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Einzelposting: Eure Meinung ! !


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Von:   abgemeldet 06.01.2007 02:30
Betreff: Eure Meinung ! ! [Antworten]
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Ich war im Vorfeld sehr gespannt auf den Manga: Zeichnerisch mal was anderes als die üblichen Kulleraugen-Modepüppis, versprach es vor allem auch inhaltlich interessant zu werden (wobei der Klappentext sich ja reichlich gestelzt liest - "authentische Äußerungen aus Internetforen" ... "dramaturgisch bearbeitet" ... klang für micht etwas affektiert und überambitioniert).

Im Endeffekt habe ich den Manga dann beim Lesen auch genau so empfunden: Die Zeichnungen sind wirklich sehr gelungen. Positiv finde ich neben dem erwachsenen Charakterdesign, dass versucht wird die Umgebung/den Hintergrund mit einzubeziehen, dass man aber auch mal bewusst schwarze oder weiße Flächen wirken lässt, anstatt alles bis in die letzte Ecke mit Rasterfolien oder Symbolen vollzuklatschen. Wie erwähnt haben die Autoren ja auch viele kleine Details eingebaut, die man oft erst auf den zweiten Blick entdeckt. Zwar habe ich mit Visual-Kei wirklich nichts am Hut und kann mit diesen Kleinigkeiten sicher nicht so viel anfangen wie ein Fan der Szene, trotzdem kommt für mich dadurch eine ganz bestimmte Atmosphäre, ein ganz bestimmter Lifestyle rüber. Negativ bleibt für mich vom zeichnerischen Aspekt her nur, dass die wenigen weiblichen Charaktere wirklich absolut gruselig aussehen! Außerdem haben die Figuren etwas zu oft den gleichen ernsthaft-nichtssagenden Gesichtsausdruck.

Von der Story war ich leider nicht ganz so begeistert. Zwar steckt da weit mehr Substanz drinnen, als in den meisten anderen heimischen Produktionen, trotzdem hatte ich mir mehr davon versprochen. Für mich kommt z.B. nicht wirklich rüber, warum die Hauptperson Kaito so ein unerschütterliches "ich-bin-ja-so-anders-und-keiner-versteht-mich"-Gehabe an den Tag legt: Er hat Freunde, die gerne an seinem Leben teilhaben möchten und ihm ihre Untstützung anbieten, die er aber von vorneherein auf recht aggressive Weise abblockt und als lästig bezeichnet. Weiterhin ist Kaito ein etabliertes Mitglied der ihn umgebenden Visual-Szene, wo er in all seiner paradiesvogelartigen Erscheinung ja nun wirklich nicht als besonders "anders" aus dem Rahmen fällt. Selbst seine Schule scheint mit punkigen Schuluniformen und Cowboystiefel-tragenden Lehrern ja recht liberal und modern zu sein. Woher kommt also all diese Ablehnung, dieses Sich-unverstanden-fühlen und die Aggression? Allein das er Probleme mit den Eltern hat (1. wer hat die als Jugendlicher nicht? 2. Bei seinem Benehmen ist dass alles andere als verwunderlich.) und mal auf der Straße angepöbelt wurde, reicht für mich nicht aus um eine derartige Haltung zu entwickeln. Da stecken für mich schon eher ernsthafte psychische Probleme (verbunden mit Drogenmissbrauch etc.) dahinter. Aber darauf geht die Geschichte garnicht ein. Statt dessen ergeht sich die Hauptperson in düster-vergrämten Philosophierereien, die ab einem gewissen Punkt eher nervig als aufschlussreich und - ebenso wie Kaitos Handlungen - auch nicht mehr wirklich nachvollziehbar sind.

Als dann der Lehrer Ren Ando langsam mehr Raum in der Geschichte einnimmt, hört bei mir das Verständnis endgültig auf. Als Leser habe ich Ren von Beginn an als negativ empfunden: Ein verheirateter Lehrer entwickelt eine totale (sexuell orientierte) Besessenheit für einen seiner Schüler und versucht sich diesem in eindeutiger Absicht zu nähern indem er Interesse an dessen Leben heuchelt. Der Schüler stößt zwar sein gesamtes Umfeld (welches zum Teil wirkliches Interesse an seinen Problemen zeigt) von sich und verkriecht sich lieber in depressive Anwandlungen - auf die äußerst plumpen und durchschaubaren Annäherungsversuche seines Lehrers (!!) geht er aber nach kurzem Zögern ein. Genau so stellt sich mir die Situation dar, und genau aus diesem Grund ist die weitere Darstellung des Geschehens für mich schwer zu begreifen. Mal davon abgesehen, dass man so eine Lehrer/Schüler-Konstellation eher in die Yaoi-Klischeekiste einmotten sollte anstatt sie einem ernst gemeinten Drama zugrunde zu legen. Hier wandelt sich eine Geschichte, die zunächst eindeutig und ernsthaft einen sich anbahnenden Missbrauch zu beschreiben scheint, in eine äußerst fragwürdige Love-Story. Ich persönlich finde diese Entwicklung der Handlung sowie die verklärende Darstellung derselben wirklich völlig daneben.

Generell hätte der Geschichte eine etwas ausführlichere Erzählweise gutgetan. Dann wäre die eigenwillige Entwicklung der Story vielleicht auch besser nachvollziehbar. Aber dieser Kürze liegt sehr wahrscheinlich das Bestreben des Verlages zugrunde, erstmal die Reaktion der Leser mit einem Einzelband anzutesten, also kann man das wohl nicht wirklich den Autoren zuschieben.

Die allgemeine "Japanophilie" deutscher Zeichner wird mit diesem Band sicherlich auf ihre bisherige Spitze getrieben: Neben der obligatorischen japanischen Leserichtung und einer Ansiedlung der Story im japanischen Kulturkreis sind sogar Textauszüge in Japanisch gehalten. Fragt sich, ob das unbedingt sein muss, und ob dies der Geschichte überhaupt gut tut. Einem deutschen/westlichen Publikum würde es möglicherweise leichter fallen, die Probleme eines Jugendlichen nachzuvollziehen, der in einem ähnlichen, westlich geprägten Umfeld aufgewachsen ist. Und der durch seine Zugehörigkeit zur Visual-Szene somit erst recht eine gewisse Außenseiter-Position einnehmen würde (anstatt sich das nur einzureden). Man stelle sich nur mal vor, die Hauptperson würde in irgend einem konservativen deutschen Provinz-Kaff leben! Da würde ihre ganze Lebenssituation und daraus resultierende Geisteshaltung gleich wesentlich nachvollziehbarer und es gäbe sicherlich etliche Leser, die sich voll und ganz damit identifizieren könnten. Zudem wird für mich durch die zwanghafte "Japanisierung" die vielgepriesene Authentiziät in Frage gestellt, denn inwiefern die geschilderte Handlung abseits von Kimonos, Stäbchen und Schuluniformen wirklich authentisch japanisch ist, kann der westliche Otto-Normal-Leser leider kaum nachvollziehen.

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