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Besiegte. Sieger

Kapitel 01 - Besiegte. Sieger
 

Sirenen heulten durch die Nacht. Der Bloody Tower stand in Flammen.

Integra starrte in den flammendroten Himmel.

Vorbei. Es war vorbei. Einfach alles war vorbei.

Irgendwo brachen glühende Dachbalken zusammen, wieder stürzte ein Gebäudeteil in sich zusammen. Seras hatte sie gerade noch rechtzeitig aus dem brennenden Tower gerettet - fast wünschte Integra, ihr wäre das nicht gelungen. Dann läge sie jetzt unter den brennenden Trümmern. Und hätte ihre Ruhe.

Alucard hatte Incognito besiegt.

Doch bei allem, was in dieser Nacht geschehen war, wurde das fast zur Nebensache.

Der zerstörte Tower - man würde sie und die Hellsing-Organisation zur Verantwortung ziehen. Der Tower war umzingelt von Kamera-Teams und Reportern; in sämtlichen Nachrichtensendungen und Zeitungen würde morgen von der Hellsing-Organisation die Rede sein. Integra ballte die Fäuste.

Immer und immer wieder hatte ihr Vater ihr gepredigt, dass die Hellsing-Organisation im Verborgenen wirken müsse. Noch vor wenigen Stunden hatten die beiden königlichen Gesandten ihr einen handschriftlichen Brief überbracht, in der die Königin ihr, Integra, und der Hellsing-Organisation ihr Vertrauen und ihre Solidarität zusicherte. Sie hatte den Brief verbrennen müssen, natürlich.

Aber jetzt - wie würde die Königin auf diese Vorkommnisse reagieren? Ohne die Unterstützung der Regierung wäre die Hellsing-Organisation am Ende. Sicher, mit dem Vermögen, das sie von ihrem Vater geerbt hatte, könnte sie die Organisation weiterführen - zumindest für kurze Zeit. Ghouls vernichten und damit dem Leitsatz der Hellsings treu bleiben... Aber ohne die Unterstützung hätten sie keine Einnahmen, nur Ausgaben. Die Personal- und Materialkosten waren immens. Das Ende der Organisation wäre nur eine Frage weniger Monate...

Und Fargason... Wahrscheinlich hatte er sich immer gewünscht, im Kampf für die Organisation zu sterben, und trotzdem... Mit 17 Jahren hatte sie bei ihm die Grundausbildung absolviert. Sie hatte selbst erleben wollen, wie die Hellsing-Rekruten ausgebildet wurden. Fargason verlangte viel von den Rekruten - und doch blieb er immer fair, geduldig und menschlich und erreichte damit wahrscheinlich viel mehr, als hätte er rumgebrüllt. Das hatte Integra sehr imponiert. Im Gegenzug hatte sie (ohne es zu wissen) auch Fargason und ihre Mit-Rekruten beeindruckt - ein derart dickköpfiges, zähes und wild entschlossenes 17jähriges Mädchen hatten sie nie erlebt. Die allgemeinen Lästereien, dass ein Teenager eine Organisation wie diese leitete, hatten damals schlagartig geendet.

Integra biss sich auf die Lippen. Fargason war für sie wie ein zweiter Vater gewesen...nein. Eher... wie ein dritter Vater. Zweit-Vater - das war jemand anders.

Sie starrte zu dem Gebäude hinüber, hinter dem der Hubschrauber abgestürzt war. Das brennende Gebäude verschwamm vor ihren Augen. Walter...

Trotz des Feuers überall wurde ihr kalt. So kalt, dass sie glaubte, nie wieder so etwas wie Wärme empfinden zu können. Solange sie denken konnte, war Walter da gewesen. Wenn sie doch nur mal "danke für alles" gesagt hätte... Jetzt war es zu spät.

Oder?

'Verdammt', dachte sie verzweifelt, 'ich muss doch spüren, ob er noch lebt oder nicht.'

Sie schloss die Augen und fühlte - nichts. Gar nichts. Es war vorbei. Sie hatte alles verloren.
 

Hinter ihr im Gras raschelten Schritte. Schritte von zwei Paar schweren Stiefeln.

Integra öffnete ihre Augen wieder. Nein, sie hatte nicht alles verloren - sie waren noch da. "Unsere beiden Rotaugen", wie Walter sie im Scherz immer genannt hatte.

"Seras?" sagte Integra. "Danke."

"Oh, ähm - schon OK, Lady Integra. Also, wir sollten jetzt von hier verschwinden. Lady Integra", sagte Seras.

"Das solltet ihr unbedingt", antwortete Integra. "Ich kann hier allerdings nicht weg..."

"Du kannst, Master", sagte eine dunkle Stimme. Integra erschauerte.

"Du weißt", fuhr die dunkle Stimme fort, "wenn du ein Wesen der Nacht wärst..."

Integra fuhr herum. Alucard stand dichter hinter ihr, als sie erwartet hatte. Sie trat einen Schritt zurück.

"Ich bin kein Wesen der Nacht! Und ich will keins werden!"

"Eines Nachts vielleicht doch..."

"...aber diese Nacht ist nicht heute. Und morgen auch nicht. Und jetzt geht, alle beide."

Seras verstand - was häufiger vorkam - nichts. Sie warf Alucard einen fragenden Blick zu.

Der betrachtete Integra. Amüsiert, aber auch anerkennend. Integra und ihr verdammter Stolz. Selbst jetzt - in ihrem zerfetzten Anzug, zerzaust, verletzt - stand sie aufrecht, mit geballten Fäusten. Die Unbeugsamkeit in Person. Aber sie hatte wohl recht. Das war jetzt wirklich nicht der richtige Moment... Er stellte sich das irgendwie... feierlicher vor. Eine Art Zeremonie.
 

Integra lauschte. Sie kreisten sie ein - wie sie erwartet hatte. Sie drehte sich zu Alucard und Celas um. "Was ist denn noch?" zischte sie. "Hier bricht jeden Moment die Hölle los."

"Die Hölle...", murmelte Alucard, "dann bin ich hier ja richtig... ist ja gut! Wir sind schon weg. Fräulein Polizistin - Abmarsch. Ruf mich, wenn du mich brauchst, my Master."

Die beiden Vampire verschwanden in der Dunkelheit.

Integra lächelte bitter. 'Wahrscheinlich brauch ich dich nie wieder...', dachte sie. Und verstand nicht, warum ihre unendliche Traurigkeit und diese ausweglose Verzweiflung auf einmal noch unendlicher und auswegloser wurden.
 

Seras fühlte wie Alucard sie am Kragen packte und durch die Schatten zerrte, immer weiter weg von Lady Integra.

"Können wir denn echt gar nichts für sie tun?" fragte Seras, während sie neben ihm herstolperte.

"Im Moment nicht." Alucard blieb stehen und drückte sich in eine Mauernische. "Geh in Deckung, Fräulein Polizistin." Seras huschte hinter den nächsten Mauervorsprung.

Im selben Moment flammten Scheinwerfer auf und tauchten alles in gleißendes Licht.

Die Scheinwerfer waren alle auf Lady Integra gerichtet. Zum Schutz vor dem Licht hatte sie den linken Handrücken vor ihre Augen gelegt.

"Lady Wingates-Hellsing", ertönte eine blecherne Lautsprecherstimme, "heben sie beide Arme über den Kopf. Sie sind festgenommen."
 

Eine Stunde später.

Die Löscharbeiten am Bloody Tower dauerten noch an. Die Polizeiwagen waren größtenteils verschwunden. In einem von ihnen hatte man Integra weggefahren.

Einige der Scheinwerfer wurden bereits abgebaut, die Flammen wurden allmählich kleiner, Dunkelheit senkte sich herab.

In einer Mauernische an einem unbeschädigten Teil des Bloody Towers lehnte Alucard und starrte aus rotglühenden Augenschlitzen auf die Stelle, an der Integra festgenommen worden war.

In der Mauernische daneben hockte eine reichlich entnervte Seras und fragte sich, wie lange sie noch hier bleiben würden...
 

In einem Londoner Krankenhaus.

Benjamin Scott war nun seit fünf Jahren bei der Londoner Polizei und hatte schon einige Verhaftungen miterlebt, aber diese war irgendwie anders.

Nervös hielt er sich an seiner MG fest. "Akute Fluchtgefahr!" hieß es.

Er betrachtete die Frau ihm gegenüber. Sie saß auf einer Behandlungsliege. Sie hatten ihr eine Wolldecke um den Oberkörper gelegt, so dass Scott nur ihre Beine (beide Füße waren fest auf den Fußboden gestemmt) und den Kopf und eine Hand, die die Wolldecke zusammenhielt, sehen konnte. Im "Normalzustand" musste die Gute eine ziemliche, wenn auch etwas herbe, Schönheit sein - mit ihrem irgendwie goldbronzenen Teint und dem hellblonden, fast weißen langen Haar. Gesicht und Haare waren im Augenblick allerdings mit Ruß bedeckt. In ihrem rußig-staubigen Gesicht wirkten ihre unfassbar blauen Augen auf den Betrachter fast wie ein Schock. Doch jetzt hielt sie den Blick gesenkt und starrte auf ihre Schuhe.

Lady Integra Wingates-Hellsing. Eine Adlige. Und Leiterin der sogenannten Hellsing-Organisation, irgendwie ein ganz mysteriöser Laden. Niemand wusste, was genau im Bloody Tower geschehen war, die Untersuchungen waren noch lange nicht abgeschlossen. Doch die Geschehnisse wurden mit einigen anderen merkwürdigen Ereignissen in Verbindung gebracht, die in letzter Zeit in Großbritannien vor sich gegangen waren.

Vor Gericht würde ihr eine Menge vorgeworfen werden... Fast tat ihm die Frau ein bisschen leid. Ihre Lippen, zu einem schmalen Strich zusammengekniffen. Zwischen ihren hellen Augenbrauen eine steile Falte. 'Wahrscheinlich hat sie Schmerzen', dachte er. Als er sie in diesen Raum geführt hatte, hatte sie gehinkt und auf ihrem zum Teil zerrissenen weißen Hemd hatte er Blut gesehen. Und so lethargisch, wie sie vor sich hin starrte, stand sie vermutlich auch noch unter Schock. Nach der Behandlung im Krankenhaus sollte sie jedoch sofort und direkt in ihre Zelle gebracht werden.

Der Arzt ließ auf sich warten.

Durch die halb offene Zimmertür konnte er die Ärzte und Schwestern auf dem Flur herumlaufen sehen. Beim Brand des Bloody Tower hatte es viele Verletzte gegeben; die Ärzte hier hatten alle Hände voll zu tun. Seine Hände, die die ungewohnte MG hielten, schwitzten. Scott wischte sie an seinen Hosenbeinen ab. Diese Lady Hellsing machte ihn nervös; allein mit der Art, wie sie völlig reglos da saß. Woran dachte sie wohl?
 

Genaugenommen dachte Integra an nichts. In ihrem Kopf herrschte dumpfe, leere Verzweiflung. Die totale Kapitulation.

Es tut mir leid, Vater. Alucard. Walter. Seras. Fargason. Ihr alle, die ihr das Hellsing-Wappen auf eurer Uniform tragt.Sie nahm kaum wahr, was um sie herum geschah. Die Stimmen und das Gerenne draußen im Flur, der arme Kerl, der da neben der Tür stand und auf sie aufpassen sollte und völlig überfordert wirkte - das alles kam ihr vor wie ein Traum. Wie ein Traum von jemand anderem.

Die Tür wurde weiter geöffnet, ein zweiter Polizist schaute herein. "Alles in Ordnung, Scott?" fragte er.

"Jaja", sagte Scott. Der zweite Polizist warf einen Blick auf Integra und wollte sich wieder zurückziehen. Dabei stieß er noch fast in der Türöffnung mit zwei Krankenschwestern zusammen, die - eine nach links, eine nach rechts - an ihm vorbeihasten wollten. Der kleine Tumult ließ Integra kurz aus ihrer dumpfen Lethargie aufschrecken.

"Du auch zur Not-OP in 042?" fragte die eine Schwester.

"Nein", sagte die andere, "ich muss die Bluttransfusion vorbereiten für Mr Cum D... Ddoll...neazz in 017." Beide hasteten weiter.

Wäre Scott nicht gerade wieder damit beschäftigt gewesen, seine Hände an den Hosenbeinen abzuwischen, hätte er gesehen, wie Integra zusammenzuckte.

Walter...

Walter war hier und wenn er eine Bluttransfusion erhalten sollte, hieß das, dass er noch lebte. Noch.

Sie musste ihn sehen, musste sehen, wie es ihm ging.
 

Scott blickte auf seine Uhr. Jetzt waren sie schon seit fast eineinhalb Stunden hier, diese Lady Hellsing und er. Noch immer war kein Arzt bei ihr gewesen.

Eine Bewegung - instinktiv umklammerte er die MG fester und sah Lady Hellsing an.

Aber ihr war bloß die Wolldecke von den Schultern gerutscht und auf den Boden gefallen. Fast erschrocken starrte sie auf die Decke zu ihren Füßen. Dann sah sie ihm in die Augen, ein kaum wahrnehmbares Lächeln auf den Lippen, als wollte sie sich entschuldigen. Diese unglaublich blauen Augen, ihr rußiges, blutverschmiertes, zerrissenes Hemd - sie tat ihm leid.

"Moment, bitte", sagte er, ging zu ihr, und hockte sich neben die Decke. Mit einer Hand (mit der anderen hielt er noch immer die MG) versuchte er, die Decke zusammenzuraffen, um sie ihr wiederzugeben.

Bevor er überhaupt begriff, wie ihm geschah, war sie aufgesprungen und versetzte ihm einen kräftigen Tritt. Scott verlor das Gleichgewicht und fiel der Länge nach hin. Auch die MG erhielt einen Tritt - das Gewehr landete unter dem Medikamenten-Schrank und Integra stürmte hinaus.

"Halt!" rief der Polizist, der im Flur Wache stand. Sofort waren drei Waffen auf sie gerichtet.

'Wie viele Polizisten haben die zu meiner Bewachung hier abgestellt?' dachte Integra. 'Zehn? Zwölf? Meine Güte, was fühle ich mich geehrt...' Sie rannte los.

"Stehen bleiben!" schrie einer der Polizisten. "Nicht schießen!" schrie ein anderer.

"Haltet sie!"

Innerhalb weniger Augenblicke herrschte Chaos auf dem Krankenhausflur. Ärzte, Krankenschwestern, Sanitäter und Pfleger die aufgrund des Geschreis irritiert auf den Flur gerannt kamen, dazwischen Polizisten, die sich gegenseitig Befehle zubrüllten und versuchten, Integra aufzuhalten.

Integra rannte den Flur entlang. Rücksichtslos schupste sie sich den Weg frei.

Wo, wo, wo war der Raum 017?! Hier war 029. 027 - sie rannte weiter, dort war die Eingangs-Halle, dann kam wieder ein Flur...

"Vorsicht am Ausgang!" schrie jemand. "Haltet sie, verdammt noch mal!!"

Da waren wieder drei Polizisten. Der in der Mitte stand gebeugt da, die Arme ausgebreitet - wie ein Torwart, der auf einen Elfmeter wartet, dachte Integra und hätte fast gelacht.

Werd' jetzt nicht hysterisch! Sie rannte an der Eingangshalle vorbei und sah kurz das Erstaunen auf den Gesichtern der Polizisten, als sie keine Anstalten machte, aus dem Gebäude zu rennen.

023, 021 - da vorne, das musste es sein! 017 war ein Behandlungsraum mit einem Fenster zum Flur, Integra rannte direkt darauf zu. Im letzten Moment konnte sie abbremsen, ihre Handflächen landeten krachend auf der Fensterscheibe.

Die dünnen Metall-Schalosien waren so gekippt, dass man in den Raum hineinsehen konnte.

In dem Raum stand ein einzelnes Bett, darauf lag ein Mann. Er hatte das Gesicht vom Flurfenster abgewandt. Sein Oberkörper war bandagiert wie bei einer Mumie, der linke Arm war eingegipst, und auch die rechte Hand war dick verbunden.

Außerdem hatte er einen Kopfverband. Schulterlange, dunkle Haarsträhnen flossen ungebändigt auf das Kissen - das obligatorische gelbe Haarband musste irgendwann in den letzten zwei Stunden abhanden gekommen sein...

Der Mann hatte die Augen geschlossen.

"Walter!" schrie Integra und hämmerte mit beiden Handflächen gegen die Fensterscheibe. "Walter!"

Walter öffnete die Augen und wandte den Kopf zum Fenster. Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. Er hob die rechte Hand so weit es ihm möglich war und versuchte, mit Zeigefinger und Mittelfinger ein Victory-Zeichen zu formen. Als das wegen des dicken Verbands nicht recht gelang, grinste er Integra verlegen zu.

Tränen hinterließen helle Spuren in Integras rußigem Gesicht, als sie Walters Lächeln erwiderte.

Dann packte jemand von hinten ihre Arme und drehte sie ihr auf den Rücken.

"So, Verehrteste, das versuchen wir nicht noch mal!" kläffte der Polizist, der sie nun von dem Fenster wegzerrte.

"Da kann ich sie beruhigen", antwortete Integra würdevoll.

Vollkommen ruhig ließ sie sich durch die Reihen schwer bewaffneter Polizisten (und perplexer Ärzte und Krankenschwestern) abführen, mit dem aufrechten Gang einer Königin.

Noch war nichts verloren. Sie hatte Alucard und Walter. (Na gut, und Seras...)

Die tragenden Säulen der Hellsing-Organisation waren noch immer intakt. Sie würde kämpfen.

Hellsing ist noch lange nicht am Ende!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: GLaDo
2004-12-13T20:16:43+00:00 13.12.2004 21:16
Ich bin richtig gespannt. lese sofort weiter
Von: abgemeldet
2004-06-18T21:15:01+00:00 18.06.2004 23:15
Es ist super und du solltest auf jeden Fall weiter schreiben. Frag mich bitte nicht warum aber ich habe geheult beim lesen...
Ich werde zu alt für diese ganzen Schicksalsschläge und willensstarken Frauen, glaube ich... ^_^


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