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Einzelposting: Gemeinwohl-Ökonomie vs Kapitalismus


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Von:    Orion-kun 19.12.2017 16:13
Betreff: Gemeinwohl-Ökonomie vs Kapitalismus [Antworten]
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Erstmal zu meiner Person: Ich verorte mich politisch sehr links und würde mich als Kommunisten bezeichnen. Habe die Diskussion hier nicht verfolgt, aber nehme deine Aussagen mal als Anknüpfungspunkt und kurze Zusammenfassung.

"Um es etwas spitz und sehr verknappt auf den Punkt zu bringen, wenn ein System mir glauben machen will, dass es funktioniert weil im Kern alle Menschen gut und willens sind zu arbeiten, dann halte ich das für unrealistischer, als wenn man mir erzählt, dass ein System funktioniert weil der individuelle Egoismus im Kern allen Handels steht."

Kein Marxist ist der Auffassung, dass alle Menschen "gut" sind. Ein Kommunist vertritt eine historisch-materialistische Geschichtsauffassung, die prinzipiell nicht idealistisch ist (ob positiv oder negativ). Im Gegenteil, der Idealismus ist das genaue Gegenteil der materialistischen Weltanschauung. Um es kurz zu machen: Kommunist*innen oder die Befürworter*innen einer auf Gemeinwohl und Solidarität basierenden Wirtschaftssystem sind keinesfalls der Aufassung, dass alle Menschen "gut" seien. Das sind keine Kategorien, mit denen man (sozial)wissenschaftlich arbeiten könne. Rousseau wird dahingehend auch etwas vereinfacht. Wir behaupten, dass die typischen Verhaltensweisen des Menschen sich aus den gesellschaftlichen Umständen selbst ergeben, in der das Individuum (unfreiwillig) hineingeboren wird und iwie auskommen muss. Durch Werte, Normen und ökonomische Verhältnisse werden gewisse Verhaltensweisen nicht nur ideologisch befürwortet, sondern ergeben sich selbst aus der Gesellschaft. Heißt: Wer im Kapitalismus nicht auf seinen eigenen Erfolg und Gewinn bedacht ist, wird unweigerlich zu einem "Verlierer" dieser Gesellschaft. Sei es im "Kampf" um den Studienplatz, der Stelle, dem Aufstieg im Unternehmen. Überall stehen wir in Konkurrenz. Das Bedachtsein auf den eigenen Vorteil ist kein Produkt aus einer, aus unserer Sicht, fiktiven menschlichen Natur, sondern ergibt aus der gesellschaftlichen Realtität und den Alltag selbst. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir einen gesunden Egoismus ablehnen. Es ist gut, dass der Menschen primär auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, nur sehen wir darin kein Widerspruch zum Kollektivismus. Wenn die Verhältnisse kollektives gemeinnütziges Verhalten AUCH FÜR DEN Einzelnen erkennbar begünstigen und Vorteile bringen, so behaupten wir, dass das Individuum sein Verhalten anpasst, wie er es auch im Feudalismus, in der Sklavengesellschaft, im Kapitalismus und schließlich im Kommunismus wird tun können und müssen.

"Am Ende ist ein überstülpen eines gemeinnützigen Wirtschaftsmodelle mit gedeckelten Anreizen sehr nahe am Sozialismus der DDR."

Der Realsozialismus ist ein anderes Gebiet, das in Diskussionen dieser Art oft vermischt wird. Die größten Kritiker*innen des Realsozialismus waren Kommunist*innen selbst, aber abgesehen davon, ist es fraglich, ob man die Verwerfnisse dieses System monokausal ideologisch deuten kann. Geschichte ist komplexer als zu sagen, der Sozialismus ist gescheitert, weil es Sozialismus war und menschliche Natur and shit. Um dies nicht weiter auszuführen und auf den Punkt kommen zu wollen: das Scheitern des Realsozialismus hatte multiple Ursachen, die zum Teil selbstverständlich durch innere Faktoren bedingt war (Demokratiedefizit, Bürokratismus), aber auch zum Teil von Außen kam (Kalter Krieg, Wettkampf, Ressourcenverschwendung in Militär etc.). Das Scheitern des ersten Versuchs einer postkapitalistischen Gesellschaft ist aber mithin NICHT DER Beweis, dass erstens eine andere Form gesellschafltichen Lebens nicht möglich, und zweitens nicht notwendig wäre, vom ökologischen Aspekt einer Gesellschaft basierend auf unendlichen Wachstum und Verwertung ganz zu schweigen. Heißt: Die Widersprüche des Kapitalismus, die Karl Marx und Lenin etc. vor hundert Jahren und mehr benannt haben, sind nach wie vor da.

"Ich glaube was besser funktionieren wird ist sich politisch zu engagieren damit wir Dingen wie Umweltschutz einen klaren Wert beimessen, der die Kalkulationsgrundlage für jede unternehmerische Entscheidung sein muss."

Die "Kalkultationsgrundlage" für jedes Unternehmen ist die Kapitalakkumulation. Diese kann nicht von jedem Marktteilnehmer einfach frei bestimmt werden, weil sie systemimmanent ist.

"in weiterer Punkt ist aus meiner Sicht, dass viele, die Mehrheit oder am besten alle davon zu überzeugen, dass Umweltschutz wichtig ist."

Die Umweltproblematik ist noch ein riesiges Fass was du aufmachst, dabei ergaben und erbeben sich diese seit je her mit der Industrialisierung selbst und dem Vewertungscharakter der Waren produzierenden Gesellschaft selbst, heißt: die Umwelt als Ganzes kann erst nachhaltig geschützt werden, wenn nicht die Kapitalakkumulation und konkurrierende, den Fortschritt behindernde Einzelinteressen einiger weniger Gruppen von Menschen, die Kapitalmacht haben, die Einsicht in die Notwendigkeit in den Umweltschutz als globales Bedürfnis behindern, weil der Kapitalismus selbst ein Bedürfnis hat sich selbst zu reproduzieren, sondern die Menschen selbst kollektiv und demokratisch sich selbst die Prioritäten der Art und Weise der Produktion setzen, welche die Vorraussetzungen hat, dass sie sich die Produktionsmittel zu eigen machen (bei Interesse bzw. auf Anfrage kann ich hier auch Artikel verlinken, die den Klimawandel etc. als kapitalistischen Widerspruch aufzeigen und nur postkapitalistische, über bestehende Gedankenkonstruke hinausgehende Alternativen diese lösen können). Die sperrlich vorrankommenden Entwicklungen von Umweltschutz und Co. ist ebenfalls eine aus dem Markt kommende, da der Umweltschutz aufgrund des kapitalistischen Widerspruchs gesamtgesellschaftliche Relevanz bekommen (für viele im Globalen Süden auch eine existenzielle Bedrohung darstellt) und die Automobil Konzerne wissen, dass sie iwann auf fossile Brennstoffe umsteigen müssen, primär nicht weil es dahingehend ein öffentliches Interesse gibt (denn es werden sich immer Menschen finden die weiterhin Diesel fahren, wenn der Preis stimmt), sondern fossile Brennstoffe auf Dauer keine "sichere" Ressource darstellen, in der man dauerhafte und sichere Spekulationen und Investionen tätigen könnte platt ausgedrückt.

"Am Ende ist gerade politische Meinung immer etwas vollkommen subjektives und du / ihr seid natürlich eingeladen das anders zu sehen."

Absolute Zustimmung!
"Some things can only be expressed and shared by fighting... such as how serious you are about something."
- Yuuki (SAO)

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