte Nele zusammen. Woher sollten sie sich kennen?

„Du bist eine von Harris Prostituierten.“ lachte sie laut, damit jeder ihre Worte auch hören konnte.

Nele straffte ihren Rücken. Sie beschloss nichts zu erwidern und über den Dingen zu stehen. Stolz und Erhaben erwiderte sie den Giftigen Blick der jungen Frau, im Bewusstsein der Blicke die jetzt auf den Beiden ruhten.

Miststück, dachte die Siebzehnjährige.

Diese Haltung fachte Moes Zorn nur noch mehr an.

„Du siehst aus wie eine...“

„Sei still!“ unterbrach sie eine mächtige Stimme und erregte die Aufmerksamkeit aller.

Erschrocken drehte sich Moe zu der Quelle dieser Worte um.

„Denk an deine eigene Vergangenheit und hör auf hier so rum zu krakeeln!“ tadelte er sie, denn Chris schien sichtlich verärgert über Moes verhalten zu sein.

Irritiert, weil dieser sich nie in ihre Lästereien und Intrigen einmischte, zog sich das Mädchen zurück. Sie setzte sich zu einer Runde von Männern an ein Lagerfeuer, die der heißen Wortgefechte gelauscht hatten.

Nele rührte sich nicht vom Fleck.

Es dauerte nicht lange und David kam auf sie zugelaufen. In seinen Händen hielt er Brot und Schüsseln mit einer klaren Flüssigkeit für zwei Personen.

Eine Portion reichte er ihr.

„Hier iss. Du hast bestimmt Hunger. Da du jetzt scheinbar eine Weile bei uns bleibst, denke ich es wäre angemessen sich vorzustellen.“

Zuerst zeigte er auf sich selbst.

„Ich bin David und der Boss dieser Bande. Das Mädchen eben war Moe. Sie ist netter wenn man sie erst besser kennen gelernt hat.“ lachte er.

Das bezweifelte Nele allerdings. Sie glaubte kaum, sich jemals mit ihr anfreunden zu können. Aber das spielte auch keine Rolle, denn sie hatte eh nicht vor ewig hier zu bleiben.

Als nächstes zeigte David auf den Narbigen. Der sich rege mit einigen Männern in einer kleinen Runde zu unterhalten schien. Nebenbei verzehrte er die Suppe, die er sich gerade geholt hatte und trank dazu etwas Bier aus einem Krug.

„Der da ist Ben. Mein treuester Freund. Er übernimmt manchmal den wilden Haufen hier, wenn ich nicht da bin.“

Diese Worte bestätigten Neles Vermutungen.

„Der junge Mann, der dich gerettet hat, ist Chris, mein jüngerer Bruder.“

Wieder einmal glaubte Nele den Jungen schon einmal irgendwo gesehen zu haben.

„Den Rest meiner Männer wirst du dann nach und nach selber kennen lernen. Nun gut. Wie ist dein Name?“

Kurz zögernd doch vollkommen selbstsicher antwortete sie:

„Nele Gerens.“

Dabei ließ sie sich nicht anmerken, dass sie sich sichtlich unwohl fühlte, bei dem Gedanke die Nacht zwischen dem Haufen von Männern verbringen zu müssen. Abgesehen von Moe, der Frau an dem Topf und ihr waren nur noch wenige Frauen in dem Lager.

Nele schätze, dass es ungefähr sieben sein müssten.

Zufrieden mit seiner Vorstellung, deutete er dem Mädchen ihm zu folgen und ließ sich in der Runde nieder, die mit Ben so heiß diskutiert hatten.

Nele betrachtete die klägliche Pfütze in ihrer Schüssel. Dass, was sie da sah, könnte man kaum eine Fleischsuppe nennen.

Seit dem trockenen Brot in Harris Haus hatte Nele keine einzige Mahlzeit mehr gesehen. Leise begann ihr Magen zu knurren.

Der Inhalt war mehr Suppe als Fleisch. Aber froh überhaupt eine warme Mahlzeit bekommen zu haben, schlürfte sie diese schnell hinunter.

Dankbar darüber, einen Becher Wasser gereicht bekommen zu haben, machte sie sich über ihr Brot her und lauschte den Gesprächen, die im Gange waren.

Nele spürte die giftigen Blicke von Seitens Moe, ließ es sich aber nicht anmerken und ignorierte sie völlig.

Ihre Aufmerksam galt dem Gespräch zwischen Ben und einem älteren Mann mit schon grauen Strähnen untersetztem Haar und einem langem Bart.

Zu ihrem Erschrecken hatte er nur noch einen Arm. Mit dem letzten, dem ihm geblieben war, fuchtelte er wie wild umher und hielt dabei einen Krug in der Hand, so dass einige Tropfen des kostbaren Inhaltes auf den Boden des Waldes fielen.

„Diese verdammten Snarks werden immer aufdringlicher. In den letzten Wochen haben sie ganze drei Dörfer zerstört. Was denkt sich Michael eigentlich dabei? Wenn er so weitermacht ist er der einzige noch lebende in diesem verdammten Land.“ gab er seine Meinung kund.

Zustimmung raunte durch die Runde.

Nele runzelte ihre Stirn.

David bemerkte ihren Verwunderten Geschichtsausdruck.

„Du scheinst nicht von hier zu kommen.“ stellte er fest.

Nele schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich komme von weit her.“ Trauer schwang in ihrer Stimme.

„Mh. Woher kommst du denn?“ fragte er mit sichtbaren Interessen.

„Ich weiß nicht genau wie ich es dir beschreiben soll.“ Stirn runzelnd überlegte sie, wie sie ihre Situation hätte erklären sollen.

Dabei beschloss sie vorerst ihre Herkunft nicht Preis zugeben, denn sie wusste ja nicht wie er auf die Wahrheit reagieren würde.

David blickte sie verwirrt an.

„Was sind Snarks?“ versuchte sie das Thema umzulenken.

Kurz wählte er sorgfältig seine Worte.

„Nun ja, sie sind Geschöpfe aus der Schattenwelt und anscheinend schon über 1000 Jahre alt.

Viel weiß ich nicht über sie. Nur, dass bei ihrem auftauchen, viele Menschen sterben. Alles bricht in Flammen aus und kaum einer überlebt.

Es heißt sie besäßen keine Seele. Du bist vorhin selbst einem von ihnen begegnet. Was meinst du was es für Geschöpfe sind?“

Achselzuckend blickte sie in die Vergangenen Geschehnisse. Doch die Beschreibung, die David ihr gegeben hatte, schien zu passen. Dieses Ungeheuer hatte anscheinen kein einziges Anzeichen einer Seele in sich getragen.

Ein eiskalter Schauer durchflutete das Mädchen.

„Aber woher kommen sie?“ wollte sie wissen.

Zorn stieg in David auf. Dieser verbreitete sich in der gesamten Runde wie eine Welle, die durch einen Stein in Gang gesetzt wurde und sich weiter auf dem gesamten See ausbreitete.

„Michael.“ zischte er, „Dieser Bastard nennt sich König und ruft diese Wesen um sie im Kampf mit den Rebellen einzusetzen. Ohne auch nur darauf zu achten ob Unschuldige ihr leben lassen.“

Er ballte seine Fäuste und stand auf.

„Er wird schon sehen was er davon hat!“ laute Stimmen gaben ihre Zustimmung und eine knisternde Atmosphäre machte sich breit.

Doch diese dauerte nicht lange an. Bald erstarb das wilde Gezeter und die Banditen kehrten wieder zu ihren vorherigen Tätigkeiten zurück.

„Es ist schon spät.“ bemerkte Ben.

„Du solltest schlafen gehen.“ er zeigte auf eine Ecke in der ein Lager aus Moosen und Stroh errichtet worden war.

Wer es hergerichtet hatte, konnte Nele nicht sagen, denn sie hatte sich einzig auf die kleine Runde konzentriert, in der sie gesessen hatte.

Dankbar legte sie sich hin und schloss die Augen. Doch der ungewohnte Lärm der Banditen ließ sie nicht zur Ruhe kommen.
 

Das fremde Mädchen wälzte sich auf seinem Lager hin und her. Es fand einfach keine Ruhe.

Deshalb beschloss es, sich erst einmal einen klaren Kopf zu verschaffen.

Immer mehr empfand sie den Ort, an dem sie gelandete war, als sonderbar. Sie fragte sich, warum ausgerechnet sie hier her kommen musste.

Es schien eine Hierarchie wie im Mittelalter zu bestehen. Immerhin gab es einen König und Rebellen sowie Untertanen und Banditen, bemerkte sie.

Doch Nele konnte sich nicht entsinnen jemals von Wesen, wie den Snarks, in einem Geschichtsbuch gelesen zu haben.

Stirn runzelnd blieb nur eine Möglichkeit, dachte sie, und zwar musste dies eine Welt sein, die nur mit Hilfe des Spiegels betreten werden konnte.

Diese Wesen, die Snarks, sorgten für ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend. Beim bloßen Gedanke an diese Ungeheuer wünschte sie sich in Tom´s sicheren Arme.

Ihr Herz schmerzte vor Sehnsucht nach ihrem zu Hause. Was ihre Eltern wohl dachten? Ob sie sie vermissen würden?

Und Lydia erst. Ihre beste Freundin wusste immer wo sich Nele gerade befand. Das hatte sie zumindest immer behauptet. Sie meinte, sie könne ihre Freundin immer und überall aufspüren.

Ob Lydia es dieses Mal auch konnte? Wohl kaum. Keiner kam auf die Idee, dass sich Nele in einem Spiegel befand.

Die Sehnsucht trieb ihr die Tränen in die Augen. Doch dank eines heftigen Blinzelns, konnte sie diese wieder verjagen.

Nele richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Spiegel. Sie versuchte eine Lösung für ihr Problem zu finden. Wie konnte sie aus diesem verflixten Ding entkommen?

Da sie ihn nicht bei sich hatte, vermutete sie, dass er noch in ihrer Welt lag und sollte sie dem Spiegel entkommen, würde sie, so war sie sich sicher, in ihrem Zimmer landen.

Plötzlich tauchte das Bild des Steins in ihren Gedanken auf, an dem sie gelandet war. Die Lichtung musste sich hier irgendwo in der Nähe befinden. Das spürte sie genau.

Beim letzten Versuch, diesen zu erreichen, wurde sie von den Banditen abgefangen.

Nele lauschte in das Geschehen des Lagers hinein. Ein leises Schnarchen drang an ihr Ohr.

Vorsichtig richtete sie sich auf und beobachtete den Haufen von durcheinander gewürfelten Banditen.

Sie erhob sich ganz sachte und hielt Ausschau nach David und Chris.

Keine Spur von den beiden. Verwundert runzelte sie die Stirn.

Dann kratzte sie all ihren Mut zusammen und marschierte wieder in den Wald hinaus.

Die Sonne hatte ihre ersten Stahlen in den Wald geschickt. Doch trotz des heran brechenden Morgens herrschte totenstille im Wald.

Nervös und von der Angst gepackt, marschierte sie in die Richtung, die sie auf magische Weise anzuziehen schien.

Nele wusste nicht warum. Aber irgendetwas schien sie förmlich zu rufen.

Das orangefarbene Licht

Halli Hallo,
 

hier ist mal wieder hina. Ja ich weiß man hätte glauben können ich hätte mich irgendwo verlaufen oder wäre von Aliens entführt worden.

Aber mir geht es gut.

Ich habe zur Zeit wieder richtig viel Lust an meinen Geschichten zu arbeiten. Nich ganz unbeteiligt daran ist meine süße mimmychan.

Mit ihrer hartnäckigen liebevollen Art konnte sie mich wieder für meine eigenen FF`s begeistern.

Darum widme ich ihr dieses Kapitel, auf das sie so lange hat warten müssen. Cih hoffe es gefällt ihr.

Natürlich ich auffällg, dass sich mein schreibstiel verändert hat. Aber naja es sind schon einige Jahre ins Land gezogen, seit ich das letzte Kapitel hochgeladen habe.
 

Naja genug geschwafelt.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.
 

Vor allem dir mimmy. Ich hab dich so lieb!
 

bis bald eure Hina chan
 

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Keiner hatte Neles Verschwinden bemerkt.

Sie lief einfach immer gerade aus. Da es keinen Weg gab, musste sie sich einen eigenen suchen.

Das Gefühl, dass sie zuvor vom Lager weggezogen hatte begann langsam zu verschwinden. Leichte Verzweiflung machte sich in ihr breit.

Was wenn sie den Stein nie wieder finden würde? Er war ihre einzige Hoffnung wieder nach Hause zu kommen.

Nele zwang ihre Beine vorwärts.

Doch je höher die Sonne an den Himmel wanderte, desto schwere wurden ihre Lieder.

Ihre Augen brannten. Nele wunderte sich nicht. Immerhin hatte sie seit ihrer Ankunft kaum geschlafen. Das rächte sich jetzt.

Die dünne brühe, die sie am Abend zuvor gegessen hatte, gab ihr auch nicht besonders viel Kraft. Neles Magen rebelliert lautstark gegen seine Leere. Fast genauso laut wie ein Grizzlybär brüllte er in den Wald hinaus.

Nele stütze sich an einem hohen Baum ab. Die Rinde war trocken. Nur etwas Moos bedeckte sie.

Langsam ließ sich das Mädchen an dem Stamm herabgleiten.

„Nur kurz ausruhen.“ murmelte sie erschöpft vor sich hin. Doch kaum hatte sie sich gesetzt war sie bereits im Land der Träume gelandet.

Gemeinsam mit ihrer Freundin Lydia und Tom erlebte sie noch einmal den Tag vor ihrer abenteuerlichen Abreise. Ihre Freundin im Blumenladen. Sie hatten so viel Spaß gehabt.

Tom hatte Nele von seiner neuen Freundin vorgeschwärmt. Doch diese zeigte keinerlei Interesse an der jungen Medizinstudentin.

Als sie in der von dem Spiegel verschlungen wurde, musste sie die Welt die sie bisher gekannt hatte zurücklassen.

Nichts ahnend träumte das junge Mädchen im Wald. Ohne Schutz und ohne das Wissen eines heimlichen Beobachters.
 

Ein lautes Knacken schreckte Nele aus ihrem leichten Schlaf.

Unsicher aus welcher Richtung das Geräusch kam, blickte sie sich um.

Doch als sie die Ursache ihres ungewöhnlichen Weckers nicht entdecken konnte, beruhigte sich langsam ihr rasendes Herz.

Nele fühlte sich vollkommen gerädert.

Ein Stein hatte sich in ihren Rücken gebohrt. Eine leichte Druckstelle zeugte noch von ihrem ungewöhnlichem Bett.

Langsam verabscheute Nele den Wald. Er schien in alle Richtungen zu wachsen. Kein einziger Pfad wies ihr die Richtung.

Neles Magen rumorte noch immer vor Hunger und ihre Kehle brannte. Am liebsten wäre sie jetzt zu Hause. Ein kühles Glas Olongtee in der Hand und ein saftiges Schnitzel mit Pommes auf dem Tisch. Doch leider sah die Realität anders aus.

Weit und Breit nur Wald, Steine und undefinierbare Sträucher mit Beeren.

Nele wäre sogar bereit gewesen in das Lager zurückzugehen. Vielleicht hätte ihr David geholfen zu diesem Felsen zu gelangen. Sie hätte ihm sagen können, dass sich dort ein Schatz verbirgt. Banditen lieben doch leichte Beute.

Zumindest hoffte Nele das.

Aber weil sie sich ja unbedingt alleine auf den Weg machen musste und einem Gefühl folgen musste, dass sie nicht beschreiben konnte, hatte sie sich verlaufen.

Mittlerweile konnte sie nicht einmal mehr sagen aus welcher Richtung sie gekommen war.

Resigniert machte sie sich auf den Weg in das Weite unbekannte.

Als Neles Beine wieder zu schmerzen begannen und sie glaubte von Mücken vollkommen zerstochen zu sein, entdeckte sie einen nieder getrampelten Pfand.

Er verlief von Recht nach Links, dabei machte er einen großen Bogen um einen Baum.

Erleichtert atmete sie auf.

Nele glaubte einmal gelesen zu haben, dass Pfade stets aus einem Wald herausführten.

Früher im Mittelalter bildetet solche Trampelpfade stets eine Verbindung zwischen zwei Dörfern. Sie dienten als Handelswege, um die Ernte in ein Dorf zu bringen und dort mit Hilfe von Tauschgeschäften etwas zu ergattern was dringender benötigt wurde.

Sie überlegte sich kurz in welche Richtung sie einschlagen sollte. Doch da beide Wegen zu einem Dorf führen müssten, entschied sie sich nach rechts zu gehen.

So machte sich das Mädchen auf den Weg, in der Hoffnung auf etwas zu Essen und zu trinken.

Wenn sie einmal dabei war, konnte sie auch gleich nach den Weg zu dem großen Stein fragen. Denn ein so großer und wuchtiger Stein in einer Lichtung sollte wohl bekannt sein.

Hatte sie erst einmal den Stein Gefunden, so war es nur noch ein Katzensprung nach hause. Frohen Mutes und mit neuer Energie pfiff Nele ein Lied auf ihrem Weg.

Obwohl der Pfad zuerst Rettung versprach zweifelt Nele langsam an ihrer Theorie. Sie hatte das Gefühl schon stundenlang in der Gegend herum zuwandern ohne dem Wald entkommen zu können.

Auf einmal durchlief sie ein eiskalter Schauer. Er lief ihren Rücken herab bis tief in ihre Knochen.

Nele bekam Angst.

Diese breitete sich wie ein Lauffeuer in ihr aus. Mit jedem Schritt brannte das Feuer mehr und mehr, bis Nele es kaum mehr aushalten konnte.

Entsetzt beschleunigte sie ihre Schritte. Nele hatte das Gefühl, als ob mehrere Tonnen an Gewicht ihre Beine nach unten ziehen würden. Das Kleid schlenderte um ihre Beine. Die dünnen Sohlen ihrer Schuhe waren schon beinahe durchgelaufen. Sodass Nele jeden einzelnen Stein und jede Wurzel nur allzu deutlich spürte.

Sie kam nur mühsam voran.

Plötzlich wurde es dunkel. Die einzelnen Sonnenstrahlen die sich durch das Blätterdach kämpften wurden vollkommen verschluckt.

Nele blinzelte. Ihre Augen versuchten sich an die Finsternis zu gewöhnen, doch ohne Erfolg.

Ein leichtes krachen war über ihr zu hören.

Dann viel ein einzelner Tropfen auf ihren Oberarm. Nele versuchte ihn fortzuwischen, doch der Wassertropfen entpuppte sich als ein zäh klebriger Faden. Er brannte sich tief in ihre Haut ein.

Übelkeit kroch ihre Glieder hoch. Nele schwankte kurz auf ihren Beinen. Nur mit Mühe gelang es ihr stehen zu bleiben.

Ein Geruch nach Asche und Verwestem breitete sich aus. Nele hielt den Atem an.

Rotglühende Schlitze stachen aus der Dunkelheit heraus. Nele hatte längst geahnt, mit was sie es zu tun gehabt hatte.

Ein einzelnes Wort hämmerte in ihrem Kopf: Snark.

Mit einem Mal gelang es ihr die Beine zu bewegen. Sie rannte wie der Teufel. Durch die Dunkelheit hatte Nele den Pfad aus den Augen verloren. Trotzdem versuchte sie in die Richtung zu rennen, in der sie den Pfad vermutete.

Sie hoffte das Dorf bald zu erreichen und dort Hilfe zu finden.

Doch es war bereits zu spät. Nele musste stehen bleiben.

Eine Reihe von Snarks hatte sie umzingelt und schien sie mit ihrem bloßen Blick zu durchbohren.

Nele zitterte am ganzen Körper. Ihre Angst gewann die Oberhand. Stoßweise entwich ihr Atem in die Finsternis.

Vor ihrem inneren Auge blickte sie nochmal in das Gesicht ihrer Eltern. Sie glaubte die Stimme von Lydia zu hören wie sie mit ihr lachte. Sie fühlte eine sanfte Berührung von Tom´s Fingern auf ihrer Wange.

Wie sehr sie ihre Familie vermisste.

Dann erinnerte sie sich an den Jungen auf dem Dach. Nele hatte ihn vollkommen vergessen.

Kein Wunder, nachdem was sie seitdem erlebt hatte.

Doch jetzt wurde seine Gestalt klarer. Jetzt wusste sie warum Chris ihr immer so bekannt vorkam. Er war der Junge auf dem Dach gewesen.

Sie wünschte sich nur, ihn fragen zu können wie er dahin gekommen war. Denn dann hätte er ihr vielleicht einen Weg nach Hause zeigen können.

Doch den konnte sie sich jetzt abschminken. Die Snarks würden sie verspeisen. Sofern diese Kreaturen ihre Beute auffraßen.

Nele schluchzte auf. Verzweiflung machte sich in ihr breit.

Sie war doch gerade erst siebzehn geworden. Wie konnte sie da in einer völlig fremden Welt von diesen widerlichen Kreaturen gefressen werden.

Plötzlich verwandelte sich ihre Angst in blanke Wut.

Wie konnten es diese Viecher wagen sie töten zu wollen! Immerhin hatte sie noch so viel vor!

Sie wollte unbedingt Tom ihre Liebe gestehen.

Dann wollte Nele ihren Eltern noch sagen, wie sehr sie sie liebte.

Sie wollte noch sehr oft mit Lydia zusammen lachen.

Sie wollte ins Gymnasium gehen und später einen guten Job finden und viel Geld verdienen.

Sie wollte ihrem ehemaligem Lehrer nochmal gehörig ihre Meinung sagen.

Aber zu aller erst wollte sie diesen verfluchten Spiegel zerschlagen und dieser Frau in ihm in den Hintern treten.

Ja sie hatte noch viel zu viel vor um zu sterben.

Also straffte Nele ihren Rücken und richtete ihren Blick auf den Snark vor ihr.

Sie zeigte auf ihn und brüllte: „Verschwinde du stinkendes Ding!“

Unbeeindruckt drehte das Schattenwesen seinen Kopf leicht nach rechts.

Es stieß eine Art Gurgeln aus, was Nele als Lachen deutete.

„Lach nicht so blöd. Hau ab!“ schrie sie ihm entgegen.

Doch der Snark ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

Wütend stapfte das Mädchen auf den Boden.

„Nun hau schon ab!“

Plötzlich griff die Kreatur nach Neles Bein. Seine Klauen gruben sich tief in ihr Fleisch. Blut tropfte auf das Gras.

Nele wurde Kopfüber in die Luft gezogen.

Das Kleid hing nach unten und verdeckte Neles Sicht.

Frustriert baumelte sie umher. Nele kam es so vor als ob das Wesen ihr seine Überlegenheit demonstrieren wollte.

Der Snark, den Nele auf den Namen Basti taufte, spannte seine langen Hinterbeine an.

Mit einem riesigen Satz sprang er in die Luft.

Ein lauter Schrei entwich ihrer Kehle.

Basti sprang von Ast zu Ast.

Hilflos wurde Nele mitgeschleppt.

„Autsch! Wo hast du deinen Pilotenschein gemacht du Gashüpfer?“ meckerte die zappelnde Beute.

Basti machte sich keine Gedanken ob die siebzehnjährige sich an den Ästen verletzte oder nicht. Er verfolgte einfach sein Ziel.

Die anderen Snarks folgten ihm.

Neles Wut wurde mit jedem Ast oder Zwei angeheizt der ihre Haut aufkratzte. Sie sammelte sich in ihrem Magen und wuchs an wie ein glühender Feuerball.

Nele hatte die Nase gestrichen voll immer nur herumgeschupst und verschleppt zu werden.

Aus lauter Frust Schrie sie ihre Wut heraus.

Der ganze Wald schien stillzuhalten. Selbst Basti legte endlich eine Pause ein.

Erst wusste Nele nicht warum er plötzlich auf sie reagierte, als sie bemerkte, dass ihre Beine zu glühen begannen.

„Ach du Scheiße.“ flüsterte sie entsetzt.

Der Snark zog seine Klauen ruckartig weg, als ob er verbrannt worden wäre.

Nele stürzte auf den Boden nieder. Sie hatte das Gefühl, als ob sie sich einige Rippen gebrochen hatte.

Das orangefarbene Feuer breitete sich auf ihrem gesamten Körper aus. Doch dieses Feuer entpuppte sich als gleißendes Licht, dass die Dunkelheit erhellte.

Nele fühlte sich wie in einen warmen Kokon gehüllt. Das Licht verschlang sie willkommen.

Die Snarks kamen zögerlich an die Kugel aus Licht heran. Als Basti seine Klauen ausstreckte breitete sich das Licht auf ihm aus.

Nur verbreitete sich das Licht wie ein echtes Lauffeuer auf seinem Körper und verbrannte ihn bei lebendigem Leib.

Mit einem markerschütternden Schrei zerfiel das Schattenwesen zu Staub.

Der Wind trug die Asche zu den andern Snarks und steckte sie gleichzeitig in Brand.

Ein Chor von Ohrenbetäubendem Geschrei schreckte sämtliche Waldbewohner auf.

Kilometerweit war das Gebrüll zu hören.

Als der letzte Schrei in der Ferne verhallte, verzog sich das Licht von Nele wieder in ihr Inneres.

Die Sonnenstrahlen kehrten in den Wald zurück und erhellten die Dunkelheit.

Nele atmete erleichtert auf.

Die Schmerzen und das Hungergefühl waren mit dem Licht verschwunden.

Zwar konnte sie sich nicht erklären woher diese Kraft kam, aber sie war ihr stets willkommen.

Denn dieses orangefarbene Licht verschaffte ihr ein Gefühl von unglaublicher Macht. Mit seiner Hilfe könnte sie es schaffen wieder sicher zu Hause zu kommen.

Nele spannte sich an. Ja so würde es klappen. Wieder schöpfte sie neue Zuversicht.

Das Glück schien auf ihrer Seite. In der Ferne hörte sie ein leises plätschern.

Nele spitze ihre Ohren und folgte dem Klang der wie Musik in ihren Ohren war.

Sie zwängte sich durch zwei Büsche.

Beinahe wäre sie über ihre eigenen Füße gefallen. Im letzten Moment konnte sie sich noch fangen.

Nele blickte auf.

Was sie sah verschlug ihr den Atem.

Eine riesige Wiese schmeichelte ihre Augen. In der Mitte lag der schönste See den Nele je gesehen hatte.

Das Sonnenlicht spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. Der See schien zu Funkeln wie tausende Diamanten.

Weiter hinten entdeckte Nele einen Fluss, der direkt in den See mündete und so das rettende Plätschern erzeugte.

Das wichtigste war, dass kein Baum weit und breit zu sehen war.

Nele jubelte innerlich vor Freude.

Sie rannte zu dem See und ließ ihr Kleid auf die Wiese fallen.

Mit einem lauten Freudenschrei sprang sie hinein. Endlich konnte sie den Dreck des Waldes von ihrem Körper waschen,

Die Sonne hatte den See aufgeheizt.

Sie wusch nacheinander ihren ganzen Körper.

Dann tauchte Nele unter und freute sich über die kleine Atempause.

Aus weiter Ferne Beobachtete der Schatten das junge Mädchen beim Schwimmen.

Sein Herz raste vor Aufregung.

Der See

So nun kommt hier mein neues Kapitel. Ich habe mich wieder richtig in die Geschichte reingefitzt und bin selbst von der Story begeistert.

(>.> jaja ich weiß eigenlob stinkt)
 

Ich widme dieses Kapitel wieder meiner kleinen Muse Mimmy. Für sie habe ich extra etwas neues in die Geschichte eingebaut, was nicht in meinem Vorgeschreibsel steht.
 

viel Spaß damit meine Süße ;)
 

bis demnächst eure hina chan
 

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Nele trieb sorglos auf der Wasseroberfläche.

Sie versuchte zu verstehen, was sich vor weniger als einer Stunde in dem Wald zugetragen hatte.

Noch immer fühlte sie ein leichtes Nachglühen des orangfarbenen Lichtes in ihren Adern.

Es pulsierte stark im Takt ihres Herzens.

Zum ersten Mal hatte sie dieses Licht bei dem Jungen auf dem Dach gesehen. Er war darin eingehüllt wie aus dem Nichts erschienen und genauso plötzlich wieder darin verschwunden.

Ganz zu schweigen von der Frau aus ihrem Traum die ihr so ähnlich sah. Auch sie wurde von diesem Licht wie eine zweite Haut umschlossen.

Als nächstes hatte ihr Spiegel, den sie als Geschenk von ihrer Mutter erhalten hatte, in jener Nacht orangefarben aufgeleuchtet und sie verschlungen.

Dann glaubte Nele sich zu erinnern, es in sich selbst schon einmal wahrgenommen zu haben.

Während des ersten Angriffes des Snarks, hatte sie es in sich gesehen,genau zu dem Zeitpunkt als ihr wiedereinmal der Kragen geplatzte und ihr heißes Temperament die Kotrolle übernommen hatte.

Innerlich bebend ballte sie ihre Hände zu Fäuste.

Das Licht musste wohl der Schlüssel zu all diesen Geschehnissen sein.

Doch wie sollte Nele alleine das Geheimnis dahinter aufdecken.

Sie zweifelte daran in dieser Welt jemanden zu finden, der ihr helfen könnte.

Vor allem da sie ihr eingenes Problem sehr gut kannte.

Ihr Temperament.

Seit der Scheidung ihrer Eltern hatte Nele ein großes Problem mit ihrem damit, ihre innere Wut zu unterdrücken.

Immer wenn sie sich bedroht fühlte und ihre Existenz in Gefahr war, explodierte alles in ihrem inneren und sie musste sich dann Luft verschaffen.

Also ließ sie all ihren angestauten Frust an anderen raus.

Mit Hilfe dieser Wut konnte sie schon einige Probleme aus ihrer Vergangenheit tilgen.

Nur leider war es sehr schwer für ihre Mitmenschen mit dem temperamentvollem Teenager auszukommen.

Doch zum Glück war Lydia anders. Sie bewahrte stets einen kühlen Kopf und hatte so nie Probleme gehabt mit Nele umzugehen.

Und Tom?

Bei ihm war es etwas anderes. Er schaffte es, dass Nele zur Ruhe kam und die Wut mit einem Schlag erlosch.

Nele seufzte vor sich hin. Sie hatte mit ihren Tränen zu kämpfen.
 

Ein bedrohlicher Schatten bewegte sich unter der Wasseroberfläche. Er zog seine Runden und beobachtete die ahnungslose Beute über ihm.

Vorfreude breitete sich in ihm aus.
 

Ein sachter Wind strich Nele über ihren feuchten Busen. In der Sonne glitzerten die kleinen Wassertröpfchen, wie schimmernde Perlen auf ihrer Haut.

Aufeinmal hörte sie ein Rascheln das aus der Ufernähe zu kommen schien. Sie überblickte die Wiese. Doch nichts war zu erkennen.

Ein Schauder durchlief das junge Mädchen.

Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend machte sie sich auf den Weg zurück zu ihrer Kleidung.

Gerade als sie aus dem Wasser steigen wollte, löste sich eine Gestalt aus den Büschen.

Ein Mann mit langem braunen Mantel und blonden Haaren grinste ihr entgegen.

Nele zuckte erschrocken zurück und tauchte wieder unter.

Sie versuchte mit den Händen ihre Blöße zu bedecken.

David schritt langsam auf sie zu und beobachtete die Geflohene genau.

Seine Augen blieben an ihren nackten Schultern hängen.

Kurz leuchteten seine Augen freudig auf.

Nele begab sich in Konfrontationsstellung. Wie immer siegte der Drang sich lautstark zu wehren. Sie konnte sich einfach nicht zurücknehmen und abwarten.

Sie blickte David herausfordernd an.

„Bleib lieber stehen!“ drohte sie ihm.

David zog seine Augenbraue hoch.

„Gut wie du meinst.“ sagte er und setzte sich in das Gras. „Aber wenn ich du wäre, würde ich aus diesem See herauskommen.“

Leicht verunsichert blickte Nele sich um. Aber weit und breit waren nur sie beide zu sehen.

„Wieso?“ fragte sie etwas neugierig geworden.

„Naja, es geht da so ein Gerücht um.“ setze David an. Er wollte Nele sichtlich auf die Folter spannen.

„Welches Gerücht?“ fragte diese leicht genervt.

Schmunzelnd richtete sich David auf. „In diesem See soll eine kleine Überraschung leben. So weit ich weiß ist noch kein Badegast lebendig wieder herausgekommen.“

Nele wurde immer unruhiger.

„Nun gut. Ich hatte sowieso vor rauszukommen. Dreh dich bitte um.“

„Und wenn ich nicht will?“ provozierte er das nackte Mädchen weiter.

„Dann ...“ setzte sie an, „verlierst du deine ach so wertvolle menschliche Ware an die kleine Überraschung aus dem See.“

David war sichtlich erstaunt, solch eine Antwort von ihr zu bekommen.

„Gutes Argument. Da ich dich noch brauchen werde, drehe ich mich jetzt um.“

Nele zögerte kurz. Doch dann überwand sie ihre Skepsis und beeilte sich zu ihrem Kleid zu gelangen.

Der Wind war kühl und angenehm unter der warmen Sonne. Neles nasses Haar klebte an ihrem feuchten Körper.

Sie hockte sich hin und streckte gerade ihren Arm zu dem Kleid aus,

als David plötzlich vor ihr stand. Er hatte sich an sie herangeschlichen, während Nele damit beschäftigt war zu ihrem Kleid zu laufen.

Erschrocken wich sie zurück und versuchte ihre Brüste mit einem Arm zu bedecken.

David bückte sich und hielt ihr das Kleid vor die Nase.

„Wenn du das hier anziehst, wirst du gleich wieder dreckig.“ er rümpfte sichtlich angeekelt die Nase.

Dann überraschte er Nele damit, dass er seinen Mantel abstreifte und ihm dem Mädchen umlegte. David lief zum See und wusch das verdreckte Kleid aus. Danach legte er es in die Sonne zum trocknen.

Zufrieden mit seiner guten Tat setzte er sich neben das erschrockene Mädchen.

Ungläubig starrte Nele noch immer auf ihr Kleid. Dann erinnerte sie sich daran, dass David unmittelbar neben ihr saß.

Sie zog den Mantel enger um ihre Schultern. Dabei drehte sie sich langsam auf ihren Fersen, bis es ihr gelang eine einigermaßen gemütliche Sitzhaltung einzunehmen.

Das war gar nicht so leicht. Überall lagen Steinchen herum die sie in ihren Po pieksten.

Nele hatte das Gefühl als ob eine Schar Ameisen über ihre nackten Schenkel huschten.

Ein leises kribbeln machte sich in ihr breit.

David beobachtete sie derweilen. Er musterte das junge Mädchen und kam zu dem Entschluss, dass sie unglaublich hübsch war.

Ihre Haut war makellos rein. Keine einzige Narbe verunstaltete ihren Körper. Ein leichtes Ziehen in seinen Lenden erinnerte ihn an den köstlichen Anblick ihrer vollen, runden Brüste.

Nele musterte unterdessen ihren gegenüber. Sie wusste nicht was sie von dem ihm halten sollte.

Erst erschien er ihr als Grausam und brutal. Doch irgendwie zweifelte sie an dem Bild des unbarmherzigen Banditens.

Er hatte mehr als einmal bewiesen, dass er auch nett sein konnte.

Nele konzentrierte sich nun auf sein Gesicht. Ein markantes Kinn zeugte von Stolz und Entschlossenheit. Die Augen erstrahlten in einem dunkleren Ton als die seines Bruders.

Sie zeugten davon, dass David schon viel erlebt und gesehen hatte, doch durchzog sie keine so zerreißende Trauer wie die von Chris.

Im Gegenteil.

Davids Augen vermittelten eine gewisse Wärme und Anziehungskraft.

Neles Blick wanderte seinen Hals entlang über seine breiten Schultern. Seine Muskeln zeichneten sich durch das Hemd hindurch ab.

Das Schwarz schimmerte leicht im Sonnenlicht und bildete einen starken Kontrast zu seinen hellen Haaren und der leicht gebräunten Haut.

Weiter kam sie nicht mit ihrer Studie, da David seine Hand hob und sie unter Neles Kinn legte. Er schaute ihr tief in die Augen.

Die Bernsteine blickten ihn herausfordern an. Noch nie hatte David eine solch faszinierende Frau getroffen.

Schon vom ersten Moment an ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Ihr Mut beeindruckte ihn. Ihr Körper brachte sein Blut in Wallung und diese unglaublichen Augen fesselten all seine Blicke.

Ohne Angst stellte sie sich ihm entgegen. Er fuhr mit seiner freien Hand durch ihr nasses glänzendes Haar. Sie lockten sich leicht in der warmen Sonne.

David wickelte sich eine Strähne um seinen Zeigefinger.

Die Wolken zogen träge am Himmel entlang. Sie versprachen allerdings keinen Regen mehr.

Die Vögel zwitscherten ihr Lied, während die Tiere der Umgebung die Ruhe genossen.

David brachte sein Gesicht näher an das von Nele heran. Sein warmer Atem streifte ihre Lippen.

Das Mädchen blickte benommen in seine Augen und war von der Anziehungskraft fasziniert.

Langsam näherten sie sich.

Nele schloss ihre Augen und geriet in Versuchung, Davids Verlangen nachzugeben.

Er war der Erste, der sie mit solch einem hungrigen Blick ansah. Wie oft hatte sie sich gewünscht Tom würde ihr so einen Blick schenken.

Plötzlich blitze Toms Bild in ihren Gedanken auf. Vor Schreck riss sie ihre Augen weit auf, doch es war bereits zu spät.

Davids Lippen trafen auf ihre und verschlangen sie heiß und begierig. Zärtlich streichelte er mit seiner Zunge über ihre Unterlippe und bat um Einlass.

Nele drohte von dem Strudel aus zärtlicher Leidenschaft mitgezogen zu werden. Doch es gelang ihr die Beherrschung nicht zu verlieren.

Grob drückte sie gegen Davids Brust, um ihn beiseite zu schieben. Widerwillig ließ er von ihr ab.

Verwundert blickte dieser in ihr Gesicht.

„Was ist?“ fragte er.

„Was ist?“ stutzte die Siebzehnjährige. „Du fragst mich tatsächlich was los ist?“

Wieder kochte die altbekannte Wut in ihr hoch. Stampfend stand Nele auf. Sie wanderte umher und sammelte ihre Gedanken.

„Erst drohst du mir mich umzubringen. Dann verkaufst du mich an diesen widerlichen Schweinehund.

Beinahe wäre ich vergewaltigt worden!“ schrie sie ihm fast entgegen.

David hörte ihr ruhig zu.

„Als es mir endlich gelingt zu fliehen, werde ich schon wieder von dir aufgegabelt. Du verschleppst mich und behandelst mich wie dein Eigentum. Du verschenkst mich wie einen Gegenstand an deinen Bruder.

Dann gelingt es mir wieder dir zu entkommen.

Doch was passiert? Du lauerst mich am See auf und bespannst mich wie ein perverser alter Sack!. Plötzlich bist du so nett zu mir. Im nächsten Moment küsst du mich!“ außer puste von ihrer Anklage blieb Nele stehen und stemmte die Hände in die Hüften.

„Da fragst du mich was mit mir los ist?“ wütend stampfte Nele mit ihrem nackten Fuß auf. Sie blickte auf den Banditen herab.

Dieser starrte sie nur mit mitleidigem Blick an.

Er räusperte sich und setzte zu einer Erklärung an: „Ich dachte du wärst eine Spionin von Michael. Da wollte ich ihm einfach eins auswischen.

Dann bist du auch noch rein zufällig in der Nähe meines Lagers aufgetaucht, obwohl ich dachte, dass ich dich nie wiedersehen würde.

Da konnte doch irgendetwas nicht stimmen.

Also beschloss ich dich weiterhin im Auge zu behalten.

Aber ich habe schnell begriffen wie falsch ich lag, als ich dich mit Chris im Wald gesehen habe. Michael würde seinen eigenen Spion niemals mit seinen Monstern angreifen.

Darum habe ich dich mitgenommen. Das tut mir alles furchtbar Leid, doch ändern kann ich nichts mehr an dem, was geschehen ist.“

Wieder schaute er Nele tief in die Augen.

Sie erkannte die Wahrhaftigkeit in seinen Worten und auch die Reue die in ihnen steckte.

Ihr wutentbrannter Blick schien sich zu bändigen. Der Zorn verrauchte.

Nele setzte sich wieder sprachlos neben ihn hin.

Eine Zeit lang sagte keiner etwas.

Die Stille wirkte bedrückt und irgendwie fehl am Platze.

„Also was hast du da an dem Grab gemacht?“ versuchte David ein Gespräch in Gang zu bringen.

„Nun ja … „ setzte Nele zu einer Erklärung an. Konnte sie sich ihm anvertrauen? Durfte sie sich ihm anvertrauen?

Nele war sich unsicher.

Sie hatte schon immer Probleme damit gehabt Hilfe anzunehmen. Oder auch nur nach Rat zu fragen. Lydia war die Einzige die sie je so nah an sich herangelassen hatte.

Doch bevor sich Nele entscheiden konnte fing der See auf einmal an zu brodeln.

Luftblasen stiegen an die Wasseroberfläche. Man hätte meinen können, dass der See kochen würde.

Alle Tiere in der Umgebung verstummten mit einem Mal.

David stand auf und zog sein Schwert.

„Sieht so aus als ob die kleine Überraschung aus dem See herauskommen will.“

Nele ließ den See nicht aus den Augen.

Dann beruhigte sich das Gewässer wieder, als wäre nie etwas gewesen. Das Blubbern verschwand.

Nach unerträglich langen Sekunden schlug der See plötzlich Wellen. David stellte sich schützend vor Nele.

Diese, immer noch nur mit dem Mantel des Banditenanführers bekleidet, erstarrte. Das mulmige Gefühl kehrte in ihre Magengegend zurück.

Die Wellen Sammelten sich in Ufernähe und bildeten so vier gleichmäßig voneinander entfernte Strudel.

Der Wasserstrudel türmte sich immer mehr an. Bis armähnliche Gebilde aus dem See herausragten.

Einer von ihnen schoss sofort auf David los.

Dieser wehrte den Angriff mit einem einzelnen Schwerthieb ab.

Der Strudel zerplatzte. Doch sofort hatte er sich regeneriert und schlug auf David ein.

Der Mann rollte sich flink zur Seite. Doch konnte er dem zweiten Arm nicht ausweichen.

Getroffen blieb er am Boden liegen und schnappte nach Luft. Ein leichtes Rasseln in seiner Lunge kündete ein bis zwei gebrochene Rippen an.

Nele wollte gerade zu ihm rennen, als einer der Arme sie beim Fuß packte und in die Höhe zog.

Dabei verlor sie den Mantel der gemächlich zu Boden flatterte.

Nackt hängte sie nun in der Luft.

„Man ej!“ brüllt sie, „Nicht schon wieder! Was soll das? Warum immer ich?“

David rappelte sich auf. Erstaunt über Neles Wutausbruch machte er sich zum nächsten Angriff bereit.

Plötzlich änderte sich die Richtung der Wellen. Sie kehrten zurück zu der Mitte des Teiches. Eine große Fontäne schoss in den Himmel.

Nele beobachtete erschrocken das Geschehen.

Am Ende der Fontäne trieben zwei einzelne Muscheln an die Oberfläche. Schaum formte zwei grässliche Lippen die zu einem breiten Grinsen verzogen wurden.

„Habe ich dich!“ gurrte die helle Stimme des Wasserungetüms. „Mein Meister wird sich freuen.“

„Was will dein Meister denn von mir?“ fragte Nele sichtlich verärgert.

„Dich!“

„Tolle Antwort.“ murmelte sie frustriert vor sich hin.

Der Strudel lächelte sie wieder an. Er öffnete sein weites Maul und führte die Gefangene zu sich heran.

Nele schrie auf.: „Was soll das? Ich dachte du willst mich zu deinem Meister bringen?“

Doch das Wesen antwortete nicht. Stattdessen verschlang es Nele mit einem einzigen Biss.

In der Fontäne wurde sie grob nach unten gezogen.

Nele versuchte zu schwimmen, doch der Sog war zu stark.

Sie rang sichtlich nach Atem und fasste sich an die Kehle. Mit vor Angst glühenden Augen blickte sie hilfesuchend zu David.

Dieser hatte mit schreckgeweitetem Blick die Szene beobachtet. Er konzentrierte sich wieder auf den Kampf.

Er betrachtete das Wesen eingehender. Dabei stellte er fest, dass sich alles um einen kleineren Strudel in der Mitte der Fontäne abspielte.

Er wusste sofort das dieser kleine Strudel das Portal war, durch welches Nele abtransportiert werden sollte.

Nele wurde langsam zu dem Unterwasserportal in dem Inneren des Monsters gezogen. David kam dabei eine Idee.

Er rannte los.

Doch schon waren die vier Arme zur Stelle und trafen ihn direkt vor die Brust. Blut spritze und verfärbe das Wasser. Keuchend wand der Getroffene sich auf der Wiese und versuchte seinen Körper zu beruhigen.

Das Wesen lachte vor Freude und wollte bereits zum nächsten Angriff ansetzten.

Doch David sammelte all seine Kräfte, rappelte sich auf die Beine und schleuderte sein Schwert in Richtung des Portals. Die Arme des Wasserwesens trafen ihn ein weiteres Mal.

David sackte bewusstlos zusammen. Sein letzter Gedanke galt dem jungen Mädchen und ihren bersteinfarbenen Augen.

Das Schwert traf zischend sein Ziel. Die Kreatur heulte auf und spuckte dabei einen Schwall von Wasser in die Luft.

Nele war immer noch gefangen.

Sie kämpfte mit ihren letzten Kräften. Kurz vor der Bewusstlosigkeit schloss sie ihre Augen.

Das orangefarbene Licht ergoss sich in ihr Blickfeld. Nele sammelte all ihre Wut. Das Licht wurde immer heller.

Unbewusst breitete sie ihre Arme aus.

Dann schrie sie ihren Zorn heraus. Das Licht umhüllte sie und erschuf eine Hülle angefüllt mit Sauerstoff, der ihr Schutz bot.

Das Wasserwesen wurde aus seinem Inneren heraus verbrannt. Es verdampfte und entschwand ohne ein weiteres Wort in die Luft.

Nele viel auf den harten Grund des nun ausgetrockneten Sees.

Sie erblickte zum Schluss eine neue dicke Wolke, die sich am Himmel treiben ließ.

Dann verlor sie ihr Bewusstsein.

Splitternackt lag das Mädchen inmitten des Kampffeldes.

Die zwei Muscheln starrten leer und leblos in den Himmel.

Kara

In der Ferne begannen die Vögel wieder in ihr allabendliches Lied einzustimmen.

Die dicke, Wolke war längst weitergezogen, als der Wind endlich abflaute. Es schien als hätte er sich besonders viel Mühe gegeben sie fort zu blasen.

Nun streichelte er sanft über das Gras und den jungen Mann, der noch immer regungslos in der Wiese lag und vor sich hin stöhnte.

Ein leichtes Rascheln im Gezweig störte kurz die Ruhe, dann kehrte wieder Stille ein.

Sanft atmete Nele im Tiefschlaf und träumte von ihrem zu Hause.

Sie bemerkte nicht, wie es immer dunkler wurde.

Sie spürte auch nicht, wie sich viele kleine Kieselsteinchen in ihren nackten Rücken bohrten und dort wunde Stellen zurücklassen würden, sobald sie erwachte.

Eine leichte Brise umschmeichelte ihre Brüste.

Unterbewusst bildete sich eine Gänsehaut auf ihrem gesamten Körper.

Die Sonne war längst untergegangen und vom Mond abgelöst worden, als Nele endlich aus ihrem Schlaf erwachte.

Herzhaft gähnend streckte sie sich, wobei ihre Glieder unaufhörlich schmerzten. Ganz vorsichtig setzte sie sich auf, um gleich wieder von einem Schwindelanfall umgeworfen zu werden.

Leise vor sich hin fluchend, versuchte das Mädchen ihren Kopf zu klären.

Verschwommene Bilder machten sich in ihm breit und erinnerten sie an die Geschehnisse des vergangen Tages.

Ein Mann mit unglaublich liebevollen, blauen Augen, der ein leichtes kribbeln in ihrer Magengegend verursachte.

Ein flüchtiger Kuss.

Die schreckliche Kreatur, die aus dem See aufragte verjagte allerdings jede süße Erinnerung.

Nele sah das Ungetüm noch genau vor ihrer Nase, als würde es vor ihr stehen.

Fröstelnd legte sie ihre Arme fester um ihren Körper, doch reichte dies nicht aus, um sie aufzuwärmen.

Wiedereinmal hatte ihr das orangefarbe Licht das Leben gerettet.

Langsam glaubte Nele zu verstehen, wie sie dieses Licht hervorrufen konnte.

Jedes mal wenn sie wütend wurde und sich entschloss die Angst nieder zu kämpfen, entfaltete das Licht seine Wirkung.

Wenn es Nele gelang, bewusst wütend zu werden, dann könnte sie sich selbst in dieser Welt behaupten ohne auf die Hilfe von anderen angewiesen zu sein.

Doch was wäre, wenn sie hier als Hexe verurteilt wurde, genau so wie es im Mittelalter Brauch war?

Ein Schauer der Angst durchflutete ihren Körper.

Sie kannte diese Welt einfach noch nicht gut genug, um sich ein Bild von ihr zu machen. Deshalb durfte sie auf gar keinen Fall ein Risiko eingehen.

Nein zuerst musste sie lernen, ihre Wut zu kontrollieren, um diese Kräfte gezielt einsetzen zu können.

Nele schnaubte ihre Selbstzweifel heraus.

Dieses Unterfangen würde sich als schwieriger erweisen, als man glauben sollte.

Doch die Wut und ihr feuriges Temperament waren Nele schon so sehr unter die Haut gemeißelt, dass es ein schier unmögliches Unterfangen für das junge Mädchen darstellen würde diese zu bändigen.

Seufzend stand sie langsam auf.

Nele beschloss später über eine Lösung ihres Problems nach zu denken.

Fröstelnd wollte sie ihre Jacke enger um ihren Körper ziehen.

Doch erschrocken stellte sie fest, dass sie weder eine Jacke oder etwas anderes an hatte.

Vor Schreck kreischte sie laut auf und kniete sich wieder hin, um ihre Brüste mit den Armen zu verdecken. Wieder drehte sich alles. Nele atmete dreimal tief ein und aus, um das Schwindelgefühl abermals zu verjagen.

Sie schaute sich hektisch nach einem Versteck um, musste aber feststellen, dass weit und breit kein Strauch zu sehen war.

Lediglich Muscheln, Steine und verdorrte Pflänzchen konnte sie in ihrer näheren Umgebung ausmachen.

Zum Glück schien der Mond hell. Wenigstens konnte sie so mehr als nur ihre eigene Hand vor Augen sehen.

Aber wo war sie?

Stirnrunzelnd überlegte Nele. Abermals ließ sie ihren Blick über ihre Umgebung schweifen. Dabei fiel ihr auf, dass sie in einem Tal festsitzen musste. Von unten aus, konnte sie zwar den Himmel sehen, allerdings wurde sie von einem Gebirge eingekreist, dass sie von der Außenwelt abschnitt.

Nele drehte sich auf ihren Fersen im Kreis.

Wie um Himmels willen war sie hier her gekommen?

Und wo war David? Ging es ihm gut? War er schwer verletzt?

Verzweifelnt ließ sie sich auf den Hintern sinken und beobachtete einen Schwarm Vögel, der am Nachthimmel entlang zog.

Wieder erschien ihr das Seemonster vor Augen. Wie es im gleißenden Licht verdampft war. Endlich begriff sie wo sie sich befand.

Als sich das Monster in Rauch aufgelöst hatte, war auch das gesamte Wasser aus dem See verschwunden. Jetzt lag er leer und ausgetrocknet inmitten einer Lichtung im Wald und Nele saß auf seinem Grund.

Gefangen!

Allein!

Langsam machte sich Panik in ihr breit.

„Hallo?“ rief sie schüchtern in den Himmel hinauf.

Doch keiner antwortete.

„David?“

Nichts.

Der Mond zog seine Runde am Firmament und wanderte langsam wieder dem Horizont entgegen. Doch Nele konnte das alles nicht sehen. Resigniert verharrte sie auf dem Grund des Sees und fragte sich, wie sie von hier fort kommen sollte.

Wenn sie sich recht erinnerte, dann musste David irgendwo da Draußen herumliegen und wenn sie nur lange genug wartete, dass würde er bestimmt bald aufwachen und sie hier heraus holen.

Ganz bestimmt!

Die Morgensonne durchbrach den Nachthimmel und kündigte einen heißen Tag an.

Nele war froh über die wenigen Sonnenstrahlen, da diese ihren durch gefrorenen, nackten Körper etwas aufwärmten.
 

„Da ist er!“ durchbrach eine erleichterte Stimme die Stille der Morgendämmerung.

Erschrocken zog Nele ihren Kopf ein.

Sie erkannte die charakteristische Stimme von Moe sofort.

Hell und doch sehr Bestimmend. Selbstsicherheit und Stolz schwang in jedem ihrer Worte mit.

Nele bewunderte die junge Frau, die sich in einem Lager voller Banditen so weit eingelebt hatte, dass sie scheinbar einen hohen Rang inne hatte.

Das Getrampel von Pferdehufen und Stiefeln auf der Wiese verriet ihr, dass Moe nicht alleine war.

Fluchend hatte Nele die Luft angehalten.

Auf gar keinen Fall durfte jemand sie in diesem peinlichen Zustand entdecken. Vor allem Chris nicht. Das wäre ja noch schöner. Der würde sich garantiert seine gemeinen Kommentare nicht sparen können und sie für alles Ewigkeiten damit aufziehen, wie er sie nackt am Grund eines ausgetrockneten Sees gefunden hatte.

Sie krümmte sich noch mehr zusammen und wartete regungslos ab.

„Bringt ihn hier her!“ befahl die kräftige Stimme von Ben.

„Ja wohl.“ antworteten mehrere Männer im Chor.

Dann war ein leichtes ächzen zu hören und viel Stimmengemurmel.

Nele kam es vor, als ob sie stundenlang da unten gesessen hätte, bis sie endlich hörte, wie sich die Stimmen wieder entfernten und das traben der Pferdehufe leiser wurde.

Danach war es wieder still.

Nele wartete noch ein Weile, dann beschloss sie endlich den Berg zu erklimmen.

Sie hatte keine Lust mehr, weiter da unten zu warten und auf Rettung zu hoffen die scheinbar niemals kommen sollte.

Doch ihre eingeschlafenen Beine erschwerten ihr jeden Schritt.

Zitternd stieg sie mit ihrem Fuß auf einen Stein, der am Rande des Abhangs herausragte.

Nele versuchte mit den Händen Halt zu finden, was ihr zum Glück auch recht leicht gelang, da der Abhang, den sie am Anfang für sehr glatt und glitschig gehalten hatte, eigentlich sehr uneben war und wie zum klettern gemacht schien.

Das junge Mädchen freute sich über jeden Zentimeter, den es weiter nach oben kam, dabei rutschte sie mehrmals aus, so dass sie sich ihre Knie und Hände aufschürfte, doch sie biss einfach die Zähne zusammen und kämpfte sich weiter nach oben.

Mit den Händen glitt sie tastend an der Wand entlang, bis sie eine Vertiefung oder einen Stein gefunden hatte der ihr Halt versprach.

Ächzend zog sie sich nach oben. Ihre gesamten Muskeln brannten, trotzdem gab sie nicht auf. Denn das Wort Aufgeben existierte nicht in ihrem Wortschatz.

Ihr Herz hämmerte sehr laut und beständig gegen ihre Brust und versuchte den Körper mit genügend Sauerstoff zu versorgen, damit er seine Kraft nicht verlor.

Mehrmals musste Nele eine kurze Pause einlegen, um Luft zu schnappen. Dann zog sie sich immer weiter Richtung Himmel.

Sie konnte bereits das erste Gras erkennen, dass vom Abhang aus in die Tiefe ragte.

Es ist nicht mehr weit, sprach sie sich Mut zu und arbeitete sich stetig vorwärts.

Als Nele endlich das Ende des Abhangs erreicht hatte, griff sie auf einen sehr viel versprechenden, großen Stein, der auf der Wiese lag, um sich den letzten Rest hochziehen zu können.

Allerdings fühlte er sich Warm und irgendwie lebendig an. Schockiert konzentrierte sie sich einzig und allein auf ihr Tastgefühl, um den Grund für die Beschaffenheit dieses seltsamen Steines zu ergründen.

Als sie endlich bemerkt hatte, dass dieser Stein eher ein lederne Haut besaß und sie an einen Schuh erinnerte ließ sie mit einem erstickten Schrei los.

Dabei verlor sie das Gleichgewicht und drohte nach hinten in den ausgetrockneten See zu fallen.

Eine kalte Hand packte die Ihre und bewahrte Nele vor dem tödlichen Sturz.

Verwundert blickte sie nach oben und erkannte sofort die zwei eisigen, blauen Augen wieder, die sie anstarrten.

Chris rümpfte verächtlich die Nase und zog seine Beute an Land.

Das Mädchen legte sofort wieder die Arme um ihre Brüste und verdeckte mit ihren Knien den tiefer gelegenen Bereich, so gut sie konnte. Sie starrte von unten zu dem Jungen herauf und funkelte ihn wütend an.

„Tse. Tu nicht so, als ob ich dir etwas interessantes hättest, dass ich unbedingt sehen möchte!“

witzelte der Junge.

„Und du tu nicht so, als ob ich nicht die Erste wäre die du nackt siehst!“ witzelte Nele gespielt zurück.

Wütend, weil er sich in seiner Ehre gekränkt fühlte schnaufte er ihr entgegen: „So? Du glaubst also, dass ich mir deinen Anblick genau einprägen soll, weil du die erste Frau bist, die ich so sehe?“

Sein Blick glitt über ihren Hals und folgte einem einzelnen Schweißtropfen, der ihr zwischen die Brüste lief.

Chris schluckte hörbar laut.Ihr Anblick ließ ihn alles andere als kalt und das ärgerte ihn zutiefst.

„Na dann, zeig doch mal her, was du da versteckst.“ meinte er trotzig und packte wieder ihren Arm, an dem er das Mädchen hochgezogen hatte und kniete sich zu ihr auf die Wiese. Gebannt musterte er ihren Körper. Folgte mit den Augen ihrer Kinnlinie, musterte ihr Schlüsselbein, verweilte kurz bei ihren Brüsten und ließ seinen Blick noch tiefer schweifen.

Heiße Glut erfasste seinen Körper. Ein unglaublich gieriger Drang durchzuckte ihn und nur mit aller größter Mühe konnte sich Chris beherrschen, um nicht wie ein ausgehungertes Tier über sie herzufallen.

„Spinnst du? Lass mich gefälligst los!“ forderte sie entsetzt und versuchte sich aus seinem Klammergriff zu befreien, doch es gelang ihr einfach nicht sich loszureißen.

„Scheint so.“ murmelte Chris vor sich hin, als er Nele auf den Rücken warf und alle Selbstkontrolle in den Wind blies.

Entsetzt schrie sie auf und strampelte wie wild mit den Beinen, doch Chris fixierte sie mit seinen Knien auf dem Boden, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte.

„Bitte nicht.“ flehte sie ihn an.

In Nele´s Kopf spielten sich noch einmal die Bilder ab, als sich der Narbige an ihr vergehen wollte.

Sie glaubte seinen heißen Atmen in ihrem Nacken zu spüren.

Die heiß ersehnte Wut blieb dieses Mal aber leider aus und ein Gefühl von Angst und Panik machte sich in ihr breit.

Doch auf einmal verscheuchte ein wohliger Schauer diese unangenehmen Gefühle.

Chris streichelte zärtlich mit seinem Handrücken über ihre Brustwarze, bis diese sich aufrichtete und sich ihm entgegenstreckte.

Zufrieden seufzte er auf. Dieser Laut riss ihn aus seiner Trance und holte ihn eiskalt in die Realität zurück.

Erschrocken blickte er auf Nele herab.

Ihre Haare umrandeten ihr Gesicht wie ein riesiger schwarzer Fächer und brachte so ihre zarte Blässe besser zum Vorschein.

Mit geröteten Wangen blickte sie den Jungen an und beobachtet ihn aus ihren klaren bernsteinfarbenen Augen.

Beide wussten nicht was sie sagen sollten. Der Wind streichelte kurz über Chris Nacken und erzeugte so einen wohligen Schauer auf seinem Rücken.

Sein Blick wurde wie von einem Magneten angezogen und heftete sich auf die köstlichsten Lippen die er je gesehen hatte. Vor Vorfreude leckte er sich über seine eigenen, dann senkte er langsam seinen Kopf herab und legte seine Lippen auf die Ihren.

Fordern neckte er sie mit seiner Zunge und Nele gab ohne groß darüber nachzudenken nach.

Sie öffnete ihren Mund und zog seine Zunge begierig ein. Eine heiße Glut, die alles zu versengen mag breitete sich in ihrem Körper aus und vernichtete alles logisches Denken.

Beide tanzten in einem leidenschaftlichen Rhythmus miteinander, bis sie außer Atem waren.

Nele hatte unterbewusst mit ihrem freien Arm nach Chris Hals gegriffen und umschlang ihn so fest wie sie nur konnte.

Kurz lösten sie sich voneinander, um frische Luft in ihre Lungen zu saugen.

Der Sauerstoff breitete sich kühl und erfrischend in ihnen aus.

Dann setzten sie ihren Zungentanz fort.

Chris umschloss mir seiner Rechten eine Brust und streichelte neckenden mit dem Daumen über den roten Warzenvorhof.

Er zwirbelte die Brustwarze so lange bis sie sich noch mehr aufrichtete und sich ihm keck entgegenstreckte.

Ein heißes Glühen machte sich in Nele´s Körper breit und sie genoss es.

Sie genoss es so sehr, dass sie zum ersten Mal vergaß, wie durcheinander und verzweifelt sie eigentlich war.

Alle Ereignisse der vergangenen Tage lösten sich in Luft auf.

Es gab nur noch sie beide und ihre Leidenschaft.

Abermals außer Atem lösten sie sich voneinander und blickten sich tief in die Augen.

Plötzlich erhob sich Chris und öffnete den ersten Knopf seines Hemdes.

Nele legte eine Hand über seine und schüttelte zaghaft mit dem Kopf. Sie versuchte mit aller Macht den letzten Rest an Beherrschung aufzubringen, den sie konnte.

Sofort verstand der Junge, dass er Heute wohl nicht mehr von ihr bekommen würde, als diese leidenschaftlichen Küsse.

Vorerst.

Denn so eben hatte Chris sich entschlossen, das Angebot seines Bruders wahr zu nehmen und Nele als die Seinige anzusehen.
 


 


 

Schon vom ersten Moment an hatte ihn etwas zu ihr gezogen.

Das erste Mal als dieses Gefühl der Verbundenheit aufgetaucht war, war er in diesem Dorf gewesen, in dem sein Bruder ihn abholen wollte.

Er hatte den warmen Duft von Frühling, Sonnenschein und einem Hauch von Vanille verfolgt, der sein Interesse so plötzlich geweckt hatte.

Dieser köstliche Duft hatte ihn direkt unter das Fenster des Bordells geführt.Er konnte ihre Angst beinahe schmecken und es zerriss ihm das Herz, dass sie da oben war und er hier unten.

Chris war kurz davor gewesen, die steile Wand hochzuklettern und das Mädchen aus den Klauen des Mannes zu befreien, der sich gerade an ihr vergehen wollte.

Doch da brannte auf einmal das ganze Dorf lichterloh und lenkte seine Aufmerksamkeit für einen Bruchteil einer Sekunde ab.

Alles versank in einem unendlichen Chaos. Der Angriff seines Bruders hatte begonnen. Er musste sich beeilen, wenn er diese zarte Blume mitnehmen wollte.

Also hatte er seine Aufmerksamkeit wieder dem kleinen Fenster zugewandt, aus dem dieser verboten köstliche Duft ragte.

Chris hatte bereits zu einem Vorsprung gegriffen, um die Wand hinauf zu steigen und das Mädchen zu retten.

In Gedanken spielte er die Szenerie durch, in der er den Mann erwürgen und dann vierteilen würde, um seiner hilflosen, zarten Blume zur Rettung zu eilen.

Dann stand sie da plötzlich.

Erschrocken war er einen Schritt zurück getreten und hatte zu ihr ungläubig aufgeblickt.

Sie befand sich genau über ihm und kletterte an der Wand entlang!

Geschockt von ihrer Todessehnsucht brachte er sich gerade noch rechtzeitig in Position, um sie auf zu fangen, als dieses dumme Ding abrutschte.

Sanft wie eine Feder landete sie in seinen Armen.

Ihr Körper hatte sich so warm und weich angefühlt. Am liebsten hätte er sie nie wieder losgelassen.

Doch als ihn ihr stechender Blick traf, lies er sie vor Schreck fallen. Er konnte sich nicht mehr genau an seine Worte erinnern, denn ihre Art brachte ihn ganz durcheinander.

Nele funkelte ihn darauf hin nur noch wütender an.

Er hatte das Gefühl gehabt von ihr durchbohrt zu werden.

Verwirrt hatte er sie dann stehen gelassen und war geflohen, um seine Gedanken zu sammeln. So hatte er sich seine zarte Blume nicht vorgestellt!

Wie passte so ein unglaublich köstlicher und betörender Duft zu so einer Kratzbürste?

Trotzdem wollte sie ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen, also hatte er sie aus dem Verborgenen heraus beobachtet.

Ihm war so ein Mädchen noch nie begegnet.

Normalerweise senkten alle Frauen ihren Kopf gegenüber einem Mann.

Nur Moe, die sich diese Freiheit aufgrund ihrer Fähigkeiten im Kampf und ihrer Künste im Fährtenlesen leisten konnte, blickte den Männern genauso unerschrocken ins Gesicht.

Doch Nele war nicht einmal in der Lage gewesen sich vor einem einzelnen Snarkangriff zu retten.

Auch da musste er ihr wieder beistehen und sie beschützen.

Doch ihr Mut und ihre Unerschrockenheit schockierte und faszinierte Chris zutiefst.

Ihr mangelnder Respekt vor dem männlichen Geschlecht ärgerte ihn allerdings.

Doch trotzdem konnte er kein einziges Auge zu tun, als sie sich bei ihm im Lager befunden hatte.

Auch seine innere Bestie sehnte sich nach ihrem Körper, ihrer Seele und ihrem Herzen.

Doch Nele´s Charakter schreckte sie beide sogleich wieder ab.

Als es ihm endlich gelungen war einzuschlafen, musste es Nele sich fort geschlichen haben. Dieses törichte Ding. Glaubte sie wirklich so einfach entkommen zu können?

Chris bemerkte es gleich als erstes.

Als Nächstes fiel ihm auf, dass sein Bruder ebenfalls verschwunden war.

Brennende Eifersucht hatte ihn dazu getrieben die Beiden zu suchen.

Doch aus irgend einem Grund, konnte er weder die köstliche Fährte von Nele ausmachen noch die erdige seines Bruders finden.

Erst als David´s Blut floss, bemerkte Chris, dass er in die entgegengesetzte Richtung gelaufen war.

Mit eiligen Schritten und vor sich hin fluchend hatte er dann endlich sein Ziel erreicht.

Doch außer seinem Bruder war niemand zu finden gewesen. Nele war nicht bei ihm. Der Geruch von modrigem Gewässer durchtränke die Luft und machte es ihm schwer Nele ausfindig zu machen.

Blutend lag David auf der Wiese und umklammerte einen braunen Stofffetzen.

Gleich darauf waren Moe und die Anderen eingetroffen. Scheinbar hatte die Banditin den gleichen Drang verspürt und sich auf die Suche nach ihrem Anführer gemacht. Sie versorgten David vorerst Notdürftig um ihn danach schnell wieder zurück zum Lager zu bringen. Keiner fragte nach dem fremden Mädchen, dass ebenfalls verschwunden war.

Es musste wohl einen Kampf gegeben haben. Die Spuren waren überall zu erkennen gewesen. Magie lag in der Luft, genauso wie der widerliche dämonischen Geruch der seine Sinne vernebelte.

Nochmals blickte sich Chris aufmerksam um.

Natürlich erntete er erstaunte Blicke.

Vor allem Moe hätte ihn am Liebsten gleich mitgenommen und von diesem Ort weggezogen.

Sie war klug.

Sehr klug sogar, denn sie hatte vom ersten Moment an in Nele eine ernst zu nehmende Rivalin erkannt.

Scheinbar berechtigt, wenn man bedachte, dass Chris an niemand anderen mehr denken konnte, als an dieses merkwürdige Weib ohne Respekt oder Scheu.

Beinahe hätte Chris Moe´s Drängen mit ihr fort zu gehen nachgegeben.

Aber nur Beinahe, denn da hatte er endlich die dezente Note von Frühling und Vanille bemerkt.

Sein Herz begann zu rasen und sein Gehirn suchte nach einer Ausrede noch länger hier bleiben zu können.

Also schickte er alle fort.

Dazu brauchte er seine gesamte Überredungskunst, um Moe davon zu überzeugen, ihn zurück zu lassen.

Als sie dann alle endlich weg waren, krabbelte diese süße Kratzbürste den See empor.

Er traute seinen Augen kaum, als sie da Nackt wie Gott sie schuf zu ihm kletterte und genau vor seinen Füßen landete.

Sofort meldete sich eine tiefe Sehnsucht zwischen seinen Beinen und reckte sich pochend empor.

Trotzdem war er zu verlegen, als dass er hätte charmant sein können.

Nein.

Er war das genaue Gegenteil seines Bruders.

Patzig und arrogant, um seine Unsicherheit zu überdecken motze er sie wieder einmal an.
 


 


 

Noch immer blickten ihn diese bernsteinfarbenen Augen entgegen. Nele´s Lippen schimmerten nun dunkelrot und lockten zu einem weiteren Kuss.

Gerade, als er ihrem Locken nachgeben wollte, da änderte sich der Ausdruck in ihren Augen von vor Verlangen glänzend zu stechend giftig.

In diesem Moment wurde Nele bewusst, dass sie ihre Deckung sinken gelassen hatte.

Wut auf ihre eigene Unachtsamkeit und Wankelmütigkeit machte sich in ihr breit.

Sie hatte sich selbst verraten.

Sich und ihre Liebe zu Tom.

Schon wieder!

Chris schreckte kurzzeitig zurück, denn diesen Blick hatte er jetzt nun am wenigsten erwartet und so gelang es Nele ihn beiseite zu stoßen.

Schnaufend stand sie auf und suchte nach ihrem Kleid.

Schnell hatte sie es neben einem Stein gefunden und zog es rasch an ohne sich darum zu kümmern, ob Chris sie nun nackt sah oder nicht.

Bedauernd blickte der immer noch erregte Junge ihr hinterher, da sich ihre Reize nun wieder verhüllen würden.

Ein schluchzen durchzuckte Nele plötzlich und ihr gesamter Körper bebte, als sie den ungewohnten Stoff auf ihrer Haut spürte.

Heimweh flutete ihr Herz und es krampfte sich in Intervallen zusammen.

Nele hockte sich hin und weinte leise in ihre Hände.

Was war nur los mir ihr?

Sie musste einfach mit ihren Nerven am Ende sein, anders konnte sie sich den Gefühlsausbruch nicht erklären.

Unschlüssig was er von Nele halten sollte, trat Chris von einem Bein auf das andere.

Dieses Mädchen war ein Buch mit sieben Siegeln für ihn.

Wie konnte ein einzelnes Mädchen nur so verwirrend sein?

„Was weinst du denn? So schlecht war dein Kuss nun auch wieder nicht!“ maulte er sie an, hilflos der Tränen die Nele unablässig die Wangen herab liefen.

Doch anstatt wie gewohnt wütend zu werden, nahm das schluchzen noch zu.

Nele verstand sich selbst nicht mehr.

„Ich...“ schniefte sie, in einer kurzen Pause ihrer Weinkrämpfe.

„Ja du?“ hakte Chris ungeduldig und etwas zu schroff nach.

Nele schniefte noch einmal laut, dann antwortete sie: „Ich will nach Hause.“

„Dann geh doch!“

„Ich weiß aber nicht wie ich da hin kommen soll?“ gab sie Kleinlaut zu.

Nele war es egal, dass sie das erste Mal seit vielen Jahren von einem Fremden Jungen, der über sie hergefallen war, wie ein wildes Tier beim weinen beobachtet wurde.

Es war ihr auch egal, dass dieser Junge sie nicht verstehen konnte.

Chris zuckte nur verständnislos mit den Schultern.

„Dann such dir einfach ein neues zu Hause.“ bei diesen Worten wandte er sich ab und blickte in den Wald, um die Gegend zu beobachten.

Er durfte Nele nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen. Jeder potenzielle Gegner musste ausgelöscht werden!

Egal was es war, dass seinen Bruder und sie angegriffen hatte, es konnte jederzeit noch mehr von dieser Gefahr auf sie lauern.

Wütend schnauzte sie ihn an:

„Mir ein neues zu Hause suchen! Hast du sie nicht mehr alle! Für wen hältst du dich eigentlich!“

Erschrocken über ihren hassvollen Ton zuckte Chris zusammen.

Er drehte sich zu ihr, um, etwas zu erwidern, doch ihr eisiger Blick brachte ihn sogleich zum schweigen.

„Was fällt dir ein! Mein zu Hause ist einzigartig! Keiner kann meine Familie und meine Freunde ersetzen!“ keifte sie ihn an.

Ja, das war es. Wut. Unglaublicher Wut. Das fühlte sich für Nele viel besser an, als diese Traurigkeit und Verzweiflung die kurzzeitig in ihr hochgekommen waren.

Auch in Chris machte sich Wut breit.

Wie konnte dieses Weib es wagen, ihn derart anzuschreien, vor allem nachdem sie sich dermaßen verführerisch und stöhnend unter seinen Küssen gewunden hatte!

Er stapfte auf sie los und hob die Hand drohend an.

Abwartend funkelten ihn zwei Bernsteine an.

„Wage es ja nicht mich zu schlagen!“ zischte sie ihm entgegen.

Er holte aus und langte zu Neles Kopf.

Mit einem kräftigen Ruck wurde sie an den Haaren zu ihm heran gezogen und seine Lippen pressten sich mit aller Gewalt auf die Ihren.

Nele stemmte ihre Hände zu Fäusten geballt gegen seine Schultern, konnte ihn aber nicht weg stoßen.

Hilflos lag sie in seinen Armen, bis er sie endlich befreite.

„Dir werde ich noch Respekt beibringen, meine liebe Kratzbürste!“

Nele keuchte auf.

Gerade als sie ihn an knurren und wüste Beleidigungen entgegen werfen wollte, da legte Chris seinen Arm um ihre Taille und schmiss sie sich einfach über die Schulter.

Wütend strampelte sie mit ihren Beinen.

„Lass mich los du Neandertaler!“ schrie sie.

Chris Zorn wurde nur noch mehr angefacht.

Instinktiv ging er in die Knie und machte etwas, was er normalerweise nie in Gegenwart von anderen Menschen tun würde.

Er setze zum Sprung an.

Mit seinen Beinen stieß er sich kraftvoll vom Boden ab und landete nach einem kurzen Flug auf einem Baum, am Rande des Waldes.

Erschrocken hatte Nele die Luft angehalten.

Nun entließ sie sie in einen endlos entsetzten Schrei.

Doch Chris ließ sich davon nicht irritieren, denn das war Musik in seinen Ohren.

Er setzte wieder zum Sprung an und landete sogleich in der Baumkrone eines etwas weiter entfernten Baumes.

Verzweifelt krallte Nele ihre Fingernägel in das Hemd ihres Entführers.

Ein befriedigendes Lächeln mache sich auf Chris Mundwinkeln breit.

Das sollte eine Lehre für sie gewesen sein.

Schnell sprang er von Baum zu Baum und ließ sich mit Absicht ab und zu in Richtung Boden fallen, was Nele einen weiteren Schrei entlockte.

Der Boden flog nur so dahin.

Es war ein herrliches Gefühl für den jungen Mann, den Wind in seinem Gesicht zu spüren und die last seiner Beute auf seinen Schultern.

Sein geflochtener Zopf schlug in einem ungleichmäßigen Rhythmus gegen den Rücken.

Es dauerte nicht lange und sie waren nahe genug am Lager angekommen, um eine kurze Pause einzulegen.

Chris blieb vor einem großen Baum stehen und stellte Nele mit dem Rücken gegen die raue Rinde wieder auf den Boden.

Er lehnte seine Arme an beiden Seiten gegen den Baum, um das noch vollkommen bleiche Mädchen gefangen zu halten.

Ihre Augen hatten nichts von dem wütenden Schimmer eingebüßt und langsam begann Chris dieses Glühen zu lieben.

„Na? Ich hoffe du hast was daraus gelernt, ansonsten können wir noch eine Runde drehen.“ forderte er sie heraus.

„Nein danke.“ zischte sie ihm entgegen und wünschte sich er würde an seinem dämlichen Ego ersticken.

Amüsiert blickte er sie an.

Chris beugte sich kurz vor, um seine Lippen noch einmal auf die Ihren zu legen, als es plötzlich im Gebüsch raschelte.

Erschrocken zuckte Nele zusammen, doch Chris wusste sofort wer das war.

Seine Nase hatte den fruchtigen Geruch von Moe schon lange wahrgenommen, nur hatte er beschlossen sie zu ignorieren.

Doch leider hatte sich Moe für das Gegenteil entschieden.

Wütend funkelte sie ihre Rivalin an.

Dann wendete sie ihren Blick in Richtung Chris. Mit schrecken musste Moe feststellen, dass seine Augen vor Freude glühten.

Es war lange her gewesen, als Moe ihn so strahlen gesehen hatte.

Insgeheim beneidete sie Nele um ihr Glück, diese Seite von Chris gesehen zu haben.

Damit fasste sie einen Entschluss.

„David ist noch bewusstlos und Ben sucht nach dir.“ tadelte sie ihn.

„Wozu? Er vertritt doch meinen Bruder.“

„Trotzdem müssen wir uns vorbereiten. Wir haben keine Zeit für deine Späßchen.“

Dann blickte sie wieder zu Nele.

„Und du musst hungrig sein. Kommt mit.“ lächelte sie ihr freundlich entgegen.

Nele traute der Sache nicht so recht. Aber weil sie schon wieder fast einen Tag nicht gegessen hatte, nahm sie das Angebot dankend an und flüchtete vor dem Wahnsinnigen.

Chris konnte sich ein anzügliches Knurren und einen Klaps auf ihren Hintern nicht verkneifen. Wann war er nur so süchtig nach diesem Weib geworden?

Quiekend und weitere tödliche Blicke verschießend folgte Nele ihrer Führerin rasch.
 

Moe beobachtete das junge Mädchen, bis diese mit Essen fertig war.

Chris hatte zwar noch eine Weile rumgemurrt, doch war er dann seinen Pflichten nachgekommen.

Die junge Banditin war allerdings nicht die Einzige, der aufgefallen ist, dass Chris Nele einen sehnsuchtsvollen Blick zugeworfen hatte.

Die anderen im Lager, die gerade nichts besseres zu tun gehabt hatten, als sich darüber das Maul zu zerreißen nervten sie tierisch.

„Nele.“

„Ja?“

„Willst du das Lager verlassen?“

Neugierig blickte sie Moe an.

Ganz traute sie ihr noch nicht, aber wenn die junge Frau ihr helfen konnte, das Lager zu verlassen und nicht innerhalb eines Tages wieder von einem der blonden Brüder eingefangen zu werden, wäre sie dankbar.

Natürlich spürte Nele auch, dass Moe sie einfach los werden wollte und das kam ihr entgegen, denn so konnte sie sicher gehen, dass ihre Flucht dieses Mal gelingen würde.

Gerade deshalb ließ sie sich darauf ein.

„Ja.“

„Gut.“ Moe blickte sich kurz nach eventuellen Lauschern um, dann sprach sie etwas leiser weiter.

„Ich helfe die zu fliehen. Ich erkläre dir den Weg in ein Dorf, in das David und Chris niemals gehen würden.“ erläuterte sie.

„Warum nicht?“ fragte Nele neugierig.

„Das ist egal.“

Achselzuckend gab sich Nele mit dieser Antwort zu Frieden.

„Das Dorf Kara wird dir bestimmt gefallen. Währenddessen lenke ich die beiden ab, sodass sie sich weiter von dir entfernen werden.“

„Wie willst du das anstellen?“

Verschwörerisch grinsend näherte Moe sich Nele und teilte ihr ihren Plan mit.
 

In der Nacht fand sie kaum Ruhe, vor lauter Aufregung. Zappeln wälzte sie sich von einer Ecke ihres Schlaflagers zur anderen.

Immer wieder musste sie an die Brüder denken und an ihre Küsse.

Davids zärtlicher und liebevoller Kuss und Chris animalischer, dominanter Kuss unterschieden sich wie Tag und Nacht. Trotzdem konnte Nele nicht sagen, welcher ihr besser gefallen hatte, denn eigentlich hatte sie keinen von beiden gewollt.

Nein der einzige Kuss nach dem sie sich sehnte war Toms. Doch der ließ scheinbar für immer aus sich warten.

Kopfschüttelnd versuchte sie die Bilder des heutigen Tages zu verjagen und schwor sich, nie wieder ihre Deckung dermaßen fallen zu lassen. Sie würde diese Küsse einfach vergessen und nie wieder daran denken!

Mit diesem letzten Versprechen an sich selbst gelang es ihr endlich Ruhe zu finden und einzuschlafen.

Nele allein

So nun ist es endlich mal wieder so weit!

Ich habe es geschafft, dieses Kapitel fertig zu stellen.

Lange hats gedauert.

Aber es ist hier.

Ich hoffe ihr habt Spaß damit. ;)
 

eure Hina
 

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>Entwischt!< freute sich Nele, als sie einer langen Straße Richtung Süden folgte.

Genau wie es Moe prophezeit hatte, waren am Morgen David und Chris aufgebrochen, um mit ihren Männern ihr nächstes Ziel zu plündern.

Der ganze Trupp von Männern hatte seine Pferde gesattelt und sich Richtung Norden begeben.

Nele verstand immer noch nicht warum diese beiden Brüder unbedingt Dörfer überfallen mussten.

Doch im Grunde wollte sie es auch nicht wissen.

Immerhin war es ihr so gelungen zu entkommen.

Einzig allein Moe und ein paar Männer waren zurückgeblieben.

Die Mädchen hatten vorgegeben sich baden zu wollen und Moe hatte jedem mit dem Tod gedroht, der sie verfolgen sollte.

Also konnten sie beruhigt in den Wald spazieren.

Moe hatte sie bis zu einer Lichtung gebracht, von der aus sich die Fremde würde alleine weiter kämpfen müssen.

Alles was Nele wollte, war wieder nach Hause zurückzukehren.

So sah sie sich unerschrocken das Dickicht des Waldes an und suchte sich ihren Weg zur Freiheit.

Doch scheinbar sollten ihr Heim, Lydia, ihre Eltern und Tom noch warten.

Zuerst musste sie sichergehen, dass ihre Flucht erfolgreich war.

Denn nur, wenn ihr diese seltsamen Brüder nicht mehr im Weg standen, konnte sie zum Grab zurückkehren und von dort aus eine Lösung finden.

Leider hatte Nele sich nicht getraut Moe nach Informationen über das Grab auszufragen, da sie unnötige Fragen vermeiden wollte.

Also musste sie allein da durch.

Doch das war kein Problem für das tapfere Mädchen, denn sie hatte sich ihr Leben lang bereits alleine durchgeschlagen.

Nur Lydia hatte sie soweit vertraut, dass sie ihre Hilfe akzeptieren konnte.

Die Sonne brannte erbarmungslos auf das Mädchen nieder.

Der Schweiß lief ihr in Bächen den Rücken hinab.

Neles trockene Zunge klebte bereits eine halbe Ewigkeit an ihrem Gaumen fest.

Jeder Schritt kostete sie alle Selbstbeherrschung.

Aber Nele gab nicht auf.

Sie hatte sich das Ziel gesetzt, bald wieder nach Hause zu gelangen.

Wenn sich das sture Mädchen erst einmal ein Ziel gesetzt hatte, dann konnte kommen was wolle, sie würde es um jeden Preis erreichen.

Eine weitere Überlebenstaktik, die sich Nele über Jahre hinweg angeeignet hatte.

Trotzig setzte das Mädchen einen Fuß vor den Anderen.

Es war ihr gelungen sich unbemerkt durch den Wald zu schleichen.

Dank Moes Beschreibung war es eine Leichtigkeit gewesen den so gut wie unsichtbaren Pfad im Wald zu finden und ihm zu folgen.

Fast eine Stunde hatte Nele gebraucht, bis sie den Waldrand erreicht hatte.

Unterwegs zweifelte sie oft daran, ob sie die richtige Richtung eingeschlagen hatte.

Doch nun war sie an der Straße angekommen, von der ihr die Banditin erzählt hatte.

Weitere Stunden sind seit dem Vergangen.

Die Straße schien einfach kein Ende zu nehmen.

Nicht einmal die Vögel bewegten sich in der Mittagsglut.

Nele stapfte tapfer weiter.

Der glühende Feuerball kannte kein Erbarmen.

Nicht eine einzige Wolke kroch am Himmel entlang.

Kein noch so laues Lüftchen wehte.

Selbst die Insekten lagen faul und träge in den verdorrten Gräsern und warteten auf die Kühle der Nacht.

Mit der linken Hand verjagte das kraftlose Mädchen eine einzelne Fliege, die sich immer wieder summend um ihren Kopf drehte, nur darauf wartend einen Tropfen Schweiß von Neles feucht glänzendem Gesicht zu schlürfen.

Als Nele zum tausendsten Male ausholte, um dieses lästige Insekt zu verjagen, erblickte sie in weiter Ferne einen langen Schatten.

In der Sonne schien er zu flimmern wie der alte Farbfernseher ihrer Oma.

Das Erinnerte sie an die hinterhältigen Tücken dieses fiesen Apperates.

Jedes verdammte Mal wenn Nele ihre Lieblingssendung ansehen wollte, begann dieses verfluchte Ding zu flattern und zu flirren.

Doch wenn ihre Oma ihren heiß geliebten Bibelkanal ansehen wollte, dann war die Störung wie auf wundersamer Weise verschwunden.

Oft hatte Nele diese Tatsache verflucht.

Bis zu dem Punkt, an dem sie es einfach aufgegeben hat bei ihrer Oma fern zu sehen.

Nele schaute weiter gerade aus.

Der Schatten flackerte ihr höhnisch entgegen, genauso wie die schrottreife Kiste.

Trotzig reckte Nele ihr Kinn und lief erhobenen Hauptes weiter.
 

Nach einer weiteren gefühlten Stunde schien sich der Schatten immer mehr zu nähern.

Der Schweiß tropfte ihr in die Augen und brannte fürchterlich.

Blinzelnd machte es Nele den Anschein, als ob die vereinzelten Sträucher und Büsche sich über sie lustig machen würden.

Mit einem ihrer knotigen Fingern zeigten sie zu ihr und mit dem Anderen in Richtung des Schatten. Die alte raue Rinde zog sich scheinbar zu lächerlichen Fratzen zusammen und spotteten über das dumme Mädchen, das niemals sein Ziel erreichen würde.

„Langsam werde ich verrückt!“ murmelte sie vor sich hin.

Aus lauter Verzweiflung, sich den Schatten nur eingebildet zu haben, beschleunigte sie ihre Schritte.

Mit immer mehr Schwung setzte sie einen Fuß vor den anderen.

Aus einer unbekannten Quelle, tief aus ihrem inneren schöpfte das Mädchen Kraft, sodass sie dem Schatten in kurzer Zeit immer näher kam.

>Na wart nur, du dämliches Gestrüpp! Ich werde den Schatten erreichen!< dachte sich Nele trotzig und marschierte immer weiter und weiter.

Es dauerte nicht mehr lange und der Schatten verformte sich zu einer Silhouette.

Von weitem konnte Nele bereits einen Kirchturm erkennen.

Schwer Atmend stoppte sie ihren schnellen Gang und beobachtet die Rauchschwaden die sich gen Himmel richteten.

Erleichterung durchflutete den erschöpften Körper.

Dankbarkeit machte sich in Nele breit.

Sie hatte es geschafft.

Sie hatte Kara ganz alleine gefunden. Dort würde sie vor den Brüdern sicher sein und über ihren nächsten Schritt nachdenken können.

Langsam näherte sie sich wieder den einzelnen Häusern.

Eine gewisse Ruhe und Geborgenheit lag in der Luft und breitete sich überall aus.

Nele fühlte sich gleich viel wohler.

Etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie sich hier länger aufhalten konnte, ohne um ihr Leben Angst haben zu müssen.

Der Duft von Pferden und Schweinen drang in ihre Nase.

Schnaubend beobachteten die prächtigen Tiere ihr Ankommen, während sich die Schweine gemütlich im Schlamm suhlten, um der Mittagssonne zu entkommen.

Kindergelächter drang an Neles Ohr.

Sie spielten und tollten auf den Straßen zwischen frei laufenden Hunden und Hühnern umher.

Die Frauen schleppten Körbe mit Getreide oder hängten Wäsche auf.

Jede von ihnen ging ihren eigenen Tätigkeiten nach und beäugten nebenbei die Fremde.

Nele bemerkte gleich, dass kein einziger Mann zu sehen war.

Genauso gab es keine älteren Menschen.

Die Älteste Frau, die Nele sah, war um die Mitte vierzig und trug ein Kleinkind auf ihrer Hüfte.

Ein leises Kribbeln breitete sich plötzlich in Neles Körper aus.

Wie ein summen oder vibrieren, durchfuhr es sie von Kopf bis Fuß.

Ihr Blick schweifte umher und fand sofort sein Ziel.

Wie magisch angezogen tappte das Mädchen zum Brunnen.

Leises Wispern drang an ihr Ohr und schien ein Lied aus vergangener Zeit zu singen.

Ein Scheppern aus der Ferne schreckte sie aus ihrer Trance auf.

Sofort erkannte Nele den einfachen, aus groben Steinen zusammengesetzten Brunnen, den ihr Moe beschrieben hatte.

Verwirrt runzelte sie die Stirn und verschob es auf später, über diese merkwürdige Anziehungskraft des Brunnen nachzudenken.

Jetzt sollte erst einmal der schwierigere Teil kommen.

Nele musste bei einer bestimmten Person vorgeben, dass sie von David geschickt worden war.

Nur wenn die Fremde ihr die Geschichte abkaufte, hatte sie eine Chance eine Unterkunft zu bekommen.

Gemeinsam hatte sie mit Moe besprochen, wie sie vorgehen sollte, um möglichst glaubhaft rüber zu kommen.

Sie schlenderte rechts am Brunnen vorbei und blickte kurz in die Tiefen des alten Ungetüms.

Einzelne Steine waren bereits raus gebrochen und lagen um den Brunnen herum verstreut, während andere in die Dunklen Tiefen hinab gefallen waren.

Wenn stimmte was Moe sagte, dann hatte der Brunnen schon seit über 300 Jahren kein Wasser mehr.

Die Dorfbewohner störte das recht wenig, da am Rande des Dorfes ein kleiner Fluss entlang floss.

Als Nele an das Haus kam, dass Moe ihr perfekt beschrieben hatte: dunkelrotes Ziegeldach, dicke Eichentür mit einem eingeritzten Auge darauf, atmete sie noch einmal kurz durch.

Dreimal schlug Nele mit der Faust gegen die Tür, bis diese auf einmal einen Spalt breit geöffnet wurde.

Der Geruch von Kräutern und frischem Blut schlug ihr entgegen und vernebelte Neles Verstand für wenige Sekunden.

„Was willst du?“ die sehr genervt klingende Stimme brachte Nele wieder zur Besinnung.

„David hat mich geschickt.“ antwortete Nele ohne zu zögern.

Dabei musterte sie die dunkel blauen Augen, die sie wütend an funkelten.

>Wie, als ob man in den tiefsten Abgrund des tiefsten Meeres schauen würde.< schoss es Nele durch den Kopf und ein unangenehme Gänsehaut breitete sich aus.

Bei Davids Namen erhellte sich der Blick und ein zartes Lächeln umspielte die Augenwinkel.

Doch es dauerte nicht lange und es war auch schon wieder verschwunden.

„Und warum schickt er dich zu mir?“ fragte die alte Hexe skeptisch mit hoch gezogener Augenbraue.

Jetzt kam der schwierigere Teil.

„Neulich haben er und Chris mein Dorf überfallen. Dabei rettete er mir das Leben. Ich glaube David hatte Mitleid mit mir, als er erfuhr, dass ich mich nicht mehr an meine Vergangenheit erinnern kann und dachte sie könnten mir helfen. Er hat versprochen mich mit zu ihnen zu nehmen. Jetzt bin ich hier.“

„So so, und warum ist er nicht bei dir?“

„Ähm... Er musste weiter ziehen und hat mich auf der großen Handelsstraße abgesetzt.“

Wenn Nele etwas nicht gut konnte, dann war es zu lügen.

Sie verabscheute Lügner über alles, da ihre Eltern sie in ihrer Kindheit pausenlos angelogen hatten.

Verlegen blickte das Mädchen zum Rahmen der Tür und betete inständig, dass die Alte ihr glaubte.

Diese starrte sie unentwegt an und schien zu überlegen.

Dann seufzte sie lauthals und schüttelte ihren Kopf.

Nele konnte nicht einmal mehr blinzeln und schon hatte die Frau ihr die Tür vor der Nase zu geschlagen.

Irritiert runzelte sie die Stirn und fragte sich insgeheim, ob man ihr die Lüge hatte im Gesicht ansehen können.

Doch ein klappern auf der anderen Seite der Tür verriet ihr, dass gerade eine Kette gelöst wurde.

Dann schwang die Tür erneut auf.

„Komm rein,“ befahl ihr die Frau, „geh nach Links die Treppe rauf. Dort bleibst du bis morgen Früh. Melde dich pünktlich vor Sonnenaufgang zum Dienst. Wasser findest du im Krug in der Küche.“

Nele machte sich sofort mit einem gemurmelten „Danke.“ auf den Weg in die Küche und trank in großen Zügen aus einer alten Kanne.

Dabei bemerkte sie, dass scheinbar vor kurzem ein Huhn geschlachtet worden war.

Das Blut und die Federn waren noch überall auf dem Tisch verteilt.

Das Fleisch köchelte in einem Topf über dem alten Herd.

Der Geruch nach Hühnerfleisch mit frischen Kräutern ließ Nele das Wasser im Munde zusammen laufen.

Sie traute sich allerdings nicht, nach etwas Essbaren zu fragen.

Sie war froh wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben und Wasser trinken zu dürfen.

Die Frau ließ das junge Mädchen keine Sekunde lang aus ihren Augen.

Als Nele sich in ihr Zimmer zurück gezogen hatte, machte sich die vierzigjährige wieder daran ihre Mahlzeit zuzubereiten.

Nele warf sich auf die Matratze und schaute sich im Zimmer um.

Außer einer Kommode und einem Stuhl war der Raum leer.

Die Farbe war bereits vollständig von der Wand abgeblättert.

Vereinzelt bröckelte der Putz herab.

Seufzend schloss das übermüdete und erschöpfte Mädchen die Augen und schlief gleich ein.
 

Nele wachte pünktlich vor Sonnenaufgang auf.

Die Vögel sangen bereits ihr Morgenlied.

Der Duft von frisch gebratenen Eiern ließ ihren Magen laut knurren.

Schnellen Schrittes polterte sie die Treppen runter und begab sich gleich in die Küche.

Die Frau stand am Herd und legte gerade etwas Speck in die Pfanne.

Wie nicht anders zu erwarten war der Tisch nur für eine Person eingedeckt.

Nele hatte bereits damit gerechnet sich ihr Frühstück hart erarbeiten zu müssen und da ihr Magen schon lange keine richtige Mahlzeit mehr gesehen hatte, gewöhnte sie sich langsam daran, nichts zu essen und das knurren zu ignorieren.

Dank des orangenen Lichtes, dass sie Vorgestern eingehüllt hatte, war auch das Hungergefühl verschwunden gewesen.

Jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher, als das es ihr gelänge, dieses Licht hervorzurufen und ihren Hunger somit zu stillen.

Doch leider wusste sie noch nicht genau, wie sie diese Kraft nutzten konnte.

Nele schwor sich aber, das sobald wie möglich herauszufinden.

„Was stehst du da so dumm rum?“

Nele erschrak bei diesem rauen Ton.

Doch was hatte sie erwartet?

Bis jetzt war ihr noch keiner begegnet der ihr reine Freundlichkeit entgegen gebracht hatte.

„Wenn du was zu essen willst, dann arbeite! Geh dich umziehen! Ich will keine Hure in meinem Haus sehen! Das Kleid findest du da vorne.“

Mit dem Kochlöffel deutete die Frau auf einen Korb, der am Rande der Küche stand.

Nele fischte ein altes Kleid heraus und ein paar neue Schuhe.

Sie zog sich kurz in ihr Zimmer zurück und warf sich den alten grauen Stofffetzen über.

Sie zog das blassgelbe Band um ihre Hüften enger.

Das Kleid war einige Nummern zu groß, aber bei weitem bequemer, als das Korsett, das in ihrem braunem Kleid eingenäht war.

Die Schuhe hatten auch bereits bessere Tage gesehen, doch würden sie ihren Dienst noch weitere Tage erfüllen können.

Nele legte das braune Kleid zusammen und packte es in eine Schublade der Kommode.

Man wusste ja nie, ob sie es nicht doch noch einmal gebrauchen konnte.

Schnell stieg sie die Treppen herab und meldete sich wieder in der Küche.

Die Frau saß bereits an ihrem Tisch und verschlang gierig ihre Eier.

Ohne aufzublicken erteilte sie ihren nächsten Auftrag..

„Geh jetzt zum Fluss und fülle den Brunnen bis zur Hälfte wieder auf! Erst wenn du das geschafft hast werde ich mein Essen mit dir teilen.“

Ungläubig starrte Nele die Frau an.

Wie sollte sie es schaffen den Brunnen wieder aufzufüllen?

Dieses Unterfangen ist schier unmöglich!

Trotzig streckte das Mädchen ihre Schultern hoch.

>Na schön. Wenn sie meine Ausdauer testen will, dann soll sie es so haben! Wir werden ja sehen, wer am Ende gewinnen wird!< dachte sie bei sich und gab ein einfaches: „Nichts leichter als das!“ von sich.

Ohne weitere Worte schnappte sich Nele die beiden Eimer und machte sich auf den Weg zum Fluss.

Verwirrt runzelte die Frau die Stirn und blickte dem stolzen Mädchen hinterher.

>Wie schwer kann es schon sein einen Brunnen aufzufüllen?< fragte sich Nele und stolzierte nach draußen.
 

Die Sonne stand bereits weiter oben am Himmel und schickte ihr heiße Glut in das kleine Dorf.

Keine einzige Wolke spendete Schatten.

Es sollte ein noch heißerer Tag als Gestern anbrechen.

Die Dorfbewohner machten sich lautstark an ihre Arbeit und hauchten so der Umgebung Leben ein.

Einige Frauen trieben ihre Kühe und Schafe auf die Weide.

Nele erkannte keine 10 Meter entfernt von sich, den schillernden Arm des Flusses, der dem Dorf zum Überleben diente.

Schlendern machte sie sich an das Befüllen der beiden Eimer.

Vorsichtig lief sie zum Brunnen und setze einen Eimer auf dem Boden ab.

Dann kippte sie den Inhalt des Anderen in die Tiefe.

Platschend traf das kühle Nass auf die Kieselsteinchen, die den Boden bedeckten.

Durstig saugte der Erdboden das Wasser auf und ließ keinen einzigen Tropfen zurück.

>Ok. Das wird wohl doch länger Dauern als ich dachte.<

Brummelnd trieb Neles Magen sie an, keine weitere Zeit zu verschwenden und sich an die Arbeit zu machen.

Also entleerte Nele auch den zweiten Eimer und marschierte wieder zurück zum Fluss, um ihre Eimer wieder zu befüllen.

So schleppte das Mädchen Stunde um Stunde, Eimer für Eimer den kleinen Hügel hinauf.

Die Frauen von Kara würdigten dem Mädchen am Anfang keinen Blick.

Zu oft hatten sie schon das Spiel der alten Heilerin beobachtet.

Doch spätesten am Abend konnten sie es sich doch nicht verkneifen dem fremden Mädchen bewunderte Blicke zu zuwerfen.

Noch nie hatte es eine junge Frau so lange durchgehalten und das perfide Spiel mitgespielt.

Jeder wusste, dass der Brunnen kein Wasser spendete.

Nie wieder spenden wird.
 

Schnaufend lehnte sich Nele über den Brunnen und kippte den Eimer aus.

Wie oft war sie diesen blöden Hügel hoch gelaufen und hatte die beiden Eimer entleert?

Nach der zwanzigsten Runde hatte sie aufgehört zu zählen.

Ihre Arme brannten wie Feuer und die Beine zitterten vor lauter Anstrengung.

Nichts.

Es war kein einziger Tropfen zu sehen.

Wutentbrannt schnappte sie sich die Eimer und stapfte zurück zum Fluss.

>Vielleicht muss ich erst den Durst der Erde stillen bevor das Wasser steht.< stellte sie für sich fest um neuen Mut fassen zu können.

Immerhin hatte sie ein Ziel.

Und wer weiß, vielleicht konnte sie es sogar schaffen.

Warum nicht?

Wer ist durch einen Spiegel gesaugt worden?

Nele!

Wer hat seine Jungfräulichkeit erfolgreich in einem Bordell beschützt?

Nele!

Wer war mehrmals den Banditen entkommen?

Nele!

Und wer zum Geier hat es geschafft die hässlichsten Kreaturen mithilfe eines orangefarbenen Lichtes zu killen?

NELE!

Also warum sollte sie auch nicht einen dämlichen, alten, vertrockneten Brunnen auffüllen können?

Genau!

Motivierter als zuvor machte sie sich weiter an die Arbeit.
 

Die Alte schlich zum hundertsten Male an ihrem Fenster vorbei.

Stirnrunzelnd beobachtete sie das Mädchen, dass Eimer, um Eimer, um Eimer, um Eimer den kleinen Hügel hinauf schleppte und unermüdlich Wasser in den Brunnen kippte!

Laut ihrer Urururgroßmutter war es bereits 300 Jahre her, dass der Brunnen Wasser spendete.

Damals gab es den Fluss Niridia noch nicht.

Der Brunnen war die einzige Wasserquelle weit und breit.

Doch nach dem Tod der Priesterin versickerte das Wasser und der Brunnen trocknete aus.

Egal was die Dorfältesten versuchten, sie konnten den Brunnen nicht wieder zum Leben erwecken.

Wie oft waren die Frauen zum heiligen Grabstein gepilgert und hatten um eine neue Priesterin gebetet.

Vergebens.

Die alte Hexe trottete zu ihrer Kammer hinüber und legte sich ins Bett.

Gut das junge Ding mag einiges an Durchhaltevermögen und Dummheit besitzen, um nicht aufzugeben.

Das beeindruckte die Frau sehr.

Noch nie war ihr so ein Mädchen begegnet.

Sollte sie bis zum Morgengrauen durchhalten, würde die Alte nachgeben und die Besucherin auch als solche behandeln.

Insgeheim wünschte sie sich, dass es dem Mädchen gelang den Brunnen aufzufüllen.

Auch wenn es nur noch so wenig sein sollte.
 

Es plätschert laut in der ruhigen Nacht.

Der Mond stand hell und klar am Himmel und schenkte Nele genügend Licht, um ihren Weg zu finden.

Das Zirpen der Grillen klang zart und leise in ihren Ohren, als sie wiedereinmal den Eimer leerte.

Erschöpft sackte das Mädchen am Brunnerand zusammen.

>Ich will nicht aufgeben! Ich will nicht aufgeben!<

Unermüdlich sang sie sich dieses Mantra in ihren Gedanken vor, um die Zuversicht nicht zu verlieren.

Genau diese Worte hatten ihr schon oft geholfen auswegslose Situationen zu überstehen.

Nele blickte in den Himmel und starrte die ihr fremden Sterne an.

Kein einziges ihr bekanntes Sternbild konnte sie ausmachen.

Was war das für eine Verrückte Welt in der sie hier gelandet war?

Wie lange war sie jetzt schon hier?

Nele zuckte mit den Schultern.

Sie hatte so viel erlebt und so viele Orte gesehen.

Das Zeitgefühl hatte sich verabschiedet.

Winkend schaute es zu Nele zurück und verschwand in der Dunkelheit.

Warum?

Warum gelang es ihr einfach nicht diesen blöden Brunnen aufzufüllen?

Wut breitete sich in ihr aus.

Dieses Gefühl machte sie stark.

Eine kleine Ahnung durchzuckte Neles Gedanken.

Sie versuchte sie zu packen doch weil es ihr nicht gelang wurde ihre Wut noch mehr anheizt.

Sie ballte ihre Hand zu einer Faust und blickte auf sie hinab.

Leicht orangefarben schimmerte ihr ihre Faust entgegen.

Die Erkenntnis durchzuckte sie wie ein strahlender Blitz.

Das ist es!

Erfreut Sprang sie auf.

>Jedes Mal!< dachte sie. >Jedes verfluchte Mal, wenn ich wütend werde, dann erscheint dieses Licht! Das erste Mal bei den Snarks. Dann bei diesem Wassermonster. Also ... <

„Also muss ich nur wütend werden.“ schlussfolgerte sie laut.

Warum war ihr dieser Zusammenhang noch nie früher aufgefallen?

Ja das konnte sie gut.

Wütend werden.

Streiten.

Das war ihre Leidenschaft.

Egal.

Nele konzentrierte sich wieder auf das wohltuende wütende Gefühl und griff im Geiste nach ihm.

Orange, warm und einfach herrlich erfrischend durchflutete es sie.

Sie legte es auf ihren Kopf und auf ihre Arme.

Die Wärme breitete sich aus und Vertrieb allen Schmerz und Hunger.

Plötzlich spürte sie ein starkes Ziehen im Hinterkopf.

Instinktiv drehte sich das Mädchen um.

Vor Schreck stolperte sie rückwärts über einen der losen Steine des Brunnens.

Aus der Tiefe des Brunnen erstrahlte ein blaues Licht.

Es breitete Kälte und Schmerzen aus.

Nele kauerte sich zusammen.

Ihr Kopf drohte zu platzten, während unzählige Bilder durch sie hindurch schossen.
 

Sie sah sich selbst vor dem Brunnen stehen, gemeinsam mit vier Männern. Ihr Anblick ließ Neles Herz wie wild rasen, hüpfen, springen und tanzen.

Alles auf einmal.

Zwei Blonde und zwei Schwarzhaarige Männer strahlten sie an.

Ihre lederne Rüstung schmeichelte jeden Muskel von ihnen.

Einer größer und prächtiger als der Andere.

Selbst die Sonne und die Sterne konnten nicht mit dem Lächeln ihrer Auserwählten Männer konkurrieren.

Sie glühten förmlich vor Liebe und Zuneigung ihrer Frau gegenüber.

Nele liefen Tränen der Freude und Sehnsucht die Wange hinab.

Eine Unglaubliche Liebe überschwemmte sie und spülte alles was gewesen war mit sich hin fort.

Sie wollte sie besitzen!

Sie wollte alle vier Männer in ihre Arme schließen und nie wieder gehen lassen.

Doch es sollte nicht sein!

Ihre Männer mussten in den Krieg ziehen.

Alle vier!

Nur Nele würde zurückbleiben müssen und Tag ein und Tag aus für eine sichere Rückkehr beten.

Wie ungerecht!

Ich hasse sie dafür!

Wut breitete sich in ihrem Körper aus und verbrannte die Liebe.

Das Lächeln auf den Gesichtern der Ritter verschwand.

„Ich hasse sie, diese verfluchten Könige und ihre Snarks!“ brüllte die Bestie in ihrem Inneren.

Ich werde sie dafür verni ...
 

„NEIN!“ rief das verschreckte Mädchen in die Nacht hinaus und griff mit ihrem orangenen Licht nach der Quelle der blauen Energie.

Kräftig zog Nele an der kalten Macht und überflutete sie mit ihrer eigenen Wut.

Das Blaue Licht wurde aufgesogen und verschwand tief im Inneren des orangefarben Lichtes.

Erleichtert seufzte Nele auf, als die Kälte verschwand.

Mit ihr verschwanden auch die vier Männer.

Kraftlos sackte das Mädchen in sich zusammen und viel in einen tiefen Schlaf.

Im Traum sah sie die verschwommenen Gesichter ihrer vier Geliebten.

Sie umarmte sie und küsste sie, bis es keinen Morgen mehr gab.
 

Die alte Hexe eilte zum Brunnen.

Wie konnte dieses dumme Ding nur solange arbeiten, bis es vor Erschöpfung zusammenbrach.

Dummes, einfältiges, tapferes Ding!

Als die Frau atemlos nach dem Mädchen greifen wollte, bemerkte sie den friedlichen, gleichmäßigen Atemzug.

In diesem Moment entschied sie sich dazu, über den Schlaf des jungen Mädchens zu wachen.

Mariella ließ sich auf dem Brunnenrand nieder und seufzte.

Wie konnte sie so schnell ihr Herz an eine Fremde verlieren?

Warum sorgte sie sich so sehr um dieses namenlose Ding.

Sie hasste die Menschen.

Einzig und allein ihre Priesterin liebte sie abgöttisch.

Doch leider würde sie ihrer Priesterin niemals begegnen.

Dank des Siegels.

Verfluchtes Siegel!

Ohne die Hilfe des Portals, konnten die Priesterinnen ihre heilige Welt nicht verlassen, um Alisande beizustehen.

Und es brauchte Beistand.

Michael zerstörte es immer weiter.

Der Krieg und die Herrschsucht würde sie alle noch ins Verderben stürzen.

Mariella wandte ihren Blick vom schlafenden Gesicht der Fremden ab und ließ ihn in der Gegend schweifen.

Ein leichtes Schimmern zog sie magisch an.

Die Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche wie tausende Diamanten.

Dieser Anblick brachte Mariella innere Zufriedenheit und Ruhe.

Die Wasseroberfläche war so klar, dass Mariella bis in den Grund des Brunnens sehen konnte.

Glücklich seufzte sie.

Plötzlich hielt die Frau ihren Atem an.

Wasser?

Im Brunnen?

Entsetzt sprang sie auf und griff in das kühle Nass, um sich zu vergewissern, dass sie nicht geträumt hatte.

Unglaublich!

Die Hexe ließ sich wieder auf dem Brunnenrand nieder und atmete tief durch.

Ihr Herz raste vor Aufregung.

Schnell kramte sie in einer verborgenen Tasche in ihrem Mantel und fischte den alten kreisförmigen Stein heraus.

Unschlüssig spielte sie mit ihm in ihrer Hand und traute sich kaum, der Hoffnung nachzugeben.

Langsam senkte sie ihre Hand und ließ ihn auf die Stirn der Fremden kullern.

Die alte Hexe und Heilerin beobachtete gespannt, was geschah.

Der Stein fing an zu vibrieren und sein taubengrauer Mantel zerfiel zu Staub.

Alles was zurückblieb waren ein paar rußige Partikel und ein orange leuchtender Edelstein.

Tränen traten in die Augen der Frau.

Sie hatte sie gefunden.

Sie hatte ihre Priesterin gefunden.

Endlich!

Die blaue Priesterin

Dieses Kapitel ist speziell für meine süße Blackheart_ damit sie sich nicht die Füße wund rennt, um ihre Unterschriftenaktion zu starten.

Entschuldigt bitte die lange Wartezeit.

XD
 

Naja hier ist es jedenfalls. Euer nächstes Kapitel.
 

Viel Spaß
 

eure Hina ;)
 

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Ein sanfte Brise umspielte ihr Haar und kitzelte ihre Nase. Vogelgezwitscher drang in ihr Ohr und weckte sie sanft. Langsam tauchte Nele aus ihrem Schlaf auf und genoss die Sonne, die ihr das Gesicht wärmte.

Seufzend kuschelte sie sich ein wenig tiefer in ihr Bett um noch einen Moment der völligen Entspannung zu genießen.

Bett?

Erschrocken fuhr das Mädchen hoch.

Blinzelnd blickte sie sich um. Das hier war definitiv nicht ihr Zimmer. Statt der spärlichen Möblierung stand nun ein reich verzierter Schrank ihr gegenüber an der Wand. Die Ornamente schlängelten sich um seine Türen und verliehen dem großen, edlen Möbelstück seinen ganz eigenen Charakter.

Neben dem Schrank befand sich ein Bücherregal, reich bestückt mit alten Einbänden, die viel Wissen zwischen ihren Zeilen verbargen und nur darauf warteten es mit ihrem Leser zu teilen.

Nele schob langsam ihr Bein unter der Decke hervor und ließ ihren Fuß behutsam auf das Bärenfell gleiten.

Sie verstand die Welt nicht mehr. Eigentlich müsste sie im Dreck, neben dem Brunnen liegen. Deutlich spürte sie noch die kleinen Kieselsteinchen, die sich ihr in die Haut gegraben hatten, als sie neben dem Brunnen eingeschlafen war.

Doch warum war sie hier?

Und wo war dieses „Hier“?

Mit einem Seufzer erhob sich das Mädchen gänzlich aus dem Bett. Sie trug immer noch das gleiche Kleid wie am Tag zuvor. Der Saum reichte bis auf den Boden und teilte seinen Schmutz mit dem erlegten Bären. Einen Fuß nach dem Anderen schlich sie voran, um sich, wie ein Jäger an seine Beute, an die Tür heran zu pirschen.

Ganz langsam öffnete sie diese einen Spaltbreit und lugte in den Korridor.

Nichts.

Merkwürdig.

Eine leise, grausame Ahnung machte sich in ihr breit?

Was wäre, wenn die Alte sie verkauft hätte. Einfach so.

Nein!

Das durfte nicht sein und falls doch würde sich das Mädchen sich nicht einfach brav ihrem Käufer ergeben.

Sie würde Kämpfen bis aufs Blut. Immerhin ist es ihr gelungen die Quelle ihrer Kraft ausfindig zu machen. Wenn es sein muss, würde sie sich an alle grausamen Dinge erinnern, die ihr bis jetzt widerfahren waren und so ihre größte Wut heraufbeschwören. Sie würde sich diese zu nutze machen und jeden umhauen, der ihr im Wege stehen sollte, um nach hause zu gelangen.

Mit gestrafftem Rücken und eisernem Willen machte sie sich auf die Suche nach ihrem Gegner.

Entschlossen schlich sie den langen Flur entlang bis sie an eine Treppe kam die ihr seltsam vertraut schien.

Knarrend verkündete dieses instabile Ding jedem in ihrer Umgebung, dass Nele wach war und genau jetzt nach unten kam.

Sie fluchte leise vor sich hin, huschte schnell barfuß die Stufen runter und versteckte sich in der nächstgelegenen Ecke vor der Tür.

Das klappern von Geschirr und der Geruch von frisch Gebratenem kündete von der Betriebsamkeit in der Küche.

Nele lugte vorsichtig um die Ecke und erkannte eine fleißige Gestalt die schwer beschäftigt vor dem Herd stand und das Essen überwachte.

Laut knurrend machte sich ihr Bauch bemerkbar. Die Köchin drehte sich nicht um, aber ihr plötzliches Zusammenzucken zeigte, dass sie das laute Grummeln des Bauches ebenfalls gehört hatte.

Wie auch nicht?

Das brüllen eines Löwen wäre nichts dagegen gewesen.

„Kommt ruhig rein. Das Essen ist bald fertig.“

Die vertraut klingende Stimme durchbrach Neles Misstrauen vollkommen und sie machte sich eiligst dran, der Aufforderung zu folgen.

Warum sollte sie auch dieses Verlockende Angebot abschlagen?

Beinahe starr vor Hunger setzte sich das Mädchen an den frisch gedeckten Tisch. Jeweils zweimal Besteck, Becher und Teller standen bereit. Eine Vase voller prächtiger, frisch gepflückter, bunter Blumen verbreitete einen wohligen Duft im Raum und vermischte sich mit den Essensgerüchen.

Nele zappelte unschlüssig auf ihrem Stuhl hin und her.

Warum durfte sie auf einmal mit der Alten frühstücken? Und wie war sie in das Bett gekommen?

Immerhin war es ihr nicht gelungen den Brunnen aufzufüllen oder? Nein. Sie erinnerte sich nicht mehr genau an den vergangen Abend, aber sicher hatte sie es nicht geschafft auch nur eine Pfütze in diesen verfluchten Brunnen zu füllen.

Mit einem leisen Scheppern stellte Mariella die Pfanne auf dem Tisch ab. Ohne ein Wort zu sagen füllte sie die Teller und danach gleich die Becher.

Der Geruch nach frisch gebratenem Speck und Eiern durchdrang Neles Glieder und ließen ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen.

„Entschuldigt bitte das spärliche Mahl, aber leider hatte ich noch keine Zeit gefunden in das benachbarte Dorf zu fahren, um neue Vorräte zu kaufen.“

Argwöhnisch hob Nele ihren Blick vom Essen ab und betrachtete ihr gegenüber. Seit wann wurde sie mit so einem höflichen Ton angesprochen?

Wenn sich Nele nicht irrte, und sie hoffte das sie es tat, denn diese Seite der alten Hexe beunruhigte sie ein wenig, dann schien die Alte sie mit Demut und Ehrfurcht zu betrachten. Ihre zuvor abgrundtief blauen Augen, die sie nur mit Misstrauen und Abneigung angeblickt hatten, strahlten ihr jetzt offen und freundlich entgegen.

Skeptisch zog das Mädchen eine Augenbraue nach oben.

„Wollt ihr nicht essen, Herrin?“

Geschockt riss Nele die Augen weit auf.

»Herrin? Was geht den mit der ab? Hat die Heute etwa zu tief ins Glas geschaut?«

„Ich verstehe eure Verwunderung. Bitte esst erst einmal, dann werde ich euch alles erklären.“ sagte sie im ruhigen und gelassenem Ton.

Nele wusste nicht wie sie reagieren sollte oder was sie überhaupt darauf antworten konnte.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen nahmen sich die Beiden ihr Besteck und begann zu essen.

Der saftige Geschmack des Speckes zerschmolz förmlich auf Neles Zunge und das Ei schmeckte wie von Götterhand zubereitet. Erst jetzt wurde dem Mädchen bewusst, dass sie fast seit 3 Tagen keine anständige Mahlzeit mehr gehabt hatte. Nur dank ihres orangen Lichtes konnte sie ihren Hunger bis jetzt unterdrücken.

Selbst diese klare Fleischbrühe der Banditen wäre ihr jetzt eine willkommene Mahlzeit gewesen. Doch dieses reichhaltige Frühstück war einfach nur perfekt.

Schlingend vertilgte sie noch eine zweite Portion. Mit einem Becher Wasser spülte sie nach und wurde sich erst jetzt bewusst, dass Mariella sie die ganze Zeit beobachtet hatte.

Röte schoss ihr unweigerlich ins Gesicht und Schuldbewusst blickte sie auf den Boden.

„Wenn ihr die Ehre hättet mir zu folgen, Herrin?“ fragend stand die Alte von ihrem Platz auf und wartete bis Nele es ihr gleichtat.

Gesättigt und neugieriger als zuvor folgte sie der Frau. Gemeinsam liefen sie durch die Tür und folgten einem dunklen Gang. Nele war bist jetzt nicht aufgefallen, dass es am Ende des Korridors zwei weitere Türen gab, die von Wandteppichen verdeckt waren.

Die bekannte Tür aus massivem Holz führte hinaus ins Freie, das wusste sie bereits. Doch die Alte hob einen der Wandteppiche an und deutete Nele durch die ihr noch unbekannte Tür zu gehen.

Das Sonnenlicht durchflutete den kleinen Raum dahinter und ließ ihn in einer wohligen Atmosphäre erstrahlen.

Zwei lederne Sessel standen sich an einem kleinen Tisch gegenüber. Ansonsten schmückten nur noch unzählige Regale und Landkarten die Wände.

In einigen dieser Regale lagen Bücher aufgestapelt, in anderen Töpfe und Krüge mit seltsamen Flüssigkeiten darin.

Der Geruch nach frischen Kräutern und Arzneien durchströmte den Raum und veranlasste Nele dazu sich hier gleich wohl und entspannt zu fühlen.

Die Frau zeigte auf einen der Sessel und wartete bis sich das Mädchen gesetzt hatte, bevor sie zwei Becher holte und diese mit einer honiggelben Flüssigkeit füllte. Danach ließ sie sich in dem anderen Sessel sinken und nahm sich einen der beiden Becher.

Räuspernd lenkte sie Neles volle Aufmerksamkeit auf sich.

„Mein Name ist Mariella. Und meine Familie dient seit Generationen den Priesterinnen des heiligen Landes.“

Verwirrt runzelte Nele die Stirn.

„Und was hat das mit mir zu tun? Warum sind sie plötzlich so höflich zu mir?“

„Bitte. Ihr müsst nicht so förmlich mit mir sprechen. Ich erzähle euch von der Aufgabe meiner Familie, weil ihr meine Priesterin seit und ich eure ergebene Dienerin.“

„WAS!!“

Geschockt sprang das verwirrte Mädchen auf und blickte ungläubig auf Mariella herab.

» Die ist ja vollkommen durchgeknallt.«

„Wie kommen sie … äh .. wie kommst du darauf? Ich bin doch keine Priesterin!“

Lachend ließ sie ich wieder in dem Sessel fallen und griff zu ihrem Becher.

»Das kann alles nur ein schlechter Witz sein!« beruhigte sie sich selbst.

„Ihr kommt doch nicht von hier, oder? Ihr stammt aus einer anderen Welt.“ stellte die Frau gelassen fest.

Die unfreiwillige Priesterin hingegen verschluckte sich an ihrem Getränk und hustete laut. Sie war alles andere als gelassen.

Wie konnte es sein, dass diese Alte wusste woher sie kommt.

Das ist doch absolut unmöglich!

Es dauerte eine Weile, bis es ihr gelang wieder zur Ruhe zu kommen.

Geschockt sammelte Nele ihre Gedanken.

„Woher weißt du das?“

„Ihr erstrahlt in diesem besonderen Licht. Dieses Licht, das nur den Priesterinnen zu eigen ist. Und ihr verhaltet euch nicht so, wie es die Frauen aus unserer Welt tun.“

»Das muss ich erst einmal verdauen. Sie meint bestimmt das orangene Licht, dass mich immer umgibt wenn ich wütend werde. Aber wie konnte sie es sehen? Ich habe es bis jetzt immer nur dann benutzt wenn niemand in der Nähe war. «

Von plötzlicher Hoffnung ergriffen straffte Nele ihren Rücken und blickte entschlossen in die dunkelblauen Augen.

„Das heißt es gibt noch mehr wie mich? Ich meine noch mehr Frauen, die in eure Welt kommen? Verlassen sie eure Welt auch wieder?“

Die Anspannung im Raum konnte man beinahe mit bloßen Händen greifen.

Sollte es doch noch Hoffnung für Nele geben?

Gab es einen Weg für sie, um wieder nach hause zu gelangen?

„Ja.“ durchschnitt die klare Stimme den Raum. „Ja, es gab viele Priesterinnen. Laut meiner Vorfahren kamen sie in regelmäßigen Abständen und lösten ihre Vorgängerin ab. Sie passierten das Tor, um selbst zur Priesterin aufzusteigen. Die Amtierende unterrichtete den Neuankömmling stets in der Macht des Lichtes und den Lehren Gottes.

Wenn die Schülerin bereit war ihre Lehrerin zu ersetzt, verabschiedete sich die Ältere und machte sich auf den Weg nach hause.

Die Neue amtierte dann ihrerseits wieder so lange, bis ihre Schülerin kam.“

Hocherfreut strahlte Nele ihr Gegenüber an.

„Das ist ja klasse!! Bitte bring mich zu der jetzigen Priesterin damit ich mit ihr reden kann.“

Vielleicht konnte sie ja die Priesterin davon überzeugen, dass sie selbst keine gute Schülerin abgeben würde. Natürlich würde Nele dann nach hause zurückkehren und dort nach einem Ersatz suchen und diese dann hierher schicken. Das wäre die perfekte Lösung ihres Problemes.

Doch leider zerstörte Mariella diesen Plan mit nur einem Satz.

„Das ist unmöglich denn seit 300 Jahren gibt es keine Priesterin mehr.“

„Nein.“ flüsterte das erschütterte Mädchen und sackte in sich zusammen.

Das konnte doch nicht sein!

„Warum? Wie geht das? Was ist passiert?“ fragte sie mutlos. Sie konnte es nicht Fassen. Beinahe hätte sie ihr Ziel erreichen können und nun das!

Den Tränen Nahe nahm sie noch einen Schluck von der beruhigenden Flüssigkeit.

Die Wärme des Getränkes breitete sich in ihrem Bauch aus und strahle bis in alle Gliedmaßen.

Resigniert ließ sie sich nach hinten fallen und starrte aus dem Fenster. Trotz des Schockes konnte Nele nicht anders als den Worten von Mariella zu lauschen.
 

„Ich habe diese Geschichte von meiner Mutter gehört. Diese kennt sie von ihrer. So geht es immer weiter bis zur letzten Dienerin der blauen Priesterin.
 

Vor 300 Jahren soll eine besonders begabte Schülerin aufgetaucht sein. Sie war in der Lage mit der Kraft ihres blauen Lichtes Seen zu füllen, ganze Wälder zum Wachsen zu bringen, große Brände zu löschen, Hunger zu stillen. Ja sie konnte sogar schwere Krankheiten heilen.

Sie war überall beliebt und nach einem halben Jahr bereits in der Lage ihre Meisterin, die grüne Priesterin, abzulösen.

Fünf Jahre wanderte die Blaue durchs Land und vollbrachte ihre Wunder. Überall wo sie erschien kam das Glück und der Frieden mit ihr ins Dorf und verweilte dort.

Während ihren Reisen lernte sie vier junge Männer kennen. Vier Anwärter auf ihre Liebe. Jede Priesterin suchte sich einen Gefährten, mit dem sie ihr Leben teilen wollte.

Doch diese Priesterin war anders.

Sie entwickelte sehr große Gefühle für alle vier Männer und konnte sich nicht entscheiden wen sie wählen sollte.

Also wählte sie alle vier.

Der Älteste war ein mächtiger Soldat. Geschickt im Umgang mit allen Waffen. Sein Ruf reichte bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Er schloss sich als erster der Priesterin an.

Der Zweite liebte Bücher über alles. Er war ein Gelehrter des königlichen Hofes. Für die Liebe der Priesterin ließ er den Hof und seine Stellung hinter sich und blieb an ihrer Seite.

Die beiden anderen waren Brüder. Ein enges Band kettete die Beiden aneinander. Der Eine deckte stets den Rücken des Anderen. Sie teilten alles miteinander. Auch ihre Liebe zur blauen Priesterin.

Die vier akzeptierten, dass sie nie die Priesterin für sich alleine haben konnten. Darum schlossen sie einen Blutbund, der sie zu untrennbaren Gefährten machen sollte.
 

Eines Tages brach im Nachbarland Krieg aus. Der dortige König beschwor die dunklen Bestien und hetzte sie auf alle seine Feinde.

Auch Alisande blieb davon nicht verschont. Er wollte unsere Priesterin um jeden Preis für sich allein. Also schickte er seinen mächtigsten Trupp los um sie zu fangen.

Die vier Geliebten der Priesterin konnten dies natürlich nicht zulassen und zogen in den Krieg. Der Priesterin blieb nichts anders übrig als in ihrem Tempel zu warten und zu beten.

Nach sehr langer Zeit kam endlich ein Bote und brachte Nachricht von den vier Männern. Nur leider waren es nicht die Nachrichten die sie erwartet hatte.

Alle vier waren Tod.

Einer nach dem Anderen war auf dem Schlachtfeld gefallen.

Wut packte unsere Priesterin. Unbändige Wut.

Voller Hass trat sie dem feindlichen Heer entgegen und löschte es mit einem Schlag aus.

Alles und jeden. Keiner überlebte.

Noch nie hatte die Welt so viel Grausamkeit und Brutalität gesehen.

Als die Priesterin ihre Rachegelüste endlich gestillt hatte, zog sie sich in die Berge zurück. Ein Jahr lang hörte man nichts mehr von ihr bis sie plötzlich wieder auftauchte.

Trotz ihrer Rache konnte sie sich nicht von ihrem Hass befreien. Mit Hilfe des blauen Lichtes gelang es ihr die Herrschaft an sich zu reißen. Ganz Alisande gehörte nun ihr und sollte seiner neuen Königin huldigen.

Dann tauchte eine neue Schülerin auf. Doch statt diese zu unterrichten tötete die blaue Priesterin das arme Mädchen. Sie legte einen Fluch über das Tor und versiegelte es. Niemand sollte mehr in diese Welt gelangen und ihr ihren Thron streitig machen.

Die Priesterin war von ihrem Hass und ihre Einsamkeit zerfressen. Sie herrschte viele Jahre lang über Alisande und verbreitete Angst und Schrecken. Keiner war mehr sicher vor ihr. Das Volk das sie einst so sehr liebte hatte, verfluchte sie nun.

Irgendwann starb sie auf natürliche Weise im hohen Alter.

Das Land war unter ihrer Tyrannei zerbrochen. Die Menschen hatten vergessen zu hoffen. Nur ganz langsam erholte sich unser Volk von ihrer Schreckensherrschaft.“

Traurig blickte Mariella zu Nele.

Es hatte so lange gebraucht, bis sich das Siegel endlich gelockert hatte und eine neue Schülerin in diese Welt schickte.

Doch wer sollte sie Lehren?

Durfte das Volk von Alisande überhaupt darauf hoffen, endlich wieder eine Priesterin zu bekommen?
 

Nele schluckte.

Diese Geschichte hatte sie zutiefst erschüttert. Langsam erinnerte sie sich wieder an die Vision die sie am Brunnen hatte.

Die Frau, die ihr so ähnlich sah und ihre vier Krieger, die sie so voller Liebe angeblickt hatten. All das war also doch nicht nur ein dummer Traum gewesen, der ihrer Fantasie entsprungen war.

Ja das musste die blaue Priesterin gewesen sein. Die namenlose Priesterin, die ihre Wut und ihren Zorn nicht unter Kontrolle halten konnte nachdem sie ihre vier geliebten Männer verloren hatte.

Nele spürte immer noch den bitteren Nachgeschmack der Gefühle, die sich in dem blauen Licht verborgen hatten.

Ihre Zunge fühlte sich leicht Taub an. Mithilfe des süßen Getränkes spülte sie alle Bitternis herunter und versuchte sich wieder auf das wesentliche zu konzentrieren.

Aber warum sollte sie das auch kümmern?

Alles was das Mädchen wollte war wieder nach hause zu gelangen. Doch wie sollte sie es ohne die Hilfe einer anderen Priesterin schaffen?

„Weißt du wie ich wieder nach hause komme?“

Leise seufzend wandte Mariella ihren Blick ab.

„Nun ja. Laut meinen Vorfahren reisten die Priesterinnen durch einen Spiegel der sich in ihrer Welt befand. Sie landeten dann bei uns immer auf dem Grab der allerersten Priesterin. Wenn sie wieder nach hause zurückkehrten verschwanden sie auch wieder durch einen Spiegel, den sie immer bei ich trugen. Das Tor.“

„Wo ist der Spiegel jetzt?“ Hoffnung keimte auf. Konnte sie es doch noch schaffen?

„Ich weiß es nicht.“ antwortet Mariella wahrheitsgemäß.

Doch Nele gab nicht so leicht auf.

„Aber er existiert noch oder?“

„Nun ja. Es heißt dass die Spiegel mit einander verbunden wären. Wenn es einen gibt , dann gibt es auch noch den Anderen. Wenn einer zerspringt, soll der Andere auch zerspringen. Sie teilen ihr Schicksal miteinander. Da du wahrscheinlich durch den Spiegel von deiner Welt in diese gelangt bist, nehme ich an, dass unserer auch noch intakt sein müsste. “

Erleichterung durchschüttelt den jungen Körper. Sie konnte es schaffen. Alles was es dazu bedurfte, war es einen antiken, verschollenen Handspiegel zu finden. Das war doch ein Klacks!

Vor lauter Vorfreude sprang Nele auf. Sie liebte es sich ein Ziel zu setzen und danach zu handeln. Denn wer ein Ziel hatte, der hat auch einen Weg den er gehen konnte und musste nicht still herum sitzen und Däumchen drehen!

Denn dafür war Nele nun wirklich nicht beschaffen.

Mit neuer Zuversicht überlegte sie sich wo sie mit der Suche beginnen sollte. Stirnrunzelnd blickte sie auf eine der Karten, die an der Wand hing.

„Ich helfe euch.“

Verwundert musterte Nele die Frau.

„Warum?“

„Das habe ich euch doch erklärt. Meine Familie lebt für seine Herrin. Und die seit ihr.“ Elegant verbeugte sich Mariella vor ihrer Priesterin. Auch sie würde nicht aufgeben. Denn die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.
 


 

Feuer loderte in der Ferne. Dicke kräftige Rauchschwaden wanderten in den Himmel und verdeckten die Sonne.

Der Wind gab sein bestes den Rauch zu vertreiben, aber seine Mühen blieben vergebens. Der dicke Qualm verbreitete sich wie eine Krankheit und brachte Dunkelheit und Verzweiflung über das Dorf. Die Menschen, die dort einst glücklich lebten rannten schreiend und Hilfe suchend durch die Gegend. Doch keiner würde kommen um ihnen zu Helfen.

Ein Junge stürzte über die Leiche eines anderen Kindes. Er rappelte sich auf und rannte vor lauter Entsetzen in die entgegengesetzte Richtung.

All das Treiben interessierte den stillen Beobachter nicht. Er wandte seinen Blick abermals in Richtung des Waldes.

Von seinem Beobachtungsposten aus konnte er die Baumkronen gut überblicken. Seine geschärften Sinne halfen ihm den Geruch des Lagers aufzunehmen.

Doch irgendetwas stimmte nicht.

Etwas fehlte.

Genau.

Ihr Geruch fehlte.

Endlich kam Chris auf den Grund, weshalb er die ganze Zeit nervös zurück blickte, anstatt sich auf den Kampf zu konzentrieren.

Diese kleine Kratzbürste hatte es anscheinend gewagt wieder einmal abzuhauen. Na warte! Wenn Chris sie erst gefunden hatte, dann würde er ihr kräftig die Leviten lesen und ihr zeigen, wer das Sagen hatte.

Wie konnte es dieses Weib wagen, sich einfach still und heimlich davon zu machen?

Vor allem dann, wenn er gewillt war sie als seine Frau zu akzeptieren.

„Hey, kleiner Bruder! Komm.“

David hatte ihn schon die ganze Zeit im Auge behalten und sich gewundert, warum sein Bruder zum Lager sah und er einfach keine Ruhe finden konnte. Irgendetwas schlimmes schien passiert zu sein. Dies beunruhigte den normalerweise gelassenen Anführer sehr und verspürte nur noch den Drang zurück zu kehren und nach dem Rechten zu sehen.

Chris ignorierte ihn auch dieses Mal.

Immer machte dieser Bengel was er wollte. Nie konnte er auf seinen älteren Bruder hören. David wusste nicht, was er noch machen sollte, um an Chris heran zu kommen. Man konnte beim besten Willen nicht sagen, was in ihm vorging.

„Komm endlich da runter! Oder wir werden ohne dich zurück gehen!“

Endlich schien er die Aufmerksamkeit des Kleinen zu erlangen. Mit einem Satz landete er vor seinen Füßen. Der geflochtener Zopf wippte im Wind, genauso wie sein langer schwarzer Mantel und zusammen mit dem riesigen Schwert auf dem Rücken wirkte Chris nicht mal annähernd wie ein harmloser Siebzehnjähriger, sondern eher wie ein Berserker kurz vor dem Angriff.

„Wurde aber auch Zeit.“ grummelt der jüngere dem Anderen entgegen. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er wie sein Bruder sich langsam Richtung Pferde schleppte. Warum musste dieser Sturkopf auch unbedingt persönlich mitkommen. Nach dem Kampf mit dem Wasserdämon, von dem ihm David erzählt hatte, hätte er sich eigentlich noch länger ausruhen müssen und im Lager bleiben sollen. Aber nein dieser elende Dummkopf musste ja wieder mal seinen Dickschädel durchsetzen und mitkommen.

Chris wollte sich nicht länger mit der Truppe abgeben, sondern lieber seine eigenen Ziele verfolgen. Darum wandte er sich mit einem gemurmelten: „Ich geh schon mal vor.“ ab und preschte in den Wald. Alleine war er sowieso schneller und je schneller er war, desto eher kam er wieder in den Genuss dieser herrlichen, sanften und zugleich verführerischen Lippen dieser Kratzbürste.

Mit großen Sprüngen kam er gut voran. Die Bäume rauschten nur so an ihm vorbei und aller Vogelgesang erstarb. Wie immer, wenn er unterwegs war. Sie mochten seine innere Bestie einfach nicht.

Es dauerte nicht lange und er kam im Lager der Banditen an. Sofort machte er sich an die Spurensuche. Mithilfe seiner feinen Nase war es eigentlich für ihn ihn ein leichtes Neles Duft aufzuspüren und ihn zu verfolgen. Doch dieses Mal war er kaum noch auszumachen, was darauf hindeutete, dass sie bereits vor mehr als einem Tagen abgehauen sein musste.

Verärgert runzelte er die Stirn und blickte sich im Lager um. Keiner seiner Kameraden traute sich ihm offen ins Gesicht zu sehen. Sie wussten eben genau, was ihnen Blühte, wenn er den Schuldigen ausfindig machen würde.

„Du bist wieder da?“ flötete es von hinten fröhlich in sein Ohr.

Wütend drehte sich Chris zu Moe um und knurrte ihr entgegen.

„Wo ist sie?“

Moe wusste, dass es nicht leicht werden würde mit Chris über Neles verschwinden zu sprechen. Immerhin war sie ja schuld daran, dass diese Fremde abhauen konnte. Die anderen im Lager hatten die junge Frau bereits zurecht gewiesen, doch ließ sie sich davon nicht erschüttern.

Auch Chris gegenüber gab sie sich keine Blöße und legte ihr unerschütterliches Selbstvertrauen an den Tag.

„Weg.“

„WO IST SIE?“

„Du kannst mich so laut anbrüllen wie du willst. Ich weiß es trotzdem nicht. Sie ist einfach abgehauen. Akzeptiere es und vergiss sie.!“

Chris traute seinen Ohren kaum. Er solle akzeptieren, dass sein Weib einfach so abgehauen ist? Nie im leben!

„Ich frage dich noch einmal Moe: Wo … ist … sie?“

„Ich sage es dir noch einmal Chris: Ich … weiß … es … nicht!“

Wütend funkelten sich die beiden Kontrahenten an.

„Warum regst du dich eigentlich so auf?“

„Das geht dich nichts an!“ Fauchend und schnaufend drehte sich der Junge um und lief im Lager im Kreis. Hochkonzentriert verfolgte er die Spur von seiner Beute und marschierte dabei im Kreis herum.

Moe war ihm auf den Versen. Sie verstand es einfach nicht, warum Chris dermaßen an diesem Weib hing. Was hatte Nele, was sie nicht hatte?

„Komm schon Chris. Lass es sein. Du kannst sie nicht mehr finden. Ich habe ihre Spuren verwischt!“

Ungläubig runzelt er die Stirn. Moe hatte leider recht. Sie war die beste wenn es darum ging Fährten zu finden oder sie zu verwischen.

Verflucht.

Hochrot vor Zorn wandte er sich von ihr ab und strafte sie mit Missachtung. Er verstand ja warum Moe ihm dauernd Steine in den Weg legen musste. Normalerweise war es ihm auch egal, was dieses Miststück mit den Weibern anstellte, die David ins Lager brachte. Aber dieses Mal war sie zu weit gegangen.

Mehrmals noch ging er der Fährte nach, doch leider führte diese ihn nur immer wieder zu dieser vorlauten Banditin.

Am Ende musste Chris sich geschlagen geben, er setzte sich ans Lagerfeuer und überlegte, wo sich Nele versteckt haben könnte. Doch beim besten Willen, ihm wollte kein Ort einfallen zudem sie hätte hingehen können.

Hatte sie nicht selbst gesagt, dass sie nicht wusste wie sie sie nach hause kommen sollte.

Er musste also warten bis seine Kratzbürste sich von alleine zeigte und er sie dann wieder einfangen konnte.

Wie nervtötend!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soooo, habe mal das erste Kapi überarbeitet und finde, es ist mir gut gelungen. Die anderen Kapitel werde ich nach und nach ebenfalls erneut hochlade. Wenn das geschafft ist gibt es endlich das dreizehte Kapitel von Nele und Co.

Viel Spaß ;)

Eure hina Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, nun ist auch das 2. Kapitel erneuert. Viel Spaß! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und weil es so schön war, gibt es hier gleich die überarbeitete Version von Kapi 3.
;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier kommt das überarbeitete Kapitel 6. Dieses Mal musste ich kaum etwas verändern.
Hoffe es hat gefallen ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (32)
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Von:  Thuja
2011-08-18T05:47:29+00:00 18.08.2011 07:47
Ein Kapitel für mich
*Tränen in den Augen habe*
*mich wegdrehe, damit du es nicht siehst*
das rührt mich *snief* überhaupt nicht. Ich habe nur etwas ins Auge bekommen
nein
ehrlich danke dafür. Das ist wirklich lieb

ein sehr klärendes Kapitel.
Und ich kann nicht verstehen, wieso du mit den vorangegangenen unzufrieden bist
*kopfschüttel*
ebenso wie dieses sind die doch sehr genial
weißt du eigentlich, dass mir beim Lesen der Mund vor Staunen offen steht
die Geschichte ist einfach so hammer. Wäre ich eine Lehrerin würde ich für folgende Noten verteilen
Ausdruck: 1+
Inhalt 1+ mit Sternchen

Nele muss am Anfang wirklich gedacht haben, mit der Alten stimmt was nicht. Auf einmal wird sie mit Respekt behandelt.
Aber für sie hat es mich gefreut. Gerade nachdem sie sich so halb tot geschuftet hat.
Mariella Geschichte fand ich wirklich äußerst interessant. Jetzt sind endlich ein paar Rätsel gelöst
Und ich denke nicht, dass Nele ihrem Schicksal entkommen kann. Nicht so einfach.
Sie ist eine Priesterin, die erste nach 300 Jahren. Die Menschen brauchen sie.
Aber ich schätze das wird sie noch lernen. Und Nele ist stark. Sie wird unglaubliches leisten. Ich bewundere sie immer für ihre Stärke.
Die blaue Priesterin tut mir aber schon ein wenig Leid. Schon ein Verlust ist hart. Aber sie verliert gleich vier Geliebte
Das würdest du Nele nicht antun. Richtig?
*schon Panik habe*

und ich durfte wieder etwas von Chris lesen *seufz*
das war die schönste Freude für heute. Den Kerl muss man einfach lieben

glg

Von:  hanabi_2001
2011-08-17T17:28:12+00:00 17.08.2011 19:28
Oh wie schön endlich ist Nele wieder da. Ich bin begeistert das sie eine Priesterin ist, sie ist sicher eine Organgene oder???
Auch das Chris sie sucht ist einfach genial,ob er wohl lange braucht um sie zu finden?
Gespannt bin in ich wie du das Problem mit dem lernen löst, wo es doch im Moment keine Priesterin gibt,werden wir noch mehr über ihre Vorgängerinnen erfahren,und wo ist der Spiegel?????
Fragen über Fragen BITTE BITTE schreib bald weiter.
Ich liebe diese Geschichte.
GGGLG Hanabi

Von:  Mimmy-chan
2011-08-06T20:51:45+00:00 06.08.2011 22:51
(Ö.Ö) Boah ich glaube es ja nicht! Hina hat eine neues Kapi onlien getstellt! Das muss ein Wunder sein!!!

Also bis jetzt war mir diese blaue Priesterin wirklich unsympatisch, aber nun ... also sie erinnert mich an meine liebste animefigur. X3
Wirklich beeindruckend, dass sie eine beziehung zu 4 männern gemeistert hat, Waaaaaaaaaaaaaahnsinn. XDDD
Ich will auch 4 männer, die nur mich lieben!!!!

Schön das nele ENDLICH jemanden gefunden hat, der ihr helfen will nach hause zu kommen. Überraschend, dass es überhaupt jemanden gibt. Bin schon gespannt was die zwei damen so erleben werden.

Och gottchen CHris iat ja süß. Na hoffentlich findet er seine kratzbürste nicht so schnell sondern verzehrt sich noch eine weile nach ihr. *schnurr* Er ist wirklich ungehobelt, oder? Momentan kommt es es mir so vor, als ob er Nele nur körperlich bezwingen wollte.

Die Geschichte über die Priesterinnen und ihre Schülerinen fand ich wahnsinnig interessant. Vor allem das sich die ältere um die jüngere gekümmert hat. Schade dass das bei nele nicht möglich ist. Trotzdem hätte ich gerne etwas über so eien unterrichtsstunde gelesen. (könnte man fast eine shojo-ai drauß machen)

Bitte schreib schnell weiter !!! (>//<)

chuchu Mimmy-chan
Von:  Thuja
2011-07-31T10:23:24+00:00 31.07.2011 12:23
ES SOLL WEITERGEHEN!!
ES SOLL WEITERGEHEN!!!
ich glaube in meiner Verzweiflung starte ich bald eine Unterschriftenaktion TT.
WIe viel braucht man, um eine entscheidung durchzusetzen.
100000?
Von:  Mimmy-chan
2011-04-21T13:11:01+00:00 21.04.2011 15:11
WOW! Nele ist so stark
*zu ihr aufschau*
Langsam frage ich mich, ob sie wicklich noch menschlich ist *grins*
Naja die Tatsache, dass sie anscheinend eine Priesterin ist, lässt vermuten, dass sie doch auf eine anderen Art und Weise etwas besonderes ist. *kihi*

Verstehe, es ist also eine Barriere, die daran Schuld ist, dass bis jetzt niemand außer Nele in diese seltsame Welt eintreten konnte.

Woha dieses blaue Licht ist doch recht seltsam und unheimlich. *zitter* Irgendwie ist es eine Macht die Hass in Nele hervorruft.

Gleich 4 Männer! Man ist Nele gierig XDD
Aber es ist auch mal was gaaaaaaanz anderes *grins*
Na mal sehen wer diese vier sind.
Also ausn Neles sicht könnten das: chris und David sein. Doch wer sind die anderen? Ist Michael vllt dabei?

So meine Süße ... ich hab alle Kapis durchgelesen und bin sicher du weißt was jetzt kommt, oder?
*auf den Stein der Priesterin kletter*
*Hina von oben muster*
*mit einem Blitzen in den Augen anfunkel*
*dir ein Messer vor die Füße werf*
ICH WILL MEHR LESEN!
*droh*
UND WENN ICH MEINEN WILLEN NICHT BEKOMME, DANN ...
*ihre Musenpeitsche raushol*
... WIRST DU ER BEREUEN!
*Wolken ziehen hinter meinem Rücken auf und verschlingen alles Licht*
...KRALLT SIE EUCH FREUNDE!!
*Nele aus der Dunkelheit tritt. Sie schwenkt ihren Wassereimer wie eine Waffe hin und her. Ihr orangenes Licht umgibt ihren Körper*
*Chris taucht aus dem Nichts auf und hält Hina seine Klinge unter die Nase*
*Hina zwar versucht zu fliehen, doch David versperrt ihr die Fluchtmöglichkeit*
*hina ist gefangen*
*ich grinse*
Na? Wirst du gehorchen?


chuchu mimmy-chan
Von:  Mimmy-chan
2011-04-19T21:01:20+00:00 19.04.2011 23:01
Yeah! Noch mehr Eroktik *sich freudig die Hände reib*

Chris ist ganz schön fordernd, wenn nicht sogar noch zeilsicherer als sein Bruder. Ob das wohl an der inneren Bestie liegt?

Nele und Chris sind echt niedlich zusammen. Wie sich sich immer anzicken, nur um ihre wahren Gefühle zu überspielen... kawaii!!
Besonders die Grashüpferaktion von Chris war zum kichern. Dieser gemeine Schelm!

Ich liebe Konkurrenz einfach, besonders wenn beide Seiten eine reale Chance haben. *kihi* Deshalb bin ja mal gespannt, welcher der beiden Brüder Neles Herz gewinnen wird? Oder vielleicht sogar beide? *Augen aufleucht*

Bleibt nur die Frage, warum Chris so einen guten Geruchssinn hat bzw warum er so springen kann.
-> Weiß die Antwort ja und ich hoffe du behältst sie bei! o(^.^)d

Mal sehen was sich Moe ausgedacht hat um Nele los zu werden und ob unsere Herrenriege das tatsächlich durchgehen lässt.
Außerdem will ich endlich mal diesen Michael kennen lernen. *frech angrins*

Bis zum nächsten mal (^.^)/

chuchu mimmy-chan
Von:  Mimmy-chan
2011-04-19T20:16:43+00:00 19.04.2011 22:16
Und sie FÄLLT!
Meine Entscheidung ist auf David gefallen. Er ist so nett *schwärm* und ein richtiger Held ist er auch!!!:

SAGA VON DAVID DEM HELDEN
'Sein Körper war zertrümmerter als das eigentliche Schlachtfeld, doch das juckte den jungen Mann im langen, braunen, faltterndem Mantel nicht. Er hatte nur ein Ziel, eine Aufgabe. Er musste SIE beschützen. Koste es was es wolle. Und so nahm er sein Schwert, zielte und traf den Kern des Ungeheuers. Sein letzer Gedanke galt dem Mädchen, bevor er leblos ins Gras fiel.'
.. sry das musste sein

Cool! Nelle ist der Entschlüsselung ihres Lichtes ein wenig näher gekommen. Weiter so Mädel!!!

*Gänsehaut wegreib*
Boah! Was für eine Atmosphäre zwischen dem Bandenchef und Nelle.
DAVON WILL ICH MEHR!!!

chuchu mimmy-chan
Von:  Mimmy-chan
2011-04-19T19:35:03+00:00 19.04.2011 21:35
Neues Kommi *grins*, welches nur ein Zusatz zu dem schon geschriebenen Kommi bideln soll:

Also es wäre mir an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass ich etwas an deinem neuen Schriftbild nicht wirklich mag. Du schreibst jeden Satz auf eine neue Zeile. So sieht der Text in meinen Augen zerplügt aus und zeigt nicht mehr, wann eine Sinneinheit beendet ist oder nicht.

Nur so als Tipp, aber mach wie du denkst. (^.^)

chuchu mimmy-chan
Von:  Mimmy-chan
2011-04-19T18:56:54+00:00 19.04.2011 20:56
Soho und nun mein neues verbessertes Kommi *grins*:

Also ich weiß jetzt wo ich sie endlich mal wieder von vorne gelesen habe, warum ich diese Geschichte immer so geliebt habe und das auch noch tue.
Sie ist spannend! Ohne Ende spannend!!!

Und die Charas sind so verschieden *hihi*
Ich kann mich nicht einmal entscheiden, ob ich mich in David oder Chris verlieben soll. Sie sind beide so faszinierend. *kihi* Und dann ist da auch noch Michael, von dem man noch so gut wie nichts weiß.

Moes Situation ist echt nur verständlich. Ich wär auch zickig, wenn ein daher gelaufenes Weib meinem Chris geschenkt wird. Und dann ist es nicht mal so eine schüchteren kleine Maus, die ich spielend dominieren kann, sondern ein stolze junge Frau, die weiß was sie wert ist. Arme Moe, du hast kaum eine Chance.

Diese Anziehungskraft zwischen Nele und dem Stein ist auf der einen Seite fesselned .. auf der andere ist es irgendwie .. niedlich. Frag mich nicht warum, ist halt so. XDDD

Na wenn ich damit mein letzte Kommi hiermit nicht in den Schatten gestellt habe, dann heiße ich Schulze!!! *hoho*

chuchu mimmy-chan
Von:  Mimmy-chan
2011-04-19T18:29:32+00:00 19.04.2011 20:29
Yipi Yei Yeah!
Ich hatte Recht *der Stolz schwelt die Brust*

Na was für eien Überraschung Xd die beiden sind Brüder *hihi*
Super klasse!!!

Gott dieser Chris ist einfach nur sexy, oder? Also sein Verhalten zumindest. Von seinem Äußeren weiß man durch die Geschichte ja nicht viel.

Ich finde Nele so ... WOW!!! Sie ist so stark! Bleibt doch ernsthaft stehen und blickt der Bestie ins Gesicht. Und dann dieser Licht *breit grins*
Tja was DAS wohl sein mag. *hihi*

PS:
Nenn mich ruhig blöd, aber ich hab die Geschichte kaum noch in Erinnerung. Alles ist irgrnwie neu für mich. Traurig oder? Wie lange ist das jetzt schon her, dass du damit angefangen hast?

chuchu mimmy-chan


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