Zum Inhalt der Seite

Maybe...

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Memories IV - Maxwell und das Protestanten-Biest

Ich möchte mich wieder aufs allerherzlichste bei allen Kommentarschreibern bedanken! Das sind: amy_k, MicaAurel, JaeckyChan, das-schrecken, Yoela, Nex_Caedes, Marishka, Yusuka_Chan und Nerissa, (waaaaah - die Empfehlung, ihr drei Süßen!!!!! *im-Kreis-renn*), Saiyama, Kaen, Cherry10001, new integra-chan, VeggieGirl, kiddo-chan, black-snow, , Xell, Integra-sama und Brazi.

DANKE!

Ihr Lieben, es ist mal wieder so weit - ein neues Maybe...-Kapitel ist am Start! *Schweiß-abtupf* Es tut mir leid, wenn ihr warten musstet, aber ich bin job-mäßig gerade so eingespannt und im Stress... *umkipp*

Wenn es also demnächst mal ein bisschen länger dauert mit der Fortsetzung - habt Geduld und Verständnis! *mit-weißer-Fahne-rumwedel* A little understanding! (Zitat aus "Cabaret" ^ ^ ) Es geht auf alle Fälle weiter!

GROßES Ehrenwort!

Übrigens werde ich dieser Geschichte in den nächsten Kapiteln noch zwei Wendungen / Ereignisse "verpassen", bei denen ich monstermäßig gespannt bin, wie ihr die aufnehmen und darauf reagieren werdet! *jetzt-schon-zittert*

So - mehr sag' ich jetzt nicht dazu; ihr werdet merken, was ich meine... ^ ^

Und noch etwas - die *Gedicht-Zitate, die Maxwell in diesem Kapitel zum besten gibt, stammen - glaube ich! - von Henri Becque.

----------------------------------------------------------
 

Integra war sehr zufrieden damit, wie rasch der Alltag nach Hellsing-Manor zurückgekehrt war. Selbst Walters Sorgenfalten glätteten sich zusehends. Integra ging den Pflichten ihrer leitenden Position nach wie gewohnt (abgesehen davon, dass sie neuerdings zu einer gewissen Nacht-Aktivität neigte und erst am späten Vormittag aufstand.)

Integra hatte sich bei den Knights entschuldigen lassen. Sie hatte ihr Verschwinden neulich abends damit erklärt, dass eine heftige Sommergrippe sie schachmatt gesetzt habe. Als sie die Statistiken kopierte, habe sie einen schlimmen Fieber- und Schwindelanfall erlitten. Sie habe sich per Handy ein Taxi bestellt und sei sofort nach hause gefahren und bitte vielmals um Entschuldigung. Ihre zerbrochene Brille? Oh, die musste ihr runtergefallen sein, als sie auf das Taxi wartete, vielen Dank. Sir Islands erklärte am Telefon, er sei erfreut, dass es ihr nun wieder besser ging. Doch ein gewisser argwöhnischer Unterton blieb.

Das nächste Treffen mit den Knights sollte wie gewohnt in Hellsing-Manor stattfinden. Es gab einiges vorzubereiten. Integra wusste nicht, wie viel die Knights von dem "Zwischenfall" mit Alucard, Jan Valentine und Anderson mitbekommen hatten - sie wollte daher versuchen, so "normal" wie nur möglich zu erscheinen. Walter beschaffte ihr eine Brille mit Fensterglas, ihre Augen waren ohnehin blau; Integra sah aus wie immer. Bis auf die Zähne.

Hellsing-Manor verfügte über einen kleinen Hospital-Trakt, ausgestattet mit hochmodernem medizinischen Equipment.

Zusammen mit Walter suchte Integra einen der Behandlungsräume auf und befahl ihm, ihre Fangzähne rund zu schleifen. Nachdem Walter eine Weile höflich protestiert hatte, auf Integras ungeduldige Nachfrage hin aber auch keine bessere Idee hatte, tat er das schließlich.

(Zuvor hatte sich Integra mehrfach von Alucard versichern lassen, dass Fangzähne innerhalb kürzester Zeit "regenerierten", also nachwuchsen.)

Kurz vor der Versammlung strich Integra mit der Fingerspitze über ihre Zähne. Noch war alles in Ordnung, sie konnte den Knights ohne Bedenken gegenüber treten.

"Lass dich nicht provozieren", riet Walter, "du weißt, dass deine Augen dann rot werden."

"Und beiß keinen", bemerkte Alucard. "Die Knights sind schon als Menschen unerträglich. Als Ghouls stelle ich mir die komplett widerwärtig vor."

Integra seufzte. "Und", sagte sie gequält, "hat das Fräulein Polizistin auch noch einen schlauen Tipp für mich?"

Aber das Fräulein Polizistin zog es vor, keinen Tipp zu haben und schüttelte wortlos den Kopf. Integra ging.

"Ich verstehe nicht", sagte Seras, "wieso sie blaue Augen hat. Ich hätte meine blauen Augen auch gern behalten!"

Walter zuckte mit den Schultern. "Ich habe keine Ahnung. Ich vermute, sie hat menschliche Gene oder menschliche DNA beibehalten, das mag am Blut der Hellsings liegen. Ich würde dieses Phänomen gern untersuchen, dazu müsste ich Lady Integra Blut abnehmen, aber... na ja, irgendwann vielleicht."

"Hast du sie schon gefragt?" erkundigte sich Seras.

"Nein", murmelte Walter. "Ich trau mich nicht..."

Integra begrüßte unterdessen die Knights und begegnete ihren argwöhnischen Blicken. Sie lächelte. So selbstsicher hatte sie sich noch nie gefühlt...
 

Irgendwo im Vatikan:

Pater Ronaldo betrat das riesige Büro von Enrico Maxwell. Bevor er zu sprechen begann, betrachtete er Maxwell einen Moment lang nostalgisch. Er kannte den kleinen Enrico schon als Messdiener. Der Knabe berechtigte zu den schönsten Hoffnungen und Pater Ronaldo hoffte insgeheim, seinen Schützling eines Tages als Papst zu sehen. Doch Maxwell hatte sich bereits früh für die Division Iscariot interessiert und hatte all sein Streben darauf konzentriert. Nicht ALL sein Streben, zugegeben... Pater Ronaldo seufzte innerlich. Maxwells gutes Aussehen war ein gewisses Handicap... Ihm lagen viele Frauen - und wohl auch einige Männer - zu Füßen. Wenn er sie doch nur allesamt dort liegen lassen würde! Aber nein, der dumme Bengel musste sie ja alle aufsammeln und ließ ihnen eine Aufmerksamkeit angedeihen, die mit dem Zölibat nicht konform ging...

Maxwell saß an seinem riesigen Schreibtisch und sah die Post durch. Das Eingangskörbchen quoll fast über. Maxwell war genervt. Und nun war auch noch Pater Ronaldo aufgekreuzt und räusperte sich unablässig.

"Was?" fragte Maxwell unwirsch.

"Verzeihung", sagte Pater Ronaldo, "Pater Anderson ist da. Er sagt, er hat eine wichtige Mitteilung zu machen."

"Soll reinkommen." Pater Ronaldo nickte und verließ den Raum.

Maxwell blätterte in den Briefen.

- Einladung zum Katholikentag in Berlin

- ein dänischer Professor bat um Eintritt in die Vatikanbibliothek um nach verschollenen Partituren von Antonio Vivaldi zu forschen

- eine Beschwerde der Vatikanbibliothek über die vielen Wissenschaftler die derzeit (mit Signore Maxwells Erlaubnis) in der Vatikanbibliothek ein und aus gingen

- zwei Vaterschaftsklagen

- ein Brief von Kardinal Angelotti, dem Gerüchte von diversen Vaterschaftsklagen zu Ohren gekommen waren und nun (dringend!!!) um ein persönliches Gespräch mit Signore Maxwell bat

- die (ziemlich hohe) Rechnung für den Messwein des letzten Quartals

Na, das übliche.

Die Tür öffnete sich und Anderson betrat den Raum. Mit wenigen Schritten durchquerte er den Raum.

"Signore Maxwell", sagte Anderson. "Ich habe sie umgebracht!"

"Wen hast du umgebracht?" fragte Maxwell zerstreut. Zwei Vaterschaftsklagen... Die Namen der Frauen sagten ihm gar nichts. Er sollte sich wirklich angewöhnen, wenigstens hinterher nach dem Namen zu fragen...

"Lady Hellsing!"

Er horchte auf. "Was ist mit Lady Hellsing?"

"Ich hab sie umgebracht!"

Maxwell starrte Anderson an. "Du hast WAS?"

Anderson stand da, mit gefletschten Zähnen. Maxwell wusste - das sollte ein Lächeln sein. Jetzt erwartete er womöglich auch noch Lob.

"Anderson...", stammelte Maxwell (Madre santissima, warum war es ihm nicht möglich, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen!?) "warum? Also... ich meine, bravo, Anderson! Bravo! Obwohl du keine Order dafür hattest..."

"Es ergab sich so", grinste Anderson.

"Ah." Maxwell versuchte ebenfalls zu grinsen. Er stand auf und sah aus dem Fenster.

Anderson sah sich fragend nach Pater Ronaldo um. Der zuckte ratlos mit den Schultern.

"Verehrte Lady Hellsing", murmelte Maxwell, "nun bist du also in den ewigen Jagdgründen."

"Sie ist in der Hölle", verkündete Pater Ronaldo mit Genugtuung.

Maxwell legte den Kopf in den Nacken: "Es ist mir nichts von ihr geblieben, Kein Lockenband, das halb verblich, Kein Bild - kein Brief, den sie geschrieben; ich hasste sie, sie hasste mich." *

Anderson und Pater Ronaldo wechselten einen betretenen Blick.

"Signore, hab ich was falsch gemacht?" fragte Anderson bestürzt.

"Nein, es ist nur... man gewöhnt sich auch irgendwie an seine Feinde...", Maxwell lächelte. "Und jetzt raus! Raus mit euch!" Er machte Handbewegungen, als wollte er ein paar Hühner verscheuchen. Als Anderson und Pater Ronaldo verschwunden waren, setzte er sich zurück in seinen eleganten Ledersessel, der sanft zurückschwang.

Er hatte tatsächlich... nichts - nichts, was ihn an sie erinnerte. Aus irgendeinem Grund irritierte ihn das. Tatsächlich hatte sie ihm nie geschrieben, sie hatte immer angerufen. Maxwell hatte sich immer lebhaft vorstellen können, wie sie seine Briefe erhielt und schon über das Iscariot-Siegel wütend wurde und seine Briefe mit dem Briefmesser aufschlitzte. Um dann gleich darauf wutschnaubend zum Telefon zu greifen und ihn direkt anzufauchen.

Sicher, da waren Fotos. Fotos von einem Treffen (dem ersten und letzten...) der Iscariot-Leitung und einigen Hellsing-Leuten. Aber das war vor Integras Zeit gewesen. Nicht sie war auf diesen Fotografien zu sehen, sondern ihr Vater. Trotzdem erinnerten diese Fotos Maxwell an sein erstes Treffen mit Integra...

-------

Integra war vor wenigen Wochen 16 geworden. Und augenblicklich stand eine tiefe Sorgen-/Wut-/Ratlosigkeits-Falte zwischen ihren tiefblauen Augen. Sie hatte Walter aufgesucht und stand nun vor ihm, die Arme verschränkt. Walter, der diese spezielle Falte zwischen ihren Augen kannte, seufzte innerlich, lächelte aber geduldig.

"Nun, Integra, was hast..."

"Was ist die Division Iscariot?"

"Ach du liebe Zeit." Jetzt seufzte Walter nicht bloß innerlich, sondern ganz offiziell.

"Ich habe einige Rekruten darüber reden hören. Was ist Iscariot und wieso habe ich bis heute noch nie etwas davon gehört?"

Walter erklärte ihr, was es mit der Division Iscariot auf sich hatte. Integra hörte ernst und aufmerksam zu.

"Also, im Grunde", sagte sie, als Walter geendet hatte, "verfolgen wir doch dasselbe Ziel. Können wir uns nicht mit Iscariot zusammenschließen?"

Walter verzog das Gesicht. "Wir verfolgen zwar im Prinzip das gleiche Ziel, aber natürlich unter ganz anderen religiösen Vorzeichen. Eigentlich sind wir und Iscariot eher Konkurrenten, fast bin ich geneigt zu sagen - Feinde. Leider. Und seit dieser junge Enrico Maxwell die Leitung von Iscariot übernommen hat, ist es noch schlimmer geworden." Walter putzte sein Monokel.

"Enrico Maxwell?" Integra runzelte die Stirn. "Von dem hat Vater mir nie etwas erzählt."

Walter lächelte gequält. 'Von dem hätte ich dir am liebsten auch nie was erzählt... ', dachte er. Ein manischer Selbstbeweihräucherer, dieser Maxwell, sehr, sehr unangenehm.

"Vielleicht sollte ich mal mit ihm reden", überlegte Integra.
 

Walter war alles andere als begeistert, aber natürlich begleitete er Integra auf ihrer Reise in den Vatikan. Pater Ronaldo nahm sie in Empfang. Den kannte Walter noch - von jener Versammlung damals. Ein seltsamer Kerl; sehr fanatisch, auf seine Art. Hatte wahrscheinlich geweihtes Wasser statt Blut in den Adern. Walter und Pater Ronaldo erbrachten dem Gebot der Höflichkeit minimalste Zugeständnisse. Pater Ronaldo starrte Integra einige Augenblicke verblüfft an, dann ließ er Signore Maxwell ausrufen. Integra wartete in seinem Büro auf ihn.

Sie war sehr gespannt auf diesen Maxwell. Walter hatte ihr immer und immer wieder gesagt, sie solle ihm nicht weiter trauen, als eine Ratte spucken kann.

"Maxwell?" hatte Alucard gesagt und gelacht (sehr dreckig gelacht). Dann hatte er hinzugefügt: "Na, viel Spaß. Falls es dich tröstet - ich bin nur einen Gedanken weit weg."
 

Maxwell war nicht sehr gespannt auf dieses Treffen. "Sir Hellsing" hatte um eine Unterredung gebeten - ein ärgerlicher, überflüssiger Termin mehr. Hellsing, verdammt. Er hatte geglaubt, dieses Problem hätte sich irgendwie von selbst erledigt. Es war so lange ruhig gewesen, so dass er dachte, die hätten sich in aller Stille aufgelöst. Er hatte ein paar Fotos betrachtet - Fotos vom ersten und letzten Treffen von Iscariot und Hellsing. (Maxwell selbst war bei diesem Treffen nicht zugegen gewesen.)

Sir Hellsing... ah ja: Ein älterer Herr, groß, graublond, mit freundlichen, melancholischen, blauen Augen

Maxwell betrat den Vorraum seines Büros. Pater Ronaldo deutete an, sein Gast wäre bereits da. Und dann war da dieser Butler (der war auch auf den Fotos drauf gewesen!), der ihn mit einem Blick ansah, der ihm die Cholera an den Hals wünschte. Maxwell winkte ihm grinsend zu und betrat sein Büro. Sein Gast saß auf dem Besuchersessel. Kein älterer Herr mit freundlichen, melancholischen Augen. Ein Mädchen.

Das musste die Tochter vom Hellsing sein - die Familienähnlichkeit war nicht zu übersehen - die blauen Augen, der markante Haaransatz, die hellen Haare... Warum brachte der diese Göre mit in Maxwells Büro? Obwohl - sie war eigentlich sehr niedlich, die Göre...

Er reichte ihr die Hand und begrüßte sie. Sie erwiderte die Begrüßung ernst. Seeeehr staatsmännisch, die Kleine... dachte Maxwell und grinste spöttisch.

"Na", sagte er, "wartest du auf deinen Daddy? Ist wohl noch mal "Für Herren", was?"

Ihr Gesicht verfinsterte sich. "Er lebt nicht mehr. Wussten Sie das nicht? Interessiert Sie wohl nicht, wie?"

"Nein. Also - nein! Ich habe es nicht gewusst!" (Verdammt - wie alt waren diese Fotos?? Drei Monate? Sieben Monate?) "Es tut mir leid! Meine Güte, er war doch kürzlich noch so munter! Wann ist denn das passiert?"

Ihr Gesicht wurde noch finsterer. "Vor zweieinhalb Jahren."

"Und wer leitet Hellsing jetzt?"

"Ich."

Maxwell konnte ein Prusten nicht zurückhalten.

Ihr Gesicht - kaum zu glauben - wurde noch finsterer.

"'tschuldigung...", murmelte er.

"Keine Ursache. Sie sind nicht der erste, der so reagiert. Und wahrscheinlich nicht der letzte", sagte sie mit erhabener Eiseskälte.

Maxwell rang um Fassung. Hellsing wurde von einem Mädchen geleitet. Maxwell grölte innerlich. Das war der beste Witz seit langem. Damit war Hellsing endgültig abgeschrieben.

Trotzdem wollte er nett sein zu seinem Gast - war ja schließlich ein hübscher Gast.

Er lehnte sich zurück und legte seine Beine lässig auf die oberste, offen stehende Schublade.

"Weswegen bist du hier?" fragte er.

Und Integra sagte ihm, warum sie hier war. Sie erzählte, erklärte, referierte. Maxwell betrachtete sie belustigt. Hach, der Idealismus eines Teenagers... Aber was dieses Mädchen für Augen hatte... wie der Himmel über dem Vatikan an einem herrlichen Sommertag. Und ihre Stimme war interessant: Die Stimme hatte sich noch nicht entschieden, ob sie einem Mädchen oder einem Jungen gehörte. Sie lag, dunkel und abgründig, genau in der Mitte. Der restliche Körper hatte sich sehr wohl entschieden, dass er zu einem Mädchen gehörte, und zu was für einem... Maxwell lockerte seinen Kragen.

"...unser langfristiges Ziel", sagte Integra, "muss eine europaweite Vernetzung im Kampf gegen Vampire und Ghouls sein, über alle Glaubensbarrieren hinweg. Hören Sie mir überhaupt zu?"

Maxwell hatte natürlich nicht zugehört. Keine drei Sekunden lang. Also versuchte er nun, ganz andere Thema anzusprechen. Wie wär's mit einem Espresso? Außerdem versuchte er, sie für einen Spaziergang zu erwärmen (Ziel: Maxwells Privatgemächer).

Nichts beeindruckte sie. Sie sagte nur, er solle beim Thema bleiben und nicht ständig ablenken, bitte. Sie referierte weiter.

Eins stand fest - dieses Mädchen war bestürzend intelligent und kaltschnäuzig. Maxwell wusste; keine Masche, die bei anderen Mädchen zog, würde bei ihr was bewirken. Nein - da musste ein anderes Kaliber aufgefahren werden.

"Soso", sagte er, "du hast es dir also zur Aufgabe gemacht, Ghouls zu jagen?"

Integra seufzte entnervt. Dieser Kerl war ekelhaft höflich und eine Total-Null. Sein geheucheltes Interesse war doch wieder nur schlecht getarntes Balzverhalten (das einzige Verhalten, das er überhaupt an den Tag zu legen schien).

"Das stimmt", sagte sie kühl.

Maxwell grinste ihr zu. Jetzt kam die Trumpfkarte. Das würde selbst diesen kleinen, arroganten, blonden Eisklotz die blauen Augen aufreißen lassen.

"Weißt du", er beugte sich zu ihr vor und senkte die Stimme zu einem konspirativen Flüstern, "weißt du, was ein Regenerator ist?"

"Nein." Integra runzelte die Stirn. "Nie gehört."

"Ah!" Maxwell heuchelte Bestürzung. "Und DU leitest die Hellsing-Organisation!? Lieber Himmel! Reizend", Maxwell lachte spöttisch. "Selig sind die Unwissenden."

"Was?" fragte Integra verwirrt.

"Na!" Maxwell sah sie tadelnd an, legte die sorgfältig manikürten Fingerspitzen aneinander und wölbte die rechte Braue. "Die Bergpredigt! Liest du denn nicht in der Bibel, meine Kleine?"

Integra wölbte die linke Braue. "Nicht, wenn ich wissen will, was ein Regenerator ist, dann nicht."

Sie schwiegen eine Weile.

"Was ist denn nun ein Regenerator?" Integra ballte die Fäuste.

"Oh, natürlich", Maxwell erhob sich und kam um den Tisch herum auf sie zu. "Diese Wissenslücke schreit danach, gefüllt zu werden. Da kann ich dir behilflich sein, meine Kleine..."
 

Walter und Pater Ronaldo standen vor Maxwells geschlossener Bürotür und belauerten sich gegenseitig. Von Integras und Maxwells Gespräch hatten sie bislang nur unverständliches Stimmengemurmel gehört. Bis jetzt - denn nun sagte Integra drinnen im Büro deutlich vernehmbar: "... und übrigens bin ich nicht Ihre "Kleine" und nehmen Sie Ihre Hand da weg."

Das war der Moment, in dem Walter sich (bei dem Versuch, Maxwells Bürotür einzurennen) die Schulter auskugelte, und Pater Ronaldo so gar kein Mitleid mit ihm hatte.
 

Wegen dem Gepolter und Tumult, den Walter und Pater Ronaldo vor der Bürotür veranstalteten, runzelte Maxwell die Stirn.

"Komm mit", sagte er zu Integra. "Ich will dir etwas zeigen. Na, komm - du möchtest doch wissen, was ein Regenerator ist, nicht wahr?" Integra stand zögernd auf. Maxwell wies mit einer leichten Verbeugung auf eine Seitentür, die aus dem Büro hinausführte. Integra sah ihn misstrauisch an. Maxwell lächelte. Mit einem ähnlichen Lächeln hatte seinerzeit ein gewisser Wolf ein gewisses Rotkäppchen angelächelt.
 

Ein langer dunkler Gang, der in einer länglichen, irgendwie dämmrigen Kammer endete. Nein, "Kammer" war das falsche Wort - vielleicht war es auch ein Saal - Integra konnte keine Raumdecke erkennen.

"Nun, meine Kleine - oh, Lady Hellsing", verbesserte Maxwell sich, gönnerhaft grinsend, als ihn ein blauer Blitz aus ihren Augen traf, "was nun kommt, ist nichts für schwache Nerven." Er schauderte hingebungsvoll. "Noch kannst du zurückgehen. Zu deinem Butler."

"Von wegen", schnaubte sie. "Ich bin genauso abgebrüht wie du."

Maxwell lächelte spöttisch. Und doch - irgendwie imponierte ihm die Kleine. Ein bisschen. Sie schien wirklich keine Angst zu haben. Sie zeigte nur kühles, rationales Interesse.

"Was ist denn nun ein Regenerator?" fragte Integra erneut und schon recht ungeduldig. "Ist das so eine Art künstlich erschaffener Vampir - erschaffen zur Bekämpfung von Ghouls? Was versprecht ihr euch nur von solchen nachgemachten Kreaturen?"

"Nachgemachte Kreaturen?" wiederholte Maxwell, höflich schockiert über soviel Ignoranz, "Mädchen, das sind alles Profis."

Der Profi, der jetzt auf sie zukam, war sehr groß, trug ein langes, schlichtes Gewand und hatte sehr kurze, sehr blonde Haare. Und eine lange Narbe auf der linken Wange.

"Das", sagte Maxwell feierlich, "ist ein Regenerator."

"Das ist ein Priester", sagte Integra. "Oder so was ähnliches."

"Wohl eher so was ähnliches", entgegnete Maxwell. "Er wird dir nichts tun. Ich bin ja bei dir. Allerdings solltest du nicht unhöflich zu mir sein, das hat er nicht gern..."

Der Priester/Regenerator war bei ihnen angelangt und sah auf Integra herab mit dieser Grimasse, die er für ein Lächeln hält.

"Dies ist Alexander Anderson", sagte Maxwell. "Anderson, darf ich vorstellen - Lady Integra Hellsing. Sie leitet die Hellsing-Organisation." Die beiden Männer grinsten sich zu.

"Was genau ist ein Regenerator?" fragte Integra. Maxwell sah sie an. Dann sah er Anderson an. Er war noch nie in die Verlegenheit geraten, erklären zu müssen, was Anderson eigentlich war.

"Saugt er zum Beispiel Blut?" erkundigte Integra sich geduldig, wie eine Lehrerin, die sich mit einem besonders verstockten Kind befasst.

Maxwell blinzelte verwirrt. "Also... hin und wieder ... tut er das wohl." (Nein, er würde Anderson das jetzt nicht fragen! Diese Blöße würde er sich hier und jetzt nicht geben. Verdammt, warum wusste er das eigentlich nicht? Es konnte ja niemand damit rechnen, dass ihm eines Tages irgendeine englische Protestanten-Göre so etwas fragen würde!!!!)

"Ist er unsterblich?" fragte die Protestanten-Göre weiter.

"Wie man's nimmt", sagte Maxwell ausweichend.

"Was?" fragte Integra streng.

"Naja", Maxwell lachte verlegen, "beim Unsterblichsein, da gibt's so 'ne und solche..."

"Du weißt es nicht", stellte Integra fest.

Anderson wusste nicht genau, was hier abging - er wusste nur, dass sein Chef dabei war, sich schrecklich zu blamieren. Vielleicht sollte er diesem nervtötenden kleinen Ding mal gehörig...

Er wandte sich verwirrt um. Das nervtötende kleine Ding hatte damit begonnen, mit gerunzelter Stirn um ihn herum zu gehen. Anderson fühlte sich, wie ein Objekt unter einem Mikroskop. Dann stand sie direkt vor ihm und starrte ihm in die Augen.

"Keine roten Augen", murmelte sie. Und dann wagte sie es, ihre Hand nach ihm auszustrecken und seine Oberlippe mit Daumen und Zeigefinger ein Stück hochzuziehen. Er war so überrascht, dass er es geschehen ließ. Integra betrachtete seinen linken Fangzahn. (Pah, Alucards Zähne waren deutlich länger...)

Anderson war empört. Er kam sich vor wie im Zoo. Er ließ Maxwell - auf italienisch - wissen, dass er die Schnauze voll habe und nun gehen werde. Nach einem längeren mit lateinischen Sprüchen durchzogenen Meinungsaustausch verschwand Anderson tatsächlich.

Maxwell räusperte sich. Er hatte sich von Anderson heute etwas mehr versprochen.

Aber - keine Schwäche zeigen vor dieser Hellsing-Göre. Vielleicht war es ganz gut, wenn sie Anderson und seine wahren Kräfte und Fähigkeiten nicht einschätzen konnte.

Er wandte sich Integra zu. "Ich hoffe, das war jetzt nicht zu gruselig für dich."

"Klar doch, padre", antwortete sie. "Latein finde ich wahnsinnig gruselig. Außerdem habe ich auch einen."

"Einen was?"

"Einen Vampir. Willst du ihn sehen? Ich ruf ihn."

"Ja, ist gut." Maxwell lachte. Er war ein bisschen enttäuscht von dem Mädchen. Er hatte nicht gedacht, dass sie so kindisch sein könnte und nun behauptete, ebenfalls einen Vampir zu haben. Er hatte die Akten gründlich studiert. Es gab Gerüchte, dass Hellsing früher über einen Vampir in den eigenen Reihen verfügt haben sollte - aber dieser sagenhafte Vampir war seit mehr als 20 Jahren spurlos verschwunden. Wahrscheinlich hatte es ihn überhaupt nie gegeben. Das Mädchen war verwirrt. Wahrscheinlich hatte Anderson ihr doch einen größeren Schrecken eingejagt, als man ihr ansah.

"Ruf ihn, Mädchen. Ich bin sehr gespannt."

Sie nickte. "Ich hab ihn gerufen. Mit meinen Gedanken."

"Und", Maxwell lachte noch immer, "wo ist er, dein Vampir?"

"Steht hinter dir."

Maxwell lächelte abfällig, drehte sich aber um - und schaute direkt auf ein sehr breites Grinsen mit sehr spitzen Fangzähnen. Maxwell starrte das Grinsen an, wie jemand, der im Kopf Fahrenheit in Celsius umrechnet, während sein Haus abbrennt.

Alucard lachte. Es klang fast herzlich. Maxwell betete innerlich alles herunter, was ihm einfiel. In seinen Augen spiegelte sich die Erkenntnis, dass man ihn ausmanövriert hatte. Jetzt hatte er nur noch einen Wunsch - lebend hier rauszukommen.

"Das ist Alucard", stellte Integra ihren Vampir vor. "Maxwell - sag hallo zu Alucard."

"Hallo Alucard", knirschte Maxwell. Er raffte sich zu einem schwachen Abglanz seiner üblichen Arroganz auf: "Lächerlicher Name", sagte er.

Alucard zuckte mit den Schultern. "Maxwell gefällt mir auch nicht besonders, und dein Benehmen erst recht nicht. Kleinen Mädchen Angst einjagen, das bereitet dir Vergnügen, ja?"

"Ich hatte keine Angst", schmollte Integra. "Und kleines Mädchen hab ich auch überhört!"

"Aber genau das bist du - eine alberne kleine Gans!", zischte Maxwell. "Du glaubst doch nicht im Ernst, Iscariot und Hellsing könnten jemals zusammenarbeiten!? Wie hirnverbrannt kann man..."

"Maxwell", Alucard trat noch einen Schritt näher, seine und Maxwells Nase berührten sich fast, "du fängst an, mich zu langweilen. Und das ist gefährlich.

1) nennst du meine Herrin weder "Gans" noch "albern" und 2) haben wir es uns sowieso anders überlegt - wir werden NIEMALS mit Iscariot zusammenarbeiten, kapiert?"

Doch bei seinem letzten Wort sah er nicht Maxwell, sondern Integra an. Sie nickte schuldbewusst. Maxwell, der das gesehen hatte, wollte schon wieder mit Grinsen anfangen, doch Alucards blutrote Augen tauchten direkt vor seinen Augen auf.

"Alles geschnallt, Maxwell?" fragte Alucard. "Passte das noch in dein mit Oblaten vollgestopftes Hirn?"

Maxwells delikat geschwungene Nasenflügel bebten.
 

Und wenig später trennten sich ihre Wege. Integra war zu Walter zurückgekehrt, der sich fragte, was in der Zwischenzeit vorgefallen sein mochte. Integras Augen sprühten förmlich Funken und Signore Maxwell wirkte etwas blass, als sei ihm irgendwie übel.

"Maxwell", hatte Integra zum Abschied zu ihm gesagt, "ich hoffe, die Teufel des Stolzes, der Geilheit und der Blödheit werden dich fressen."

Walter, Maxwell und Pater Ronaldo waren einigermaßen sprachlos.

Nur jemand Unsichtbares, jemand mit einem roten Mantel und roten Augen wurde von lautlosem Gelächter geschüttelt.
 

---------
 

Der heutige Maxwell seufzte. Lady Hellsing... Sie war ein sprödes kleines Biest gewesen. Dann war sie ein sprödes großes Biest gewesen.

"Sie", sagte Maxwell laut, wie um sich selbst davon zu überzeugen, "verkörperte alles, was ich an Männern nicht mag. Farewell, Integra", murmelte er.

Dann seufzte er noch mal.
 

PS. Danke, dass ihr dieses extrem lange Kapitel so tapfer durchgestanden habt! *verbeug*

Das nächste Kapitel wird wieder ein schönes, "pures" *g* Integra x Alucard-Kapitel! ^_____^



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (20)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Xell
2005-02-08T16:43:08+00:00 08.02.2005 17:43
Dieses Kappie war mal wieder einfach genial. Besonders Alucard Komentare und das Treffen von Klein-Integra und Maxwell waren wirklich saukommisch. Ich stell mir gerade Maxwalls blödes Gesicht bildlich vor als Alucard hinter ihm stand... ^_^
Hey ich liebe deine FF und deinen Sinn für Humor! Mach bitte ganz ganz schnell weiter! Ich hoffe mal dass es sich noch mehr solche witzigen Treffen ergeben. ^_^
Von: abgemeldet
2005-02-06T08:25:10+00:00 06.02.2005 09:25
*lol* saugeil! Am besten gefielen mir die Vaterschaftsanzeigen *gg*! Schreib schnell weiter und das nächste Kapitel darf ruuuuuuuuuuhig nochmal so lang werden *gg*!
Von: abgemeldet
2005-01-30T18:32:02+00:00 30.01.2005 19:32
Das Kapitel war mal wieder einfach nur genial, ich kann mich da einfach nur allen anderen anschließen:
klasse Schreibstil
herrlicher Humor
super Ideen
Ich freu' mich ganz doll aufs nächste Kapitel!
Von:  Integra-sama
2005-01-29T11:23:31+00:00 29.01.2005 12:23
Was soll ich bloß dazu sagen,... Wie wär's mit hypermegasupergeil? Echt einfach toll, ich selten so gelacht! Die Dialoge waren zutreffend, du schaffst es wieder Spannung aufkommen zu lassen. Ich kann es kaum erwarten das nächste Kapitel zu lesen! Also schreibt ganz weiter! Großes Bussi ^_^
Von: abgemeldet
2005-01-28T19:10:40+00:00 28.01.2005 20:10
Nun was soll ich dazu sagen?
Mir fällt soetwas ein, wie:
Super, megageiles, teilweise lustiges Kapitel!!!
Das war ja so was von geil!
Am besten waren die Dialoge und als du das Treffen zwischen der jungen Integra und dem, ähm Maxwell beschrieben hast.
Schreib gaaaaaaaaaaanz schnell weiter!!!!
Von:  Kaen
2005-01-28T18:12:27+00:00 28.01.2005 19:12
Klasse, wie immer! Aber die anderen haben Recht, es hätte wirklich noch länger sein können. Ich bin schon voll auf die zwei noch kommenden Wendungen gespannt. Du hast doch hoffentlich kein trauriges Ende im Sinn! Naja, als nächstes kommt ja erst mal das AxI-Kapitel! *freu*
Von: abgemeldet
2005-01-28T13:47:22+00:00 28.01.2005 14:47
Das war cool!!!!!
XD
ich liebe es wenn Integral und Maxwell sich verbal kloppen!!!!
Von: abgemeldet
2005-01-28T13:13:42+00:00 28.01.2005 14:13
Hab's grad zum zweiten Mal durchgelesen... ^________^ Sooooooo klasse!!!
"Ich hoffe, die Teufel des Stolzes, der Geilheit und der Blödheit werden dich fressen." --> Herrlichst!
Madre santissima ;), wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Maxwell (!!!) mir mal leid tun würde... Integra ist echt cool!
Als nächstes kommt ein AxI-Kapitel?!? O_O Waaaaah!! Bitte möglichst bald!!!
Von: abgemeldet
2005-01-28T08:39:10+00:00 28.01.2005 09:39
weitaaaaa.....bitte. das war doch gar nicht so lang ich hätte auch die doppelte ladung "ertragen"....ach ja....das kap is supiiiii...
kisses and hugs
Brazi
Von:  Yusuka_Chan
2005-01-27T20:19:17+00:00 27.01.2005 21:19
Es hätte noch viel länger sein können^^ Ich fand das ja so geil, wo Maxwell Integras Fragen über "seinen" Regenerator nicht beantworten konnte *sich schüttel* Sost mag ich aj keine rückblicke oder sowas, überlese sie einfach, weil sie nicht wirklich zur Handlung gehören. Aber dieser war GENIAL! Mit Witz, Charme und einigen Interesannten Interpretationen. Mach bitte schnell weiter, ok?


Zurück