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Catwalk

Hin und her
von

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Wenn es jemals in Elias’ Leben eine peinlichere Situation gegeben hatte, konnte er sich jetzt nicht daran erinnern. Denn er kämpfte konzentriert und verzweifelt gegen die flammende Röte in seinem Gesicht und der schwitzigen Feuchte auf seinen Handflächen an, während er von allen Seiten angestarrt wurde.

„Are you really sure that you’re ok? You look like a white ghost.” (“Sind Sie wirklich sicher, dass sie ok sind? Sie sehen aus wie ein weißer Geist.”)

Elias brachte sich zu einem schmallippigen Lächeln und nickte auf Thomas’ besorgte Frage, nachdem er noch einmal einen großen Schluck von dem kühlen Wasser genommen hatte, das man ihm wegen seinem besorgniserregend blassen Gesicht angeboten hatte.

„I am ok, really. I was just shocked for a short moment.” (“Ich bin in Ordnung, wirklich. I war nur geschockt für einen kurzen Moment.”)

„Sie haben…verwechselt mich mit meinen Bruder Kyohei?“

Elias hob den Kopf bei dem gebrochenen Deutsch und sah sich wie schon kurz zuvor wunderschönen Mandelaugen gegenüber. Kyoheis Mandelaugen. Eigentlich. Doch der Mann war nicht Kyohei. Er war jünger, viel jünger. Er war Kyoheis 19 Jahre alter Bruder Kenta, wie er soeben erfahren hatte.

„Ja. Das tut mir Leid. Ich hatte mich so erschrocken, weil ich fest mit Kyohei gerechnet hatte und dann war *Kyohei* auf einmal so jung! Ich weiß auch nicht…das…“

Kenta grinste ihn im nächsten Moment spitzbübisch an – ein Gesichtsausdruck, der klar machte, dass dieser junge Mann auf keinen Fall Kyohei sein konnte, denn dieser würde niemals so grinsen.

„Dann Sie sind wirklich schreckhaft! Klein und süß und schreckhaft!“

Elias blieb regelrecht der Mund offen stehen.

/Was sagt der Bengel da?!/

„ Kenta! You said something rude! I can see it on his face! What saucy things did you say this time?! Can’t you behave yourself for just one minute!” („Kenta! Du hast etwas Unhöfliches gesagt! Ich kann es in seinem Gesicht sehen! Was für unverschämte Dinge hast du dieses Mal von dir gegeben?! Kannst du dich nicht mal für eine Minute benehmen!“)

Der junge Mann richtete sich auf und warf Thomas Jackman einen geradezu angewiderten Blick zu. Dann zischte er irgendetwas auf Japanisch, dass sich nicht gerade nett anhörte und machte Anstalten den Raum zu verlassen.

„Kenta! How many times did I order you to speak English when I am in the same room!“ („Kenta! Wie oft habe ich dir schon befohlen Englisch zu sprechen, wenn ich im selben Raum bin!”)

Kenta fuhr regelrecht auf dem Absatz herum und funkelte seinen Stiefvater mit solch einer Wut an, dass es selbst Elias, dem der Blick nicht galt, mulmig zumute wurde.

„FUCK YOU, YOU OLD PERVERT!!” (“Fick dich, du alter Perverser!!“)

Es herrschte einen Moment Stille, dann sprach der junge Japaner weiter und verließ mit beinahe gemächlichen Schritten den Raum.

„I hope that was enough English for your taste.” („Ich hoffe, das war genug Englisch für deinen Geschmack.“)

Es war wieder still im Raum. Sogar für einige Minuten.

Dann schien sich der Amerikaner wieder gefangen zu haben, denn er räusperte sich laut. Mit einem verlegenen, beinahe schon peinlich berührten Lächeln sah er Elias an und zuckte einfach nur die Schultern.

„I have to apologise for his behaviour. He doesn’t like me. He is really very nice to other people. ” („Ich muss mich für sein Verhalten entschuldigen. Er mag mich nicht. Zu anderen ist er eigentlich sehr nett.“)

Elias versuchte sich an einem vorsichtigen Lächeln, doch er war sich sicher, dass es nicht klappte. Jetzt war er wirklich geschockt. Dieser Mann sah Kyohei so unglaublich ähnlich, aber sie waren so verdammt verschieden! Es schien, als hätte Kyohei all seine Gefühle an seinen jüngeren Bruder übertragen!

/Wie würde wohl eine Mischung aus beiden sein?!/

Leise Stimmen drangen aus dem Flur zu ihnen durch. Sofort sprang Thomas Jackman zur Tür und ließ ihn allein auf dem Sofa sitzen.

„Ah! Hallo, my dear Kazusa! Hi Kyohei! How was the meeting? I hope everything went well” („Ah! Hallo, mein Liebling Kazusa! Hi Kyohei! Wie war der Termin? Ich hoffe alles ging gut?”)

Elias horchte auf. Kyohei war da?! Sofort wurde ihm schlecht und seine Gesichtsfarbe wechselte wieder von einem ungesunden Rot zu einem noch ungesünderen Weiß.

„Hello, Thomas. Yes, everything went as expected. Did the journalist arrive and is now in his hotel?” („Hallo, Thomas. Ja, alles lief wie erwartet. Ist der Journalist angekommen und ist in seinem Hotel?“)

Thomas lachte auf.

„Yes, he arrived without any troubles, but then there were problems at the hotel, so I brought him here to stay with us.” („Ja, er kam ohne Probleme an, aber dann gab es Probleme im Hotel, also habe ich ihn hergebracht, damit er bei uns bleiben kann.”)

„Oh, well…That was a good idea. I think he won’t trouble you. It is ok like that, do you agree, mother?” („Oh, nun…Das war eine gute Idee. Ich denke, er wird euch nicht stören. Ist es in Ordnung so, stimmst du zu, Mutter?“)

Eine helle, ruhige Stimme sagte etwas, aber sie war zu leise, als dass Elias sie verstehen konnte.

„Fine. Where is he, Thomas?“ (“Fein. Wo ist er, Thomas?”)

Elias hörte das Klappern von Kleiderbügeln. Anscheinend wurden die Jacken an die Garderobe gehängt.

„He is in the livingroom.“ („Er ist im Wohnzimmer.”)

“Thank you. Please, permit us one minute alone.“ („Danke sehr. Bitte, lasst uns eine Minute allein.”)

Elias musste schlucken, als er sah, wie die Tür aufgeschoben wurde und jemand den Raum betrat. Dann war sein Mund plötzlich staubtrocken.

„Elias. Schön dich zu sehen.“

Kyohei sah unglaublich aus, unglaublich gut. Seine Haare waren lässig in einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden, er trug eng anliegende Jeans, ein irgendwie jugendlich an ihm wirkendes, weites T-shirt und eine rahmenlose Brille, die jedoch nicht das Strahlen der dunklen, schokofarbenen Mandelaugen verstecken konnte. Die rechte Seite seines Gesichts zierte mehrere schmale Pflaster, die über einen Schnitt geklebt waren und anscheinend die Fäden, die zum zunähen der Verletzung gebraucht wurden, zu unterstützen. Es sah nicht schlimm aus. Elias hatte es sich viel schlimmer vorgestellt.

„Hallo.“

Seine Stimme war irgendwie rau. Sie hörte sich trocken an. Ihm war ganz flau.

„Wie war dein Flug?“

Kyohei trat auf ihn zu und nahm seine dargestreckte Hand in seine beiden, um sie sanft aber bestimmt zu drücken, etwas, das etwas tief in Elias’ Körper zum kribbeln brachte.

„Das Essen war grauenvoll, aber ich konnte den langen Flug größtenteils verschlafen.“

„Das hört sich ja nicht so schlecht an. Hast du denn Hunger?“

Elias schüttelte nur den Kopf, nahm dabei jedoch nicht einmal den Blick von dem Gesicht des anderen. Er konnte gar nicht anders.

Erst jetzt ließ Kyohei seine Hände los. Elias hatte gar nicht bemerkt, dass dieser sie immer noch festgehalten hatte. Das überraschte ihn irgendwie vollkommen.

Außerdem machte ihn der Fakt nervös, dass er total neben sich zu stehen schien. Was war nur los mit ihm? Das freundliche, noch reifere und Respekt einflößende Auftreten des Models konnte ihn doch wohl nicht so aus der Fassung bringen?!

Oder etwa doch?!

Es war zum verrückt werden! Er benahm sich wie ein Teenager!

Kyohei setzte sich neben ihn auf das Sofa und lächelte ihn neutral an. Dieser Anblick war der Inbegriff der distanzierten Freundlichkeit.

„Und? Wie geht es dir so?“

„Sehr gut.“

„Ja, das hört man. Du scheinst sehr erfolgreich zu sein, im Job und auch privat.“

Elias runzelte leicht die Stirn, dachte kurz über dieses *privat* nach. Dann nickte er.

„Ja. Und wie läuft es so bei dir?“

„Na ja…Den Umständen entsprechend. Wir können später darüber reden. Deshalb bist du ja hier.“

„Ja, das stimmt.“

Sie schwiegen sich an. Für einige Momente. Bis Elias die gespannte Atmosphäre nicht mehr aushielt.

„Ich habe deine Geschwister kennen gelernt. Ich habe deinen Bruder mit dir verwechselt.“

„Keine Sorge, das passiert oft.“

Elias musste schmunzeln und Kyohei lächelte ihn daraufhin ebenso an.

Dann schwiegen sie wieder.

Irgendetwas lag in der Luft. Irgendetwas, das nur darauf wartete, aus der Ecke zu springen und sie aus heiterem Himmel anzufallen.

Es klopfte an der Tür. Thomas steckte den Kopf ins Wohnzimmer.

„Sorry. Ehrrr, Mister Hellbarde, do you want to see your room? I’ll show you.” („Entschuldigung. Ehrrr, Herr Hellbarde, wollen Sie Ihr Zimmer sehen? Ich zeige es Ihnen.”)

Sofort stand Elias auf und folgte dem Amerikaner, der sich schon eifrig auf den Weg gemacht hatte. Doch er stockte mitten im Schritt, als Kyohei seine Stimme erhob.

„Du hast ein Verhältnis mit Enzo Cavalieri?“

Zuerst war Elias zu geschockt, um sich zu rühren. Doch dann wandte er sich mit versteinertem Gesicht zu dem Japaner um und nickte.

„Ja, das habe ich. Was geht es dich an?“

Kyohei schenkte ihm lediglich ein Lächeln. Er sah selbstsicher aus und irgendwie wirkte er in diesem Moment überlegen, wissend und so, als hätte er eine Trumpfkarte im Ärmel, von der Elias bis jetzt noch nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab und dass sie zwischen ihnen einmal gebraucht werden würde.

„Es geht mich nichts an. Ich wollte es nur kurz zur Sprache bringen.“

Er nickte nur, wandte sich wieder um und verließ das Zimmer. Erst als die Tür sich in seinem Rücken schloss, konnte er ausatmen.

Was war gerade geschehen? Diese Spannung, die auf einmal auf ihnen gelegen hatte. Was war das? Was sollte diese Gereiztheit bei der Erwähnung von Enzo?

„Gott…Ich werd noch mal verrückt…“

Nach einem kurzen Moment, in dem er tief ein und ausatmete, ging Elias den großen, weiten Flur entlang, bis er an eine sperrangelweit offen stehende Tür kam, die anscheinend in sein zukünftiges Zimmer führte, da sein Koffer auf dem breiten Doppelbett lag und Thomas Jackman aufgeregt durch das Zimmer wuselte, die Fenster öffnete, die Bettwäsche lüftete und die Schranktüren aufriss, bis ein heilloses Chaos entstand.



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