Zum Inhalt der Seite

Almost lost

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Wo ist denn dein brünetter Freund?“, fragte Ingrid ohne sich ernsthafte Gedanken darum zu machen.

„Er ist weg.“, erklärte ihr Sohn knapp.

Erst jetzt wurde sie hellhörig, und sah verwundert zur Tür, so als würde sie alle Antworten kennen. Schließlich blickte sie zu Sebastian zurück. „Weg? Aber… er hat hier über 24 Stunden gewartet, ohne zu schlafen oder zu essen, nur bis du aufwachst… und jetzt ist er einfach gegangen?“

Sebastian zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß nicht…“, ergänzte er kleinlaut.

Ingrid weinte wieder, sie schaffte es nicht, sie so einfach zu unterdrücken, wie Markus das wohl konnte. Es war nicht die Tatsache, die sie gerade besprochen hatten, weswegen sie weinte, sie war einfach völlig fertig aber dennoch dankbar, das ihr Sohn noch lebte. Nichts bedeutete ihr mehr als er, auch wenn sie ihm das nie gesagt hätte.

„Die Ärztin…“, schluchzte sie und schluckte erst einmal. „Die Ärztin hat Fragen über einige ältere Blutergüsse und Narben gestellt…“

Sebastian nickte sachte. „Was hast du gesagt?“, fragte er.

„Was schon?“, erwiderte sie resigniert. „Ich weiß es doch nicht. Zumindest… nicht wirklich. Einiges davon wird wohl Bernd gewesen sein…“, fügte sie hinzu. „Aber sie sagte vieles ist älter, bevor ich ihn kannte.“

Sebastian nickte wieder, schwach, aber doch vernehmbar.

„Was ist denn bloß los mit dir?“, fragte sie, während erneute Tränen über ich Gesicht liefen.
 


 

Markus lief durch die Gassen.

Er war müde und hungrig, fühlte sich aber andererseits nicht in der Lage schlafen zu gehen, geschweige denn etwas zu essen. Erst jetzt drang ihm langsam ins Bewusstsein, dass er seit gestern Nachmittag nicht mehr zu Hause gewesen war, ohne sich abzumelden und dass er die Schule heute geschwänzt hatte. Zwar würde seine Mutter ihm sicherlich eine Entschuldigung schreiben, aber leicht würde es diesmal wohl nicht. Wenn alle Stricke reißen…, dachte er, ich hab genug Tränen aufgestaut, um ihr Mitleid zu bekommen… Gott, das ist sogar für mich echt das Letzte.

Und das musste er dann auch. Sie und sein Vater machten ihm die Hölle heiß, bis er schließlich weinend zusammenbrach. Bei jedem anderen hätten sie geglaubt es sei wegen der Zurechtweisung, aber so etwas ließ Markus sonst völlig unbeeindruckt.

„…er wäre fast gestorben“, hauchte er seiner Mutter zu. Sein Vater antwortete aber stattdessen.

„Das ist kein Grund, dass du ohne anzurufen die Nacht nicht nach Hause kommst!!!“, donnerte er. Nun, er hatte Recht, das wurde sogar Markus klar. Trotzdem verteidigte dessen Mutter sein Verhalten (das war neu).

„Hör mal Ricardo! Du bist manche Nächte auch nicht hier, ohne anzurufen. Bist´ ein tolles Vorbild! Jetzt lass den Jungen in Ruhe, er ist völlig fertig, ich rede allein mit ihm!“ Plötzlich richtete sich Ricardos Wut ungebremst auf sie.

„Du wagst es meine Autorität anzugreifen?!?“, brüllte er sie an. Markus sah, wie sehr seine Mutter um Stärke rang. Sie tat es für ihn und zwar nur für ihn, dass wusste er. Sie brauchte ihren Mann einfach viel zu sehr, er brachte das Geld nach Hause (und nicht wenig!), zudem kümmerte sich um alle Belange, die ihr Haus betrafen, waren es Klempner oder Dachdecker. Dafür nahm sie eben in Kauf, dass er Affären hatte oder dass er sich aufspielte, als gehörte ihm die Welt. Sie liebte ihn schon lange nicht mehr, aber ihn zu verlassen kam für sie nicht in Betracht. Im Prinzip hasste er es, dass sie so wenig Rückrad hatte, aber andererseits konnte er es sogar verstehen. Sie tat es nur für ihn und seinen Bruder, denn obwohl Mario seit langem ausgezogen war, wurde er ja noch mit Daddys Geld unterstützt. Ganz zu schweigen, was Markus alles bekam.

Nun war es wohl an ihm rückradlose Puppe zu spielen…

„Hört auf, Leute, hört auf!!!“, rief er. „Es tut mir Leid, dass ich so eine Scheiße gebaut hab, echt, keiner hat Schuld, okay? Ich hab einfach nicht nachgedacht… Fuck, ich… ich kann einfach nicht mehr…“, er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und weinte. Auf dem Boden saß er ja schon.

Die Tränen waren echt, auch wenn seine Entschuldigung es vielleicht nicht war. Sein Vater war ein Heuchler, wenn seine jetzige Geliebte – sofern sie ihm genug bedeutete – in einer solchen Lage gewesen wäre, hätte er auch niemandem gesagt, dass er nicht nach Hause kommen würde, dass sie sich keine Sorgen machen sollten. Er wäre ebenfalls einfach fort geblieben, da war sich Markus sicher.

Allerdings wurde ihm nicht bewusst, dass er Sebastian mit einer Geliebten gleichstellte…

„Du verweichlichst ihn zu sehr!“, murrte Ricardo, zwar immer noch wütend, aber weitaus gefasster. Seine Frau sah ihn nur an, mit einem sonst-noch-was(?)-Blick. Er verließ daraufhin das Wohnzimmer.

Nun ließ Markus´ Mutter ihre Fassade fallen, sie sank erleichtert aber erschöpft auf die Knie und wischte sich anbahnende Tränen aus den Augen. Dann sah sie zu ihrem Sohn.

„Ich hab mir solche Sorgen gemacht, Junge!“ rief sie ihm leise zu. Dieser blickte auf. „Es tut mir leid, Mutter, ich… ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er gestorben wäre…“ Er ließ sich diesmal ohne Gegenwehr von ihr in den Arm nehmen. „…echt nicht.“
 

----
 

Als es an der Tür klingelte, zuckte Ingrid zusammen. Es war auch nach einer Woche immer noch schwer für sie wieder zur Normalität zu finden. Nur langsam erhob sie sich aus ihrem Sessel und trat zur Tür. Ihr Herz klopfte wild und unnatürlich laut, zumindest kam es ihr so vor.

Sie fluchte innerlich, weil sie noch immer keinen Türspion eingebaut hatte. Zwar war eine Sicherungskette vor der Tür, aber Bernd würde das nicht aufhalten. Ein einziger, gewaltiger Tritt gegen das Holz und er wäre drin. Keine guten Aussichten.

Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt breit und spähte hindurch. Es war nicht Bernd, stellte sie erleichtert fest.

Es war der schöne, brünette Knabe. Sein Blick war seltsam matt, aber dennoch durchdringend, sie konnte ihn nur schwer einordnen.

Er sagte nichts, aber er setzte ein Lächeln auf, das sie unwillkürlich erwidern musste. Eigentlich wusste sie nicht, was sie von ihm halten sollte, aber sie empfand ihn auch nicht als Bedrohung. Zumindest – und da war sie sich sicher – könnte er etwas tun, um ihren Sohn zu irgendeiner Handlung zu animieren. Seit Tagen schon hockte er in seinem Zimmer, redete nicht mehr mit ihr oder sonst wem, und legte ein immer autistischeres Verhalten and den Tag. Wenn das so weiter ging, würde er in einer geschlossenen Anstalt landen, anstatt nur zu täglichen Sitzungen beim Psychologen, die ihm ja nun auch nicht helfen konnten. Es war wirklich zum heulen.

Der schöne Junge konnte sich nicht zu einem Wort durchringen, sodass Ingrid ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte.

„Bitte tu was…“, hauchte sie. „Irgendwas… ich weiß nicht weiter…“. Als er in ihre traurigen Augen sah, anklagend und ebenso verletzt, wäre sie vor Scham am liebsten im Boden versunken. Sie zog ihre Hand weg.

„Bitte…“, ihre Stimme war schwach, fast schüchtern. Der Junge nickte langsam und lächelte, beinahe warm.

Als Markus vor das Zimmer seines Freundes trat, fühlte er sich so fehl am Platz, wie selten irgendwo. Es war nicht die Tatsache, dass er noch nie hier gewesen war, vielmehr war es das Wissen, das er hier nie wirklich willkommen sein würde. Egal, was er Sebastian sagen würde, er konnte nicht ungeschehen machen, was er bereits gesagt hatte.

So dumm es sich für Markus auch anhören mochte.

Es war so unglaublich schwer für ihn gewesen überhaupt hier her zu kommen. Und die Aussicht, dass dieses Gespräch über das Fortführen oder Scheitern ihrer zerbrechlichen Freundschaft entscheiden würde, half nicht gerade. Genauso wenig, wie es half, dass Sebastian sich beinahe umgebracht hatte und Markus scheinbar alles dafür getan hatte, dass es soweit kommt. Zumindest aber hatte er nichts getan um es zu verhindern…

Langsam öffnete er die Tür. Er zwang sich ein fröhliches Lächeln aufzusetzen und mit seiner üblichen alles-ist-in-Butter-Nummer irgendwie zu überzeugen. Am liebsten hätte er laut aufgeschrieen.

„Sebastian!“, warf er fröhlich in den Raum. Dieser saß auf seinem Bett und las ein Buch. Zumindest schien er das vorgehabt zu haben, aber sein Blick war starr und weit fern.

Er ging auf ihn zu und schnappte sich sein Buch.

„Hey, Kleiner, willst du dich ewig hier drin verkriechen? Du musst mal wieder nach draußen, dort wo das Leben ist!“, er war selbst überrascht, wie wenig seine Unsicherheit oder seine niederschmetternde Stimmung mitklang.

Sebastian sah zwar langsam auf, erwiderte aber nur:

„Lass mich in Ruhe.“

Für einen Moment war Markus tief getroffen.

Es tat weh.

Er hatte gewusst, dass es wehtun würde, aber davor hatte er sich nicht einmal am meisten gefürchtet. Er versuchte es zu ignorieren und berührte sachte seinen Arm. „Aber…“

Der Blondschopf zog ihn augenblicklich weg. „Fass mich nicht an!“, fauchte er.

„Sebastian…“, die aufgesetzte gute Laune gefror in ihm zu Eis. Er schluckte und versuchte nicht so verdammt hilflos zu klingen.

…was ist los?“, er bemerkte selbst, dass ihm das nicht gelang.

„Warum gehst du nicht einfach?“, die Stimme seines Freundes war flach, ohne Emotion.

Ich muss es ihm sagen…, dachte Markus mutlos. Er wusste nicht, was er tun sollte, fühlte sich aber außerstande zu gehen. Nein…, schoss es ihm durch den Kopf. Resigniert schloss er die Augen.

„Bitte geh!“, Sebastians Stimme hatte eine seltsame Härte in sich, die Markus noch nie bei ihm erlebt hatte.

So endet es also… ich hab ihn verloren. Als es dem brünetten Jungen klar wurde, hätte er beinahe geschluchzt. Jetzt brauchst du es ihm auch nicht mehr sagen…!, rief ihm eine zynische kleine Stimme im Innern zu. Klasse.

Er sah zu ihm und beugte sich vor, stützte sich mit den Knien auf die Bettkante und kam Sebastian mit seinem Gesicht sehr nahe, fast ein bisschen zu nahe.

„Rede mit mir.“, Markus Augen suchen die seines Gegenübers.

„Geh doch einfach.“, flüsterte dieser und wich bis zur Wand zurück.

„Rede mit mir…“, wiederholte der Brünette Knabe, kam erneut dichter ran und lehnte seine Stirn an Sebastians. Der konnte mit dieser Nähe nicht viel anfangen. Er zitterte.

„Bitte, jetzt geh schon…!“, seine Stimme klang nicht mehr hart, sondern nur noch flehend. Sebastian schaute nervös nach unten und zwang sich stark zu bleiben. Sein Körper bebte so heftig, dass er es nicht unterdrücken konnte, und Schmetterlinge wirbelten in seinem Bauch. Die Nähe seines Freundes war so überwältigend, dass er ein Seufzen nur schwer unterdrücken konnte.

Markus umfasste die Wange seines Gegenübers mit einer Hand und hob seinen Kopf hoch, sodass er ihn ansehen musste.

Warum kommt er nur so Nahe? Sebastians Herz schnürte sich zusammen. Aus den Schmetterlingen wurde ein regelrechter Sturm.

Er versuchte sich zu entziehen, aber er konnte es nicht. Markus kam nur näher.

„Sieh mich an!“, befahl er sanft. Er war so nahe, dass sich ihre Lippen beinahe berührten. Und dieser Blick! Warum sieht er nur so intensiv in meine Augen?, dachte Sebastian.

Er zitterte fürchterlich.

„Was…?“, fragte er kaum hörbar. Er atmete schwer, alles in ihm verkrampfte sich.

Markus Lippen streiften seine.

Er hätte es für ein Versehen halten können, aber dieser sah ihm immer noch in die Augen und wich keinen Millimeter weg.

Sebastian liefen einige Tränen über seine Wangen. Er war nicht fähig sich zu bewegen, seine Glieder waren bleiern und sein Herz setzte mindestens einen Schlag aus. Warum tut er das?

Sein Gegenüber schien auf ein Zeichen der Wehr zu warten, doch als dieses nicht kam, küsste er ihn sachte auf die Lippen. Er hatte seine Augen inzwischen geschlossen, obwohl er dem Frieden nicht traute. Sebastian tat gar nichts. Er war starr vor Schreck, immer wieder versuchte er sich einzureden es sei nur ein Traum.

Ein völlig verrückter, unglaublich echt wirkender, Tagtraum. Sebastian merkte erst, dass auch er die Augen geschlossen hatte, als er seine bleischweren Lider hob. Er schaute in zwei wunderschöne glänzende, schokoladenbraune Augen.

Markus leckte sich unbewusst über die Lippen. Er hatte sich schwerfällig gelöst, um Sebastians Reaktion zu sehen, auch wenn sie Verachtung, Missbilligung oder sogar Hass zeigten. Doch dem war nicht so. Sie strahlten zwar auch keine Liebe aus, aber schienen nicht zwingend abgeneigt.

„Wow, ich dachte du würdest mir den Schädel einschlagen…“, murmelte Markus leise. Sein Atem war so nahe. Sebastian fühlte sich wie ein Einwürfel im Backofen, seine Knie wurden weich und er wäre tatsächlich umgekippt, wenn er nicht gesessen hätte.

Er lächelte leicht.

Die Finger seines Freundes suchten sich sachte einen Weg unter sein T-Shirt. Sebastians leises Stöhnen ermutigte den brünetten Knaben offensichtlich, denn er grinste inzwischen Selbstsicherer, zog ihn so nahe er konnte an sich, kam ganz langsam wieder seinen Lippen entgegen und küsste ihn sacht. Sebastian hob zitternd seine Hände und umfasste seinen Rücken.

Vorsichtig tastete sich Markus´ Zunge in seinen Mund.

Das war komplett verrückt. Undenkbar. Inakzeptabel.

Doch es fühlte sich verdammt gut an. Er schmeckte gut. Eigentlich sogar mehr als das, es war berauschend, der kleine Streber hätte vor Glück weinen können. Der Blondschopf löste sich leicht, um zu Atem zu kommen. Schüchtern sah er in die Augen seines Gegenübers.

„Ich… ich hab nicht viel Ahnung…“, flüsterte er schuldbewusst.

„Hm, ich schätze, ich ein bisschen mehr…“, der brünette Junge grinste und küsste ihn wieder, diesmal intensiver als zuvor. Nur langsam wagte er sich noch etwas weiter unter sein T-Shirt. Doch dann fühlte er sie. Die Narben.

Sebastian war so in Trance, dass er es gar nicht merkte.

Markus löste sich. Sein Gegenüber gab nur einen enttäuschten Laut von sich.

Der brünette Knabe zog ihm langsam das T-Shirt aus. Sebastian ließ es zu, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Er hatte schon lange den Boden unter den Füßen verloren.

„Ach du Scheiße…“, flüsterte Markus und fuhr mit seinen Fingern über die nur langsam verheilenden, grünlichen Flecke und die Narben.

Erst jetzt schien der Blondschopf zu realisieren, was er geschehen war. Abrupt versuchte er Markus abzuwehren, schaffte es aber nicht wirklich.

„Nein, ich…“

„Scheiße…“, hauchte der Jüngere. „Scheiße… ich… ich hatte ja keine Ahnung.“

Der kleine Streber krallte sich sein T-Shirt und hielt es sich schützend vor seinen Körper.

Seine Augen… sehen so traurig aus.

„Meine Güte, Sebastian, es tut mir so leid, ich…“

Doch dieser wich nur zurück und versuchte irgendwie sich wieder zu fangen.

„Nein, ich… ich will nicht…“, murmelte er unter schwerem Atmen.

Markus berührte seine Wange und küsste sie. Behutsam zog er seinen Freund in seine Arme und streichelte liebevoll über seinen Kopf. Dieser schluchzte leise.

„Ich hab nie gefragt…“, murmelte der brünette Junge. „Ich komme mir so dumm vor… ich hab nie gefragt… warum du es getan hast.“

Sebastian entspannte sich etwas in der Umarmung, er legte nach einiger Zeit sogar seine Arme um ihn.

Sie hielten sich so fest, wie zwei Ertrinkende an einem umgekippten Boot. Keiner wollte den anderen los lassen.

Und beide merkten nicht, dass der andere weinte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Misuzu
2008-02-29T12:36:48+00:00 29.02.2008 13:36
*heul*
jetzt hast du mcih echt zu Heulen gebracht!
boah der arme Sebastian... ich leide mit ihm mit *schnief*

schreib schnell weiter!!!

lg
misu ♥


Zurück