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Catwalk

Hin und her
von

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„Deine Mutter hat angerufen. Sie kommt am Samstag.“

Elias sah von seiner Zeitung auf und runzelte die Stirn. Mit einem Seufzen und einem Verdrehen der Augen blickte er Sven an und legte das Papier in seinen Händen zusammen.

„Ich hab doch gesagt, sie braucht nicht extra von Paris rüber fahren. Was das wieder kostet; und der Aufwand! Du solltest sie doch davon abhalten! Arrgh! Jetzt hab ich den Salat! Ich werd kein Bisschen zur Ruhe kommen.“

Sven schüttelte nur den Kopf und lehnte sich an die Stuhllehne zurück. Sein Blick war sauertöpfisch und schmollig. So sah er schon seit heute morgen aus, seit Elias endlich etwas klarer geworden war, nicht wie vernebelt von den Schmerztabletten vor sich hingestarrt hatte, und sie sich gestritten hatten.

Sven, die Glucke.

Er war den ganzen Morgen um ihn herum geschlichen, hatte ihm Anziehsachen für zwei Wochen geholt –Elias war sich sicher, dass er es nur noch einige Tage in diesem Krankenhaus aushalten würde-, ihm eine riesige Tasche mit Büchern gebracht und ihm auch noch seine Lieblingssüßigkeiten an den Schwestern vorbeigeschmuggelt. Das hatte Elias schließlich so auf die Palme gebracht, dass er die Geduld verloren und ihn angeschnauzt hatte, dass er nicht so rumtunten sollte. Svennemann hatte das nich so gut aufgenommen und zurück gezickt. So dass sie nur noch Svens Herzdame davon abhalten konnte sich mit Grußkarten und Blumenkübeln zu bewerfen.

Elias verstand ihn nich. Sven benahm sich, als wäre das alles seine Schuld gewesen, dass der beste Freund seines Schwarms ihn ein wenig zu hart angegangen war.

Dabei war eigentlich niemand Schuld. Nicht mal André –obwohl Sven das stur und zickig behauptete. Der Student hatte sich deshalb sogar mit seinem frischgebackenen Ehemann, dem Miss-schwuler-Postbote-2006, gezofft, und zwar heftig, mitten im Krankenhausflur, so dass sogar Elias es in seinem Medikamententran mitbekommen hatte.

Elias fand das alles unsinnig. Es war passiert und fertig. Man hatte ihm nahe gelegt André anzuzeigen, doch nachdem er von Sven gehört hatte, dass sein Herzchen Maxi André ein blaues Auge verpasst hatte, hatte er sich dagegen entschieden. Außerdem verstand Elias, dass André mittendrin nicht hatte aufhören können. Er hatte es bestimmt nicht böse gemeint.

„Hast du schon mal versucht deiner Mutter –wohlgemerkt, wenn sie panisch und besorgt ist- etwas auszureden?! Die war richtig hysterisch! Außerdem hättest du es ja selber machen können!“

„Hätte ich nicht, ich hab noch kein Telefon hier im Zimmer und Handys sind verboten.“

Sven gab ein leises, verzicktes Zischeln von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Elias fragte sich zum hundertsten Mal in seinem Leben, wie es die Tante nur immer wieder schaffte sich so unglaublich schwul zu verhalten. Jeder Handgriff und jeder Augenaufschlag schien zu sitzen. Unglaublich.

„Hast du die Katze gefüttert?“

„Ja. Hast du gegessen?“

„Nein.“

„Wieso nicht?“

„Ich mag das Essen nicht.“

Sven seufzte auf und schwang ein Bein über das andere, sank so ein wenig in den Stuhl ein. Sein schmolliger Ausdruck wich eine besorgten, verständnisvollen, einen Blick, der Elias schmerzte. Weil er ihn daran erinnerte, wie Sven und er sich kennen gelernt hatten.

„Eli, ich weiß nicht, ob es Sinn macht zu hungern, Schatz. Das ist nicht gut für dich. Du solltest was essen.“

Elias lächelte. Sich schon unvorsichtiger bewegend als noch am Morgen legte er die zusammengelegte Zeitung auf den Nachttisch an der Seite des Krankenhausbettes und sah seinen Mitbewohner nun liebevoll an. Die Sorge war ja auch eigentlich süß.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Hol mir einen Döner und ich esse. Du weißt, dass ich nicht gerne Braten esse. Und Birnen mochte ich auch noch nie.“

Sven seufzte auf und raufte sich –natürlich nicht so fest, dass er seine Frisur zerstörte- die Haare. Dann ließ er schließlich die Arme wieder fallen und schmollte ihn an.

„Na gut…Ich werde gucken, was sich machen lässt. Vielleicht kann ich eine der Schwestern bestechen. Eine Straße weiter ist ein Grieche, bist du mit einer Gyrospitta auch zufrieden oder muss es ausgerechnet ein Döner sein?“

Elias lächelte beinahe gönnerhaft.

„Nein, nein, das ist schon ok. Ich gebe dir sogar das Geld zurück.“

Sven seufzte und schüttelte den Kopf.

Still saßen sie da. Sven betrachtete seine Fingernägel und Elias taxierte ihn mit Blicken, versuchte ihn zu hypnotisieren. Sven hielt den starren Blick eine halbe Minute aus, dann fuhr er auf und knurrte Elias regelrecht an.

„Was denn?!“

Elias mutierte zu einem kleinen Hundewelpen.

„Jetzt…?“

„Was, jetzt?!“

„Hunger, Pitta, jetzt?“

Sein Mitbewohner verdrehte die Augen und erhob sich vom Krankenhausstuhl. Man sah ihm an, dass er absolut keinen Bock hatte sich jetzt zu bewegen. Aber Elias wusste um den Einfluss, den er mit seinem Bettelblick auf seinen Freund hatte. So hatte er ihm noch etwas abschlagen können. Außerdem war er krank und Svens noch immer schlechtes Gewissen unterstützte wohl dass Gefühl in dem Studenten ihm das fettige Teig-Fleisch-Krautsalat-Zaziki-Ding vom Griechen zu holen.

„Na gut, bin gleich wieder da.“

Sven strubbelte Elias durch die Haare, drehte sich um und trat dann an die Tür.

„Ah! Schick deinen Max rein, du Moritz! Mir soll ja nicht langweilig werden, was?!“

Sven schickte ihm ein Grinsen und winkte ihm noch mal. Die Tür war kaum zugegangen, als sie auch wieder aufging.

Maximilian steckte seinen Kopf durch die Tür und lächelte ihn aufmunternd an.

„Na? Soll ich reinkommen?“

Elias musste schmunzeln und nickte, wartete darauf, dass der groß gewachsene Postbote seinen Prachthintern ins Krankenzimmer bewegte und sich auf den Stuhl setzte, auf dem vorher noch sein Svenne gesessen hatte. Sie sahen sich an, beobachteten einander. Stumme Minuten füllte das Krankenzimmer. Niemand sagte für lange Zeit ein Wort. Bis Maximilian es anscheinend nicht mehr aushielt.

„Tut es noch weh?“

Elias versuchte zu lächeln, doch es wurde eher eine Grimasse.

„Ja, aber es ist nicht so schlimm, wie ich angenommen hatte, dass es wehtun würde.“

Max verzog ebenfalls die Miene. Doch bei ihm war es beabsichtigt.

„Wirklich?“

„Ja, keine Sorge.“

Wieder schwiegen sie. Und wieder nur für einige Minuten.

„Das tut mir leid. Ich hätte André nicht so eingeschätzt, dass er so was…Ich meine, ich kenne ihn seit der 5. Klasse. Ich kann nicht verstehen, wie es so mit ihm durchgehen konnte…“

„Schon ok. Es ist niemand schuld. Es…es hätte schön werden können, aber mittendrin habe ich mich an etwas erinnert, woran ich mich nicht hätte erinnern sollen und deshalb hat sich…sozusagen die Lust in Luft aufgelöst…also…es ist nicht Andrés Schuld und deine schon gar nicht. Vielleicht war es meine eigene Schuld. Aber über so was sollte man jetzt nicht spekulieren. Eigentlich ist es auch unsinnig, das zu tun. Lass uns das Thema wechseln. Das hat keinen Sinn.“

Max seufzte auf und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare; er ging weitaus unvorsichtiger mit seiner Frisur um als Sven. Schließlich nickte er und brachte wieder ein Lächeln hervor.

Sie unterhielten sich über ganz alltägliche Dinge, Smalltalk. Schließlich kamen sie auf Sven zu sprechen, wie es mit Max und ihm weitergehen würde, ob Max sich sicher war, dass diese Beziehung länger dauern könnte.

Elias war positiv überrascht, dass Max soviel von seinem Mitbewohner zu halten schien. Er schien ihn nicht einfach nur als Betthäschen zu sehen wie andere vor ihm, sondern versuchte auch hinter die schrecklich schwule Klischeemaske, die Sven sich einst übergezogen hatte, zu blicken. Es beeindruckte Elias.

Schließlich beeindruckte es ihn so sehr, dass er Max um etwas bat.

„Kümmere dich bitte gut um ihn. Ok?“

Max sah ihn verwirrt an. Er schien gar nicht zu verstehen, was das auf einmal sollte. Dann schien er zu verstehen.

„Was willst du damit sagen? Das hört sich so an, als würdest du irgendwie…verschwinden und ihn allein lassen…Du kannst doch nicht…! Du hast doch nicht irgendwas vor oder?!“

Elias blinzelte den anderen einen Moment vollkommen perplex an, blickte in das entsetzte, sorgenvolle Gesicht des anderen, dann brach er in schallendes Gelächter aus, während Maximilian ihn nur verstört ansehen konnte.

„Nein! Nein, ganz bestimmt nicht! Mich kriegt man so schnell nicht unter! Ich meinte nur, solange ich jetzt in nächster Zeit im Krankenhaus liege!“

Elias versuchte sein Kichern zu unterdrücken, als er sah wie erleichtert Max wirkte. Ein wirklich sympathischer Kerl, nicht so Gehirnamputiert wie Svens vorige Bekanntschaften. Das erinnerte ihn wieder an das eigentliche Thema, dass ihn sofort wieder ernster werden ließ. Sven.

„Er ist sehr sensibel und das ganze…Man sieht es ihm nicht an, aber das ganze hat ihn geschockt. Wir haben uns damals vor 5 Jahren auf ähnliche Art kennen gelernt. Und das hat sicher nicht nur bei mir alte Wunden aufgerissen. Er mag vielleicht schmollen, weil er bei mir im Krankenhaus herumsitzen muss, aber eigentlich macht er sich verdammte Sorgen, gibt sich die Schuld und hat an den alten Erinnerungen zu knabbern…

Ich bin mir sicher, dass er heute Abend, wenn er allein in unserer Wohnung sitzt, vollkommen fertig sein wird. Deshalb bleib bitte heute bei ihm und kümmere dich um ihn, lenk ihn ab, hüll ihn in eine weiche Wolldecke, füttere ihn mit Schokoeis und verwöhn ihn mit Streicheleinheiten, das hat ihm bis jetzt immer bei Kummer geholfen.“

Elias legte sich in die Kissen zurück und holte tief Luft nach seinem Vortrag.

Maximilian musterte ihn eingehend und durchdringend, so dass es ihm fast ungemütlich wurde, bis sich auf dem Gesicht des Postboten wieder ein Lächeln ausbreitete.

„Natürlich werde ich mich um ihn kümmern…Du kennst ihn wirklich gut. Es ist selten, dass es noch so gute Freunde gibt wie euch…Im Gegensatz zu André und mir…“

Maximilians Seufzen ging einem durch Mark und Bein. Elias winkte ab.

„Nur weil er sich vielleicht nicht unter Kontrolle hatte, musst du ihm nicht die Freundschaft kündigen. Ich nehme an, dass er sich selbst Vorwürfe und Sorgen macht…Vielleicht solltest du ihn anrufen und ihn ein wenig unterstützen. Sag ihm gleich, dass er mich mal besuchen kann. Ich freu mich über Besuch. Ok?“

Max nickte lächelnd und lehnte sich im Stuhl zurück.

„Du haust einen wirklich um, Elias. So jemanden wie dich hab ich noch nie getroffen.“

Elias schmunzelte nur und zuckte die Schultern. Was sollte man auch dazu sagen?

Ein lautes Klopfen ließ ihn den Kopf heben.

„Herein!“

Sven huschte schnell ins Zimmer. Flink trat er ans Bett und legte ihm eine warme, weiße Plastiktüte auf den Schoß.

„Da hast du dein Fresschen! Iss es schnell, sonst werden wir erwischt! Ich hab gesagt, ich hab für mich Essen geholt.“

Sofort bedankte Elias sich artig und packte die griechische Kalorienbombe aus, um sie in Rekordgeschwindigkeit zu verschlingen. Sven ließ sich in der Zeit von seinem Postboten bekuscheln.

Erleichtert und mit Fettverschmierten Lippen lehnte Elias sich schließlich zurück ins Bett und seufzte zufrieden.

„Oh Mann. Das hab ich jetzt richtig gebraucht! Danke! Jetzt fühl ich mich wieder wie ein halber Mensch!“

Sven lächelte leicht. Es war das erste Lächeln seit zwei Tagen.

„Glaub aber ja nicht, dass ich dir jetzt jede Mahlzeit was vom Griechen hole, nur weil du dir für das Krankenhausessen zu fein bist!“

„Doch! Genau das glaube ich!“

Sie grinsten sich frech an.

„Dann wirst du aber fett!“

„Ach, egal! Dann lauf ich eben ein paar Mal um den Block jeden Tag, ich könnte ja deinem Maxi beim Postverteilen helfen! Das fände er bestimmt nett!“

Sven plusterte sich auf und drohte Elias mit seinem Zeigefinger.

„Du lässt deine Patschefinger von meinem Maxl!“

Max unterbrach sie lachend und kitzelte Sven auf seinem Schoß ordentlich durch, so dass der regelrecht zu japsen begann wie ein kleiner Hund. Daran, dass er sich das jedoch gefallen ließ, konnte Elias erkennen, dass er endlich wieder mal gute Laune hatte. Und das hob seine Laune ebenfalls.

„Ach ja! Apropos Post verteilen! Ich hab eure Post mitgebracht. Zwei Briefe für Svenne und einen für Eli.“

Immer noch mit einem Schmunzeln auf den Lippen nahm Elias den Brief entgegen, den Maxes der Götterbote gerade aus einer Tasche seiner Jacke genommen hatte.

Es war ein dünner Briefumschlag aus feinem Papier. Mit schwungvoller, schwarzer Schrift stand Elias’ Anschrift auf dem Brief. Diese Schrift. Es kam ihm vor, als hätte er sie schon einmal gesehen.

Die runden, immer gleichgroßen Bögen, die geraden Striche, der Schwung. Es sah perfekt aus, so als hätte jemand Stunden an diesen wenigen Zeilen gesessen, andererseits sahen die Buchstaben so locker aus, als hätte man Sie mit Selbstsicherheit und Elan, ohne öfter als nötig abzusetzen auf das Papier gebracht. Es wirkte einfach nur perfekt.

Und diese Perfektion verursachte ein ungutes Gefühl in Elias’ Magen. Ein Gefühl, als würde jemand in seinen Eingeweiden herumrühren, erst ganz langsam, beinahe bedächtig, doch dann immer schneller werdend, immer tiefer grabend. Mit einem großen Pürierstab.

Ihm wurde schlecht, kotzübel.

„Eli…? Was ist denn?!“

Elias ignorierte Svens beunruhigte Frage und konzentrierte sich auf die Frage, die er sich innerlich selbst kaum traute zu fragen. Konnte es sein, dass es…?

Erst als er den Brief in seinen Fingern umdrehte, bemerkte er, dass seine Hände leicht zitterten. Er hielt den Atem an.

Die wunderschöne, exakte Schrift ließ sich auch auf der Rückseite des Briefes finden. Der Absender.

Herr Kyohei Yamura.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Vampire-Hero
2008-12-10T10:14:39+00:00 10.12.2008 11:14
das Schicksal will Elias anscheinend auf eine Probe stellen, denn kaum lenkt er sich mit seinen Gedanken ab und schwelgt woanders, als ein Brief von einer ganz bestimmten Person ihn wieder in die bittere Realität holt, die ihm nicht wirklich gefällt. Super einwurf, bin mal gespannt was er dem Süßen schreibt ^_^ obwohl... eigentlich weiß ich es ja schon **lach**

LG
Vampire


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