Die Vase
Auf die Frage, die sie ihm stellte,ob es denn Spaß mache, einem Wesen ganz und gar zu verfallen, fand er keine Antwort.
Die Frage kam unerwartet, wirkte jedoch vertraut.
Sie sagte:
"Sieh da, die Vase dort auf dem Tisch. Sie ist rein und so ganz und gar makellos in ihrer Schlichtheit. Weil sie nicht aus Glas, sondern aus Ton ist, weckt sie keine Sehnsüchte.
Man mag sie anschauen, und es ist angenehm.
Aber darüber nachdenken mag man nicht, man denkt überhaupt nicht nach, wenn man sie anschaut, denn sie ist ja nur schmückendes Beiwerk."
Er nahm den Sinn ihrer Worte wahr,
jedoch wusste er immer noch nichts damit anzufangen.
Sie aber nahm die Vase und ließ sie auf den Boden fallen, doch nur so, dass sie gerade einen großen Kracks bekam und ein Stück herausbrach.
"Siehst du", sagte sie, indem sie die Vase wieder aufhob und nun in ihrer vorherigen Position wieder auf dem Tisch drapierte, "jetzt ist ein Fehlker in ihrer Makellosigkeit.
Man schaut sie an und sie wird plötzlich interessant und man muss über darüber nachdenken.
Zum ersten Mal nimmt man die Vase richtig wahr, und sie bekommt mehr Bedeutung; eine Seele bekommt sie."
Damit ging sie aus dem Raum.
Er starrte die Vase an, mit ihrem roten Ton an den Kanten des herausgebrochenen Stücks, die nun im Vergleich mit dem Rest der blauen Vase aussahen wie Wunden.
Sie hatte Recht.
